Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Hohenzollerfsche Heimat<br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S.Acker, Gammertingen<br />
Postverlagsort Gammertingen<br />
Nummer 1 Gammertingen, Januar 1958 I 8. Jahrgang<br />
2lllen VFiitavbzitzm unö liefern<br />
Rottes Sriefcen unb ©egen im 7al)t:e 1958!<br />
I. Teil Der Weithart — Eine heimatkundliche Wanderung<br />
Der Weithart und sein Name<br />
Von Pfullendorf, der alten freien Reichsstadt, bis Mengen,<br />
der geschichtlich ebenso bedeutsamen Donaustadt, gesäumt im<br />
Westen vom Andelsbach und im Osten vom Ostrachtal, lagert<br />
sich der große Weithart-Forst mit seinen dunklen Tannenwäldern<br />
breit in die Moränelandschaft des hohenzollerischen<br />
Oberlandes hinein. Ein Kranz von freundlichen großen und<br />
kleinen Dörfern, von Weilern und Gehöften windet sich um<br />
den weitgedehnten Forst. Weithin bekannte Gnadenorte: die<br />
Wallfahrtskirche Maria Schray bei Pfullendorf zur Unbefleckten<br />
Empfängnis und die Wallfahrtsstätte zur Schmerzhaften<br />
Mutter Gottes bei dem Oelberg in der Pfarrkirche zu<br />
Mengen sind ihm als hütende Vorposten vorgelagert. Die<br />
Glocken des Benediktinerinnenklosters Habsthal lassen ihr<br />
frommes Läuten in seine Einsamkeit hineinklingen, der<br />
Schöpfung den Gottesfrieden zu verkünden. Auf den Hängen<br />
des Ostrachtales mahnt ein Denkmal an die große Schlacht<br />
von 1799 zwischen österreichischen und französischen Heeren,<br />
deren Waffengeklirr und Kanonengedröhn die friedsame<br />
Ruhe dieser Landschaft einst schreckten. Hier erfüllte sich<br />
vor Jahrhunderten die Geschichte der Adelsgeschlechter von<br />
Leiterberg, Magenbuch, Ostrach und Rosenowe. Weltentrückte<br />
Eremiten haben hier einst in stillen Klausen ihr Leben Gott<br />
und der Einsamkeit geweiht. Um die Wald- und Weidfegründe<br />
gab es freilich auch Jahrhunderte lang Streit und<br />
Feindschaft unter den Menschen um Berechtigungen der verschiedensten<br />
Art. Manches Martel erzählt von Unglücksfällen,<br />
vom Tod unter stürzenden Bäumen, von Ueberfällen<br />
und Mordtaten wildernder Gesellen, ebenso wie ein Sühnekreuz<br />
auf der Ruiiinger Feldgemarkung an der Straße nach<br />
Hausen von einer sagenhaften Mordtat im Schwedenkrieg.<br />
Der Silberspiegel eines verträumten Sees ziert, ein opalisierender<br />
Smaragd, den samtgrünen Saum des Waldes. Der<br />
Weithart ist ein Reich der Einsamkeit, mit verschollenen<br />
Gründen, Steilhängen, stillen Halden, mit Flut- und Wogengefällen<br />
der Wipfel, geheimnisvoll und ehrfurchtgebietend,<br />
dem einsamen Wanderer begli' ;kende und erlösende Waidruhe<br />
spendend, mit einem Füllhorn reicher Gaben zu allen<br />
Jahreszeiten. Wer ihn liebt und von ihm mehr erlauschen<br />
will, mag ihn im folgenden einmal kreuz und quer durchstreifen,<br />
freilich in der Erkenntnis, daß ein Streifzug keine<br />
volle Durchforschung dlises großen, geheimnisvollen Waldes<br />
sein kann und auch nicht sein will<br />
Der Weithart ist nicht, wie bei der Deutung des Namens<br />
vielfach angenommen wird, der „weite" Hart. Der Name<br />
„Hart" bedeutet zunächst Wald, vielfach auch Waldweide,<br />
eine Bezeichnung, die unserem Weithart, geschichtlich gesehen,<br />
mit Recht zukommt. „Wit" oder „Weit" ist ebenso wie<br />
„Hart" die uralte Bezeichnung für Holz oder Wald. Dem<br />
Volke war diese Bedeutung des Wortes „Weit" schon nicht<br />
mehr bekannnt, als es bei der Zusammensetzung der beiden<br />
Worte zu Weit-Hart einen Wald-Wald gemacht hat. Vielleicht<br />
hat aber ;abei die Erkenntnis mitgewirkt, daß der Weithart<br />
kein Wald im landläufigen Sinne ist, sondern daß er wegen<br />
seiner ungewöhnlich großen Ausdehnung die Bezeichnung<br />
Wald-Wald mit Recht verdient.<br />
Zur Siedlung<br />
De." Weithart hat auf die Siedlung in unserer.i Gebiet bestirr) -<br />
menden Einfluß ausgeübt. Während in dem Gebiet nördlich<br />
der Donau, z. B. im Laucherttal, ein ingen-Ort sich an den<br />
andern anreiht, finden sich ingen-Orte südlich der Donau<br />
nur im breiten Tal der Abiach, dessen saftige Wiesengründe<br />
die Siedler in der alemannischen Siedlungsperiode angezogen<br />
haben: Menningen, Göggingen, Zielfingen, Rulfingen, Mengen<br />
(Magingen) und Herbertingen. Weiter südlich, im Weithartgebiet,<br />
fehlt jede ingen-Siedlung. Erst das obere Andelsbachtal<br />
weist — südlich des Weitharts — mit Denkingen wieder<br />
einen alemannischen Siedlungsort auf. An unserm großen<br />
Waldgebiet, das früher ohne Zweifel noch ausgedehnter<br />
war als es heute ist, stauten sich die Siedlungsgebiet suchenden<br />
Sippen. Sie hatten keine Lust, den großen Wald zu<br />
durchdringen. Solches Land konnte sie nicht locken. Dies um<br />
so weniger, als auch ein großes Sumpfgebiet, das arm an<br />
jagdbaren Tieren war, sich über den Süden unseres Landes<br />
ausbreitete, dessen Ueberreste überall in den Teichen, Torfmooren,<br />
Rieden, Sumpfwiesen — südlich des Weitharts das<br />
Pfrungener Ried — heute noch, wenn auch nicht mehr so<br />
stark wie in der Zeit der ersten Besiedlung zu Tage treten.<br />
Diese Gegenden um den großen Wald wurden erst später besiedelt,<br />
als die Zeit der ingen-Siedlung längst vorbei war.<br />
Es möchte lockend sein, in unserm Wald auch nach abgegangenen<br />
Siedlungen zu suchen. Doch ward diesem Suchen<br />
bis heute kein Erfolg beschieden. Nur unbestimmte Hinweise<br />
lassen vermuten, daß im nordöstlichen Weithartdistrikt links<br />
der Straße-Krauchenwies-Habsthal und rechts der Straße<br />
Mengen-Pfullendorf eine abgegangene Siedlung „Goldbach^,<br />
wohl ein Gehöft am gleichnamigen, heute nicht mehr laufenden<br />
Bächlein zu suchen ist. Vergebens sucht man auch<br />
eine Siedlung „Wernshausen", die irgendwo einst in unserem<br />
Weithart gestanden haben soll.<br />
Bodendenkmale<br />
In die mittelalterliche Besiedlungszeit weisen als interessante<br />
Zeugnisse der damaligen Hochäcker, die im Distrikt<br />
Pfaffenwald zwischen Hausen und Rulfingen und an der<br />
Straße Hausen-Krauchenwies im Zaunhölzle, einem westlichen<br />
Ausläufer des Weitharts, liegen. Die Hochäcker sind<br />
von den damaligen Siedlern durch Anhäufung des nur in<br />
einer spärlichen Schicht vorhandenen fruchtbaren Humus mit<br />
Hilfe des Pfluges zu langgestreckten Hochbeeten angelegt<br />
worden, um auf dem sonst schlechten Untergrund ein für<br />
den Ackerbau ertragfähiges, tiefgründiges Hocnbeet zu erhalten.<br />
Die Hochäcker waren mindestens 30 m, häufiger 100<br />
bis 200 m lang, 20 bis 50 jkm hoch und 8 bis 10 m breit. Meistens<br />
waren sie gleichmäßig breit, sie konnten aber auch<br />
spitzlaufend sein.<br />
Ein anderes bedeutsames Bodendenkmal weist ebenfalls in<br />
die Frühgeschichte der Besiedler. Es ist der Burgsta 'l am<br />
S a m im Zaunhölzle beim Antonsbrunnen am nördlichen<br />
Ende des Andelsbachtales auf Krauchenwieser Gemarkung.<br />
Das Zaunhölzle ist ein vom nördlichen Weithart nach Westen<br />
zwischen Hausen und Krauchenwies vorspringendes, zungenförmiges<br />
Waldstück, also ein von drei Seiten von Aeckern<br />
und Wiesenland gesäumter Waid, der als Saumwald oder in<br />
alter Schreibweise als Saunhölzle bezeichnet wird. Beim Abfall<br />
der Hochebene ins Andelsbachtal unmittelbar oberhalb<br />
des Antonbrunnens ist ein schmaler Bergvorsprung durch<br />
einen Wall und Graben von der rückwärtigen Hochebene getrennt.<br />
Der Bergvorsprung zeigt deutlich an zwei Seiten von<br />
Menscnennänden geschaffene steile Abfälle, die ein Besteigen<br />
des Berges unmöglich machen sollten. In einem Güter- und
2 H.Q'H E:N ZOLtERISCHE HEIMAT 1 ahr6'ang 1958<br />
Einkünfte-Verzeichnis der Krauchenwieser Dorfherren vom<br />
Januar ±468 ist der .tsergvorsprung als „Burgstall am Sam"<br />
bezeicnnet. bam ist ein begraster .fiatz vor Ackerland, wo<br />
Wiesen und Aecker zusammenstoßen. In dem Burgstall ist<br />
nacn der Form seiner Anlage eine Fliehbarg der früiigeschichtiichen<br />
Zeit zu sehen, die den .Bewohnern der Umgebung<br />
bei Bedrängnis durch Feinde als Zufluchtsort diente.<br />
Vermutlich hat sie auch noch im früheren Mittelalter dem<br />
gleichen Zweck gedient.<br />
Weide und Wald<br />
Der Weithart war Jahrhunderte lang gemeinsame Allmende<br />
der Städte Mengen und Pfullendorf und der Dörfer<br />
Magenbuch, Lausheim, Mottschieß, Kosna, Ruifingen, Krauchenwies,<br />
iiausen und Schwabiishausen und des Klosters<br />
Habsthal. Die mehrhundertjahrige gemeinsame Nutzung dieser<br />
gemeinsamen Mark vor allem als Weideland hatte schon<br />
•— nach Felix von Hornstein: Wald und Mensch, Waldgeschichte<br />
des Alpenvorlandes Deutschlands — in den Jahren<br />
1522, 1593, 1602 und 1622 zu Verhandlungen, Vergleichen, Rezessen<br />
und Ordnungen infolge der Verwüstungen des Waldes<br />
geführt. Besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg schien<br />
der Wald in Abgang zu kommen. Damals hatte die Verödung<br />
ein ungewöhnliches Ausmaß erreicht. Eine Eichelordnung von<br />
1521 und die wiederholte Erwähnung der Eiche in den Ratsprotokollen<br />
von Pfullendorf weisen nach, daß die Eiche, wie<br />
es einem Hart entspricht, als geschonter Mastbaum einen<br />
großen Anteil an der Bestockung des Weitharts hatte. Andererseits<br />
wissen wir aus einer Harzerordnung für die nahe<br />
Gemeinde Spöck aus dem 16. Jahrhundert und aus Rechnungen<br />
des Spitals Pfullendorf von 3 597—1598, daß damals<br />
schon im Weitnart geharzt worden ist. Das Harzen gab wiederholt<br />
Anlaß zu forstrechtlichen Streitigkeiten. 1674 harzte<br />
u. a. Sebastian Fischer, Harzer zu Hausen a. A., in den Ostracher<br />
Wäldern des Klosters Salem. 1688 beschwert sich<br />
Salem wegen des Schadens durch Harzen. 1782 beruft sich<br />
Pfullendorf auf seine alten Rechte im Weithart, nach dem<br />
Rezeß vom Jahre 1740, von dem unten die Rede sein wird,<br />
und folgert daraus das Recht des Harzens, das allerdings im<br />
Rezeß nicht genannt ist.<br />
In den letzten Jahrhunderten hat, durch die Verödung<br />
begünstigt, auch die Forche weiter zugenommen, wie ebenfalls<br />
aus Pfullendorfer Ratsprotokollen hervorgeht und wie<br />
auch aus Waldnamen wie „Fohrenstock" und „Fohrenquelle"<br />
bei Rosna zu erkennen ist; im Laufe der Zeit ist die Forche<br />
aber leider stark zurückgegangen. Erst die Anlegung von<br />
Forchen-Jungkulturen in jüngster Zeit berechtigt zu der<br />
Hoffnung, daß Forchen, auch Föhren oder Kiefern genannt,<br />
nach Jahrzehnten ihre Wipfel wieder kühn dem Sonnenlicht<br />
entgegen tragen werden. Man soll aber nicht glauben, unser<br />
großer Forst bestehe nur aus Fichten und Forchen. Da finden<br />
wir an Laubbäumen in prächtigem Wuchs Eichen, Weiß- und<br />
Rotbuchen, dazu Ahornbäumc, Aspen, Birken, Eschen und<br />
Erlen.<br />
Schon im Jahre 1521/1522 ist um das Weiderecht im Weitnart<br />
zwischen Weithartgenossen, der Stadt Pfullendorf, den<br />
Klöstern Salem und Habsthai, den Gemeinden Hausen,<br />
^rauchenwies, Ruifingen, Rosna, Schwäblishausen, Mottschieß,<br />
Leffensweiler (Levertsweiler) und Laussen (Lausheim) ein<br />
Streit entstanden, der am 2. Mai 1522 geschlichtet wurde.<br />
Am 6. Dez. Ib68 protestierten die an den Weithart angrenzenden<br />
Gemeinden gegen den Grafen von HohenzoHern-Sigmaringen<br />
wegen Schmälerung ihrer Holzrechte.<br />
Der Weithart-Rezeß 1740<br />
Der bedeutendste geschichtliche Aufschrieb über den Weithart<br />
ist der schon erwähnte Weithärt-Rezeß vom 30. Mai<br />
1740. Die Niederschrift über den Rezeß, der das Ergebnis der<br />
vom vorderösterreichischen Oberamt in Stockach mit den<br />
Weithart-Genossen geführten Verhandlungen über die „Abteilung<br />
des Waldes" lestlegt, enthält einleitend die Bemerkung,<br />
daß von gutherzigen, christlichen Leuten, M .nd zwar<br />
einer Jungfrau von Riedlingen mit Zunamen Wiidtin der<br />
Weithart zwischen Pfullendorf und Mengen mit allen Nutzbarkeiter<br />
an Weide, Trieb und Tratt, Beholzung und Ackerreich<br />
an die Städte Pfullendorf und Mengen, das Gotteshaus<br />
Habsthal und die Gemeinden Hausen, Krauchenwies, Mottschieß,<br />
Ruifingen, Lausheim, Levertsweiler, Schw' Dlishausen<br />
und Rosna vergeben wurde, Weiter wird gesagt, in diesem<br />
Wald
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 3<br />
des württembergischen Oberlandes und wie der in den Jahren<br />
1874/76 trockengelegte Egelsee auf der nahen Gemarkung<br />
Hausen ein Ueberbleibsel des abgeschmolzer.en Gletschers<br />
der Rißeiszeit, sondern eine zur Fischzucht geschaffene künstliche<br />
Anlage des Klosters Salem, dem in der Zeit der geistlichen<br />
Herrschaften bis 1803 das Ostracher Amt und in diesen<br />
neben den Dörfern Ostrach, Bachhaupten, Einhart, Eschendorf,<br />
Kalkreute, Günzenhausen, Levertsweiler, Magenbuch,<br />
Tafertsweiler, Spöck, das Sandhäusle (Junghof) auch Lausheim<br />
gehörte. Noch heute trägt das Tor zur Amtsscheuer in<br />
Lausheim das Wappen des Klosters Salem. Der Lausheimer<br />
Weiher, der von mehreren Quellbrünnlein der wasserreichen<br />
Lausheimer Gemarkung — diese liefert auch das Wasser für<br />
die Wasserversorgung der Gemeinde Hausen — überwiegend<br />
von dem aus dem Gewann „Schafteich" kommenden Bächlein<br />
gespeist wird, war ursprünglich viel größer, als er<br />
heute ist.<br />
Im heutigen Walddistrikt „Altweiherhau" lag ehemals der<br />
obere Weiher, der durch einen heute noch sichtbaren Damm<br />
vom Hauptweiher getrennt war. Bei Bernweiler lag der untere<br />
Weiher, der aber wie der obere verschwunden ist. Der Lausheimer<br />
Weiher kam bei der Auflösung des Salem'schen Amtes<br />
Ostrach, der sogenannten „Oberen Herrschaft", durch die<br />
Säkularisation 1803 in den Besitz des Fürsten von Thum<br />
und Taxis. Im Jahre 1853 ist er durch Kauf an die Familie<br />
Dreher in Magenbuch übergegangen, in deren Besitz er heute<br />
noch ist. Auch die Weihermühle, eine im Jahre 1751 vom<br />
Kloster Salem und der Familie Andelfinger in Lausheim<br />
erbaute Mahlmühle am Weiherausfluß gehörte zunächst dem<br />
Kloster Salem, dann der Thum- und Taxis'schen Herrschaft<br />
und wurde dann mit dem Weiher von Johann Georg Dreher<br />
in Magenbuch erworben. In den achtziger Jahren des vorigen<br />
Jahrhunderts ist sie stillgelegt worden. Jeder Freund<br />
der Heimat wird den Zerfall der Weihermühle, deren Bauart<br />
und charakteristisches Dach ihre ehemalige, schlichte Schönheit<br />
heute nur noch ahnen läßt, herzlich bedauern.<br />
Eine prachtvolle Zierde nicht nur des Weitharts, sondern<br />
der weiten Landschaft, ist die mächtige Weiherbuche neben<br />
der Weihermühle. Die dreihundertjährige, über 26 m hohe<br />
Buche mit 5 m Umfang und 21 m Kronendurchmesser, deren<br />
Aeste mantelartig fast bis auf den Boden reichen, ist als<br />
„eine der mächtigsten Naturerscheinungen des Oberlandes"<br />
vom Naturschutz in seine Obhut genommen. So lieblich das<br />
verträumte Gewässer des Lausheimer Weihers ist, hat es<br />
doch im Laufe der Zeiten manches Todesopfer gefordert,<br />
wie ein zu stillem Gedenken mahnendes Gedenktäfelchen am<br />
Stamm der Weiherbuche erzählt.<br />
Wer dem Dorf Lausheim selbst mit seinen stattlichen<br />
Bauernhäusern noch einen Blick gönnen will, findet dort<br />
die St. Rupertus-Kapelle als ein schlichtes, aber beachtenswertes<br />
Kunstdenkmal, das — ebenso wie die St. Michaelskapelle<br />
zu Rosna — ins 12. Jahrhundert zurückgeht.<br />
Der Antonsbrunnen<br />
Unterhalb des Dorfes Hausen liegt auf der Krauchenwieser<br />
Gemarkung im Zaunhölzle, unweit der Fliehburg, am<br />
rechten Talrand des Andelsbaehes in stiller Waldeinsamkeit<br />
der Antonsbrunnen. Ein schlichtes Denkmal leben einer aus<br />
einem Felsen sprudelnden Quelle, dessen silbrige Wässerlein<br />
in einem einfachen, der umgebenden Natur angepaßten Brunnen<br />
gefaßt war, zierte vor Jahren den liebevoll gepflegten<br />
Buchenhain; eine in Relief geschnitzte Kreuzigungsgruppe,<br />
darunter das Datum 17. Juli 1859 und 5. August 1866.<br />
Königin Carola von Sachsen hat die Gedenktafel als Andenken<br />
an die Königin Stephanie von Portugal und dci<br />
Prinzer Anton, oie beide in blühender Jugend von der<br />
kalten Hand des Todes dahingerafften Kinder des Fürsten<br />
Carl Anton von Hohenzollern, ihren fürstlichen Verwandten<br />
geschenkt. Janrzehnteiang war das Waldheim mit dem munteren<br />
Brunnen und den mächtigen Buchen eine entzückende,<br />
sorgsam gepflegte parkähnliche Anlage mit einladenden<br />
Ruhebänken, die gerne von besinnlichen Wanderern aus<br />
Krauchenwies und Kausen besucht wurde. Heute ist der<br />
Brunnen verfallen, das Denkmal verschwunden und der<br />
grüne Rasen verstruppt, und nur der dem Walduistrikt verbleibende<br />
Name Antonsbrunnen erinnert noch an das Waldkleinod<br />
vergangener Tage.<br />
Weithart-Sagen<br />
Zum tlild des Weitharts gehören die Sagen und seltsamen<br />
Geschichten, die der Volksmund von ihm aus vergangenen<br />
Zeiten erzählt. Da ist das böse Gügele-Weib" von Rulfingen,<br />
das ebenso wie: das „Weithart-Weible", eine grimmige Hexe,<br />
seit vielen Jahrhunderten in unserem Forst sein Unwesen<br />
treibt. Der „Kraner-Geist" schreckt eben wie der „Höizle-<br />
Geist" um die mitternächtige Stunde den einsamen Wanderer<br />
im tiefen Waldesdunkel. Die „Goldige Henne", ein Zaubervogel<br />
lockt geld- und goldgierige Menschen in seinen Bann,<br />
und vom „Verzauberten Nonnenkloster" wehen beglückende<br />
Gesänge und Orgelklänge durch die nächtliche Waldesstille.<br />
Der „Schwarze Hund" ist plötzlich einem nächtlichen Gefährt<br />
unheimlicher Begleiter und, so lautlos wie er gekommen,<br />
ist er wie ein Spuk wieder verschwunden. Der „Rote<br />
Hans" von Mottschieß und der „Schwarze Vere" sind geschichtliche<br />
Gestalten, die im Weithart einst als Räuber<br />
Angst und Schrecken verbreitet haben. (Siehe Hohenz. Heimat<br />
1952 Nr. 3 und 1953 Nr. 3.)<br />
Klausen rings um den Weithart<br />
Bei unserer Schau über den Weithart mögen wir in einem<br />
weiten Blick über seinen Waldsaum hinaus noch eine bemerkenswerte<br />
geschichtliche Erinnerung aufleuchten lassen.<br />
Es sind die Klausen, vor Jahrhunderten rings um den Weithart<br />
als stille Stätten religiöser Beschaulichkeit in unsere<br />
Landschaft getupft, denen hier noch ein freundliches Gedenken<br />
gewidmet sei. Da befand sich in Mengen, hart am<br />
oberen Tor, dem späteren Stift = Buchauischen Amtshof —<br />
heute Gasthof zum „Lamm" — eine etwa ums Jahr 1250<br />
gegründete Schwesternklause. In der Klause muß sich echt<br />
frommer und religiöser Geist entfaltet haben, rühmt doch<br />
Bischof Eberhard II. zu Konstanz in einem Huldschreiben<br />
vom 1. Juni 1257 „den aufrichtigen Wandel, die Andacht und<br />
das lobwürdige ehrliche Verhalten der Nonnen." Gleichzeitig<br />
schreibt er ihnen die Regel des Hl. Augustinus vor, „damit<br />
sie ihre Tage in göttlichem Dienst, in gebünrender Zucht und<br />
in Untertänigkeit gegen ihn, den Bischof, und die Kirche zu<br />
Konstanz zubringen und das himmlische Vaterland verdienen<br />
mögen." Zwei Jahre lang blühte noch das Klösterlin zu Mengen,<br />
in dem es zum Dominikaner-Frauen-Konvent ausgestaltet<br />
wurde. Der Wunsch der Klosterfrauen nach unbehelligtem,<br />
geräuschlosem Ordensleben mag Anlaß gewesen<br />
sein, daß sie sich von Pfalzgraf Hugo von Tübingen im Jahr<br />
1259 den Ort „Habisthaal - ^ den dieser und sein Haus als<br />
Oesterreichisches Feudallehen innehatten, als neue Heimatstatt<br />
zuweisen ließen.<br />
Von einem Bruder-Eremiten zu Rosna berichten die Annalen<br />
des Klosters Habsthal. Dieser Eremit, zugleich Schulmeister,<br />
Josef Neubrand aus Munderkingen, ist im Jahre<br />
1747 gestorben. Er scheint, wenn nicht der erste, so doch der<br />
letzte Eremit in Rosna gewesen zu sein. Jedenfalls fehlen<br />
weitere Aufzeichnungen über die Klausen zu Rosna.<br />
Wohl aber blieb im Raum des Weithart-Distriktes das Eremiten-Institut<br />
noch länger bestehen. So hielt beim Beinhaus<br />
auf dem Friedhof zu Pfullendorf Bruder Sebastian Kramer<br />
aus Otterswang bis 1765 die „Armenseelenwacht" Bei<br />
St. Kilian zu Bittelschieß bewohnte Bruder Simon<br />
Strang, geboren in Mengen, seine Klause noch bis 1794. während<br />
Felix Hopfer von Grünmettstetten bei Horb als Wohlfahrts-Eremit<br />
zu Maria-Schray selbst die Kriegswirren<br />
der französischen Revolution noch überlebte. Erst bei dessen<br />
Tod wurde ein Laienmesner aus Pfullendorf dort angestellt.<br />
Der Klause zu Krauchenwies, wo 1779 ein Johann<br />
Georg Geiger als Waldbruder lebte, scheint Kaiser Franz<br />
Josef II., dessen Neuerungen auch dem Kampf ge,yan das<br />
uralte Eremitentum in den österreichischen und schwäbischen<br />
Landen galten ein Enca bereitet zu haben. Der Voiksmund<br />
will wissen, daß sich die Krauchenwieser Klause an dem<br />
Waldessaum auf der Ruifinger Höhe befunden habe,<br />
dem Platz, wo später eine Ziegelei erbaut wurde. Diese Annahme<br />
mag eine gewisse Bestätigung darin finden, daß dort<br />
an der schon längst eingegangenen Köhlerstätte Mauerreste<br />
entdeckt wurden, die in ihren Fundamenten auf eine Einsiedelei<br />
mit einer Kapelle schließen lassen.<br />
Die Weithartklausen bilden, auch wenn sie längst schon<br />
der Geschichte angehören, einen immergrünen Kranz von<br />
Romantik um unserer sagenumsponnenen Weithart. In diese<br />
Erinnerung an die Klausner dürfen wir auch den liebenswürdigen<br />
Pater Benedikt Hänggi (vom Kloster Habsthal) mit<br />
seinem köstlichen Humor einbeziehen, der, 1930 gestorben,<br />
zwar kein Eremit im Sinne unseres geschichtlichen Rückblicks<br />
war, der aber sich selbst durch seine liebevolle Durchforschunf<br />
des Weitharts und sein heimatliches Schrifttum als<br />
„Waldbruder vom Weithart" ein bleibendes Denkmal gesichert<br />
hat.<br />
Der Wald in seiner Schönheit, Landschaft der Heimat, Geschichte,<br />
Volkskunde, Flora und Fauna haben sich auf unserer<br />
Wanderung durch den Weithart zi einem bunten<br />
Mosaik zusammengefügt. Aber als ein Stündchen ansprechender<br />
Heimatkunde möge sich der Streifzug durch unseren<br />
heimatlichen Forst doch gelohnt haben. Josef Mühlebach.
4 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Das Wasenried bei Hanfertal<br />
Dort, wo von der Bahnstrecke Gammertingen-Sigmaringen<br />
ein Geleise nach Sigmaringendorf abzweigt, liegt die einsame<br />
Station Hanfertal. An einem warmen Herbsttage erwartete ich<br />
den nächsten Zug zur Heimfahrt. Lange betrachtete ich die<br />
Schildkröten des tierliebenden Stationsvorstehers. Dann wanderten<br />
meine Gedanken zurück zum 27. Februar 1945. Feindliche<br />
Jagdbomber bewarfen den in Jungnau haltenden Personenzug,<br />
wobei es 25 Tote und 30 Verletzte gab. Auch der<br />
Bahnhof Hanfertal wurde bombardiert. Neben dem Bahnhof<br />
sind heute noch 2 Bombentrichter zu sehen. Zwischen dem<br />
Bahndamm und der Lauchert liegt das von vielen Reisenden<br />
nicht beachtete Wasenried, von dem ich erzählen will.<br />
Längst war das Tal der Lauchert in der Tertiärzeit gebildet.<br />
In der vorletzten Eiszeit schoben sich von den Alpen<br />
Riesengletschermassen über das Donautal nach Norden bis<br />
zur heutigen Station Hanfertal und versperrten der Lauchert,<br />
die einstens in der Richtung gegen das heutige Sigmaringen<br />
floß, den Weg zur Donau. Der Gletscher brachte ungeheure<br />
Geröllmassen mit. (Durch diese Endmoräne fährt die Landesbahn<br />
nach Sigmaringen. Immer wieder rutschen dort die Böschungen.)<br />
Als wärmeres Klima einsetzte, schmolz das<br />
Gletschereis. Das eiskalte Wasser bildete mit dem Lauchertwasser<br />
einen tiefen Kolk. Langsam nagten sich die Wassermassen<br />
durch das klüftige Kalkgestein und schufen dabei<br />
das malerische Bittelschießer Tale. Immerhin blieb ein großer<br />
See zurück, der in den vielen Jahrtausenden langsam verlandete.<br />
An der Stelle des einstigen Sees entstand das heutige<br />
Wasenried. Während der Eiszeit starb das ganze Pflanzenleben.<br />
Nach den Eiszeiten drangen von Westen her Kieinpflanzen<br />
und Bäume wieder in unsere Gegend vor. Seepflanzen<br />
belebten das Seeufer; Blütenstaub der Windblütler fiel in<br />
den jungen See und sank in die Tiefe. Der See wurde immer<br />
kleiner, es entstand ein Moor. Blütenstaub und Pflanzen, die<br />
vom Torf und Wasser zugedeckt wurden, konnten wegen<br />
Luftabschluß nicht verwesen und lagern heute noch dort.<br />
Aus dem Blütenstaub kann man die zugehörige Pflanzenart<br />
bestimmen, und von den Pflanzen läßt sich wieder auf das<br />
einstige Klima schließen.<br />
Der erfolgreiche Naturforscher Dr. Karl Bertsch untersuchte<br />
im Jahre 1926 die Schichten des Wasenriedes und vermittelte<br />
uns ein genaues Bild vom Pflanzenleben und Klima<br />
in der Nacheiszeit. (Der heute 80jährige Gelehrte hat uns<br />
erlaubt, einige seiner wichtigen Forschungsergebnisse unsern<br />
Lesern bekannt zu geben.) Dr. Bertsch führte im Abstand<br />
von je 40 Metern 4 Tiefenbohrungen durch. Hierbei stellte<br />
man zunächst fest, daß das Wasenried alle Moore Süddeutschlands<br />
an Mächtigkeit übertrifft. Unter einer Decke<br />
von 50 cm schwarzer Moorerde liegt eine 9,50 m dicke Riedtorfschicht.<br />
Dieser Riedtorf besteht hauptsächlich aus feinen<br />
Pflanzenwurzeln von Seggen, Farnen, von Moosstengelchen,<br />
Algen und Fieberklee. Bei der mikroskopischen Untersuchung<br />
des Riedtorfes fand man eine Menge Blütenstaubkörner, die<br />
interessante Aufschlüsse gaben. Die ganze Torfablagerung<br />
gliedert sich in eine Kiefernzeit, eine Haselzeit, eine Eichenzeit<br />
und eine Buchenzeit. In der untersten Schicht herrscht<br />
der Blütenstaub der Kiefer vor. Nachdem die Kiefer im<br />
Hanfertal eingetroffen war, breitete sie sich rasch aus und<br />
bildete einen aufgelockerten Wald. Auf den lichten Stellen<br />
siedelten sich bald Haselstauden an. In den Kieferpark rückten<br />
Eiche, Ulme und Linde ein. Die Haselstauden verkümmerten<br />
in diesem Mischwald. Bei 6,50 m Tiefe erscheint<br />
Tännenblütenstaub und bei 6 m der Buchenblütenstaub.<br />
Beides sind Bäume aus dem atlantischen Klima. Die Buche<br />
fand auf dem kalkhaltigen Boden guten Nährstoff und breitete<br />
sich rasch aus. Die angefügte Tabelle gibt uns die<br />
Blütenstaubfunde aus dem 1. Bohrloch in Prozenten.<br />
Dr. Bertsch untersuchte noch mehrere Riede und konnte<br />
dabei die Blütenstaubfunde mit den vorgeschichtlichen Siedlungen<br />
der Menschen vergleichen. Die jungsteinzeitliche<br />
Siedlung Riedschachen bei Schussenried stammt aus der Eiszeit.<br />
Die Einwanderung der Buche fällt an den Schluß der<br />
jüngeren Steinzeit und in die Broncezeit, wie bei der Wasserburg<br />
im Federsee festgestellt wurde.<br />
Tiefe cm<br />
Birke<br />
Kiefer<br />
Blütenstaubtafel vom 1. Bohrloch<br />
Weide<br />
Haselnuß<br />
0)<br />
•s<br />
H Ulme<br />
Linde<br />
Erle<br />
richte<br />
Tanne<br />
Buche<br />
Weißbuche<br />
Ze 1 :' d. abgezählt.Blütenstaubkörner<br />
50 8 19 1 10 7 7 3 6 39 100<br />
100 12 14 1 14 12 1 1 6 4 7 27 1 140<br />
150 7 11 5 12 15 4 7 49 100<br />
200 11 5 1 29 18 3 9 2 1 22 260<br />
250 9 18 6 8 4 7 8 40 100<br />
300 4 16 1 2 7 2 1 10 2 2 53 100<br />
350 2 19 7 5 1 2 10 13 41 100<br />
400 1 13 8 6 1 2 7 5 9 47 1 100<br />
450 2 10 9 5 1 7 6 8 1 51 100<br />
500 4 20 14 6 5 8 3 2 37 100<br />
530 3 9 6 18 3 3 9 21 9 18 33<br />
570 12 14 17 19 3 4 18 1 2 10 100<br />
600 43 1 0,3 16 4 10 24 1 0,3 0,6 300<br />
630 15 16 17 13 2 14 15 7 1 100<br />
650 11 14 27 17 2 12 9 7 1 100<br />
700 9 22 1 18 18 3 17 3 8 100<br />
750 10 9 19 24 2 25 9 2 100<br />
800 4 12 1 42 11 4 15 9 2 100<br />
850 7 36 22 5 1 11 1 17 200<br />
900 9 50 20 3 4 13 1 203<br />
950 2 76 14 0,5 3 0,5 4 176<br />
Quelle: Pollenanalytische Untersuchungen an einem Moor<br />
H rr Schwäbischen A11 Von Karl srtsch. Ravensburg.<br />
Heft r der Veröffentlichungen der S äat . Stelle iür 'Naturschutz.<br />
Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Schwenkel.<br />
Alte Begräbnisstätten in Deutwang<br />
In Deutwang werden Kanalisation und Wasserleitung gebaut.<br />
Auch die Kirche wurde an die Leitungen angeschlossen<br />
Bei den Grabarbeiten kamen viele Knochen der Begräbnisstätten<br />
des alten Kirchhofs zutage. (Der heutige Friedhof<br />
liegt auf der Höhe zwischen Deutwang und Mindersdorf.)<br />
An der Nordseite der Kirche stießen die Arbeiter in etwa<br />
50 cm Tiefe auf normale Grabiagen, die aus der letzten Zeit<br />
der Kirchhoibenützung stammen (etwa 1800- 1836).<br />
In der Ecke zwischen Chorrundung und Sakristei lagen die<br />
Knochen in 30 cm bis 100 cm Tiefe in einem Geviert von<br />
120 cm mal 120 cm. Alle Knochen waren gut erhalten, lagen<br />
aber durcheinander. Es scheint sich hier um einen Platz zu<br />
handeln, an dem sie nach Ausbettungen wieder begraben<br />
wurden.<br />
Beim Schachtbau in der Sakristei stieß man auf Grablagen,<br />
die aus der Zeit vor dem Erweiterungsbau der Kirche (1715)<br />
stammen, denn sie befinden sich unter dem Boden der Sakristei<br />
und ziehen sich z. T. unter den Fundamenten hin. Die<br />
Hohlräume der ehemaligen Särge waren in einem Ausmaß<br />
von 170 cm auf 50 cm auf 50 cm noch vollständig erhalten,<br />
samt den Skeletten, und sogar Holzreste der Särge waren zu<br />
erkennnen. Diese Bestattungen waren in einer Tiefe von 60<br />
cm bis 110 cm und mit einem seitlichen Abstand von 90 cm<br />
vorgenommen worden.<br />
Von Hauptlehrer Ströbele<br />
Weiter unten befanden sich nochmals Grablegungen (125<br />
cm), die aus weit früherer Zeit stammen müssen. Aus sämtlichen<br />
Gebissen, auch denen, die unter dem Fundament gefunden<br />
wurden, ist zu erkennen, daß die Menschen der damaligen<br />
Zeiten sehr gute Zähne hatten.<br />
Bei all diesen Funden tauchte immer wieder die Frage nach<br />
dem Zeitpunkt der letzten Bestattung auf diesem alten Kirchhof<br />
und der Eröffnung des neuen, mit Mindersdorf gemeinsamen<br />
Friedhofs auf. Niemand in den beiden Gemeinden<br />
wußte darüber Bescheid. So wandte ich mich an das Archiv<br />
in Sigmaringen und gebe nachfolgend den Inhalt des 150 Seiten<br />
umfassenden Schriftwechsels über diesen Fall wieder:<br />
Am 3. Juli 1828 wurde der Plan gefaßt, für die Pfarrgemeinde<br />
Mindersdorf, Deutwang und Sattelöse einen neuen<br />
Friedhof außerhalb der Orte anzulegen.<br />
Die Kirchhofmauer in Mindersdorf war sehr schlecht, es<br />
hätte deren Erneuerung und Instandsetzung 80 fl gekostet,<br />
die in Deutwag 6 fl. Die Neuanlage eines Friedhofs wurde<br />
auch in polizeilicher Hinsicht verlangt, weil angeblich ffer<br />
Wind Verwesungsgeruch im Dorf verbreite und so Lrankheitsgefahr<br />
bestehe. Als Platz wurde die Höhe am Vizinalweg<br />
zwischen Mindersdorf und Deutwang ausgesucht, weil<br />
hier der Boden günstig war und der Friedhof genügend weit<br />
von beiden Orten entfernt liege. Das Grundstück gehört z. T.
•Tahrgane 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 5<br />
der Pfarrei, zum andern Teil Anton Hahn von Ratzenweiler,<br />
und dessen Wert (V2 Morgen) wurde auf 60 fl geschätzt.<br />
Am 4. Juli 1829 sind die Bauarbeiten im Neilenburgischen<br />
Intelligenzblatt mit folgendem Ueberschlag ausgeschrieben:<br />
Maurerarbeiten mit Material 503 fl, Zimmerarbeit 28 fl 23 kr,<br />
Schlosserarbeit 9 fl, Planierarbeit 8 fl, insgesamt 548 fl 23 kr.<br />
Bei der Verakkordierung steigerten Mathä Lohr von Mindersdorf<br />
die Maurerarbeit, Josef König von Deutwang die<br />
Zimmer-, Fidel Riegger von Kalkofen die Schreiner-, und<br />
Karl Rebholz von Oberndorf die Schlosserarbeit zum Gesamtpreis<br />
von 497 fl.<br />
Die Bürger von Mindersdorf, Deutwang, der Sattelöse und<br />
der Eckartsmühle wehrten sich gegen den neuen Friedhof<br />
wegen zu weiter Entfernung von den Orten und weil sie<br />
z. Zt. Fronfuhren an der neuen Straße von Manlspüren nach<br />
Kalkofen zu leisten hätten. Ebenso wehrten sich der Pfarrer<br />
von Mindersdorf und Anton Hahn von Ratzenweiler gegen<br />
die Abgabe des Grundstückes. So geschah vorläufig gar<br />
nichts, um den Platz als Begräbnisstätte einzurichten. Erst<br />
auf eine ernstliche Erinnerung des Oberamts Wald vom 12. 9.<br />
1834 kam die Sache wieder in Gang, nachdem die Rekursbeschwerde<br />
der betreffenden Gemeinden von der Landesregierung<br />
abgewiesen wurde. Am 15 9. 1835 wurde Maurermeister<br />
Georg Keller von Mindersdorf unter Androhung<br />
einer empfindlichen Strafe aufgefordert, sofort mit dem Bau<br />
der Mauer zu beginnen. Nachdem er keine Vorbereitungen<br />
traf anzufangen (Maurermeister Mathä Lohr war gestorben),<br />
wurde er nach einer Frist von drei Tagen mit 1 fl 30 kr und<br />
nach weiteren drei Tagen mit einer Strafe von 10 fl täglich<br />
belegt. Die Pfarrgemeinde legte erneut Rekursbeschwerde<br />
ein und bat um nochmalige Besichtigung der alten Friedhöfe,<br />
was aber sofort abgewiesen wurde. Das Oberamt Wald verlangte<br />
nun energisch, daß der neue Friedhof bis 15. 11. 1835<br />
fertig sein mußte. Nachdem begonnen werden sollte, stellte<br />
sich heraus, daß die Pläne nicht mehr auffindbar waren.<br />
Maurermeister Georg Keller von Mindersdorf begann nun<br />
seine Arbeit ohne Plan, doch nach kurzer Zeit wurde er wegen<br />
Körperverletzung eingesperrt. Die Gemeinde bat deshalb um<br />
Zurückstellung des Termins bis Frühjahr 1836. In diesem<br />
Jahr wurde der Friedhof fertig und am 10. 11. 1836 war die<br />
Bauübernahme.<br />
Aus: Neuverz. Akten II 3252<br />
Staatliches Archiv, Sigmaringen.<br />
In einer Unterhaltungssache betr. der alten Friedhofmauer<br />
zu Deutwang wird der alte Friedhof daselbst als ein mit<br />
Gras überwachsener Platz angegeben (1854). Die Mauer war<br />
sehr schadhaft, und es wurde vorgeschlagen, sie abzureißen,<br />
einen Hang aus Erde zu machen und ebenfalls mit Gras einzusäen.<br />
Ich nehme an, daß diese Arbeiten durchgeführt<br />
wurden, da kein Schriftwechsel mehr darüber stattfand.<br />
Aus: Neuverz. Akten II 15400<br />
Staatliches Archiv, Sigmaringen<br />
Erwähnt sei noch, daß auf den alten Friedhöfen zu Deutwang<br />
und Mindersdörf jede Familie ihren eigenen Begräbnisplatz<br />
hatte.<br />
Die Funde des ersten ßerichtteils<br />
sind durch Farbdias belegt.<br />
Kinderstubenpoesie aus dem Killertal<br />
„Babelai!" Hau-n-i ällamol zua meira Ahna g'sait, winn i<br />
mein Budel leer g'het hau. No hot sie mi uff da Schauß<br />
g'numma und uff's Knub g'setzt und hot g'sunga:<br />
Reita, reita Rößle, z'Killer stoht a Schlößle,<br />
z'Beura stoht a Käpalle, d' Buaba traget Schäppalle,<br />
d'Mädle traget Moile, d' Heale leget Oile,<br />
die alta Weiber neahmets aus<br />
und bachet am Biable a Dötschle draus!<br />
Und wenn des vrbei g'sai ischt, no hot sie mit mir und mit<br />
da andera uff-m Boda rum da(n)zet und hot g'sunga:<br />
Ringa, ringa Dala, d'Knöpfle sind verfahra,<br />
s'Kraut ischt verbrinnt, d'Pfann hot a Loch,<br />
du bischt a wiaschter Koch!<br />
Hutsch-hutscn-hutsch-hutsch!<br />
Jungingen, Pfarrkirche. Geburt Christi<br />
Casimir B u m i 11 e r, Jungingen<br />
Uff Hutsch hot miassa älis uff da Boda huttera und uff da<br />
Zaiha im Ring rum jucka! Und winn uas da Kopf an d'Tischkanta<br />
na g'staußa hot, no ischt sie schniall kumma, hot mit<br />
der Hand am „Burra" rum g'rieoa und hot g'sait:<br />
Heila, heila Sega, drei Dag Rega,<br />
drei Dag Sunnaschei, no duats am Biable nimme waih!<br />
No ischt ma wieder maschiert und hot g'sunga (wia ma's<br />
heit au no machet):<br />
Rumpete bumb, der Kaiser kunnt<br />
mit a-ra Hiad Soldata,<br />
oder: Rumpete bumb vuar s'Kiafers Haus,<br />
Kiafer laß dei Marie raus,<br />
ischt se schö(n), no g'hairt sie mei,<br />
ischt se wüescht, no g'hairt se dei!<br />
Und so ischt es fott ganga:<br />
Kimetfiager kreidaweiß, hoscht a Säckle volla Läus!<br />
Oder: Miar stände uff-am Trippele,<br />
s'frut-a-n-is, das mr zittere,<br />
s'zittcre wut miar schau vergau,<br />
winn i amol an Batza hau!<br />
Hot ma wieder a Weile g'nuag g'hett vu dianna Sprichle, no<br />
hot d'Ahna wieder a Rätsle verzehlt vu siallem Buaba, mo<br />
hot wella da Guascht fanga in der Glockastub und ischt vum<br />
Messmer ei'gschlossa wuara no-m Biatläuta:<br />
Gung gang, Zusann, z' Killer mueß e blaiba<br />
und älle Wiatter vertreiba!<br />
Und mo dr Bua ei-g'schlossa g'sei ischt im Dürrn, no not-r<br />
so lang Daudaköpf an d'Tür na g'warfa, bis der Messmer<br />
kumma ischt und hot-a wieder raus glau.<br />
No. hot ma wieder a Weile zuam Fiaschter naus gucket und<br />
hot d' Leit b'refflet, mo do im Scnnai vorbei g'loffa sind.<br />
B'riaffla oder b'reffla kunnt vo Riaff, g'nau g'numma vo<br />
Zah(n)riaff, ma duat also a-jabbes-na^schwätza. Ma ka<br />
Jungingen, Pfarrkirche. Anbetung der Könige
6 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1958<br />
niamet laufa lau, a-m-a jeda waßt ma jabbes!<br />
Und no ischt es wieder weiter ganga:<br />
Lausbua, schla s'Haus zua, schla's nomol zua,<br />
no bischt a riachter Lausbua!<br />
Aber d'Ahna hott äll wieder vur si na g'setzt und hot vo da<br />
Schweda verzehlt und vu da Franzosa und Rueßa und wia<br />
ma vuar dreihundert Johra am Speidelvogt sei zweite Frau,<br />
Anna Künzlerin vu Ringinga als Hex uff-m Scheiterhaufe<br />
verbrinnt hot.<br />
Und vu da Franzosa wut diar Spruch komma, mo ma<br />
Sllamol singt:<br />
Katza-katza Pflotschga, Schlai-olee! Viavt Trompeto!<br />
raprosch do, Kompagno, walle-walle geto, Trulutschu!<br />
Des will saga: Bei euch ischt no Dreck und Pfloder, komm<br />
doch her zu uns, Kamerad, lauf, schnell, Trulutsche! Komm<br />
in die französische Armee.<br />
A Trulutsche ischt a Tralewatsch oder a Elladera oder eba<br />
a Depp. Aber wia ischt es no in deam Sprichle:<br />
Da vanna Floisch, da hinna Floisch, da mittle Holz u. Eise,<br />
dr niabet hiar a Trallewatsch, dear duat da Wiag beweisa!<br />
(Pflug und Minetreiber.)<br />
Mo moat, s'sei bärig g'sei, mo ma dia Sprüch und Liadle<br />
ällweil no g'sunga hot, aber dia junge Leit wisset jo nunz<br />
mai. Mei Ahna hot verzehlt, vuar hundert Johra häb ma um<br />
an Luab Braut an ganze Acker hau kinna, was au wohr<br />
ischt. Siallmol sind aus dem enga Killerdäle vill-mit-em-a<br />
Zweiräder uff da Handel ganga in Schwazwald, ins Oberland<br />
und über da Rhei numm. Und dohiar wut au diar Spruch<br />
kumma:<br />
D'Schlattemer Narra fiahret da Karra<br />
biarg uff und biarg a ins Katzaloch na!<br />
Sie fanget drei Mäus, sie brotets im Kessel,<br />
sie jassats mit-m Löffel,<br />
sie muanet s'sei Speck, s'ischt lauter Hundsdreck!<br />
Ischt no der Santiclos kumma oder s'Chrischtkindle, no hot<br />
es g'huaßa:<br />
S'Hairles Trögles Klopfer bringt mr Nussa und Epfel!<br />
Der Klopfer ischt wahrscheinlich der Sack g'sei, mo dia<br />
Nussa und Epfel aus-m Hairle seim Hutzlatrog nei kumma<br />
sind.<br />
Und winn ma wann g'froget hot: „Liabscht au no?", no<br />
hot er könna saga:<br />
Morum solle dinn nimme liaba?<br />
Mei Vatter ischt a Wiaber,<br />
mei Muater ischt a Kuchefrau!<br />
Winn se becht, no geit sie mir au<br />
a gleis Stickle Kuacha!<br />
Du kascht da Mausdreck suacha!<br />
O, des ischt schlimm:<br />
Kätter, Schnetter, Hinnabua(n)<br />
trait da Dreck im Himmet hua,<br />
trait-a bis ge(n) Dalha, z'Dahla lott si-ihn mahla.<br />
Und manchmol ischt reacht schlimm:<br />
Ginkes, Gankes, Gosfuoß, d'Güs laufet barfuoß,<br />
Schüehle hand se kuane, macha land se kuane,<br />
s'fellt a Klotz vum Himmel ra, schlecht der Gus daKraga a!<br />
Mo ischt au des Köpfle? S'Wässerle hots g'numma!<br />
Mo ischt des Wässerle? S'Kuehle hots g'soffa!<br />
Mo ischt au des Kuehle? S'Metzgerle hots g'stocha!<br />
Mo ischt au des Metzgerle? Weit, weit verd'loffa!<br />
Hot äll sei Giald versoffa, bis uff-n Groscha!<br />
und traurig:<br />
Dr Lipp, der Lipp hot d'Hosa g'flickt<br />
in Neckaburg am Ruile.<br />
Ear hot so dinne Hosa a, ma sieht-m älle Buile!<br />
aber:<br />
Hui gang i it, do blei i it,<br />
meira Muater reib i d'Grumbira it,<br />
winn si-s will g'rieba hau, soll si an Reiber hau!<br />
Und am allerschlimmsten:<br />
Dr Oberamtsrichter hot a Gois g'stohla<br />
uff-m nigelnagelnuia Wiag,<br />
hot si mialka wölla, hot si naus g'schlaga,<br />
wett au wissa, was er mit-r dät!<br />
Und am schlimmsten sind diese:<br />
Ausa Hansjörg hat a Aergele,<br />
winn ma rum treibt, no hiichts,<br />
wiar hot au ausem Hansjörg sei Aergerle so g'richt!<br />
Des „hiicht" oder „es hot g'hea(n) wird si wahrscheinlich uff<br />
„Horn" schwäbisch Heannle" d. h. eine Trompete z'ruckfiahra<br />
lau. — Waßt uar mai?<br />
Thomas Geiselhart, der Waisenvater von Hohenzollern<br />
IL Teil von Franz D o r<br />
Wohl kein Seelsorger im Hohenzoller-Lande hat sich in<br />
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so zahlreiche Verdienste<br />
auf 1em Gebiet der Charitas erworben wie Geistl. Rat<br />
Thomas Geiseihart. Sein Warne hatte einen vorzüglichen<br />
Klang weit UDer die Grenzen des kleinen Landes hinaus. Mit<br />
inniger Dankbarkeit und hohe*- Verehrung nennen ihn heute<br />
noch Tausende ihren geistigen Vater, ihren großer Wohltäter.<br />
Thomas Geiseihart war am "7. Februar 1811 in Steinhilben,<br />
einem Filial der Pfarrei Trochtelfingen auf der Alb, geboren.<br />
Er war das zweite Kind von sechs Kindern armer Taglöhnersleute,<br />
Josef Geiselhart und Theresia geb. Volk. Die Mutter<br />
war Hebamme und Krankenpflegerin. In der Schule war<br />
Thomas einer der begabtesten Schüler, zu Hause mußte er<br />
frühzeitig tüchtig arbeiten. Seine größte Freude war das Lesen<br />
von Büchern, die er im Dorfe auftreiben konnte, in seiner<br />
jungen Seele trug er len Wunsch, studieren zu dürfen.<br />
Eine entscheidende Wendung seines Lebens kam anläßlich<br />
einer Primiz im nahen Wilsingen. Dieselbe wurde im Freien<br />
gehalten. Thoma , der eben 3V2 Jahre alt geworden war,<br />
kniete während der hl. Wandlung abseits und betete innig<br />
zu Gott, er möge ihn „Hairle" werden lassen. Das war im<br />
Jahre 1824. Das Gebet des Knaben fand Erhörung. Die Mutter<br />
schickte ihn mit einem Stumpen Büchelen (Früchte der<br />
Buchen) zum Kaplan Itta nach Trochtelfingen, er solle diese<br />
Gabe ihm bringen und zugleich bitten um Unterricht im Latein.<br />
Der Kaplan war schon 60 Jahre alt, nahm den Knaben<br />
gütig auf und gab ihm nun wöchentlich zwei Lateinstunden.<br />
Im Frühjahr 1825 kam Itta nach Horheim bei Stühlingen, er<br />
nahm den liebgewordenen Thomas um ein geringes mit sich.<br />
An Maria Geburt 1825 ging unser Lateinschüier nach Konstanz,<br />
um dort Aufnahme am Lyzeum zu finden.<br />
Der Stellvertreter des Lyzeumdirektors erklärte dem<br />
schüchternen Knaben rundweg, man nehme Keine ar^'.en<br />
Studenten mehr auf. Thomas mußte nun gute L^ute aufsuchen,<br />
die ihm sogenannte Kosttage versprachen; fas* überall<br />
wurde er abgewiesen nur einige wohltätige Familien der<br />
alten Bischofsstadt stellten ihm solche Tage ; n Aussicht, wenn<br />
er zu Anfang des Winters die Aufnahmeprüfung bestanden<br />
habe. Nur probeweise fand er Aufnahme in die zweite Klasse;<br />
in der ersten Zeit war er der letzte in seiner Abteilung, doch<br />
am Schlüsse des Schuljahres glänzte er bereits unter den ersten<br />
Schülern. Er durfte darum von Hause aus noch ein Jahr<br />
nach Konstanz. Um den Jahreszins von sechs Gulden mietete<br />
er sich bei einer 7 4i ährigen Frau ein Kämmerlein ohne Ofen,<br />
er hatte nur drei Kosttage, an vier Wochentagen kaufte er<br />
Thomas Geiselhart, der Waisenvater von Hohenzollern
Jahrgang lOSfl H O H E N Z O L L E HI S C H E HEIMAT 7<br />
sich für einen Kreuzer Schwarzbrot, er litt bei seinem Wuchs<br />
solchen Hunger, daß er in der Rheinmühle manchmal Brot<br />
bettelte.<br />
In dieser schweren Not kam dem jungen Lyzeisten Hilfe<br />
von Hermann von Vicari, dem nachmaligen Erzbischof von<br />
Freiburg. Dieser war durch einen Mitschüler auf Geiselhart<br />
aufmerksam gemacht worden, er lud den mageren und bleichen<br />
Studenten ein, jeden Morgen, Mittag und Abend, wo er<br />
nichts zu essen habe, an seinen Tisch zu kommen. Die Tage<br />
der Freude für Thomas dauerten nicht lange. Hermann von<br />
Vicari kam als Domdekan nach Freiburg, doch sorgte er noch<br />
in reichlicher Weise für den armen Lyzeisten, verschaffte<br />
ihm zwei Kosttage im Kloster Zofingen und einen im Münsterpfarrhaus.<br />
Schon im Herbst 1832 hatte Geiselhart seine Studien in<br />
Konstanz abgeschlossen. Leider waren die Jahre an der<br />
Mittelschule für seinen Glauben von Unheil gewesen, der<br />
Wessenbergianismus hatte seinen Höhepunkt erreicht, der<br />
Einfluß rationalistischer Professoren war an ihm stark bemerkbar.<br />
Als es sich bei unserem Geiselhart um den Beruf<br />
zur Theologie handelte, erklärte er der erschrockenen Mutter:<br />
„Ich kann und mag nicht mehr glauben; heucheln will<br />
ich aber auch nicht". Die Mutter wiederholte oft: „Andere<br />
können doch auch glauben, bete doch um die Gnade des<br />
Glaubens".<br />
Schließlich wandte er sich zur Theologie, mehr der Mutter<br />
zuliebe als aus eigenem Antrieb.<br />
Welches Glück wäre es gewesen, wenn der Kandidat der<br />
Theologie nun zu Professoren gekommen wäre, die ihm Führer<br />
und Berater durch das akademische Leben gewesen<br />
wären; allein die theologische Fakultät zu Freiburg war auf<br />
einen Tiefstand gesunken, von dem wir uns heute kaum eine<br />
Vorstellung machen können. Weder die Theologie jener Professoren<br />
Reichlin-Meldegg, Schreiber, Amann, noch sonstige<br />
Wissenschaft brachte unserem Theologen Freude an seinem<br />
Beruf, dies tat nur die Gnade Gottes und die Güte des Weihbischofs<br />
von Vicari. Die Prüfungen am Ende der drei Jahre<br />
brachten Geiselhart kein günstiges Resultat, er konnte nicht<br />
ins Priesterseminar eintreten. Weihbischof von Vicari versprach<br />
ihm 150 Gulden, mit der Bedingung, daß er nach<br />
Tübingen gehe und dort Vorlesungen bei Hirscher und anderen<br />
berühmten Professoren höre.<br />
Im Herbst 1836 bestand er dann die Prüfung mit Erfolg,<br />
kam ins Priesterseminar und erhielt am 9. September 1837<br />
mit 40 Mitalumnen die hl. Priesterweihe. Sofort machte der<br />
Neupriester eine Reise durch die Schweiz bis nach Italien<br />
als Begleiter seines Freundes und Wohltäters Hermann von<br />
Vicari. Nach der Rückkehr feierte er am Kirchweihsonntag<br />
1837, am Namenstage seiner Mutter, sein erstes hl. Meßopfer<br />
im Freien.<br />
Habstal<br />
Weihbischof Hermann von Vicari hatte unserem Neupriester<br />
verraten, Geistl. Rat Engel in Veringendorf wünsche ihn<br />
als Vikar, Geiselhart bat aber dringend, den Wunsch nicht<br />
zu erfüllen, es sei ihm dort „zu nobel", er wolle lieber unter<br />
armen Leuten tätig sein. So kam er denn 1837 zunächst auf<br />
zwei Wochen nach Dettingen am Neckar, dann 8 Wochen<br />
nach Fischingen, wo die Leute sehr arm waren, und in der<br />
Gemeinde nicht einmal ein Armenfond vorhanden war. Der<br />
junge Vikar gründete einen, derselbe besteht heute noch<br />
(1916). Nach kurzer Wirksamkeit mußte Geiselhart im Januar<br />
1838 eine neue Stelle in Gruol antreten. Hier hatte er neben<br />
Seelsorgsarbeiten auch den Unterricht in der Volksschule,<br />
und zwar in der Oberklasse mit 74 Kindern zu geben; ebenso<br />
durfte er noch das Dominikanerinnenkloster Kirchberg pastorieren.<br />
Nach Umlauf eines tüchtigen Arbeitsjahres erhielt<br />
Geiselhart seine Versetzung nach Empfingen zu Pfarrer<br />
Sprißler. Zwei Schulen, viele Kranke und Arme, dazu noch<br />
die Pfarrei Fischingen mit ihrem kranken Pfarrherrn beschäftigten<br />
ihn vollauf, besonders da sein Prinzipal vom<br />
Passionssonntag bis Dreifaltigkeitsfest als Abgeordneter nach<br />
Sigmaringen ging.<br />
Eines Tages starb eine arme Witwe und hinterließ ein<br />
Mädchen, das, ohne alle Verwandte, nun hilflos in der Welt<br />
stand. Niemand kümmerte sich um das verlassene Kind —<br />
als der selbst arme Vikar. Beim Begräbnis der Mutter nahm<br />
er die Waise an seine Hand, stellte sie an das offene Grab<br />
und frug in eindringlicher Rede, ob niemand da wäre, der<br />
sich des armen Kindes annehmen wollte um Gottes und<br />
Christi willen. Gleich darauf meldete sich bei dem mutvollen<br />
Vikar eine Dienstmagd und bot sich an, von ihrem Lohn<br />
jährlich dreißig Gulden für Unterbringung des Mädchens in<br />
einer württembergischen Waisenanstalt zu erlegen. Dieses<br />
unendlich große Opfer einer armen Magd machte den tiefsten<br />
Eindruck auf den überraschten Priester. „Wenn soviel<br />
ein armseliges Weib vermag, was wirst du tun können?"<br />
rief er sich zu und beschloß alsbald, alle Kräfte einzusetzen,<br />
das harte Los der Waisenkinder in den hohenzollerischen<br />
Landen zu erleichtern.<br />
Im Herbst 1840 wurde Geiselhart von der Kirchenbehörde<br />
zum Verweser der Kaplanei St. Anna in Haigerloch befördert.<br />
Im Nebenamte war er Leiter einer sogenannten Präzeptoratsschule,<br />
in der er 16 Knaben aus der Umgegend für<br />
die Mittelschulen vorbereitete.<br />
Während des Winters 1841/42 ließ sich der unermüdliche<br />
Seelenhirte noch überreden, an Sonn- und Festtagen in dem<br />
2V2 Stunden entfernten Fischingen Gottesdienst und Christenlehre<br />
zu halten. Im Oktober 1842 kam er auf ein Jahr<br />
als Pfarrverweser nach Stetten bei Haigerloch und dann am<br />
13. Oktober 1843 nach Rulfingen, wo er aber nur 3 Monate<br />
bleiben durfte. Durch drei Unternehmungen erwarb er sich
8<br />
das Vertrauen der Gemeinde: er vermehrte durch eine<br />
Sammlung den überaus kleinen Armenfond, stiftete eine<br />
Bruderschaft für die Jungfrauen, die heute noch besteht, und<br />
brachte einen Unfug aus der Gemeinde hinaus, der fast unzerstörbar<br />
schien. Jeweils in der Neujahrsnacht wurde wie<br />
an anderen Orten auch in Ruifingen kräftig von den Burschen<br />
geschossen. Nun versammelte Geiselhart einigemale<br />
im Dezember die heranwachsende männliche Jugend, um<br />
andere Vorbereitungen zu treffen für den Schluß des Jahres.<br />
Auf dem nanen, sogenannten Gügeleberg sollte die Feier<br />
stattfinden: Ein großes Transparent wurde hergesteilt, auf<br />
der Vorderseite las man die Inschrift: „Gott segne das Jahr<br />
1844", hinten standen die Worte: „Gott sei Dank für das Jahr<br />
1843". Der Sylvesterabend kam; ein stattlicher Zug bewegte<br />
sich durch die lange Dorfstraße dem Berge zu. Voran marschierte<br />
die Musik, dann der angesehenste Bursche mit dem<br />
großen Transparent, hinter ihm Lampionsträger. Auf der<br />
Anhöhe angekommen, zündete man einen schon hergerichteten<br />
Haufen Stroh an. Weit hinaus glänzte die Inschrift<br />
auf dem Transparent, dann stimmten alle das „Großer Gott,<br />
wir loben dich" an, die Burschen kehrten zurück in die<br />
Wirtschaften; geschossen wurde in jener Nacht von niemanden.<br />
mit Ausnahme von einem Sigmaringer, und der mußte<br />
es mit einer Tracht Prügel büßen.<br />
Zu Fuß, wie er gekommen, zog Geiselhart am 10. Januar<br />
1844 wieder hinaus zu Ruifingen und wanderte nach Veringenstadt,<br />
wo ihn der Gemeinderat im Oktober zum Pfarrer<br />
präsentierte. Dort hat er vom 13. Januar 1844 bis zum 20.<br />
Dezember 1850 gewirkt. „Veringenstadt ist eingeklemmt zwischen<br />
die rauhen Berge und kahlen Felsen des Laucherttales.<br />
Es ist ein Städtlein mit alten Häusern und winkeligen Gassen.<br />
Hart und rauh wie ihre Berge und Felder ist auch der<br />
Charakter der Leute." So beschrieo Geiselhart ehemals selbst<br />
dieses sein Feld der Seelsorge. Er fand keine besondere<br />
Empfänglichkeit für seine Hingebung an den Priesterberuf.<br />
Eine Hauptschuld trugen die Feindseligkeiten, die in der<br />
Pfarrei herrschten. Zwei Jahre lang hatte Geiselhart auch<br />
noch das Amt eines provisorischen Schulkommissärs: 34<br />
Schulen der Aemter Trochtelfingen, Gammertingen und<br />
Straßberg waren ihm unterstellt. Fleißig, vielleicht übereifrig,<br />
wohl auch zu streng und scharf hat Geiselhart in<br />
Veringenstadt gearbeitet. Die sechs Jahre, die er daselbst<br />
verlebte, nannte er selbst „die Winterperiode seines Priesterlebens."<br />
Die Wallfahrt von Maria Dillstetten oder Deutstetten<br />
hatte er in jenen Jahren wieder neu belebt. Eine<br />
große Freude erlebte er im Herbst 1848 Ganz unerwartet<br />
kam Erzbischof Hermann von Vicari mit seinem Neffen<br />
Finnneisen zu ihm auf Besuch. Zweimal blieb der liebenswürdige<br />
Oberhirte bei dem eifrigen Seelsorger über Nacht.<br />
Eine Fülle von Widerwärtigkeiten und Unannehmlichkeiten<br />
brachte ihm das Revolutionsjahr 1848, denn der Geist des<br />
Aufruhrs spukte auch in Veringenstadt. Zu diesen Wirren<br />
kam noch ein schweres Brandunglück. Am 22. August 1848<br />
fing es im Städtchen während eines furchtbaren Weststurmes<br />
zu brennen an, 33 Gebäude wurden eingeäschert, 37<br />
Famiiien sahen sich obdachlos. Geiselhart half arbeiten und<br />
tröstete und begann um 4 Uhr, das Pfarrhaus zu räumen,<br />
nachdem auch das letzte Haus, welches die Unglücklichen<br />
aufgenommen hatte, prasselnd zusammenstürzte. Erst nach<br />
einigen Wochen, als alle übrigen Obdachlosen mit dem Notwendigsten<br />
versehen waren, dachte Geiselhart an seine<br />
Person und bezog eine Wohnung bei einem Landwirt. Ende<br />
1848 überschwemmte die Lauchert das ganze Tal, so daß in<br />
Veringenstadt 39 Pferde und Rinder umkamen. In diesen<br />
Tagen der Heimsuchung fanden die Bewohner die meiste<br />
Hilfe und den besten Rat bei ihrem Seelenhirten.<br />
Seine Erholung suchte Geiselhart am liebsten bei dem<br />
Geistlichen Rat Engel im nahen Veringendorf. Von diesem<br />
Herrn lernte unser Priester den Rosenkranz liebgewinnen,<br />
von ihm erhielt er auch das erste Brevier, denn von beiden<br />
Gebetsarten hatten die Theologen während der dreißiger<br />
Jahre weder an der Universität noch im Seminar weder eine<br />
Erklärung noch eine Anleitung empfangen.<br />
Als im Herbste des Jahres 1847 Erzbischof Hermann von<br />
Vicari die Priester zum Besuch der Exerzitien nach St. Peter<br />
im Schwarzwald einlud, folgte auch Geiselhart dem Rufe,<br />
nachdem er jetzt bereits zehn Priesterjahre verlebt hatte.<br />
Nach „Freiheit" hatte im Jahre 1848 alles gerufen, nur der<br />
Kirche sollte keine Freiheit werden, auch im Hohenzollerischen<br />
nicht. Zur Aufklarung in der aligemeinen Zeit der<br />
Gärung gründete Geiselhart mit Fr. Jos. Marmon aus Haigerloch<br />
und Pfarrer Silvester Miller in Gruol die Zeitung<br />
„Der Volksfreund" als Gegenstück zum liberalen „Erzähler",<br />
die zweimal in der Woche erschienen Geiselhart zeichnete<br />
als Schriftleiter. Wie die Liberalen, so hielten auch Geiselhart<br />
HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
und Miller an verschiedenen Orten Hohenzollerns Volksversammlungen<br />
und gründeten Piusvereine, wie es die erste<br />
Generalversammlung der katholischen Vereine in Mainz<br />
empfohlen hatte. In ihren Reden forderten sie einen Rechtsstaat<br />
und keinen Polizeistaat und Freiheit für das Wirken<br />
der Kirche. Dieses mutvolle Vorgehen trug den beiden Herren<br />
eine Vorladung zum Fürsten Karl Anton in Sigmaringen<br />
ein. Der Fürst sagte alsbald mit dürren Worten heraus:<br />
Miller und Geiselhart hätten seiner Regierung und Familie<br />
mehr geschadet als die „Roten", denn sie als Geistliche fänden<br />
Glauben und Anhänglichkeit beim Volke. Geiselhart<br />
hatte für die Unabhängigkeit der Kirche und für freie Bewegung<br />
im Staate gesprocher und unter anderem gesagt:<br />
Die Pfarrei Benzingen sei nicht gestiftet, um den Fürsten<br />
eine Kindsmagd zu halten. Zur näheren Erklärung von dem<br />
Fürsten aufgefordert, erklärte Geiselhart: Ich habe vorgetragen:<br />
der Instruktor des Erbprinzen beziehe 1000 Gulden<br />
jährlich von der Pfarrei Benzingen, diese Pfarrei sei aber<br />
sicher nicht gestiftet, dem Fürsten einen Instruktor zu bezahlen.<br />
Der Fürst erwiderte: „Der Instruktor ist Pfarrer in<br />
Benzingen gewesen. Die 1000 Gulden machen seine Pension<br />
aus. Ich bezahle ihm aber selbst noch 100 Gulden."<br />
Geiselhart ergänzte: „Ja, Durchlaucht, ich weiß aber ganz<br />
genau, wie man das Ordinariat in Freiburg dazu gebracht<br />
hat, dem Pfarrer von Benzingen Pension und Absenz zu<br />
gewähren. Herr von N. und ein anderer Regierungsrat haben<br />
an das Ordinariat berichtet, wenn die Pension nicht gewährt<br />
werde, so sei zu befürchten, daß der katholische Fürst seinem<br />
Sohn einen protestantischen Instruktor gebe! Das habe ich<br />
verschwiegen, weil es die fürstliche Familie in üblen Ruf<br />
gebracht hätte.,,<br />
Nach einigem Hin- und Herreden war die Audienz zu<br />
Ende. Der mutvolle Priester blieb aber von da ab 20 Jahre<br />
in Ungnade. Im Jahre 1850 am 20. Dezember verließ Geiselhart<br />
seine Stelle in Veringenstadt und zog nach Sigmaringen.<br />
Damit begann ein Wendepunkt in seinem Leben, denn von<br />
nun an war er nicht mehr der Pfarrer einer einztien Gemeinde,<br />
sondern der große Waisenvater für ganz Hoheiizollern.<br />
Warum aber zog er nach Sigmaringen? Der tiefste<br />
Grund war dieser: Geiselhart hatte das Gelübde gemacht,<br />
für arme Studenten und Hohenzollerns Waisen zu tun, was<br />
nur in seinen Kräften stand. Diesen Doppelplan konnte er<br />
aber draußen auf seiner Landpfarrei nicht ausführen, daher<br />
legte er ein Bittgesuch dem ErzDischof vor, auf seine Pfarrei<br />
verzichten zu dürfen. Der Oberhirte genehmigte das Gesuch;<br />
Geiselhart erhielt gleichzeitig die Anweisung, in Figmaringen<br />
für den abwesenden Hofkaplan und Nachprediger Feßler<br />
Aushilfe zu leisten. Aisbald mußte er von Sigmaringe, i aus<br />
auch die Pastoration in Schmeien übernehmen. Mit Hilfe der<br />
barmherzigen Schwestern im Landesspital errichtete er schon<br />
am Neujahr 1851 eine Privatmädchenschule, die von zwei<br />
barmherzigen Schwestern besorgt wurde. So hatte er jetzt<br />
schon etwas erreicht, was er in Veringenstadt umsonst angestrebt<br />
hatte.<br />
Große Verdienste erwarb sich Geiselhart zu Anfang der<br />
fünfziger Jahre um die Abhaltung von Missionen. Im Sommer<br />
1850 wurde von den Jesuiten Schlosser und Roder eine<br />
vierzehntägige Mission in Sigmaringen gehalten. Schon im<br />
Jahre vorher hatte Geiselhart im Namen des Erzbischofs<br />
vom preußischen Militärfiskus Gorheim in der Nähe von<br />
Sigmaringen als Eigentum erworben. Gorheim war früher<br />
bis 1782 Franziskanerinnenkloster des dritten Ordens. Nach<br />
Aufhebung der Klöster wurde der Gebäudekomplex zuerst<br />
zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein Waffendepot, dann eine<br />
Kaserne, und später kam es an den Fiskus und 1849 an den<br />
allgem. katholischen Kirchenfond, dem es noch gehört. Während<br />
der Mission in Sigmaringen bestürmte Geiselhart die<br />
Jesuiten, aus Gorheim eine Niederlassung zu machen. Nur<br />
ungern nahm sich Pater Roder der Sache an, doch der Einzug<br />
der Jesuiten erfolgte zur Freude "^eiselharts. Er sorgte auch<br />
für Jen Unternalt der Patres, indem er die Barone von<br />
Enzberg, Stotzingen und von Bodmann veranlaßte, Lebensmitte'<br />
nach Gorheim zu schicken. Leider wurden die Jesuiten<br />
1872 durch die Kulturkampfgesetze vertrieben.<br />
Während der obigen Mission hatte Geiselhart angefangen,<br />
einen katholischen Frauenverein, den sogenannten Elisabethenverein,<br />
zu gründen. Aus diesem wohltätigen Verein<br />
zweigten sich 1868 das Institut der Krankenpflegeschwestern<br />
in Privathäusern und 1872 der katholische Mütterverein ab.<br />
Durch solche Gründungen war Geiselhart in der Residenz<br />
Hohenzollerns rasch heimisch geworden. Im Jahre 1851 rief<br />
er auch einen Klankenverein für Gesellen und Dienstboten<br />
ins Leben. Er bettelte zu diesem Zwecke ungefähr 400 Gulden<br />
zusammen, und blieb 27 Jahre ihr geistlicher Leiter,
Jahrgang 1958 HOHENZOL ISCHE HEIMAT 9<br />
Von 1851 bis 1854 mußte Geiselhart noch die Kuratie Laiz<br />
mit der Filiale Inzigkofen übernehmen. An letzterem Orte<br />
war 400 Jahre lang ein Kloster regulierter Augustiner-Chorfrauen<br />
und Laienschwestern. Im Jahre 1852 traf Geiselhart<br />
nur noch drei Chorfrauen und zwei Vorschwestern an, die<br />
seit 1806 in Pension des Fürsten lebten und im Kloster ihr<br />
Sterbestündlein abwarten durften. Oft erzählten die hochbetagten<br />
Schwestern von den traurigen Tagen, wo ihnen 1306<br />
alles versteigert wurde. Seit einem halben Jahrhundert hatten<br />
sie ihre strenge Klausur weiter beobachtet, Geiselhart<br />
staunte über den Schatz christlicher Lebensweisheit, Ruhe<br />
und Sicherheit in allem, den er bei den fünf Schwestern beobachtete.<br />
Mit Zustimmung des Erzbischofs wurde Geiselhart<br />
deren Beichtvater und Berater in Rechtssachen. Noch zu<br />
ihren Lebzeiten gaben die Chorfrauen einen Teil des Hausrates<br />
an das Landesspital in Sigmaringen und in die leeren Räume<br />
von Gorheim ab. Im Jahre 1856 starb die letzte Chorfrau<br />
Salesia Pfeifer. Wie ihre Mitschwestern hatte Geiselhart<br />
auch diese letzte Pfründnerin zum Tode vorbereitet und begraben.<br />
In Laiz wurde die in der Aufklärungszeit erloschene<br />
Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter neu belebt.<br />
(Schluß folgt.)<br />
Der abgegangene Weiler Maigingen bei Burladingen<br />
Wer schon eingehend die Karte der Zolleralb studiert hat,<br />
dem wird vielleicht dabei der Name „Maigingen" aufgefallen<br />
sein, der dort, im weiten Hochtal der oberen Fehla, links<br />
von der Bundesstraße 32 gegen Gauselfingen, auf Burladinger<br />
Gemarkung eingezeichnet ist. Doch was bezeichnet dieses<br />
„Maigingen"? Ist es ein Flurname oder gar die Bezeichnung<br />
für eine ehem. Ansiedlung? Aber das Gewann heißt heute<br />
„Ob der Gasse", und der kundige Wanderer sucht vergebens<br />
nach sichtbaren Zeugen aus der Vergangenheit. Jedoch alte<br />
Urkunden geben uns Aufschluß, und in der Tat, die Flur<br />
„Gassen" ist der Platz eines abgegangenen Weilers, der in<br />
vergilbten Pergamenten oft genannt wird. Seine Namensformen<br />
sind: Megingen, Mayngen, Mayingen, Maygingen,<br />
Maigingen.<br />
Machen wir einen kleinen Spaziergang durch die Geschichte<br />
des Ortes! Die erste Nennung erfolgt bei einer umfangreichen<br />
Güterschenkung an das berühmte Benediktinerkloster<br />
Lorsch, das heute im hessischen Landkreis Bergstraße<br />
liegt. Am 17. September 772 schenken nämlich ein<br />
Bleon und sein Sohn Otto dem hl. Märtyrer Nazarius zu<br />
Lorsch „in Burichinger marca et in Burdiaidingen et in Megingen<br />
... et Gauzolfingen quidquid habere videmur". Wann<br />
die Gegend an die Grafen von Zollern kommt, ist ungeklärt,<br />
spätestens aber um die Wende des 13. Jahrhunderts, denn<br />
an St. Peter und Pauls Abend (28. Juni) 1356 löst Graf Friedrich<br />
von Zollern, gen. der Straßburger, seine beiden Dörfer<br />
„Burladingen und Mayngen mit aller zugehörde" wieder ein,<br />
die er an Hans von Salbadingen (Salmendingen) versetzt<br />
hatte, der im Jahre 1354 mit dem Zusatz „von Burladingen"<br />
genannt wird und zu Trochtelfingen saß. Anno 1375 verkaufen<br />
Ritter Kun, der Truchseß von Ringingen, und die<br />
Truchsesse Kun und Georg, seine Söhne, dem Grafen von<br />
Zollern ihren Teil an Burlafingen mit dem Kirchensatz (Patronatsrecht)<br />
und den Weiler Mayingen, der dazugehört.<br />
Graf Ostertag von Hohenzollern verkauft seinerseits wieder<br />
am 4. Juni 1386 (vgl. Anm.) an Geori, den Truchseß von<br />
Ringingen, und Swenger von Liechtenstain den Jungen seinen<br />
Teil an „Burladingen dez dorffz und die kirchen und<br />
den kirchensatz da selbest, und ocb Maygingen daz wiiar<br />
daz zu dem vorgenannten dorf Burladingen gehöret", mit<br />
Dorf recht, Vogtrecht, Vogtei, Stab, Gericht, Groß- und Kleinzehnten<br />
um 800 Pfund Heller auf Wiedereinlösung. Das<br />
Kloster Mariaberg erhält 1392 von Heinrich Späth, genannt<br />
Schirberg, und seinem Sohn ein Gut zu Mayingan. Am Freitag<br />
vor St. Michelstag (22. Sept.) des Jahres :402 teilen ^es<br />
Grafen Friedrich, des Straßburgers Söhne, Graf Friedrich<br />
von Zollern, der üttinger, und Graf Eitelfriedrich das väterliche<br />
Erbe. Eitelfritz bekommt hierbei u. a. auch Burladingen<br />
und Maigmgen. IN och er ließ 1435 ein Urbar anlegen, das<br />
sogenannte Bickelsperger Lagerbuch, aus dem wir unten<br />
noch Näheres hören werden. Danach besaß der Graf das<br />
Vogtrecht zu Maygingen und Burladingen, war alo Gerichtsherr<br />
daselbst.<br />
Um 1408 scheinen die Zollerngrafen in ihrer ewigen Geldverlegenheit<br />
unsere beiden Dörfer gleich zweimal versetzt zu<br />
haben; denn 1408—13 sind Burladmgen und Maigingen mit<br />
Kirchensatz und Widdumshof zu Killer, Schlatt mit Weiler<br />
usw. an Volkart von Ow, genannt Wutfuß, verpfändet, und<br />
am St. Ulrichtstag (4. Juli) 1408 verkaufen die Gebrüder<br />
Eitelfriedrich und Fritz der öttinger an Frau Ursula, des<br />
Ritter Jergen, Truchsessen von Ringingen, eheliche Hausfrau,<br />
„Burladingen daz dorff und Mayingen mit allen zugehörden:<br />
. .. mit dem kirchensatz und daz geriht, zwing und<br />
benne.. . alle ander unser lut und gut ze Burladingen",<br />
alles um 1200 Pfund Heller und 200 rheinische Gulden. Noch<br />
Anfang August 1424 hat Ursula, die Truchsessin von Ringingen,<br />
das Dorf Burladingen in Pfandbesitz, denn am 8. Aug.<br />
des genannten Jahres erlaubt Eitelfriedrich, Graf von Zollern,<br />
der Grätm Henriette von Württemberg Burladingen<br />
von des Jerg Truchsessen (von Ringingen) Hausfrau Ur-<br />
sula, der es versetzt war, zu lösen. Sicher ist auch Maigingen,<br />
obwohl es nicht mehr eigens erwähnt wird, hier dabei gewesen,<br />
denn, wie wir gesehen haben, teilte der Ort alle<br />
seine Geschicke mit denen des Pfarrdorfes Burladingen, woraus<br />
wohl folgt, daß es nie eine eigene Markung gehabt hat.<br />
Wann das Burladingertal endgültig wieder in zollerische<br />
Hände kommt, bedarf noch der Aufklärung. Jedenfalls gelingt<br />
es 1473 dem Grafen Niclas I., Anteile Württembergs im<br />
Killertal gegen Zinse in heute württembergischen Dörfern<br />
einzutauschen. Wenig später wird er auch Burladingen wieder<br />
an sich gebracht haben, und im letzten Viertel des 15.<br />
Jahrhunderts erwirbt der Graf Teile von Stetten u. H. sowie<br />
ganz Hörschwag und Gauselfingen, so daß der Osten der<br />
alten Grafschaft Zollern, die sog. „Obere Grafschaft", seither<br />
fester Bestandteil der genannten Herrschaft ist. Maigingen<br />
wird ab dieser Zeit nicht mehr als bestehend erwähnt, wird<br />
also spätestens Anfang des 16. Jahrh. eingegangen sein. Der<br />
Grund hierzu liegt wohl in der auch damals schon zu beobachtenden<br />
Landflucht, wofür uns nach dem Bickelsbergschen<br />
Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435 gerade Burladingen<br />
und Mayingen, sowohl im Wüstliegen mancher Güter<br />
wie vor allem in der Zusammenfassung mehrerer Güter in<br />
einer Hand, das krasseste Beispiel bieten. Hier kann nach<br />
den Angaben des Urbars die Bevölkerung der beiden Orte<br />
noch nicht auf 200 Personen geschätzt werden!<br />
Aber auch sonst gibt uns Bickelspergs zollerisches Lagerbuch<br />
noch manchen interessanten Aufschluß. Auf Blatt 268<br />
bis 285 sind unter der Ueberschrift „Diß sind die vogtrecht<br />
zu Maygingen und zu Burladingen zu allen tailen" insgesamt<br />
99 Posten von Zinsen und Fruchtabgaben aufgeführt, die in<br />
Geld, Hühnern, Eier, Hafer und Hanfsamen bestehen und<br />
aus einem älteren Verzeichnis vom Jahre 1406 übernommen<br />
sind, denn ausgangs heißt es auf Bl. 285: „Anno domini<br />
MCCCCVI sripta (sie!) sunt hec." In diesen Angaben kommt,<br />
Maigingen betreffend, folgendes vor:<br />
an Personen: Hans von Maigingen gibt „von der von Burladingen<br />
gut" (gehörte wohl dem ehem. Adel derer von Burladingen),<br />
hat „die wis uff Kay" und das „gütlin, das Martins<br />
ist" (Zugehörigkeit unbekannt, vielleicht nach Ringingen, da<br />
(lort Martinspatrozinium?); Henslin von Mayingen gibt „von<br />
Volgers gut"; Haintz von Maygingen gibt aus seinem Hof;<br />
Frick von Maigingen hat ein Gut „von sant Micheln" (gehörte<br />
wohl nach Veringen, das den hl. Michael zum Patron<br />
hat, vgl. unten);<br />
an Gütern: „Mörssen gut ze Maigingen", das Auberlin<br />
(Albrecht) Kouffman hat und zur Mühle gehört, dahinter<br />
von späterer Hand nachgetragen, etwa um 1520: Michel Bau<br />
singer; Mantz gibt aus „Staimlins hof, der ze Maigingen"<br />
ist Widdum (Kirchengut); „zu Maigingen der Kaiserinen hofstatt",<br />
hat Wochenwerck und Hagen; „der Arnoltinen gütlin,<br />
das ze Maigin gen lit", hat App;<br />
an Grundstücken: der Kaiser gibt aus „ainem aker ze<br />
Mayingen", der dem Nunner gehört und wüst liegt; „ain<br />
gärtiin lit ze Maigingen, das da Hagen hat"; Aubrecht Pfaff<br />
gibt aus „des Nünners garten zu Maigingen gelegen".<br />
Auch der heutige Flurname „Gassen" wird schon genannt:<br />
Mantz gibt aus „Sennoppen gut in der gassen"; der Spindler<br />
gibt aus „der Schlechtinu garten in der gassen", hat jetzt<br />
Geipffii; „Strecken hoffstatt, die obnen an der gassen lit."<br />
Noch eine weitere Urkunde sei angeführt, in der unser<br />
Maigingen erwähnt ist. Am Freitag, so man singt in der<br />
christlichen Kirche Vocem, Jocunditatis (also am. Freitag vor<br />
dem 5. Sonntag nach Ostern, den 20.) Mai 1468 fand vor dem<br />
Burladinger Ortsgericht unter dem örtlichen zollerischen<br />
Amtmann Konrad Ragor eine Feststellung zwischen der Heiligenpflege<br />
St. Michael zu Veringendorf und deren Pächtern<br />
auf Burladinger Bann statt. Darnach bat Benz Spinnler u. a.<br />
folgende Grundstücke, die dem hl. Michael Zinsen: 1 Jauchert<br />
unter Maygingen stoßt uf des Busingers Gut, das man<br />
nennt „des Burladingers Gut"; 1 Gart zu Mayingen, druf sät
10 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
man 3 fiertail Hanfsamen, stoßt an die Straß; 1 Jauchert ob<br />
Mayingen uf dem Rain, stoßen rings an den Businger. Folgende<br />
Stücke hat Hans Decker inne: 1 Wiesbletz in Mayingen<br />
am Spinnler und 1 stoßt uf den Bronnen; 1 Wiesbletz zu<br />
Mayingen uf dem Rain, stoßt an Stuklin, und ein Wiesbletz<br />
stoßt uf den blinden Clausen; 1 Garten zu Mayingen am<br />
Miller.<br />
Heute liegt der Ort verlassen, und dort, wo einst Häuser<br />
und Gehöfte gestanden haben, dehnen sich jetzt weite Ackerund<br />
Wiesenflächen. Vor Jahren wurden auf einer Wiese „bei<br />
der Gasse" Töpfe und Bronzesachen (?) gefunden, die aber<br />
leider verschleudert wurden, sicher Gegenstände der ehem.<br />
Bewohner von Maigingen. Den starken „Gassenbrunnen",<br />
einen Zufiuß der Fehla, hat sich seit etwa 20 Jahren das<br />
Kreiswasserwerk Hechingen dienstbar gemacht und leitet ihn<br />
mittels Pumpwerk auf die nördliche Höhe über der Burladinger<br />
Fideliskirche und von da ins Unterland. Ob sich bei<br />
der geplanten Benennung der Burladinger Straßen die Gemeindeväter<br />
des aufstrebenden Fleckens bereit finden wer-<br />
den, sich auch für eine „Maiginger Straße" zu entscheiden,<br />
um das Andenken an die einstige Schwester nicht ganz verschwinden<br />
zu lassen?<br />
Anmerk ung : Die genaue Datumsangabe in der Urkunde<br />
(Monumenta Zollerana I, 402) lautet: „uffen den<br />
nähsten guten Tag vor dem hailigen pfingstag". Die<br />
Herausgeber der Mon. Zoll., Rud. Frh. v. Stillfried und<br />
Tr. Maercker, sahen in dem „guten tag" fälschlicherweise<br />
stets den Mittwoch und berechneten daher unser<br />
Datum auf den 6. Juni. In Wirklichkeit aber ist es der<br />
Montag (vgl. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung,<br />
4 1915, S. 18, 62) und so d.er 4. Juni; denn Montag heißt<br />
lat. „Feria secunda", secundus ist „glücklich günstig, gut",<br />
daher Montag = guter tag! Audi Joh. Ad. Kraus, der<br />
in den Hohenzoll. Jahresheften 12 (1952) S. 96 und 14<br />
(1954) S. 109 die Urkunde anführt, hat den Fehler der<br />
Herausgeber zu spät bemerkt und bat mich, auf diesem<br />
Wege den Irrtum richtig zu stellen.<br />
Helmut Rischert.<br />
Die Marienkapelle bei Ringingen<br />
„Du stille Kapelle am Friedhofrand,<br />
kann eine dir gleichen im weiten Land!?"<br />
1. Vor dem Dorf Ringingen am Heufeld, auf der Wasserscheide<br />
zwischen Starzel und Laudiert, wo die neuen Straßen<br />
von Salmendingen und Killer her zusammenstoßen, steht ein<br />
altehrwürdiges Kirchlein. Zwar glänzt es nicht nach außen<br />
durch prachtvolle Bauart, nicht prangen in seinem Innern<br />
Marmor und Gold, sondern schlicht und einfach steht es da<br />
in grauem Gewand. Die neueren dunklen Ziegel des Daches<br />
verraten eine pflegende Hand, und ein paar mächtige, wohl<br />
200jährigen Linden breiten schützend ihre Aeste über das<br />
kleine Heiligtum, an das sich seit 1841 der Friedhof wie ein<br />
Kind an die Mutter anschmiegt. Diese Kapelle wüßte viel zu<br />
erzählen von vergangenen Tagen, von Freud und Leid der<br />
Menschen, die hier schon gewandelt sind. Zwar reicht sie<br />
nicht in die Zeit zurück, als die römischen Legionen die uralte<br />
Straße von der Burladinger Schlichte herauf hier vorbei<br />
gen Norden marschierten, als die Alemannen im Dorf zwischen<br />
Nehberg und Hälschloch siedelten und ihre Toten im<br />
Lai begruben, als auf der „Heerstraße" die Ritter und Knappen<br />
der mittelalterlichen Grafen und Herren vorbeiritten, als<br />
über dem Dorf und auf Eineck und am Kästlesbühi wehrhafte<br />
Burgen erstanden. Der Zeitpunkt also, wann nach<br />
dem Entstehen der Martinspfarrkirche und der auf sanktgallischen<br />
Besitz zurückreichenden Galluskirche hier an der<br />
„Heerstraße" bzw. am heutigen Feldweg als Heiligtum Unsrer<br />
Lieben Frau entstand, ist so wenig bekannt, als die<br />
Namen der Gründer. Nach einer verschwommener. Ueberlieferung<br />
sollen einige Fräulein aus dem Ritterstand namens<br />
Maria, Elisabeth und Veronika von Eineck die Hand im Sp el<br />
gehabt haben. Allein dies klingt ziemlich unwahrscheinlich,<br />
denn 1) die Burgstelle auf dem Seeheimerberg gen Junging' n<br />
die man seit dem Ringinger Chronisten Jakob Barth ;i867)<br />
Eineck heißt, wird noch 1545 Freunds- oder Frundspürglin<br />
genannt. 2) Jene Veronika hieß in Wirklichkeit „von Neuneck"<br />
und lebte 1507. wie wir unten sehen werden. ) Die angebliche<br />
Freifrau Elisabeth von Eineck, Gattin des edlen<br />
Heinrich von Killer im Affenschmalzer Jahrtag zu Ringln^en<br />
1406 hieß richtig „Elisabeth die Unrain" aus dem Gescnlecnt<br />
von Ratzenried (Hohz. Jahreshefte 1954, 135). 4) Nägele hat<br />
in den Albvereinsblättern 1900 Sp. 54 anläßlich einer Schilderung<br />
der „Schwedenschanze" von Jungingen geschrieben:<br />
„Ein Bauer, den ich auf (dem Seeheimerberg) trai wollte<br />
wissen, daß dort vorn (auf Eineck) einmal eine Kapelle<br />
„Maria Eineck" gestanden habe." Jedoch ist von einer solchen<br />
nichts bekannt, und die Burg ging wohl schon im 13. Jahrhundert<br />
wieder ab. Ein Fräulein Elisabeth von Neun^ck<br />
findet sich lediglich mit. ihren Schw-steru Mararetb und Ursula<br />
in der Pfarrchronik von Glatt (Bc 3 . I, 41) als Kinder des<br />
edlen Oswald von Neuneck (+- 1452) und der Ursula SchArelherin,<br />
der Tochter des Fritz Schw. von Straßberg. Da uer<br />
Mädchenname Maria im 15. Jahrhundert beliebter wurde,<br />
bleibt von den angeblichen drei Gründerinnen nicht viel<br />
mehr übrig, als verschwommene Vermutungen, die nichts beweisen<br />
(Hohz. Heimatblatt 1929, Nr. 1, S. 5 ff). Wenigstens<br />
hatte obige Elisabeth durch ihre Mutter vage Beziehungen zu<br />
Ringingen, wie noch zu zeigen sein wird.<br />
2. Die erste ganz sichere Nachricht vom Bestehen der<br />
Kapelle (nach einer unbestimmten von 1489) besitzen wir<br />
vom 28, September 1507. Eine Pergamenturkunde, die aber<br />
Von Joh. Adam Kraus<br />
beim Franzoseneinmarsch am 23. April 1945 mit dem Rathaus<br />
verbrannte, meldete: „Peter Schwelher von Straßberg<br />
urkundet: Mein liebes Bäsle, die edle Witwe Fronik (Veronika)<br />
von Nüneck geborene Spettin, ist zu mir gekommen<br />
und hat mir gesagt, sie habe vor, in die Kapelle Unsrer lb.<br />
Frau bei Ringigen eine Stiftung zu machen, so daß der Frühmesser<br />
zu Ringingen für ewige Zeiten alle Samstage darin<br />
Messe lesen oder singen soll, wie es sich bei der Zeit nach<br />
gebührt. Zudem habe sie auch eine Stiftung angefangen auf<br />
dem Kornbühel bei Salmendingen zu Ehren der hl. Frau St.<br />
Anna. Veronika hat mich freundlich gebeten, auch et vas<br />
dazu zu geben, da doch meine und ihre Vorfahren selig ihr<br />
Wesen lange Zeit da herum gehabt hätten. Da ich jedoch dort<br />
in der Gegend nichts besitze, als das Sehamertal ob dem<br />
Dorfe Killer und mein Recht („Gerechtigkeit") auf dem Seheimerberg,<br />
so schenke ich hiermit dies alles ihr zu freier<br />
Verfügung kraft dieses Briefs, der mit meiner eigenen Hand<br />
geschrieben und mit meinem anhangenden Insiegel besiegelt<br />
ist am Zinstag vor sant Michaelstag, als man zalt von der<br />
Geburt Christi 1500 und in dem sübenden Jar."<br />
Es ist also ein Irrtum, wenn das Fürstenbergische Urkundenbuch<br />
diese Base Veronika eine geborene Epellin<br />
nennt. Sie war vielmehr die Tochter des Heinrich Spät des<br />
älteren zu Granheim, der im J. 1468 als Gatte von Mettelhansen<br />
Schwelhers Tochter Mergelin (Mariele) erscheint. Ihr<br />
Bruder Junghans Spät von Granheim tauschte 1507/8 sein<br />
Viertel ar~ Dorf Ringingen gegen das verbrannte Schloß<br />
Wartstein im Laatertal an den Grafen Eitelfriedrich von Zollern.<br />
Heinrich Spät hatte 1471 und 1481 zu l U Teil am Präsentationsrecht<br />
für Pfarrei und Kaplanei Ringingen. Peter<br />
Schwelher aber, der als Witwer um 1508 noch geistlich<br />
wurde, war der Sohn des Fritz Schwelher zu Straßberg und<br />
Enkel des Althans Schw., der 1403 zu Ringingen saß und mit<br />
seinen Brüdern Mettelhans und Kleinhans später einziger<br />
Herr zu Ringingen wurde. Die restlichen 3 Viertel an Ringingen<br />
samt Patronat kamen von den andern Schwelhererben<br />
an die Grafen von Werdenberg zu Trochtelfingen und 1534<br />
erbweise an Fürstenberg (Hohz. Jahreshefte 1938, 109 ff.). Es<br />
stimmte somit genau, wenn Peter Schwelher in der Urkunde<br />
schreibt, seine und Veronikas Vorfahren hätten lange Zeit<br />
So - ' J i .<br />
m Ü .•^JirT<br />
Marienkapelle bei Ringingen
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 11<br />
ihr Wesen um Ringingen herum gehabt. Des Kleinhans<br />
Witwe Anna von Freiberg, die er nach der Zimmerischen<br />
Chronik so stark gequält haben soll, hat noch am 15. April<br />
1464 zu Ringingen auf der Burg gewohnt und vom Bischof<br />
von Konstanz die Erlaubnis erhalten, auf einem Tragaltar<br />
der Kirche (wohl Pfarrei!) Ringingen die Exequien halten zu<br />
lassen, vielleicht für ihren noch geisternden Mann (Hohz.<br />
Heimat 1954, 14). Veronikas verstorbener Mann hatte Melchior<br />
von Neuneck geheißen und war ein naher Verwandter<br />
obigen Oswalds, ebenfalls aus Glatt.<br />
Was wurde nun aus den geplanten Stiftungen Veronikas?<br />
Mit der Ringinger offenbar nichts, und vom Kornbühl erfahren<br />
wir auch nichts. Denn am 26. Juli 1513 hat diese Frau,<br />
nun zu Reutlingen seßhaft und 1494 bis 1536 als Witwe nachzuweisen,<br />
ihren Ringinger Besitz, den sie vom Schwelher geschenkt<br />
bekommen (Seheimerberg mit Wunn und Waid und<br />
das Seheimertal), um 80 rheinische Gulden (ca 2400 Goldmark)<br />
an die „Gepurschaft" oder Bauernschaft des Dorfes<br />
Ringingen uf der Alb verkauft, wobei der genannte Schwelher<br />
als „Herr" (Geistlicher) siegelte. Auch diese Urkunde ist<br />
mit dem Rathaus verbrannt.<br />
Mit größter Wahrscheinlichkeit war unsere Marienkapelle<br />
auch gemeint, als am 2. Januar 1489 der Bischof von Konstanz<br />
auf 1 Jahr die Erlaubnis gab, in einer Kapelle außerhalb<br />
Ringingens einen Tragaltar zu benützen, offenbar weil<br />
diese Kapelle mit dem Altar noch nicht geweiht war (Krebs,<br />
Investiturprotokolle S. 709). Da die Gallenkirche innerhalb<br />
des Orts-Etters oder Zauns lag und die 1530 erwähnten<br />
Bernhards- oder Weilerkapelle und St. Jakoben auf der<br />
Staig als vermutlicher Bildstock, sowie die erst 1609 erwähnte<br />
Schächergruppe am Ortsausgang gegen Meldungen<br />
wohl nie einen konsekrierten Altar besaßen, dürfte nur unser<br />
Liebfrauenheiligtum gemeint gewesen sein. Möglicherweise<br />
entstand es nach 1450 im Zug der Wiedergutmachung<br />
der Freveltaten des letzten Schwelhers (Zollerheimat 1931<br />
9—11).<br />
3. Das Fleckenbuch von 1530 (ebenfalls 1945 verbrannt) erwähnt<br />
die Kapelle „Unser Lb. Frauen" sehr oft bei Beschreioung<br />
der Wege und Fußsteige (Mitt. Hohz. 1924 S 209—20).<br />
Sie war einst auch mit Gütern ausgestattet, denn 1544<br />
nennnt Hagens Lagerbuch von Killer einen Acker „Unser<br />
Frauen zu Ringingen" in der Flur Enk an der Landstraße in<br />
Tiefental, der auch noch 1580 in Rammingens Erneuerung vorkommt.<br />
Die Pfleger Unser Frowen zahlten im Jahre 1542 an<br />
Türkensteuer 1 Pfund 9 Schilling (ca 51 Goldmark), die<br />
Annapflege dahier 9 Schilling 6 hlr, die Martinspfle^e 4<br />
Pfund und der Herr Pfarrer zu Ringingen für Pfarrei und<br />
Kaplanei 10 Pfund 17 Schilling (Zollerheimat 1938 S. 93). Wohin<br />
die Güter kamen, bleibt unbekannt; die übrigen Einnahmen<br />
stammten wohl von milden Gaben. Sicher unrichtig<br />
ist die Vermutung eines späteren Pfarrers von I66i, die einst<br />
zur Kapelle gestifteten Grundstück« habe jetzt Fürstenberg<br />
inne; den Grund wußte er nicht. Diese Herrschaft hat sich<br />
jedenfalls jederzeit sehr korrekt in ihrer Verwaltung gezeigt.<br />
Die Rechnungen U. Lb. Frau von 1531—40 sind I aider<br />
beim Trochtelfinger Stadtbrand 1726 mit der Kanzlei in<br />
Rauch aufgegangen.<br />
Bei der Kirchenvisitation im J. 1650 (FDA 1953, 169) gab<br />
Pfarrer Jakob BÖler (Bailer) an, die Kapelle sei im Krieg<br />
von Soldaten verbrannt worden, soll aber auf Kosten des<br />
Kirchenheiligen (Heiligenpflege) im Frür.jah' wiederhergestellt<br />
werden. Doch geschah dies erst 1652. Das zolierische<br />
hechingische Auaienzprotokoll mei' et nämlich am 13. März<br />
dieses Jahres: „Die Gemeind zu Ringingen pittet untertänig,<br />
weylen sie ihre Capel aufm Ringinger Feld wieder zu pauwen<br />
bedacht, ob man ihnen nicht zu diesem Ende aus gueter<br />
Nachbarschaft 20 Stumpen (Stämme) Hol; zur Beisteuer bewilligen<br />
und ihnen zuekommen lassen wollte". Der Bescheid<br />
lautet: „Aus gnäd. Herrschaft Waiden solle ihnen mit 12<br />
Stumpen, die Junginger dazu 4 und von Hausen auch 4, darumben<br />
sie auch zuevor ersuecht werden Könnten, gratifiziert<br />
werden" (Staatsarch. Sigm. D 140, No 37). Nach anderer Angabe<br />
war das Kirchlein n i ch t völlig vernichtet, sondern<br />
nur ausgebrannt gewesen, wie auch 4—5 Häuser im Ort:<br />
Folgen des 1648 beendeten großen Krieges.<br />
Der 17. Juli 1659 war für Ringingen ein großer Tag. Der<br />
Konstanzer Weihbischof Goorg Sigismund Müller, episc. Heliopoiitanus,<br />
kam ins Dorf, weihte die wiederhergestellte<br />
und vermutlich erweiterte Kapelle samt Altar, und firmte 80<br />
Ringinger unter Pfarrverweser Kern. Die letzte Firmung war<br />
1656 in Trochtelfingen gewesen mit 21 Ringingern. Diesmal<br />
finden wir u. a. die Namen: Riedinger, Rhein, Vogel, Dieter,<br />
Ott, Faigle, Dietz, Hoy. Kraus, Schaut, Nadlei, Spendler,<br />
Ruoß, Baur, Quintle, Volk, Buck, Koch, Stopper, Furtenbach,<br />
Böz, Frey, Sauter, Buckenmayer und Löffler. Doch ist unsicher,<br />
ob schon bei dieser Renovierung oder erst um 1683 die<br />
Verlängerung des Gebäudes nach Westen vorgenommen<br />
wurde. Die 20 Stämme sprechen für das frühere Datum. Der<br />
Chorteil mit dem 3/8 Schluß und das gotische Türgewände<br />
mit Kielbogen sind offenbar älter als der übrige Teil und<br />
deuten in das Ende des 15. Jahrhunderts als Entstehungszeit.<br />
Auch zeigt sich, daß die beiderseits über die Mauer unterm<br />
Dach hinlaufenden Balken an der gleichen Stelle am Chorbeginn<br />
ineinander verkröpft sind, so daß hier ein gewisser<br />
Abschluß gewesen sein mag. Der Stil des steinernen Giebelreiters<br />
oder Glockenbocks im Westen mit dem Glöcklein, sowie<br />
das Patrozinium des Heiligtums „Mariä Namen", das wie<br />
früher allgemein nicht am 12. September, sondern am Sonntag<br />
nach Mariä Geburt als „Kappelfest" gefeiert wird, sowie<br />
das steile Kehlbalkendach mit liegendem Stuhl deuten ebenfalls<br />
in die Zeit um 1683, wo zum Dank für die Befreiung<br />
Wiens aus der Türkengefahr das Fest Mariä Namen in der<br />
katholischen Kirche eingeführt worden ist. Vorher dürfte das<br />
Patrozinium wohl am 15. August gewesen sein, wenn nicht<br />
eher am Schmerzensfreitag!<br />
Das in der Ausführung sehr schöne und einst auch wohlklingende<br />
G 1 ö ck 1 e i n von 39 cm Durchmesser, etwa 70<br />
Pfund Gewicht und Ton h2, hat oben auf der Platte am<br />
Rand neben den Henkeln, von denen einer abgebrochen ist,<br />
einige Salbeiblättchen abgegossen. Rings um den oberen<br />
Rand läuft ein 3—4 cm breiter Biumenfries. Ein Inschriftband<br />
darunter zeigt eine Hand mit der Zahl 1686 und die 4<br />
Evangelistennamen in Kapitalschrift. Unter diesem Band<br />
schlingt sich wieder ein Blumengewinde herum. Darunter<br />
sieht man auf einer Seite als Gießerzeichen ein Glöcklein mit<br />
dem Namen Johannes Rozier darum, darunter IHS und<br />
rechts und links wieder ein Blättchen. Der Gießer stammte<br />
aus einer bekannten lothringischen Gießerfamilie R o s s i e r,<br />
die sich in Rottenburg niedergelassen hatte und die auch für<br />
Haigerloch, Trochtelfingen, Inneringen, Frohnstetten, Bingen,<br />
Steinhilben, Obermarchtal, Ochsenhausen, Rottenburg, Rottweil,<br />
Kirchheim, Wiesensteig, Straßburg und andere Kirchen<br />
goß. Nachdem dieses Glöcklein am 25. März 1942 für Kriegszwecke<br />
abgegeben werden mußte, hat man es am 5. Dez. 1946<br />
mit der Mettel- und Gallenglocke im fernen Lünen in Westfalen<br />
im Hüttenwerk Kayser A. G. wiedergefunden und zurückgebracht.<br />
Steinhauermeister Lukas Dietrich hat sich die<br />
Mühe gemacht, es wieder in den Giebelreiter einzubauen, worüber<br />
sich jedermann freute. Allein einige Zeit darauf, als<br />
die französischen Besatzungstruppen jahrelang auf den Heufeld<br />
Übungsschießen hielten und jeweils einen Posten bei<br />
dem Kirchlein stehen hatten, zeigt sich plötzlich der Klang<br />
der Glocke sehr matt und stumpf. Von unten sieht man, daß<br />
oben ein Loch durch die Platte geht; offenbar wurde hindurch<br />
geschossen! Wie lange wird es noch Dienst tun können?<br />
Die Heilig°nrechnune vom 1692/93 berichtet vom Beschlagen<br />
von drei Glöcklein, wohl unserm und der beiden<br />
auf St. Gallen, von Anfertigung neuer Stühle für Unser Lb.<br />
Frauen Capel und St. Gallen und vom Decken des Weilerkäppeles<br />
mit Schindeln, vo r . Anschaffung eines Vorhangs an<br />
en Altar der Frauencapel, von Leim und Farben zur St.<br />
Bernhards- oder Weilerkapelle usw.<br />
4. Nach 'der Uberlieferung muß einst eine beliebte Wallfahrt<br />
in dieses MarienheiHgtum bestanden haben, worauf<br />
ach r lie Hoizgabe der Killertalgemeinden 1652 hindeutet.<br />
Das Taufbuch von Hauser berichtet (nach Staudacher) um<br />
1650: „Am 20. Juli, dem Feste der hl. Margaretha, geht man<br />
mit dem Kreuz von Hausen, (Starzein) und Killer nach Ringingen<br />
in die Kapeile um gutes Wetter".<br />
Ein genauerer Be-icht Legt uns aus der Feder des Ringinger<br />
Pfari :s Magnus Tiberius von Pflummern vom 17. Juli 1736<br />
vor. Er schrieb damals an den Landesherrn, den Fürsten<br />
Proben Ferdinand von Fürstenberg:<br />
„Unsere nächst allhiesigem Flecken zu Ringingen anliegende<br />
Kapeile, zu U. Lb. Frauen genannt, welche schon<br />
einigt undert Jahre hero von den umliegenden Orten<br />
vielfältig besuchet und das darin befindliche sehr anmüetige<br />
marianisene Gnadenbild mit großer Andacht<br />
erehrt wird, befindet sich dermalen in so schlecht und baufälligem<br />
Stand, daß einige Reparation, um dem völligen Ruin<br />
vorzukommen, unumgänglich vonnöten war. Da nun aber<br />
besagte Kapelle nicht mit der mindesten Stiftung versehen,<br />
mdern alleinig aus dem Opfer, das jedoch jetziger erbarmter<br />
Zeiten sehr gering ausfallet, muß erhalten werden, auch<br />
ailhiesige Heiligenfabrik wegen unlängst ganz neu aufgeführtem<br />
Kirchenbau (1707-24) und dato ailbereits ins We, k<br />
gesetzte Fassung der beiden Nebenaltäre, der ailersel. Jungfrau<br />
und d ;ss hl. Seb^stiani unmöglich bei Kräften steTie t,<br />
sotaner ur ter Kapellen mit Beitragung der ziemlich anlaufenden<br />
Reparationskösten ex toto verhiifiich zu sein, folglich<br />
anc :rwe : tiger christlicher Beisteuer höchst bedürftig ist,<br />
also gelangt hiermit an Ew. Hochfürstl. Durchlaucht meine
12 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
untertänigste gehorsamste Bitt, höchstdieselbe geruhten doch<br />
gnädigst aus anstammender hochfürstl. Clemenz, mehrgedachter<br />
ganz erarmter Marianischen Gnadenkapellen mit<br />
Beitrag etwas weniges beizuspringen, damit die höchst benötigte<br />
Reparation vollends zu End gebracht und die dazu<br />
erforderlichen Kosten mögen bestritten werden. Welche anhoffende<br />
hochfürstl. Gnad der allgütige Gott und seine gebenedeite<br />
Mutter Maria reichlich belohnen wollen, die auch<br />
mit meinen Pfarrkindern in obbesagter Marianischen Kapellen<br />
allwo wöchentlich alle Freitag die hl. Meß gelesen<br />
wird mit neunmaliger Applikation derselben und jedesmal<br />
darunter öffentlich betendem heiligen Rosenkranz<br />
Daß sich freie Personen völlig aus freien Stücken einem<br />
Herrn leibeigen gaben, scheint uns heute fast unglaublich,<br />
und doch beweisen folgende Beispiele die Tatsache. Offenbar<br />
muß die Leibeigenschaft sehr milde gehandhabt worden<br />
sein und es manche Vorteile gebracht haben, wenn einer<br />
„den Schutz und Schirm seines Herrn" suchte. Sie bestand<br />
nämlich um 1600 nur in der jährlichen Abgabe eines Fastnachtshuhns,<br />
und beim Tod eines Mannes im besten Stück<br />
Vieh, bei der Frau im besten Oberkleid. So .hart diese<br />
letztere Abgabe (der sog. „Fall") auch war, er wurde mancherorts<br />
um 1600 auch von allen anderen Einwohnern und<br />
Leheninhabern verlangt, so daß sich der Unterschied zwischen<br />
Freien und Leibeigenen allmählich völlig verwischte.<br />
Bei Verkauf eines Leibeigenen an einen andern Herrn wurde<br />
ja nur der Empfänger der Abgaben ein anderer, und sonst<br />
änderte sich überhaupt nichts. Das Wort Leibeigenschaft<br />
war bei uns also schlimmer als die Sache!<br />
1606 28. Januar. Waldburga Stehelin von Owingen<br />
b. Haig. bekennt, sie habe sich aus sonderer Schickung Gottes<br />
und mit Erlaubnis des Grafen Johann Georg von Hohenzollern<br />
zu dem ehrbaren Hans Folmb daselbst ehelich<br />
versprochen, und da sie bisher niemand leibeigen war,<br />
sich dem genannten Herrn Grafen leibeigen ergeben und<br />
somit auf sich genommen, was andere Leibeigene und Untertanen<br />
jederzeit gegen ihren Leib- und Halsherrn zu tun<br />
und zu lassen schuldig seien. Auf ihre Bitten siegelt die<br />
Stadt Hechingen (anno der weniger Zahl 606 Jahr!). Papieroriginal,<br />
das Siegel ist abgesprungen.<br />
1606 18. November. Melchior Wied von Owingen hat<br />
sich mit Erlaubnis des gleichen Herrn mit der ehrbaren Katharina<br />
Sennerin, Tochter des Hansen Se n n e r, des Becken<br />
von Grosselfingen, der zollerisch leibeigen ist, verlobt<br />
und ergibt sich nun auch dem Grafen zu leibeigen.<br />
Stadtsiegel Hechingen. Den 4. Novb. 1606 ist die Heirat vermög<br />
Owinger Bescheidbuchs bewilligt worden.<br />
1607 27 Januar. Katharina Herttkornin von T r i 11fingen<br />
hat sich mit Erlaubnis obigen Grafen dem Balthas<br />
Hohenloch zu Owingen ehelich versprochen, der Leioeigenschaft<br />
der Herrschaft Haigerloch entledigt (gegen Geld)<br />
und dem genannten Grafen ungezwungen und ungedrungen<br />
leibeigen ergeben. Heirat ratifiziert 13. Jan. 1607. Stadtsiegel<br />
Hechingen.<br />
1611 20. Mai. Barbara Bürkim von Stetten b. Haig.<br />
hat sich mit Consens des gen. Grafen mit Balth&s Hohe<br />
1 o ch von Owingen, der zollerisch leibeigen ist (und offenbar<br />
verwitwet), verlobt uad da bisher frei, dem Grafen<br />
leibeigen ergeben. Stadtsiegel Hechingen.<br />
1611 13. August. Katharina B e y e r i n von Waidmühlb<br />
a cli, kurzmainzischen Gebiets, die mit Georg S ch m i d von<br />
Owingen heiratet (14. Mai 1611), gibt sich zollerisch leibeigen.<br />
Stadtsiegel Hechingen.<br />
1611 10. September. Ebenso Georg Flaitz von Gruol,<br />
der sich mit des Hans S ch i ck e n Witwe Barbara Weißhaar<br />
i n zu Owingen verlobte und sich von der gräfl.<br />
Haigerlochischen Vormundschaft von der Leibeigenschaft<br />
löste. Stadtsiegei Hechingen.<br />
1612 7. Januar. Der zollerische Obervogt Dr. Christoph<br />
Metzger und Schultheiß Michael Mayßing zu Hechingen irkunden,<br />
daß Georg S ch m i d von Owingen mit Katharina<br />
Beyerin von Waldmühlbach heiratete und beide als Untertanen<br />
zu Owingen angenommen wurden. Jedermann, den es<br />
angeht, möge das Vermögen der genannten Beyerin an sie<br />
herausgeben. Mayßing siegelt mit Petschaft: Meise über Dreiberg.<br />
1614 21. Juni. Walburga Schneiderin von Ahldorf,<br />
das dem Hans Erhard von Ow daselbst untersteht, hat sich<br />
von diesem aus der Leioeigenschaft losgekauft und gibt sich<br />
nun (wie die vorausstehenden) freien guten Willens, unge-<br />
om langwühriges hochfürstl. Wohlseyn des gesamten durchlauchtigsten<br />
Hauses von, Fürstenberg die göttliche Allmacht<br />
eifrigst bitten werde . . .<br />
Untertänigst gehorsamster Kaplan Tiberius Magnus Josephus<br />
von Pflummern, Pfarrer von Ringingen, Mpr.<br />
(Archiv Donaueschingen). Diese Eingabe ist überaus aufschlußreich:<br />
die Wallfahrt aus der Umgegend war einige<br />
hundert Jahre alt, ein anmutiges Gnadenbild vorhanden, der<br />
Bau in schlechtem Zustand, keine Stiftung oder Geld vorhanden,<br />
Freitags je eine hl. Messe mit Rosenkranz, deren<br />
Intention nur 9 mal festgelegt sei (wofür?), die übrigen also<br />
noch frei. (Schluß folgt.)<br />
Freiwillige Leibeigenschaft<br />
zwungen und ungedrungen dem Gr. Johann Georg von Hohenzollern<br />
leibeigen. Stadtsiegel Hechingen.<br />
1614 11. Oktober. Paul Rockenstein von Owingen<br />
und Katharina Essichin, Tochter des Georg Essig zu Gundrichen<br />
urkunden als angehende Eheleute, sie hätten sich<br />
als bisher freie Leute dem Gr. Joh. Georg von Hohenzollern<br />
ganz freiwillig als leibeigen ergeben. Stadtsiegel Hechingen<br />
mit Zollernschild und sehr schöner Umschrift: „SIGIL.<br />
CIVIUM. IN. HECHINGEN 1596."<br />
1615. 19. Dezember. Elisabeth Göttlerlin von Gruol,<br />
Haigerlocher Herrschaft, bisher frei, ergibt sich ungezwungen<br />
und ungedrungen dem Gr. Johann Gg. v. Hohenzollern leibeigen,<br />
indem sie seinen Untertan Georg Klein von<br />
Owingen ehelicht. Stadtsiegel Hechingen.<br />
1616 16. Oktober Anna Weißin von Straßberg, bisher<br />
keinem Herrn zugehörig, ergibt sich freiwillig dem Gr. Johann<br />
Gg. v. Hohenzollern leibeigen. Sie ist das Weib des<br />
Georg Koch zu Owingen. Stadtsiegel Hechingen.<br />
1617 20. Januar. Barbara Bendlerin von Bitteisch<br />
i e ß bisher frei, ergibt sich wie vorige, indem sie sich<br />
mit dem leibeigenen Hans Schwehrer zu Jungingen<br />
verheiratet. Hechinger Stadtsiegel war trotz Anzeige niemals<br />
aufgedrückt!<br />
1624 5. Oktober. Maria W e i ß i n von Straßberg hat<br />
sich von Junker Georg Dietrich von Westerstetten der Leibeigenschaft<br />
losgekauft, heiratet den Georg Braun von<br />
Owingen und ergibt sich der Grafschaft Hohenzollern<br />
leibeigen. Stadtsiegel Hechingen.<br />
1627 11. Oktober. Baltas Haasis von Tailfingen,<br />
Baiinger Amts, ist bisher frei gewesen und jetzt zu Hause<br />
n i. Killertal als Burger angenommen, ergibt sich an die<br />
Grafschaft Zollern und den regierenden Fürsten leibeigen.<br />
Stadtsiegel Hechingen.<br />
1665 31. Oktober. Maria May er in von Heiligenzimme<br />
r n, künftige Ehefrau des Aftervogts Georg Sinz<br />
zu Owingen, war bisher frei, gibt sich aber mit der Heiratsbewilligung<br />
aus wonlbedachtem freiem Mut, gutem<br />
Wissen und Willen, ungezwungen und ungedrungen in die<br />
Leibeigenschaft der fürstl. Grafschaft Hohenzollern. Stadtsiegel<br />
Hechingen war trotz Ankündigung niemals aufgedrückt.<br />
1666 9. Januar. Katharina Fischerin von Weildorf,<br />
bisher frei, hat sich mit Michae 1 S i ck i n g e r nach<br />
Owingen verheiratet und ergibt sich freiwillig in Leibeigenschaft<br />
der fürstl. Grafschaft Zollern. Siegel wie vorige.<br />
1684 4. Januar. Wachendorf: Johann Michael Till, owischer<br />
Vogt beider ritterschaftlicher Orte Hirrlinger und Wachendorf,<br />
urkundet: Anna Zweigin sei die eheliche Tochter des<br />
Karl Zweig und der Anna H ö 1 z i n, Bürger zuWachend<br />
o r f ; habe sich allzeit fromm, züchtig, ehrlich und ehrbar<br />
lieh gehalten, sei niemand leibeigen, könne also ungehindert<br />
nach Gefallen anderer Herren Schutz und Schirm suchen und<br />
annehmen. Sein Siegel: Baum, über dessen Stamm quer eine<br />
Waage gelegt ist. Helmzier: Baum zwischen 2 Büffelhörnern.<br />
Umschrift: sein Name. (Alle 17 Urk. im Erzbisch. Archiv,<br />
Freiburg, Z 307; früher angebl. im bischöfl. Archiv Konstanz).<br />
J. Ad. Kraus.<br />
Senden Sie bitte die Heimatzeiiung an Ver-<br />
wandte und Freunde! Der Verlag stellt gerne<br />
Probeexemplare gratis zur Verfügung.
a Organa 1058 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 13<br />
Aus dem Pfarrarchiv Rangendingen<br />
18 10<br />
Am 18. Januar ist mein Schwager Christoph Pfriemer,<br />
Bürgermeister und Salzfactor zu Hechingen an einem Schlagfluß<br />
nach Empfang der H. Sterbsakramente und da er 27<br />
Wochen krank gelegen selig in dem Herrn entschlafen, seines<br />
Alters 78 Jahr.<br />
Joannes Seiz Zimmermann von hier ist wegen dem Forstproceß<br />
von gnädigster Herrschaft den K. Soldaten 1794 übergeben<br />
worden, sodann in Jetalien zu Verena gestorben, und<br />
da sein Todfall durch einen K.Soldaten im Jahre 1808 bekannt<br />
gemacht worden, so wurden für denselben die gewöhnliche<br />
Exequien abgehalten am 28., 29., 30. und 31. März<br />
R.I.P.<br />
Am 8. Januar a. c. ist Caspar Kern leedig an einem Hitzigen<br />
Fieber nach Empfangung der H. SterbSakramente zu<br />
Wien im 31. Jahr seines Alters gestorben. R.J.P.<br />
Am 28. September hat es der göttl. Vorsicht gefallen die<br />
Frau Geheime räthin Maria Crescentia von Brodorotti gebohrene<br />
von Ziegler in dem 44. Jahre ihres Alters nach Enipfangung<br />
der H. Sterbsakramente am Vormittag um halb<br />
10 Uhr in eine bessere Weit abzurufen. R.J.P. Sie ist an der<br />
Wassersucht gestorben.<br />
Am 2. November sind Seine Hochfürstl. Durchlaucht unser<br />
Regierender gnädigster Fürst Herman Frideric Otto Nachmittag<br />
um halb 1 Uhr nach Empfang der Heil. Sterbsakramente<br />
in dem 60. Jahre Ihres Alters seelig in dem Herrn<br />
entschlafen. R.J.P.<br />
Seine Hochfürstl. Durchlaucht der Gnädigste Erbprinz<br />
Frideric Wilhelm haben seinem Höchst Seeligen H. Vater in<br />
der Regierung nachgefolgt, welcher an der Brustwassersucht<br />
gestorben.<br />
Das Namensfest des wirklich regierenden Fürsten Friedrich<br />
Wilhelm ist am 5. März und dessen Geburtsfest am 22. Juli.<br />
Das Geburtsfest unserer gnädigsten Fürstin ist am 19. Februar<br />
und des Erbprinzen am 16. Februar, werden beede<br />
diese Geburtsfeste miteinander gehalten und zwar alzeit am<br />
nächst darauf folgenden Sontag.<br />
18 11<br />
Am 31. August wäre die Vermehrung mit einem ungarischen<br />
Prinzen Festitiz und mit unserer gnädigsten Princessin<br />
Josephina Abend um 6 Uhr in der Pfarrkirche zu Hechingen<br />
vorgegangen.<br />
18 12<br />
Am 19. October ist die Kirch zu Bechtoldsweiler zu Ehren<br />
des H. Wendelin von dem H. Geistl. Geheimrath Decan und<br />
Stattpfarrer Weiger Hochwürden eingeweyhet worden.<br />
Am 20. d. M. ist sodan der erste Gottsdienst, als an dem<br />
Festtage des H. Wendelin in dieser Kirche abgehalten worden.<br />
Der H. Pfarrer Joseph Reiner zu Stein hat gepredigt und<br />
ich war eingeladen das Hochamt zu halten, weil ich aber<br />
nicht wegen der schlimmen Witterung dahin gehen kennte,<br />
so hat H. Pfarrer Pfriemer von Boll das Amt gehalten,<br />
auch hat H. P. Guardian Hertie seine H. Mess dorten gelesen.<br />
18 13<br />
Am 20. December hat der Fürst Windeskrez aus Kuerlanden<br />
im Pfarrhaus hier sein Quartier gehabt und am 25. d.<br />
M. d. H. General Thour und am 26. sind Reüssen hier ankommen,<br />
da war bey mir ein Mayor, es sind 160 Mann hier 5<br />
Tag gelegen. Dem Major mußte täglich für 8 Pferdte 8 Viertel<br />
Haber abgeben und diese Einquartierungen haben mi
14 HÖH EhMlZ OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 195o<br />
Bei dem Leichenbrand lassen sich deutlich die Reste eines<br />
Erwachsenen und eines Kindes unterscheiden. Ein Teil der<br />
Broncen ist vor der Verbrennung gewaltsam zerbrochen und<br />
zernackt worden.<br />
Funde: 2 offene ovale Broncearmringe mit rundem Querschnitt,<br />
glatten Enden und je 8 Kippen. Ritz- und panzverziert.<br />
Durchmesser 9,8 cm.<br />
Mindestens iu offene ovale Broncearmringe mit D-förmigem<br />
Querschnitt, Stollenenden und uiilenverziei ung. Die willen<br />
sind nicht gepunzt, sondern mit einem dreikantigen Gerät<br />
eingegraben. Mindestens 5 Ringe tragen aut der Innenseite<br />
keuiormige Schlagmarken. Hammerspuren und btaucnwuiste<br />
auf der Innenseite der Ringe zeigen, daß diese ais btangen<br />
gegossen und wohl erst nacn Anbringung der Verzierung in<br />
Ringlorm gebogen wurden. Durchmesser des besterhaltenen<br />
Stuckes 11 cm.<br />
3. Fragmentierter Broncearmring, ähnlich den vorhergehenden,<br />
Querschnitt jedoch nahezu dreieckig. Ais Verzierung<br />
keine Bögen, sondern Winkel.<br />
4. Brucnstücke von Broncearmringen mit rundem bis nahezu<br />
dreieckigem Querschnitt und Hilienverzierung.<br />
5. Broncearmringe mit vierkantigem, an den Enden rundem<br />
bis ovalem (Querschnitt mit Scnragstrichverzierung.<br />
6. Reste von üroncearmringen, vielleicht zu den unter 4.<br />
und 5. aufgezählten gehörig.<br />
7. Reste einer uroncenadel.<br />
8. Flache Broncescheibe mit Rückenöse. Durchm. 2,6 m.<br />
9. Ueber 35 kleine Bronceringe mit rhombischem Querschnitt<br />
und meist gekerbter Außenseite. Zum Teil zusammengeschmolzen.<br />
Durchmesser 1,2 bis 2,2 cm.<br />
10. Bruchstücke von 3 bis 4 verbogenen Broncebändern mit<br />
schräggeschnittenen Enden und randlichen Doppelrillen auf<br />
der Oberseite.<br />
11. Oval zusammengebogenes Bronceband, unverziert. Dm.<br />
1,1 cm.<br />
12. Drei Bruchstücke von vierkantigen, verbogenen Broncebändern.<br />
13. Geringe Reste von punzverzierten Bronceblechen.<br />
14. Wohl zusammengehörige Teile einer Haiskette. 1 flachkugelige<br />
Bernsteinperle mit Brandspuren, seitlich angebohrt,<br />
Dm. 2,5 cm; 2 ungefähr langovale Bemsteinpenen, Lange 1,2<br />
und 1,3 cm; etwa 20 kleine Ringperien aus dunkelblauem<br />
Glas zum Teil zerschmolzen, Dm. etwa 3,5 bis 4 mm; 3 gerillte<br />
Röllchen aus Goldblech, Länge 0,7 bis 1 cm; 1 gerilltes<br />
Rollchen aus Bronceblech und Reste von weitern, Länge 1,5<br />
cm; 1 Fischwirbel, Dm. 1,1 cm.<br />
15. Unkenntliche zerschmolzene Bronce- und Glasreste.<br />
16. Zylinderhaisgefäß. Stark ergänzt. Dunkelschwarzbraun.<br />
Auf der Schulter zwei umlaufende Riefengruppen, darunter<br />
eine dritte, die an vier Stellen girlandenartig gerafft ist.<br />
Unter diesen Stellen je eine Gruppe konzentrischer Halbkreise<br />
aus je vier Riefen. Nicht verbrannt. Höhe 20 cm.<br />
17. Geringe Reste einer zweiten Zylinderhalsurne mit umlaufenden<br />
Kanneluien- und Rillengruppen. Stark verbrannt.<br />
18. Doppelkonischer Becher mit leicht geblähtem, sich nach<br />
oben verjüngendem Hals. Rand schwach ausladend, nach<br />
innen abgeschrägt. Auf der Schulter zwei umlaufende Riefen,<br />
darunter aneinandergereihte flache hängende Bögen.<br />
Schwarzgrau, mäßig feiner Ton. Nicht verbrannt. Höhe<br />
12,2 cm<br />
19. Konische Schale mit horizontal abgewinkeltem Rand.<br />
Schwarzgrau, mäßig feiner Ton.<br />
20. Randstücke von mindetens zwei weiteren Schalen ähnlicher<br />
Form und Größe. Nicb 4 verbrannt.<br />
21. Flach geschweifte Schale mit abgewinkeltem, durch<br />
einen schwachen Wulst abgesetzten Rand. Auf dem Rand<br />
eingeritztes Zickzackband. Auf der Innenseite des Bodens ein<br />
einfacher Kreis, die Quadranten sind mit Riefen gefüllt. Ueber<br />
dem Boden, nach außen von einer Riefe begrenzt, eine Zone<br />
mit unregelmäßigen Einstichen. Schwarzbraun, mäßig feiner<br />
Ton. Nicht verbrannt. Dm 21,4 cm.<br />
22. Geringes Fragment eines dickwandigen, grobtonigen<br />
Gefäßes mit Fingertupfleiste.<br />
23. Kleines Fragment eines Gefäßes (Topf?) mit Einsatzloch<br />
für ehemaligen Henkel.<br />
Gammertinger Stiftungen<br />
Das Protokoll der „Geistl. Rates" zu Konstanz meldet unterm<br />
17. November 1666:<br />
Ihro Hochwürden Herr Vicarius referiert, weichergestalten<br />
von Spethischen etliche 1000 fl für J ahrtage in der Kirche zu<br />
Gammertingen vor diesem seien gestiftet worden. Die Unterpfand<br />
dafür genieße der derzeitige Junker Speth als Inhaber<br />
der Herrschaft Gan lertingen, lasse aber etwan einmal im<br />
Jahr etwas in der Kirchen nachmittags, aber das meiste bei<br />
dem Essen und Trinken halten. Obwohl im zugesprochen<br />
worden, daß er zur Erleichterung seines Gewissens solcher<br />
Stiftung nachlebe, man aber auch wissen möchte, was es für<br />
Stiftungen seien, daß er solche herausgeben solle. Zwar habe<br />
der Junker solches versprochen, doch habe es bis dato nicht<br />
getan. Daher die Frag, was zu tun sei.<br />
Einmütiger Beschluß: Der Geistl. Rat soll ihm schreiben<br />
und einen Monat zu Haltung dieses seines Versprechens und<br />
Edierung der Stiftungen ansetzen, widrigenfalls man mit<br />
Mandaten wider ihn verfahren werde.<br />
Am 9. März 1667 war die Antwort des Junkers Speth eingekommen:<br />
es seien zwar etliche Legata (Stiftungen) gemacht<br />
worden, die er auch jährlich halten lasse, dieselben aber<br />
seien niemals in authentischer Form confirmiert oder aufgesetzt<br />
worden, sondern allein auf Privatzetteln verzeichnet.<br />
Die Güter aber seien mit großer Schuldenlast beladen, daß<br />
die Stiftungen nit nach Inhalt besagter Zettel gehalten werden<br />
oder künftig confirmiert werden könnten.<br />
Beschluß: Man soll solche Antwort des Junkers dem<br />
allhier sich befindlichen Fröle (Fräulein) Spetbin und dem<br />
gewesten Trochtelfingischen Dekano mitteilen, ihren Bericht<br />
aber Herr Dekan des Kapitels um fernere Information überschreiben.<br />
(Weiteres fehlt. Erzbisch. Archiv Freiburg, Ha 213,<br />
S. 115, 184.) Krs.<br />
Innneringen<br />
1374 22. Juni. Ich Hans von Rischach, Ritter, den man nennt<br />
den Flachen, urkuntie, daß icn zu meinem Seeleheil an den<br />
Altar der Kapelle zu Inaringe in dem Dorf, da unser Frowe<br />
gändig und Huswirtin ist, vermachte: 26 T.-it. Korn, Veringer<br />
Meß, halb Vesan und halb Haber, us dem großen Zehnten<br />
der Pfarrei zu Inaringen, die ich zu leihen hab, und der<br />
kilchensatz min ist. Man soll sie jährl. us dem Zehnten dem<br />
genannten Altar und seinem Kaplan richten, und besonders<br />
dazu die Widern ze Inaringen, die derzeit Hainz Gerot baut,<br />
die jährlich gibt 30 ß Hlr, 2 Hähner und l h Vierte) Eier. Die<br />
alles stifte ich dem Altar und dem Kaplan zur Aufbesserung<br />
der Pfründe. Dabei soll Herr Peter der Maiger, Kilchherr<br />
derzeit ze Inaringen und sine Nachkommen sollen diesen<br />
Altar der Kapelle mit einem ehrbaren Priester besetzen, so<br />
wie bisher. Auch soll der Pfarrer zu Inaringen alle Jahr in<br />
der Kirche an der Kanzel uf den Tag der rechten Kylwihe<br />
(Kirchweih) und uf den Tag der Kirchwihe der Kapelle verkünden<br />
dieses. Wenn ich vorgenannter Hans von Rischach<br />
abgang von Todes wegen, das Gott lang spar, so soll der<br />
Kirchherr und Kaplan dahier zu Inaringen die Jahrzeit für<br />
mich und meine Vorfahren auf meinen jährl. Tag begehen<br />
mit Vigil und mit Seelmessen, wie gewöhnlich. Er siegelte<br />
und mit ihm der Kirchherr, Pfaff Peter der Maiger, Kylcherr<br />
ze den ziten ze Inaringen. Geben uf den nechsten Donrstag<br />
vor sant Johannstag ze Sunwenden, do waren von gottes<br />
geburt 1300 jar und darnach in dem vierten und sübenzigosten<br />
Jahre.<br />
lOr. Perg. Das erste Siegel fehlt, nur der Streifen noch<br />
vorhanden. Vom zweiten, spiczovalen Siegel ist die Umschrift<br />
weggebrochen, und nur INARINGEN noch zu erkennen. In<br />
der Mitte ein Dreieckschild, der auf einem Dreiberg einen<br />
Raubvogel (Habicht?) nach herald, links gewandt zeigt. Erzbischöfliches<br />
Archiv Freiburg, Urk. Z 595). Kr<br />
Das Donautal wurde nach Sage und Geschichte seinerzeit<br />
von Schlude in einem sehr ansprechenden Büchlein behandelt,<br />
das u. W. zwei Auflagen erlebte, aber längst nicht mehr zu<br />
haben ist. Findet sich kein Heimatfreund zwischen Tuttlingen<br />
und Sigmaringen oder Scheer, der sich der Neubearbeitung<br />
unterzöge? In ähnlicher Weise sollten auch die<br />
übrigen Täler der Laudiert mit der Fehla und der Starzel<br />
und Eyach volkstümlich und doch wissenschaftlich beschrieben<br />
werden. Wer wagt sich dran? Kr.<br />
Der Affenscnmalzer Jahrtag zu Ringingen 1406 wurde im<br />
Hohz. Jahresheft 1954 (i4) S. l.?l und 135 nach einer Kopie<br />
von 1799 behandelt, während das Original der Stiftung als<br />
verloren galt. Nun hat das Stuttgarter Hauptstaatsarchiv<br />
überraschend festgestellt, daß dieses Original noch wohlbehalten<br />
vorliegt und zwar ; m dortigen Archiv selbst im Bestand<br />
Blaubeuren A 323 Nr. 278. Das zweite Siegel (nämlicn<br />
Kaspars) zeigt den Ring über einem Dreiberg, wohl wie aas<br />
erste seines Vaters Heinrich; das dritte wird die gekreuzten<br />
Ziegenhörner der Elisabeth Unrain enthalten, während die<br />
beiden letzten leider nicht mehr kenntlich sind. Da die Urkunde<br />
nichts mit Ringingen bei Blaubeuren und noch weniger<br />
mit letzterem Kloster zu tun hat, muß die Einreihung<br />
auf einem Irrtum beruhen. Aber wie kam die Urkunde vor<br />
1799 von Ringingen weg? Krs.
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 15<br />
Ein Siegelstock des ehm. Kapitels Trochtelfingen aus Messing<br />
befindet sich im Besitz von Herrn Oberlehrer i. R. Anton<br />
Walter in Ebingen, Schmiedstr. 9. Der runde Abdruck<br />
von 3,7 zu 4 cm zeigt die Umschrift: SIGILL. CTPIT.<br />
TROCHTELFINGANI, in der Mitte das bischöfliche Konstanzische<br />
Wappen aus drei Teilen: 1 und 2 je ein Balkenkreuz<br />
(Konstanz und Reichenau?) und 3 das Wappen von<br />
Oehningen, dessen Herr der Bischof seit 1535 war, nämlich<br />
ein von zwei Händen gehaltener aufrechter Schlüssel. Das<br />
Bischofswappen ist überhöht von Bischofsstab und Schwert<br />
und darüber dem Fürstenhut. Beiderseits sieht man je einen<br />
Heiligen; rechts (heraldisch) den Bischof Konrad mit Kelch<br />
und Spinne, Mitra und Pluviale, links einen Ritter mit<br />
Schwert, Turban, Palme und Mantel, wohl der hl. Pelagius.<br />
Unten im Siegel zeigt ein ovaler Schild einen Rosenstrauch<br />
mit drei großen Rosen und je 3 Laubbläitchen beiderseits.<br />
Dieser Strauch soll zweifellos das Abzeichen des Kapitels<br />
sein. Außer dieser letzten Zutat gleicht das ganze natürlich<br />
ohne Umschrift sehr stark dem Bischofswappen von Konstanz<br />
im Personalkatalog von 1794 auf der vorausgebundenen<br />
Diözesankarte Krs.<br />
Originell ist die Datierung einer Urkunde zu Freiburg vom<br />
Jahre 1^96 „an dem sunnentage do man vierzehen<br />
tage hatte bletz gesse n." Hefele bezieht<br />
es mit E. Ochs auf das Essen der Fastnachtsküchlein am<br />
Sonntag Invocavit (1. Fastensonntag, hier 12. Febr.),<br />
was nicht ganz überzeugend klingt. Es käme doch auch der<br />
Fastnachtssonntag (Esto mihi) oder der unmittelbar<br />
zuvor liegende Schmotzi ge oder Aunsennige Donnerstag<br />
infrage, was dann 14 Tage später den 19. und<br />
nicht den 2 6. Februar ergibt. Andernfalls hätte man<br />
ehemals nicht vom Fastnachts - sondern vom Fastenküchlein<br />
geredet. „Schneider bletz" heißen im Hohenzollerischen<br />
heute noch die an Form und Größe ungleichen<br />
Fettküchlein, die man früher an Fastnacht in Menge genoß.<br />
Tierfett, auch Butterschmalz, heißt Schmotz (daher obiger<br />
Name des Donnerstags) und dieses war ehemals in der Fastenzeit<br />
außer den Sonntagen verboten. Darum hat man<br />
sich eben an Fastnacht noch damit besonders gütlich<br />
getan. Bletz ist Mehrzahl von Blatz oder Platz, das vom lat.<br />
placenta = Kuchen abgeleitet wird. In Ringingen (Hohenz.).<br />
ist übrigens heute noch der auf den 2. Juli oder unmittelbar<br />
nachher treffende Sonntag ein (Schmalz-)Küchlestag, ein auch<br />
durch Flurprozession ausgezeichneter Sonntag. Die „brutelouft"<br />
S. 287 oder Vermählung hieß bei uns noch vor 30<br />
Jahren Bräutlauf. Den (zollerischen) Schenken Walter von<br />
Andegg und seinen Schwiegervater Schenk Burkart von Wittichenstein<br />
bei Schenkenzell 1297 finden wir S. 234.<br />
Den Vorgang der uralten Herstellung von Flecht-<br />
Riegel-Wänden, die nach einer Dauer von über 5 000<br />
Jahren erst vor 2 Menschenaltern durch moderne Bauweise<br />
abgelöst worden sind, schildert H. Heimberger in der „Badischen<br />
Heimat", FreiDurg, 1953, Heft 4 S. 333 ff. Die Namen<br />
der einzelnen Werkzeuge und Stoffe mögen zwar im Badischen<br />
etwas anderes gewesen sein, als bei uns, aber die Sache<br />
selbst war gleich. Die Flechtruten hießen in Ringingen: Reige(r)ten.<br />
Kr.<br />
Was bedeutet Stellbiirdin? In dem Brucnstüct eines fürstenbergischen<br />
Urbars vom Jahre 1562 über Melchingen<br />
(Arch. Donaueschingen Vol. VIII, D, Fasz. 2) findet sich im<br />
ganzen 22 mal unter den Abgaben der Höfe auch verzeichnet:<br />
„Für die Stellbürdin (auch Stel-, und viell. Stolbürdin)".<br />
Dabei sind 21 mal 5 Schilling 6 Heller und einmal 2 ß 9 Hlr.<br />
(dies offenbar als halbe Summe) zu zahlen und zwar an den<br />
Ortsherrn Fürstenberg. Bürdin bedeutet Last oder Abgabe.<br />
Bei fürstenbergischen I 3hen z. B. lauten die Abgaben:<br />
„12 ß Wiesenzins, 5 ß 6 Hlr. für die Stellbürdin, 4 Sei:Vesen<br />
und ebensoviel Haber, 4 Sri Vogthaber, 1 Vogthenne, 1<br />
Fastnachtshenne, 2 Herbsthühner, 2 Schultern (Schinken!), 10<br />
Käs, V2 Vtl. Eier 60), ist vogt- und dienstbar." Bei vier<br />
weiteren fürstenbergischen Höfen fehlt diese Stellbürdin, bei<br />
sonst ähnlichen Lasten; statt deren findet sich ein Zins von<br />
5 ß, oder 1 Pfd. 5 ß, oder 17 ß, oder "5 ß Hlr. fürdi Vogt<br />
e i", wobei unter diesem Zins vielleicht obige Stellbürdin<br />
zu vermuten ist. Bei vier andern Lehenhofen, die fremden<br />
Herren gehören, dabei zweimal der Kaplanei Neufra, finden<br />
sich nur „Wiesenzins, Stellbürdin, Vogthaber, Vogthenne, ist<br />
vogt- und dienstbar", aber keine Lehengilt, die offenbar den<br />
fürstenbergischen Renovator nicht interessierte. Ein Hof des<br />
Galli Straubinger gibt nur "5 ß Vogteizins, 2 Sri vogthaber,<br />
1 Vogthenne", gehört also wohl nicht zu Fürstenberg.<br />
Die zwei Höfe cor Neufraer Kaplanei geoen jährlich an den<br />
Ortsherrn: Für die Stellbürdir r B 6 hl., Vogthaber 2 Sr., 1<br />
Vogthenne und sind vogt- und dienstbar. Vach der Doppelhof<br />
des Klosters Stetten b. Hech. (des Ludin Visel) zahlt „fü<br />
die Vogtei 5 ß, Vogthaber 3 Sri, 1 Vogthenne und nochmal<br />
4 ß Hir." (da ursprünglich 2 Guter). Man möchte nach allem<br />
vermuten, daß Stellbürdin eine Geldgabe an den Vogt war,<br />
eine Art Ablösung der Pflicht, die Pferde des Vogts einzustellen.<br />
Oder wer weiß etwas Besseres? J. Ad. Kraus.<br />
Huntare, Hundertschaft, Centena erfuhr durch Hans Jänichen<br />
eine neue Deutung in „Beiträge zur Landeskunde hgg,<br />
vom statist. Landesamt für Württemberg-Hohenzollern Nr. 1<br />
(1951) S. 97 ff." Bekanntlich hieß das Gebiet um Hechingen<br />
einst Hattenhuntare, das um Münsingen Munigeshuntare.<br />
Während man bisher bei Hundertschaft an 100<br />
Bauernhöfe oder 100 waffenfähige Alemannen denken wollte,<br />
was Prof. Dannenbauer völlig ablehnte, versteht Jänichen<br />
unter „hunta" (Hundertschaft, centena) eine fränkische Besatzung,<br />
die an verschiedenen militärisch wichtigen Punkten<br />
des Alemannenlandes eingesetzt war. Die Huntari oder Führer<br />
derselben seien Organe der königlich fränkischen Verwaltung<br />
gewesen, deren Bezeichnung von ehemals römischen,<br />
dann im Frankenreich übernommenen Zentenaren herzuleiten<br />
sei. Die Hattennuntare um Hechingen wäre somit der<br />
Amtsbezirk eines Huntari namens Hatto, später<br />
seine durch Rodung ausgebaute Grundherrschaft<br />
oder ein kleiner Gau, der noch länger seinen Namen<br />
fortleben ließ. Neben dieser militärischen Besetzung des Alemannenlandes<br />
dürfte schwerlich auch eine zivile Verwaltung<br />
von den Franken eingerichtet worden sein. Die Stammesherzöge<br />
werden also in ihren Bereichen weitgehend autonom<br />
geblieoen sein. Theod. Mayer berichtet darüber in seiner Abhandlung<br />
über die Frühzeit der Diözese Konstanz in Beziehung<br />
zu St. Gallen in der „Schweizerischen Zeitschrift für<br />
Geschichte (2. Jahrg. 1952, S. 473—524). Krs.<br />
Ein Anwander ist ein Acker, mit dem gelehrte Werke oft<br />
nichts anfangen können. Auch Lexer meint in seinem mittelhochdeutschen<br />
Handwörterbuch, er sei ein Angrenzer. Aber<br />
was soll das heißen? Angrenzer ist schließlich jedes Grundstück!<br />
Auf der Alb ist-ein Anwander (soweit noch keine<br />
Flurzusammenlegung und keine Wege zu jeder Anwand bestehen),<br />
ein Acker, auf dessen Längsseite mehrere andere<br />
Aecker anstoßen, die somit das Recht haben, auf ihm<br />
den Pflug zu wenden. Die Anwander verschwinden natürlich<br />
in dem Maße, als man zu jeder Ackeranwand einen Weg hat,<br />
auf dem dann der Pflug gewendet werden kann. Kr.<br />
1603 2. Juni, Schelklingen: Maximilian Schenk von Staufenberg<br />
zu Altheim, Hauptmann zu Konstanz, sowie Konrad<br />
von Werdnau zu Pfauhausen, Unterboihingen, Dießen und<br />
Böringen, urkunden: Der edle Hans Reiß von Reißenstein,<br />
der Letzte seines Namens und Geschlechts, hat nach Hettingen<br />
einen Jahrtag gestiftet, wegen Leibschwachheit und Tod<br />
aber nicht mehr unterschreiben und siegeln können. Somit<br />
bestätigen sie zu Schelklingen als seine Bevollmächtigten<br />
diese Stiftung, wie sie im Briefe steht. Beide siegeln.<br />
(Pfarramt Hettingen.)<br />
Berichtigung: Seite 16 „Kirchenbücher in Baden"<br />
muß es in der 7. und in der drittletzten Zeile heißen: Dr.<br />
Hermann Franz.<br />
An das<br />
in<br />
<strong>Postamt</strong>
16 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Heimatschrifttum<br />
Oer Verlag Schnell & Steiner in München hat in seiner Reihe<br />
„Kunstführer" eine sehr sympathisch ansprechende Monographie<br />
über Beuron, die Benediktinerabtei im Donautal,<br />
herausgebracht. Verfasser der Schrift ist Pater Ursmar<br />
Engelmann, Prior und Bibliothekar der Erzabtei Beuron.<br />
Die Monographie berichtet über die wechselvolle, von Heimsuchungen<br />
gefüllte 700-jährige Geschichte des alten Klosters<br />
Beuron von 1077 bis 1802, von der Landschaft, von den Besitzungen,<br />
Gefällen und Gerechtsamen des Klosters, von den<br />
hohen mönchischen Leistungen, von der wissenschaftlichtheologischen<br />
Arbeit der Augustinerchorherren, die z. Zt. der<br />
Aufhebung des Klosters eine Bibliothek mit 20 000 Bänden<br />
aufgebaut hatten, weiter von der Auflösung des Klosters<br />
durch den Reichsdeputationshauptschluß 1802 mit der Säkularisierung<br />
und dem Uebergang der Klosteranlagen in den<br />
Besitz des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen. Ein besonderer<br />
Abschnitt der Monographie ist der Entwicklung der<br />
im Jahre 1862 mit Hilfe der Fürstin Katharina von Hohenzollern<br />
neu errichteten Beuroner Benediktinerkongregation<br />
gewidmet. Hier erfahren wir von dem klösterlichen Wirken,<br />
aber auch von der vielseitigen wissenschaftlichen Tätigkeit<br />
der Beuroner Kongregation, von der theologischen Hochschule,<br />
von der Bearbeitung des „Schott", von den Arbeiten<br />
des „Vetus-Latina-Instituts", vom Wesen der von Pater Desiderius<br />
Lenz gegründeten Beuroner Kunstschule, von der<br />
Architektur der Beuroner Gnadenkapelle mit dem Gnadenbilde<br />
der Pietä aus dem 15. Jahrhundert. Eingehend ist die<br />
Geschichte der Bauten und der Kirche mit ihren Künstlern<br />
dargestellt. Kurz: die Schrift bietet in gedrängter Fülle all<br />
das, was uns an Beuron geschichtlich, kunstgeschichtlich und<br />
religiös, auch aus der Gegenwartsschau; interessiert. Man<br />
darf dankbar sein für die Monographie, die in vorbildlich<br />
schöner, knapper und klarer Form dem Heimatfreund, und<br />
nicht nur diesem, all das bietet, was er von einer solchen<br />
Monographie über Beuron erwartet. Die Monographie erhält<br />
ihren vollen Wert durch die drucktechnisch vollendeten Bilder,<br />
die ihr in reicher Fülle beigegeben sind. (Preis 4.— DM.)<br />
J. M.<br />
Biographien von hohenzollerischen Heimatforschern standen<br />
schon vor Jahren (noch unter Hebeisen selig) auf dem<br />
Programm des hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong>s. Aber nur<br />
die sehr schöne Sebastian Lochers ist im Hohz. Jahresheft<br />
1937 aus der Feder von Franz Keller erschienen. Und<br />
doch verdiente auch der Lehrer Jakob Barth aus Gammertingen<br />
einmal näher behandelt zu werden. Er schrieb<br />
in Ringingen 1865 ff. die Schulchronik, und ließ im Druck<br />
erscheinen: 1.) Geschichte des fürstl. fürstenbergischen Hüttenwerks<br />
Tiergarten, Sigmaringen, Liehner 1858. 2. Hohenzollernsche<br />
Chronik oder Geschichte und Sage der hohenz.<br />
Lande, Sigmaringen bei Tappen 1862 (584 S.). 3.) Anleitung<br />
zur Anlegung von Orts-Chroniken, 1867 bei Tappen-Sigmaringen,<br />
48 S. 4.) Geschichte der Stadt Geislingen 1880 (wohin<br />
er 1869 von Ringingen kam). 5.) Geschichte der Stadt Engen<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
und der Herrschaft Hewen, Engen 1882. 6.) Vor dreihundert<br />
Jahren. (Aus der Zimmerischen Chronik) Selbstverlag als<br />
Hauptlehrer in Gelsingen, 1888, 151 S., gedruckt von Werner<br />
in Gammertingen. 7.) Geschichte der Stadt Stockach, 412 S.;<br />
Stockach 1894. Die von Thiergarten stammende Frau Barths<br />
scheint ihm durch Krankheit viel Sorgen bereitet zu haben.<br />
Dort war er vor Ringingen angestellt. Als Lehrer hat er noch<br />
Latein gelernt, um die Urkunden lesen zu können. Die Pfarrchronik<br />
von Ringingen enthält noch einiges zu seiner Charakterisierung.<br />
JaKob Barth wurde in Gammertingen am 23. 7.<br />
1825 geboren; er starb in Geisingen bei Donaueschingen im<br />
Jahre 1894.<br />
Der Name Alb für unser heimatlicnes Gebirge wurde in<br />
Jahrg. 1952 S. 46 kurz behandelt. Nun ist 1957 im Verlag des<br />
Schwab. Albvereins darüber ein ganzes tiefgründiges Buch<br />
von Hans Widmann-Tübingen erschienen, auf das hiermit<br />
wirkliche Interessenten hingewiesen seien. Es setzt allerdings<br />
ziemliches Studium voraus, sonst kommt man nicht<br />
mit. Kr.<br />
Hermann Franz: Die Kirchenbücher in Baden<br />
Die Kirchenbücher, also Tauf-, Ehe- und Totenbücher einer<br />
Pfarrei sind wichtige Geschichtsquellen und lassen in ihrer<br />
Vielseitigkeit Einblick zu in das kirchliche und gemeindliche<br />
Zusammenleoen, über die soziale Struktur der Bewohner<br />
usw. Für Baden kam soeben im Verlag G. Braun GmbH.,<br />
Karlsruhe, eine 3. Auflage über die Kirchenbücher heraus,<br />
die Ministerialdirektor i. R. Dr. Hermann Kanz in Karlsruhe<br />
nach fast 45jähriger Beschäftigung mit der ihm ans Herz<br />
gewachsenen Materie bearbeitete. In der umfassenden Einleitung<br />
wird die Entstehung der Kirchenbücher behandelt als<br />
rein kirchliche Einrichtung, die Kircheiibuchführung unter<br />
staatlichem Einfluß, Bekenntniszugehörigkeit der einzelnen<br />
Landesteile, ehemals zu Baden gehörige Orte links des<br />
Rheins, in Württemberg, Hohenzollern. Kirchenbücher der<br />
Altkatholiken, der Freikirchen, der Juden. Militärkirchenbücher<br />
u. a. Dann erst kommt das ausführliche Verzeichnis<br />
der Kirchenbücher in Baden.<br />
Für uns in Hohenzollern sind die Hinweise von Interesse,<br />
wenn hohenzollerische Orte in badische Pfarrei übergreifen<br />
und umgekehrt, oder wo es früher solche Einpfarrungen gab.<br />
Das „Verzeichnis der Kirchenbücher Hohenzollerns" von Dr.<br />
Franz Haug im Sammelj ahrgang 1941—1949 der Hohenzollerischen<br />
Jahreshefte erschien übrigens in Gammertingen,<br />
nicht in Hechmgen, wie es irrtümlich bei Hermann Frey<br />
heibt. Es verdient dankbar vermerkt zu werden, daß zahlreiche<br />
Hinweise unserer Heimatliteratur genannt sind.<br />
N. Maier.<br />
Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler<br />
(neu bearbeitet von Ernst Gall<br />
- Westl. Schwaben - Manchen 1956).<br />
Unter dieser Ueberschrift brachte Dr. Schupp in unserer<br />
Zeitschrift Nr. 4, Oktober 1957, eine Richtigstellung bezüglich<br />
des Relie 5 über dem Hauptportal des Schlosses zu Sigmaringen.<br />
Für weitere Beispiele, an Ungenauigkeiten in dem<br />
genannten Werk sei angeführt, daß Hedingen S. 194 mit der<br />
Josephskapelle als selbständiger Ort erscheint, obwohl bereits<br />
S. 191/192 das „ehemalige Franziskanerkloster Hedingen"<br />
und die „Josephskapelle" unter Sigmaringen behandelt<br />
werden. Auch das Schloß :,indich bei Hechingen wird S. 214<br />
als selbständiger Ort aufgeführt. Im Abschnitt „Hechingen,<br />
Umgebung" wird S. 217 Dettingen genannt mit seiner spätgotischen<br />
Muttergottes auf dem nördl. Seitenaltar sowie den<br />
hl. Petrus und Andreas am barocken Hochaltar. Erwähnt<br />
wird ferner das ehemalige Amtshaus des Klosters Muri<br />
(Schweiz), 4flügelig mit Innenhof. Auf Seite 234 im Abschnitt<br />
„Freudenstadt, Umgebung" kommt Dettingen noch einmal<br />
mit kaum verändertem Text! — Solche Irrtüme: dürften in<br />
einer Neuauflage nicht vorkommen; offensichtlich sind „Die<br />
Kunstdenkmäler Hohenzollerns" 1939 und 1948 noch nicht<br />
überall bekannt! M. Sch.<br />
Berichtigung. Es ist ein Irrtum, wenn an dieser Stelle 1957<br />
S. 59 angegeben wurde, die ehem. Burg Schmeien habe<br />
unweit der Mündung des Baches auf der rechten Seite gestanden.<br />
Wie der ausgezeichnete Kenner der Alb. Willy Baur,<br />
in den Albv. Blatt. "934 S. 273 ff. dartat, lag die Burg unmittelbar<br />
nördlich von Unterschmeien auf dem nach Westen<br />
ins Schmeiental vorspringenden Bergrücken. Baur beschreibt<br />
dort auch den Standort des Burgstailes Storz<br />
i n g e n rechts dei Schmeie. Nach H. Rieger in der Festschrift<br />
zum Gauturnfest 1957 in Kaiseringen heißt der Felsen<br />
über dem Bahnhof Kaiseringen und der Ottilienkapelle<br />
(westlich) „Schlößlefelsen", doch sind keine Gebäudespuren<br />
vorhanden.
Hohenzollerische Heimat<br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postverlagsort Gammertingen<br />
Nummer 2 Gammertingen, April 1958 8. Jahrgang<br />
/. Teil Wie spricht der Schwabe den Doppellaut „ei" aus ?<br />
Welchem Schwaben ist es nicht schon begegnet, daß er<br />
jenseits der Grenzen des schwäbisch-alemannischen Kulturraumes<br />
ob seiner heimatbetonten Aussprache des Schriftdeutschen<br />
aufgezogen, geneckt oder belächelt worden ist?<br />
Zwar geben alle deutschen Stämme der Aussprache des<br />
Schriftdeutschen Klang und Färbung ihrer heimischen Mundart<br />
mit, der Schwabe aber fällt vor allem wegen der Aussprache<br />
des Doppellautes ei auf, der bekanntlich im Hochdeutschen<br />
bzw. in der künstlichen Bühnensprache stets als<br />
ai, von den Schwaben aber, auch wenn sie Schriftdeutsch<br />
reden, bald als ai und bald als ei ausgesprochen wird. In<br />
dem bekannten Lied vor der Predigt: „Komm, Heiliger<br />
Geist", wird jeder Schwabe und Süddeutsche das ei in den<br />
Worten „Heiliger Geist" als ai aussprechen. Kein Schwabe<br />
aber wird jemals sagen: „Drai Raiter sind glaichzaitig durchs<br />
Ziel"! Wenn im Schriftdeutschen unser Doppellaut in dem<br />
Worte Reif als ai ausgesprochen, sowohl den gefrorenen Tau<br />
wie den Faßreif bedeutet, so unterscheidet der Scnwabe<br />
scharf zwischen Reif = gefrorenem Tau als ei ausgesprochen<br />
und Reif = eisernes Band um Fässer, Bütten usw. als ai<br />
ausgesprochen.<br />
Als Beispiele für die schwäbische ai-Aussprache (gemeinschwäbisch<br />
oi oder oa) des schriftdeutschen ei seien angeführt:<br />
leiten, reisen, reizen, teilen, zeichnen; heilig, beide,<br />
heiß, heiter, weich; Fleisch, Geist, Kleid, Leisten, Scheitel,<br />
Speiche, Teig<br />
und für die ei-Aussprache: greifen, leiden, pfeifen, reißen,<br />
reiten; frei, leicht, reich, seicht, weiß; Eifer, Eisen, Fleiß,<br />
Geiz, Reiter, Scheit und Weib.<br />
Die verschiedene Aussprache des schrifcdeutschen ei im<br />
Schwäbischen ist nun nicht willkürlich, wie man zunächst<br />
glauben könnte, sondern nach strenger Gesetzmäßigkeit<br />
sprachgeschichtlich begründet. Als Regel gilt: Alle Wörter<br />
der schwäbischen ai-Aussprache — gemeinschwäbisch oi oder<br />
oa — des hochdeutschen Lautes ei wurden schon vor 1000<br />
Jahren als ai ausgesprochen und auch geschrieben, während<br />
sich das ei der Wörter mit ei-Aussprache auf dem langen i<br />
des Mittelhochdeutschen (vom Jahre 1100—1500) entwickelt<br />
hat. Erst seit der Zeit Luthers hat sich dann für beide<br />
Laute allgemein die Schreibweise ei durchgesetzt. Das alte<br />
Am 26. 11. 1957 hatte sich der Todestag des Dichters Joseph<br />
von Eichendorff zum hunderten Male gejährt. Aus diesem<br />
Anlaß wurde in ganz Deutschland, in der Tagespresse<br />
und in Schulen, des „letzten Ritters der Romantik" gedacht.<br />
Für uns ist es von besonderem Interesse zu wissen, daß der<br />
Dichter, in dem die romantische Lyrik ihre Vollendung gefunden<br />
hat, zum trauten Freundeskreise des Prinzen Jo-<br />
Zum Eichendorff-Jahr 1957<br />
ei, vom Schwaben ai gesprochen, auf gemeinschwäbisch oi<br />
oder oa, war also stets ein Doppellaut, wänrend das junge,<br />
spitze ei, wie angeführt, ein altes i war. Dieses alte i hat sich<br />
bis heute noch in der hochalemannischen Mundart im südlichen<br />
Schwarzwald, am Hochrhein entlang, am Bodensee<br />
und in der Schweiz erhalten, z. B. Weiber = wiber, Wein =<br />
win, Rhein rin, Scheiter = schiter, Reiter = riter. Im<br />
Schwäbischen hat sich das lange i nur in wenigen Wörtern in<br />
die Gegenwart herübergerettet. So werden die Weiden, Ruten,<br />
die an den Ufern von Gewässern und auf nassen Standorten<br />
wachsen und hauptsächlich zum Korbflechten verwendet<br />
werden, auch im Schwäbischen heute noch Widen genannt.<br />
Doch keine Regel ohne Ausnahme: Vor den Nasallauten m<br />
und n färben sich in der schwäbischen Volkssprache die<br />
Selbstlaute ab, und altes und junges ei sind kaum mehr zu<br />
unterscheiden. So haben Bein und Stein altes ei, das schon<br />
im Althochdeutschen vorhanden ist, mein und dein aber junges<br />
ei, von min oder din herkommend, während die ei-<br />
Aussprache aller 4 Wörter gleichlautend ist. Noch einige wenige<br />
andere Wörter folgen der Regel nicht, weil sie der<br />
schwäoischen Volkssprache ursprünglich fremd sind und erst<br />
in späterer Zeit von außen hereinkamen.<br />
Als Grundsatz aber hat zu gelten, daß der Schwabe das<br />
alte ei hochdeutsch und halbmundartlich als ai, gemeinschwäbisch<br />
als oi oder oa, das junge ei aber als ei ausspricht,<br />
während das Schriftdeutsche oder die Bühnenspracne<br />
heute für alle ei die Aussprache ai verlangt.<br />
Unsere Heimatsprache hat also die historische Unterscheidung<br />
zwischen altem und jungem ei beibehalten und damit<br />
einen wertvollen sprachlichen Vorgang bis in die Gegenwart<br />
festgehalten. Wir brauchen also keine Minderwertigkeitsgefühle<br />
aufkommen oder uns gar necken lassen, wann wir in<br />
der Fremde beim Gebrauch der schriftdeutschen Sprache als<br />
Schwaben erkannt werden. Unsere von der Muttersprache,<br />
der Mundart, herrührende Aussprache des Doppellautes ei<br />
ist keineswegs sinnlos oder willkürlich, sondern sprachgeschichtlich<br />
wohl begründet. Haben wir daher nicht nur Verständnis<br />
für unsere Mundart, sondern auch Ehrfurcht!<br />
M. Scnaitel.<br />
seph von Hohenzollern-Hechingen gehörte, des<br />
letzten Fürstbischofs von Ermland und Titularabtes von<br />
Oliva und Pelplin. Schon bald nach der Uebernahme seines<br />
Bistums schritt der Hohenzollernprinz zu Reformen auf dem<br />
Gebiete der Theoiogenausbildung, wie auf dem Gebiete des<br />
Volksschulwesens. In Verbindung mit Schulmännern arbeitete<br />
er selbst Katechismen, Lesebücher und Stoffverzeichnisse
18 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
aus. Da Eichendorff in Danzig als Regierungs- und Schulrat<br />
tätig war, kam er bald mit dem Fürstbischof in Verbindung.<br />
Aus dem dienstlichen Verkehr erwuchs im Laufe der Jahre<br />
ein inniges Freundschaftsverhältnis. Nach dem landschaftlich<br />
herrlich gelegenen Oliva, war es von Danzig aus nicht<br />
weit. Im Kreise hochgebildeter und gleichgestimmter Männer,<br />
die der Fürstbischof um sich versammelte, fand unser<br />
Dichter das, was ihm der Dienst als preußischer Beamter<br />
nicht geben konnte. Auf des Gastgebers Wunsch dichtete<br />
Eichendorff nachstehendes Marienlied, das beim erstmaligen<br />
Anhören dem zartfühlenden Fürstbischof Tränen entlockte:<br />
1. O Maria, meine Liebe!<br />
Denk' ich recht im Herzen dein:<br />
Schwindet alles Schwer' und Trübe,<br />
Und, wie heller Morgenschein,<br />
Dring's durch Lust und ird'schen Schmerz<br />
Leuchtend mir durchs ganze Herz.<br />
2. Auf des ew'gen Bundes Bogen,<br />
Ernst von Glorien umblüht.<br />
Stehst du über Land und Wogen;<br />
Und ein heimlich Sehnen zieht<br />
Alles Leben himmelwärts<br />
An das große Mutterherz.<br />
3. Wo Verlass'ne einsam weinen<br />
Sorgenvoll in stiller Nacht,<br />
Den vor allen läßt du scheinen<br />
Deiner Liebe milde Pracht,<br />
Daß ein tröstend Himmelslicht<br />
In die dunklen Herzen bricht.<br />
4. Aber wütet wildverkehrter<br />
Sünder frevelhafte Lust:<br />
Da durchschneiden neue Schwerter<br />
Dir die treue Mutterbrust;<br />
Und voll Schmerzen flehst du doch:<br />
Herr! vergib, o schone noch!<br />
5. Deinen Jesus in den Armen,<br />
Uebern Strom dei Zeit gestellt,<br />
Als Jas himmlische Erbarmen<br />
Hütest Du getreu die Welt,<br />
Daß im Sturm, der trübe weht,<br />
Dir kein Kind verloren geht.<br />
6. Wenn die Menschen mich verlassen,<br />
In der letzten, stillen Stund',<br />
Laß mich fest das Kreuz umfassen.<br />
Aus dem dunklen Erdengrund,<br />
Leite liebreich mich hinaus,<br />
Mutter, in des Vaters Haus! M. Sch.<br />
Die Hügelgräber-Friedhöfe um Gammertingen<br />
Im Jahre 1893 veröffentlichte Dr. Zingeler einen umfassenden<br />
Bericht über den damaligen Stand der vor- und frühgeschichtlichen<br />
Forschung in Hohenzollern. Hiermit hat der<br />
Verfasser unserm Lande einen unermeßlichen Dienst geleistet,<br />
weil viele Funde und Fundorte sonst sicherlich in Vergessenheit<br />
geraten wären. In dem Abschnitt „Broncezeit"<br />
schreibt Dr. Zingeler:<br />
„Endlich ist die Wissenschaft in den Stand gesetzt worden,<br />
mit relativer Genauigkeit die Zeit zu bestimmen, in welche<br />
die Broncezeit zu versetzen ist. Und die Beweise für diese<br />
Behauptung? Sie liegen in gleicher Weise wie für die Broncezeit<br />
so auch für die dieser folgenden Perioden der Hallstattzeit<br />
und La Tenezeit in den Grabstätten, hauptsächlich den<br />
Grabhügeln, die jene Menschen pietätvoll ihren Toten errichteten.<br />
Sowohl im äußeren und inneren Bau der Grabhügel,<br />
wie auch in der Art der Bestattung herrscht große<br />
Mannigfaltigkeit. Sie sind entweder ganz aus Steinen aufgeschichtet<br />
mit nur wenigem Boden im unteren Teile oder aus<br />
Boden und Steinen gemischt. Solche Grabhügel gehören fast<br />
durchweg der Broncezeit an. Die Grabhügel der Broncezeit<br />
sind selten so groß wie jene der Hallstattperiode, weil zu<br />
diesen weit mehr Boden verwendet wurde. Sie haben auch<br />
die ursprüngliche Gestalt behalten, während die aus Erde<br />
gebildeten Hügel selbst auch da, wo kein Pflug sie berührte,<br />
sich durch den abfließenden Regen verflachten. Während<br />
die Steinhügel der Broncezeit (in Hohenzollern) selten<br />
einen Umfang von 50 m und 2-—3 m Höhe erreichen, gibt<br />
es Hallstattzeit-Grabhügel von 190 m Umkreis und 6 m Höhe,<br />
wie der im Leopoldswald bei Rothenlachen oder der nicht<br />
viel kleinere im Ziegelholz bei Sigmaringen. Die Art und<br />
Weise der Bestattung wechselt auch mit der Zeit. Die älteste<br />
und ältere Broncezeit kennt nur Leichenbestattung, in der<br />
jüngeren tritt schon Leichenbrand auf. In der Broncezeit<br />
sind die Beigaben der Toten weniger zahlreich als in späteren<br />
Perioden. Besonders gilt dies von den Gefäßen und<br />
Waffen, während die Frauen auch schon in jener Periode<br />
mit oft reichem Bronceschmuck bestattet wurden. Es gibt<br />
viele Broncegräber, in denen gar nichts mehr vorhanden ist.<br />
Der bestattete Leichnam und seine Umhüllung sind gänzlich<br />
verwest und sonstige Beigaben hat, man, wie es scheint, nicht<br />
mitgegeben. Der Mangel an genauen Fundprotokollen früher<br />
in Hohenzollern geöffneter Gräber macht sich auch in Bezug<br />
auf die Grabhügel der Broncezeit schmerzlich bemerkbar."<br />
Nach Ausführungen über Funde in den Grabhügeln schreibt<br />
Dr. Zingeler:<br />
„Die zahlreichen Friedhöfe und Grabhügel jener Perioden<br />
lassen unbedingt auf eine große Bevölkerung schließen.<br />
Männer und Weiber der Broncezeit müssen eher von feinem<br />
als starkem, robusten Körperbau gewesen sein. Das beweisen<br />
die Armbänder, Fußringe und Waffen jener Zeit. Es wird<br />
für die meisten Frauen unserer Zeit unmöglich sein, ein geschlossenes<br />
Armband der Bronce- und Hallstattzeit über die<br />
Hand zu ziehen, und die Schwert- und Dolchgriffe lassen<br />
ebenfalls auf eine sehr zierliche Männerhand schliefen. Für<br />
unsere Hände sind sie durchweg zu kurz. — Ein Friedhof<br />
von ganz besonderer Großartigkeit ist der bei Hettingen auf<br />
dem Bruckberg, den ich erst in diesem Sommer, aufmerksam<br />
gemacht durch Oberförster Eberhard, entdeckte. Der Bruckberg<br />
ist ein schroff abfallender hoher Felsgrat, der in das<br />
Laucherttal hineinspringt und eine weite Ausschau bietet.<br />
Auf dem hohen Plateau liegen über 100 Steinhügel der<br />
Broncezeit, ein Bild von ergreifender Wirkung. In weitem<br />
Bogen wird dieser Friedhof von einem mächtigen Steinwall<br />
umschlossen. Etwa 15 Minuten von dieser großen Hügelgruppe,<br />
die wahrscheinlich noch mehr Grabhügel enthält,<br />
liegt eine zweite Gruppe von 16 Hügeln, die auf den ersten<br />
Blick der Hallstattzeit anzugehören scheinen, bei der Ausgrabung<br />
sich aber als der Broncezeit angehörig erweisen.<br />
In einem dieser Hügel fand ich einen vortrefflich erhaltenen,<br />
der Früh-Broncezeit angehörigen Palstab."<br />
Merkwürdig erscheint es, daß Dr. Zingeler über die Hügelgräber-Friedhöfe<br />
in den Wäldern der Gammertinger Gemarkung<br />
nichts berichtete. Anscheinend blieben ihm diese<br />
völlig unbekannt. Auch seine archäologische Karte vom Jahre<br />
1896 bringt nur geringe Hinweise über Hügelgräber auf der<br />
Gammertinger Markung. Tief in Wäldern geborgen finden<br />
wir 5 größere Friedhöfe mit mehr oder weniger gut erhaltenen<br />
Stein-Grabhügeln, die wohl alle der mittleren Broncezeit<br />
angehören.<br />
1. Der Friedhof über dem We i h t ä 1 e.<br />
In der Nähe der im Jahre 1946/47 erneuerten Bogenbrücke<br />
der Hohenz. Landesbahn liegt der Waldteil Weihtäle auf der<br />
rechten Lauchertseite. In halber Höhe finde: wir r he am<br />
Fußgängerweg die in der Steinzeit bewohnte Weihhöhle Der<br />
Felsen dürfte im Frühmittelalter ein burgähnlich 5 Gebäu 5 e<br />
getragen haben; der von Menschenhand geschaffene Wallgraben,<br />
über den heute eine Holzbrücke führt, deutet auf<br />
die einstige Ansiedlung hin. Etwas weiter unten breitet sich<br />
eine aus dem Felsen herausgearbeitete Fläche, auf der sicherlich<br />
ein Gebäude gestanden hat. Oben auf der Höhe liegen weit<br />
gestreut etwa 20 Grabhügel, von denen einige dui h Steinabfuhr<br />
stark beschädigt sind. Auch ein längerer Steinwail<br />
am Waldrand weist solche Beschädigungen auf. Eine dicke<br />
Moosdecke lagert auf den unberührten Grabhügein. Ueber<br />
den Inhalt der Gräber können keine Angat^ n gegeben werden.<br />
Eine Freilegung (aber nur durch Fachleute) wird das<br />
Geheimnis über Alter und Grabbeigaben lüften. Westlich des<br />
Friedhofes dehnen sich weite Ackerflächen, auf denen die<br />
Urbewohner Ackerbau und Weidewirtschaft treiben konnten;<br />
der Wasserbedarf blieb durch die Laudiert gesichert.<br />
2. Der Friedhof im Waldteil Blaize links der<br />
der Laudiert.<br />
Die beherrschende Höhe links der Laudiert, mit Mischwald<br />
bestanden, weist ein besonders interessantes Gräberfeld auf.<br />
Etwa 60 kleinere und größere Grabhügel liegen weit gestreut<br />
im Schatten des Hochwaldes. Einige Grabhügel sind durch<br />
Steinabfuhr erheblich beschädigt, während die unberührten<br />
Hügel eine diene Moosschicht und oft einen üppigen Pflan-
Jahrgang 1958 HOHE ZOLLERISCHE HEIMAT ->9<br />
zenwuchs tragen. Wieder andere ragen beinahe kahl aus der<br />
Erde wie vor Jahrtausenden, Doch bestehen sämtliche Totenhügel<br />
aus zusammengelesenen Fundsteinen, während<br />
größere Steine eine Art Einfassung bilden. Aus einem Hügelgrab<br />
konnte ich Schmelzrückstände aus Bronce und Urnenreste<br />
mit Verzierungen bergen, die auf die Broncezeit hinweisen.<br />
(Die Funde lagern im Heimatmuseum Gammertingen.)<br />
Herr Dr. Herbert Burkarth entdeckte auf dem weiträumigen<br />
Gräberfeld einen Rechteckwall von 90 mal 45<br />
m. Außerdem erstreckt sich ein 100 m langer Steinwall<br />
am Ende der Hochfläche parallel zum Neckental. Einige<br />
kürzere Wälle südwestlich der Hochebene sind deutlich erkennbar.<br />
Da sich im Laufe der Jahrhunderte der Waldboden<br />
mehr und mehr erhöhte, ragen sämtliche Wallbauten nur<br />
noch ewa 50 cm aus dem Humusboden. Die tatsächliche Höhe<br />
der Steinwälle müßte durch Grabungen festgestellt werden.<br />
An einigen Stellen sind auch die uralten Steinwälle durch<br />
Steinabfuhr beschädigt. Allerdings ist es merkwürdig, daß<br />
nicht nur auf der Hochfläche Gräber zu finden sind, sondern<br />
viele Einzelgräber (darunter ein ganz großes) auch am West-
20 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
hange gestreut liegen. In dieser Gegend benutzten die Bewohner<br />
das bodenreiche Gelände südöstlich für Landwirtschaft<br />
und Weidewirtschaft.<br />
3. Der Hügelgräberfriedhof im Waldteil<br />
Katzensteig.<br />
Am malerischen Neckental entlang zieht sich ein Höhenzug<br />
mit dem Waldbezirk Katzensteig. Der prächtige Mischwald<br />
birgt den 3. Hügelgräberfriedhof, der nicht wie die andern<br />
ein geschlossenes Bild bietet, vielmehr ganz weit gestreut ist.<br />
Auch die Größe der Grabhügel bleibt hinter den besprochenen<br />
Gräbern der Blaize zurück. Vielleicht haben den Friedhof<br />
im Katzensteig mehrere Sippen angelegt. Die meisten<br />
Gräber sind noch völlig unversehrt und haben daher ihre<br />
Geheimnisse noch niemanden preisgegeben. Nach meiner<br />
Schätzung dürften etwa 80 Hügelgräber zu diesem Friedhof<br />
gehören<br />
4. Der Hügelgräberfriedhof auf Altenburg.<br />
In den Waldteilen auf Altenburg, mit der herrlichen Sicht<br />
auf die weiträumige Gammertinger Mulde, lagern etwa 30<br />
große (einige über 10 m lange) moosbewachsene Grabhügel.<br />
Da diese Gegend schwer zugänglich ist, blieben alle Gräber<br />
unbeschädigt. Auch ein längerer Steinwall ragt gut erhalten<br />
aus dem Waldboden.<br />
5. Der Hügelgräberfriedhof im Waldteil<br />
S t o 11 b e c k rechts der Fehla.<br />
Das malerisch schönste Tal der Gammertinger Gemarkung<br />
ist das Tal der Fehla. Ein vom Albverein markierter Weg<br />
führt steil zum Birkhof hinauf, im Mittelalter Birkach genannt.<br />
Bevor der Weg den Wald verläßt, beginnt rechts eine<br />
kleine Hochfläche, auf der ein fünfter Hügelgräberfriedhof<br />
liegt. Wer diesen Friedhof zum ersten Male betritt, wird tief<br />
beeindruckt von der großen Zahl der Gräber, die aber nicht<br />
weiträumig gestreut, sondern nahe beieinander liegen. Der<br />
Friedhof erstreckt sich auch auf einen Waldteil der Gemeinde<br />
Neufra. Es dürften etwa 200 große und kleine Grabhügel<br />
sein, die seit Jahrtausenden im Schatten des Waldes geborgen<br />
sind. Einige liegen auf waldfreier Fläche, die zur Do-<br />
mäne Birkhof gehört. Die Steine, mit denen die Grabhügel<br />
aufgebaut sind, übertreffen an Größe die der andern Friedhöfe.<br />
Ein Hügelgrab liegt geöffnet da; es ist aufgewühlt und<br />
durchsucht wprden. Freilich hat der einstige Forscher nicht<br />
bedacht, daß bei Nachbestattungen die Urnen auch seitlich<br />
zugesetzt wurden. Ein 50 m langer Steinwall durchzieht das<br />
große Gräberfeld. Die weite, ebene Fläche des Birkhofes bot<br />
den Urbewohnern überaus günstige Gelegenheit für Ackerbau<br />
und Weidewirtschaft. Der Weg aus dem Tal der Fehla<br />
bis zur Höhe führt steil ohne Kurven aufwärts und dürfte<br />
so alt wie der Friedhof sein.<br />
Rückblick und Mahnung. Wenn wir die Anlagen<br />
der 5 Friedhöfe miteinander vergleichen, zeigt sich bei allen<br />
die gleiche Form der Grabhügel. Meistens sind sie oval bis<br />
kreisrund, nur wenige rechteckig. Alle dürften in der mittleren<br />
Broncezeit, also etwa 1500 Jahre vor Christi Geburt<br />
entstanden sein. Doch darüber müssen uns die Fachleute<br />
durch Probegrabungen Auskunft geben. Die vielen Grabhügel<br />
zeigen, daß die Hochflächen beiderseits der Lauchert und der<br />
Fehla während vieler Jahrhunderte dicht besiedelt waren.<br />
Weiträumige Felder boten ausreichenden Weidegrund, Lauchert<br />
und Fehla deckten auch in Trockenzeiten den Wasserbedarf.<br />
Vielleicht geht der Ursprung der uralten Höfe Stollbeck,<br />
Lieshöfe und Birkhof auf diese Ansiedler zurück. Die<br />
pietätvolle Bestattung der Toten deutet an, daß die Sippen<br />
der Broncezeit an ein Fortleben nach dem Tode glaubten.<br />
Den Forstbeamten, die unsere Wälder hegen und pflegen,<br />
obliegt die Pflicht, um die Erhaltung der alten Friedhöfe<br />
besorgt zu sein. Beim Holzfällen und bei der Holzabfuhr<br />
sollten keine Hügel beschädigt oder zerstört werden. Nur<br />
durch den schützenden Wald blieben die Friedhöfe bis jetzt<br />
erhalten. Den Gemeindeverwaltungen verbleibt die<br />
Aufgabe, die Steinabfuhr zu verbieten, damit alle Grabhügel<br />
und Wälle auch für die Zukunft erhalten werden. Jeder<br />
Grabhügel-Friedhof bildet ein geschichtlich wertvolles Kulturdenkmal,<br />
das jeden stillen Besucher in seinen Bann zieht<br />
und an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnert. Wiest.<br />
Die großen Grabhügelfelder links der Lauchert<br />
Wohl kaum sonst in süddeutschen Landen finden wir so<br />
zahlreiche und guterhaltene Hügelgräber wie gerade auf den<br />
Höhen der Alb, die im 3. Jahrtausend vor Chr. begehrtes<br />
Siedlungsland wird. Die Erhaltung dieser Gräber verdanken<br />
wir den ausgedehnten Wäldern und Heiden, die nie der Pflug<br />
berührte. Gammertinger und Zwiefalter Alb, also der flache<br />
Höhenrücken zwischen Lauchert einer- und Lauter und Zwiefalter<br />
Aach anderseits, bergen im Schutz ihrer Wälder und<br />
Oedungen ausgesprochene Gräbhügelfelder, nicht bloß einzelne<br />
Hügel, die ja auf jeder Gemarkung anzutreffen sind.<br />
Sie haben von jeher die Aufmerksamkeit Berufener und Unberufener<br />
auf sich gezogen, und besonders am Ende des<br />
vorigen Jahrhunderts haben gelehrte und ungelehrte Maulwürfe<br />
hier eine eifrige Wühltätigkeit entfaltet. Neben dem<br />
beutelüsternen Schatzgräber, der hastig alles durcheinander<br />
warf, mühte sich der ernste Forscher behutsam und pietätvoll<br />
im Dienste der Wissenschaft. Namen wie G f r ö r e i s,<br />
Hedinger, Führ, Sautter und schließlich auch Jon.<br />
Dorn seien mit Ehren genannt; Dorn verdankt sein ausgedehntes<br />
Wissen besonders seiner langjährigen, praktischen Erfahrung<br />
und Tätigkeit, die indessen in erster Linie der Bergung<br />
von Schätzen galt. Literarisch ausgewertet wurden die<br />
Forschungsergebnisse von Professor G o e ß 1 e r, dem Leiter<br />
der staatlichen Altertumssammiungen in Stuttgart.<br />
Aber auch im Volke sind diese Grabfelder nie ganz in<br />
Vergessenheit geraten; man nannte die Gräber fälschlich<br />
Römergräber, und die allzeit geschäftige Phantasie hat um<br />
diese Totenmale der Vorzeit oft üppige Ranken geschlungen.<br />
Meist ist es dort nicht ganz geheuer; namentlich auf der<br />
Zwiefalter Alb spukt es an allen Ecken und Enden. Sautter<br />
berichtet darüber Ergötzliches: In dem Felde zwischen Hundersingen<br />
und Bremelau wollen viele Leute zur Nachtzeit<br />
einen großen Mann gesehen haben, der den Kopf unter dem<br />
Arm trug, in den 60er Jahren kamen bei hellem Tage zwei<br />
Dienstmägde von dort in atemlosem Lauf ins Dorf und sagten,<br />
sie hätten diesen Mann, der den Kopf unter dem Arm<br />
trage, gesenen, und waren nicht mehr zu bewegen, wieder<br />
aufs Feld an die Arbeit zu gehen. Das Merkwürdigste an der<br />
Sache ist nun freilich, daß Sautter, durcn die Sage veranlaßt,<br />
das Gelände dort absuchte und Grabhügel fand, die er öffnete,<br />
und siehe da!, ein Skelett trug dc-n Schädel unter dem rech-<br />
Von Hans H a n n e r t<br />
ten Armknochen. — Auf der Zwiefalter Alb wollte ihn ein<br />
80jähriges Mütterlein vor Geisterspuk schützen. Als er mit<br />
Grabwerkzeug bewaffnet zum Dorf hinausging, warnte ihn<br />
das Mütterlein eindringlich und sagte wörtlich: „Oh laud Sie<br />
doch dees Ding bleiba, ih hau schau ghairt, Sie häbet au<br />
Weib und' Kinder dahoim, und Se wearet seah, Sie komme<br />
nemme hoim, Dui Stell hott man schaun gfürcht, mo-n-ih<br />
noh a kleins Mädle gsei bi. Ih hau schaun a Vaterunser für<br />
uih beatet."<br />
Die Sitte der vorgeschichtlichen Völker, über der Stätte<br />
ihrer Toten noch lange sichtbare Hügel zu errichten, stammt<br />
her von nomadisierenden Horden, von Wandervölkern, die<br />
nach ihrem Abzüge ihre Töten nicht der völligen Vergessenheit<br />
überantwortet wissen wollten. Ausgesprochene Ackerbauern<br />
wölben keine Hügel; aber schon die steinzeitlichen<br />
Jäger kennen und üben diesen Brauch. Nichts anderes ist<br />
der Grabhügel als „des Toten Behausung", nachgebildet den<br />
Rundhütten des Stammes. Daher sorgfältiger Aufbau, daher<br />
Grabgewölbe bei Reicheren und Führern; Waffen und Wagen,<br />
Schmuck und geliebte Tiere folgen dem Herrn ins Grab,<br />
auch Sklaven. Bronce- und Hallstattzeit sind die beiden<br />
Epochen, die für unsere Alb bezeichnet sind. Zweitausend<br />
Jahre vor Chr. beginnt die Bronce-, 500 vor Chr. endigt die<br />
Hallstattzeit. Träger dieser Kulturen waren Hirten und Jäger;<br />
sie wurden angezogen von den günstigen Weide- und<br />
Jagdverhältnissen und stiegen auf heute noch erkennbaren<br />
Wegen einst auf die Albhöhen.<br />
Dem Leser bekannt ist jene weitgedehnte „Heide", die gar<br />
keine ist, zwischen Trochtelfingen und Kleinengstingen. Jetzt,<br />
nachdem die Jungviehweide dort untergebracht ist, verschwand<br />
der letzte Rest des „Heidezaubers". Man durcheilt<br />
das ganze Gebiet heute mit der Hohenzollerischen Landesbahn<br />
in wenig mehr als einer halben Stunde. In diesem weiten<br />
Raum befinden sich Hunderte von Grabhügeln, meist der<br />
Broncezeit angehörig. Auf Weiler Haid starb vor Jahrzehnten<br />
der oben erwähnte Grabhügelforscher Dorn, der hier<br />
wie anderwärts reiche Ausbeute aus aiten Gräbern schaufelte.<br />
Er fand auch den Gammertinger Goldhelm und erfuhr<br />
die ersten Anregungen zu seinen Ausgrabungen in unmittelbarer<br />
Nähe seiner Heimat, wo sich in dem nördlich anschließenden<br />
Wald „H u m m e 1 b e r g" die Hügelgruppen
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 21<br />
häufen. Auch weiterhin auf Flur „H a i d" und „Schloßb<br />
e r g" finden sich viele Gräber. Um die Mitte der Broncezeit<br />
ist diese Heide geradezu der Mittelpunkt jener glänzenden<br />
vorgeschichtlichen Kulturepoche, die in Töpferei, Waffen<br />
und Schmuck einen so eigenartigen und bodenständigen Ausdruck<br />
finden.<br />
Ein zweites bedeutendes Gräberfeld, und zwar wieder der<br />
Broncezeit angehörig, ist das von Wilsingen-Steinhilben mit<br />
sehr zahlreichen und großen Hügeln, wie wir sie vereinzelt<br />
auf der ganzen Alb finden. Wenn man aus der Spärlichkeit<br />
der Beigaben Schlüsse zu ziehen berechtigt ist, so weisen<br />
diese Gräber auf eine ärmere Bevölkerung hin. Nördlich vom<br />
Ort auf „B i r k i c h" sind zu beiden Seiten des Steinhilber<br />
Wegs 12 Hügel; in Flur „Köbele" gegen Oberstetten befindet<br />
sich ein gr ßerer Begräbnisplatz von 50 Meter Durchmesser.<br />
Auf den „Spitzäckern" sind drei Hügel, darunter einer<br />
ausgegraben mit 16 Bestattungen. In einem Grabhügel der<br />
Broncezeit auf den „Stockäckern" wurde von Dorn neben<br />
römischen Scherben eine römische Münze (Faustina)<br />
gefunden. In der Nähe des Waldes „K leiner Schmidb<br />
e r g" sind von 3 Hügeln 2 ausgegraben. Das „H a r t" hat<br />
heute noch sehr große Hügel. Dort gruben Föhr und Dorn.<br />
Letzterer fand in einem Hügel eine Grabkammer von 4 X 2,50<br />
m, mit zahlreichen Gefäßen. Aus einem Hallstattzeit-Hügel<br />
entnahm er ein eisernes Schwert. Reiche Hallstattbesiedlung<br />
hat Tigerfeld; 6 Hügel, in denen sich Tierleichen befanden,<br />
liegen auf Flur „L ehe n" östlich vom Armenhaus. Auch im<br />
Aus der Geschichte des<br />
Vielen Sigmaringern brachte in der warmen Jahreszeit ein<br />
Spaziergang nach Josephslust Freude und Erholung. In diesen<br />
trüben Dezembertagen ans Haus gebunden, wird ein<br />
Rückblick auf die Geschichte des Wildparkes von Interesse<br />
sein.<br />
Schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts wird die Wiege<br />
des heutigen Wildparks, der Walddistrikt Faulbronn, in Urkunden<br />
genannt. Nach der Zimmernschen Chronik gehört er<br />
zu dem gemeinsamen Jagdgebiet der Grafen Werdenberg in<br />
Sigmaringen und der Freiherrn von Zimmern in Meßkirch,<br />
die 1463 die Grenzen vertraglich festlegten. Es muß ein für<br />
die Jagd sehr ergiebiges Gebiet gewesen sein, denn es wies<br />
nicht nur einen besonderen Reichtum an gewöhnlichem Wild<br />
auf, auch Bären waren bis in das späte Mittelalter keine<br />
Seltenheit. Dies kann man einem Vertrag zwischen Graf Johann<br />
von Werdenberg in Sigmaringen und dem Truchsessen<br />
Eberhard zu Scheer entnehmen, wonach der Herrschaft in<br />
Scheer vom Jahre 1443 ab das Recht zustand, im Faulbronn<br />
„Bären zu jagen und Schweine zu hetzen". Eine Urkunde des<br />
Jahres 1601 bringt den gleichen Wortlaut.<br />
Ein besonders begeisterter Jägersmann war der Fürst Joseph<br />
Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen (1715—1769),<br />
der, um seiner Passion besser huldigen zu können, im Faulbronn<br />
das Jagdschlößchen Josephsiust um das Jahr 1727 erbaute<br />
und oft darin verweilte. Ursprünglich stand noch eine<br />
Kapelle dabei, und ein „ständiger Jäger" fand Wohnung in<br />
einem Nebengebäude.<br />
Im Laufe der Jahre vermehrte sich der Wildbestand, der<br />
Wildschaden wurde immer größer und die Klagen der Untertanen<br />
immer häufiger. Nun gestattete der Fürst den Grundbesitzern,<br />
ihre an den Wald stoßenden Aecker einzuzäunen,<br />
womit die Gemeinde Sigmaringendorf im Jahre 1717 den Anfang<br />
machte. Dies half aber wenig, und die wiederholten<br />
Vorstellungen und Bitten der umliegenden, besonders unter<br />
dem Wildschaden leidenden Gemeinden, die übrigens im<br />
Faulbronn das Weiderecht hatten, fanden kein Gehör. So entschlossen<br />
sich die am meisten betroffenen Gemeinden Sigmaringendorf<br />
und Ablach zu einer besonderen Maßnahme. Sie<br />
schickten, wahrscheinlich im Jahre 1770, unter der Führung<br />
des Adlerwirts von Ablach eine Deputation von drei Mann<br />
nach Wien zur Kaiserin Maria Theresia, da das Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen zu damaliger Zeit unter vorderösterreichischer<br />
Herrschaft stand. Die Bittsteller fanden Gehör,<br />
denn die Kaiserin verordnete unter dem 25. 8. 1770 „daß<br />
hinfüro niemand wer er immer sei, einiges Schwarzwild anders<br />
als in verschlossenen, gegen allen Ausbruch wohlverwahrten<br />
Tiergärten zu hegen gestattet sei." Das gleiche Reskript<br />
legte fest, daß Schwarzwild außerhalb der Tiergärten<br />
den Raubtieren gleichgeachtet und zu jeder Zeit „gefället"<br />
werden soll. Es gebietet ferner den Jagdherrn, Grundstücke<br />
für ihre Wildgärten von den Eigentümern nur käuflich ohne<br />
den mindesten Zwang zu erwerben. Es versagt ihnen ferner<br />
das Recht, den Besitzern der im Jagdgebiet gelegenen Wiesen<br />
die Zeit des Heu- und Grummetmachens vorzuschreiben<br />
„K apellenhau" auf Gemarkung Kettenacker befinden<br />
sich bei 20 Grabhügel. Anschließend an das Wilsinger Hügelfeld<br />
und wohl mit ihm in Zusammenhang stehend dehnt sich<br />
südostwärts davon jenes von Geisingen—Upflamör—Friedingen,<br />
dessen westliche Ausläufer bis in den „Großen Buchwald"<br />
und darüber hinaus sich erstrecken. Bronce- und<br />
Hallstattzeit sind gleich reich vertreten. Die Grabbeigaben<br />
sind nicht mehr so ärmlich und lassen auf eine wohlhabendere<br />
Bevölkerung schließen. Auf Markung Geisingen ist der<br />
sehr beachtenswerte Riesenhügel des sog. Schloßburren"<br />
östlich des Ortes in den „Buchäckern", der im<br />
Jahre 1911 vom Schwäb. Albverein als ein hervorragendes<br />
Denkmal der Vorzeit zwecks späterer eingehender Untersuchung<br />
angekauft wurde. Der ersten Eisenzeit angehörend,<br />
mißt er 35 Meter im Durchmesser bei 2 Meter Höhe. Die<br />
äußere Steinfassung aus waagrecht gelegten Schichten gab<br />
beim Volk Veranlassung zu der irrigen Meinung, es habe hier<br />
ein Schloß gestanden. S a u t e r - Hundersingen verdanken<br />
wir die Untersuchung vieler Broncezeitgräber auf Markung<br />
Upflamör. In dem großen Hügel im „Oeschba n", südlich<br />
des Orts fand er 9 Skelette, alle ostwärts orientiert, mit reichen<br />
Beigaben, worunter eine Bernsteinscheibe. Am „L a u -<br />
trieb" westlich Upflamör wieder 2 große Hügel von 10<br />
Meter Durchmesser. Vier Frauenskelette waren drin mit<br />
zahlreichen Schmuckgegenständen aus Bernstein und Bronce.<br />
Daneben kam aus einem Männergrab ein Schwert, 60 Zentimeter<br />
lang mit breiter Griffzunge, zum Vorschein.<br />
Wildparks Josephslust<br />
So sehr die Kaiserin bemüht war, den Mißständen abzuhelfen<br />
und Anmaßungen einzelner Jagdherren zurückzuweisen,<br />
so wenig muß sich aber im Faulbronn geändert haben,<br />
was folgendes Ereignis beweist. Im Jahre 1777 reiste<br />
Kaiser Franz Joseph II. zum Besuche seiner Schwester Maria<br />
Antoinette nach Paris. Er bezog in Mengen Quartier, und der<br />
dortige Magistrat nahm die Gelegenheit wahr, sich beim Kaiser<br />
über den Schaden, „den das Wild der umliegenden fremden<br />
Förste mache" zu beschweren. Der Kaiser riet, das Wild<br />
einfach abzuschießen. Diese Antwort rief aber die jagdberechtigte<br />
Herrschaft in Sigmaringen auf den Plan, denn bald<br />
darauf traf eine gegenteilige Weisung aus Wien ein. Die<br />
Schäden müssen schon erheblich gewesen sein, sonst hätten<br />
sich die Untertanen des Fürstentums Sigmaringen zu jener<br />
Zeit nicht freiwillig erboten, ein Viertel ihrer Ernteerträge<br />
abzuliefern, sofern der Wildbestand verringert würde. In dieser<br />
Zeit soll es keine Seltenheit gewesen sein, daß die Hirsche<br />
zur Zeit der Brunst in ganzen Rudeln an den Stadtrand von<br />
Sigmaringen gekommen sind. Jedenfalls sind die Klagen der<br />
umliegenden Gemeinden nie verstummt und scheinen wieder<br />
nach Wien gedrungen zu sein, denn im Januar 1786 stellte<br />
der zuständige Landvogt im „Höchsten Auftrag" an die betroffenen<br />
Gemeinden in einem Rundschreiben die Frage, ob<br />
ihnen durch die Errichtung eines Tiergartens geholfen sei,<br />
erklärte aber gleichzeitig, daß sie sich an den Kosten beteiligen<br />
müßten. Die Gemeinden wiesen auf ihre Armut hin<br />
und auf die Unmöglichkeit, diese „unerschwinglichen* Beiträge<br />
zu leisten. Inzwischen war in Sigmaringen Fürst Anton<br />
Aloys (1785—1831) zur Regierung gekommen. Er entschloß<br />
sich im Jahre 1790, den Walddistrikt Faulbronn auf eigene<br />
Kosten mit einem hohen Gatter umzäunen zu lassen. Zur<br />
Abrundung des Ganzen erwarb er im Laufe seiner Regierungszeit<br />
von sämtlichen anliegenden Gemeinden größere und<br />
kleinere Waldstücke und löste das Weiderecht gegen entsprechende<br />
Abfindungssummen ab. Die auf den erworbenen<br />
Stücken befindlichen Ziegelbütten wurden abgebrochen, da<br />
sie „nur zweifelhaften Elementen die beste Gelegenheit<br />
zum Wildern" boten. Mit dem Tierpark wurde ein größerer<br />
landwirtschaftlicher Betrieb verbunden, und in Josephslust,<br />
wohin inzwischen eine Oberförsterei verlegt worden war,<br />
wurde für die Dienstboten eine eigene Schankwirtschaft eingerichtet.<br />
Viel Leben brachten in den Tiergarten die ständig<br />
vermehrten Kohlplatten mit ihren rauchenden Meilern, die<br />
dem Hüttenwerk Laucherthal große Mengen von Kohlen für<br />
die Hochöfen lieferten.<br />
Eine nette Episode brachte das ereignisreiche Jahr 1848.<br />
Zur Beruhigung der Gemüter waren vorübergehend bayerische<br />
Truppen in unsere Gegend verlegt. Diese legten ihre<br />
„Freiheiten" des Freiheitsiahres auf ihre Weise aus und<br />
übten sich im Tiergarten im edlen Waidwerk. Dabei wurde<br />
einer dieser Nimrode von dem fürstlichen Jäger Fischer und<br />
dem Holzhauer Fidel List aus Sigmaringendorf erwischt,<br />
und es wurde inm das Gewehr abgenommen. Dadurch entstand<br />
im Lager der Bayern größte Empörung. Sie umzingel-
22 H O H E N Z O L L E B I S C H E H E I M A T Tanrgang 1958<br />
ten Josephslust und zwangen tatsächlich den Oberförster<br />
Dollenmaier, das Gewehr wieder herauszugeben. Dem Holzhauer<br />
List schworen sie Rache, lauerten ihm eines Abends<br />
auf, er aber entfloh ihnen, durchschwamm die Donau und<br />
versteckte sich für die Zeit der „bayerischen Besetzung" in<br />
Ruifingen.<br />
Im Jahre 1850 umfaßte der Tiergarten 4330 württembergische<br />
Morgen. Fürst Karl Anton entschloß sich, ihn auf<br />
2650 Morgen zu verkleinern. Nach Fertigstellung der inneren<br />
Umzäunung wurde im gleichen Jahre unter großen Schwierigkeiten<br />
und einem Aufgebot vieler Leute, mit Hilfe mächtig<br />
langer Tücher, das Wild in den inneren Tierpark getrieben.<br />
Die Umplankung des äußeren Gartens, durch die die Straße<br />
Sigmaringen-Krauchenwies führte, wurde niedergerissen. Das<br />
restliche Schwarzwild wurde abgeschossen. Glänzende Hofjagden,<br />
an denen häufig gekrönte Häupter teilnahmen, sah<br />
der Wildpark unter Fürst Leopold, dessen Nachfolger, Fürst<br />
Wilhelm, im Jahre 1906 wieder Wildschweine einsetzen ließ.<br />
Die Stürme der jüngsten Zeit hat der Wildpark auch überstanden,<br />
und es bleibt zu wünschen, daß er weiterhin mit<br />
seinen herrlichen alten Baumgruppen, seinen idyllischen<br />
Weihern, den schattigen Wegen und seinem Wild eine Quelle<br />
der Freude und Erholung sein wird. Hans Baron.<br />
Die Sonntagsheiligung in der ehem. Ritterschaft Gammertingen<br />
Bei der Teilung des Speth'schen Familienbesitzes am 25.<br />
März 1599 erhielt Caspar Bernhard Speth die Herrschaft<br />
Gammertingen mit Feld- und Harthausen. Der neue Besitzer<br />
ließ in seiner Eigenschaft als Gerichtsherr das alte Vogteigerichtsbuch<br />
erneuern und ergänzen. Das erneuerte Vogtgerichtsbuch<br />
bringt in seinem ersten Teil strenge Bestimmungen<br />
über die Sonntagsheiligung. Sie sollen hier inhaltlich<br />
wiedergegeben werden.<br />
Der Junker klagt, daß er erfahre und sehe, wie „unfleißig"<br />
man den Gottesdienst besuche. Das führe zu einem „viehischen<br />
Heidentum." Jede Person muß an Sonn- und gebotenen<br />
Feiertagen die heilige Messe, die Predigt und die Vesper<br />
besuchen. Väter und Mütter haben dafür zu sorgen, daß<br />
sämtliche Hausgenossen an den Gottesdiensten teilnehmen.<br />
Wer während der hl. Messe, der Predigt oder der Vesper<br />
tanzt, mit Karten oder Würfeln spielt, sich vor den Stadttoren,<br />
vor Wirtshäusern, vor der Kirche oder an heimlichen<br />
Plätzen aufhält, wer auf dem Kirchhof während des Gottesdienstes<br />
sitzt oder steht und sich nicht mit Fleiß ; n die Kirche<br />
verfügt, muß der Herrschaft als Strafe 5 Pfuna Heller und<br />
den Heiligenpflegern 5 Schilling entrichten. Wer aus redlicher<br />
Ursache die Gottesdienste nicht besuchen kann, soll sich in<br />
aller Stille in seinem Hause aufhalten, ohne Aergernis zu<br />
geben. Die Heiligenpfleger haben alle Manns- und Weibspersonen,<br />
die erst zum Gottesdienst kommen, wenn man die<br />
Vormesse geläutet hat und solche, die vor dem Schlußsegen<br />
den Gottesdienst verlassen, der Obrigkeit anzuzeigen. Für<br />
solche Uebertretungen beträgt die Buße 5 Schilling, die von<br />
den Heiligenpflegern einzuziehen sind. An Sonn- und Feiertagen<br />
dürfen die Handwerker zwischen den Aemtern, der<br />
Predigt und der Vesper nicht arbeiten, die Müller nicht<br />
mahlen, die Bäcker nicht backen; Schmiede, Schlosser, Schneider,<br />
kein Handwerker ausgenommen, haben vollständige<br />
Sonntagsruhe zu halten. Jede Uebertretung wird mit 5 Pfund<br />
Hellern oder Gefängnis bestraft.<br />
Bei gewissen Notständen kann mit Wissen und Willen der<br />
Obrigkeit gearbeitet werden. Wenn ein Wirt während des<br />
Amtes, der Predigt oder der Vesper an Personer Wein ausschenkt,<br />
werden Wirt und Gäste um je 3 Pfund Heller bestraft.<br />
Etliche Personen verrichten nach den Gottesdiensten<br />
weltliche Geschäfte: Dengeln, Wagen zurichten, Garben aufziehen.<br />
Der Junker will, daß solche Arbeiten vollständig unterbleiben.<br />
Handwerker, die vor der hl. Messe an Sonn- und Feiertagen<br />
arbeiten, werden bei der ersten Uebertretung um 3,<br />
bei der zweiten um 6 und bei der dritten um 9 Pfund Heller<br />
bestraft.<br />
1952 suchte ich unterm Kirchendach nach einer im Gebälk<br />
eingeschnittenen Jahreszahl und fand dabei eine alte, holzgeschnitzte<br />
Figur: Aus einem Gefäß ragt mit dem Oberkörper<br />
eine nackte menschliche Gestalt. Sie stellt den hl. Märtyrer<br />
Vitus im Pechnapf dar. Das Schnitzwerk hat eine Gesamthöhe<br />
von 34 cm. Die Bemalung ist fast ganz abgefallen.<br />
Ich konnte folgendes über den Fund erfahren:<br />
Es handelt sich um das sogenannte „Deutwanger Veitle".<br />
Dieses stand früher auf dem nördlichen Seitenaltar, neben<br />
der großen Statue des hl. Vitus. Bekleidet war das „Veitle"<br />
mit kostbaren Umhängen, die mit der Kirchenfarbe gewechselt<br />
wurden. Im ganzen Hohenfelser Bezirk und besonders<br />
im Tal (von Stockach bis Billafingen) war das „Veitle" bekannt,<br />
und es herrschte der Glaube (oder Aberglaube — wer<br />
kann da eine Grenze ziehen?), daß es bei Kinderkrankheiten<br />
helfe.<br />
Das „Deutwanger Veitle"<br />
Sonntags und werktags dürfen die Wirte nach 9 Uhr an<br />
Einheimische und nach 10 Uhr an Fremde keinen Wein mehr<br />
ausschenken, bei Strafe von 5 Pfund Hellern oder drei Nächte<br />
im Turm.<br />
(Ueber den Geldwert der hier festgesetzten Strafen siehe<br />
Seite 15, Jahrgang 1953: In den Jahren 1601—1625 beträgt<br />
der Wert eines Pfundes Heller ungefähr 14,80 Goldmark,<br />
eines Schillings 0,74 Goldrnark.)<br />
Der letzte Rundturm des ehemaligen Wasserschlosses in Dettonsee.<br />
Es besaß 4 Rundtürme. Der Hauptbau wurde 1817/18 abgebrochen.<br />
Kein Wunder, daß die Mütter der damaligen Zeit jede nur<br />
erdenkliche Hilfe suchten, denn die Kindersterblichkeit war<br />
sehr groß. In den Jahren 1874 bis 1899 starben allein in<br />
Deutwang bei 173 Geburten 60 Kinder, das sind 34 Prozent.<br />
Die Mütter holten dann jeweils das Röcklein in der Kirche,<br />
legten es dem kranken Kinde auf und opferten zum Dank<br />
ein neues Röcklein dazu. Das Röcklein war vielen wichtiger<br />
als das Gebet zun Heiligen.<br />
Fälle einer wunderbaren Hilfe wurden nicht überliefert, obwohl<br />
die Frauen damals aligemein aufs „Veitle" schworen.<br />
Pfarrer Tense, Mindersdorf, verurteilte das Geschehen als<br />
Aberglaube ganz energisch in einer Predigt.<br />
Im Jahre 1884 war das „Veitle" plötzlich verschwunden.<br />
Lange Zeit war die Bevölkerung darüber sehr aufgebracht.<br />
Die Mindersdorfer • Fuhrleute weigerten sich anfangs sogar,<br />
den Pfarrer nach Deutwang zum Gottesdienst zu fahren,
Ja! rgang 1958 H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 23<br />
Erst viel später wurde die Statue unter dem Kirchendach<br />
wiedergefunden. Die Röcklein blieben verschollen. Es ist anzunehmen,<br />
daß Pfarrer Tense das „Veitle" versteckt hatte,<br />
um dem Kult ein Ende zu bereiten!<br />
Ströbele, Deutwang.<br />
Prof. Dr. Ludwig Veit schreibt in seinem vorzüglichen Werk:<br />
„Volksfrommes Brauchtum und Kirche im deutschen Mittelalter"<br />
über die Verehrung des hl. Vitus: Die Kunst hat den hl. Vitus, als<br />
sie den Heiligen mit dem Oelkessel darstellte, ungewollt und unbewußt<br />
zum Patron der bettnässenden Kinder gemacht, die ihn vor<br />
dem Schlafengehen anrufen, damit er sie zur rechten Zeit wecke.<br />
IL Am Neujahrstage 1855 erhielt Geiselhart die Präsentation<br />
auf die Nachprediger-Pfründe in Sigmaringen.<br />
Im Jahre zuvor hatte er auf den Rat des Erzbischofs eine<br />
lange Rheinfahrt unternommen. Er sollte das kirchliche<br />
Rechnungswesen in Preußen kennen lernen und deshalb die<br />
geistlichen Kanzleien in Köln und Trier durchmustern.<br />
Eine Großtat leistete Geiselhart nach seiner Rückkehr aus<br />
den Rheinlanden durch den Ankauf des Gasthauses zur<br />
„Post" in Sigmaringen. Dieses Gebäude war das Geburtshaus<br />
des heiligen Fidelis von Sigmaringen.<br />
Eine Statue an der Front war das einzige Zeichen, das den<br />
Vorübergehenden an den berühmtesten Sohn der Stadt erinnerte,<br />
der hier am 1. Okt. 1577 das Licht der Welt erblickte.<br />
Der Kaufpreis von 8000 Gulden war für Geiselhart eine<br />
schwere Last; indes sowohl die Erinnerungen, die sich an<br />
das Haus knüpften, wie der edle Zweck, dem es von nun an<br />
dienen sollte, weckten mitleidige Herzer. zur Beisteuer milder<br />
Gaben. Geiselhart machte aus dem Haus ein trautes<br />
Heim für arme Studenten, die das Gymnasium in Sigmaringen<br />
besuchen wollten. Erzbischof Hermann von Vicari,<br />
dessen Liebling Geiselhart allzeit war, schickte von Anfang<br />
an regelmäßig jedes Jahr namhafte Summen „zur Unterstützung<br />
wenig bemittelter Studenten."<br />
Das unbegrenzte Vertrauen, das unsern Mann der Caritas<br />
immer auszeichnete, wurde auch dieses Mal wunderbar<br />
gerechtfertigt. Schon nach einem Jahre waren alle Schulden<br />
getilgt, die Einrichtung fertiggestellt und sogar noch 470<br />
Gulden bares Geld blieben übrig. „Ich war vormals selbst<br />
ein armer Student", pflegte Geiselhart zu sagen, „und habe<br />
während meiner Studienzeit harte und selbst gefährliche<br />
Wege betreten müssen. Nur der Güte Gottes und der liebevollen<br />
Unterstützung meiner vielen Wohltäter habe ich es<br />
zu verdanken, daß ich Priester geworden bin. Durch die<br />
Gründung des Fidelishauses möchte ich nun einen Teil meiner<br />
Schuld abtragen." Und wahrlich, er hat diese Schulden<br />
redlich und reichlich abgi. „ragen. Man wird einer annähernden,<br />
erstaunlichen Begriff bekommen von dem, wa.i der Unermüdliche<br />
für seine Stiftung geleistet, wenn man liest, daß<br />
er bis zum Jahre 1872 über 25 000 Gulden nur an Stipendienstiftungsgeldern<br />
für sein Fideiishaus gesammelt habe.<br />
Reichliche Unterstützung fand der „Bettler von Gottes Gnaden"<br />
bei der frommen Fürstin Katharina von Hohenzollern,<br />
der Neugründerin des Klosters Beuron und bei zahlreichen<br />
Geistlichen des kleinen Landes.<br />
Am 5. Oktober bezog Geiselhart das Haus mit 11 Schülern<br />
des Gymnasiums, mit jedem Jahre wuchs die Zahl der<br />
Zöglinge,<br />
Doch nicht genug damit, seine Heimat mit einer Pflanzstätte<br />
des Priestertums beschenkt zu haben, kaufte Geiselhart<br />
Ende der 60er Jahre in Konstanz ein großes Gebäude zu<br />
gleichem Zwecke wie sein Fidelishaus, nannte es zu Ehren<br />
des heiligen Konstanzer Bischofs Konrad, Konraditaus, zog<br />
durchs badische Oberland, bettelte für seine zukünftigen<br />
Zöglinge in jedem wohltätigen Pfarrhause. Diese Gründung<br />
ist umso nötiger hier anzumerken, als sie im Nekrolog Geiselharts<br />
(im Freibg. Diz.-Arch. 28, 1900. S. 240) irrtümlich<br />
völlig vergessen ist. Wie viel Segen ging von beiden Pflanzschulen<br />
des Klerus in 100 Jahren aus!<br />
Die verschiedenen Gründungen unseres Geiselhart erregten<br />
bald den Neid und die Mißgunst der Liberalen: sie brachten<br />
es dahin, daß am Ende des Jahres 1857 eine Entscheidung<br />
des Königlichen Schul- und Regierungsrates kam, die Kurz<br />
und bündig erklärte, die Vinzenzschwestern könnten nicht<br />
länger bleiben, weil ,in Preußen nur preußische Lehrer und<br />
Lehrerinnen angestellt werden könnten."<br />
Nun unternahm Geiselhart eine schleunige Reise zum Erzbischof.<br />
Dieser gab ihm den Rat, sich in Paderborn die neuentstandene<br />
Kongregation der Paunne von Mallinckrodt an-<br />
Dieses Attribut gi ^ ganz in Ordnung, da der Heilige in Oel gesotten<br />
werden sollte; das Volk aber deutete den Kessel wegen<br />
seiner merkwürdigen Form als Nachtgeschirr, und so wurde der<br />
brave jugendliche Heilige der Schutzherr aller jener, die in jungen<br />
Jahren an • "bekann .rn Schwäche leiden. Die unheimliche Krankheit<br />
der Epilepsie, die ü- Deutschland im 14. Jahrhundert fast epidemisch<br />
geworden, wurde von der Anrufung des Heiligen „Veitstanz"<br />
genannt. Kranke und Gesunde „bestrichen" den Heiligen. Dieses<br />
Zeichen der Verehrung bestand darin, daß man den Finger an den<br />
Mund bringt und dann den Gegenstand der Verehrung berührt.<br />
Das ist noch heute üblich. „Daß dich sankt Veitstanz ankomme",<br />
war eine der im Mittelalter recht gebräuchlichen Verwünschungen<br />
anderer auf den Namen eines Heiligen.<br />
Thomas Geiselhart, der Waisenvater von Hohenzollern<br />
Teil (Schluß)<br />
zusehen und sich Lehrerinnen von dorther zu erbitten. Dem<br />
Rat folgte die Tat, an Ostern 1858 zogen in Sigmaringen<br />
die Vinzenzschwestern ab, an ihre Stelle kamen zwei Schwestern<br />
aus Paderborn. Später kamen für die Kleinkinderschule<br />
noch zwei Schwestern aus derselben Stadt.<br />
Im Jahre 1861 gründete Geiselhart unter dem Beistand<br />
katholischer Familienväter eine Privatschule. Das Schulgeld<br />
wurde auf 60 Gulden festgesetzt.<br />
Auch zum berühmten Kloster zu Beuron und dessen Wiedereröffnung<br />
durch Benediktiner im Jahre 1863 hatte Geiselhart<br />
enge Beziehungen.<br />
Eine Aufgabe mußte er aber infolge eines Gelübdes noch<br />
lösen, die ihm schon seit dem Jahre 1850 viele Sorgen bereitete,<br />
es war die Gründung eines Waisenhauses. Mehrere<br />
Male hatte er den Plan fest ins Auge gefaßt, allein die allzugroßen<br />
Schwierigkeiten machten die Ausführung unmöglich.<br />
Endlich am 21. Oktober 1859 mietete er eine kleine Wohnung,<br />
holte sich sechs Waisen und Bettelkinder von der Straße und<br />
zog mit ihnen und einer barmherzigen Schwester in dieselbe<br />
ein. Ein Tisch, ein Kasten, einige Bettlein waren die<br />
ganze Einrichtung und zum Unterhalt nichts, als was sie<br />
täglich an Almosen von Gott durch gute Leute erhielten.<br />
Trotzdem war unser Kinderfreund seelenvergnügt, einmal<br />
Waisen zu haben und für sie sorgen zu können, Er machte<br />
eigenhändig mit den Kindern das Holz, erbettelte einen Ziegenstall.<br />
Später konnte er sogar eine Milchkuh und einige<br />
Stücklein Feld kaufen, Er sagte: „Die Arbeit, die man<br />
für die Lieblinge Jesus tut, ist nie entwürdigend." Ein<br />
Jahr lang suchte er nach vollbrachtem Tagewerk in der<br />
Seelsorge und im Fidelishaus seine Erholungsstunden bei<br />
seinen Waisenkindern, als ihm plötzlich die Wohnung gekündigt<br />
wurde. Tiefbetrübt wanderte er, wie einst der heilige<br />
Joseph durch Bethlehem, durch Sigmaringens Straßen, um<br />
eine Herberge zu suchen. Ueberall wurde er abgewiesen. Gott<br />
wollte seinen treuen Diener abermals prüfen, um ihm dann<br />
umso glänzender aus der Not zu helfen.<br />
Als Geiselhart am Samstag, 21, April 1861, in wehmütiger<br />
Stimmung sich eben anschickte, die Beichte de: barmherzigen<br />
Schwestern im Spital zu hören, fiel ihm der öffentliche<br />
Anzeiger in die Hand, worin auf dem nahe der Stadl<br />
gelegenen sogenannten Brunnenberge ein kleines Hotgut mit<br />
geräumiger Wohnung dem Verkaufe ausgesetzt war. Ohne<br />
sich lange zu besinnen, wo Geld hernehmen, ging er sofort<br />
zu dem Besitzer, unterhandelte und kaufte das Anwesen um<br />
12 400 Gulden. Der glückliche Waisenvater nannte das neu^<br />
Heim „Nazareth". Am 15. Mai zog er mit den Waisen und<br />
zwei Schwestern ein. Ein Jahr später und die Wohnun; war<br />
schon zu klein für die immer zahlreicher werdende Kinderfamilie;<br />
eine Erweiterung ward mit einem Aufwand von<br />
gegen 9000 Gulden durchgeführt. Geiselhart wollte nui auch<br />
für die letzten Lebensjahre seiner Waisen sorgen und ein<br />
Asyl gründen für ihr späteres Alter, damit sie, "'enn nötig,<br />
da wo sie ihre Kindheit zugebracht, nach vollbrachtem Tagewerk<br />
ein Ruheplätzchen fänden.<br />
So reifte in ihm der Plan, ein großes Gebäude zu erstehen,<br />
das alle Waisenkinder, Knaben und Mädchen von ganz Hohenzollern,<br />
aufnehmen und zugleich ihnen in alten und kranken<br />
Tagen eine Heimat bieten sollte. Er erließ einen Aufr-jf<br />
in allen Blättern des Landes. Er/.bischof Hermann von Vicari<br />
empfahl alsbald das Unternehmen eindringlich lund ließ<br />
der Bitte Geiselnarts die wärmste Empfehlung angedeihen.<br />
Schon im Jahre 1866 begann Geiseinart den umfassenden<br />
Bau, hatte stets Geld und wußte überall zu bekommen, ohne<br />
andere Kupons auszustellen, als solche, die erst im Jenseits<br />
fällig sind. Er hatte die Freude, daß 1er König Wilhelm von<br />
Preußen selbst in Begleitung der Königin, des Kronprinzen<br />
und der fürstlich Sigmaringischen Familie am 5. Oktober<br />
18ö7 den Grundstein zum Hause Nazareth legte. „Wir nennen
24 HOHENZOLLEP SCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
es Nazareth", sagte Geiselhart in seiner Ansprache an den<br />
König, „denn wie unser Heiland als schwaches, hilfloses<br />
Kind zu Nazareth aufgewachsen ist, so sollen hier die Waisenkinder<br />
von Hohenzollern auferzogen, an Leib und Seele<br />
gepflegt und zu tüchtigen Menschen herangebildet werden."<br />
Damals habe der König seine Stiftung von 100 fl. auf des<br />
Waisenvaters Bitte noch um ein „Nüllele" auf 1000 fl. erhöht.<br />
Der Grund war gelegt, und rüstig ging es an den Weiterbau.<br />
Vom April bis Oktober 1868 gab der arme Gründer und<br />
Bettler gegen 50 000 Gulden aus und führte den äußeren Bau<br />
fast zu Ende. Aber nun fehlte nach dem mächtigen Gerüste<br />
der innere Ausbau, der zum mindesten auf 25 000 Gulden<br />
veranschlagt war und eine nochmalige gewaltige Anstrengung<br />
vonseiten des Bittenden und der Geber verlangte. Geiselhart<br />
erließ daher ein offenes Sendschreiben an seine hohenzollerischen<br />
Landsleute, Priester und Laien und bat zum letztenmal:<br />
„Wenn ich manchem", sagte er, „selbst meinen besten<br />
Freunden, lästig geworden bin, so mache ich es wie jener<br />
Mann im Evangelium: „Auch wenn er nicht geben würde,<br />
weil er sein Freund ist, so wird er ihm dennoch geben wegen<br />
seiner Zudringlichkeit. Sorgt nur endlich dafür, daß Ihr einmal<br />
vor mir Ruhe habt, denn auch ich will gerne ausruhen,<br />
wenn das Haus Nazareth vollendet ist. Und wie in einer<br />
Sammlung von Kunstgegenständen manchmal ein alter Invalide<br />
angestellt ist, den Fremden die Schätze des Museums<br />
zeigt, so will ich dann allen zeigen die Schätze des Hauses<br />
Nazareth, die Waisen und die verlassenen Dienstboten, und<br />
will allen zeigen die Werke christlicher Barmherzigkeit."<br />
Dem offenen Sendschreiben kamen die wackeren Landsleute,<br />
namentlich unter dem Klerus, mit offenen Händen<br />
entgegen. Die Mittel flössen so reichlich, daß bis zum Herbst<br />
1869 der innere Bau mit einer schönen Hauskapelle fertig<br />
war und der Waisenvater am 21. Oktober mit sämtlichen<br />
Waisen Hohenzollerns und ihren Lehr- und Erziehungsschwestern<br />
in Prozession den Einzug halten konnte.<br />
So hatte das Gelübde des armen ehemaligen Vikars von<br />
Empfingen seine höchste Erfüllung erreicht.<br />
Das Kriegsjahr 1870/71 hatte der jungen Schöpfung bedeutende<br />
Opfer an Geld verursacht. Fünfzig Betten wurden<br />
von der Anstalt für kranke und verwundete Soldaten eingerichtet.<br />
Es kamen aber keine nach Nazareth, die erheblichen<br />
Ausgaben waren umsonst gemacht.<br />
Eine tiefere, schmerzliche Wunde aber hat der Kulturkampf<br />
dem Waisenhaus geschlagen. Zum großen Jammer der<br />
armen Waisen mußten die Schwestern von Ingenbohl, die<br />
Geiselhart für die Führung einer Haushaltsschule im Hause<br />
1873 eingeführt hatte, Nazareth verlassen. So wollten es die<br />
kirchenfeindlichen Gesetze. Doch auch in dieser Not zeigte<br />
sich Gottes weise Zulassung. Im Jahre 1879 feierten Kaiser<br />
Wilhelm I. und seine Gemahlin Augusta die goldene Hochzeit.<br />
Durch eine Sammlung in ganz Hohenzollern, wozu rcich<br />
und arm gleich eifrig beisteuerte, kamen 33 829.92 Mark zusammen.<br />
Beim gleichen Anlaß gab der Fürst Karl Anton 30 000<br />
Mark als Jubiläumsstiftung für Nazareth. Auch hatte der<br />
Die aite Friedhofskapelle (Viruskopelle) in Gruol,<br />
1871 verstorbene Pfarrer von Benzingen, Joseph Volkwein,<br />
der größte Wohltäter des Hauses, „Nazareth" zu seinem Universalerben<br />
eingesetzt.<br />
Um einigermaßen die vielen Arbeiten und Sorgen für<br />
einige Zeit zu vergessen, machte Geiselhart im Sommer 1871<br />
eine Reise durch das herrliche Land Italien. Am Tage des<br />
heiligen Aloysius, am 21. Juni, hatte er die Ehre, mit andern<br />
deutschen Pilgern von Papst Pius IX. in Audienz empfangen<br />
zu werden. Die Reise war für unsern Priester zugleich eine<br />
Wallfahrt an die heiligen Stätten Italiens, vor allem an die<br />
zahlreicher Heiligengräber.<br />
Im Winter 1882 wurde der unermüdliche Mann, der neben<br />
seinen vielen Berufsarbeiten mehrere Male beim jeweiligen<br />
Tode der einzelnen Pfarrer von Sigmaringen die gesamte<br />
Seelsorge der Stadt auf sich nehmen mußte, und dem von<br />
ihm 1872 gegründeten katholischen Mütterverein monatlich<br />
im Fidelishaus einen religiösen Vortrag hielt, schwer krank.<br />
Sieben Monate lag er auf dem Schmerzenslager. Erst gegen<br />
Pfingsten 1883 konnte er wieder alle Geschäfte besorgen. Er<br />
bat um Pensionierung, die ihm abgeschlagen wurde, und um<br />
Erleichterung in seinen Arbeiten, was gewährt wurde. Im<br />
folgenden Jahre 1884 unternahm der ehrwürdige Priestergreis<br />
noch eine Wallfahrt an alle die Orte, welche durch die<br />
Anwesenheit des hl. Fidelis geheiligt worden sind.<br />
Im Jahre 1887 konnte der Waisenvater sein 50jähriges<br />
Priesterjubiläum feiern. Alle Aemter gab er nun ab und<br />
lebte droben auf der Höhe von Sigmaringen, in Nazareth,<br />
„als geistlicher Hausvater, Zahlmeister und Bettler", wie er<br />
sich selbst nannte.<br />
Das Gebet war seine Hauptbeschäftigung. Frühzeitig machte<br />
er sein Testament, darin bat er alle um Verzeihung, denen<br />
er etwa in seinem Leben Aergernis gegeben, die er je gekränkt<br />
oder beleidigt. In einem Nachtrag vom 14. August<br />
1888 konnte er versichern, daß er jetzt gar kein Geld oder<br />
sonst Wertvolles besitze — als nur noch einige Bücher und<br />
Bilder. So starb Geiselhart in Armut, er, der Hunderttausende<br />
Y°n Mark durch seine Hände hatte gehen sehen. Er<br />
war 80 Jahre alt geworden, aber das Studium hielt er immer<br />
noch hoch. In Anerkennung seiner Verdienste für die Caritas<br />
hatte ihn der Erzbischof zum Geistlichen Rat ernannt, was<br />
ihn freute, aber nicht stolz machen konnte.<br />
Am Pfingstquatember, 22. Mai 1891, hatte er sich in starkem<br />
Regen zum Spital verfügt und erkältet. Mehrere Wochen<br />
war er noch krank. Am 16. Juni schied er still und<br />
sanft von dieser Erde. Wer am Freitag, den 19. Juni nach<br />
Sigmaringen kam und die allgemeine Trauer sah, mit der<br />
die Stadt die sterbliche Hülle Geiselharts zur letzten Ruhe<br />
bestattete, mußte beim Anblick des gewaltigen Leichenzuges<br />
gestehen: dieser Tote, dem die letzte Ehre erwiesen wird,<br />
war sicher einer der bedeutungsvollsten Männer seiner Zeit.<br />
Unter den Leidtragenden sah man 52 Geistliche, den Erzabt<br />
Plazid'us Wolter von Beuron, Domkapitular Kiefer von Freiburg,<br />
Seine Hoheit den Fürsten Leopold, den Regierungspräsidenten<br />
Freiherrn von Frank, zahlreiche Beamte und
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 25<br />
eine fast unübersehbare Menge aus allen Berufen. Der Sarg<br />
war in der Hauskapelle von Nazareth aufgestellt. Nach der<br />
kirchlichen Feier sangen die im Chor aufgestellten Waisenkinder<br />
ein ergreifendes Lied als „Abschied an das teure Vaterherz."<br />
Dann wurde der Leib des alten Mannes in der<br />
Kapelle vor dem nördlichen Seitenaltar beigesetzt. Hierauf<br />
bewegte sich der Leichenzug unter dem Geläute der Glocken<br />
vom Berge hinab in die Stadtkirche, wo Dekan Ad. Laudiert<br />
die Leichenrede hielt.<br />
Geiselhart war, wie das Deutsche Volksblatt in jenen Tagen<br />
schrieb, „eine energische und willensstarke, oft wenig<br />
rücksichtsvolle Persönlichkeit, die vor nichts zurückschreckte.<br />
Er war christlicher Sozialist. Er war kein Freund komplimentösen<br />
Formenwesens, geradeaus, mit altertümlichen Manieren<br />
trat er stets auf den Plan" ...<br />
Der Schwäbische Merkur widmete dem Verblichenen einen<br />
längeren Nachruf. Folgende Zeilen seien daraus mitgeteilt:<br />
„Schon die äußere Erscheinung des fast 81jährigen Greises<br />
verriet einen Mann besonderer Art. Er war von ungewöhnlich<br />
hoher Gestalt, die sich nicht von der Last der Jahre beugen<br />
ließ, wenn auch das Haar schneeweiß geworden und die<br />
markigen, scharfgeschnittenen Züge in viele Falten sich legten.<br />
Unbeugsam wie der Körper war auch der Charakter<br />
Geiselharts, wenn es galt, ein Ziel zu erreichen, von dem er<br />
überzeugt war; daß es recht und gerecht war. Kräftig, fast<br />
rauh war die Außenschale, stark, fest, beinahe herb war der<br />
Kern, der in jener steckte. Aber eine Saite blieb sein ganzes,<br />
an Wirken so reiches Leben hindurch stets voll und wohltuend<br />
gestimmt, die Liebe zu den armen, hilfsbedürftigen<br />
Nebenmenschen... Geiselhart hatte manche Gegner, Feinde<br />
hinterläßt er keine, Dankbare unzählige."<br />
Fassen wir das ganze Leben Geiselharts zusammen, so<br />
können wir sagen: Er gehörte zu jenen Menschen von höherem<br />
Typus auf Erden, deren wahre Mission es ist, Liebes zu<br />
tun, indes die meisten in Selbstdienst versunken sind. Solche<br />
vornehme Seelen kennen die seltene Kunst, statt für sich,<br />
nur für andere zu leben, und bringen es zu solcher Meisterschaft,<br />
daß die Geschichte ihres Erdenwallens sich wie ein<br />
Brevier des Erbarmens bietet.<br />
(Mit frdl. Genehmigung des Badenia-Verlags in Karlsruhe<br />
abgec :ckc aus Franz Dor: Lebensbilder aus dem Seelsorgeklerus.<br />
Weitere Quellen: Kath. Sonntagsblatt, Stuttgart<br />
und J. Wetzelt Thomas Geiselhart. Sigmaringen 1945.)<br />
Neufra und Lichtenstein an der Fehla<br />
Ob die Burg Lichtenstein bei Hönau oder die Doppelburg<br />
an der Fehla die ältere ist, konnte noch nicht erwiesen werden,<br />
mögen württembergische Forscher auch begreiflicherweise<br />
für die bei Hönau stimmen (so Gratianus in seinem<br />
1844 erschienenen Büchlein „Die Ritterburg Lichtenstein").<br />
Wenn es von Bürgern von Reutlingen heißt, sie hätten im<br />
Kampf gegen Eberhard den Erlauchten von Württemberg<br />
1311 die Burgen Rohr (b. Bisingen), Jungingen, Nürtingen,<br />
Heydecke (vielleicht die „Hintere Burg" bei Trochtelfingen<br />
an der Haid), Lüechtenstein und Greiffenstein zerstört,<br />
so dürfte hier wohl die bei Hönau gemeint gewesen sein<br />
(Lat. Gedicht in Württb. Vierteljahreshefte Jg. 6, 1883, S. 3).<br />
Ob wirklich Dietrich von Lichtenstein um 1331 die Burg bei<br />
Neufra erbaute, wie Gratianus behauptet, scheint trotzdem<br />
nicht sicher. Eine am 24. März 1332 zu Konstanz ausgestellte<br />
Urkunde ist da bedeutungsvoll:<br />
Ritter Swenger von Liehtenstain (das h ist wie ch zu sprechen!)<br />
stiftet mit Zustimmung des Bischofs Rudolf von Konstanz<br />
eine Kapelle in den Kirchhof „zu N ü f r o n, im Dorf,<br />
das bei Liehtenstain miner Burg lit." Er bewidmet<br />
sie und besorgt den Priester, der sie besingen soll.<br />
Er stiftet dazu 1 Hof, den Heinrich der Wirt (zu Neufra)<br />
baut und jährlich daraus 7 Malter Roggen und ebensoviel<br />
Haber, dazu 11 Schilling Heller, 1 Viertel Eier, 2 Schultern<br />
(Schinken) und 2 Hühner gibt. Ferner das Gut, das Heinrich<br />
der Woutenz baut, das jährlich 3 ß hlr, 3 Vtl. Haber und 2<br />
Hühner gibt. Brändlins Gut gibt 1 Mit. Roggen und 5 ß hlr,<br />
2 Vtl. Haber, 6 Eier und 2 Schultern und 1 Huhn. Kunrad<br />
des Müssigen Hofraite gibt 2 ß hlr. Ferner gibt er dazu den<br />
Zehnten zu Ostdorf (bei Balingen-Bisingen), den Rütimann<br />
innehat, der giltet jährlich 8 Mit. Vesen, 3 Mit. Haber<br />
und 8 Hühner. Das Gütli, das Musli zu Ostdorf baut, gibt<br />
jährlich 9 ß hlr, 4 Hühner, und 1 Vtl. Eier (= 120 Stück).<br />
Ebenso der Kleinzehnt zu Ostdorf, der giltet jährlich 6 ß<br />
hlr und 4 Hühner. Das Lehenlin zu Ostdorf, das Wirtenberg<br />
baut, das gibt jährlich 16 ß hlr. Gerhartz Müli zu Balgingen<br />
(Balingen), die giltet jährlich 1 Pfund 5 ß hlr. Ferner stiftet<br />
er 1 Wiese in dem Bann von Nüfron, die jährlich 13 ß giltet.<br />
Der Priester soll zu Nüfron wohnen und keine andere<br />
Pfründe haben. Das Patronatsrecht über den Altar (Kaplanei)<br />
wird dem Amt von Salmannsweil (Salem) zustehen. Der<br />
Kaplan darf den Leutpriester nicht schädigen an Opfern und<br />
Seelgerät. Der Stifter Swenger, sein Bruder Eberhard und<br />
des letzteren Sohn Walz (Walter) schwören, ihre Erben<br />
künftig, wenn sie zu ihren Tagen gekommen sind, zur Haltung<br />
der Stiftung zu zwingen. Siegler: Bischof Rudolf von<br />
Konstanz (sehr schön), der Aussteller Swenger und die beiden<br />
verwandten Zeugen. Die Siegel der beiden letzten sind<br />
noch in ein Säckchen genäht Das Swengers zeigt einen stilisierten<br />
Flügel, dessen Höhlung nach herald, links zeigt;<br />
Spitze unten. (GIA Karlsruhe 4/395; gedruckt in F. Weech,<br />
Codex Salemitanus III, 328).<br />
Schon am 6. Oktober 1327 hat der gleiche Ritter Swaenger<br />
von Liehtinstain auf seiner Burg „Liehtinstain" die Hälfte<br />
des Sees zu Illmensee, Lehen der Grafen von Zoll.;rn, dem<br />
Kloster Salem zu einem Almosen geschenkt. Sein Bruder<br />
Eberhard und dessen Sohn Waltz stimmen zu und siegeln<br />
mit. Die beiden ersten Siegel zeigen den Flügel wie in der<br />
Urk. von 1332; das Siegel des Waltz hat die Wurzel des<br />
Flügels oben rechts. Hier im Siegel lautet der Name Swenger,<br />
im Text sonst Swaenger. A. Lichtschlag, der die Urkunde<br />
im Programm des Gymn. Hedingen-Sigmaringen 1869/70 S.<br />
10 abdruckte, führt weiter noch Herren von Liehtenstain an,<br />
die er an die Fehla deutet: 1331 reversiert Dietrich v. L.<br />
unter dem Siegel Swiggers und Eberhards v. L. dem Kloster<br />
Zwiefalten über eine Mühle bei Trochtelfingen (Sulger,<br />
Annal. Zwif. I, 278). 1340 erwirbt Eberhard v. L. vjm Grafen<br />
Heinrich von Hohenberg pfandweise das Dorf Winterlingen<br />
(Schmid, Grafen v. Hohbg. 415). 1393 erscheint Swenger v. L.<br />
zu Steinhilben bei Trochtelfingen begütert (Urk. Staatsarch.<br />
Sigmaringen). Im Jahre 1325 gaben die Grafen Friedrich<br />
Ostertag von Zollern und Friedrich von Zollern-Schalksburg<br />
auf Bitten ihres Lehensmannes Swenger v. L. zwei Fischlehen<br />
zu Illmensee samt dem zugehörigen Teil des Sees ans<br />
Kl. Salem (Mon. Zoll. I, Nr. 274).<br />
Am 26. Mai 1336 schwören die beiden Ritter Swenger und<br />
Eberhard von Liechtenstein, sowie Walther, Eberhards Sohn<br />
v. L., die Güter, die Swenger an die Kapelle zu Neufra<br />
(Niufron) stiftete, zu schirmen. Falls Eberhards Eigenleute<br />
ebenfalls Güter an die Kapelle stiften sollten, braucht er<br />
jedoch die Kapelle deswegen nicht schirmen. Alle 3 Siegel<br />
schön (GLA a. a. O.).<br />
Hans von Bubenhofen, der württembergische Landhofmeister<br />
und Besitzer Neufras, hat am 6. September 1479<br />
beurkundet: Der Abt Johannes von Salem habe auf seine<br />
Bitten zugelassen, das Pfrendlin (Pfründe) des st. Nikolausaltars<br />
in der Kapelle zu Nüfran samt seiner Dotation<br />
in die Pfarrkirche daselbst zu ziehen, den Altar dort<br />
aufzumachen, damit der Gottesdienst nicht „abbrochen"<br />
werde. Der Lehenschaft der Pfründe soll diese Verlegung<br />
unschädlich sein, d. h. Salem soll wie bisher das Patronatsrecht<br />
behalten. Sein Siegel, das zwei querliegende Zickzackbalken<br />
zeigt, ist beschädigt (GLA Karlsruhe 4/395). Am 11.<br />
September desselben Jahres 1479 hat der Kirchherr zu<br />
Niufra, Bernhardus Alterthein, eine Urkunde<br />
ausgestellt: Der Abt Johannes von Salem habe vor, das<br />
Pfründlein in st. Niclaus Capell zu Niufra und den Altar<br />
darin in die Pfarr zu ziehen samt aller Beschwer laut' der<br />
Dotation, unter Vorbehalt der Lehenschaft. Alterthain verspricht<br />
für sich und seine Nachfolger, das in die Pfarrkirche<br />
gezogene Pfründlein nicht weiter zu beschweren. Die Urkunde<br />
ist von ihm selbst geschrieben. Sein Siegel zeigt im<br />
Schild einen halben wachsenden Steinbock mit langen Hörnern<br />
(Ebenda). Es handelt sich um die von Swenger von<br />
Lichtenstein 1332 gestiftete Pfründe. Reste der Kapelle neben<br />
der Pfarrkirche sind angeblich noch in der alten Scheune erhalten.<br />
Die jetzige Kapelle im Dorf Neufra ist i« erst<br />
1591 erbaut worden. Nach den Investiturprotokollen (Krebs)<br />
hat der Abt von Salem zu Ende des 15. Jahrhunderts neben<br />
dem Nikolausaltar auch auf den Marienaltar der Pfarrkirche<br />
präsentiert, falls beide nicht identisch sind, was naheliegend<br />
scheint! Kapläne waren: 1486 Wolfg ng Bubenhofer<br />
nach dem Tod von Ludwig S t e n g 1 i n ; 1488<br />
Wilhelm Stantenatt nach Wolfgangs Tod; 1488 Johann<br />
Sigg von Günzburg nach Wilhelms Verzicht; 1490 Thomas<br />
Gast von Steinhilben nach Siggs Verzieh* 'Krebs). Um<br />
1493 heißt der Kaplan Thomas Geist am Nikolausaltar der<br />
Pfarrkirche, hat 42 Pfund hir Einkommen wovon er an den<br />
Bischof 2 Ptd. 1 ß und 6 hlr zahlte (FDA 26, 105). J. A. Kr.
26 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Die Marienkapelle bei Ringingen<br />
Aus dem Bruchstück einer Heiligenrechnung von 1736 erfahren<br />
wir auch den Erfolg des Bittschreibens an den Fürsten:<br />
Ihro hochfürstl. Durchlaucht zu Mößkirch stiftete 20 fl.<br />
Soviel galt damals ein guter Gaul! Aber er wurde noch übertroffen<br />
vom hiesigen Bürger Matheiß Rueß (Haus 43 Enggasse),<br />
der gar 50 fl opferte. Ferner stiftete Edmund Dorn<br />
selig 20 fl, Johann Furtenbach 6 fl, Marianne Maichle selig<br />
5 fl, der Opferstock ergab 3 fl und 4 kr. Achtzehn Pfund geopfertes<br />
Rindschmalz ertrugen 3 fl; 18 Scheffel 3 Simri Vesen<br />
ergaben 22 fl 20 kr; 10 Scheffel 1 Simri Haber aber 16 fl und<br />
12 kr. Der Maurer Konrad Faigle (Haus 64: Bach) erhielt für<br />
Renovierung der Frauenkapelle 13 fl. Die Sturzblöcke an<br />
Unser Frauen Thum kosteten 2 1 /z fl; Maler Ferdinand Saur<br />
von Ehingen für farbige Fassung der beiden Nebenaltäre der<br />
Pfarrkirche 130 fl und Bagage-Anfuhr 9 fl.<br />
Bei der Frage nach dem anmütigen, mehrere hundert<br />
Jahre alten Gnadenbild von 1736 müssen wir beachten,<br />
daß die heutige Ausstattung des Kirchleins erst ums<br />
Jahr 1760 beschafft wurde, wie noch zu zeigen sein wird. Das<br />
beliebteste Marienbild zwischen 1350 und 1500, wo die Kapelle-<br />
entstanden sein dürfte, war nach den Forschungen von<br />
Stephan Beissel in seinem Buch über Marienwallfahrten die<br />
Schmerzensmutter oder Pieta, zu deutsch „das Vesperbild."<br />
Es scheint nicht wahrscheinlich, daß man 1760 das alte Gnadenbild<br />
einfach verschleudert hat, auch wenn man es durch<br />
ein „moderneres" ersetzte. Nun findet sich in der Pfarrkirche<br />
eine kleine Pieta von 47 cm Höhe aus der gotischen Zeit<br />
(um 1450), die eigentlich nirgends hinpaßt und heute meist in<br />
der Sakristei verwahrt wird. Was liegt nun bei dem Gedanken<br />
an Beissels Feststellung näher, als in diesem Vesperbild<br />
die alte Wallfahrtsstatue zu sehen? Daß 1736 der Gottesdienst<br />
gerade an einem Freitag, dem Leidenstag des<br />
Herrn, gehalten wurde, deutet ebenfalls darauf. Später ging<br />
Pfarrer Bitzenhofer mit der Zeit, ersetzte das alte Standbild<br />
durch eine gemalte liebliche Mutter mit dem Kind („vom<br />
Guten Rat"), die wohl sein Neffe Franz Ferd. Dent geschaffen<br />
hat. Aus Pietät wurde die Schmerzensmutter in die<br />
Pfarrkirche übernommen; aber als in der Zeit des Josefinismus<br />
mit seiner Aufklärung den Wallfahrten der Garaus gemacht<br />
wurde, ließen es sich die gläubigen Umwohner des<br />
Heufeldes (nicht bloß die Eingesessenen!) nicht nehmen, noch<br />
im Jahre 1842 am Feste Mariä Namen, d. h. am Sonntag<br />
nach Mariä Geburt, dem ehemaligen Hauptfest, zur alten<br />
Statue der Gnadenmutter massenhaft in der Pfarrkirche<br />
zu pilgern, wie Rösch ausdrücklich berichtet. (Wessenbergianismus,<br />
1908, S. 97) und „Heimatkiänge" des Zoller<br />
1934, S. 34.) Die Entstehungszeit der Statue läßt wohl auch<br />
Rückschlüsse zu auf das Alter der Kapelle selbst.<br />
5. Mit der Wallfahrt und dem Kappelfest unter Pfarrer<br />
Eisele ist auch die hiesige Bruderschaft untergegangen,<br />
und niemand wußte mehr davon, bis eines Tages die Nachbarin,<br />
Hebamme Brigitte Dorn geb. Meßmer, dem Verfasser<br />
ein altes Kinderamulett zeigte und bei dessen Üe " nung kam<br />
ein gedruckter Bruderschaftszettel zutage. Es heißt da:<br />
Mariarische Bruderschaft, und Bundes-vereinigwig<br />
unter dem Titel und Schutz Maria von guten Rath,<br />
welche Authoritate Ordinaria Anno 1770 aufgerichtet, und<br />
von jetztregierender päpstlichen Heiligkeit Clemens XIV. mit<br />
vielen Ablässen auf ewige Zeiten begnadigt worden.<br />
In der löblichen Pfarrkirchen zu Ringingen auf der Alb.<br />
Gebet: Heiligste . ungfrau Maria, du Mutter des guten<br />
Raths, dir bete ich dreimal den Englischen Gruß zu Ehren<br />
deines allerheiligsten Herzens. Ich will auch deinen allerliebsten<br />
Sohn fürsätzlicher Weis niemals beleidigen. Von dir erbitte<br />
ich einen guten Rat, auf daß ich vollziehen könne den<br />
allerheiligsten Willen Gottes und auch den deinigen. Mein<br />
Herz verschreibe und übergebe ich in deine mütterliche<br />
Hand, und bitte dich endlich um diese Gnad .. . wan anders<br />
es zum Nutzen meiner Seei gereichet; wo nicht, so übergib<br />
ich und überlasse mich vollkommen deinem und deines allerheiligsten<br />
Sohns heiligstem Willen. Amen. Drei Ave Maria.<br />
Regeln und Satzungen, jedoch ohne Verbindnus einer Sünd:<br />
1) Sollen die Einverleibten jährlich für die lebendigen und<br />
abgestorbenen Bundesgenossen eine hl. Meß lesen oder lesen<br />
lassen. Welche das nicht vermögen, an dessen statt hl. Beicht<br />
und Communion eine hl. Meß anhören. 2) Täglich 3 Ave<br />
Maria oder dreimal den Englischen Gruß zu Fhren des reinsten<br />
Herzens Mariä beten 3) Jeder die Abbildung des Gnadenbilds<br />
zu Genazzano „Maria vom guten Rat" auch zu Haus<br />
halten und verehren, auch die Andacht befördern. 4) Solle<br />
jeglicher Einverleibte dahin besorgt sein, daß nach seinem<br />
Von Joh. Adam Kraus<br />
Ableben der Bruderschaftszettel in die Bruderschafts-Kirche<br />
eingeschickt werde, damit der Verstorbene durch Abbetung<br />
von 5 Vaterunser und Ave Maria etc. möge getröstet werden.<br />
Vollkommener Ablaß: 1) Am Tage der Einschreibung nach<br />
abgelegter Beicht und Communion. 2) In der Sterbstund nach<br />
der Beicht und Communion, oder bei (Jnvermögenheit dessen,<br />
wenn mit vollkommener Reu die Nämen Jesus und Maria<br />
mit dem Mund oder Herzen andächtig angerufen werden.<br />
3) Am Sonntag nach Mariä Geburt, als T i t u 1 a r f e s t, nach<br />
abgelegter h. Beicht und Communion in was immer für einer<br />
Kirche man zum Wohlstand der Kirche bettet.<br />
Sechzig Täg Ablaß: Als oft sie Arme beherbergen, unter<br />
Feinden Frieden stiften, einen Verstorbenen zum Grab begleiten,<br />
beiwohnen den Umgängen des Hochwürdigsten Guts,<br />
selbes zu den Kranken begleiten, oder bei Unvermögen ein<br />
Vaterunser und Avemaria beten, für die Verstorbenen 5<br />
Vaterunser und so vil Avemaria Gott aufopfern, einen Irrenden<br />
zu dem Weg des Heils führen, die Unwissenden die<br />
Gebote Gottes und was zur Seligkeit gehörig, lehren oder<br />
sonst ein Werk der Liebe und Barmherzigkeit üben. Alle<br />
diese Ablässe können bittweise den Abgestorbenen verbundenen<br />
überlassen werden.<br />
Den .. . Monats .. . Anno ... ist eingeschrieben worden . . .<br />
Riedlingen, gedruckt bey Maria Anna Ulrichs seel. Witwe.<br />
1771."<br />
Mit diesem Bruderschaftszettel sind einige Rätsel gelöst<br />
worden: Tag und Grund des Kappelfestes, Herkunft der Bilder<br />
bzw. Fahnenblätter der „Mutter vom guten Rat" in der<br />
Pfarrkirche, Gebet der 5 Vaterunser für die Verstorbenen.<br />
Obwohl die Bruderschaft eigentlich in die Pfarrkirche gestiftet<br />
war, stand jedoch der Bruderschafts a 11 a r in der<br />
Kapelle, wohin vermutlich (wie noch heute) am Kappelfest<br />
nachmittags nach der Predigt sich die Prozession bewegte,<br />
weshalb wohl der schon ältere Name Kappelfest belassen<br />
wurde. Bei schönem Wetter mag die Predigt auch im Freien<br />
stattgefunden haben. Die Marianische Bruderschaft für alle<br />
Erwachsenen bestand nach dem Verkündbuch noch 1820.<br />
Etwa alle Monate fand einmal Sonntags 12 Uhr eine Versammlung<br />
statt und jeden Sonntag abend um 5 Uhr Rosenkranz,<br />
sowie am Sonntag nach Mariä Geburt das sog. Kappelfest.<br />
Zu letzterem wurden auch fremde Geistliche eingeladen<br />
und bewirtet, wofür die Bruderschaftskasse dem Pfarrer<br />
6 fl bezahlte. An Kreuzauffindung und Erhöhung (3. Mai<br />
und 14. Sept.) war wie noch heute Prozession in die Kapelle<br />
mit hl. Messe, ebenso damals am I 1 reitag nach Christi Himmelfahrt<br />
und am 26. Juni, dem Tag der sog. Wetterherren<br />
Johannes und I..ulus. Pfarrer Joach. Eisele ließ dann Bruderschaft<br />
und Kappelfest eingehen. Angeblich sei dieses<br />
durch den Zuzug vieler Fremden ausgeartet, so daß Unfug<br />
und Schlägerei vorkamen und man den Tag „Prügelfe - '<br />
genannt habe. Lehrer Jak. Barth schreib 1 " in der Schulchronik<br />
1857: Am Kappelfest sollen junge Burschen sogar Prügel zur<br />
Kirche mitgenommen haben. Dagegen lesen wir nach Eiseies<br />
Tod (1863), daß bis unter Pfarrverweser Nerz während des<br />
Sommers jeden Samstag eine hl. Messe im Kirchlem<br />
gehalten wurde. Weil nun Lehrer Jak. Barth wegen seines<br />
bresthaften Beines als Mesner die Paramente nicht mehr<br />
hinausschaffen wollte, ließ der Pfarrer des Friedens willen<br />
diesen Gottesdienst ausgehen (1868), trotzdem er besser besucht<br />
war als in der Pfarrkirche.<br />
6. Bei der langdauernden Unzulänglichkeit der Heiligenpflege<br />
kam es soweit, daß man im J. .806 die Marien- und<br />
die Galluskapelle abbrechen wollte, um die Unterhaltungskosten<br />
zu sparen. Man denke: Vor 40 Jahnen _iatte<br />
Pfarrer Bitzenhofer mit seinen Gläubigen das Heiligtum<br />
(und wohl auch St. Gallen) mit aller Pracht ausmalen lassen,<br />
und jetzt schon ließ man sie im Stich! Da geschah etwas,<br />
was weder der schwache Pfarrer Seb. ^chmid, noch der Dekan<br />
Schreyer von Engstingen, weder das Obervogteiamt zu<br />
Trochtelfingen noch die bischöfliche Behörde zu Konstanz erwartet<br />
hatten. Die Gemeinde unter dem rührigen Schultheißen<br />
Georg Daigger (Haus 24: Kreben) übernahm am 24.<br />
November 1806 freiwillig die Baupflicht beider Bauten. Uebrr<br />
das Eigentumsrecht wurde damals nichts ausgemacht, doch<br />
steht es seitdem praktisch der Gemeinde zu.<br />
Im Jahre 1841, als man überall die Gräber nicht mehr um<br />
die Kirche in den Dörfern haben wollte, wurde auch der<br />
Gottesacker von der Pfarrkirche weg 2 - unserer Kapelle verlegt,<br />
wobei nur fremde Maurer für die Arbeiten gewonnen<br />
werden konnten. Die Einweihung durch Pfarrer Eisele fand<br />
am 7. November statt. Es folgte am 10. die erste Kindsleiche
Jahrgang 1958 HOHENZOLLE [SCHE HEIMAT 27<br />
und am 14. November die Beerdigung der Maria Agatha<br />
Nadler geb. Dorn, Frau des Wenzeslaus Nadler (Haus 53,<br />
abgeg. bei 52 am Bach). Anfangs Oktober 1930 hat die Gemeinde<br />
die schon länger notwendige Neudeckung des Daches<br />
unter Bgmst. Alois Dorn vornehmen lassen. Ein plötzlicher<br />
Regen konnte knapp mittels Brettern und Strohhaufen abgefangen<br />
werden. Während bisher die Ostseite durch ineinander<br />
gemauerte Hohlziegel (Münch und Nonnen) abgerundet<br />
gewesen war, hat man nun das Dach dem halben Achteck der<br />
Chormauer angeglichen und nur noch über die vier Gratsparren<br />
Hohlziegel gelegt.<br />
7. Es wird Zeit, daß wir uns das Innere des Gotteshauses<br />
näher ansehen, das von Maler Franz Ferdinand Dent<br />
und seinem Onkel, dem Pfarrer Bitzenhofer um 1760 gestaltet<br />
wurde. Der Bau ist außen 15 m lang, 7,14 m breit, die Mauer 0,92<br />
m dick, das Innere mißt 5,31 zu 13,40 m. Der Raum unter der<br />
Empore ist durch wenig ansprechende Holzgitter abgetrennt.<br />
Laut Heiligenrechnung wurde der Altar im Jahre 1747 vom<br />
hiesigen Schreiner Josef Neser (wie auch die Seitenaltäre in<br />
Salmendingen) verfertigt, wofür er hier als Teilzahlung 4 fl<br />
30 kr. erhielt. Das Mittelgemälde zeigt das von Engeln gehaltene<br />
Gnadenbild von Genazzano (Italien) „Mutter vom guten<br />
Rat", das von heiliger Sippe verehrt wird; Anna, Joachim,<br />
Zacharias, Josef, Elisabeth. Im Oberbild sieht man Gott<br />
Vater mit der Taube des Hl. Geistes und darunter ein Täfelchen<br />
mit dem Chronogramm:<br />
haC pla De Matre<br />
soLarla Casta ferVntVr.<br />
tV reglna potens aCCeDe<br />
rogantlbVs aLMa.<br />
Die groß gemalten Zahlbuchstaben von je 2 Zeilen ergeben<br />
je die Jahreszahl 1762. Zu deutsch heißt der Vers: „Von dieser<br />
gütigen Mutter sagt man nur Sonnenreines. Mächtige<br />
Königin, hilf den Flehenden, du Holde!" Die Verehrung des<br />
Gnadenbiides von Genazzano hatte seit 1758 besonders der<br />
Augustinerorden (z. B. damals B e u r o n) gefördert. Je rechts<br />
und links der Doppelsäulen sieht man die Holzstatuen von<br />
St. Wendelin, dem Viehpatron (1,05 m) auf der Epistelseite,<br />
und Eligius als Bischof (1,15 m) mit Stab und Hufeisen als<br />
Schutzherrn der Pferde auf der Evangelienseite. Am Antependium<br />
findet sich ein Monogramm Mariä mit entzückenden<br />
geflügelten Engelköpfchen und das Wappen des Pfarrers<br />
Bitzenhofer, wie übrigens auch an der Kanzel der Pfarrkirche.<br />
Es enthält im Schild eine Staude mit 3 Hagebutzen<br />
auf einem Dreiberg, und als Helmzier einen Mann mit quadrierter<br />
Brust, mit Hut und einer Hagebutze in der Rechten.<br />
Die Linke ist in die Hüfte gelegt und hält einen geraden<br />
Stengel mit Blüten. Die Hagebutzen spielen auf Bitzenhofer<br />
an! Nach des Pfarrers Tod bediente sich Schultheiß<br />
Daigger seines Petschafts, woraus man irrig auf dessen Wap-<br />
Inneres der Marienkapelle Ringinqen<br />
pen schließen wollte. Stilistisch scheinen die beiden Statuen<br />
in die Rottenburger Gegend zu weisen. (Abbildungen siehe<br />
Kunstdenkmälerwerk Kreis Hechingen. Zu Maler Dent vgl.<br />
Monographie von Pfr. Albert Pfeffer in Mitt. Hohenzoll. 1932.)<br />
Die Decke und beide Längsseiten hat der Künstler mit<br />
Fresken geschmückt: nördlich: Johannes der Täufer predigt<br />
den Juden, südlich: Johannes Nepomuk hält (im Roschett) das<br />
Kreuz, während seine das Beichtgeheimnis andeutende Zunge<br />
daneben schwebend von 5 Buchstaben umgeben ist: „TACUI<br />
= Ich habe geschwiegen." Eigentümlich ist der farbenprächtige,<br />
schwer erscheinende Vorhang, der beide Gemälde nach<br />
der Seite abgrenzt. An der Decke des am 2 Stufen erhöhten<br />
Chores hat der Maler den Opfergedanken versinnbildet mit<br />
der alttestamentlichen Szene J e p h t e s, der an der Spitze<br />
seiner Krieger siegreich aus der Schlacht heimkehrt. Vor dem<br />
Auszug gegen die Ammoniter hatte er gelobt, im Falle des<br />
Sieges das Erste, was ihm entgegenkäme, dem Herrn als<br />
Opfer darzubringen. Jetzt aber begrüßte ihn seine einzige<br />
Tochter mit ihren Gespielinnen, worauf er abwehrend die<br />
Hände ausstreckt und das Angesicht abwendet, um das Verhängnis<br />
nicht sehen zu müssen. Ein Teil dieses Bildes war<br />
schon 1891 abgestürzt und wurde damals von Maler Jos.<br />
Lorch wieder ergänzt- Neuestens fiel wieder ein anderes<br />
Stück mit dem Putz herunter.<br />
8 Mit schnörkelndem Zierwerk leitet Ferdinand Dent über<br />
zum zweiten ganz wuchtig wirkenden Gemälde des Schiffes,<br />
der Himmelfahrt Mariens. Lediglich die geringe Höhe der<br />
Decke beeinträchtigt etwas den Eindruck des Werkes, das<br />
in einer hohen Kirche ganz anders zur Geltung käme, und<br />
sich neben denen Meinrads von Ow sehen lassen könnte. Die<br />
demütige Jungfrau in einfachem Gewände, auf der Mondsichel<br />
stehend, einen Kranz von 12 Sternen um ihr strahlendes<br />
Haupt, schwebt von Engeln getragen auf den Wolken<br />
himmelwärts, wo Gott Vater und ihr Sohn sie erwarten. Der<br />
Geist aber als königlicher Bräutigam im Hermelinmantel und<br />
mit siebenfach umflammtem Haupt geleitet sie auf den herrlichen<br />
Thronsessel, den farbenumgiühte Cherubim in den<br />
Lüften schwebend halten. Augenfällig hat hiei 4 '' der Künstler<br />
festgehalten, was die Christenheit von Maria singt: „Weil du<br />
ganz makellos, hat holde Gnadenros ... sich als erkorener<br />
Braut selber der heilige Geist dir getraut." Die Darstellung<br />
des hl. Geistes in t lenschlicher Gestalt war in der damaligen<br />
Zeit nicht gerade selten, ist aber seitdem von der<br />
Kirche untersagt worden. Da Maria gewürdigt wurde, durch<br />
ihren Sohn den Fluch der Sünde von der Erde zu nehmen,<br />
ist unten die Erdkugel mit dem Falle Adams und Evas dargestellt.<br />
Darüber sehen wir als Mittler die hl. Eucharistie<br />
durch Kelch und Hostie abgebildet. Ein barocker zierlicher<br />
Rundbau bildet den Hintergrund für zwei weiße und zwei<br />
schwarze Frauengestalten. Eine weist auf ein Wappen hin.<br />
Noch vor einem Menschenalter haben manche gemeint, dies<br />
sei das Wappen derer von Eineck und die 2 weißen Frauen<br />
die Stifterinnen des Heiligtums. Allein schon der Gedanke<br />
hätte stutzig machen müssen, aaß das Bild über 250 Jahre<br />
jünger ist als die erste Erwähnung des Baues, und daß<br />
überhaupt keine Familie von Eineck nachgewiesen<br />
werden 'rann. Die Herren von N e u n e c k aber<br />
tührten im Schild einen von einem goldenen Stern überhöhten<br />
goldenen Querbalken in Rot. An der Kirchendecke<br />
jedoch sieht man einen viergeteilten Schild mit einem fünften<br />
goldenen Herzschild, der eine Goldkrone trägt und einen<br />
schwarzen gekrönten Doppeladler zeigt. Von den vier Teilfeldern<br />
enthält I. ein silbe;. es, gerades Balken.reuz in Rot,<br />
II. und Iii. in Blau einen silbernen Turm mit schwarzem Tor<br />
und Fenster, und aas IV. Feld ist fünfmal rot-silbern schräglinks<br />
geteilt.<br />
Ein genaues Beachten der Gesamtumstande hätte sofort<br />
den Weg zur Deutung des Wappens zeigen können. So aber<br />
blieb das Auge des Verfassers noch von romantischer Sage<br />
umnebelt, bis ein Zufall die Klarheit brachte.<br />
Ich blätterte gelangweilt im Lesesaal der Universität Freiburg<br />
im ersten besten Band von „Siebmachers großem Wappenbuch."<br />
Da ... ! War es närrische Täuschung? Nein, kein<br />
Zweifel! Das Wappen von unserer Kapeile! Staunend las,<br />
nein, verschlang ich den dazugehörigen Text: „Fürsten Rezzoniko.<br />
Italienischer Huchadel." Aber was hatte der auf der<br />
schwäbischen Alb verloren? Sollte ein südländischer Maier?<br />
. . . „Carlo Rezzoniko, geb. 1693, wurde 1758 mit dem Namen<br />
Clemens XIII. auf den päpstlichen Stuhl erhoben. Er starb<br />
176P<br />
Es ist gar kein Zweifel: das fragliche Wappen ist das des<br />
1763 regierenden hl. Vaters. Denn bei näherem Zusehen findet<br />
man zum Ueberfluß noch die päpstliche Tiara und den<br />
Stab mit dem dreifachen Kreuz, den ein Englein hält. Die<br />
auf das Wappen weisende Frau mit einer Krone zu Füßen<br />
und einem Roß begleitet, stellt Europa dar, die üorigen
28 H O H E N Z O L L E B I S C H E H E I M A T Jahrgang 1958<br />
Frauen mit ihren Begleiterinnen Löwe, Kamel und Papagei<br />
aber die übrigen drei alten Erdteile. (Australien ist der Harmonie<br />
wegen nicht berücksichtigt.) Teils blicken sie anbetend<br />
auf die Hostie, teils staunend auf die Erscheinung in<br />
der Höhe. Man erzählt, als die Malarbeiten Dents schon<br />
ziemlich fortgeschritten waren, seien die Kinginger in Bittprozession<br />
zur Kapelle gekommen und, überwältigt von der<br />
Schönheit und Farbenpracht der Gemälde, hätten sie wortlos<br />
hinaufgestarrt an die Decke. Der Meister aber, nicht faul,<br />
habe die Gelegenheit wahrgenommen und die Staunenden,<br />
so wie sie unten standen und knieten, auf den nassen Putz<br />
gemalt. Und wirklich sehen wir auf der linken Seite des<br />
Bildes den damaligen Pfarrherrn Bitzenhofer in Porträtähnlichkeit,<br />
wie er niedergekniet ist und voll Bewunderung die<br />
Hände ausstreckt. Um ihn herum sind in alter, inzwischen<br />
verschwundener Volkstracht seine Pfarrkinder mit dem<br />
Schultheißen Pius Schneider geschart, die andächtig zur<br />
himmlischen Mutter aufblicken, gerade als ob sie beteten:<br />
„Mutter an der Heeresstraße, sieh uns doch in Gnaden an!<br />
Deine Kinder nie verlasse, führ' sie auf der Tugendbahn.<br />
Auch in diesem Tal der Zähren seufzen wir in Angst u. Not.<br />
Du kannst jede Bitt' gewähren, denn Dein Sohn ist Herr<br />
und Gott."<br />
Ein kleines Mägdlein aber reibt weinend die Augen. Ihm<br />
ist nämlich beim Hinaufschauen ein Sandkörnlein hineingefallen,<br />
und so hat der Maler es hingezeichnet. Im Hintergrund<br />
lugt zwischen strohgedeckten Häusern Ringingens das<br />
schmucke Kirchlein samt Pfarrhaus, Scheuer und Beinhäuslein<br />
hervor. Ueberragt wird alles vom Nehberg mit seiner<br />
trotzigfesten Ruine, die noch wesentlich besser erhalten war,<br />
als heute. Das Dorfbild ist fortgesetzt zu denken bis auf die<br />
rechte Seite. Hier hat der Meister die ehemalige Galluskapelle<br />
mit ihrem Türmchen festgehalten, die sich mit den<br />
andern Häusern vom zerzausten Hälschlochwald abheben.<br />
Ganz im Vordergrund flehen Gefangene und Krüppel, Kranke<br />
und Besessene, sowie Mütter mit ihren „eingefätschten" Kindern<br />
vertrauensvoll zur Helferin in jeder Not, die ja oben<br />
ihren Einzug in den Himmel hält. Und sie vergißt ihre<br />
Pflegebefohlenen nicht: Sündenketten lösen sich, Kranke werden<br />
gesund und böse Geister fliehen in Gestalt kleiner, häßlicher<br />
Drachen. Denn ihnen ist ein Greuel, was Maria von<br />
sich sagen kann und was daher der Maler mit Recht auf<br />
das Gemälde geschrieben hat: „Ich bin, die ich war,<br />
und ich wa r nicht, die ich bin: Jungfrau und<br />
Mutter." Das Werk ist signiert: „Franz Ferdinand Dent<br />
Constantiensis invenit et pinxit, 1763." (F. F. D. aus Konstanz<br />
hat es erdacht und gemalt, 1763.) Konstanz war jedoch nur<br />
der letzte größere Aufenthaltsort des Meisters gewesen, wo<br />
auch seine Mutter herstammte und starb. Er selbst hatte<br />
am 11. August 1723 in Kirchenhausen bei Engen das Licht<br />
der Welt erblickt, heiratete zu Ringingen bei seinem geistlichen<br />
Onkel am 28. November 1769 mit Apollonia Henkel<br />
von Salmendingen, zog nach Hechingen und starb dort am<br />
12. November 1791 (Mitt. Hohz. 1932, 30—52).<br />
Auch bei der Gruppe der Kranken war ein Stück Putz herabgebrochen<br />
und wurde durch Maler Ant. Franz von Tafertsweiler<br />
1927 wieder ergänzt. Eine weitere Beschädigung erfolgte<br />
1938 durch die Erschütterung, die schwere Manöverfahrzeuge<br />
erzeugten und die schon oben erwähnte von 1946,<br />
die noch dier Ausbesserung harren.<br />
Um aber auch nach außen zu zeigen, wessen dieses Kirchlein<br />
sei, hat Franz Ferdinand Dent das Bild der hehren Mutter<br />
mit Kind auch an die östliche Außenwand des Chores<br />
gemalt. Dort thront sie, die Erdkugel mit der Schlange zu<br />
den Füßen, während Engelein die Ehrenwache halten, dort<br />
begrüßen sie die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne.<br />
(S. Zollerländle 1925, 2—3.) Auch hier hat Frank 1927 die<br />
Farben wieder aufgefrischt.<br />
9. Der Boden der Kapelle besteht in barocker Art aus roten<br />
Backsteinen, mit Ausnahme des hintersten Teils, der betoniert<br />
ist. Doch finden sich, wie der verstorbene Pfarrer<br />
Pfeffer-Lautlingen im Jahre 1932 feststellte, vorn um den Altar<br />
noch viel ältere quadratische Fliesen von 16 cm, die teils ein<br />
Eichenblatt, teils vier zusammen eine Kreisinschrift zeigen, in<br />
dem in gotischen Minuskeln geschrieben steht: „trit mich".<br />
Aehnliche noch besser lesbare Fliesen sind erst jüngst in<br />
Jungingen aus der alten Anna- und früheren Marienkapelle<br />
von 1501 „auf der Leer" unverständlicherweise hinausgeworfen<br />
worden. Sie dürften in die Zeit der Erbauung beider<br />
Kapellen, ins endende 15. Jahrhundert zurückreichen (Heimatklänge<br />
des Zoller, 1934, S. 34—35). Um den Altar unseres<br />
Kirchleins fand der gleiche Kunstkenner noch Spuren eines<br />
gemalten Teppichs unter der Tünche und nahe dabei in der<br />
Wand ein viel älteres zugemauertes gotisches Fenster. Offenbar<br />
hat Maler Lorch 1891, als er das Deckenbild ergänzte<br />
und die Kapelle renovierte, den Teppich überweißelt. Er<br />
bekam damals 330 Mark. Die beiden Altarstatuen und das<br />
Schildchen erneuerte gleichzeitig Bildhauer Fidelis Schäfer<br />
von Hechingen für 24 Mark. Auch hat man im September<br />
desselben Jahres im Chor zwei neue Fenster eingesetzt von<br />
M. Meier in München: Kostenpunkt pro Quadratmeter 8<br />
Mark, zusammen also 32 Mark. Seit dem Kappelfest 1889<br />
waren dafür Kirchenkollekten gehalten worden.<br />
Den Bewohnern von Ringingen ist die Kapelle lieb und<br />
teuer, sowohl wegen der ansprechenden Gemälde, die so<br />
frisch erscheinen, als wären sie erst kürzlich entstanden, als<br />
auch wegen des anschließenden Gottesackers, auf dem die<br />
meisten einst ihre Ruhestätte finden werden.<br />
„Dort in dem Schatten vom Heiligtum,<br />
Schlafen sie nebeneinander stumm,<br />
Alte und Junge in stiller Gruft<br />
Bis einst der Herr sie zum Leben ruft!"<br />
Leider war einem kleinen Täfelchen im Vorraum, das den<br />
Fremden die wichtigsten Daten und den Inhalt der Gemälde<br />
dartun wollte, keine lange Lebenszeit beschieden!<br />
Viele haben einst, wie auch anderwärts überliefert ist, beim<br />
Gang zur Arbeit aufs Feld ihre Hacken am steinernen Türgewände<br />
geschärft, als wollten sie den Segen Gottes mitnehmen.<br />
Möge die Liebe und Zuneigung zur Kapelle und ihre hohe<br />
Patronin auch weiterhin das Interesse wach halten. Dann<br />
dürfen wir hoffen, daß bald eine kundige Hand wieder die<br />
Schäden der letzten Jahrzehnte beheben wird. Es sei geschlossen<br />
mit einer freien Uebersetzung der Altarinschrift,<br />
die der Verfasser schon auf seinem Primizbildchen abdruckte:<br />
„Mutter, Du Gütige, rein wie der Sonne Licht wirst<br />
du genannt!<br />
Mächtige Königin und Segenspenderin, hilf allen die<br />
an Dich je sich gewandt!"<br />
Trochtelfingen oder Truchtelfingen?<br />
Die Herren von Truchtelfingen werden teils nach Truchtelfingen<br />
bei Tailfingen (jetzt eingemeindet), teils aber nach<br />
unserer Stadt Trochtelfingen gedeutet, die ehedem bis ins 14.<br />
Jahrhundert Truchtelfingen geschrieben wurde. Sicherheit ist<br />
bis heute nicht zu gewinnen. Sowohl in Truchtelfingen ist<br />
östlich des Dorfes auf dem Leimenfelsen der Flurname<br />
„Burgstall" (Burgstelle) erhalten, aber auch in Trochtelfingen<br />
gab es mehrere Burgen: 1) Hintere Burg (vielleicht die<br />
alte „Haideck", 2,5 km nördlich der Stadt, rechts von der<br />
Stelle, wo Bahn und Straße sich kreuzen, 2) die Burg, wo seit<br />
1686 die Burgkapelle steht, 3) der Burgstall am nördlichen<br />
Stadtausgang, 4 die sog. Wetzeisburg, deren Felsen gegen<br />
Steinhilben völlig abgeräumt sind, 5) das Schloß innerhalb<br />
der Stadt (Mitt. Hohz. 38, 1904, S. 35).<br />
Der im Jahre 1297 am 26. Dezember verstorben genannte<br />
Swigger von Truchtelfingen, der in Steinhilben und Truchtelfingen<br />
Besitz ans Kl. Mariaberg gestiftet hatte, gehört mit<br />
ziemlicher Sicherheit nach unserem Trochtelfingen (Zollerheimat<br />
1938, 68; WUB 11, 100; H. Bitzer, Tailfinger Heimatbuch<br />
1953/54). Eisele hat s. Zt. diesen Swigger für einen der<br />
Herren von Gundelfingen gehalten, worin ihm schwerlich<br />
beizupflichten ist (Mitt. Hohz. 38, 36). Nach Trochtelfingen<br />
möchte man auch Albertus v. Trochtelfingen von 1299 deuten,<br />
der als Zeuge für Zwiefalten auftritt (Sulger, Annal. Z\..<br />
falt. I, 254). Ebenso eine Judenta v. Trochtelfingen von 1333<br />
(Fürstb. Urkb. 5, S. 186).<br />
Um obigen Swiggers willen neige ich dazu, auch die folgenden<br />
Namen nach unserer Stadt zu deuten: Hermann<br />
von Truchtelfingen, Vogt zu Winrzageln 1434—67 (v. Alberti,<br />
Wappenbuch II, 855). Wohl derselbe sitzt am Magdalenentag<br />
1374 als Edelknecht „H. v. T r u h t e 1 fingen" und Vogt des<br />
ehrw. Herrn Wernher von Zimmern zu Gericht in Hochmossingen<br />
wegen Gütern der Klöster Wittichen und Aipirsbach<br />
(Witticher Copialbuch, Mskr. 68, 23 im Stadtarch. Ueberlingen).<br />
Ebenso siegelt derselbe an Gertrudentag 1385 (ebenda<br />
S. 33) und am Otmarstag 1386 als „Vogt vor Wald" des<br />
Junkers Johannes von Zimmern (S. 35), und nochmals arn<br />
Zinstag nach Maria Magdalena 1392 neben Dekan Nikolaus<br />
Haas zu Rottweil (ebenda S. 475).<br />
Nach Kindler v. Knobloc'n (I, 241) war ein Ulrich von<br />
Truchtelfingen als Kaplan des Abts zu Gengenbach tätig.<br />
Als letzterer plötzlich starb, kam Ulrich in den Verdacht, ihn
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 29<br />
erwürgt zu haben, wurde aber trotzdem im Jahre 1347 zum<br />
Abt von St. Georgen gewählt. Er soll ein zänkischer und verschwenderischer<br />
Mann gewesen sein, unter dem das Kloster<br />
zweimal abbrannte. Der Bischof von Konstanz habe ihn abgesetzt,<br />
aber nach Appellation nach Rom wurde er im Jahre 1364<br />
wieder eingesetzt, wohnte jedoch in Rottweil, wo er am 9.<br />
März 1368 starb. Ein späterer Ulrich von Truchtelfingen<br />
sagte 1390 denen von Falkenstein ab, hatte in Villingen ein<br />
gräflich hohenbergisches Lehengut, wurde 1404 als Helfer des<br />
Grafen Hermann von Sulz von den Freiburgern gefangen<br />
genommen und starb zwischen 1424 und 1431. Seine Tochter<br />
Barbara verkaufte 1431 den großen und kleinen Truchtelfinger<br />
Zehnten in Seedorf. Ulrichs Siegel von 1424 zeigt im<br />
Schild einen stehenden nackten Teufel, ebenso 1418.<br />
Ein Kunz v. Tr. ist 1371 und 1372 erwähnt (Alberti II,<br />
855 und Mitt. Hohz. 12, 13). Nach Locher war seine Familie<br />
in Rottweil und Oberndorf begütert. Laut Zimmerischer Chronik<br />
war dieser Kunz mit einer von Heckelbach vermählt,<br />
deren beider Tochter Margaretha habe den Konrad von<br />
Ramingen zu Tuningen geheiratet. Adelheid von Truchtelfingen<br />
und ihr Mann Hainz Hülwer von Schenkenzell erscheinen<br />
in einer Urkunde vom 24. August 1407, in der Adelheids<br />
Bruder Ulrich v. Truchtelfingen als Sieglcr auftritt<br />
(Fürstb. Urkb. 6, S. 127). Laut Mitt. Hohz. 12, 68 hat im Jahre<br />
1431 am 22. Juni die Witwe dieses Ulrich v. Trochtelfingen,<br />
Anna Schilling, die Hälfte des großen Zehnten zu Seedorf an<br />
Nach Gallus Oheims Chronik der Reichenau (um 1495) hat<br />
Ludwig das Kind, der Sohn König Arnulfs, u. a. auch ans<br />
Kloster (Güter in) Empfingen geschenkt (Programm des<br />
Gymnasiums Hedingen-Sigmaringen 1871/72, S. 17). Es dürfte<br />
sich um einen Irrtum handeln, wenn er Empfingen auf die<br />
Alb verlegt, wo es freilich bei Jungnau ebenfalls eine Siedlung<br />
Empfingen gab. Eine auf den 1. September 843 datierte<br />
Fälschung, die in Wirklichkeit Zustände um 1150 darbietet,<br />
zählt unter den Abgaben ans Kloster Reichenau auch aus<br />
Empfingen auf: 10 Scheffel Hülsenfrüchte, 100 Käse, 1<br />
Schaf, 5 Haspel voll Hanf, 4 voll Flachs und einen Krug<br />
Honig (Zeitschr. Oberrhein 42, 345; Mitt. Hohz. 12, 76). Man<br />
möchte auch den jetzigen Kirchenpatron St. Georg, der seit<br />
dem Beginn des 14. Jahrhunderts (1337) nachzuweisen ist,<br />
mit Reichenau in Zusammenhang bringen. Der frühere<br />
Schutzherr wird jedoch schwerlich festzustellen sein (Zollerheimat<br />
1938, 5).<br />
Eine lateinische Urkunde des Benediktinerabts Diethelm<br />
von Reichenau vom 25. Mai 1327 berichtet: Der Priester<br />
Kunrad, genannt Hiltpolt von Haigerloch, sowie die Untertanen<br />
zu Empfingen, die zu unserem Kloster gehören, haben<br />
zu ihrem Seelenheil und dem ihrer Vorfahren und zur<br />
Vermehrung des Gottesdienstes mit Zustimmung des zuständigen<br />
Bischofs Rudolf von Konstanz und des Kirchrektors<br />
(Pfarrers) zu Empfingen namens Johannes, Sohnes des<br />
Truchsessen Johannes von Diessenhofen, daselbst in<br />
der Kirche einen Altar oder Pfründe gestiftet und ausgestattet<br />
zu Ehren der hl. Nikolaus und Katharina. Sie versprachen<br />
auch vor uns (dem Abt), die Einkünfte dieser<br />
Pfründe zu bessern und zu vermehren bis auf 4 Mark Silber,<br />
nämlich soll der Inhaber 7 Pfund Heller und 10 Malter<br />
Winterroggen (siliginis) Horber Meß erhalten. Das Patronatsrecht<br />
steht dem Abte zu, der einen geeigneten Priester jeweils<br />
dafür vorschlagen soll, der schwören muß, dort persönlich<br />
zu residieren, täglich die Frühmesse zu lesen und zu<br />
Ehren der Heiligen, deren Schutz angerufen wird, falls er<br />
nicht verhindert ist. Er muß ohne Präjudiz und Schaden des<br />
Kirchrektors seines Amtes walten und darf kein OpfergelC.<br />
annehmen. Es siegelten: der Aussteller Diethelm, der Bischof<br />
Rudolf von Konstanz und der Rektor Johannes. Das 1. Siegel<br />
fehlt ganz, das 2. ist halb erhalten, das 3. zeigt im Schild<br />
einen Kessel (GLA Karlsruhe: 5/653 Konstanz). Johannes war<br />
1320 Kirchrektor in Reutlingen (Alberti 129).<br />
Am 26. Dez. 1432 urkundet der Freie Walther von Geroldseck,<br />
von Abt Friedrich von Reichenau durch seinen Vetter,<br />
den edlen Heinrich v. Geroldseck, Freiherrn zu Sulz, zu rechtem<br />
Mannlehen empfangen zu haben: Kirche und Kirchensatz<br />
(Patronat) zu Empfingen, den Kelnhof daselbst,<br />
alle Zehnten, Leute und Güter, die dazu gehören, wie es<br />
Lehen von Reichenau ist. Er hat dem Abte gehuldigt und den<br />
Eid geschworen, ihm treu und verbunden zu sein und ^.lles<br />
nach Lehensweise zu tun. Da Walter kein Siegel (da) hat,<br />
siegelt für ihn sein Vetter Heinrich (S. fehlte heute). Aehnliche<br />
Lehenreverse liegen vor: Vom 28. August 1455 von Freiherr<br />
Heinrich von Geroldseck zu Sulz für Abt Johannes,<br />
Empfingen und Reichenau<br />
Johannes von Zimmern verkauft. Barbara v. Truchtelfingen<br />
verkauft am 14. Dezb. 1440 mit ihrem Mann Hanmann<br />
dem Behem ihr Drittel des Steinhauses zu Wolfach und anderes<br />
an ihren Schwager Heinrich Behem (FUB. 6, S. 181).<br />
Ein Baiinger" Bürger Albrecht v. Truchtelfingen 1335<br />
und 1340 stammte wohl nur vom nahegelegenen Dorf und<br />
war nicht adlig (Stettener Urk. 94 und 120). Das gleiche gilt<br />
wohl bezüglich des Standes von Burkart von Trochtelfingen<br />
(wohl der Stadt), der 1364 in Reutlingen wohnte und zwei<br />
Töchter zu Stetten im Kloster hatte (ebenda Nr. 251). Eine<br />
der Stifterinnen der Klause Margrethausen b. Lautlingen,<br />
Mechtild von Truchtelfingen, dürfte aus dem nahegelegenen<br />
Dorf gestammt haben. (Anfang des 14. Jahrhunderts.)<br />
In Trochtelfingen mögen noch andere Adelsgeschlechter<br />
seßhaft gewesen sein. So berichtet Sulger (II, 12) im Jahre<br />
1400 habe Heinrich von Blankenstein, zu Steinhilben seßhaft,<br />
dem Kl. Zwiefalten um 32 Pfund die Güter verkauft, die<br />
einst Johannes von Ehrenfels dem Heinrich Rimmelin, Ritter<br />
von Trochtelfingen, übergeben hatte, und dann an den Blankenstein<br />
gekommen waren (Mitt. Hohz. 38, 37). Ein Junker<br />
Eberhard Hipp, der 1467 zu Trochtelfingen saß, führte zwei<br />
gekreuzte Aexte im Siegel (Alberti Nr. 1120), gehörte also<br />
vermutlich einer Familie an, die sonst in Eßlingen am Neckar<br />
saß. Auch ein Hans von Salmendingen, der sich auch von<br />
Burladingen schrieb, saß 1356 in Trochtelfingen, vielleicht auf<br />
einer der genannten Burgen. Kr.<br />
ebenso von Hans v. Geroldseck vom 24. April 1457 (Siegel:<br />
im Schild ein Querbalken; Zier: ein Flügel). Am 8. November<br />
1465 stellt derselbe nochmals eine gleiche Urkunde aus<br />
mit sehr schön erhaltenem Siegel.<br />
Am 9. März 1489 urkundet dann Freiherr Erhard von Gundelfingen<br />
anstelle seines Herrn, des Grafen Eberhard d. ältere<br />
von Wirtemberg, daß dieser vom Abte Johannes von Reichenau<br />
obige Lehensteile empfing, wie sie Erhards Oheim,<br />
Johannes Herr zu Geroldseck selig innehatte. (Siegel: ein<br />
Turm der kath. Pfarrkirche Empfingen.<br />
Der untere, frühgonsche Teil des Turmes stammt noch von der alten Kirche.
30 HOHENZOL EBISCHE HEIMAT .Tahrgpns 1.958<br />
dorniger Schrägbalken.) Schon am 2. April 1489 stellte Herr<br />
Gangolf zu Geroldseck diesen Revers aus, am 9. März 1497<br />
dagegen der Freiherr Erhard von Gundelfingen, der dem Abt<br />
Martin von Reichenau den Empfang des Lehens für Eberhard<br />
von Wirtemberg bestätigt: Kirche und Kirchensatz,<br />
Kelnhof und Zehnten.<br />
Kath. Pfarrkirche in Empfingen. Erbaut 1858.<br />
opäter war das Lehen in Hand des Zollergrafen: Am 12.<br />
September 1536 hat Graf Joachim von Zollern nämlich auf<br />
das Reichenauer Lehen zu Empfingen (Zehnten, als dem<br />
wichtigsten Teil, Kirchensatz, Umgeld und neue Scheuer, die<br />
er vom Äbt Martin zu Lehen erhielt), 1000 fl Hauptgut mit<br />
50 fl Zins aufgenommen, die er innerhalb 8 Jahren abzahlen<br />
will. Sein Anwalt und Sekretär ist Baptist Hömsedl. Das<br />
Siegel des Gr. Joachim ist beschädigt, das des edlen Burkart<br />
von Danketschweyl (große Lilie im Schild) dagegen schön<br />
erhalten.<br />
Am 5. November 1538 schrieb Gr. Jos Nikiaus von Hohenzollern<br />
an seinen Lehensherrn, den Abt Marx zu Reichenau:<br />
Mein verstorbener Vater Joachim hat den<br />
Zehnten zu Empfingen samt Kirchensatz und neuerbauter<br />
Scheuer samt allen Rechten als Reichenauer Lehen gehabt,<br />
die nun ich erbte. Da jedoch das Lehen nun dem Grafen<br />
Christoph von Nellenburg, Herrn zu Tengen, künftig zusteht,<br />
so sende ich es auf mit der Bitte, es diesem Grafen zu leihen.<br />
Aufgedrückt auf das Papier findet sich das Wildmannssiegel<br />
des Zollergrafen auf Oblate.<br />
Christoph war nämlich vermählt mit Gräfin Helene von<br />
Hohenzollern (Großmann, Genealogie des Gesamthauses Hohenzollern<br />
Nr. 478, S. 69 und Zollerheimat 1941, 46—48.)<br />
Unterm 18. August 1554 lesen wir: Graf Karl von Zollern<br />
wolle dem Bischof von Konstanz, dermaligem Abt von Reichenau,<br />
betr. Empfingen nur das Handgelübde geben, aber<br />
nicht den Lehenempfang beschwören. Endlich am 11. August<br />
1556, nach dem Tode der Nellenburger Witwe Helene von<br />
Zollern, beauftragte Graf Karl von Hohenzollern den Obervogt<br />
Bastian Schlegel von Gruol und Christoph Wendler von<br />
Bregrath, für ihn das Reichenauer Lehen zu Empfingen vom<br />
Bischof Markus Sittich von Konstanz, dem Inhaber des Klosters<br />
Reichenau, zu empfangen.<br />
(Alle Urkunden im GLA Karlsruhe 5/653 Konstanz.) Diese<br />
Nachrichten dürften willkommene Ergänzungen zu den Ausführungen<br />
Hodlers über Empfingen sein, die sich in seiner<br />
Geschichte des Oberamts Haigerloch 1928, S. 680 ff finden.<br />
Krs.<br />
Die ältesten Sigmaringer Stadtrechte<br />
Die erste sichere Nachricht aus der Geschichte unserer Heimat<br />
erhalten wir, wie bekannt, aus dem Parteikampf zwischen<br />
Kaiser Heinrich IV. und seinem Gegenkaiser Rudolf<br />
von Schwaben. Dieser belagerte im Frühjahr 1077 die Anhänger<br />
Heinrichs längere Zeit erfolglos in der festen Burg<br />
Sigmaringen. Wir wissen wohl, daß Sigmaringen im darauffolgenden<br />
12. Jahrhundert Stadt war, wir wissen aber nicht,<br />
ob es schon Märkte hatte und welcher Rechte und Freiheiten<br />
es sich sonst erfreute Daß es solche gehabt haben muß, ist<br />
aus der ältesten, diesbezüglich uns vorliegenden Urkunde zu<br />
entnehmen, nach der sich die Stadt schon „vor langen Zeiten<br />
Ordnung und Gesetze selbst gegeben habe.<br />
Im Jahre 1362 verleiht Kaiser Karl IV.'der Stadt Sigmaringen<br />
das Recht, jeden Montag einen Wochenmarkt abzuhalten und<br />
nimmt die Besucher und Waren desselben in seinen besonderen<br />
kaiserlichen Schutz. Zu diesem Markte gab er der<br />
Stadt die gleichen Rechte, Freiheiten und Ehren, die seine<br />
Reichsstadt Pfullendorf genoß. Danach konnte Sigmaringen<br />
seine inneren Angelegenheiten und Einrichtungen selbst ordnen.<br />
Seine Bürger -— dies konnten nur Freie, aber nicht<br />
Leibeigene werden — durften nicht mehr vor fremde Gerichte<br />
geladen werden, denn nun erhielt es eigene Gerichtsbarkeit.<br />
Die Stadt durfte nicht mehr verpfändet weiden, was<br />
unter der vorangegangenen österreichischen Herrschaft so it<br />
zum Nachteil der Stadt geschehen war. Schließlich durfte die<br />
Stadt zum eigenen Schutze mit anderen Städten Bündnisse<br />
eingehen. Zu dieser Zeit gehörte Sigmaringen zu Württemberg<br />
(1325—1399). Graf Eberhard von Württemberg behielt<br />
seine Hoheitsrechte. Er blieb weiterhin Herr der Stadt und<br />
bezog nach wie vor von ihr seine Einkünfte. Durch seinen<br />
Vogt übte er auf Verwaltung und Justiz die früheren Einflüsse<br />
aus.<br />
Auf Grund des kaiserlichen Marktpri - ilegs vom Jahre<br />
1362 wurde nun das älteste, uns bekannte Sigmarin, jer Stadtrecht<br />
begründet, vermutlich das schon vorhandene ältere geändert<br />
und mit Zusätzen versehen. Leider trägt diese Urkunde<br />
keine Jahreszahl. Diese erste Fassung behandelte fast<br />
nur Strafrecht, von der Organisation der Verwaltung wird<br />
darin nichts erwähnt. Ueber diese gibt dagegen die zweite<br />
Fassung aus dem Jahre 1460 nähere Aufschlüsse. Oberste<br />
städtische Instanz war der Stadtvorstand, desser. Mitglieder<br />
der Schultheiß, der Bürgermeister, die Richter und die Sechser<br />
waren. Der Schultheiß war Gerichtsvorstand und Straf-<br />
richter. Uebrigens geht aus einer Urkunde des Jahres 1275<br />
hervor, daß Sigmaringen schon zu jener Zeit einen Schultheißen<br />
hatte. Der Bürgermeister, zugleich einer der zwölf<br />
Richter, erscheint als der leitende Verwaltungsbeamte und<br />
Finanzverwalter der Stadt.<br />
Die zwölf Richter bildeten mit dem Schultheißen und dem<br />
Bürgermeister das Stadtgericht. Sie waren sowohl Richter als<br />
auch Räte und hatten in dem Schultheißen ihren richterlichen<br />
und in dem Bürgermeister ihren verwaltenden Vorstand.<br />
Eine scharfe Trennung zwischen Verwaltung und Justiz<br />
gab es zu jener Zeit noch nicht, und so erscheinen die<br />
gleichen Männer einmal als Richter und dann wieder als<br />
Räte. Sie standen also dem Schultheiß in Strafsachen und<br />
dem Bürgermeister in Verwaltungsangelegenheiten und bei<br />
Vertretung der Stadt nach außen zur Seite. Die Sechser<br />
waren nicht etwa ein besonderes Kollegium, sondern die<br />
Stellvertreter und Ersatzmänner der Richter und Räte, über<br />
die sie nebenbei noch äine kontrollierende Funktion hatten.<br />
Alle wichtigen Angelegenheiten und Verhandlungen, ganz<br />
besonders Verfügungen über' Liegenschaften und „Sachen,<br />
die Leib und Leben anbetreffen", mußten unter freiem Himmel<br />
und unter Beachtung bestimmter Formen, wie z. B.<br />
Handschlag, dreimalige Wiederholung vorgenommen werden.<br />
Das Recht hatten die Richter auf des Schultheißen<br />
„Umfrag" auszusprechen. Die Richter wählten aus ihren Reihen,<br />
zusammen mit den Sechsern wieder besondere Aufseher<br />
über die Polizei, die verschiedenen Gewerbeai ,;en ie Metzger,<br />
Bäcker, Tuch- and Ziegelmacher usw., sodann die Feuerschauer,<br />
die Weideaufseher und andere mehr.<br />
Ais herrschaftlichen Beamten finden wir den Vogt, der<br />
zugleich der höchste Beamte des Bezirks war. Er wird in<br />
Urkunden rein städtischer Angelegenheiten nie genannt.<br />
Diese Tatsache läßt auf eine ziemlich freie Stellung der .-?tadt<br />
gegenüber ihrer Herrschaft schließen, ebenso der Umstand,<br />
daß der Schultheiß durch die freie Wahl der Stadtgemeinde<br />
und nicht vom Herrn ernannt wird.<br />
Sigmaringen, das um jene Zeit noch recht klein gewesen<br />
sein muß, hatte sich . somit schon schöne Rechte erworben,<br />
die auch unter den nachfolgenden Werdenbergern und Grafen<br />
von Hohenzollern-Sigmaringen in Geltung blieben, Erst<br />
im Jahre 1623 wurde das bisherige Stadtrecht durch ein den<br />
veränderten Zeitverhältnissen angepaßtes ersetzt.<br />
Hans Baron.
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 31<br />
Aus dem Pfarrarchiv Rangendingen<br />
von Fritz Staudacher<br />
18 17<br />
Am 13. Februar ist Herr Pfarrer in Grosselfingen Sebastian<br />
Haid im 64. Jahre seines Alters an einer innerlichen Fäulung<br />
nach Empfang der Hl. Sterbsakramente gestorben. R. I. P.<br />
Am 21. May ist der Hochw. H. Pfarrer Joseph Ferber von<br />
Stetten unter Holstein nach Grosselfingen als Pfarrer aufgezogen.<br />
Am 10. d. M. Februar sind unser Hochwürdigster Bischoff<br />
Karl Theodor von Dalberg zu Regensburg gestorben. R. I. P.<br />
Das Bild von dem Hl. Johann von Nepomuc habe ich zu<br />
Owingen wieder frisch fassen lassen und in der Klosterkirche<br />
auf den Hochaltar gestellt am 31. May. Dies Bild hat zu fassen<br />
gekost 2 fl 24 x.<br />
Am 14. Oktober sind Seine Hochwürden H. Kammerer und<br />
Pfarrer zu Weilheim Joseph Giegling als Decan im 41. Jahre<br />
ihres Alters erwehlt worden, geb. 1771 am 11. April.<br />
Die Katharina Hornin gebürtig von Fronstetten, so bey<br />
mir 20 Jahre Köchin wäre, hat sich nach Bechtoldsweiler mit<br />
dem Johannes Kaus verheurahtet und ist am 25. November<br />
in dem 66. Jahre ihres Alters nach Empfangung der Hl.<br />
Sterbsakramente an der hitzigen Krankheit gestorben. R.I.P.<br />
1818<br />
Am 20. May ist der Herr Pfarrer zu Stetten unter Hollstein<br />
Aloysius Klingler nach Empfang der Hl. Sterbesakramente<br />
in dem 45. Jahre seines Alters an der Wassersucht<br />
gestorben. R. I. P.<br />
Am 7. Juni ist der Herr Pfarr zu Thanheim Josephus Bulach<br />
nach Empfangung der Hl. Sterbsakramente in dem 49.<br />
Jahre seines Alters an der auszehrenden Krankheit gestorben.<br />
R. I. P.<br />
Am 4. August ist H. Pfarrer Reiner Hochw. von Stein nach<br />
Stetten unter Hollstein auf die dortige Pfarrey aufgezogen,<br />
und am 4. d. M. ist H. P. Quardian Hertie Hochw. als Pfarrer<br />
nach Stein gekommen.<br />
Am 3. August ist H. Can. Wolffgang Funck nach Thanheim<br />
als Pfarrer gezogen.<br />
Den Nußbaum, so in dem Gärtie an der Klostermaur stehet,<br />
habe ich gesetzt 1798. Dieser Baum hat das erstemal Nüssen<br />
getragen 1817.<br />
1819<br />
Am 4. Juli ist der Hochw. H. Pfarrer Franz von Franck zu<br />
Burladingen im 84. Jahre seines Alters gestorben. R. I. P<br />
Am 20. September ist der wohlehrwürdige Herr Volm ein<br />
H. Sohn von H. Breimeister zu Hechingen von Seiner Hochwürden<br />
und Gnaden dem Gnädigsten Herrn Weybischoff von<br />
Keller zu Rottenburg als Priester ausgeweyht worden und<br />
hat am 26. d. M. sein Erst Hl. Meßopfer in der Stattpfarrkirche<br />
zu Hechingen dem Allerhöchsten abgestattet.<br />
Am 26. d. M. ist H Pfarrer Karl Bulach ein Bruder von<br />
H. Joseph Bulach in Wilflingen in dem 42 Jahr seines Alters<br />
gestorben. R. I. P.<br />
Am 8. October ist H. Libori Klingler von Zimmern nach<br />
Wilflingen als Pfarrer rufgezogen.<br />
Am 14. d. M. ist H. Canonicus Reithinger nach Buriaaingen<br />
als Pfarrer aufgezogen, und H. Vicarius Sauter am nemlichen<br />
Tag nach Zimmern als Kaplan aufgezogen.<br />
H. Klarus Sauter war Vicarius in Burladingen.<br />
Am 15. November ist der Hochwürdige H. P. Beichtvatter<br />
Aurelius Lussner 4 Jahre und 2 Monathe nach seiner gehaltenen<br />
Secundiz in dem 79. Jahr seines Alters an einem<br />
Schlagfluß gestorben. R. I. P Dieser war aer Letzte H. Pater<br />
Franciscaner im Kloster St. Luzen, mit diesem guten alten<br />
Herrn ist das ganze Kloster ausgestorben.<br />
Kurznachrichten<br />
DenKmalsp/He. Aus der schnell vergehenden Tagespresse<br />
seien die wichtigsten Arbeiten des LandesKonservators W.<br />
Genzmer und Kirchenmalers Jos. Lorch von 1957 für cue<br />
Zukunft festgehalten. Haigerloch: Unterstadtkirche St.<br />
Nikolaus (hoffentlich für dauernd) entfeuchtet und im Innern<br />
farbig neugestimmt, wobei die bisher undeutliche Jahreszahl<br />
1546 festgestellt wurde. Im Gegensatz zu Bingen: Beiassung<br />
der neugotischen Altäre von 1862, Abschlagen der<br />
Gipsdecke des Schiffes mit dem Gemälde (Verehrung des Hl.<br />
Nikolaus durci Priester, K. Schmid, Pfarrer und B Xramer,<br />
Kaplan und Volk von Haigerloch mit Stadtansicht), das<br />
Klink-Horb erst 922 geschaffen. So schnell ändern sich iie<br />
Ansichten! Anbringung der heute in Mode stehenden Kassettendecke<br />
aus Holz. Dettensee: Aufdeckung der alten<br />
Bemalung des Chorgewölbes, Entfernen des Oelanstrichs der<br />
barocken Seitenaltäre und Kanzel, neugotischer Hochaltar<br />
aufgefrischt, Farbfenster des 19. Jahrhunderts herausgenommen.<br />
Esseratsweiler: Restaurator Lang aus Lechbruck<br />
holte die alte 'Bemalung des 18. Jahrhunderts heraus, paßte<br />
die Apostelfiguren der Langhauswände den Farben der Rokokozeit<br />
an. Weilheim - Renovation des Innern der Kirche,<br />
die durch Brand des Beichtstuhles verdorben war. Bad<br />
I m n a u • Erneuerung des Innern, nachdem vor einigen Jahren<br />
ein echter Barockaltar beschafft worden. Langhausfenster<br />
mit weißem Antikglas. Steinhilben : die um 1938 verlängerte<br />
Kirche erhielt aus Mühlheim a. D. einen Stuckmarmor-Altar,<br />
in den das alte Hochaltarbild (Kreuzigung)<br />
sich gut einfügt. Stuckaufteilung der Decke mit 3 Gemälden<br />
von Josef Lorch-Sigmaringen und seinem gleichnamigen<br />
Neffen aus Füssen. Kappel: Die Kapelle erhielt neue<br />
stilgerechte Farbigkeit (noch ohne den Altar). Doberatsweiler:<br />
Kapelle wurde von Lang-Lechbruck neu ausgemalt.<br />
Neues Deckenbild von Kunstmaler Andreas Dasser aus<br />
Pfronten-Weißbach. Schloß Hohenfels: Stuckergänzung<br />
in der Kapelle durch Hagen von Oheimb-München.<br />
Melchingen: Wiederaufstellung der alten, bisher in der<br />
Kapelle verwendeten Seitenaltäre durch Lorch.<br />
Außeninstandsetzungen in Kellenputz: Kirche in Dietershofen,<br />
Nötenwangkapelle in Inneringen (farbig<br />
in alter Form behandelt von Fidel Marmon). Das Innere<br />
war schon vor Jahrer von Andr. Knupfer erneuert<br />
Die Schlösser zu Trochtelfingen und Langenens-<br />
1 i n g e n. An ersterem Oeffnung des alten Fußgängertors, an<br />
letzterem Abänderung eines Teils der Fenster. Davor Kriegerdenkmal<br />
mit kleinen Kreuzen und Pieta von Franz Lorch-<br />
München, dem Bruder obigen Malers. Pfarrhaus Weilheim<br />
durch Herrn. Seli", - Hechingen. Pfarrhaus Sigmaringen,<br />
wo Lorch das Madonnenbild von Gust. Bregenzer<br />
wieder herrichtete. Freilegung alter Fachwerke:<br />
Empfingen, Dettensee und Trochtelfingen, in Haigerloch eine<br />
Fassadenmalerei (Putto unter Palmbaum), wohl von M. von<br />
Aw. Hechingen: Stadtturm an der Grabengasse gesichert.<br />
Wirtshausschild zur „Krone" restauriert. Gammertinge<br />
n : Instandsetzung des Rathauses und Treppenbilds von<br />
Anton Reiser durch Lorch, Einrichtung eines Heimatmuseums<br />
mit Werken von verst. Herrn. Bantle-Straßberg. Kloster<br />
Wald; Ausbau des Innenbaus und Querflügels für die<br />
Heimschule nach Ideen der Leiterin Sr. Sophia Kotschoubeg-<br />
Beauharnais OSB. Hechingen: Neufassung des romanischen<br />
Kruzifixes der protest. Kirche durch Eberh. Köster-<br />
Sigmaringen.<br />
Orgelwerke: Pfarrkirche Wald: Erweiterung des Pedals<br />
des Aichgasserwerkes durcl- Mönch-Ueherlinger L a i z :<br />
Beide Orgeln durch Späth - Ennetach wieder spieibar gemacht<br />
mit neuem Schweilwerk nach Dispos. von Dr Joh.<br />
Maier-Sigmaringen. Zuschüsse zu den Arbeiten gaoen der<br />
Kommunalverband, das Staatl. Amt für Denkmalspflege lA<br />
Tübingen und der Staat. Kr.<br />
An das<br />
in<br />
<strong>Postamt</strong>
32<br />
Eine Doktorarbeit über Michael Heiding<br />
Repetent Erich Feifei am Wilhelmsstift in Tübingen ist auf<br />
Grund einer Dissertation über „Die Grundzüge einer Theologie<br />
des Gottesdienstes bei Michael Heiding (1506—1564)"<br />
vor der kath. theol. Fakultät der Universität Tübingen die<br />
Doktorwürde verliehen worden. Es ist sehr erfreulich, daß<br />
hier der aus Langenenslingen gebürtige Bischof Michael Heiding<br />
eine Würdigung erfährt. Er war ein glaubenstreuer<br />
Bischof, der in den Wirren der religiösen Kämpfe durch seine<br />
Teilnahme am Augsburger Reichstag eine bedeutende Rolle<br />
spielte, wo er durch Entgegenkommen gegenüber Neugläubigen<br />
den Weg zum Frieden suchte. Bedeutsam wirkte er<br />
1557 am Wormser Religionsgespräch und an der Abfassung<br />
des „Interim". Als erster Bischof aus Deutschland war er beim<br />
Konzil von Trient. In dem zumeist schon protestantischen<br />
Hochstift Merseburg warb er durch seine Predigten und seine<br />
Wohltätigkeit für den katholischen Glauben als letzter Bischof<br />
von Merseburg. 1561 wurde er Vorsitzender des kirchlichen<br />
Reichshofrates in Wien, starb aber noch im gleichen<br />
Jahre und fand sein Grab im Stefansdom.<br />
Rangendingen verpfändet. Graf Eitelfriedrich von Zollern<br />
als Selbstschuldner und mit ihm Melchior von Thierberg<br />
und Jörg von Ow zu Hurningen (Hirrlingen) als Mitschuldner,<br />
sind der Witwe Anna von Stain von Staineck, geborener von<br />
Werdnau, 1100 rh. fl schuldig. Sie sind zu Reutlingen, Rottenburg<br />
oder Rottweil an der geschworenen Goldwaage zurückzuzahlen.<br />
Der Zins beträgt jährlich auf Mariä Geburt 55<br />
rh. fl. Pfand ist das Dorf Rangendingen mit Leuten und<br />
Gütern, das dem Jakob von Neuneck schon von denselben<br />
um 40 fl verschrieben ist. Es siegeln am 8. September 1494<br />
die drei Schuldner und für die Gemeinde, die kein Siegel<br />
hat, Junker Wendel von Halfingen und Junker Heinrich<br />
von Giltlingen. Von den 5 Siegeln an der Biesenurkunde<br />
fehlt das vierte, das zweite ist Hailfingen, die andern sind<br />
eingenäht und daher unsichtbar. (GLA Karlsruhe unter Kloster<br />
Lichtental, 35/31b). Die Schuldurkunde scheint später<br />
ans Kloster Lichtental gelangt zu sein. J. A. Kraus.<br />
Die „Lütkirche ze Gammertingen" wird in einer Urkunde<br />
des Generallandesarchivs Karlsruhe (4/379) vom 11. Oktober<br />
1351 erwähnt. Das am Zinstag vor St. Gallentag zu Gammertingen<br />
ausgestellte Pergamentschriftstück berichtet:<br />
Ulrich Nelle, Schultheiß zu Gammertingen und seine<br />
Gattin Adelheid geben dem Abt von Salmannsweiler (Salem)<br />
das Patronatsrecht des Altars St. Mariä, St. Katharinä<br />
und St. Nikolaus in der Leutkirch zu Gammertingen. Innerhalb<br />
eines Monats ist die Stelle mit einem Geistlichen zu<br />
besetzen. Sie erbitten zum Siegeln den Grafen Heinrich<br />
von Veringen, da sie selbst kein Siegel haben. (Siegel<br />
sehr schön: drei Hirschstangen übereinander mit der Umschrift<br />
: *S COMTTIS HAINR1CI DE ... RINGEN. Locher<br />
kennt die Urkunde in seinen Veringer Regesten (Mitt Hohz.<br />
4, 44) nicht, und dieses Siegel erst seit 1353. Krs.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzolleriscnen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab solort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
H O H E N a O L L E R I S C H E H E I M A T<br />
Jahrgang 1958<br />
Rangendingen. Am 5. Februar 1800 hat sich Bonaventura<br />
B e i t e r aus Rangendingen b. Hechingen, 18 Jahre alt,<br />
für Gebhard Vogler von Herdwangen für die Dauer des<br />
Krieges unter das herwärtige (Petershauser) Kontingent gegen<br />
Zahlung von 200 Gulden engagieren lassen. Beim Eintritt<br />
erhält er bar 30 fl, das übrige auf Zins, sofort 1 Paar<br />
Schuhe und 2 Hemmder, dazu monatlich 1 fl und jährlich 1<br />
Hemd. (GLA Karlsruhe 1/151).<br />
Abt von Petershausen wird Sigmaringer Bürger. Eine Pergamenturkunde<br />
im Gen. Landesarchiv Karlsruhe (1/125) meldet:<br />
An Sonntag nach Jakobi, das war am 27. Juli 1376, nahmen<br />
Schultheiß und Rat der Stadt Sigmaringen den Abt<br />
Burkart von Petershausen bei Konstanz in ihres Herrn von<br />
Wirtemberg Schirm und zu ihrem Burger an, so daß er oder<br />
seine Gotteshausamtleute ihnen jährlich als Steuer 3 Pfund<br />
Pfennige Konstanzer Münz zahlen sollen. Das Stadtsiegel<br />
fehlt. — Offenbar hat der Abt seine Gründe gehabt, als er<br />
sich unter die Bürger Sigmaringens und damit in den<br />
Schutz des württembergischen Grafen begab!<br />
Krs.<br />
Am 30. Januar 1430 haben im Streit zwischen Abt Petrus<br />
von Salem und Hans Rüttin, Bürger zu Sigmaringen,<br />
wegen des Erbes von Rüttis Bruderssohns der Truchseß Hans<br />
zu Bichishausen und Schultheiß und Rat zu Sigmaringen und<br />
Heinz Heris, Stadtammann zu Pf Ullendorf vermittelt: Der<br />
Abt zahlt 20 Pfund und 10 Schilling Heller. Siegel der Stadt<br />
Sigmaringen: Hirsch und Stern; außerhalb des Schildes drei<br />
zugewandte Halbmonde: S. CIVITATIS DE SIGM .. GEN f.<br />
(GLA Karlsruhe 4/412.)<br />
An Trochtelfinger Akten, die noch 1824 im Städtchen lagerten,<br />
aber seitdem verschollen zu sein scheinen, nennt Pfr.<br />
Roman Hohl, von dem wir an dieser Stelle 1956 S. 11 berichteten,<br />
in seinen dortigen Notizen: (u. a.) 188) Zwei libella<br />
oder Beschreibungen der Herrschaft Trochtelfingen. 201) Hinrichtungen<br />
im Jahre 1623. 217) Wochenmarktsordnung zu<br />
Trochtelfingen 1549. 233) Alte Ordnung des Amts Trochtelf.<br />
236) Neue Ordnung des Fleckens Meldungen vom 4. Febr.<br />
1656. 240) Urfehden aus den Jahren 1448—1625. 279) Pfr.<br />
Mayer zu Meldungen. 282) Peinlicher Halsgerichtsprozeß der<br />
Stadt Trochtelfingen Div. XVIII, fasc. 1, Cist b, Lad 5 292)<br />
Hinrichtung 1503. 298—299) Alte Gebots- und Verbots-Protokolle.<br />
Sollten diese wertvollen Stücke nachher ins Staatsarchiv<br />
Sigmaringen gekommen, oder gar, wie andere Donaueschinger<br />
Gerichtsprotokolle um Mitte des vorigen Jahrhunderts<br />
vernichtet worden sein? Krs.<br />
Wannenmacher zu Haigerloch. Schultheiß, Bürgermeister<br />
und Rat der Stadt Haigerloch urkunden am 23. April 1605,<br />
daß der Küfer Georg Wannenmacher von da sich außerhalb<br />
niederlassen wolle. Sie steilen ihm daher ein „Mannrecht"<br />
E us: Er sei ehelicher Geburt, sein Vater Michael W und die<br />
Mutter Anna Kettenackerin wohnen noch dahier. Georg sei<br />
von Jakob Hilbrand und Margaretha Fuxschwanzin aus der<br />
hl. Taufe gehoben worden, habe sich fromm, ehrbar und<br />
aufrecht und redlich gehalten und sei niemand leibeigen. Das<br />
Siegel fehlt heute an der Pergamenturkunde. (GLa. Karlsruhe<br />
5/665 Konstanz.) Krs.<br />
Die Familie Gfrörer, die Hodler zum Jahre 1575 mit Hans<br />
und Jörg und Anna Gfrör zu Empfingen anführt, hatte<br />
schon im Jahre 1560 zu Eckenweiler (OA. Rottenburg) mit<br />
Berchtold Gfrör einen Vertreter (Mskr. 70, S. 487 des<br />
btadtarchivs Ueberlingen). Ebenda S. 535 findet sich ein Veit<br />
Hellstern 1505 als Bürger zu Horb a. N., und (S. 527) ein<br />
Benz 'I ü 1 b e r genannt Gut 1467 als Schultheiß zu Horb<br />
a. N. Die Hülben scheinen ein Zweig der Herren von Steinhilben<br />
zu sein. In den Jahren 1406 und 1460 erscheinen die<br />
Salzquellen („H alle n") zu Sulz a. N. (Mskr. 68, S.<br />
407 ff; und dann S. 431). „Wir Bronnenmeister auch Gemeine<br />
und Teilhaber des Salzgesödes zu Sulz 1580". Krs.<br />
Die ganze Reihe der „Mitteilungen des Vereins für Geschichte<br />
und Alterthumskunde in Hohenzollern" hat käuflich<br />
abzugeben M. Schaitel, Sigmaringen, Lanöeshausstr. 1.<br />
Berichtigung: In Nr. 1 1958 S. 14 rechts: Da unser Frowe<br />
(Muttergottes) gnädig ist. S. 15 links: Bletz gegessen (Freiburger<br />
Urkundenbuch von Hefele). S. 16 statt Geislingen ist<br />
natürlich „G e i s i n g e n" bei Donaueschingen zu setzen.<br />
Herr Landrat Dr. Speidel-Hechingen stellte die Druckstöcke der Bilder<br />
Seite 22, 24 und 30, die Landeskommunalverwaltung-Sigmaringen den Druck-<br />
stock des Bildes Seite 29 unentgeltlich zur Verfügung. Herzlichen Dank!
Hohenzollerlsche Heimat<br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Nummer 3 Gammertingen, Juli 1958<br />
/. Teil Die Sage vom Hirschgulden<br />
von Wilhelm Hauff<br />
± 1.<br />
In Oberschwaben stehen noch heutzutage die Mauern einer<br />
Burg, die einst die stattlichste der Gegend war, Hohenzollern.<br />
Sie erhebt sich auf einem runden, steilen Berg, und von ihrer<br />
schroffen Höhe sieht man weit und frei ins Land. So weit<br />
und noch viel weiter, als man diese Burg im Land umher<br />
sehen kann, ward das tapfere Geschlecht der Zollern gefürchtet,<br />
und ihren Namen kannte und ehrte man in allen<br />
deutschen Landen.<br />
Nun lebte vor mehreren hundert Jahren, ich glaube, das<br />
Schießpulver war kaum erfunden, auf dieser Feste ein Zoller,<br />
der von Natur ein sonderbarer Mensch war. Man konnte<br />
nicht sagen, daß er seine Untertanen hart gedrückt oder mit<br />
seinen Nachbarn in Fehde gelebt hätte: aber dennoch traute<br />
ihm niemand über den Weg ob seinem finstern Auge, seiner<br />
krausen Stirne und seinem einsilbigen, mürrischen Wesen.<br />
Es gab wenige Leute außer dem Schloßgesinde, die ihn je<br />
hatten ordentlich sprechen hören wie andere Menschen; denn<br />
wenn er durch das Tal ritt, einer ihm begegnete und schnell<br />
die Mütze abnahm, sich hinstellte und sagte: „Guten Abend,<br />
Herr Graf, heute ist es schönes Wetter", so antwortete er:<br />
„Dummes Zeug!" oder: „Weiß schon!"<br />
Hatte aber einer etwas nicht recht gemacht, für ihn oder<br />
seine Rosse, begegnete ihm ein Bauer im Hohlweg mit dem<br />
Karren, daß er auf seinem Rappen nicht schnell genug vorüber<br />
kommen konnte, so entlud sich sein Ingrimm in einem<br />
Donner von Flüchen; doch hat man nie gehört, daß er bei<br />
solchen Gelegenheiten einen Bauern geschlagen hätte. In der<br />
Gegend aber hieß man ihn „das böse Wetter von Zollern."<br />
Das böse Wetter von Zollern hatte eine Frau, diie das Gegenteil<br />
von ihm und so mild und freundlich war wie ein Maitag.<br />
Oft hat sie Leute, die ihr Eheherr durch harte Reden<br />
beleidigt hatte, durch freundliche Worte wieder mit ihm ausgesöhnt;<br />
den Armen aber tat sie Gutes, wo sie konnte, und<br />
ließ es sich nicht verdrießen, sogar im heißen Sommer oder<br />
im schrecklichen Schneegestöber den steilen Berg herabzugehen,<br />
um arme Leute oder kranke Kinder zu besuchen. Begegnete<br />
ihr auf solchen Wegen der Graf, so sagte er mürrisch:<br />
„Weiß schon, dummes Zeug" und ritt weiter.<br />
Manch andere Frau hätte dieses mürrische. Wesen abgeschreckt<br />
oaer eingeschüchtert; die eine hätte gedacht: was<br />
gehen mich die armen Leute an, wenn mein Herr sie für<br />
dummes Zeug hält; die andere hätte vielleicht aus Stolz oder<br />
Unmut diie Liebe gegen einen so mürrischen Gemahl erkalten<br />
lassen. Doch nicht also Frau Hedwig von Zollern; sie liebte<br />
ihn nach wie vor, suchte mit ihrer schönen weißen Hand die<br />
Falten von seiner braunen Stirne zu streichen und liebte und<br />
ehrte ihn. Als aber nach Jahr und Tag der Himmel ein junges<br />
Gräflein zum Angebinde bescherte, liebte sie ihren Gatten<br />
nicnt minder, indem sie ihrem Söhnlein dennoch alle Pflichten<br />
einer zärtlichen Mutter erzeigte.<br />
Drei Jahre vergingen, und der Graf von Zollern sah seinen<br />
Sohn nur alle Sonntage nach Tische, wo er ihm von der<br />
Amme dargereicht wurde. Er blickte ihn dann unverwandt<br />
an, brummte dann etwas in den Bart und gab ihn der Amme<br />
zurück. Als der Kleine Vater sagen konnte, schenkte der Graf<br />
der Amme einen Gulden — dem Kind machte er kein fröhlicheres<br />
Gesicht.<br />
An seinem dritten Geburtstag aber ließ der Graf seinem<br />
Sohn die ersten Höslein anziehen und kleidete ihn prächtig<br />
in Samt und Seide; dann befahl er, seinen Rappen und ein<br />
schönes Roß vorzuführen, nahm den Kleinen auf den Arm<br />
und fing an, mit klirrenden Sporen die Wendeltreppe hinab-<br />
Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S.Acker, Gammertingen<br />
Postverlagsort Gammertingen<br />
I 8. Jahrgang<br />
zusteigen. Frau Hedwig erstaunte, als sie dies sah. Sie war<br />
sonst gewohnt, nicht zu fragen, wo aus und wann heim? wenn<br />
er ausritt, aber diesmal öffnete die Sorge um ihr Kind ihre<br />
Lippen. „Wollet Ihr ausreiten, Herr Graf?" sprach sie; er gab<br />
keine Antwort. „Wozu denn den Kleinen?" fragte sie weiter;<br />
„Kuno wird mit mir spazieren gehen."<br />
„Weiß schon", entgegnete das böse Wetter von Zollern und<br />
ging weiter; und als er im Hofe stand, nahm er den Knaben<br />
bei einem Füßlein, hob ihn schnell in den Sattel, band ihn<br />
mit einem Tuch fest, schwang sich selbst auf den Rappen<br />
und trabte zum Burgtor hinaus, indem er den Zügel vom<br />
Rosse seines Söhnleins in die Hand nahm.<br />
Dem Kleinen schien es anfangs großes Vergnügen zu gewähren,<br />
mit dem Vater den Berg hinabzureiten. Er klopfte<br />
in die Hände, er lachte und schüttelte seiin Rößlein an den<br />
Mähnen, damit es schneller laufen sollte, und der Graf hatte<br />
seine Freude daran, rief auch einigemal: „Kannst ein wackerer<br />
Bursche werden."<br />
Als sie aber in der Ebene angekommen waren und der<br />
Graf statt Schritt Trab anschlug, da vergingen dem Kleinen<br />
die Sinne; er bat anfangs ganz bescheiden, sein Vater möchte<br />
langsamer reiten, als es aber immer schneller ging, und der<br />
heftige Wind dem armen Kuno beinahe den Atem nahm, da<br />
fing er an, still zu weinen, wurde immer ungeduldiger und<br />
schrie am Ende aus Leibeskräften.<br />
„Weiß schon, dummes Zeug!" fing jetzt sein Vater an.<br />
„Heult der Junge beim ersten Ritt; schweig oder "<br />
Doch den Augenblick, als er mit einem Fluche sein SöhnMn<br />
aufmuntern wollte, bäumte sich sein Roß; der Zügel des<br />
andern entfiel seiner Hand, er arbeitete sich ab, Meister seiner<br />
Tieres zu werden, und als er es zur Ruhe gebracht hatte<br />
und sich ängstlich nach seinerr Kinde umsah, erblickte er<br />
dessen Pferd, wie es ledig und ohne dein kleinen Reiter der<br />
Burg zulief.<br />
So ein harter, finsterer Mann der Graf von Zolltrn sonst<br />
war, so überwand doch dieser Anblick sein Herz; er glauote<br />
nicht anders, als sein Kind hege zerschmettert am Weg; er<br />
raufte sich den Bart und jammerte Aber nirgends, so weit<br />
er zurückritt, sah er eine Spur von dem Knaben; schon stellte<br />
er sich vor, das scheugewordene Roß habe ihn in einen Wassergraben<br />
geschleudert, der neben dem Weg lag.<br />
Da hörte er von einer Kinderstimme hinter sich seinen<br />
Namen rufen ind als er jich flugs umwandte — sieh! da<br />
saß ein altes Weib unweit der Straße unter einem Baum und<br />
wiegte den Kleinen auf ihren Knien.<br />
„Wie kommst du zu dem Knaben, alte Hexe?" schrie der<br />
Graf m großem Zorn „sogleich bringe ihn heran zu mir."<br />
„Nicht so rasch, nicht so rasch, Euer Gnaden!" lacnte die<br />
alte, häßliche Frau, „kö"ntet sonst auch ein Unglück nehmen<br />
auf Eurem stolzen Roß! Wie ich zu dem Junkerlein kam,<br />
fraget Ihr? Nun sein Pferd ging durch, und er hing nur noch<br />
mit einem Füßchen angebunden und das Haar streifte fast<br />
am Boden, da habe ich ihn aufgefangen in meiner Schürze."<br />
„Weiß schon!" rief der Herr von Zollern unmutig, „gib ihn<br />
jetzt her; ich kann nicht wohl absteigen, das Roß ist wild<br />
und könnte ihn schlagen".<br />
„Schenkt mir einen Hirschguiden!" erwiderte die Frau<br />
demütig bittend.<br />
„Dummes Zeug!" schrie der Graf und warf ihr einige Pfennige<br />
unter den Baum.<br />
„Nein, einen Hirschguiden könnte ich gut brauchen", fuhr<br />
sie fort.
34 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT ahrfians 1 958<br />
„Was, Hirschguiden!, bist selbst keinen Hirschguiden wert!"<br />
eiferte der Graf. „Schnell das Kind her, oder ich hetze die<br />
Hunde auf dich."<br />
„So, bin ich keinen Hirschguiden wert?" antwortete jene<br />
mit höhnischem Lächeln. „Na, man wird ja sehen, was von<br />
Eurem Erbe einen Hirschguiden wert ist; aber da, die Pfennige<br />
behaltet für Euch". Indem sie dies sagte, warf sie die<br />
drei kleinen Kupferstücke dem Grafen zu, und so gut konnte<br />
die Alte werfen, daß alle drei ganz gerade in den kleinen<br />
Lederbeutel fielen, den der Graf noch in der Hand hielt.<br />
Der Graf wußte einige Minuten vor Staunen über diese<br />
wunderbare Geschicklichkeit kein Wort hervorzubringen,<br />
endlich aber löste sich sein Staunen in Wut auf. Er faßte<br />
seine Büchse, spannte den Hahn und zielte dann auf die Alte.<br />
Diese herzte und küßte ganz ruhig den kleinen Grafen, indem<br />
sie ihn so vor sich hinhielt, daß ihn die Kugel zuerst<br />
hätte treffen müssen. „Bist ein guter, frommer Junge", sprach<br />
sie, „bleibe nur so, und es wird dir nichts fehlen." Dann ließ<br />
sie ihn los, dräute dem Grafen mit dem Finger: „Zollern,<br />
Zollern, den Hirschguiden bleibt Ihr mir noch schuldig", rief<br />
sie und schlich, unbekümmert um die Schimpfworte des Grafen,<br />
an einem Buchsbaumstäbchen in den Wald. Konrad, der<br />
Knappe, aber stieg zitternd von seinem Roß, hob das Herrlein<br />
in den Sattel, schwang sich hinter ihm auf und ritt seinem<br />
Gebieter nach, den Schloßberg hinauf.<br />
Es war dies das erste und letzte Mal gewesen, daß das<br />
böse Wetter von Zollern sein Söhnlein mitnahm zum Spazierenreiten;<br />
denn er hielt ihn, weil er geweint und geschrien,<br />
als die Pferde im Trab gingen, für einen weichlichen Jungen,<br />
aus dem nicht viel Gutes zu machen sei, sah ihn aber nur<br />
mit Unlust an, und so oft der Knabe, der seinen Vater herzlich<br />
liebte, schmeichelnd und freundlich zu seinen Knien<br />
kam,, winkte er ihm fortzugehen und rief: „Weiß schon!,<br />
dummes Zeug."<br />
Frau Hedwig hatte alle bösen Launen ihres Gemahls gern<br />
getragen, aber dieses unfreundliche Benehmen gegen das<br />
unschuldige Kind kränkte sie tief: sie erkrankte mehreremal<br />
aus Schrecken, wenn der finstere Graf den Kleinen wegen<br />
irgendeines geringen Fehlers hart abgestraft hatte, und starb<br />
endlich in ihren besten Jahren, von ihrem Gesinde und der<br />
ganzen Umgebung, am schmerzlichsten aber von ihrem Sohne<br />
beweint.<br />
Von jetzt an wandte sich der Sinn des Grafen nur noch<br />
mehr von dem Kleinen ab: er gab ihn seiner Amme und<br />
dem Hauskaplan zur Erziehung und sah nicht viel nach ihm<br />
um besonders da er bald darauf wieder ein reiches Fräulein<br />
heiratete, das ihm nach Jahresfrist Zwillinge, zwei junge<br />
Gräflein, schenkte.<br />
Kunos lieoster Spaziergang war zu dem alten Weiblein,<br />
das ihrr- einst das Leoen gerettet hatte. Es erzählte ihm immer<br />
vieles von seiner verstürbe. en Mutter und wieviel Gutes<br />
diese- an ihr ,?" sprach die Frau Gräfin verwundert.<br />
„Ei, der wird uns die Ehre ^ntun, tia zu sich einzuladen,<br />
und die schöne Sänfte hat er für mich mitgebracht, um mich<br />
abzuholen nach Hirschberig; nein, so viel Güte und Lebens,art<br />
hätte ich meinem Herrn Sohn, dem dummen Kuno, nicht<br />
zugetraut; eine Höflichkeit ist die andere wert, lasset uns<br />
hinabsteigen an das Schloßtor, ihn zu empfangen; macht auch<br />
freundliche Gesichter, vielleicht schenkt er uns in Hirschberg<br />
etwas, dir ein P.erd und dir einen Harnisch, und den<br />
Schmuck seiner Mutter hätte ich schon lang gern gehabt."
Jah 'aus 19E." H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 35<br />
„Geschenkt mag ich nichts von dem dummen Kuno", antwortete<br />
Wolf, „und ein gutes Gesicht mach ich ihm auch<br />
nicht. Aber unserem seligen Herrn Vater könnte er meinetwegen<br />
bald folgen, dann würden wir Hirschberg erben und<br />
alles, und Euch, Frau Mutter, wollten wir den Schmuck um<br />
billigen Preis ablassen." „So, du Range!" eiferte die Mutter,<br />
„abkaufen soll ich euch den Schmuck? Ist das der Dank dafür,<br />
daß ich euch Zollern verschafft habe? Kleiner Schalk,<br />
nicht wahr, ich soll den Schmuck umsonst haben?" „Umsonst<br />
ist der Tod, Frau Mutter!" erwiderte der Sohn lachend,<br />
„und wenn es wahr ist, daß der Schmuck so viel wert ist<br />
wie manches Schloß, so werden wir wohl nicht die Toren<br />
sein, ihn Euch um den Hals zu hängen. Sobald Kuno die<br />
Augen schließt, reiten wir hinunter, teilen ab, und meinen<br />
Teil am Schmuck verkaufe ich. Gebt ihr dann mehr als der<br />
Jude, Frau Mutter, so sollt Ihr ihn haben."<br />
Sie waren unter diesem Gespräch bis an das Schloßtor gekommen,<br />
und mit Mühe zwang sich die Frau Gräfin, ihren<br />
Grimm über den Schmuck zu unterdrücken, denn soeben ritt<br />
Kuno über die Zugbrücke. Als er seiner Stiefmutter und seiner<br />
Brüder ansichtig wurde, hielt er sein Pferd an, stieg ab<br />
und grüßte sie höflich. Denn obgleich sie ihm viel Leids angetan,<br />
bedachte er doch, daß es seine Brüder seien, und daß<br />
diese böse Frau sein Vater geliebt hatte. „Ei, das ist ja schön,<br />
daß der Herr Sohn uns auch besucht", sagte die Frau Gräfin<br />
mit süßer Stimme und huldreichem Lächeln. „Wie geht es<br />
denn auf Hirschberg? Kann man sich dort eingewöhnen?<br />
Und gar eine Sänfte hat man sich angeschafft? Ei, und wie<br />
prächtig, es dürfte sich keine Kaiserin daran schämen; nun<br />
wird wohl auch die Hausfrau nicht mehr lange fehlen, daß<br />
sie darin im Lande umherreist." „Habe bis jetzt noch nicht<br />
daran gedacht, gnädige Frau Mutter", erwiderte Kuno, „will<br />
Burg Hohenzollern Aufnahme von Christian Maute
36 HOHEN 7. OL E (SCHE HEIMAT JahrEanp 'Ho8<br />
mir deswegen andere Gesellschaft zur Unterhaltung ins Haus<br />
nehmen und bin deswegen mit der Sänfte hierher gereist."<br />
„Ei, Ihr seid gar gütig und besorgt", unterbrach ihn die<br />
Dame, indem sie sich verneigte und lächelte. „Denn er<br />
kommt doch nicht mehr gut zu Pferde fort", sprach Kuno<br />
ganz ruhig weiter, „der Pater Joseph nämlich, der alte<br />
Schloßkaplan. Ich will ihn zu mir nehmen, er ist mein alter<br />
Lehrer, und wir haben es so abgemacht, als ich Zollern verließ.<br />
Will auch unten am Berg die alte Frau Feldheimerin<br />
mitnehmen. Lieber Gott! sie ist jetzt steinalt und hat mir<br />
einst das Leben gerettet, als ich zum erstenmal ausritt mit<br />
meinem seligen Vater; habe ja Zimmer genug in Hirschberg,<br />
und dort soll sie absterben." Er sprach es und ging durch den<br />
Hof, um den Pater Schloßkaplan zu holen. Aber der Junker<br />
Wolf biß vor Grimm die Lippen zusammen, die Frau Gräfin<br />
wurde gelb vor Aerger, und der kleine Schalk lachte laut<br />
auf: „Was gebt ihr mir für meinen Gaul, den ich von ihm<br />
geschenkt kriege?" sagte er; „Bruder Wolf, gib mir deinen<br />
Harnisch, den er dir gegeben, dafür. Ha! ha! ha! den Pater<br />
und die alte Hexe will er zu sich nehmen? Das ist ein schönes<br />
Paar, da kann er nun vormittags Griechisch lernen beim<br />
Kaplan und nachmittags Unterricht im Hexen nehmen bei<br />
der Frau Feldheimerin. Ei! was macht doch der dumme<br />
Kuno für Streiche." „Er ist ein ganz gemeiner Mensch!" erwiderte<br />
die Frau Gräfin, „und du solltest nicht darüber<br />
lachen, kleiner Schalk; das ist eine Schande für die ganze<br />
Familie, und man muß sich ja schämen vor der ganzen Umgegend,<br />
wenn es heißt, der Graf von Zollern hat die alte<br />
Hexe, die Feldheimerin, abgeholt in einer prachtvollen Sänfte<br />
und Maulesel dabei, und läßt sie bei sich wohnen. Das hat<br />
er von seiner Mutter, die war auch immer so gemein mit<br />
Kranken und schlechtem Gesindel! Ach, sein Vater würde<br />
sich im Sarg wenden, wüßte er es," „Ja", setzte der kleine<br />
Schalk hinzu, „der Vater würde, noch in der Gruft sagen:<br />
Weiß schon, dummes Zeug!" „Wahrhaftig! da kommt er mit<br />
dem alten Mann und schämt sich nicht, ihn selber unter dem<br />
Arm zu führen", rief die Frau Gräfin mit Entsetzen, „kommt,<br />
ich will ihm nicht mehr begegnen." Sie entfernten sich, und<br />
Kuno geleitete seinen alten Lehrer bis an die Brücke und<br />
half ihm selbst in die Sänfte; unten aber am Berg hielt er<br />
vor der Hütte der Frau Feldheimerin und fand sie schon<br />
fertig, mit einem Bündel voll Gläschen und Töpfchen und<br />
Tränklein und anderem Gerät nebst ihrem Buchsbaumstöcklein<br />
einzusteigen. Es kam übrigens nicht also, wie die Frau<br />
Gräfin von Zollern in ihrem bösen Sinne hatte voraussehen<br />
wollen. In der ganzen Umgegend wunderte man sich nicht<br />
über den Ritter Kuno. Man fand es schön und löblich, daß<br />
er die letzten Tage der alten Frau Feldheimerin aufhe' ern<br />
wollte, man pries ihn als einen frommen Herrn, weil er den<br />
Pater Joseph in sein Schloß aufgenommen hatte. Die einzigen,<br />
die ihm eram waren und auf ihn schmähten, waren<br />
• eine Brüaer und die Gräfin. Aber nur zu ihrem Schaden,<br />
denn lan nahm allgemein ein Aergernis. an so unnatürlichen<br />
I il udern, und zur Wiederve rgeltung ging die Sage, daß sie mit<br />
ihrer Mutter schlecht und in beständigem Hader leben und<br />
unter sich selbst e ander alles Mögliche zuleide tun. Graf<br />
Kuno von Zollcin-Hirsc^berg machte mehrere Versuche, seine<br />
Brüder mit sich auszusöhnen; denn es war ihm unerträglich<br />
wenn sie oft an seiner Fe' e vorbeiritten,- aber nie einbrachen,<br />
wenn sie ihm in Wald und Feld begegneten und<br />
ihn kä er t igrüßter als emen Landfremden. Aber seine<br />
Versuche schlugen fehl, und er wurde noch überdies von<br />
ihnen verhöhnt.<br />
Eines Tages fiel ihm noch ein Mittel ein, wie er vielleicht<br />
inre Herzen gewltffieji könnte, denn er wußte, sie waren<br />
geizig und habgierig. Es lag «in Teich zwischen den drei<br />
Schlossern bänahe in der Mitte, jedoch so, daß er noch in-<br />
Kunos nevier gehörte. I diesem Teich befanden sich aber<br />
die besten, Hechte und Karpfen der ganzen Umgegend, und<br />
es war für die rsrüder. die ger n fischten ein nicht geringer<br />
Verar ß, daß ihr Vater vergessen hatte, den Teich auf ihr<br />
r - e ' 1 zu schreiben. Sie waren zu stolz, um ohne Vorwissen<br />
ihres Bruders dort zu fischen, und doch mochten sie ihm<br />
aucn kern gutes Wort geb'en, daß er es ihnen erlauben<br />
ir «-rite. Nun kannte er abr?r seine Brüder, daß ihnen der<br />
Teich am Herzen liegen er lud sie daher eines Tages ein,<br />
mit ihm dort zusammenzukommen. Es war ein schöner Früh-<br />
-ngsmorgen, als beinahe in demselben Augenblick die drei<br />
Brüder 'on den drei Bu'rgen dort zusammenkamen. „Ei! sieh<br />
da", rief der kleine Schalk, „das trifft sich ordentlich! Ich<br />
bin mit, Schlag sieben Uhr von Schalksberg weggeritten."<br />
„Ich auch" — „und ich", antworteten die Brüder vom<br />
Hirschberg und von Zollern. „Nun, da muß der Teich hier<br />
gerade in der Mitte liegen", fuhr der Kleine fort. „Es ist<br />
ein schönes Wasser." „Ja, und eben darum habe ich euch<br />
hierher beschieden. Ich weiß, ihr seid beide große Freunde<br />
vom Fischen, und ob ich gleich auch zuweilen gern die<br />
Angel auswerfe, so hat doch der Weiher Fische genug für<br />
drei Schlösser, und an seinen Ufern ist Platz genug für unserer<br />
drei, selbst wenn wir alle auf einmal zu angeln kämen.<br />
Darum will ich von heute an, daß dieses Wasser Gemeingut<br />
für uns sei, und jeder von euch soll gleiche Rechte daran<br />
haben wie ich." „Ei, der Herr Bruder ist ja gewaltig gnädig<br />
gesinnt", sprach der kleine Schalk mit höhnischem Lächeln,<br />
„gibt uns wahrhaft sechs Morgen Wasser und ein paar hundert<br />
Fischlein! Nun — was werden wir dagegen geben<br />
müssen? Denn umsonst ist der Tod!" „Umsonst sollt ihr ihn<br />
haben", sagte Kuno, „ach! ich möchte ja euch nur zuweilen<br />
an diesem Teich sehen und sprechen. Sind ir doch eines<br />
Vaters Söhne." „Nein!" erwiderte der von Schalksburg, „das<br />
ginge schon nicht, denn es ist nichts Einfältigeres, als in Gesellschaft<br />
zu fischen, es verjagt immer einer dem andern die<br />
Fische. Wollen wir aber Tage ausmachen, etwa Montag und<br />
Donnerstag du, Kuno, Dienstag und Freitag Wolf, Mittwoch<br />
und Sonnabend ich — so ist es mir recht." „Mir nicht einmal<br />
dann", rief der finstere Wolf. „Geschenkt will ich nichts<br />
haben und will auch mit niemand teilen. Du hast recht,<br />
Kuno, daß du uns den Weiher anbietest, denn wir haben<br />
eigentlich alle drei gleichen Anteil daran, aber lasset uns<br />
darum würfeln, wer ihn in Zukunft besitzen soll; werde ich<br />
glücklicher sein als ihr, so könnt ihr immer bei mir anfragen,<br />
ob ihr fischen dürfet." „Ich würfle nie", entgegnete Kuno,<br />
traurig über die Verstocktheit seiner Brüder. „Ja freilich",<br />
lachte der kleine Schalk, „er ist ja gar fromm und gottesfürchtig,<br />
der Herr Bruder, und hält das Würfelspiel für eine<br />
Todsünde. Aber ich will euch was anderes vorschlagen, woran<br />
sich der frömmste Klausner nicht schämen dürfte. Wir wollen<br />
uns Angelschnüre und Haken holen, und wer diesen<br />
Morgen, bis die Glocke in Zollern zwölf Uhr schlägt, die<br />
meisten Fische angelt, soll den Weiher eigen haben." „Ich bin<br />
eigentlich ein Tor", sprach Kuno, „um das noch zu kämpfen,<br />
was mir mit Recht als Erbe zugehört. Aber damit ihr sehet,<br />
daß es mir mit der Teilung ernst war, will ich mein Fischgerät<br />
holen."<br />
Sie ritten heim, jeder nach seinem Schloß. Die Zwillinge<br />
schickten in aller Eile ihre Diener aus, ließen alle alten<br />
Steine aufheben, um Würmer zur Lockspeise für die Fische<br />
im Teich zu finden, Kuno aber nahm sein gewöhnliches Angielzeug<br />
und die Speise, die ihn einst Frau Feldheimerin zubereiten<br />
gelehrt, und war der erste, der wieder auf dem<br />
Platz erschien. Er ließ, als die beiden Zwillinge kamen, diese<br />
die besten und bequemsten Stellen auswählen und warf dann<br />
selbst seine Angel in den Teich aus. Da war es, als ob die<br />
Fische in ihm den Herrn dieses Teiches erkannt hätten.<br />
Ganze Züge von Karpfen und Hechten zogen heran und<br />
wimmelten um seine Angeln. Die ältesten und größten drängten<br />
die kleinen weg, jeden Augenblick -og er einen heraus,<br />
und wenn er die Angein wieder ins Wasser warf, sperrten<br />
schon zwanzig, dreißig die Mäuler auf, um an den spitzigen<br />
Haken anzubeißen. Es hatte noch nicht zw
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 37<br />
weit man von der Zinne von Zollern sehen kann! Geh, geh,<br />
Frau Feldheimerin ist nichts als ein törichtes, altes Weib und<br />
du der dumme Kuno." Nach diesen Worten entfernte sich der<br />
Kleine eilig, denn er fürchtete den starken Arm seines Bruders,<br />
und Wolf folgte ihm, indem er alle Flüche hersagte, die<br />
er von seinem Vater gelernt hatte. In tiefster Seele betrübt<br />
ging Kuno nach Hause, denn er sah jetzt deutlich, daß seine<br />
Brüder nie mehr mit ihm sich vertragen wollten. Er nahm<br />
sich auch ihre harten Worte so sehr zu Herzen, daß er des<br />
andern Tages sehr krank wurde, und nur der Trost des<br />
würdigen Pater Joseph und die kräftigen Tränklein der Frau<br />
Feldheimerin retteten ihn vom Tode.<br />
4.<br />
Als aber seine Brüder erfuhren, daß ihr Bruder Kuno<br />
schwer darniederliege, hielten sie ein fröhliches Bankett, und<br />
im Weinmut sagten sie sich zu, wenn der dumme Kuno<br />
sterbe, so solle der, welcher es zuerst erfahre, alle Kanonen<br />
lösen, um es dem andern anzuzeigen, und wer zuerst schieße,<br />
solle das beste Faß Wein aus Kunos Keller vorweg nehmen<br />
dürfen. Wolf ließ von da an immer einen Diener in der Nähe<br />
von Hirschberg Wache halten, und der kleine Schalk bestach<br />
sogar einen Diener Kunos mit vielem Geld, damit er es ihm<br />
schnell anzeige, wenn sein Herr in den letzten Zügen liege.<br />
Dieser Knecht aber war seinem milden und frommen Herrn<br />
mehr zugetan als dem bösen Grafen von Schalksburg. Er<br />
fragte also eines Abends Frau Feldheimerin teilnehmend<br />
nach dem Befinden seines Herrn, und als diese sagte, daß es<br />
ganz gut mit ihm stehe, erzählte er ihr den Anschlag der<br />
beiden Brüder, und daß sie Freudenschüsse tun wollten auf<br />
des Grafen Kunos Tod. Darüber ergrimmte die Alte sehr. Sie<br />
erzählte es flugs wieder dem Grafen, und als dieser an eine<br />
Zollernschloß in Balingen Aufnahme von Christian Maute
38 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
so große Lieblosigkeit der Brüder nicht glauben wollte, so<br />
riet sie ihm, er solle die Probe machen und aussprengen<br />
lassen, er sei tot, so werde man bald hören, ob sie kanonieren,<br />
ob nicht. Der Graf ließ den Diener, den sein Bruder<br />
bestochen, vor sich kommen, befragte ihn nochmals und befahl<br />
ihm, nach Schalksburg zu reiten und sein nahes Ende<br />
zu verkünden. Als nun der Knecht eilends den Hirschberg<br />
herabritt, sah ihn der Diener des Grafen von Zollern, hielt<br />
ihn an und fragte, wohin er so eilends zu reiten willens sei.<br />
„Ach", sagte dieser, „mein armer Herr wird diesen Abend<br />
nicht überleben, sie haben ihn alle aufgegeben." „So? Ist's<br />
um diese Zeit?" rief jener, lief nach seinem Pferd, schwang<br />
sich auf und jagte so eilends nach Zollern und den Schloßberg<br />
hinan, daß sein Pferd am Tore niederfiel, und er selbst<br />
nur noch „Graf Kuno stirbt!" rufen konnte, ehe er ohnmächtig<br />
wurde. Da donnerten die Kanonen von Hohenzollern<br />
herab, Graf Wolf freute sich mit seiner Mutter über das<br />
gute Faß Wein und das Erbe, den Teich, über dien Schmuck<br />
und den starken Widerhall, den seine Kanonen gaben. Aber<br />
was er für Widerhall gehalten, waren die Kanonen von<br />
Schalksberg, und Wolf sagte lächelnd zu seiner Mutter: „So<br />
hat der Kleine auch einen Spion gehabt, und wir müssen<br />
auch den Wein gleich teilen wie das übrige Erbe." Dann aber<br />
saß er zu Pferd, denn er argwohnte, der kleine Schalk möchte<br />
ihm zuvorkommen und vielleicht einige Kostbarkeiten des<br />
Verstorbenen wegnehmen, ehe er käme. Aber am Fischteich<br />
begegneten sich die beiden Brüder, und jeder errötete vor<br />
dem andern, weil beide zuerst nach Hirschberg hatten kommen<br />
wollen. Von Kuno sprachen sie kein Wort, als sie zusammen<br />
ihren Weg fortsetzten, sondern sie berieten sich brüderlich,<br />
wie man es in Zukunft halten wolle, und wem der<br />
Hirschberg gehören solle. Wie sie aber über die Zugbrücke<br />
und in den Schloßhof ritten, da schaute ihr Bruder wohlbehalten<br />
und gesund zum Fenster heraus; aber Zorn und Unmut<br />
sprühten aus seinen Blicken. Die Brüder erschraken<br />
sehr, als sie ihn sahen, hielten ihn anfänglich für ein Gespenst<br />
und bekreuzten sich; als sie aber sahen, daß er noch<br />
Fleisch und Blut habe, rief Wolf: „Ei, so wollt' ich doch!<br />
Dummes Zeuig, ich glaubte, du wärest gestorben." „Nun, aufgeschoben<br />
ist nicht aufgehoben", sagte der Kleine, der mit<br />
giftigen Blicken nach seinem Bruder hinaufschaute. Dieser<br />
aber sprach mit donnernder Stimme: „Von dieser Stunde<br />
an sind alle Bande der Verwandtschaft zwischen uns los und<br />
ledig. Ich habe eure Freudenschüsse wohl vernommen; aber<br />
sehet zu, auch ich habe fünf Feldschlangen hier auf dem<br />
Hof stehen und habe sie euch zu Ehren scharf laden lassen.<br />
Machet, daß ihr aus dem Bereich meiner Kugeln kommt, ihr<br />
erfahret sonst, wie man auf Hirschberg schießt." Sie ließen<br />
es sich nicht zweimal sagen, denn sie sahen ihm an, wie<br />
ernst es ihm war; sie gaben also ihren Pferden die Sporen<br />
und hielten einen Wettlauf den Berg hinunter, und ihr Bruder<br />
schoß eine Stückkugel hinter ihnen her, die über ihren<br />
Köpfen wegsauste, daß sie beide zugleich eine tiefe und höfliche<br />
Verbeugung machten; er wollte sie aber nur schrecken<br />
und nicht verwunden. „Warum hast du denn geschossen?"<br />
fragte der kleine Schalk unmutig „Du Tor, ich schoß nur:<br />
weil ich dich hörte:* „Im Gegenteil, frag' nur die Mutter!"<br />
erwiderte Wolf. „Du hast zuerst geschossen, und nasi die<br />
Schande übe 1 " uns gebracht, kleiner Dachs." Der Kleine blieb<br />
ihm keinen Ehrentitel schuldig, und als sie am Fischteich<br />
angekommen waren, gaben sie sich gegenseitig noch die vom<br />
alten Wetter vo Zoliern geerbten Flüche zum besten und<br />
trennten sich in Haß und Unlust.<br />
Tags darauf aber machte Kuno sein Testament, und Frau<br />
Feidneimerin sagte zum Pater: „Ich wollte was wetten, er<br />
hat keinen guten Brief für die Schützen geschrieben." Aber<br />
so neugierig sie war, und so oft sie in ihren Liebling drang,<br />
er sagte ihr nicht, was im Testament stehe, und sie erfuhr<br />
es auch nimmer, denn ein Jahr nachher verschied die gute<br />
Frau, und ihre Salben und Tränklem halfen ihr nichts; denn<br />
sie str :b an keiner Krankheit, sondern am achtundneunzigsten<br />
Jahr, las auch einen ganz gesunden Menschen unter<br />
den Boden bringen kann. Graf Kuno ließ sie bestatten, als<br />
ob sie nicht eine arme Frau, sondern seine Mutter gewesen<br />
w?re, uni' eis kam ihm nachher noch viel einsamer vor auf<br />
seinem Schloß, besonders da der Pater Joseph der Frau Feidheimerin<br />
bald folgte. Doch diese Einsamkeit fühlte er nicht<br />
sehr lang;e; der gute Kuno starb schon m seinem achtundzwanzigsten<br />
Jahr, ur>^ böse Leute behaupten an Gift, das<br />
ihm der kleine Schalk beigebracht hatte.<br />
5.<br />
Wie dem aber auch sei, einige Stunden nach seinem Tod<br />
vernahm TTiaTi wieder den Donner der Kanonen, und in Zollern<br />
und Schalksberg tat man fünfundzwanzig Schüsse.<br />
„Diesmal hat er aoen daran glauoen müssen", sagte der<br />
Schalk, als sie unterwegs zusammentrafen<br />
„Ja", antwortete Wolf, „und wenn er noch einmal aufersteht<br />
und zum Fenster herausschimpft wie damals, so hao'<br />
ich eine Büchse bei mir, die ihn höflich und stumm machen<br />
soll."<br />
Als sie den Schloßberg hinanritten, gesellte sich ein Reiter<br />
mit Gefolge zu ihnen, den sie nicht kannten. Sie glaubten,<br />
er sei vielleicht ein Freund ihres Bruders und komme, um<br />
ihn beisetzen zu helfen. Daher gebärdeten sie sich kläglich,<br />
priesen vor ihm den Verstorbenen, beklagten sein frühes<br />
Hinscheiden, und der kleine Schalk preßte sich sogar einige<br />
Krokodiltränen aus.<br />
Der Ritter antwortete ihnen aber nicht, sondern ritt still<br />
und stumm an ihrer Seite den Hirschberg hinauf „So, jetzt<br />
wollen wir es uns bequem machen, und Wein herbei, Kellermeister,<br />
vom besten!" rief Wolf, als er abstieg.<br />
Sie gingen die Wendeltreppen hinauf und in den Saal, auch<br />
dahin folgte ihnen der stumme Reiter, und als sich die Zwillinge<br />
ganz breit an den Tisch gesetzt hatten, zog jener ein<br />
Silberstück aus dem Wams, warf es auf den Schiefertisch,<br />
daß es umherrollte und klingelte, und sprach:'„So, und da<br />
habt ihr jetzt euer Erbe, und es wird just recht sein, ein<br />
Hirsch gülden."<br />
Da sahen sich die Brüder verwundert an, lachten und fragten<br />
ihn, was er damit sagen wolle.<br />
Der Ritter aber zog ein Pergament hervor, mit hinlänglichen<br />
Siegeln; darin hatte der dumme Kuno alle Feindseligkeiten<br />
aufgezeichnet, die ihm die Brüder bei Lebzeiten bewiesen,<br />
und am Ende hatte er verordnet und bekannt, daß<br />
sein ganzes Erbe, Hab und Gut, außer dem Schmuck seiner<br />
seligen Frau Mutter, auf den Fall seines Todes an Württemberg<br />
verkauft sei, und zwar um einen elenden Hirschgulden!<br />
Um dien Schmuck aber solle man in der Stadt Balingen ein<br />
Armenhaus erbauen.<br />
Da erstaunten nun die Brüder abermals, lachten aber nicht<br />
dazu, sondern bissen die Zähne zusammen, denn sie konnten<br />
gegen Württemberg nichts ausrichten, und so hatten sie das<br />
schöne Gut, Wald, Feld, die Stadt Balingen und selbst — den<br />
Fischteich verloren und nichts geerbt als einen schlechten<br />
Hirschgulden. Den steckte Wolf trotzig in sein Wams, sagte<br />
nicht ja und nicht nein, warf sein Barett auf den Kopf und<br />
ging trotzig und ohne Gruß an dem württembergischen Kommissär<br />
vorbei, schwang sich auf sein Roß und ritt nach Zollern.<br />
Als ihn am anderen Morgen seine Mutter mit Vorwürfen<br />
plagte, daß sie Gut und Schmuck verscherzt hätten, ritt er<br />
hinüber zum Schalk auf der Schalksburg: „Wollen wir unser<br />
Erbe verspielen oder vertrinken?" fragte er ihn.<br />
„Vertrinken ist besser", sagte der Schalk, „dann haben wir<br />
beide gewonnen. Wir wollen nach Balingen reiten und uns<br />
den Le iten zum Trotz dort sehen lassen, wenn wir auch<br />
gleich das Städtlein schmählich verloren."<br />
„Und im Lamm schenkt man Roten, der Kaiser trinkt ihn<br />
nicht besser", setzte Wolf hinzu.<br />
So ritten sie miteinander nach Balingen ins Lamm u ri i<br />
fragten, was die Maß vom Roten koste, und tra ken sich<br />
zu, bis der Guiden voll war. Dann 'tand Wolf auf, zo? das<br />
Silberstück mit dem springenden Hirscl aus ^em Waris,<br />
warf es auf den Tisch und sprach: „Da habt ihr Euren Gulden,<br />
so wird's richtig sein." Der Wirt aber nahm de-i Gulden,<br />
besah ihn links, besah ihn rechts und sagte lächeLid: „Ja,<br />
wenn es kein Hirschgulden wär', aber gestern nacht kam der<br />
Bote von Stuttgart, und heute früh hat man ausgetrommelt<br />
im Namen 3es Grafen von /urttemberg, dem jetzt das<br />
Städtlein eigen; die sind außer Kurs, und gebt mi. htir inderes<br />
Geld." Da sahen sich die beiden Brüder erbleichend<br />
an. „Zahl' aus", sagte der eine. „Hast du keine Münze?"<br />
fragte der andere, und kurz, sie mußten den Gulden schuldig<br />
bleiben im Lamm in Baiingen. Sie zogen schweigend und<br />
nachdenkend ihren Weg. Als sie aber an den Kreuzweg<br />
Kamen ,wo es rechts nach Zollern und links nach Schalksoerg<br />
ging, da sagte der Schalk: „Wie mm? Jetzt haben wir<br />
sogar weniger geerbt als gar nichts, und der Wein war überdies<br />
schlecht." „Jawohl", erwiderte sein ferudBr. „.-bei- was<br />
die Feidneimerin sagte, ist doch eingetroffen: Seht zu, wieviel<br />
von seinem Erbe übrig bleiben wird um einen Hirschgulden!<br />
Jetzt haben wir nicht einmal ein Maß Wein dafür<br />
kaufen können."<br />
„Weiß schon!" antwortete der von der Schalksburg.<br />
„Dummes Zeug!" sagte der Zollern und ritt zerfallen mit<br />
sich und der Welt seinem Schloß zu.
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 39<br />
Am 19. April 1958 starb in Rangendingen im 82. Lebensjahr<br />
Herr Regierungsdirektor i. R. Michael Walter.<br />
Seine zahlreichen, unentgeltlichen Beiträge für die „Hohenzollerische<br />
Heimat", besonders die geologischen Abhandlungen, bleiben ein dau-<br />
erndes Denkmal des erfolgreichen Heimatforschers mit seinem um-<br />
fassenden Wissen.<br />
„Der ist in tiefster Seele treu,<br />
der die Heimat liebt wie Du!"<br />
Verlag und Schriftleitung.<br />
n^Teü_ Wessenberg-Briefe im Pfarrarchiv zu Gruol<br />
— 1 —<br />
Wer ist Wessenberg? Er ist der Generalvikar des Fürstbischofs<br />
Karl von Dalberg und später der Bistumsverweser<br />
der sterbenden Diözese Konstanz. Ohne im Besitz der erforderlichen<br />
geistigen und geistlichen Vorbildung zu sein, wird<br />
ihm (28jährig) 1802 das verantwortungsvolle Amt angeboten<br />
und übertragen; zehn Jahre später (erst 1812) läßt er sich die<br />
Priesterweihe geben. Die Luft, die er in der ersten Lebenshälfte<br />
einatmet, ist geschwängert und geladen von den Miasmen<br />
und Bazillen der Aufklärung, die Sturm und Drang bedeutet<br />
für das bürgerliche und religiöse Leben, die mit den<br />
bisherigen Weltanschauungsmaximen brechen, alle Welträtsel<br />
durch Verstand und Vernunft meistern und erklären und die<br />
Menschen einem blühenden Geistesfrühling entgegenführen<br />
will. Wer kann sich wundern, wenn der feurige Wessenberg<br />
mit Herz und Hand nach den neuen Ideen der Aufklärungszeit<br />
greift, die etwa von 1780 an das Land durchzittert und<br />
um 1840 noch nicht ganz überwunden ist.<br />
Sicherlich hat diese Zeit neben vielen Schäden auch gute<br />
Früchte zur Reife gebracht, hat faule und morsche Aepfel<br />
abgeworfen und neue Wege gewiesen und eine Brücke geschlagen<br />
zu den Anschauungen und dem Leben von heute.<br />
Bei allem freiheitlichen Streben will der Generalvikar jedoch<br />
nicht: wissen von einer gänzlichen, schismatischen Trennung<br />
vom Papste, höchstens von einer Erweiterung der bischöflichen<br />
Machtbefugnisse, und landesgemäßem Zusammenschlüsse<br />
unter einem Primas und von weitgehender Toleranz<br />
gegen alle Konfessionen. Als dann nach einem Bestehen von<br />
mehr als 1500 Jahren der Bischofsthron in Konstanz 1827 zusammenbrach,<br />
gelang es dem Herrn von Wessenberg nicht,<br />
wunschgemäß erster Oberhirte in Freiburg zu werden. Unermüdlich<br />
hat er gearbeitet und Kraft und Fähigkeiten vertan,<br />
ohne dabei, selbst mit bestem Willen, zum erhofften Ziel<br />
zu kommen.<br />
Tatenlos weiter zu leben, ist ihm zuwider; er fängt an,<br />
Werke der Caritas und der Dichtkunst zu schaffen und die<br />
Rolle eines Kunstmäzens zu spielen. Freundschaftliche Beziehungen<br />
unterhält er mit Canova und Thorwaldsen in Rom,<br />
mit Overbeck und Cornelius, besonders aber mit der Konstanzer<br />
Malerin Marie Elienrieder, die 1818 auch ein Bild von<br />
ihm geschaffen hat. - Auch einen „Freund der Dichter" darf<br />
man Wessenberg nennen, der nicht nur selber der Welt poetische<br />
Herzensergüsse präsentiert, sondern auch im regen Verkehr<br />
mit den zeitgenössischen Dichtern steht. Mit Goethe und<br />
Schiller hat er allerdings keine unmittelbare Berührung,<br />
wohl aber mit Heinrich Voß. mit Peter Hebel, mit Christoph<br />
Schmid, mit dem Schweizer .Johann Gaudenz von Salis-Seewies,<br />
mit Heinrich Zschokke, mit Gustav Schwab und Annette<br />
von Droste-Hülshoff. Durch seinen Briefwechsel mit Clemens<br />
Brentano entpuppte er sich auch als Mitarbeiter an der Liedersammlung<br />
„Des Knaben Wunderhorn". Seinem Lebensherbst<br />
macht 1860 der Tod ein Ende im 86igsten Jahre. Und<br />
sie senkten seinen Sarg ir Schiff der Münsterkirche zu Konstanz<br />
in die Gruft, wo die Grabplatte heute noch vorhanden<br />
ist.<br />
— 2 —<br />
Dank seinem angeborenen guten Gespür weiß Herr von<br />
Wessenberg als Generalvikar unter dem Klerus recht bald<br />
seine Gesinnungsfreunde ausfindig und seinen Ideen dienstlich<br />
zu machen; er findet auch Wilhelm Mercy, den<br />
Pfarrer von Gruol. 1753 in Ueberlingen geboren; 1770 erfolgt<br />
sein Eintritt in das Prämonstratenserkloster Rot; 1777<br />
ist in Konstanz seine Priesterweihe. Die ersten zehn Priesterjahre<br />
verbringt der talentvolle Mönch im Dienste seines Klosters<br />
als gefeierter Kanzelredner und Wallfahrtspriester und<br />
wirft sich mit Feuereifer auf das zeitgenössische theologische<br />
und philosophische Schrifttum. Da fängt es an, zu gären und<br />
zu brodeln in seiner Seele; es ist nicht mehr gut bestellt um<br />
seinen inneren Frieden und seine Ruhe, Er schreibt später:<br />
„Im Anfang war ich selig; man kann von dem süßen Gefühl<br />
der Andacht sagen, was man von der Liebe sagt: ein glücklicher<br />
ätherischer Zustand, wenn er nur dauerhaft wäre."<br />
Wie mit eisernen Banden fühlt er die Bibel an sein Herz geschmiedet;<br />
sie bleibt sein „geliebtestes und teuerstes Büch."<br />
Er besorgt sich in dieser Zeit mit eigener Hand von den vier<br />
Evangelien eine Abschrift und äußert vor seinem Ende, daß<br />
•r<br />
Generalvikar v. Wessenberg - Gemalt von Marie Elienrieder
40 HOHENZOL E 1SCH EIMAT Jahrgang<br />
er einst, dieses Manuskript als ein Denkmal seiner Verehrung<br />
gegen Gottes Wort auf sein erblaßtes Herz gelegt, im Sarge<br />
zu ruhen wünsche.<br />
Ein tiefer Einschnitt im Lebensgang Mercy's bedeutet seine<br />
Predigeranstellung bei dem katholischen Herzog Karl Eugen<br />
in Stuttgart 1787, an dessen Hof die religiöse Aufklärung<br />
eine hervorragende Heimstätte hatte, ja durch den Herzog<br />
selber in jeder Art und Weise gefördert wurde. Im ersten<br />
Jahr trägt er noch das weiße Ordenskleid; dann wird für<br />
ihn, wie es schon für andere Hofprediger geschehen ist, die<br />
Säkularisation in Rom erwirkt, und zwei Jahre später wird<br />
er vom Bischof in Konstanz in den Weltklerus aufgenommen<br />
mit der Berechtigung, sich um eine Pfarrstelle bewerben zu<br />
können. Einige seiner Mitarbeiter seien erwähnt: Benedikt<br />
Werkmeister, früher Benediktiner in Neresheim,<br />
Eulogius Schneider, einst Franziskaner in Bamberg<br />
(er bleibt nur 2 Jahre am Hofe, jagt dann unstet allen Irrlichtern<br />
nach und findet in Paris ein trauriges Ende), weiterhin<br />
Gorgoni Frey, einst Kapuziner in Biberach, und<br />
U1 r i ch Mayer, ehemals Zisterzienser in Kaisheim. Sie<br />
alle sind hellklingende Namen von Männern, die versammelt<br />
sind in Stuttgart unter den schützenden Fittichen des reformfreudigen<br />
Herzogs und nun nach Lust und Laune wühlen<br />
können im bisher wohlgepflegten Garten der kirchlichen<br />
Satzungen und des kirchlichen Brauchtums. Unter ihnen ist<br />
nun auch Mercy, der jetzt die vielfältigen Bestrebungen seines<br />
Geistes zu verwirklichen und als glänzender Stern am<br />
Aufklärungshimmel zu leuchten imstande ist. — Was ist zu<br />
halten von seiner Tätigkeit? Eine Stimme sagt: „Auf der<br />
Kanzel entwickelte er ein überragendes Talent; er riß seine<br />
Zuhörer im Strome einer beredten Darstellung mit sich fort."<br />
Und Staatsminister von Reischach schreibt ihm: „Ihre salbungsvollen<br />
Worte dringen zu Herzen und befruchten wie<br />
Himmelstau ein dürres Erdreich."<br />
Als die Lebenstage des Herzogs sichtlich dem Ende zugingen,<br />
sieht sich Mercy um eine anderweitige Stellung um.<br />
1794 wird er auf seine Bitten hin aus dem Hofamte entlassen;<br />
dann übt er noch eine Zeitlang die Seelsorge in Stuttgart<br />
aus und verbringt mehr als ein Jahr in seiner Heimat Ueberlingen.<br />
1798 erhält er von Fürst Anton Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
die Pfarrei Gruol, den er in Krauchenwies<br />
kennen gelernt hatte. Hier lebte und wirkte er inmitten<br />
seiner Pfarrkinder bis zum Eintritt in den Ruhestand im<br />
Jahre 1819. Im dortigen Frauenkloster stirbt er als Pensionär<br />
1825. Seinen Grabplatz hat er sich selber ausgewählt; nur<br />
ein bescheidenes Holzkreuz soll seine Ruhestätte bezeichnen.<br />
Beim Kirchenneubau 1848/50 sind Grab und Kreuz verschwunden.<br />
In kirchlicher Beziehung erhoffte er alles Heil von der<br />
Aufklärung; den Gottesdienst will er von allen Ueberladungen<br />
reinigen und alle Nebenandachten verschwinden lassen.<br />
Wilhelm Mercy<br />
In sozialer Hinsicht ist er äußerst rührig und tätig, besonders<br />
auf dem Gebiet des Armen- und Schulwesens.<br />
— 3 —<br />
Im Pfarrarchiv zu Gruol finden sich noch 59 Briefe, die<br />
einstmals Generalvikar Wessenberg seinem Gesinnungsfreunde<br />
Pfarrer Mercy schrieb, dem er in allen Amtsfragen<br />
sein volles Vertrauen schenkt und den er in allen Lebenslagen<br />
um einen guten Rat angeht. Er zählt ihm eine ganze<br />
Reihe von Gegenständen auf, die er im „Archiv für Pastoralconferenzen"<br />
behandeln sollte: „Ueber die Mittel, Klöster<br />
nützlich zu machen", „über die Mängel unseres Katechismus",<br />
„über die Liturgie nach dem Geiste des Apostels Paulus",<br />
„über Wallfahrten und Prozessionen" (1803). — Im November<br />
desselben Jahres schreibt er ihm: „Ihr Aufsatz über<br />
Priesterbildung enthält viele geistreiche Bemerkungen; vielleicht<br />
wird man hie und da in die Notwendigkeit versetzt<br />
werden, zur Privatbildung seine Zuflucht zu nehmen. Diese<br />
wäre sehr erwünscht, wenn es viele Seelsorger gäbe wie<br />
Pfarrer Mercy." — Sehr verübelt hat er dem Pfarrer von<br />
Gruol, daß er an Veitstag 1804 den bisher üblichen Gottesdienst<br />
bei der Friedhofskapelle hielt. Und er schreibt ihm:<br />
„Folgende Nachricht hat mich sehr befremdet. Man schreibt<br />
mir: Euer Hochwürden hat das Patrozinium des hl. Vitus<br />
am Tage selbst mit feierlichem Gottesdienst und Predigt begangen.<br />
Dieser Vorgang, der geradezu der bischöflichen Anordnung<br />
widerstreitet, hat in der Nachbarschaft die lauteste<br />
Sensation verursacht, muntert die einen zur Uebertretung<br />
auf und schlägt den Mut der anderen nieder; mich aber<br />
hat er ausnehmend betrübt und ohne die Hochachtung und<br />
Freundschaft, welche ich Ihnen wegen Ihrem Geist, Ihrem<br />
Eifer und Ihren Ansichten gewidmet habe, würde ich Ihnen<br />
nicht einen freundschaftlichen Brief schreiben. Aber bei der<br />
guten Sache rufe ich Sie auf, alles anzuwenden, um das<br />
Geschehene wieder gut zu machen und der bischöflichen Verordnung<br />
das entzogene Ansehen in Ihrer Gegend wieder zu<br />
verschaffen" (9. Juli 1804). — Ein großer Stein des Anstoßes<br />
waren für den aufgeklärten Kirchenführer in Konstanz die<br />
Feld-, Weg- und Wallfahrtskapellen. Darum braucht man<br />
sich nicht zu wundern, wenn in der Zeit von 1800—1830 zahlreiche<br />
kleine Heiligtümer (auch in Hohenzollern einem Vernichtungsfeldzug<br />
zum Opfer gefallen sind; ja, es wäre noch<br />
eine größere Zahl verschwunden, wenn nicht die Bürger und<br />
Dorfgemeinden sich ihrer angenommen und in unsere Zeit<br />
gerettet hätten.<br />
Ein Dorn im Auge ist dem Herrn Bistumsverweser Clemens<br />
Hofbauer und seine Genossenschaft, die Redemptoristen-Congregation,<br />
wogegen er mehr als einmal seinen Unwillen<br />
äußert: „Des Herrn Stelzers Predigt habe ich gut gefunden.<br />
Es ist mir schon daran gelegen, daß die jungen Geistlichen<br />
zu Tryberg durch exemplarische Aufführung ihren<br />
Lehrern und ihrem Stande Ehre machen. Dies ist das beste<br />
Mittel, den fatalen Eindruck, den die fanatischen Mönche<br />
aus Polen dort gemacht haben, zu vertilgen. Warum der weltliche<br />
Arm diese Schwärmer, die vom Bischof suspendiert sind,<br />
nicht fortweist, weiß ich nicht. (25. Juni 1806). Kaum war<br />
Hofbauer mit seinen Genossen 14 Tage an der Wallfahrtskirche<br />
zu Triberg tätig, da erweckte er schon den Neid und<br />
Zorn aufklärungstüchtiger Priester, die ihm den Aufenthalt<br />
und das Wirken unmöglich machten. — Auch anderen Orden<br />
war Wessenberg nicht gewogen. So schreibt er an Mercy im<br />
August 1808: „Die Franziskaner in Hechingen bedürfen wesentlich<br />
der Reform, Es scheint, die Mönche des 19. Jahrhunderts<br />
haben das Gelübde des Gehorsams vergessen Sie<br />
werden mir. liebster Freund, nicht verübeln, wenn ich dem<br />
Eigensinn der Mönche Standhaftigkeit entgegensetze. Sind<br />
einmal die bösen Geister mit Emst ausgetrieben, so werde<br />
ich mit wahrem Vergnügen als Genius der Liebe in dem<br />
Kloster einkehren." — Auch an den Frauenklöstern findet er<br />
Unvollkommenheiten: „An den Eigensinn der Nonnen solle<br />
man sich bei der Einführung des deutschen Breviers nicht<br />
kehren. Sie schmähen, was sie nicht kennen" (1805),<br />
„Ich fühle das Bedürfnis, daß unser Vclk nach und nach<br />
immer mehr mit der hl. Schrift bekannt gemacht werde. Ich<br />
ersuche Sie dringend, mir in Kürze anzuzeigen, welche<br />
Bruchstücke des Evangeliums Sie für die Fastenzeit passend<br />
finden." (1806V — Jahr für Jahr bekommt Mercy den Entwurf<br />
des künftigen Fastenhirtenbriefes zur Korrektur zugesandt;<br />
und jedesmal mit ungefähr denselben Worten: „Im<br />
Vertrauen teile ich Ihnen, mein wertester Freund, den Entwurf<br />
des Fastendekretes mit und ersuche Sie, Sie möchten<br />
mir recht offen und freimutig eröffnen, was Sie daran geändert,<br />
hinzugesetzt und verbessert wünschen" (1806). —<br />
„Was die Holzweihe am Charsamstag betrifft, die nur geeignet<br />
ist, schiefe Begriffe zu unterhalten, glaube *ch, daß es unbedenklich<br />
wäre, sie durch ein schriftliches Zirkular einzu-
Jahrgang 1 9V HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 4.1<br />
stellen; gut wäre es, die weltliche Regierung würde diese<br />
Einstellung vom Bischof verlangen" (1806). — „Verdiente und<br />
eifrige Pfarrer berichten mir, daß die Regierung zu Sigmaringen<br />
jede liturgische Verbesserung mit dem weltlichen<br />
Bann belegen wolle und sogar die deutschen Evangelien bereits<br />
eingeboten habe. Ich bitte Sie, die H. H. Regierungsräte<br />
zu Sigmaringen auf bessere Gesinnung zu bringen. Wenn die<br />
weltliche Behörde die eifrigen und gutgesinnten Seelsorger<br />
Jakob<br />
Jakob Barth wurde in Gammertingen als ältester Sohn des<br />
Webers Josef Barth und seiner Ehefrau Crescentia geb. Reiser<br />
am 23. 7. 1825 geboren. Er wollte Lehrer werden. Nach<br />
der Entlassung aus der Volksschule 1839 erhielt er Unterricht<br />
bei Lehrer Reiser, einem Verwandten der Mutter. Von 1843<br />
bis 1845 besuchte er das Lehrerseminar in Habsthal (von<br />
Patres geführt) mit gutem Erfolg. Hierbei erwarb er sich besonders<br />
gute Kenntnisse in der Musik und spielte schon als<br />
junger Mann hervorragend Klavier und Orgel. Seine erste<br />
Anstellung erhielt der junge Lehrer an der einklassigen<br />
Schule in Thiergarten im Donautal. Dort gefiel es ihm gut,<br />
und er fing an, sich mit der Geschichte der engeren Heimat<br />
zu befassen. In den Schulferien wanderte er zu Fuß von<br />
Dorf zu Dorf und besuchte die Rathäuser, um in die alten<br />
Akten und Urkunden Einsicht zu nehmen. Im Jahre 1860<br />
verheiratete er sich mit Magdalena Schönbucher, einer reichen<br />
Müllerstochter aus Gutenstein. Diese schenkte ihm im<br />
folgenden Jahre eine Tochter, die aber schon nach zwei<br />
Jahren wieder starb (1863). Seine Frau, schon schwer nervenleidend,<br />
traf der frühe Tod des einzigen Kindes schwer.<br />
Sie kränkelte jahrelang und bedurfte ständiger Pflege Im<br />
Jahre 1870 starb sie, erst 27jährig. Jakob Barth war durch<br />
die lange Krankheit seiner Frau schwer belastet und behindert<br />
in seiner Arbeit. Es waren, wie er später schrieb,<br />
schwere Jahre für ihn.<br />
Trotz dieser starken Inanspruchnahme in der Familie<br />
konnte Barth im Dezember 1862 seine 582 Druckseiten umfassende<br />
„Geschichte und Sage der hohenzollerischen Lande"<br />
im Verlag Tappen in Sigmaringen veröffentlichen.<br />
In Thiergarten blieb Barth bis zum Herbst 1864, also 19<br />
Jahre. Am 25. Oktober wurde ihm durch ein besonderes<br />
Uebereinkommen mit der Fürstlich-Fürstenbergischen Domäne-Kanzlei<br />
in Donaueschingen die Lehrerstelle in Ringingen<br />
übertragen. Auch den Organistendienst und die Mesnerei<br />
übernahm er. Vom Fürsten zu Fürstenberg erhielt er jährlich<br />
100 fl als Ergänzung zu seiner Besoldung und 25 fl für<br />
die Mesnerei. Trotz dieser Besserstellung blieb er nicht in<br />
Ringingen. Schon 1869 nahm er Verbindung auf mit badischen<br />
Schulstellen und schied mit Genehmigung der Königl.<br />
Preußischen Regierung in Sigmaringen aus dem hohenzollerischen<br />
Schuldienst aus, um in Baden einzutreten. Er kam<br />
Ein Bild aus der<br />
Von F.<br />
Ein alter (lateinischer) Spruchvers lautet: Die Zeiten ändern<br />
sich, und wir ändern uns in ihnen, und ein neuerer<br />
Dichter sagte: andere Zeiten, andere Menschen, andere Menschen,<br />
andere Götter. Diese anderen früheren Zeiten mit<br />
ihren anderen Menschen legen dann auch einen Vergleich<br />
nahe mit der Gegenwart. Da zeigt sich dann in der Tat, daß<br />
gar vieles jetzt anders geworden ist, manches besser, anderes<br />
weniger gut.<br />
Ein interessantes Bild aus der guten alten Zeit vor 200<br />
Jahren haben wir an dem früheren Obervogt Georg Adam<br />
W o ch e r in der ehemaligen Herrschaft Achberg. Diese Herrschaft<br />
umfaßte die jetzige Bürgermeisterei Achberg mit den<br />
beiden Pfarreien Esseratsweiler und Siberatsweiler und war<br />
1691 an den Deutschorden gekommen, der sie von Johann<br />
Franz Ferdinand von Sürgenstein um 65 000 fl. gekauft hatte.<br />
Sie gehörte dann zur Deutschordens-Kommende Altshausen<br />
(OA. Saulgau), wo auch der Landkomtur der Bailei Elsaß<br />
und Burgund seinen Sitz hatte.<br />
G. A. Wocher, Licentiat beider Rechte, wurde am 15. Oktober<br />
1700 als Obervogt angestellt und stand nun über ein<br />
halbes Jahrhundert der Herrschaft Achberg vor. Später erhielt<br />
er den Titel Balleirat. Seine Wohnung befand sich im<br />
Vogthaus neben dem Schloß Achberg. Als Besoldung erhielt<br />
er 100 fl Geld, 30 Schffl. Vesen, 3 Malter Roggen, 40 Schffl<br />
Haber fürs Pferd, V» Ztr. Karpfen, von den Geldstrafen die<br />
Hälfte, von Briefen die halbe Schreibtaxe; für das Pferd und<br />
die 4 Milchkühe das nötige Heu und Stroh; Holz nach Beaürf-<br />
am Bessern hindert, was läßt sich vom gemeinen Haufen erwarten?<br />
Soll denn der gesunde Verstand ganz auswandern?"<br />
1806.<br />
Eine kleine Blütenlese aus den Gruoler Wessenbergbriefen<br />
ist nun geboten. Die Zeiten sind anders geworden. Aber auch<br />
bei geänderten Zeiten darf an Namen erinnert werden, die<br />
einst einen guten Klang hatten in der Bodenseegegend und<br />
in unserem Lande Hohenzollern. Wal denspul.<br />
Barth<br />
zunächst nach Deggendorf (oder Deggenhof?), einem kleinen<br />
Ort bei Tengen im Amt Engen. Nach einigen Jahren wurde<br />
er nach Hohentengen im Amt Waldshut versetzt. Im Jahre<br />
1874 verheiratete er sich nochmals mit Maria Eisele, einer<br />
Tochter des Lehrers Eisele in Hettingen. Eine Tochter entstammt<br />
dieser Ehe.<br />
Inzwischen war Barth in ein reiferes Alter eingetreten; die<br />
Schulbehörde erkannte in ihm einen tüchtigen Lehrer und<br />
versetzte ihn im Jahre 1867 als 1. Hauptlehrer nach Geisingen<br />
bei Donaueschingen, einem ansehnlichen Städtchen in<br />
der Baar. Dort gefiel es ihm sehr gut. Er schrieb dort die<br />
meisten seiner Büchsr (auch eine Geschichte der Stadt Geisingen).<br />
Hierbei kam ihm zugut, daß er mit dem Archivar<br />
des Fürsten zu Fürstenberg bekannt wurde und er jederzeit<br />
Zugang zum Archiv hatte.<br />
Folgenden Brief mit verfaßten Schriften schickte Barth an<br />
seine Heimatgemeinde:<br />
Verehrliches Bürgermeisteramt!<br />
Hiermit erlaube ich mir, folgende von mir verfaßten<br />
Schriften einzusenden:<br />
Geschichte der Stadt Geisingen<br />
Geschichte der Stadt Engen<br />
Geschichte der Stadt Stockach<br />
Vor dreihundert Jahren.<br />
Damit möchte ich meiner Vaterstadt ein kleines Andenken<br />
stiften. Ich darf wohl hoffen, die Gemeinde werde diese<br />
Bücher des Lesens und Aufbewahrens für würdig erachten.<br />
Ich schrieb noch einige andere Werke; von diesen besitze ich<br />
aber keine verfügbaren Exemplare mehr, sonst würden sie<br />
ebenfalls beiliegen.<br />
Bei dieser Gelegenheit wünsche ich meiner Vaterstadt des<br />
Himmels besten Segen.<br />
Mit freundschaftl. Begrüßung<br />
Geisingen, den 25. Februar 1895<br />
J. Barth, Hauptlehrer.<br />
(Von den geschenkten Büchern ist keines mehr vorhanden!)<br />
Am 11. 6. 1895, am Vorabend des Fronleichnamsfestes,<br />
starb er 70jährig an einem Schlaganfall. Barth liegt in Geisingen<br />
begraben und steht noch heute dort in gutem Andenken.<br />
Sein Grab wird von Gemeindeangehörigen liebevoll<br />
gepflegt. Barth, Oberpostmeister.<br />
guten alten Zeit<br />
Eisele t<br />
nis, jedoch mußte er es auf seine Kosten machen lassen, dagegen<br />
wurde dasselbe unentgeltlich geführt; 1 Fuder Wein,<br />
6 Vtl. zum Ansäen, 1 Krautgarten und den inneren Lustgarten;<br />
aus letzterem hatte er aber bei der Anwesenheit des Landkomturs<br />
das Gemüse zu stellen. An Dienstboten hatte Wocher<br />
einen jüngeren und einen Reitknecht, ein „Stubenmensch",<br />
eine Köchin und ein „Viehmensch". Wocher war mit<br />
Maria Franziska Claudia von Leuer verheiratet; die Ehe<br />
blieb kinderlos. Er starb den 30. Mai 1753, 75 Jahre alt und<br />
wurde in der Pfarrkirche in Siberatsweiler beerdigt, wo noch<br />
sein Grabdenkmal vorhanden ist. Seme Frau starb 1766;<br />
auch deren Grabstein befindet sich noch in der Kirche.<br />
Als Obervogt oblag ihm die Verwaltung der Herrschaft.<br />
Insbesondere hatte er die Einkünfte derselben zu besorgen;<br />
er mußte die Zinsen, Gülten, Erschätze, Todesfälle, Leibledigungen<br />
und Abzugsgelder einziehen und jedes Jahr über die<br />
Einnahmen und Ausgaben Rechnung stellen und den Überschuß<br />
nach Altshausen schicken. Er hatte auch die niedere<br />
Gerichtsbarkeit, zu der die bürgerlichen Streitigkeiten, leichtere<br />
Straffälle und freiwillige Rechtsgeschäfte (Kauf, Verkauf,<br />
Testamente) gehörten, auszuüben.<br />
Wocher war in seinem Amte eine energische Natur und<br />
führte in seinen Berichten nach Altshausen eine kräftige<br />
Sprache. Wer ihm entgegentrat und nicht nach seiner Pfeife<br />
tanzte oder gar seine oder der Herrschaft, wenn auch nur<br />
vermeintlichen, Rechte antastete, den verdammte er in die<br />
Hölle. Mit den Pfarrern von Esseratsweiler hatte er mehr-
42 HOHEN OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1058<br />
mals Streitigkeiten,weniger mit denen von Siberatsweiler.<br />
Bei diesen Anlässen führte er gegen diese wie auch gegen<br />
die bischöfliche Behörde in Konstanz eine Sprache, die an<br />
Derbheit nichts übrig ließ und seine eigene Unfehlbarkeit<br />
beweisen würde, wenn Grobheit und Rechthaben identisch<br />
wären. Hier seien einige Proben der Schreibweise Wochers<br />
angeführt: der erzgrobe Landslümmel — ein Lümmel über<br />
alle Lümmel ist — diese siebenschrötige Kerl — einer de<br />
gante non sancta — bis sie mit Samsons Schwert, so ein<br />
Eselskinnbacken gewesen ist, gezüchtigt werden — die gleich<br />
einem schwäbischen Dudelsack aufgeblasenen Republikaner<br />
in Lindau — der grobianisierende Bürgermeister (von Lindau)<br />
— der Bauer ganz unwahrhaftig ist, voller Betrug und<br />
Arglist — daß Gottes Barmherzigkeit und der Bauern Schalkheit<br />
unergründlich ist, ist so richtig als jeder Text im neuen<br />
und alten Testament — dieser verliebte Teufelsmartyrer —<br />
an dergleichen bei dem Belial in praxi gestandenen Weibern<br />
hat der hone Orden noch keinen Abgang, sondern hat, noch<br />
anderen Herrschaften mitzuteilen, eine gute Anzahl in Reserve.<br />
— Der Obervogt war bemüht, daß die Eltern die zu<br />
Hause nicht nötigenKinder in einen Dienst oder in die Lehre<br />
geben möchten, was aber nicht in allweg geschah. Er berichtete<br />
nun nach Altshausen: „Die mehr Kinder denn Fenster<br />
und Gucköhren im Hause haben und im Vorbeifahren<br />
zu jeder Oeffnung ein verzauster, dreiköpfiger Cerberus hinausschauen<br />
tut. Die Berichte mögen manchmal dem Landkomtur<br />
Lächeln verursacht haben. Wocher zeigte aber bei<br />
anderer Gelegenheit auch mitleidsvolle Teilnahme. 1740 befürwortete<br />
er die Genehmigung einer beabsichtigten Heirat<br />
(die Braut war unschön) und die Verleihung eines Lehens an<br />
die Betreffenden und den gewöhnlichen Erschatz, „weilen sie<br />
mehr einem geströhlten Fuchs,, denn einem nach dem Ebenbild<br />
Gottes erschaffenen Menschen gleicn sehen tut". Die<br />
Begründung hatte in Altshausen Erfolg. Auch seine Urteile<br />
waren mitunter originell; hier ein Beispiel: 1710 hatte ein<br />
Meister, Jör^ Pregen in Duznau, eine Magd bis Jakobi eingestellt,<br />
schickte sie aber vor Ablauf des Termines weg.<br />
Nun klagte die Magd Maria Dembin, daß der Dienstherr sie<br />
behalte bis Jakobi oder ihr den Lohn bis dahin ausbezahle,<br />
da sie zur Zeit keine Stelle finde. Darauf folgte nun der Bescheid<br />
: „Weilen der Meister und die Magd ein Narr, die<br />
Meisterin und Kinder aber im Haus bekanntich leider nicht<br />
gescheit, sondern übel geschaffen, als sei die ganze Orgel<br />
übel verstimmt und wolle man die große Pfeiff, den Meister,<br />
zu korrigieren suchen und auf nächst einkommende<br />
wahrhafte Klag seines Fluchens wegen hart einstocken lassen<br />
(die Magid hatte ihn nämlich dessen bezichtigt); das<br />
Mensch, die Magd, hingegen soll er bis Jakobi behalten oder<br />
auf dolch Tag bar auszahlen". — Wocher wachte auch eifersüchtig<br />
über die Rechte der Herrschaft und kam dadurch bei<br />
Lappalien in manche Differenzen mit den angrenzenden<br />
Herren. Freilich kam solches in jener Zeit infolge der Kleinstaaterei<br />
auch an anderen Orten gar häufig vor.<br />
Die Strafen der niederen Gerichtsbarkeit, die der Obervogt<br />
verhängen konnte, waren im 16., 17. und 18. Jahrhundert<br />
soweit noch Protokollbücher vorhanden sind, in der Herrschaft<br />
Achberg nicht allzu hart Körperliche Züchtigungen<br />
mit Rutenhieberr dürften in jener Zeit selten vorgekommen<br />
sein, während solche an anderen Orten damals häufig waren.<br />
Die Türmstrafen waren nicht selten nur kurz, indem die<br />
Malefikanten oft schon nach einigen Stunden „auf starke<br />
Fürbitte hin" wieder entlassen wurden. Auch die Geige kam<br />
nicht allzu oft in Anwendung. Die Geldstrafen waren im<br />
allgemeinen, selbst bei Berücksichtigung des damaligen höheren<br />
Geldwertes, niedrig bemessen, häufig betrug sie nur<br />
5 Schilling (= 10 Kr. = 29 Pf.). Die Uebertretung der Gebote<br />
und Verbote wurde mit 1 Pfd. (= 40 Kr.) gebüßt; eine Strafe<br />
von 5 Pfd. findet sich selten. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts<br />
und auch am Ende desselben gestalteten sich die Strafen<br />
etwas schärfer; doch ging es in dieser Zeit mitunter bei<br />
Vergehen mit einer bloßen Verwarnung ab; einigemale wurde<br />
als Buße die Beicht oder das Beten des Rosenkranzes<br />
auferlegt. 1709 h-.tte einer Gott gelästert und über die Herrschaft<br />
geschimpft. Der Bescheid Wochers lautete: er soll in<br />
dieser hl. Zeit (Weihnachtszeit) reumütig beichten und dann<br />
Staatsgewalt<br />
(Zum Hechinger<br />
Um es gleich zu sagen: es handelte sich nur um ein lächerliches<br />
Ländchen rings um den Zoller herum, nicht um ein<br />
gewaltiges Staatsgebilde, von dem hier die Rede ist. Um<br />
seine \usdehnung zu ermessen, genügt es, darauf hinzuweisen,<br />
daß die Entfernung von einer Staatsgrenze am Zeller<br />
nochmals an Hl. Dreikönig und an den vier Feiertagen je<br />
einen Psalter beten für jene Seelen welche wegen Gotteslästerung<br />
noch gequält werden. Strafbar war auch eine uneheliche<br />
Schwängerung. 1699 (das Jahr, ehe Wocher Obervogt<br />
wurde) mußten zwei Schuldige, da sie nicht bezahlen konnten,<br />
um den Altar zu Opfer gehen, wobei der Bursche einen<br />
Strohdegen trug und das Mädchen einen Strohkranz. 1710<br />
strafte Wocher zugleich den Vater der Gefallenen um zwei<br />
Pfd. weil er auf die Tochter nicht achtgehabt hatte. Im gleichen<br />
Jahre verbot der Obervogt den Mädchen den Wirtshausbesuch<br />
nach Betzeit, und 1711 bei Turm- und Geigenstrafe<br />
das Mitnehmen der Kinder zum Wucherstier, wie auch daß<br />
Kinder selber das Vieh dahin rührten. Das Ausstellen in der<br />
Geige geschah vor dem Schloß oder häufiger vor der Kirche.<br />
Unerlaubt war auch der Fleischgenuß im Wirtshaus an den<br />
verbotenen Tagen und der Besuch des Wirtshauses an den<br />
Sonn- und Feiertagen mit Versäumung der hi. Messe. Er<br />
kämpfte auch gegen die Kleiderhoffart der Mädchen und<br />
der Burschen, 1746 verweigerte aber der Landkomtur den<br />
Erlaß eines Verbotes.<br />
Bei aller Strenge war Wocner eine religiös-gläubige Natur.<br />
In seinen letzten Monaten, da er die Kirche in Siberatsweiler<br />
nicht mehr besuchen konnte, ließ er in der Schloßkapelle<br />
an den Sonntagen vom Pfarrer von Siberatsweiler eine hl.<br />
Messe lesen; dieser mußte also binieren. 1709 wurde einer<br />
eingesperrt, weil er seinen Schwager hatte unversehen wegsterben<br />
lassen. In seinem Testament von 1745/48 ordnete<br />
Wocher eine Reihe von Jahrtagen an, die teils in Klöstern<br />
(Weingarten, Isny und Langnau), teils in der Eichkapelle und<br />
in der Pfarrkirche in Siberatsweiler gehalten werden sollten.<br />
Jedoch kamen nicht alle Anniversarien zur Ausführung, wie<br />
z. B. die Stiftung einer Wochenmesse in der Pfarrkirche in<br />
Siberatsweiler und einer solchen in der Schloßkapelle in<br />
Achberg. Der Grund der Nichtausführung ist unbekannt.<br />
Der überlebende Teil hatte das Recht, am Testament Abänderungen<br />
vorzunehmen. Dem angebrachten Wappen nach<br />
zu schließen, dürfte von Wocher die Monstranz in der Kirche<br />
in Siberatsweiler stammen. Testamentarisch vermachte er<br />
der Kirche „in der er und seine Frau beerdigt würden" das<br />
massiv von Silber gegossene große Kruzifix mit den dazugehörenden<br />
Bildnissen der MutterGottes und des hl. Johannes.<br />
Indes findet sich dieses Vermächtnis nicht mehr vor. Wocher<br />
ist auch der Erbauer der Eichkapelle in Esseratsweiler, die von<br />
seiner Frau mit den nötigen Paramenten ausgestattet wurde.<br />
1746 hatte der Bischof von Konstanz die Erlaubnis zum Bau<br />
der Kapelle (gegeben, der dann 1748 ausgeführt wurde. Die<br />
Kapelle ist ein ehrenvolles, bleibendes Denkmal des Obervogts.<br />
Er machte dann noch andere Stiftungen. In seinem Testament<br />
bestimmte er 150 fl. für die Schule. Der Zins sollte<br />
als Schulgeld für arme Kinder verwendet werden. Den Hausarmen<br />
in Achberg vermachte er 400 fl. Der Zins einer dritten<br />
Stiftung von 1500 fl. sollte abwechslungsweise einem<br />
Knaben zur Erlernung eines Handwerkes und einem braven<br />
armen „Madel" zur Aussteuer zukommen. Wocher und seine<br />
Frau stifteten sonach 2050 fl. zu den vorbezeichneten Zwekken.<br />
Nach dem Tode der Obervögtin wurden aus Versehen<br />
50 fl. bar den Armen ausgeteilt; es blieben also nur noch<br />
2000 fl. Kapital. Dagegen hatte die Wochersche Stiftung noch<br />
auf ein anderes Kapital von 300 fl, Anspruch, das dann dieselbe<br />
auch wirklich erhielt. Damit betrug das Gesamtkapital<br />
dieser Stiftungen 2300 fl. Sie sind zugleich ein Zeichen,<br />
wie Wocher trotz seiner Strenge gleichwohl eine teilnehmende,<br />
mitleidsvolle Gesinnung gegen die ihm Anvertrauten<br />
hegte.<br />
Könnte er wiederkommen und das Bild der neuen Verhältnisse<br />
schauen, wie so vieles jetzt anders geworden ist,<br />
dann würde er ohne Zweifel staunend mit dem Dichter ausrufen:<br />
Andere Zeiten, andere Menscnen,<br />
andere Menschen, andere Götter;<br />
und<br />
Tempora mutantur nos et mutamur in illis<br />
Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen<br />
gegen Pfarrer<br />
Untertanenstreit)<br />
Horn bis zur anderen am Dreifürstenstein in der Luftlinie<br />
sage und schreibe neun Kilometer beträgt! Da hat sich nun<br />
im Jahre 1731, als das ganze Ländchen durch der bekannten<br />
Untertanenstreit erschüttert wurde und die politischen Wogen<br />
hoch gingen, auch der hochwürdige Pfarrherr von Boll
1 hrjgang 19f • H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 43<br />
am Zoller, Wilhelm i^eonhardt, zu einer Aeußerung gegen<br />
die hechingische Regierung und den Erbprinzen hinreißen<br />
lassen. Er wurde denn auch alsbald verhaftet und (militari<br />
manu) durch einige Militärs nach Hechingen geschleppt, wo<br />
er 21 Tage eingesperrt blieb. Alsbald ging die Meldung<br />
davon durch die Nachbargeistlichen nach Konstanz an die<br />
bischöfliche Behörde. Am 19. September beschloß der Geistliche<br />
Rat daselbst, sofort ein Strafmandat gegen die zollerischen<br />
Räte auszufertigen, der Personalarrest müsse aufgehoben<br />
werden. Der Kanzler zu Hechingen suchte die getroffene<br />
Maßnahme gegen den Pfarrer durch ein weitläufiges Schreiben<br />
zu begründen. Am 26. Oktober beschlossen daher die<br />
Ratgeber des Bischofs, die Sache Seinen bischöflichen Gnaden<br />
persönlich vorzulegen mit der Bitte, ohne Rücksicht auf<br />
die irrtümlich vorgeschützten Gründe der Regierung mit dem<br />
kirchlichen Prozeß (declaratoria facti) fortzufahren. Gegen<br />
Ende des Jahres ersuchten die zollerischen Beamten um eine<br />
Abschrift der in Konstanz aufgelaufenen Akten, worauf der<br />
Geistliche Rat verlangte, daß zunächst das hechingische<br />
Appellationsinstrument an den Richter durch Notar und<br />
Zeugen nach Prozeßrecht ausgefertigt würden. Dies war<br />
jedoch Ende Januar 1732 noch nicht geschehen.<br />
Am 25. Juni berichtete dann der Dekan des Kapitels Hechingen,<br />
Johann Martin Fischer nach Konstanz, er habe die<br />
über die Beamten von Hechingen verhängte Exkommunikation<br />
durch den Kammerer Kohler und Vikar Konrad Vitalowiz<br />
den Betroffenen überreichen lassen, deren Veröffentlichung<br />
und Ausführung aber wegen der vom zollerischen<br />
Fürsten ihm angedrohten Strafe und wegen dier von den<br />
dortigen Untertanen zu befürchten de n Tumulten<br />
noch nicht vornehmen lassen. Gleichzeitig bat er,<br />
ihm diese leidige Sache abzunehmen und einen anderen<br />
Geistlichen aus dem Kapitel damit zu beauftragen. Da kam<br />
er jedoch in Konstanz schlecht an. Sofort erfolgte von dort<br />
der schriftliche Befehl, und zwar unter Strafe der Suspension,<br />
der Dekan müsse die Exkommunikation öffentlich verkünden<br />
lassen. Auch die Reisekosten des Ueberbringers des Dekrets<br />
hatte der Dekan zu tragen, da er selbst durch seine Saumseligkeit<br />
die Verzögerung verursacht habe, Bereits am 9. Juli<br />
lag eine Anfrage des Fürsten zu Konstanz vor, ob nicht eine<br />
gewisse Zurückhaltung oder Ermäßigung der Strafe in Betracht<br />
kommen könne. Doch wurde ihm brüsk bedeutet: Es<br />
könne nichts anderes Platz greifen, als daß der fürstliche<br />
Kanzler und seine Räte sich der christkatholischen Kirche<br />
und ihren geistlichen Obern behörig unterwürfen, den in die<br />
bischöfliche Jurisdiktion gewagten Eingriff und die gegen<br />
den Pfarrer von Boll verübte Schuld pflichtschuldig abbitten<br />
und die Aufhebung des Kirchenbannes mit entsprechender<br />
Unterwerfung erflehen zu solle.n<br />
Jedoch am 23. Juli 1732 mußte der Dekan unter Beipflichtung<br />
des Pfarrers von Boll melden, die zollerischen Räte verachteten<br />
nicht nur spöttisch den gegen sie ergangenen Kirchenbann,<br />
sodern hätten sich von neuem wiec'.er unterfangen,<br />
dem besagten Pfarrer sein Einkommen völlig zu beschlagnahmen.<br />
Der geistliche Rat beschloß darauf, den Bischof selbst zu<br />
informieren und ihn zu bitten, dem Erbprinzen zu Hechingen<br />
dieses höchst ärgerliche Verfahren seiner Räte durch ein<br />
nachdrückliches Schreiben zu Gemüte zu führen, und wenn<br />
dies keinen Erfolg haben sollte, die Exkommunikation aggra-<br />
viert bei allen Pfarreien des Hechingischen Landes zu verkünden,<br />
die kaiserliche Majestät über den wahren Sachverhalt<br />
zu informieren und diesen als höchsten Beschützer und<br />
Protektor der Kirche um seinen Beistand alleruntertänigst<br />
anzuflehen. Am 4. Dezember lief dann in Konstanz ein weitschweifiges<br />
Schreiben der Hechinger Beamten ein, worin sie<br />
ihr Vorgehen zu rechtfertigen suchten. Man beschloß darauf,<br />
alle diesseitigen Gründe zusammenzutragen, um damit das<br />
zollerische Schreiben, das auf üblen ketzerischen Prinzipien<br />
aufgebaut sei, über den Haufen zu werfen.<br />
Als dann am 11. März 1733 bekannt wurde, daß nächstens<br />
ein bischöflicher Kommissär von Meersburg nach Hechingen<br />
abgehen solle, hielt der Geistl. Rat für dringend, den Kirchenfürsten<br />
darauf aufmerksam zu machen, was für ein entsetzliches<br />
Aergemis bei Katholiken und Andersgläubigen der<br />
Umgang der Konstanzer Gesandtschaft mit den exkommunizierten<br />
Räten nach sich ziehen müsse. Es stehe sogar zu<br />
fürchten, daß der Bischof samt seiner Gesandtschaft sich in<br />
die Gefahr der minderen Exkommunikation setzen werde,<br />
wenn er mit öffentlich Gebannten verkehre. Der Bischof möge<br />
daher durch ein nachdrückliches Schreiben an den Erzbischof<br />
von Mainz die Geschehnisse ausführlich schildern, damit dieser<br />
die zollerischen Räte zu schuldigem Gehorsam gegen die<br />
Kirche und ihre geistlichen Obern anweisen würde, sie sich<br />
vom Banne lösen ließen, ansonsten ihro hochfürstliche Gnaden<br />
an der schleunigen Vornahme der vom Kaiser ihr aufgetragenen<br />
Kommission in der Sache des Prinzen von Zollern-Hechingen<br />
und dessen aufsässige Untertanen<br />
nicht wenig gehindert sehen müßten.<br />
Aber eilig hatte es der Amtsschimmel keineswegs. Erst am<br />
29. April wurde in Konstanz bekannt, der Pfarrer Leonhard<br />
Wilhelm von Boll habe ein sehr lamentables Schreiben geschickt<br />
mit der Bitte, der Oberhirte möge durch seinen im<br />
Hechinger Gebiet tätigen Kommissär beirr? Erbprinzen und<br />
dessen Räten wegen des unverantwortlichen Vorgehens gegen<br />
ihn vorstellig werden. Und was geschah? Am 22. Oktober<br />
berichtet der Bischof seinem Geistlichen Rat von einem Brief<br />
des Weihbischofs an ihn und ersuchte zur Beantwortung um<br />
ein Gutachten. Der Rat meinte, vor allem müsse der Pfarrer<br />
von Boll vollkommen schadlos gehalten werden. Habe aber<br />
das Hechinger Amt erhebliche Klagen gegen ihn, so soll es<br />
sie an zuständiger Stelle vorbringen. Die bisherigen Unkosten<br />
des Ordinariats müßten die Zollerischen tragen, weil sie sie<br />
auch mutwillig verursacht hätten. Eine simple Entschuldigung<br />
könne der Bischof von den Räten nicht annehmen, sondern<br />
sie müßten ihren gröblich begangenen Mißgriff in aller Form<br />
abbitten und um die Lossprechung untertänigst einkommen.<br />
Das Protokoll meldet dann unterm 20. Juni 1735: Da sich<br />
die zollerischen Kanzler und Räte endlich der Kirche unterworfen<br />
und um Lösung des Kirchenbannes gebeten haben,<br />
bestehe wegen der Absolution kein Anstand mehr, ungeachtet<br />
sich die Exkommunizierten zur Ersetzung der ihretwegen<br />
gehabten namhaften Unkosten nicht verstehen wollen. Hierwegen<br />
soll jedoch noch die Einwilligung des Bischofs eingeholt<br />
werden. Nochmal im Juli wurden die Räte zu Hechingen<br />
zum Ersatz der ihretwegen gehabten Barauslagen erinnert.<br />
Dann aber schweigen die konstanzischen Akten. (Erzbisch.<br />
Archiv, Freiburg, Ha 225, 226). Man vergleiche hierzu das 19.<br />
und 20. Kapitel in J. Cramers Buch ,,Die Grafschaft Hohenzollern'<br />
1873 S. 357 ff.<br />
Familiennamen im Jahre 1519<br />
in einigen Gemeinden des heutigen Kreises Hechingen<br />
Das Dominikanerinnen-Kloster Kirchberg, das einstmals<br />
kirchlich zum Kapitel Haigerloch und politisch zur<br />
Herrschaft Haigerloch gehövte, kam 1805 im Preßburger<br />
Frieden zu Württemberg und wurde der Gemeinde Renfrizhausen<br />
am Mühlbach, heute Kr. Horb a. N., zugeteilt. Das<br />
Kloster wurde aufgehoben, eine Ackerbauschule errichtet<br />
und Aecker, Wiesen und Waldungen zu einer Staatsdomäne<br />
zusammengefaßt.<br />
Durch die Aufnanme voi Töchtern adeliger und vornehmer<br />
Familien gelangte das Kloster am Ende des Mittelalters<br />
zu einem ansehnlichen Grundbesitz in der näheren und weiteren<br />
Umgebung, so auf den angrenzenden Gemarkungen<br />
der hohenzollerischen Gemeinden Heiligenzimmern, Gruol,<br />
Weildorf und Empfingen. Aber auch in weiter entfernt liegenden<br />
Ortschaften, wie Grosselfingen und Rangendingen,<br />
besaßen diie Kirchberger Klosterfrauen bedeutenden Besitz<br />
an Grund und Boden. Dieser war, wie üblich, gegen die Ablieferung<br />
einer bestimmten Menge Getreides oder anderer<br />
Erträgnisse der Wirtschaft lehensweise an Bauern ausgege-<br />
ben Diese festgesetzten Leistungen in Naturalien oder Geld,<br />
auch Gült genannt, wurden in sogenannten Lagerbüchern<br />
oder Urbaren niedergelegt, die je nach der Reichhaltigkeit<br />
ihrer Aufzeichnungen vor allem für die Wirtschaftsgeschichte,<br />
die Flurnamen- und Familienforschung und für die Siedlungskunde<br />
wichtiges Material liefern.<br />
Eines der Kirchberger Urbare — es gibt solche aus den<br />
Jahren 1519, 1560/62, 1686 und 1781 — wird im Fürstl. Hohenz.<br />
Haus- und Domänenarchiv in Sigmaringen aufbewahrt<br />
und führt den Titel: „Vrbar vnü Legerbuch des Gotzhuß<br />
Kilperg Ao 1519". Da bekanntlich der ein Jahrhundert später<br />
ausbrechende 30jährige Krieg, diie Bevölkerung auch<br />
unserer engeren Heimat durch Hunger u. Seuchen, wie durcl.<br />
Gewalttaten einer verrohten Soldateska stark dezimierte, ist<br />
es für die Familienkunde wertvoll zu wissen, welche Geschlechter<br />
Deutschlands schwerste Zeiten überstanden haben. So finden<br />
wir schon 1519, um einige Beispiele herauszunehmen, in Bietenhausen<br />
die Beiter und Eberhart, in Empfingen die Gfrürer<br />
und Kost, in Grosselfingen die Haigis, in Gruol die Flaiz,
44 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Lock und Schneider, in Hart die Klingler, in Höfendorf die<br />
Beiter, in Imnau die Haid, in Rangendingen die Dderinger,<br />
Widmayer und von Staufenberg und in Trillfingen die<br />
Rapp und Stelzer. Aus dem genannten Lagerbuch wurden<br />
die hohenzollerischen Orte ausgezogen und samt den Familiennamen<br />
alphabetisch geordnet:<br />
Betra: Eyseler Conrad, Ganser Ludwig, Junker Ulrich von<br />
Lichtenstein, Maier Theiß, Prendle Hans und Theiß,<br />
Schwaiger Dieterle, Seger Jakob und Peter.<br />
Bietenhausen: Byter Conrad, Eberhart Bartie und Hans,<br />
Sayle Oswald, Urhan Hans.<br />
Dettensee: Braun Jakob, Hertkorn Jörg, Noll Kaspar, Scheffer<br />
Michel, Weißhaar Michel, Wingartner Wolf.<br />
Empfingen: Becker Balthas, Eyseler Hans, Feyssel Bastian,<br />
Gfreer Jerg und Sixt, Hoheneck Peter, Hohenecker Franciscus<br />
derzeit Schultheiß, Hegner Hans, Hertter Hans,<br />
Keyl Diepold, Keüttle Dietsch, Kost Hans, Kunner Bartie,<br />
Mor Jakob, Peyter Thoman, Newenmayer Veit, Pfister<br />
Paule, Riester Jakob, Ryekher Balthas und Kaspar,<br />
Schäffer Heinrich, Schneble Hans, Schwaiger Dieterle<br />
und Gall, Volmar Hans, Vischer Hans, Weckerle Calixt,<br />
Werstein Martin.<br />
Fischingen: Marquard Adam, Peyrlin Hans, Schmid Hans.<br />
Grosselfingen: Clarer Martin, Haintz Wolfgang, Haygis Martin<br />
und Jörg, Cunrat Im Hof, Junker Hans Heinrich,<br />
Kyss Cunrat, Kyess Hans, Keling Lude derzeit Vogt,<br />
Kyebler Hannsle, Kenzel Claus, Linsenmann Balthes,<br />
Marx Cunrat, Murer Paule, Pflanzer Kaspar, Newmaier<br />
Hans, Schauver Jörg, Scherer Wolf, Schmid Jakob,<br />
Schneider Peter, Schnellinger Cunlin, Senf Bernhart,<br />
Singer Hans, Staimer Cunrats Kinder, Underhans Wem,<br />
Volm Hans.<br />
Gruol: Bayer Hans, Bischof Michel und Peter, Beck Martin,<br />
Buckenmayer Auberlin, Binder Hensle, Edelin Michel,<br />
Egk Mathis, Held Michel, Hendner Aberlin, Claus von<br />
Rottweil gen. Holhart, Flaitz Hans und Wolf, Fuchs Hans,<br />
Hurm Hans, Kayser Galle, Kyene Peter, Kyenlin Jos,<br />
Klenk Lentze, Kurtz Hans, Keysser Michel, Lock Jörg<br />
Jakob und Paul, Koler Andris, Landher Hans, Leibfrid<br />
Bartlin, Mader Peter und Paul, Müller Andris und Peter,<br />
Neye Ludwig, Ott Peter, Pfeffer Thoma, Pfefferlin Hans,<br />
Saylin Hans, Seger Peter und Wolf, Sommer Martin,<br />
Syffrit Wölflin, Saytz Wolf, Schneider Michel und Hans,<br />
Schick Hans, Scheffer Thoma, Schweycker Georg, Schertzinger,<br />
Wannenmacher Henslin, Thyringer Conrat, Wirtemberger<br />
Michel, von Will Michel, Werner Hans, Stehelin<br />
Hans derzeit Vogt.<br />
Hart: Baiinger Heinrich, Felaberlin Lude, Hipp Hans, Mettel<br />
Hans, Viten Hans derzeit Vogt, Klingler Hans, Kessler<br />
Bernhard, Kopp Conrad, Nye Conrad, Rapp Andris und<br />
Hans, Seil Jakob.<br />
Höfendorf: Byter Steffan, Felaberlin Hensle und Bastian,<br />
Henlin Martin, Rock Hans und Viten, Wiest Hans.<br />
Haigerloch: Bader Claus, Bayer Lienhart, Beck Lentze, Boltz<br />
Hans, F'ess Hans der Schinder, Gütelin Lude, Haffner<br />
Melch, Kettenacker Hans derzeit Bürgermeister, Kopp<br />
Kaspar, Koler Eberlin, Lemelin Fritz, Leibfrid Hans,<br />
Lux Hans, Nye Bernhard, Pfluger Bastian und Michel,<br />
Roßback Konrad, Schuhmacher Sixt, Schundt Balthis,<br />
Schwartz Barthlin und Hensle, Stehelin Bastion derzeit<br />
Schultheiß.<br />
Heiligenimmern: Belsan Hans und Henslis, Decker Hans,<br />
Besel Gall, Bruschlin Michel, Giltgleich Hans derzeit<br />
Vogt, Giltgleich Jerg, Groß Michel, Klenck Jörg u. Hans,<br />
Georg Klenck, Hofbauer, Klegler Bastian, Koler Thoman,<br />
Lang Hanns, Leibfrid Michel, Leblin Hans, Linder Heinrich,<br />
Mayer Jakob, Schnabel Hans, Schwarz Heinrich,<br />
Vogel Hans, Vössler Jakob, Wadel Hans, Wissler Jakob.<br />
Imnau: Byter Erhard und Kleinmann, Buweir Hans und<br />
Jakob, Fischer Hans, Fuchs Lude, Glare Peter, Hayd Bläsin,<br />
Hochwernher Diepolt, Henlin Hans, Lemelin Auberlin,<br />
derzeit Vogt, Seyber Heinrich, Sebolt Heinrich,<br />
Scheffer Michel, Schinder Hans.<br />
Rangendingen: Anstell Kunle, Beck Konrad, Bieble Bernhard,<br />
Dieringer Balthas, Engel Hans, Flach Michel, Feel (Fäll)<br />
Jörg, Fuchsjäiger Veit, Hermann Michel, derzeit Vogt, Hipp<br />
Hans und 1 Bastian, Maier Heinrich, Metzger Hans, Maurer<br />
Jakob, Motz Hans, Nerz Peter, Mebolt Marx, Pfeiffer Hans<br />
Pfella Kaspar, Preyning Conrad, Putz Hans, Sayle Hans,<br />
Saur Hans, Schenk Jacle, Strobel Kaspar, von Staufenberg,<br />
Schueler Hans, Ryegger Jakob, Uetz Michel, Wagner<br />
Lentze und Peter, Weinstein Martin, Widmayer<br />
Kunle, Weyß Hans, Zopp Claus und Balthas.<br />
Trillfingen: Bayer Hans, Bayer Jakob von Cremensee, Butz<br />
Hans, Ehen Conrad, Haym Hans und Michel, Hicke<br />
Hans, Katz Martin, Kessler Bartlin, Numayer Conrat,<br />
Nye Conrad, Riber Kaspar, Schäfer Jörg, Rapp Hans,<br />
Schaffner Conrad, Schneider Hans, Schuhmacher Heinrich<br />
und Ulrich, Spät Hans, Stelzer, Striegel Jörg, Weckler<br />
Melchior dlerzeit Vogt, Wollensack Hans.<br />
Weildorf: Algewer Ulrich, Bumay Wolf, Cun Hans, Glare<br />
Konrad, Leibfrid Jakob derzeit Vogt, Schnell Hans, Seger<br />
Hans, Stefan Hans, Pfaff Mayenregen. M. Sch.<br />
Aus dem Pfarrarchiv Rangendingen<br />
Im Jahre 1856, den 23. November, wurde Pfarrverweser<br />
Bernhard Pfeffer zu Krauchenwies, geb. 1816 den 16. April<br />
zu Rottweil, 1844 den 29. März zu Dillingen, Diözese Augsburg<br />
zum Priester geweiht, von Sr. Hoheit dem Fürsten Carl<br />
Anton zu Hohenzollern-Sigmaringen auf die Pfarrei Rangendingen<br />
gnädigst präsentiert. Am Quatember-Freitag der 19.<br />
Dezember eiusdem anni wurde er von Sr. Exzellenz dem<br />
Hochwürdigsten Erzbischof von Freiburg im Breisgau Hermann<br />
von Vicari auf hiesige Pfründe bestätiget.<br />
Donnerstag den 5. Februar 1857, Mittags 2 Uhr ist er hier<br />
aufgezogen und Sonntag den 15. Februar hielt er seine Antrittsrede<br />
und Donnerstag den 19. Februar wurde er durch<br />
S. Hochwürden den Herrn Stadtpfarrer Geistlichen Rath und<br />
Dekan Hemann Friedrich Bulach zu Hechingen kirchlich investiert.<br />
Bei dieser Feier waren gegenwärtig: Herr Pfarrer<br />
Paul Koler, Kammerer zu Grosselfingen, dessen Bruder Laurenz<br />
Koler, Pfarrer zu Steinhofen, Herr Pfarrer Conrad Volm<br />
zu Weilheim, Herr Pfarrer und Definitor Friedrich Sauter zu<br />
Boll und H. Pfarrer und Dekanatsverwalter Joh. Baptist Göggel<br />
zu Stetten b. Haigerloch. Pfarrer Pfeffer.<br />
1857<br />
Freitag den 1. Mai morgens IOV4 Uhr ist an Halsentzündung<br />
nach einem nur eintägigen Krankenlager, versehen mit den<br />
Hl. Sterbesakramenten durch Hochw. Herrn Friedrich Sauter<br />
Pfarrer und Definitor zu Boll, gottselig im Herrn entschlafen<br />
der Hochw. Stadtpfarrer und Dekan der allerverehrteste<br />
Geistl. Rath Hermann Friedrich Bulach, geb. zu Hechingen<br />
den 8. Sept. 1801, angestellt vom 2. Nov. 1830. Er wurde beerdigt<br />
durch H. Kammerer Koler in Grosselfingen den 3. Mai<br />
mittags 3 Uhr. Der Geistliche Rath und Stadtpfarrer Lampenscherpff<br />
zu Sigmaringen hielt eine halbstündige Leichenrede.<br />
Der Regierungspräsident der wirkliche Geheime Rath<br />
von Sydow war bei der Leiche und dem 1. Trauergottesdienst<br />
von Fritz Staudacher (Schluß)<br />
anwesend. Eine unabsehbare Menge Leute von Stadt und<br />
Land war zur Leiche des Hochverehrten zusammengeströmt.<br />
Zahlreiche und schmerzliche Thränen der Trauer sind um den<br />
Verblichenen geflossen. 8 Tage zuvor Freitag den 24. April<br />
nachmittags machte der Selige dem Pfarrer Pfeffer dahier<br />
einen Besuch, wobei er die Hl. Beichte ablegte und öftere<br />
Besuche zusagte. Dies war sein letzter Gang über die Stadtmauern<br />
hinaus. R. I. P. Pfarrer Pfeffer.<br />
Im Jahre 1859 vom 8. bis 16. September, somit von Mariä-<br />
Geburt bis Octav. Nativ. B. M. V. wurde in Rangendingen<br />
eine H. Mission abgehalten durch die Hochw. PP. Jesuiten<br />
aus Gorheim bei Sigmaringen, nämlich P. Georg Waldburg de<br />
Zeil, Superior, Bruder des dermaligen Fürsten Constantin<br />
Waldburg Zeil, P. Ketterer Laurenz, ein geb. Badenser (Bezirksamt<br />
Neustadt), P. Josef Leiprecht aus Württemberg OA.<br />
Waldsee. Nach den Missionen in Hechingen, Sigmaringen und<br />
Haigerloch war die hiesige die bestbesuchte in Hohenzollern.<br />
Beim Anfang mögen 5000, beim Schluß 6000 Personen zugegen<br />
gewesen sein. Von den Parochianen wurden die Predigten,<br />
welche meistens im Freien gehalten wurden (die Kanzel war<br />
am südöstlichen Chor der Klosterkirche angebracht), sowie<br />
der Beichtstuhl sehr fleißig besucht. Generalbeichten wurden<br />
sehr viele abgelegt, die allermeisten Pfarrkinder Rangendingens<br />
haben zu Ostern 1857 im Jubiläum 1858 und bei der<br />
Mission 1859 solche gemacht. Während der Letzteren sind wenigstens<br />
1200 Communionen ausgetheilt worden. Von Geistlichen<br />
waren zugegen: 1. H. Dr. Dieringer von hier, Professor<br />
zu Bonn, 2. Professor Hafner aus Rottenburg in Mainz, 3. Dekan<br />
Göggel zu Stetten bei Haigerloch, 4. Dekan Koler in<br />
Owingen, 5. Kammerer Schiebel von Hirrlingen, 6. Kaplan<br />
Seybold ebendaher, 7. Pfarrverweser Winter von Grosselflngen,<br />
8. Cooperator Heyse von Hechingen, 9. Beneflziat Braun<br />
von Zimmern bei Hechingen, 10. Pfarrer L. Koler von Stein-
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 45<br />
hofen, 11. Pfarrer Stehle von Bietenhausen, 12. Pfarrer Buhmüller<br />
von Dettensee, 13. Pfarrer Kotz von Dettingen OA.<br />
Haigerloch, 14. Pfarrer Lanz von Empfingen, 15. Pfarrer Gsell<br />
von Fischingen, 16. Pfarrer Brandhuber von Gruol, 18. Pfarrer<br />
Peiffer von Hart, 19. Vikar Gluns ebenda (Rottweiler),<br />
20. Kammerer Schnell von Heiligenzimmern, 21. Pfarrer Hieber<br />
von Höfendorf, 22. Vikar Mayer von Trillfingen, Neupriester,<br />
23. Pfarrer Keller in Weildorf, 24. Pfarrverweser Knoll<br />
in Binzdorf, 25. Pfarrer Bock von Wachendorf, 26. Exkammerer<br />
Frey von Bierlingen, 27. Pfarrer Zimmermann von<br />
Bieringen, 28. Pfarrverweser Seifert von Dettingen bei Rottenburg.<br />
Die sub 25, 19 und 6 genannten Geistlichen waren<br />
weitaus die fleißigsten im Beichtstuhl. Die Laien stellten sich<br />
am fleißigsten ein aus dem benachbarten Württemberg, dann<br />
aus dem Dekanat Haigerloch, aus dem Hechingischen kamen<br />
nur Wenige. Die Gemeinde schaffte das Missionskreuz an<br />
und ließ die Kanzel aufstellen, letztere mußte nachträglich<br />
Parochus loci bezahlen. Wachs und Meßwein und einige Kleinigkeiten<br />
bestritt die Heiligenpflege. Professor Dr. Dieringer<br />
gab nebst dem Pfarrer den Herrn Missionären eine Remuneration.<br />
Alle übrigen Kosten übernahm Pfarrer Bernhard<br />
Pfeffer. Aus Veranlassung der H. Mission ist die Klosterkirche<br />
größtenteils restauriert worden, theils aus bescheidenen<br />
milden Beiträgen, theils durch Meßstipendien, welche<br />
benachbarte Geistliche theils gratis, theils um weniges Geld<br />
übernommen haben. Die meisten Unkosten bei dieser Restauration<br />
übernahm Parochus Loci. „Sehr bescheiden!" (besonders<br />
weil nicht wahr).<br />
In der Klosterkirche sind folgende Heilige aus dem Jesuitenorden:<br />
1. der Hl. Aloysius und 2. der Hl. Stanislaus<br />
Koska, aus dem Dominikanerorden: auf dem Nebenaltar der<br />
Evangelienseite: 1. der Hl. Vater Dominikus, 2. die Hl. Katharina<br />
von Siena, 3. der Hl. Petrus, Märtyrer (oben), auf<br />
dem Nebenaltar der Epistelseite: 1. der Hl. Thomas v. Aquin,<br />
2. der H. Vinzenz Ferrerius (oben), ober der Sakristeithüre<br />
der Evangelienseite: der selige Heinrich Suso, ober der Sakristeithüre<br />
der Epistelseite: der H. Peter Consalez, im Schiff:<br />
a) der H. Papst Pius V., b) der selige Papst Benedikt XI.<br />
1867<br />
9. Juni nachts I2V2 Uhr hat es in den Kirchthurm geschlagen,<br />
der Messner Gallus Strobel läutete gerade gegen das<br />
schwere und gefahrdrohende Gewitter und wurde von seiner<br />
Frau im Glockenhaus bewußtlos, an Händen und Füßen wie<br />
gelähmt, gefunden.<br />
Am 4. Sonntag nach Pfingsten, den 7. Juli nachmittags von<br />
2 bis Vä4 Uhr (damals fiel auf den besagten Sonntag das Fest<br />
vom Kostbarsten Blute Jesu Christi), wurde das steinerne<br />
Zollerisches aus dem<br />
verdanken wir erneut Herrn Oberstudiendirektor<br />
1.) 1584 3. März: Schultheiß und Rat der Stadt Sigmaringen<br />
stellen dem Barbier Ulrich S i e s s von dort<br />
ein Zeugnis aus: Er habe sich eine gute Zeit an ausländischen<br />
Orten aufgehalten und sein Handwerk ausgeübt, sei der<br />
eheliche Sohn des Melchior Sieß selig und der verstorbenen<br />
Anna Ecühart, die in Sigmaringen miteinander zu Kirche und<br />
Straße gegangen sind. Sieß ist keinem Herrn mit Leibeigenschaft<br />
verbunden. (Siegel in Holzkapsel). Pergament.<br />
2.) 1585 11. Juni: Bürgermeister und Rat der Stadt Hechi<br />
n g e n stellen dem Schreiner Martin R e n t z einen Mannrech<br />
tbrief aus: Er sei ehelicher Sohn des Martin Rentz und<br />
der Anna Bebler selig, die in Hechingen öffentlich zu Kirche<br />
und Straße gegangen sind. Er ist von hier gebürtig und<br />
niemand mit Leibeigenschaft verbunden, und will sich auswärts<br />
niederlassen (offenbar in Reutlingen, wie auch die<br />
obige). Unterschrift: Carlin Weinmann, Schultheiß zu Hechingen<br />
(Siegel der Stadt in Holzkapsel, Pergament).<br />
3.) 1586 20. Februar: Schulthaiß Hans Bausch und die<br />
Richter des Fleckens Steinhilben urkunden: Caspar<br />
Schilling, Bürger und Büchsenschmied zu Reutlingen, bittet<br />
für seine Frau Catharina Vetter aus Steinhilben um eine<br />
Geburtsurkunde. Sie bezeugen, daß sie die eheliche Tochter<br />
des Jakob Vetter und der Barbara Khuein ist, die beide<br />
verstorben sind. Siegler: Conrad Wild, Untervogt der Herrschaft<br />
Trochtelfingen. Papiersiegel auf Papier.<br />
4.) 1586 23. März: Graf Joachim zu Fürstenberg urkundet<br />
zu Heiligenberg: Catharina Vetter von Steinhilb, die ihm<br />
bisher leibeigen war, hat sich losgekauft und wird anmit<br />
entlassen. Falls sie jedoch wieder in die Herrschaft des Grafen<br />
ziehen sollte, wird sie wie andere Einwohner und Hintersassen<br />
gehalten. Unterschrift und Siegel des Grafen, dieses<br />
in Holzkapsel. Pergament.<br />
5.) 1599 14. Juni: Schultheiß unc Gericht zu Steinhil-<br />
Kreuz bei der Mühle, das circa 160 fl kostete, von Pfarrer<br />
Bernh. Pfeffer feierlich eingesegnet. Man ging in Prozession,<br />
i. e. mit Kreuz, Fahnen und Laternen an den betreffenden<br />
Ort und ebenso in die Parrkirche zurück. Es war ein großer<br />
und erhebender Zug. Fast alle Parochianen waren zugegen,<br />
die Witterung begünstigte auf das Beste diese kirchliche<br />
Feier. Bei dem einzusegnenden Kreuze angekommen, wurde<br />
zuerst die Allerheiligen-Lytanei mit den drei Orationen laut<br />
vorgebetet, darauf folgte ein passendes Lied, dann der eigentliche<br />
Einweihungsakt, hierauf eine Predigt über das Hl. Kreuz<br />
(Inhalt: Glaubst du an das Kreuz Christi, liebst du das Kreuz<br />
Christi, vertraust du auf das Kreuz Christi?). Den Schluß<br />
bildete ein Lied vom Leiden Jesu Christi.<br />
Am 17. September abends ging Herr Pfarrer Pfeffer mit<br />
Absenzbewilligung nach Siberatsweiler ab. Am 19. September<br />
nachmittags folgte ihm der bisherige Cooperator von Hechingen<br />
Eugen Brucker als Pfarrverweser.<br />
Am 20. Oktober wurde das von Herrn Pfarrer Pfeffer errichtete<br />
Feldkreuz am Wege nach Hirrlingen durch Pfarrverweser<br />
Brucker feierlich benediciert.<br />
1868<br />
Am 3. Februar wurde der Abbruch der alten Kirche in<br />
Angriff genommen, vid. Pfarrchronik. Wo ist denn diese<br />
Pfarrchronik. Nicht ein Buchstabe ist von einer Pfarrchronik<br />
zu finden. Herr Brucker scheint in dieser Beziehung seinen<br />
Vorgänger, den er in vielfacher Weise durch Bemerkungen<br />
in den Pfarrbiichern getadelt, zum Vorbild genommen zu<br />
haben. Rangendingen März 1887. Pfarrer Mayer.<br />
1894<br />
Nach vielen Schwierigkeiten konnte der Hofraum beim<br />
Pfarrhaus eingezäunt werden. Der Gottesacker wurde erweitert,<br />
eigenmächtig von Vogt Dieringer Aegidius das Missionskreuz<br />
entfernt. Das steinerne Kreuz vor dem Orte an der<br />
Straße nach Hechingen zwischen zwei Linden wurde von<br />
Elias Schmid und dessen verstorbener Frau Paulina gestiftet<br />
und am Sonntag Dom. VIII. post Pent. 8. Juli feierlich eingeweiht<br />
vom Ortspfarrer. Die Prozession unter Rosenkranzgebet<br />
bewegte sich von der Kirche zum Kreuze und nach der<br />
Feier wieder zurück in die Pfarrkirche. Die Aufstellung des<br />
Kreuzes machte dem E. Schmid große Schwierigkeiten, der<br />
Mann wollte das Kreuz auf den erweiterten Gottesacker<br />
stellen lassen, Vogt Dieringer ließ dies nicht zu, obgleich es<br />
der Ortspfarrer wünschte und erlaubte; einen anderen Platz<br />
auf Eigentum der Gemeinde wurde vom Bürgercollegium<br />
dem Schmid zur Aufstellung des Kreuzes nicht gewehrt. Das<br />
Königl. Landesbauamt gewährte dann auf ein Bittgesuch den<br />
Platz, wo es jetzt steht.<br />
Reutlinger Stadtarchiv<br />
Dr. H. Kaichreuter daselbst, der das Archiv verwaltet.<br />
b e n in der fürstenbergischen Herrschaft Trochtelfingen, bezeugen,<br />
daß Anna Pfeiffer als eheliche Tochter des<br />
Michael Pfeiffer selig und der Ursula Rieder selig zu Steinhilben<br />
geboren wurde, und der Leibeigenschaft frei ist. Es<br />
siegelt für den Grafen Friedrich von Fürstenberg sein Obervogt<br />
zu Trochtelfingen Johann Christoph Fischer (Pergament).<br />
Auf der Rückseite steht: „Eingelegt am 1. März 1609."<br />
6.) 1600 8. Juli: Vogt und Gericht zu Rangendingen,<br />
dem Grafen Eitelfriedrich von Hohenzollern zugehörig, bekennen:<br />
Maria W i d m a y e r von Rangendingen ist<br />
die eheliche Tochter des Paulin Widmayer selig und der<br />
Margaretha Zimmermann selig. Siegler: Graf Eitelfriedrich.<br />
Papiersiegel und Unterschrift „Zollern". Rückseite: „Eingelegt<br />
den 19. Juli 1600."<br />
7.) 1600 8. Juli: Daß Maria Widmayer die eben genannte)<br />
der Herrschaft Zollern mit Leibeigenschaft in<br />
nichts verbunden ist, hat sich der Obervogt zu Hechingen<br />
Raimund H u e b e r, der Rechten Doktor, eigenhändig unterschrieben.<br />
Papieroriginal, kein Siegel.<br />
8.) 1603 11. Oktober: Vogt und Gericht zu Grosselfingen,<br />
dem Grafen Eitelfriedrich von Hohenzollern zugehörig,<br />
urkunden: Wendel Straif von Echt er dingen auf den<br />
Fildern teilt mit, daß er während seines Dienstes in der<br />
Schäferei des Grafen zu Haimburg bei ungefähr 20 Jahren<br />
mit seiner Ehefrau Elisabeth Weber einen Sohn Hans<br />
erzeugt habe, dessen eheliche Geburt anmit versichert wird.<br />
Kanzleisiegel und Unterschrift „Zollern". Rückseite: Eingelegt<br />
den 18. September 1611.<br />
9.) 1610 9. Januar: Vogt und Gericht zu Hörschwag,<br />
dem Grafen Johann Georg von Hohenzollern zugehörig, bekennen<br />
: Margaretha Randecker von da ist die eheliche<br />
Tochter des Hans Randecker und der Lucia Eyselin in Hörschwag.<br />
Papiersiegel der gräflichen Kanzlei.
46 HOHEN OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1058<br />
10.) 1610 6. März: Graf Johann Georg von Honenzoilern<br />
urkundet: Margaretha Randecker von Hörschwag habe<br />
um Erlaubnis gebeten, sich außerhalb der Grafschaft Zollern<br />
niederzulassen. Ueber ihre Leibeigenschaft ist in den gräflichen<br />
Büchern nichts gefunden worden, daß er an<br />
sie und ihre Erben einen Anspruch hätte. Papiersiegel der<br />
Kanzlei. Rückseite: Eingelegt den 11. August 1610.<br />
11.) 1612 4. Februar: Vogt und Gericht zu Beuren bei<br />
Hechingen bekennen: Anna Rebstock von da ist eheliche<br />
Tochter des verstorbenen Martin R. und Anna Kanz. Von<br />
der Herrschaft Zollern hat sie sich aus der Leibeigenschaft<br />
losgekauft. Kanzleisiegel und Unterschrift „Zollern". Eingelegt<br />
den 5. Februar 1612.<br />
12.) 1614 23. August: Vogt und Gericht des Fleckens Hörschwag,<br />
dem Grafen Johann Georg zu Hohenzollern gehörig,<br />
beurkunden der Maria Randecker, Töcher des<br />
Hans R. und der Lucia Eiselin, ihre eheliche Geburt und<br />
Freiheit von der Leibeigenschaft. Gräfliches Kanzeisiegel in<br />
Holzkapsel. Auf der Rückseite des Pergaments: „Gelesen im<br />
Senat den 20. August 1614 (wohl alten Stils!).<br />
13.) 1650 24. November: Vogt und Gericht des Fleckens<br />
T r i 11 f i n g e n, Herrschaft Haigerloch, urkunden: Christoph<br />
Höfendorfer<br />
Zum Kaplaneihausbau zu Höfendorf sollten im Jahre 1731<br />
alle Teilhaber des Zehnten beitragen, also auch Württemberg.<br />
Nun beschwerte sich ein herzoglicher Beamter beim<br />
bischöflichen Geistlichen Rat in Konstanz (14. November),<br />
daß der Kammerer Müetinger zu Ergenzingen auch seinen<br />
Alpirsbacher Pfleger zu Haigerloch (bzw. Leidringen) auf den<br />
4. d. M. ins Wirtshaus zu Höfendorf zitiert habe, um mit<br />
den übrigen Teilhabern des Zehnten die erforderlichen Baukosten<br />
zu vergleichen und auszuteilen. Er behauptete, diese<br />
durch den Meßpriester zu Ergenzingen praktizierte Zitation<br />
seines Beamten laufe dem westfälischen Friedensschluß<br />
(1648) stracks zuwider und bedeute für einen protestantischen<br />
Reichsfürsten ein ungewohntes Ansinnen. Der Geistliche Rat<br />
beschloß zunächst vom Kammerer den Wortlaut der Einladung<br />
mit Beibericht anzufordern, um sich informieren zu<br />
lassen. Der Bericht kam, samt dem ausdrücklichen Hinweis,<br />
die beanstandete Einladung oder Zitation sei schon immer in<br />
der gleichen Form üblich gewesen, ohne daß bisher weder ein<br />
katholischer noch protestantischer Reichsstand sich im mindesten<br />
widersetzte. Die Baupflicht klebe nämlich am Zehntbezug<br />
unwidersprechlich an, ohne Rücksicht auf die Person<br />
des Beziehers. Das württembergiscne Protestschreiben gebrauche<br />
zudem gegen den katholischen Klerus verächtliche<br />
Anzüglichkeiten, indem es öfter das Wort Meßpriester wiederhole.<br />
Nicht weniger sei die verbitterte und von einem<br />
württembergischen Bauernvogt ganz unanständige Schreibart<br />
zu rügen, der ein oder anderes Paar (salva reverentia —<br />
mit Verlaub zu sagen) Hosen auf der Rechnungsbank verrutschte<br />
und nun solche Ausdrücke gebrauche gegen einen<br />
katholischen Pfarrherrn, der zumal den Charakter eines<br />
bischöflichen Kommissärs bekleide. Man dulde württembergerseits<br />
ja nicht einmal, daß ihre Pastoren als Prädikanten<br />
tituliert würden.<br />
Am 20. März 1732 wurde vor dem Geistl. Rat wieder ein<br />
Schreiben seiner Durchlaucht des Herzogs vom 26. Februar<br />
verlesen, wonach der Herzog als Mitzehnt-Bezieher zu Höfendorf<br />
zur Wiedererbauung der Pfründegebäude auf keinerlei<br />
Weise mithelfen wolle. Dies geschah unter dem Vorwand:<br />
als protestantischer Reichsstand sei er nicht an die Bestimmungen<br />
des kanonischen Rechts gebunden. Wegen der Zitation<br />
aber verlange er SatisfaKtion. Denn nach den son-<br />
Das Rittergut Feldhausen,<br />
Hans Christoph Speth zu Oammertingen hinterließ bei seinem<br />
Tode (1641) seinen drei Söhnen Ulrich, Hans Dietrich, Rudolf<br />
Jakob und seinen zwei Töchtern Margaretha Ursula und<br />
Margaretha Anna das Rittergut Gammertingen mit den Dörfern<br />
Neufra, Harthausen, Feldhausen und Bronnen. Bei dem<br />
Tode des Junkers waren die Kinder noch minderjährig, eine<br />
Vormundschaft verwaltete das gesamte Rittergut bis zum<br />
Jahre 1658. Bei der in diesem Jahre vorgenommenen Teilung<br />
erhielt Rudolf Jakob den dritten Hauptteil: das Rittergut<br />
Bronnen, Feldhausen und Harthausen.<br />
Das Teilungsschriftstück bestimmt u. a.:<br />
Der Inhaber dieses Rittergutes besitzt die ganze Gerichtsbarkeit<br />
(mit Ausnahme des Blutlehens) in Bronnen, Feld-<br />
Vollmer, ehelicher Sohn des Jerg Vollmer, verstorbenen<br />
hies. Bürgers, hat vom Schultheiß und Gericht des österreichischen<br />
Fleckens Wendelsheim bei Rottenburg eine<br />
Urkunde vorgelegt, daß er in gesagtem Wendelsheim ehelich<br />
geboren sei! Es wird ihm bestätigt, daß Jerg Vollmer und<br />
seine Gattin Cleophe D r a u 11 sich in Trillfingen ganz einwandfrei<br />
verhalten haben bis zu ihrem Abscheiden aus dem<br />
Flecken, das bei leidig eingefallenem Kriegswesen aus<br />
großer Hungersnot geschah. Christoph Vollmer<br />
ist als ihr ehelicher Sohn geboren, und ist nicht mit Leibeigenschaft<br />
beschwert. Michael Stehling und Stephan Horn<br />
als Abgeordnete des Gerichts zu Tr. haben um Besiegelung<br />
gebeten. Papiersiegel der fürst. Kanzlei und Unterschrift<br />
des Kastenvogts Andreas Volk. Rückseite: „Vorgelegt im<br />
Senat den 14. lezember 1650."<br />
14.) 1653 7. März. Schultheiß, Bürgermeister und Gericht<br />
der Stadt Hechingen bekennen: Agatha von Ow ist die<br />
eheliche Tochter des Michael von Ow, der noch lebt und der<br />
Maria Schoy selig zu Hechingen und von Simon Rausch des<br />
Rats und Maria Dräher als Gevattersleuten aus der hl.<br />
Tauf gehoben worden. Sie hat sich von der Herrschaft aus<br />
der Leibeigenschaft losgekauft. Papiersiegel der Kanzlei und<br />
der Stadt. Rückseite: Vorgelegt den 19. März 1653.<br />
Baupflicht<br />
nenklaren Bestimmungen des obigen Friedensvertrages seien<br />
die kirchliche Jurisdiktion und das Diözesanrecht in protestantischen<br />
Ländern gänzlich aufgehoben, so daß Württemberg<br />
die lediglich aus dem kanonischen Recht hergeleitete<br />
Baupflicht niemals anerkennen könne, sondern sich nur nach<br />
den Reichsgesetzen und dem westfälischen Friedensschluß zu<br />
richten habe. Auch könne mit gehäuften Gründen und Entscheidungen<br />
der höchsten Reichsgerichte erweislich gemacht<br />
werden, daß die Zehnten nur solange der Baupflicht unterworfen<br />
seien, als sie wirkliche Kircheneinkünfte seien.<br />
Ueber diese „gefährlichen Einwände" Württembergs sollte<br />
nun auf Befehl des Bischofs der Geistliche Rat reiflich beraten,<br />
was denn auch am 16. April 1732 geschah. Zunächst<br />
wurde anhand älterer Akten festgestellt daß das Vorgehen<br />
des Kammerers bei Einladung der Zehntbezieher nicht<br />
außergewöhnlich war, da Württemberg selbst schon verschiedene<br />
Male zur Reparierung teistlicher Benefiziatenhäuser<br />
beitrug an Orten, wo der Herzog am Zehntbezug teil<br />
hatte. Weiter wurde nachgewiesen, die geistliche Jurisdiktion<br />
sei gegenüber den Augsburger C.onfessionsverwandten nur<br />
insofern aufgehoben, als Renten, Zinsen, Zehnten und Pensionen<br />
in den Gebieten, wo die Katholiken anno 1624 wissentlich<br />
in Possession waren, oder tatsächlich die Jurisdiktion<br />
ausübten, sie auch fernerhin behalten sollten. Umsomehr<br />
aber wird der Bischof sein Diözesanrecht in Höfendorf anwenden<br />
dürfen, wo die katholische Religion nicht erst seit<br />
obigem Normaljahr, sondern wohl ein Jahrtausend her aufrecht<br />
geblieben ist. Endlich seien die Zehnten nach der Hl.<br />
Schrift für Gott zur Anerkennung seiner universalen Herrschaft<br />
und zum Unterhalt der Kirche bestimmt, und auch<br />
bei Teilung der Zehnten als Last für die Kirchenzubehörden<br />
und Kirchendiener bestimmt gebheben, woran auch der<br />
Uebergang in weltliche Hände nichts änderte. Die katholischen<br />
Zehntherren müßten ja auch an nie' katholischen<br />
Orten zur Reparierung der Pfarrhäuser mithelfen nach der<br />
Rate ihres Zehntbezugs. Weiteres ist leider nicht zu ersehen.<br />
(Erzb. Arch. Freiburg Ha 225, S. 158 ff.) Hodler weiß in<br />
seiner Geschichte des Oberamts Haigerlocn nichts von<br />
einem württembergischen Zehnten zu Höfendorf, ein Hinweis,<br />
daß die Forschung mit seinem sonst guten Werk nicht<br />
abgeschlossen sein dürfte. Krs.<br />
Harthausen und Bronnen<br />
und Harthausen, innerhalb und außerhalb des Etters, im Wald<br />
und auf dem Feld, soweit sich der Zwing und Bann erstreckt,<br />
die Kastenvogtei über das Gotteshaus Berg Mariaberg). Der<br />
Ritter ist verpflichtet, bei jeder Gefahr das Gotteshaus v u beschützen<br />
und zu beschirmen und erhält hierfür von Mariaberg<br />
jährlich drei Malter Vesen und drei Malter Haber.<br />
Jährlich muß das Kloster seinem Schirmherr einen "»'=igen<br />
mit Wein aus dem Uracher Tal (gegen Lieferung von Nägel:<br />
und Hufeisen) holen. Der Vogtherr ist berechtigt, jährlich<br />
allein oder mit zwölf Personen nach Du'chführung einer<br />
Jagd einen Imbiß oder ein Nachtmahl im Kloster .inzunehmen.<br />
Das Patronatsrecht in Feldhausen steht üm Ritter ungeschmälert<br />
zu. Dem Inhaber der Ritterschaft Bronnen ge-
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 47<br />
hört in Bronnen, Feld- und Harthausen der gesamte Ertrag<br />
des Großzehnten. Hiervon muß er dem Pfarrer in Feldhausen<br />
jährlich zwanzig Malter Vesen, 8 Malter Haber, ein Malter<br />
Gerste, ein Malter Roggen, 2 Fuder Stroh und 10 Gulden 40<br />
Kreuzer reichen. Im Jahre 1579 verpfändete Philipp Dietrich<br />
Speth seinem Vetter und Schwager Georg Schenk von Staufenberg<br />
den Flecken Bronnen. Letzterer errichtete daselbst<br />
einen adeligen Sitz und einen Schloßneubau. Die Priorin von<br />
Mariaberg protestierte alsbald dagegen und erhielt nach 22jährigem<br />
Prozeß vor dem Reichskammergericht zu Speyer<br />
am 25. Januar 1602 ein Urteil, wonach der Platz, Grund und<br />
Boden zu Bronnen,.auf dem das Schloß erbaut wurde, dem<br />
Kloster eigentümlich zustehen und Stauffenberg den Schloßbau<br />
dem Kloster einzuräumen und abzutreten, auch den<br />
Schaden und die Gerichtskosten zu ersetzen habe. Aus diesem<br />
Grunde faßte die Familie Speth den Plan, das neuerbaute<br />
Schloß wieder abzubrechen. Es unterblieb deshalb bei<br />
der Erbteilung im Jahre 1658 eine Bewertung des Schlosses.<br />
Zu demselben gehörten 9'/L> Mannsmahd Wiesen, darunter der<br />
4 Mannsmahd zählende Kirchgarten, mit einem Gesamtkapitalwert<br />
von 1425 Gulden. Die weiter dazugehörigen siebenviertel<br />
Hanfgarten in der Hettinger Gasse müssen bis an<br />
die Hechel verfront werden und stellten 347 Gulden 5 Kreuzer<br />
Kapitalwert dar. 14 Jauchert Ackerland sind mit 84 Gulden<br />
bewertet. 99'/J Jauchert Holzmarkungen sind mit 1985<br />
Gulden angeschlagen. Zur Ritterschaft gehört weiter das<br />
Fischwasser an der Lauchert von Kloster Mariaberg abwärts<br />
bis an die Gammertinger Grenze zum Hintertal; der Ertrag<br />
ist mit 1250 Gulden in das Hauptgut eingesetzt. Als Umgeld<br />
erhält die Herrschaft von jedem, der Bier, Wein oder andere<br />
Getränke ausschenkt, das 13. Maß. Diese Einnahmen hatten<br />
einen Kapitalwert von 477 Gulden, 30 Kreuzern und viereinhalb<br />
Hellern. Strafen und Bußen stellten einen Kapitalwert<br />
von 644 Gulden 10 Kreuzern und 2 Hellern dar. An<br />
Abzug und Nachsteuer wurden jährlich 20 Gulden 43 Kreuzer<br />
7 Heller vereinnahmt, was einem Kapitalwert von 517 Gulden<br />
55 Kreuzer und 7 Hellern entspricht. Die Untertanen<br />
haben die Frondienste in guter Uebung. Herbststeuer, Ackerund<br />
Birkengeld erbrachten jährlich in Bronnen 7 Gulden 18<br />
Kreuzer 1 Heller und ergaben ein Kapital von 182 Gulden<br />
30 Kreuzer und 1 Heller. Die Gemeinde Feldhausen muß als<br />
Weidgeld, Maien- und Herbststeuer jährlich 33 Gulden 40<br />
Kreuzer reichen, ergeben ein Kapital von 841 Gulden 40<br />
Kreuzer. In Harthausen betrug diese Steuer jährlich 8 Gulden,<br />
gleich 200 Gulden Kapitalwert. Das Wiesenfrongeld,<br />
Ackergeld, die Karren- und Fleischsteuer zu Feldhausen bringen<br />
jährlich 24 Guld. 23 Kreuz, und stellen 609 Guld. 25<br />
Kreuz. Kapitalwert dar. In Harthausen betrug der Kapitalwert<br />
dieser Steuern 315 Guld. 25 Kreuzer. Feldhausen mußte<br />
jährlich 44 Leib- und Fastnachtshennen, 106 junge Hühner<br />
und 6 Vierte] Eier abliefern. Harthausen reichte jedes Jahr<br />
17 Leib- und Fastnachtshennen, 32 junge Hühner und 2<br />
Viertel Eier. Bronner 1 lieferte jährlich 10 Hennen. Der Kapitalwert<br />
dieser Abgaben belief sich auf 601 Gulden 15 Kreuzer.<br />
(Eine Fastnachtshenne 8 Kreuzer, ein junges Huhn = 4<br />
Kreuzer, 1 Viertel Eier — 40 Kreuzer)<br />
Der Kapitalwert der Schirmfrucht des Klosters Maria Berg<br />
betrug 412 Gulden 30 Kreuzer. Die GültaDgaben (Naturaiab<br />
gaben der Lehengüter) und der Vogthaber zu Feld- und<br />
Harthausen stellten ein Kapital von 2 933 Gulden 2 Heller<br />
dar. Der Großzehnte ergab in den drei Gemeinden jährlich<br />
112 Malter, 6 Viertel und 1,5 Imi Vesen. Hiervon erhielt der<br />
Pfarrer 20 Malter (1 Malter 3 Gulden). Der Schwachvesenertrag<br />
war 24 Malter 13 Viertel 3,5 Imi. (1 Malter 1 Gulden<br />
30 Kr.) Der Roggenzehnte ergab 22 Malter 5 Viertel 2 Imi.<br />
(1 Malter 2 Gulden 40 Kr.) Hiervon erhielt de^ Geistliche 1<br />
Malter. Auf 18 Malter 6 Viertel belief sich der Gerstenzehntertrag,<br />
wovon an den Pfarrer 17 Malter zu liefern waren.<br />
(1 Mi'Her 2 Gulden.) Der Haberzehnte warf jährlich 57 Malter<br />
7 Viertel ab. Dem Geistlichen gebührten davon jährlich 8<br />
Malter. (1 Malter 2 Gulden 30 Kreuzer.) Der Erbsenzehnte<br />
erbrachte 2 Viertel 'fe Imi, der Weizengroßzehnt 3 Viertel.<br />
(Der Weizenanbau war demnach noch recht gering.) Trefzgen<br />
und Schwachgerste aus dem Zehnten brachten etwa 25 Scheffel.<br />
Der gesamte Kapitalwert des Großzenntertrages und der<br />
Landgarbe in den drei Gemeinden war mit 12 755 Gulden<br />
angeschlagen, da lic .Tahreswerte dieser Einnahmen auf<br />
etwa 510 Gulden jährlich sich beliefen.<br />
In Bronnen lebten damals 22, zu Feldhausen 68 und zu<br />
Harthausen 31 verheiratete Personen. Da dieselben den<br />
Hauptfall geben mußten, sind sie im Teilungsbetrag mit je<br />
4 Gulden bewertet. Ledige Personen in Bronnen 37, in Feldhausen<br />
'03 und zu Harthausen 36 waren je mit 2 Gulden in<br />
das Teiiungsiibeli eingesetzt. Der gesamte Kapitalwert des<br />
Rittergutes Bronnen, Feld- und Harthausen belief sich auf<br />
26 576 Gulaen 17 Kreuzer und 4'/2 Heller. Demgegenüber<br />
ruhten auf diesem Rittergut eine Schuldenlast von 23 654<br />
Gulden 3 Kreuzer 2,5 Heller. Diese verteilten sich wie folgt:<br />
1 000 Gulden, welche Ritter Dietrich Speth im Jahre 1530 bei<br />
Jakob Freyburger in Villingen aufgenommen hatte. 1800<br />
Gulden, die Philipp Dietrich Speth im Jahre 1578 von Dr.<br />
Johann Gerlach in Tübingen geliehen hatte. 5 000 Gulden<br />
an das Domkapitel des Stiftes Ellwangen, die Caspar Bernhard<br />
Speth und Albrecht Speth im Jahre 1607 entlehnten.<br />
Ebenfalls 2 000 Gulden dem gleichen Domkapitel, die Caspar<br />
Bernhard Speth im Jahre 1613 geliehen hatte. 1 000 Gulden<br />
an das Domkapitel Ellwangen, die Ritter Georg Wolf Speth<br />
im Jahre 1628 entlehnte. Von Jakob Bauer in Ebingen lieh<br />
Caspar Bernhard 1617 — 500 Gulden. Den Westerstettischen<br />
Erben waren für eingebrachtes Heiratsgut der Frau Ursula<br />
Speth 6 000 Gulden zu erstatten. Frau Maria Salomon in Skt.<br />
Johann im Elsaß hatte 100 Gulden zu erhalten, Frau Anna<br />
Speth geb. Laubenberger 666 Gulden 40 Kreuzer. Für einen<br />
von Caspar Bernhard in Feldhausen gestifteten Jahrtag<br />
waren 100 Gulden zu bezahlen. Den Pfarrkirchen zu Gammertingen<br />
und Neufra „wegen hergegebenen Kürchenzüraden<br />
und ornaten von Silber, welches Herr Hans Christof Speth<br />
von Zwyfalten im Jahre 1643 nach Skt. Gallen versetzt, selbiger<br />
aber nach der Zeit angegriffen und dißtrahiert worden",<br />
waren 280 Gulden 44 Kreuzer zu erstatten. Es waren<br />
weiter zurückzuzahlen 2000 Gulden an die Pfarrkirche zu<br />
Gammertingen, 314 Gulden an Oberamtmann Abraham Wolf<br />
in Hornberg, 1400 Gulden an Urban Seiz zu Munderkingen,<br />
dem Spital zu Ebingen 200 Gulden, nach Neufra 350 Gulden.<br />
Es folgten dann im Teilungsvertrag noch eine größere Anzahl<br />
kleiner Schuldposten. Die gesamte Schuldsumme aber zeigt,<br />
daß die Ritterfamilie Speth in der damaligen Zeit über und<br />
über verschuldet war.<br />
Kurznachrichten<br />
1503 25. September. Ritter Hans Kaspar von Bubenhofen,<br />
Hauptmann, an den Bischof Hugo von Konstanz: Mit Dank<br />
gegen Gott, zu seinem Seelenheil und in anerkennender Hochschätzung<br />
der hl Messe stiftete er zu Gottes und der gesegneten<br />
Jungfrau Maria und aller Heiligen Lob und zum Trost<br />
der armen Seelen seiner Angehörigen (Frau, Eltern, Geschwister,<br />
Vorfahren, Nachkommen) eine ewige Messe und<br />
Pfründe in die Stiftskirche zu Hettingen, und zwar i n d i e<br />
von ihm erbaute Kapelle, deren vorderer Altar geweiht<br />
ist zur Ehre der beiden hl. Johannes, Anna, Maria,<br />
Maria Magdalena, Cleopha, Salome, Margareta und Veronika<br />
Martha. Die Lehenschaft oder das Patronatsrecht soll<br />
dem Stifter und seinen Erben reserviert sein. Ein ehrbarer<br />
Priester guten Leumunds und stillen Lebenswandels soll<br />
dem Bischof präsentiert werden, der dann am Ort wohnen<br />
und den Altar versehen soll laut der Statuten der genannten<br />
Kirche, und in der Kapelle täglich Messe lesen für des<br />
Stifters Vorfahren. Der Priester soll dem Dekan und den<br />
All das<br />
in<br />
<strong>Postamt</strong>
48<br />
Chorherren dieser Stiftskirche beim üblichen Gottesdienst<br />
helfen laut der Statuten, und die Pfründe ohne des Lehensherrn<br />
Willen nicht verlassen, bei Strafe der Absetzung. Dazu<br />
stiftet der Ritter: 9 fl. jährl. Zins auf Jörgentag, die laut<br />
Schuldbriefs der Graf Eitelfriedrich von Zollern zu zahlen<br />
hat. Ferner 10 fl. zahlt die Vehingerin zu Stuttgart aus etlichen<br />
Gütern. Ferner 10 Mit. Vesen, 2 Mit. Haber, 1 Mit.<br />
Gerste aus meiner Landgarbe zu Hettingen, 5 Ohm Vorlaß-<br />
Wein gibt jährl. der Schweizer zu Poltringen. Auf diese<br />
Pfründe präsentiert Hans Kaspar v. Bubennofen anmit den<br />
würdigen Meister Hangen S c h ö n s t e in, und bittet um<br />
bischöfliche Bestätigung.<br />
1503 28. September. Der Generalvikar von Konstanz des<br />
Bischofs Hugo bestätigt diese Stiftung. (Pfarramt Hettingen).<br />
Figurendiebstahl. Nachdem letzten Winter die Madonna<br />
aus der Kornbühlkapelle bei Salmendingen von gewissenlosen<br />
Räubern entführt worden, sind jetzt um den 7. Januar<br />
1958 nach einem Einbruch in die Kapelle zu Kalkofen bei<br />
Liggersdorf zwei Statuen St. Josef und Pieta verschwunden,<br />
die in Kunstdenkmäler Bd. II, 201 ff beschrieben und abgebildet<br />
sind. Kr.<br />
Eine Papiermühle Bärental erwähnt die ZOLLERHEIMAT<br />
Nr. 5, Jahrgang 1939, und setzt dabei stillschweigend voraus,<br />
daß es sich um die hohenzollerische Gemeinde Bärental<br />
handle. Doch dem ist nicht so, in unserer Ortschaft Bärental<br />
gab es zu keiner Zeit eine Papiermühle. Dagep^n liegt talaufwärts,<br />
auf der angrenzenden Gemarkung d' "vürtt. Gemeinde<br />
Egesheim, hart an der Gemarkungs^ d Landesgrenze<br />
die Parzelle Bärental, heute auf den meisten Karten<br />
als „Hammer" oder „Pumpstation Bärental" bezeichnet. Nicht<br />
weit von hier vereinen sich die beiden Quell-Bäche<br />
Obere- und Untere Bära zur eigentlichen Bära. Der Ort<br />
Egesheim gehörte zur Oberen Herrschaft Hohenberg, zu Vorder-Oesterreich,<br />
und kam 1805 zu Württemberg. Nach 1700<br />
wurde auf der Parzelle Bärental, Gemeinde Egesheim, eine<br />
Hammerschmiede errichtet, die bis 1822 in Betrieb war. Das<br />
Anwesen wurde von Joseph Anton Frhr. von Ulm zu Erbach<br />
käuflich erworben und eine Papiermühle eingebaut. Ob aus<br />
der Bütte geschöpft wurde oder eine Papiermaschine aufgestellt<br />
war, muß noch erforscht werden. Im Jahre 1836 kam<br />
das Anwesen erneut zum Verkauf. Nunmehr wurde eine<br />
Mahlmühle eingerichtet, die in den kommenden Jahren wiederholt<br />
den Besitzer wechselte. 1886 schlössen sich 17 Gemeinden<br />
zusammen und errichteten auf der Parzelle Bärental<br />
eine Pumpstation. 20 Jahre später kam auch die Mühle zum<br />
Erliegen und wurde von der Heuberg-Wasserversorgung aufgekauft.<br />
— Im Bereiche des heutigen Hohenzollernlandes<br />
sind bis jetzt die Papiermühlen zu Gammertingen, Kaiserin -<br />
gen und Weilheim bei Hechingen nachgewiesen; die Papiermühle<br />
Bärental kann nicht für uns in Anspruch genommen<br />
werden. M. Sch.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Veriags-<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Kirchenschatz versetzt. Der Geistl. Rat zu Konstanz erlaubte<br />
der Stadt Trochtelfingen am 12. Okt. 1707<br />
den Kirchenschatz zu versetzen, doch soll darauf geachtet<br />
werden, daß genügend Caution gestellt wird. Die Stadt wollte<br />
damit die Kriegsumlagen bezahlen. Krs.<br />
Das Gotteshaus Kircnberg bei Haigerloch ist dem Gotteshaus<br />
Reichenau jährlich 2 Pfund Wachs zu Zinsen schuldig,<br />
aber dieser Zins wurde seit 1513 bis auf Untervogt Sartorius<br />
nicht eingefordert, und dann wurde verhandelt, die veifallenen<br />
Zinsen mit 40 Gulden abzulösen, worauf die 2 Pfund<br />
wiederum weiter zu geben waren. Als aber im Auftrag des<br />
Provinzials des Predigerordens der Prior von Konstanz diese<br />
60 fl zahlen wollte, habe man ihm 80 abverlangt. Man beschloß,<br />
am 29. 12. 1615 die Amtleute sollten versuchen, 70 fl<br />
zu bekommen, andernfalls aber mit den 60 zufrieden sein,<br />
damit man endlich Ruhe bekomme. (Ebda 328).<br />
Zu den freiwilligen Leibeigenen (Hohz. Heimat 1958, 12)<br />
teilt uns ein eifriger Leser unserer Zeitschrift Studienrat<br />
Dr. Rommel-Freudenstadt, mit, daß vielfach Leibeigene ein<br />
Lehen oder andere Vorteile erhielten und verweist auf Theoa.<br />
Knapp, Neue Beiträge zur Rechtsgeschichte des württembergischen<br />
Bauernstandes 1919, S. 128 ff.<br />
Die Christus-Johannes-Gruppe um 1350, die sich heute als<br />
Leihgabe der Pfarrei Grüningen b. Donaueschingen im Diözesan-<br />
bzw. Augustinermuseum in Freiburg befindet, Kam<br />
nach Ausweis der Akten nach Grüningen durch Herrn Pfarrer<br />
Joh. Kohler, einen großen Kunstliebhaber und Maler, der<br />
aus Haigerloch gebürtig, 1867 Pfv. in Dießen, 1868 in Bittelbronn,<br />
1872 in Owingen, 1873 Pfarrer in Klosterwald, 1886<br />
in Stetten b. Haig. war und dann nach einigen badischen<br />
Stellen 1899 Pfarrer in Grüningen wurde, wo er 1901 starb.<br />
Es wäre eine lohnende Aufgabe der hohenzoll. Forscher, Herauszubringen,<br />
wo obige Statue herstammte. Angeblich komme<br />
sie aus Klosterwald. Kr.<br />
Der Reclam-Verlag Stuttgart hat in seinem Kunstführer<br />
durch Bayern einen II. Band „Baden-Württemberg, Pfalz-<br />
Saarland" folgen lassen, der 55 Abbildungen im Text und<br />
64 Bildtafeln enthält. Unter den letzteren finden wir Haigerloch,<br />
Blick auf Schloß und Schloßkirche, Hechingen,<br />
Stiftskirche von Südwesten, und Sigmaringen mit der<br />
Marienkapelle in der Hedinger Kirche Im Gegensi'z zu<br />
Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, das so<br />
viele Ungenauigkeiten und so viel Falsches in seinem Hohenzollern<br />
betreffenden Teil aufweist, ist Reclams Kunstführer<br />
beispielgebend. Der zuständige Fachmann, Lar~eskonservator<br />
W. Genzmer, hat den hohenzollerischen Teil<br />
bearbeitet. Das gefällige Bändchen in Taschenbüchformat<br />
wird sicherlich viele Freunde finden. M. Sch.<br />
Karl Weller, Württembergische Geschichte, 4. Aufl. vom<br />
Sohn Arnold Weller, 1957, 252 S„ Halbleinen P.80 DM, Silberburg-Verlag<br />
Stuttgart. Wer frühere Auflagen dieser<br />
grundlegende!). Darstellung der württbg. Geschichte kennt,<br />
wird mit Freude diese wesentliche und bis zur Gegenwart<br />
fortgeführte Ausgabe ebenso begrüßen, als wer Wellers<br />
Büchlein erstmals zur Hand nimmt. Der Verfasser iiat bis<br />
zu seinem Tod 1943 in vielen GeschichtswerKen die Vergangenheit<br />
seines Landes in echter Wissenschaftlichkeit erforscht<br />
und dargestellt, hier aber auf knappem Raum eine ausgezeichnete,<br />
jedem verständliche Darstellung der historischen<br />
Entwicklung von der Frühzeit bis zum 2. Weltkrieg gegeben,<br />
die sein Sohn bis zur Gegenwart weiterführte uno auch die<br />
inzwischen gewonnenen neuen Erkenntnisse glücklich einbaute.<br />
Natürlich muß sich diese Geschichte in Anführung der<br />
Einzelheiten auf das Notwendigste beschränken, gibt jedoch<br />
deutlich die allgemeinen Grundzüge, das Wesentliche und<br />
historisch Wirksame. Ansprechend findet der Geschichtsfreund,<br />
daß bis 1806 die alte Bezeichnung Wirtemberg benutzt<br />
wird, die ja damals eine Laune des Königs Friedrich,<br />
der über eine falsche Ableitung (Wirt arr Berg) verärgert<br />
war, leider in Württemberg umänderte. Die Namen der Berge<br />
Twiel und Zollern werden wohl mit Recht als keltisch gedeutet.<br />
Ein Druckfehler dürfte S. 125 stehen geblieben sein,<br />
wo die Herren von Zimmern von Hohen- statt von H< .'renzimmern<br />
abgeleitet werden. Zeittafel, Register und drei<br />
Stammtafeln vervollständigen das empfehlenswerte Buch. Kr.<br />
Zu den Bildern: Die Druckstöcke wurden zur Verfügung<br />
gestellt: Seite 35 und 37 von Herrn Fabrikant Christian Maute<br />
in Bisingen; Seite 39 (oben) von Herrn Schriftleitei *-etzi in<br />
Hechingen; Seite 39 (unten) von H. H. Pfarrer Waldenspul<br />
in Melchingten; Seite 40 (von Herrn Landrat Dr. Speidel in<br />
Hechingen. Besten Dank!
Hohenzollerlsehe Heimat<br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postverlagsort Gammertingen<br />
Nummer 4 Gammertingen, Oktober 1958 I 8. Jahrgang<br />
I. Teil Sonntagsglocken<br />
Die Glocken läuten den Sonntag ein. Wie sie klingen hoch<br />
vom Turm, lieblich und ernst zugleich, weich wie Mutterworte,<br />
hell wie Engelgesang:! Auf starken Flügeln schweben<br />
die goldenen Klänge weit über die Dächer hinaus, weit über<br />
Feld und Flur, und grüßen den arbeitsmüden Menschen, der<br />
sich aufrichtet bei diesem Gruße und sich erinnert, daß er<br />
kein Knecht ist, sondern ein freies Gotteskind.<br />
Verstehst du es wohl, was die Glocken mit ehernem Mund<br />
laut und jubelnd hinausrufen in die dämmernde Welt?<br />
„Morgen ist Sonntag — gedenke des Herrn! Morgen ist<br />
Sonntag — suche dein Heil! Morgen ist Sonntag — freue dich,<br />
Mensch!"<br />
Ein Gottestag ist der Sonntag, dem Herrn geweiht und<br />
heilig zu halten; ein Gnadentag ist der Sonntag, der unserer<br />
Seele Segen bringen will, und ein Freudentag ist der Sonntag.<br />
Freude läuten seine Glocken, und diesem Freudensange<br />
wollen wir lauschen — nur so lange, bis der letzte<br />
Klang der frohlockenden Glocken fern im horchenden Walde<br />
sich verloren hat.<br />
Sonntag! Du liebes Wort, du trauter Name mit dem<br />
warmen, wonnigen Klange, von der Sonne entlehnt, der<br />
gfoßen Lebenspenderin und Freudenbringerin. Wieviel sagt<br />
schon der Name!<br />
Eine goldene Welle zieht der Sonntag durch das Menschenleben,<br />
immer wieder nimmt er das harte Joch von der müden<br />
Holzbrücke bei Beuron<br />
Schulter, bringt Ruhe in den Lärm und sonnige Freude in<br />
die Seele. Wenn seine Glocken läuten, schweigen die pochenden<br />
Hämmer, die rasselnden Räder und alle Werkzeuge der<br />
Arbeit mit ihrer rauhen, scharfen Stimme, und heilige Stille<br />
zieht ein. Der Mensch geht heim und spült den Staub von<br />
seinen Gliedern, die festlichen Kleider werden hervorgeholt,<br />
und das Haus schmückt sich mit dem Glanz der Ordnung und<br />
Reinlichkeit. Morgen ist Sonntag, da geben wir Gott dem<br />
Herrn die Ehre und gönnen uns einen frohen Tag.<br />
Wohin wird die selige Freiheit uns locken? Machen wir<br />
einen Gang durch die Felder, oder ruhen wir in der blühenden<br />
Laube des Gartens, oder klopfen wir an eine befreundete<br />
Tür, oder wird eine festliche Feier uns in die fröhlichen<br />
Reihen aufnehmen? Morgen ist Sonntag, da soll der Leib<br />
seine Ruhe haben und das Herz seine Freude.<br />
Wenn ich morgen die Augen öffne, dann steht der Gedanke,<br />
daß Sonntag ist, wie ein lichter Engel vor meinem<br />
Bette, der mich mit freundlichem Gruße geweckt hat. Dann<br />
scheint die Sonne heller als sonst, und die Tautropfen blitzen<br />
köstlicher, und wenn es regnen sollte, dann werden die fallenden<br />
Tropfen nicht mürrisch murmeln wie sonst, sondern<br />
mit leisem, glucksendem Lachen zu Boden springen — weil es<br />
Sonntag ist.<br />
Ach, da läuten die Glocken aus, leise und immer leiser<br />
kommen die letzten Töne. Danke dem Herrn für den Sonntag<br />
und laß ihn dir nie nehmen! Augustin Wibbelt.
50 HOHEN OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1058<br />
Das verzauberte Roß des Grafen von Zollern<br />
Als Graf Friedrich von Zollern, der als gottesfürchtiger<br />
Mann bekannt war, einst in fernen Landen gegen die Ungläubigen<br />
kämpfte, kam eines Tages ein Unbekannter zu ihm<br />
und bot ihm ein Pferd zum Geschenk an. Solch ein Pferd<br />
habe der Graf noch nie besessen, und er solle sein Leben lang<br />
seine Freude daran haben. Es bedürfe nur einiger geheimer<br />
Abmachungen, von denen aber niemand etwas erfahren<br />
dürfe. Ueberdies müsse das Pferd immer so gestellt werden,<br />
daß sein Kopf nach Westen schaue. Obwohl der Graf ahnte,<br />
daß hier nicht alles mit rechten Dingen zuging, willigte er<br />
in den Handel ein. Und siehe, das Tier, das ihm dankbar anhing<br />
und ihn beinahe mit menschlichen Augen ansah, war<br />
von nun an sei treuester Gefährte. Nie schlug der Graf das<br />
edle Roß, nie brauchte er ihm die Sporen zu geben. Dafür<br />
rettete es ihn aus manchem Hinterhalt durch seine Schnelligkeit,<br />
trug ihn wohlbehalten aus dem dichtesten Schlachtgetümmel,<br />
durch finstere Wälder und reißende Flüsse und<br />
führte ihn endlich nach vielen Jahren des Kampfes wohlbehalten<br />
wieder auf seine Burg im Schwabenlande zurück. Bevor<br />
noch der Graf sein Weib und seine Kinder umarmte,<br />
übergab er das treue Roß den Knechten mit der Weisung, es<br />
ja gut zu behandeln und ihm vom besten Hafer zu geben.<br />
Dann erst band er den Helm ab und trank den Becher roten<br />
Weines, den man ihm zum Willkomm bot.<br />
Nur eines hatte der Graf über all der Wiedersehensfreude<br />
vergessen, seinen Knechten zu sagen, daß sie das Pferd immer<br />
nach Westen schauen lassen sollten. Als der Heimgekehrte<br />
endlich im hohen Rittersaal beim festlichen Mahle<br />
saß, stürmte einer der Knechte herein. Völlig verstört meldete<br />
er dem Grafen, das Pferd sei spurlos verschwunden. Er<br />
habe es selber im Stalle festgebunden, habe es gestriegelt<br />
und gefüttert, und nun sei es fort, als habe der Wind es weggeblasen.<br />
Da fiel dem Grafen der geheimnisvolle Pakt ein,<br />
den er vor langen Jahren mit dem Unbekannten wegen des<br />
Pferdes geschlossen hatte. Aber so sehr es ihn auch schmerzte,<br />
seinen treuen Gefährten verloren zu haben, sagte er ergeben:<br />
„Ich habe- keine Macht, das alles zu ändern, so geschehe<br />
Gottes Wille!" Kaum war dies Wort verklungen, öffnete sich<br />
die Pforte des hohen Saales, und drei weißgekleidete Jungfrauen<br />
von überirdischer Schönheit traten herein. Sie schritten<br />
auf den Grafen zu, verneigten sich vor ihm,, und eine von<br />
ihnen hub an: „Wisset, hoher Herr, ein böser Zauberer hat<br />
uns einst in jenes Pferd verwandelt, das Ihr jahrelang besessen<br />
habt. Nie habt Ihr das Tier geschlagen und ihm nie<br />
ein böses Wort gegeben. Ihr habt es wie einen Freund! behandelt.<br />
Dafür hat es Euch durch treue Dienste gedankt. Als<br />
jetzt durch Euer Versehen die Knechte das Pferd gen Osten<br />
schauen ließen und somit der alte Zauber gebrochen war,<br />
habt Ihr den Verlust des edlen Pferdes gottergeben hingenommen<br />
und habt weder geflucht noch gelästert. Dadurch<br />
sind wir endlich erlöst worden. Gott aber wird Euch, edler<br />
Graf, dafür Dank wissen. Euer Geschlecht soll blühen und<br />
gedeihen, und Ihr selbst sollt in der Heimat an der Seite<br />
Eures Weibes noch viele glückliche Jahre erleben," Nach diesen<br />
Worten waren die drei Jungfrauen plötzlich verschwunden.<br />
Mit Genehmigung des Verlags Stähle u. Friedel-Stuttgart haben<br />
wir diese Sage dem Buche: „Die vergessene Rose" von Max Rieple<br />
entnommen. Die sprachliche Gestaltung der 117 Sagen aus Baden-<br />
Württemberg durch den Dichter Rieple hebt das Buch aus : 2m Gelegenheitsschrifttum<br />
in die Literatur empor. Für Schülerbüchereien<br />
besonders wertvoll. (Preis 9.80 DM.)<br />
Prinzessin Maria von Hohenzollern-Hechingen,<br />
die Letzte ihres Geschlechtes und Namens<br />
Die Vorsehung hat es gefügt, daß die Hechinger Linie des<br />
Hohenzollerischen Fürstenhauses in zwei Frauencharakteren<br />
von lauterster Prägung verklang. Diese beiden Frauencharakter<br />
werfen einen versöhnenden Schimmer auf das Erlöschen<br />
des uralten Geschlechts. Die Heimat weiß freilich<br />
nur von der letzten Hechinger Fürstin Eugenie und ihrem<br />
herrlichen Beispiel auf dem Gebiet der Nächstenliebe. Daß<br />
neben dem Namen Eugenie der Name Maria aufleuchtet, daß<br />
der letzten Fürstin noch eine letzte Hechinger Prinzessin ins<br />
Grab folgte. Maria von Hohenzollern-Hechingen, das wissen<br />
in der Heimat nur wenige.<br />
Das ist begreiflich, denn das Leben Marias von Hohenzollern<br />
spielte sich fern den Hechinger Gefilden ab: im<br />
Norden Deutschlands, in Danzig und • Oliva. Allein da im<br />
laufenden Jahre 1958 gerade 70 Jahre seit ihrem Tode verflossen<br />
sind, darf im folgenden kurz gesagt werden vom Segen,<br />
der sich an den Namen Marias von Hohenzollern-<br />
Hechingen knüpft. Da soll ihr Bild in der Heimat aufleuchten<br />
als dasjenige eines Engels der Barmherzigkeit, allen denjenigen<br />
zum Tröste, die auch in des Lebens Sorge und<br />
Schatten stehen. Denn vom wahrhaft gottstrebenden Menschen<br />
geht eine Kraft aus auch nach dem Tode, eine stärkende,<br />
befeuernde, aufrichtende, tröstende Kraft, gleichsam<br />
die Gottesspur seines Lebens als Beispiel.<br />
Maria von Hohenzollern-Hechingen ist geboren im Gutshause<br />
zu Klötzen, Kreis Marienwerder, Westpreußen, am 29.<br />
Juni >808 als Tochter des Prinzen Hermann von Hohenzollern-Hechingen<br />
und seiner Gemahlin Karoline geborene<br />
Freiin von Weiher. Diese letztere stammte aus protestantischem<br />
Geschlechte. Maria erhielt gleichwoh] getreu den<br />
Traditionen des Hauses, eine sorgfältige katholische Erziehung.<br />
Die Jugend dieses Hechinger Prinzeßleins war umdüstert<br />
von Preußens Not, da dieses unter den Schlägen Napoleons<br />
fast vernichtet am Boden lag. Ach wie arm ging es da auch<br />
im Gutshause zu Klötzen her. Wie sehr die Not auf das<br />
Königshaus selbst drückte, erhellt auch aus dem Patenbriefe<br />
der Königin Luise an den Vater Marias. Königin Luise war<br />
nämlich Taufpatin der kleinen Prinzeß geworden. Mutter<br />
und Tochter verband ,ingeachtet der Giauoensversc'niedenneit<br />
ein rührendes Verhältnis der Liebe und Treue, und dieses<br />
Vermächtnis vertiefte sieb nur, als der Gatte und Vater,<br />
Prinz Hermann am 7. November 1827 starb.<br />
Von A. Pfeffer, Weilheim<br />
Der Vater Prinz Hermann war ein Soldat vom Scheitel bis<br />
zur Sohle, tapfer bis zur Todesverachtung. Als General in<br />
preußischen Diensten hatte er ruhmvoll gegen Napoleon gefochten;<br />
er besuchte als besonderer Vertrauter seines Souverains<br />
auch den Friedenskongreß zu Wien, hatte aber nach<br />
Kriegsende zeitlebens an einer Kopfwunde zu leiden, die er<br />
sich im Kampfe geholt und die als Nasenschuß das, Gesicht<br />
nicht wenig verunstaltete.<br />
Nach dem Tode des Vaters zogen Witwe und Tochter nach<br />
Danzig in ein Hat..-, das ihnen r^er Oheim der Prinzessin, der<br />
Fürstbischof von Ermland, Prinz Joseph von Hohenzollern-<br />
Hechingen, überlassen hatte. Dieser Oheim war seiner Nichte<br />
in rührender Liebe zugetan: hören wir als Probe nur eine<br />
Stelle aus dem Giückwunschbrieflein vom 29. Juni 1831 zum<br />
Geburtstage der Prinzessin.<br />
„Einzig geliebte Marie! Du begehst heute Dein Wiegenfest!<br />
Was die zärtlichste, die lieben dste der Mütter, was ich<br />
für Dich empfinde, was heute mein Herz bewegt, das mag<br />
Dein eigen Herz Dir sagen . . . ."<br />
In Danzig nun vollzog sich der erste große Lebensabschnitt<br />
der Prinzessin, so ganz auf ein hohes Ziel gerichtet. Die<br />
äußere Lebensweise war einfach, mehr zurückgezogen, das<br />
.uge und Herz auf jene gerichtet, deren Seele wund und<br />
:'eren Körper siech war. Wiederum war es kein wahlloses<br />
Geben und Schenken. Maria von Hohenzollern sah und<br />
strebte tiefer. In einem ihrer Gespräche tat sie den Ausspruch,<br />
den man Tag für Tag der Welt von heute vor '.ugen<br />
halten, ii• Flammenschrift in jedes Herz schreiben sollte, da<br />
er wie ein Prophetenwort erscheint: „Heute genügt nicht<br />
mehr die gewöhnliche Nächstenliebe. Heute ist die Armut<br />
nicht bloß arm an Geld, sondern auch arm an Unschuld<br />
und Gesittung, arm an Familienglück, an Glauben; sie darbt<br />
nicht bloß, sondern sie weint, flucht, sündigt, gibt sich auf,<br />
sie schleudert den entsetzlichen Fluch zum Himmel, ob sie<br />
dieser nicht höic; und dann verstummt sie in namenloser<br />
Verzweiflung, weil sie keinen Glauben, keine Hoffnung mehr<br />
hat. Einer solchen Not ist nicht nur mit Geld aufzuhelfen.<br />
Die Caritas, die Nächstenliebe, fordert heute mehr! Sie<br />
fordert das :i.ngenium caritatis", sie fordert den wahren<br />
Geist der Nächstenliebe!"<br />
So war Maria von Hohenzollern mit aller Kraft bedacht,<br />
den Armen nicht nur leibliche, sondern auch das geistige<br />
Brot zu reichen. Manch roher Ehegatte, manch herzloser
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 51<br />
Sohn, manch lieblose Tochter wurden von ihr unter vier<br />
Augen ins Gebet genommen, aber mit herzlichster Liebe in<br />
Auge und Herz, und manch einer hat nach solchen, im Tone<br />
der hingebenden Mutter ohne Beisein Dritter gesprochenen<br />
Ermahnungen den Weg zu dem zurückgefunden, der allein<br />
den Frieden zu geben vermag, den die Welt nicht geben kann.<br />
So glauben wir ihrem Biographen Franz Splett, daß die<br />
Prinzessin aufrichtig war ohne Verstellung, getragen von<br />
unerschütterlichem Gottvertrauen, von unbedingter Hingabe<br />
an Gott, in ihrem Gemüte heiter, liebenswürdig, von natürlichem<br />
Herzenstakte getragen und geleitet. Lieblosigkeit war<br />
undenkbar bei ihr.<br />
Was sie so geleistet, ist von der Nachwelt nur zu ahnen,<br />
nicht zu ermessen. Ein großes Werk aber trägt ihren Namen<br />
weiter durch die Zeiten: das große Danziger Marienkrankenhaus.<br />
Der Name Marias von Hohenzollern steht an der<br />
Spitze jenes Aufrufs vom 20. Mai 1850 zur Gründung eines<br />
von Barmherzigen Schwestern geleiteten Krankenhauses, Bis<br />
dahin entbehrte auch Danzig der Barmherzigen Schwestern.<br />
Der Aufruf verweist darauf, daß bezahlte Wärterinnen niemals<br />
das leisten, was Schwestern, weil sie jenes Mitgefühl<br />
nicht kennen, „nach welcher der Kranke sich sehnt wie das<br />
Kind nach der Mutter." Merken wir uns wieder gerade dieses<br />
Wort, nachdem die öffentliche Fürsorge in unseren großen<br />
Städten darnach strebt, der freien Liebestätigkeit Licht und<br />
Luft zu beeinträchtigen.<br />
Zeitlebens blieb die Prinzessin eine Wohltäterin des Danziger<br />
Marienkrankenhauses, dem sie auch testamentarisch<br />
noch 5000 Taler vermachte. 5000 weitere Taler wandte sie<br />
dem Waisenhause zu, das dem Krankenhause angegliedert<br />
war. Als dann der Kulturkampf dem Waisenhaus ein Ende<br />
machte, wandte sie auch diese Summe dem Krankenhause<br />
zu. 14 000 Taler vermachte die Prinzessin dem Bonifatiusverein<br />
zu Händen des Bischofs von Kulm. Die Zinsen sollten<br />
ihrer Gesellschafterin Jeanette Fröhlich zukommen, so lange<br />
diese lebte.<br />
In dieser Weise erfüllte Maria von Hohenzollern-Hechingen<br />
ihren Lebenswahlspruch: „Gegen Gott das Herz eines<br />
Kindes, gegen den Nächsten das Herz einer Mutter, gegen<br />
sich selbst das Herz eines strengen Richters."<br />
Nach dem Tode des Oheims siedelte die Prinzessin nach<br />
Schloß Olivia über, das ihr Oheim Jahrzehnte lang bewohnte,<br />
und dort beschloß sie auch ihre Tage. Ihr Tod wurde als<br />
öffentliches Unglück empfunden, soweit es in der Diözese<br />
Bedrängte und Kranke gab. Aber auch die Spitzen der Behörden<br />
in Welt und Kirche ehrten die Tote, als sie am 12.<br />
Mai 1888 die Augen geschlossen hatte, 80 Jahre alt geworden.<br />
Eine zahllose Menge war aus Danzig, aus Oliva, Zoppot und<br />
anderen Orten herbeigeeilt. Bis zur Kirchentüre ging das<br />
Spalier der Leidtragenden. Abermals bewährte sich das<br />
Wort: „Der Tod offenbart, was wir im Leben gewesen. Der<br />
Tod ist der unbestechlichste Biograph, der unbestechlichste<br />
Künder einer Persönlichkeit. Sobald der Tod seine Hand<br />
auf sein Modell gelegt hat, verschwinden die Zufälligkeiten<br />
des Lebens und das Wesentliche und Kennzeichnende tritt<br />
in Erscheinung ....<br />
So auch hier. Tausende sandten der edlen Toten herzenswehen,<br />
aber auch herzenstreuen Gruß der Fürbitte ins<br />
Grab. Bischof Dr. Redner von Kulm zelebrierte das Requiem<br />
für die Verstorbene. Pfarrer Kryn hielt die Trauerrede<br />
im Anschluß an das Wort aus dem Jakobusbriefe: „Ein<br />
reiner und unbefleckter Dienst vor Gott und dem Vater ist<br />
dieser: Waisen und Witwen in ihrer Trübsal zu Hilfe zu<br />
kommen und sich unbefleckt vor der Welt zu bewahren."<br />
Unter den Klängen des Hymnus: „In paradisum te deducant<br />
angeli" — „Ins Paradies mögen dich die Engel begleiten",<br />
gesungen von den erschienenen Geistlichen und<br />
Lehrern, wurde der Sarg in die Gruft gesenkt, wohin der<br />
Oheim vor Jahren schon vorausgegangen.<br />
Aus: Hohenz. Kalender 1928. Abdruck mit freundl. Genehmigung<br />
des Verlags Liehnersche Hofbuchdruckerei Sigmaringen.<br />
Vom ehrsamen Narrengericht in Grosselfingen<br />
Wer von Bisingen nordwärts gegen Grosselfingen wandert,<br />
der kann dort, wo er die erste Stufe des Voralbgebietes verläßt,<br />
und die Geradeausstraße von der Heerstraße durchschnitten<br />
wird, linkerhand ein steinernes Feldkreuz nicht<br />
übersehen, worauf die Worte stehen: Errichtet vom ehrsamen<br />
Narrengericht Grosselfingen." Der Fremdling wird<br />
wohl diese Worte, wie es schon manchem ergangen ist, mit<br />
sonderbaren Gefühlen lesen, und schon mancher hat diesem<br />
Gefühl auch drastischen Ausdruck gegeben; denn Narren und<br />
Kreuz und dazu noch ehrbare Narren kann er nicht zusammenleimen.<br />
Geht er aber ins Dorf hinunter, um nach diesen<br />
sonderbaren Zusammenhängen zu forschen, so muß sein<br />
Staunen wachsen, wenn man ihm sagt, daß drüben an dem<br />
Paß, der sich zwischen dem „Alten Berg" und der Hohenngart<br />
hinzieht, ein zweites Steinkreuz steht, das im Volk<br />
allgemein das „Narrenkreuz" genannt wird. Da muß er sagen:<br />
„Ueberau findet man Sühne-, Pest- und andere Kreuze!<br />
aber Narrenkreuze? Nein, das kann nicht mit rechten Dingen<br />
zugehen, und Menschen, die so etwas errichten oder tun.<br />
die müssen doch rechte Narren sein."<br />
Das sind sie auch, die Grosselfinger, und sie sind sogar<br />
stolz darauf; denn wenn an anderen Orten die Narren Larven<br />
und Fratzen über das Gesicht ziehen, um andere Leute<br />
ungenierter necken, verspotten und mitunter auch beleidigen<br />
zu können, so feiern die Grosselfinger eben ihr Narrengericht<br />
so ehrbar, wie sie sind und in mancher Hinsicht hochehrbar;<br />
denn sie verwenden in materieller Hinsicht alle<br />
Gewinne zu ehrbaren, ja heiligen Zwecken. Aber bei der<br />
Narrenfeier, die alle drei Jahre am „schmotzigen Dauschtig"<br />
stattfindet, sind nur einige Hüter und Wächter vermummt.<br />
Der überwiegende Teil der Teilnehmer spielt seine<br />
Rolle offen und frei wie in einm richtigen Schauspiel. Auch<br />
die Tendenz des Grosselfinger Narrenspiels ist -eine andere,<br />
wie bei vielen derartiger Narrengerichte und -feste. Im<br />
Grosselfinger Narrengericht lebt das tiefste Sehnen des Menschen,<br />
das Sehnen naci einem paradiesisch-idealen Seil<br />
zugrunde und innerhalb dieses Sehnens der Kampf mit den<br />
Mächten, die diesem idealen Sein wehren und es vernichten<br />
wollen.<br />
Es sind die uralten Sehnsüchte, wie sie in dem Land<br />
Schlaraffia d äs Hans Sachs zutage treten oder dem sagenhaften<br />
Wunderland Indiens, wo die Ströme voll süßschwellenen<br />
Honigs sind oder den Gärten der Hesperiden, wo die<br />
Tochter der Nachl die goldenen Aepfel hüten oder wo in<br />
orientalischer Pracht die Götterburg Rama.iana steht. In ein<br />
solches oder ähnliches Land denkt sich auch das Grosselfinger<br />
Narrengericht versetzt, wenn es am „schmotzigen Dauschtig"<br />
Grosselfingen zum Land Venedig erklärt, damit alle<br />
Narrheit besiegt und nur der Traum des ewigen Friedens<br />
getätigt wird. Das muß auch so sein; diese Narrheit liegt den<br />
Grosseifingern im Blut; denn sie bringt nicht, wie anderwärts<br />
der Storch Adebar, sondern die Hebamme holt sie vom<br />
tiefen Quell Ygdrasil im Harrenbach.<br />
Das Grosselfinger Narrengericht muß uralt sein. Zwar erzählt<br />
eine halbe sagenhafte Geschichte, daß es ein Grosselfinger<br />
Dorfherr, Hans Heinrich von Bubenhofen, der um das<br />
Jahr 1500 lebte, gegründet habe. Es mag sein, daß jener<br />
Dorfherr von seinen vielen Reisen und Erlebnissen manches,<br />
z. B. die Figuren von Husaren, Panduren, Landsknechten<br />
u. a. mitheimgebracht hat, womit er einem alten Heimat iuiei<br />
einen neuen Impuls und auch den äußeren Pomp gegeben<br />
hat, der dieses Spiel noch heute auszeichnet, so daß es wie<br />
eine Neugründung aussah.<br />
Gegen eine Neugründung aber sprechen die vielen alten<br />
Sehnsuchts- und Gesundungsmotive, vor allen das Spiel um<br />
den Sommervogel, die Tyroler Kräuterhändler, die Wegräumer<br />
und der Krauthafen mit Speck, der im Pfarrhaus zubereitet<br />
wird.<br />
Nach der Sage soll der genannte Dorfherr während einer<br />
furchtbaren Pest sein Dorf verlassen und sich nach Venedig<br />
verzogen haben. Als er nach dei Pestzeit wieder heimgekommen<br />
sei, soll er die wenigen Ueberlebenden in großer<br />
Betrübnis angetroffen haben. Um diese wieder etwas aufzuheitern,<br />
soll er das genannte Spiel durch einen Stiftungsbrief<br />
ins Leben gerufen haben. So die Sage.<br />
Richtig ist, daß im 14. Jahrhundert die Pest in Grosselfingen<br />
und Umgebung furchtbar gewütet hat, so daß ganze<br />
Siedlungen, wie das benachbarte Anhausen — heute alte<br />
Mühle - vollständig menschenleer waren und verödeten.<br />
Richtig ist, daß auch der Dorfherr Hans Heinrich von Bubenhofen<br />
oft lange Zeit ortsabwesend war Ahe- er war nicht<br />
geflohen, sondern begleitete als reichstreuer Ritter der Kaiser<br />
Maximilian auf seinen vielen Kriegszügen, So nahm er<br />
1495 und 1508 mit einer Gleve (vom franz. glaive oder lat.<br />
gladus das Schwert), das heißt als Ritter mil 5 berittenen<br />
Knechten an dem Feldzug gegen Venedig teil, wah scheinlich<br />
auch 1499 gegen die Eidgenossen, dann in Lothringen<br />
gegen die Franzosen und daran anschließend an den wechselvollen<br />
Kämpfen des Kaisers gegen die Niederlande. Daß<br />
er sich auf all diesen Zügen bewährt hat, geht daraus hervor.
52 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
daß der Kaiser Maximilian „seinen lieben und getreuen<br />
Hans Heinrich von Bubenhofen" am 25. Juli 1505 in Köln<br />
mit den höchsten politischen und administrativen Ehrungen<br />
auszeichnete, nämlich mit dem Marktrecht in Grosselfingen<br />
und 4 Tage später mit dem hohen Hals-, Stock und Galgengericht.<br />
Kaiser Karl V. hat am 7. März 1521 diese Ehrung<br />
erneuert, und merkwürdig ist, daß nur das letztere Datum in<br />
die Geschichtsbücher eingegangen ist und sich auch dort erhalten<br />
hat, obwohl die richtigen Daten schon lange veröffentlicht<br />
worden sind.<br />
Auf seinen weiten Reisen hat sich Hans Heinrich von Bubenhofen<br />
wohl auch tüchtig umgesehen und sich an den närrischen<br />
und fröhlichen Umtrieben in Venedig, Köln, Mainz<br />
und Koblenz erfreut und, was er dort gesehen hat, dem<br />
Grosselfinger Spiel eingefügt. Aber ein derartiges Narrengericht,<br />
wie es in Grosselfingen alle drei Jahre gefeiert wird,<br />
kann gar nicht aufgführt werden, wenn dafür nicht ganz<br />
natürliche Voraussetzungen vorhanden sind; sie müssen im<br />
Blut liegen, sonst könnnte es nicht Jahrhunderte bestehen.<br />
Das Fundament des Grosselfinger Narrengerichts bilden<br />
das Bäderspiel, der Hohe Venedische Gerichtshof und das<br />
Spiel um den Sommervogel. Werden im Bäderspiel und dem<br />
Venedischen Gerichtshof alle Tor- und Krummheiten, die<br />
sich im Reigen des Alltags abgespielt haben, nach närrischem<br />
Recht an den Pranger gestellt, abgeurteilt und wieder gerade<br />
gestellt, so steht im Endteil des hochdramatischen Spiels im<br />
Mittelpunkt der Sommervogel als Spiel des uralten Kampfes<br />
des Frühlings mit dem Winter. Aus weiter Ferne kam dieser<br />
seltsame und unbekannte Gast in dem Land Venedig an.<br />
Bürgermeister, Narrenvogt und Volk betrachten das liebliche<br />
Wesen mit äußerster Neugier; es werden allerlei Vermutungen<br />
geäußert, und bald entspinnt sich zwischen Bürgermeister<br />
und Narrenvogt ein reizender Dialog um das Wesen des<br />
Ankömmlings, bis zuletzt festgestellt wird, daß es sich um<br />
den glückbringenden Sommervogel, also den Bringer des<br />
Frühlings handelt, worauf die Menge in eine unbeschreib-<br />
liche Begeisterung ausbricht, an der sich selbst das älteste<br />
Weiblein beteiligt, weil auch es das sehnlichst erwartete<br />
paradiesische Zeitalter noch erleben durfte. Im nahen Tann<br />
wird dann dem lieben Gast ein wunderbares Nest bereitet<br />
und streng bewacht. Dennoch gelingt es den heimtückischfinsteren<br />
Mächten (es sind die Urkräfte des lebentötenden<br />
Winters), in Gestalt vermummter Gesellen den Vogel zu<br />
rauben und mit ihm zu entfliehen. Wehklagend vernimmt die<br />
friedliche Gemeinde diese ruchlose Tat. Doch nicht lange;<br />
denn schon sind alle Kräfte eingesetzt, um die Missetäter<br />
einzufangen. Das gelingt auch; denn „dräut der Winter noch<br />
so sehr mit trotzigen Gebärden und streut er Eis und Schnee<br />
umher; es muß doch Frühling werden."<br />
Die Missetäter werden vor den Hohen Gerichtshof gestellt<br />
und von ihm, weil in flagranti ertappt, zum Wassertod verurteilt.<br />
Aber das Hohe Gericht ist nicht nur ehrbar und<br />
rechtschaffen, sondern auch human. Daher wird das eiskalte<br />
Wasser, in dem die Räuber ertränkt werden sollen, mit<br />
einem Strohwisch erwärmt. So können die Uebeltäter nun<br />
mit lebendigem Leib in das unergründliche Nirwana fahren.<br />
Venedig ist gerettet und damit der glückliche Urzustand wieder<br />
hergestellt.<br />
Auch die Schlußszene hat symbolhaften Charakter. Das<br />
Wasser zu dem Brunnen, in dem die Räuber ertränkt werden,<br />
kommt vom „Bildiisbrunnen", der Wasser in unerschöpflicher<br />
Menge liefert. Der „Bildiisbrunnen" entspringt neben dem<br />
„Bilderhäusle", ehemals „unserer lieben Frau" und liefert<br />
ein gesundes, ja heiliges Wasser. Durch Ertränken in den<br />
Wassern dieses Brunnens sollen die Bösewichter zwar den<br />
leiblichen Tod erleiden, aber das heilige und heilende Wasser<br />
soll die Schandtat von ihrer Seele abwaschen, damit auch sie<br />
trotz ihres irdischen Frevels das ewige Glück im Elysium<br />
genießen. So ist das Narrengericht auch deswegen schon ein<br />
ehrsames Gericht, weil es nichts unterläßt, auch frevelnden<br />
und unehrenhaft gewordenen Menschen wieder Ehre zu<br />
geben. Josef Strobel.<br />
Von der ehemaligen Burg Schatzberg<br />
Die Burg Schatzberg war nebst Bittelschieß und Hertenstein<br />
die dritte Burg in unmittelbarer Nähe der Stammburg<br />
Hornstein, auf der gleichzeitig Nebenzweige des Geschlechtes<br />
der Herren von Hornstein saßen.<br />
Die Burg Schatzberg stand einige Kilometer außerhalb des<br />
Dorfes Bingen in nordöstlicher Richtung auf einer rings von<br />
Wäldern umgebenen Anhöhe. Die Erbauung der Burg läßt<br />
sich urkundlich nicht mehr feststellen, doch bereits 1250 wird<br />
Ritter Konrad von Hornstein zu Schatzberg als erster urkundlich<br />
genannt.<br />
Die Herren von Hornstein zu Schatzberg nannten sich auch<br />
von Wülflingen, da das Dorf Wüflingen nebst Burg (unweit<br />
des Schatzberg gelegen) zu Schatzberg gehörte. Entgegen der<br />
andern Hornsteiner war die Schatzberger Linie ziemlich<br />
fehdelustig.<br />
Linie der Hornstein zu Schatzberg<br />
Ritter Konrad von Schatzberg (ob er schon ein Herr von<br />
Hornstein war, ist unsicher!) 1250—1267, war Lehensmann<br />
des Grafen Hartmann zu Grüningen. Johannes, Ritter zu<br />
Schatzberg, 1282—1323, genannt von Wülflingen, war Urteilssprecher<br />
über die Heiligenberger Grafenrechte, hatte<br />
1313 Schatzberg als österreichisches Lehen.<br />
Peter von Hornstein (Bruder des Johannes), Ritter, 1286 bis<br />
1315. Er war begütert zu Altheim, Andelfingen und Hitzkofen.<br />
Hermann von Hornstein, Bruder der beiden vorgenannten,<br />
1293—1333, Kirchherr zu Blochingen, Seekirch, begütert<br />
in Riedlingen, Grüningen, Altheim und Heudorf.<br />
Heinrich von Hornstein zu Wifiingen, 1327—1350, vermutlich<br />
Besitzer von Schatzberg, Sein Sohn, Hans III. von Hornstein<br />
zu Schatzberg, 1339—1412, hat auch Anteil an der Burg<br />
Hornstein. Verkauft Hasenweiler und Ilmensee, wird Bürger<br />
der Stadt Rottweil. Seine Fehden mit den Geroldseckern,<br />
die nach der Zimmer'schen Chronik ein ganz unruhiges Geschlecht<br />
waren, mochten nicht ungünstig auf seine Vermögensverhältnisse<br />
gewirkt haben.<br />
1385 wird Hans zu Schatzberg auf 5 Jahre Bürger der<br />
Stadt Rottweil gegen 2 Pfd. Heller Steuer auf Martini<br />
und hat die Verpflichtung zur Hilfeleistung, ausgenommen<br />
gegen seinen Lehensherm. Hans Öffnete seine Festung Schatzberg<br />
und gibt als Bürgen den Heinrich Kanzler, Bürgermeister<br />
zu Rottweil. 1394 wohnte er in Wilflingen.<br />
Im. Jahre 1400 am 21. September. Ennisheim: Herzog Leopold<br />
von Oesterreich an Hans zu Schatzberg, weil er von<br />
dem Lehen zu Rottweil abgetreten, sollen er oder seine<br />
Söhne alsdann zu der Kirchen zu Büngen (= Bingen), wenn<br />
sie fällig wird einmal zu vergeben, seinen Zugang haben,<br />
die jetzt Graf Wilhelm von Montfort inne hat.<br />
Hans von Schatzberg war vermählt mit Agnes von Neuneck,<br />
Tochter des Volz zu Neuneck zu Nekarburg.<br />
1399—1440 Hans IV, von Hornstein zu Schatzberg (Sohn<br />
Hans III.).<br />
Heinrich v. Hornstein, Hansens III. Sohn, saß zu Hornstein,<br />
kaufte auch den Turm zu Hornstein und war vermählt mit<br />
Agnes von S Ockendorf.<br />
Jos von Hornstein zu Schatzberg, 1438—1485, war ein Sohn<br />
Hans IV. und der letzte Ritter auf der Burg Schatzberg.<br />
Gleichzeitig mit der Burg Schatzberg hatte Jos noch die bedeutende<br />
Pfandherrschaft der Burg Hohenberg bei Spaichingen<br />
inne. Jos erbte den nach dem Verkauf von Wüfüngen<br />
und Emerfeld noch übrig gebliebenen väterlichen Besitz der<br />
Feste Schatzberg mit Egelfingen und die Güter zu Langenenslingen.<br />
Die Schatzberger dienten mit ihrer Feste den Herzögen<br />
von Oesterreich.<br />
Das Leben des Ritters Jos zu Schalksberg, der mit Anna<br />
von Rechberg vermählt war, bewegte sich meistens in Fehden;<br />
immer suchte er mit dem Schwerte sich und andern<br />
Recht zu verschaffen.<br />
Mit Konrad Scharpf von Freudenberg griff Jos mit einigen<br />
andern Rittern "den Bischof von Augsburg an, veranlaßt<br />
durch Klaus Schwarzschneider, der sich an dem. Bischof<br />
rächen wollte. Der Bischof fand Hilfe beim Kaiser, der die<br />
Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg beauftragte,<br />
sich des Bischofs anzunehmen, welche sodann die Feste<br />
Schatzberg aus welcher der Angriff geschehen war, durch<br />
Graf Friedrich von Helfenstein niederbrennen ließen. Eine<br />
Belagerung bzw. eine Verteidigung der Feste scheint nicht<br />
stattgefunden zu haben, da Konrad von Hornstein, ein Vetter<br />
Jos Klage führt, daß die Burg niedergebrannt wurde, als<br />
Jos wehrlos dagestanden sei.<br />
1448 wurde Jos zu Schatzberg vom Herzog Albrecht von<br />
Oesterreich aufgefordert, die Burg Hohenberg abzutreten.<br />
Jos sträubte sich, da der Herzog ihm vor Fürsten und Grafen<br />
und Herrn versprochen habe, ihn bei der Pfandherrschaft<br />
zu belassen. Jos leistete den vom Herzog wiederholten Zitierungen<br />
nach Rottweil und Freiburg (auslösungshalber zu<br />
kommen) zunächst keine Folge. Er verlangte ein unparteiisches<br />
Schiedsgericht vor den Fürsten oder den Städten.<br />
Mitte Juni ritt Jos nach Freiburg zum Herzog, der ihn aber<br />
ungnädig empfing. Jos erinnerte ihn alier Dienste seiner<br />
Vorfahren, die Gut und Blut für Oesterreich eingesetzt, wie
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 53<br />
sechs von Hornstein in der Schlacht bei Sempach erschlagen<br />
wurden, einer davon, der das österreichische Banner<br />
trug; ferner wie sein Vater an dem Herzog Friedrich<br />
IV. selig „beharret, als ihn der Kaiser vertreiben wollte,<br />
da lützel (wenig) Leut an ihm blieben, denn sein Vater selig<br />
bis an sein Todt", und wie er auch ihm dem Herzoge — wie<br />
er wohl wisse — in seinem letzten Kriege getreulich gedient<br />
habe. Wenn er ihn bei dem Schlosse nicht belassen könne,<br />
bat er, so möge er ihm wenigstens durch den Herzog Sigmund<br />
sein Recht erkennnen lassen. Alles dies und auch die<br />
Verhandlungen mit dem Herzog Ludwig von Württemberg<br />
und die Fürbitte Herzog Sigmunds, dem Sohne Herzog Friedrichs,<br />
hatten keinen Erfolg. Jos schrieb an die österreichischen<br />
Räte: „Ich will Hohenberg nitt geben denn mit Recht und<br />
nimpts mir lieber mit Gewalt". So wurde dann auf beiden<br />
Seiten gerüstet und die Fehdebriefe ausgetauscht.<br />
An den Herzog schrieb Joos, wie ungern er ein Feind<br />
Oesterreichs werde, „niemals sei ein Hornstein vom Hause<br />
Oesterreich gewichen, nur der große Drang und die Gewalt<br />
die an mir geschieht, da ich keinerlei Recht erhalten mag,<br />
das klag ich Gott dem Herrn, den will ich zu Hilfe nehmen<br />
und die lieben Ritter St. Jörg und St. Wilhelm und will die<br />
Klageschrift und Beweise aller meiner Rechte allen Fürsten,<br />
Grafen, Freygen, Herren, Ritter, Städten edel und<br />
unedel klagen und schreiben und will ich, Jos von Hornstein<br />
zu Schatzberg euer Feygend (Feind) sein und aller Prälaten,<br />
Aebte, Räte, Land und Lüten und Vögte, die zu Euch gehören,<br />
wie sich die Feygenschaft (Feindschaft) machte, es<br />
wäre mit nam prand und dotschlag."<br />
Großes Vertrauen hatte Jos auf die Stadt Rottweil gesetzt,<br />
deren Bürger er war und deren Hilfe er beanspruchen<br />
konnte, da dies gegenseitig vereinbart war, aber die Stadtväter<br />
von Rottweil speisten Jos mit schönen Worten ab.<br />
Der nun begonnene Kampf fand in den der Burg Hohenberg<br />
nächstgelegenen österreichischen Ortschaften statt,,<br />
wobei die mit Mauern umgebenen Kirchhöfe als Stützpunkte<br />
dienten. Vier Kirchhöfe seien eingenommen worden, schreibt<br />
Jos, und der Feind habe die Kirchen nicht geschont, sondern<br />
die Seinigen darin verwundet und aus den Kirchen Pferdeställe<br />
gemacht. Der Kampf blieb unentschieden. Für den<br />
Herzog mochte es jetzt leichter sein, den berechtigten Forderungen<br />
Josens entgegen zu kommen, als sein Land einer<br />
längeren Verwünstung preiszugeben. So machte e 1- mit Jos<br />
seinen Frieden. Die Verhandlungen wurden zu Villingen<br />
durch den Bischof Peter von Mörsburg und Hans von Knöringen,<br />
Landvogt zu Burgau geführt. Die Bedingungen waren:<br />
Es soll Jos von Hornstein von vorberührter Sach wegen<br />
zu Recht kommen vor dem Herzog Sigmund von Oesterreich<br />
und seinen Vätern. Herzog Albrecht soll den Sachen Jos auch<br />
gerecht werden. Herzog Albrecht soll alle Dörfer, Leut und<br />
Gut, die zu Schloß Hohenberg gehören, dem Herzog Sigmunden<br />
überantworten. Die Gefangenen sollen auf beiden Seiten<br />
gegen gewöhnliche Urfehde ledig gelassen und darauf beide<br />
Parteien ihren Unwillen und nichts gerochen werden." Her-<br />
Jangingen, St. Annakapelle<br />
zog Albrecht verspricht bei seiner fürstlichen Würde und<br />
Jos bei seinem geschworenen Eid, den Vertrag zu halten,<br />
der von beiden Seiten besiegelt wird. Der Vertrag war noch<br />
nicht vollzogen, als sich Jos 1449 in eine neue Fehde stürzte.<br />
Veranlassung gab der Krieg des Grafen Ulrich von Württemberg!<br />
gegen: die Reichsstädte, denen sich auch Rottweil<br />
angeschlossen hatte. Verärgert über die Stadt Rottweil, die<br />
ihn im Stich ließ, obwohl gegenseitige Hilfe vereinbart war,<br />
als er gegen den Herzog Albrecht zog, griff er die Stadt<br />
Rottweil an. Von denselben auch angegriffen, zog er sich<br />
auf die Feste Hohenberg zurück. Die Rottweiler belagerten<br />
die Feste, sie führten eine große Kanone mit (benannt „die<br />
Hohenberger Liesel") und bauten einen auf Rädern gestellten<br />
hölzernen Turm, mittels dessen sie Feuer in die Burg warfen,<br />
eroberten nach 16stündiger Beschießung am 21. September<br />
die Burg und brannten sie tags darauf nieder und zerstörten<br />
sie von Grund aus. In der Burg befanden sich die Gemahlin<br />
Josens mit ihren Jungfrauen und die aus 18 Mann bestehende<br />
Besatzung. Letztere warfen sie lebend über die<br />
Felsen und Mauern, wobei im Kampfe ein Rottweiler mit in<br />
den Abgrund gerissen wurde. Jos — heißt es — habe-, obgleich<br />
verwundet, noch entkommen können.<br />
Von da an führte Jos ein ganz unstetes Leben. Er verkaufte<br />
die Reste seines Besitzes (Burgstall Schatzberg) an<br />
seinen Vetter Konrad von Hornstein.<br />
1455 kam Jos in die Reichsacht und war 1461 noch darin.<br />
Jos von Hornstein zu Schatzberg war ein tapferer, unerschrockener<br />
Ritter, stets suchte er mit dem Schwerte sich<br />
und anderen Recht zu verschaffen. 1458 hatten die Klosterfrauen<br />
zu Sonnenberg in Tirol Jos um Hilfe angerufen, die<br />
sich bedrängt fühlten. Dabei wurde Jos von Cardinal Quasas<br />
Amtmann gefangen genommen. Wieder in Freiheit, folgte<br />
Jos dem Ruf seines Vetters Hug, welcher mit Berthold von<br />
Stain in Fehde gekommen war. Jos, der sich in den letzten<br />
Jahren seines Lebens meistens in der Schweiz aufhielt, verunglückte<br />
bei einer Fehde gegen die Grafen von Werdenberg<br />
und Heiligenberg und fand dabei auf der Dominikanerinsel<br />
bei Konstanz den Tod. Ob er durch Mord oder Kampf<br />
umkam, läßt sich nicht feststellen. Jos hatte mit seinem<br />
Sohne Wendel die Bodenseegegend beunruhigt, was der<br />
Stadt Konstanz sehr unlieb war und wegen Jos einen Schriftwechsel<br />
mit der Stadt Zürich führte. Jos von Hornstein fand<br />
im Kloster Magdenau bei St. Gallen seine Ruhestätte.<br />
Jos war verheiratet mit Anna von Rechberg. 1453 urkundet<br />
sie das letzte Mal.<br />
So ist die Linie Schatzberg mit Wendel, dem Sohne Jos,<br />
erloschen. (Aus „Die Grafen von Hornstein" S. 159 ff.)<br />
Die Sage von „Hans Hodiö" geht wohl auf Hans III. 1393<br />
bis 1412 zurück, der durch seine Fehden mit den Geroldsekern<br />
bekannt war. Sie erzählt, daß die Schatzburg eine<br />
Fülle erbeuteter Schätze in ihren Gewölben und Kellern<br />
barg. Nach der Chronik dagegen sollen die ständigen Fehden<br />
des letzten Ritters Jos zu Schatzberg den Ruin der Linie<br />
Schatzberg verursacht haben. Josef Härle.
54 HOHENZOLLEB1SCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Zum Abschluß der Renovation der Haigerlocher Unterstadtkirche<br />
H- Teil von M. Guide<br />
Die Katholische Kirchengemeinde Haigerloch verfügt über<br />
einen außergewöhnlich großen Reichtum an wertvollen alten<br />
Kirchen und einmaligen Kunstdenkmälern. Diesen unvergleichlichen<br />
Reichtum an sakralen Kunst- und Kulturgütern<br />
kommenden Generationen zu erhalten, muß das Bestreben<br />
aller verantwortungsbewußten Instanzen sein.<br />
Von diesem Streben geleitet, war die Katholische Kirchengemeinde<br />
gezwungen, in den vergangenen sechs Jahren alle<br />
drei höchst wertvollen Kirchen mit überlokaler Bedeutung<br />
instandzusetzen, um sie vor dem Zerfall zu bewahren.<br />
1. Die St. Anna- Wallfahrtskirche<br />
aus der<br />
Mitte des 18. Jahrhunderts,<br />
die bedeutendste<br />
und wertvollste<br />
Kirche Hohenzollerns<br />
und weit darüber hinaus.<br />
2. Die Schloßkirche, erbaut<br />
in den Jahren<br />
1584 bis 1604, nach<br />
dem Urteil des zuständigen<br />
Herrn Landeskonservators<br />
Walther<br />
Genzmer „eine der<br />
schönsten Kirchen von<br />
ganz Süddeutschland."<br />
3. Die Unterstadtkirche<br />
aus dem 12. Jahrhundert,<br />
eine Kirche mit<br />
großer historischer<br />
Vergangenheit und als<br />
Pfarrkirche Jahrhunderte<br />
lang die einzige<br />
Kirche der Stadt Haigerloch.<br />
Die beiden erstbenannten<br />
Kirchen wurden in<br />
den vergangenen Jahren<br />
instandgesetzt. Die Renovation<br />
der Unterstadtkirche<br />
wurde erst vor<br />
kurzer Zeit beendet.<br />
Die um 1200 erbaute<br />
hiesige Unterstadtkirche<br />
zeigte seit Jahren eine<br />
höchst bedenkliche<br />
Feuchtigkeit in ihrem<br />
Mauerwerk. Um dieses<br />
wertvolle älteste kirchliche<br />
Bauwerk der Stadt<br />
zu erhalten, verlangte<br />
das zuständige Erzbischöfliche<br />
Bauamt in<br />
Konstanz eine sofortige<br />
Entfeuchtung des Mauer-<br />
werks und gleichzeitig<br />
einfe Neuanlage der bisherigen<br />
unzulänglichen<br />
Regenwasserableitung. Landeskonservator Walther Genzmer<br />
in Sigmaringen hielt im Zusammenhang mit diesen dringendet<br />
Arbeiten eine denkmalspflegerische Erneuerung der Unstadtkirche<br />
für notwendig und wünschenswert.<br />
äei der Fülle der hiesigen Kirchen und Kunstdenkmäler<br />
wäre man vielleicht geneigt, die Unterstadtkirche für weniger<br />
bedeutend zu erachten, was aber der realen Wirklichkeit<br />
absolut nicht entspricht. Die Unterstadtkirche ist die älteste<br />
Kirche von Haigerioch inmitten des alten Friedhofs und in<br />
der Nähe des Marktplatzes. Sie hat eine große geschichtliche<br />
Vergangenheit und war lange Jahrhunderte als Pfarrkirche<br />
die einzige Kirche der Stadt Haigerloch. Außerdem hat sie<br />
eine hohe kunsthistorische Bedeutung, da sie zu den wenigen<br />
gotischen Kirchen des ganzen Landes gehört.<br />
l eider wurde die Unterstadtkirche vor ca. 40 Jahren sehr<br />
unglücklich restauriert. Durch die jetzige Instandsetzung<br />
wurden die Fehler jener Zeit korrigiert. Im Sinne des gotischen<br />
Raumideals wurde dieser Kirche die echte monumentale<br />
Fassung und Stimmung wieder zurückgegeben: der<br />
Chorraum mit dem sehr wertvollen gotischen Rippennetzgewölbe<br />
aus dem 14. Jahrhundert ist im Sinne der Entstehungszeit<br />
wiederhergestellt; verschiedene alte Malereien<br />
bzw. gotische farbige Ornamente wurden aufgdeckt, restau-<br />
riert und ergänzt, sowie neue Chorfenster eingesetzt. Im<br />
Langhaus ist eine sehr eindrucksvolle neue Kassettendecke<br />
aus Lärchenholz eingebaut, und gerade sie bedeutet eine ganz<br />
wesentliche Steigerung der sakralen Schönheit des ganzen<br />
Kirchenraumes. Mit dieser glücklichen, von jedem Zeitgeschmack<br />
unabhängigen Lösung konnte man das in jeder Hinsicht<br />
wertlose Deckenbild verschwinden lassen. Diese Kassettendecke<br />
gibt nun dem ganzen Langhaus der Kirche einen<br />
wunderbaren festlichen Akzent und bildet einen harmonischen<br />
Übergang zum Chorraum als dem sakralen und künstlerischen<br />
Höhepunkt der<br />
ganzen Kirche.<br />
Der gesamte Verputz<br />
wurde erneuert, die<br />
Mauern entfeuchtet und<br />
eine neue, sehr gut passende<br />
und wirkungsvolle<br />
Beleuchtung eingebaut.<br />
Die Innen-Ausstattung:<br />
Altäre, Kanzel, Orgel<br />
usw. wurde neu gefaßt<br />
und auf den Gesamtraum<br />
harmonisch abgestimmt.<br />
Diese neugotischen<br />
Werke, die auch<br />
nach amtlicher Begutachtung<br />
von brauchbarer<br />
Qualität sind, wurden<br />
also belassen und nicht<br />
einfach beseitigt. Eine<br />
leere Halle ohne Schmuck,<br />
ohne Bilder und Statuen<br />
entspricht nicht dem<br />
Ideal der katholischen<br />
Kirchenraumgestaltung.<br />
Alle sakralen Künste:<br />
Architektur, Plastik, Malerei<br />
und Musik sollen<br />
im geweihten Gotteshaus<br />
den Allerhöchsten<br />
verherrlichen und den<br />
gläubigen Menschen seelisch<br />
erheben und zu<br />
Gott führen. Eine Renovation<br />
u. sakrale Raumgestaltung<br />
im Sinne einer<br />
neuzeitlichen fragwürdigen<br />
Theorie von der sogenannten<br />
„Schönheit der<br />
leeren Wand" kann dieser<br />
Auffassung und diesem<br />
Ideal niemals gerecht<br />
werden. Man darf<br />
neugotische Ausstattungsstücke<br />
allerdings<br />
nicht einfach bloß rot anstreichen,<br />
wie dies bisher<br />
Chorraum der Haiaerlocher Unterstadtkirche<br />
meistens unverständlicherweise<br />
geschah, sondern<br />
man muß ihnen eine hervorragende, farbige leber 'ige<br />
und dezente echt gotische Fassung geben, wie dies in der Unterstadtkirche<br />
durch Kirchenmaler Jos. Lorch aus Sigmaringen<br />
m meisterhafter Weise geschah. Denn auch hier gilt<br />
— mutatis mutandis — das Wort: „Kieider machen Leute "<br />
Mit solch künstlerischer Behandlung werden qualitativ gu'-e<br />
neugotische Altäre auch heute noch durchaus brauchbar, wie<br />
ja auch die neugotische Architektur überall belassen und<br />
nicht einfach abgebrochen wird. Mit vollem Recht werden<br />
darum seit jüngster Zeit in verschiedenen deutschen Ländern<br />
gute holzgeschnitzte Werke unter Denkmalschutz gestellt und<br />
dürfen auf keinen Fall vernichtet werden. Bei der Unterstadtkirche<br />
hat auf diese Weise der Auftraggeber in harmonischer<br />
Zusammenarbeit mit dem kunstverständigen Res taurator<br />
einen Weg beschritten, der nach allgem^ner Auffassung<br />
zu einem sehr guten Erfolg und Ziele geführt hat.<br />
Somit gilt auch diese Renovation in jeder Hinsicht als<br />
wohlgelungen, so daß nun die renovierte Unterstadtkirche<br />
neben der prachtvollen Schloß- und St. Anna-Kirche eine<br />
dritte durchaus sehenswerte Kirche darstellt. Ein Blick in<br />
den neuen, stimmungsvollen und erhebenden Raum mit seiner<br />
sakralen Feierlichkeit und edlen, geschlossenen Harmonie<br />
beweist jederzeit die Richtigkeit dieser Auffassung.
Jahrgang 1958 HÖHENZOLL ISCHE HEIMAT 55<br />
Bis zur napoleonischen Flurbereinigung umschloß der Begriff<br />
„Oberschwaben" das ganze Stammesgebiet der Schwaben südlich<br />
der Donau. Heute umgreift diese Bezeichnung den Raum zwischen<br />
Bodensee und Donau, Illcr -ind Alb; naturräumlich betrachtet ist es<br />
das „Alpenvorland des Rheingietschers". Wir unterscheiden landschaftlich<br />
im heutigen Oberschwaben:<br />
1. Das würmeiszeitliche Stammbecken des Bodensees mit seinen<br />
Zungenbeckf : Untersee, Überlingersee, verlandetes S. ssenbecken.<br />
Die geringe Höhenlage (395 m), eine große Seefläche, die schatzende<br />
Mauer der nördlichen Randhöhen und die erwärmende Eigenschaft<br />
des Föhns haben einen klimabegünstigten Teilraum mit allen Möglichkeiten<br />
zu intensiver Bodennutzung zur Verfügung gestellt. Die<br />
Bodenseelandschaft macht ein Drittel Oberschwabens aus.<br />
2. Das zweite Drittel bildet die Jungmoränenlandschaft. Sie<br />
grenzt im W an die Beckenlandschaft des Hegau und im O an die<br />
gefalteten Molasserücken des Pfändermassivs. Der W-Flügel der<br />
Jungmoränenlandschaft liegt im Mittel zwischen 700 und 800 m (Höchster<br />
833 m). Der O-Flügel ist etwas niedriger, während das in der<br />
Mitte liegende Schussenbecken eine natürliche Durchgangszone bildet.<br />
Die ansehnliche Höhenlage, das unruhige Hügelrelief der inneren<br />
und äußeren Moränenkränze, der Reichtum an vermoorten<br />
Niederungen und die zum Bodensee hinabgreifenden Tobel machen<br />
es zum benachteiligten Teilraum, zum natürlichen Waldland. Im<br />
regenfeuchten O-Flügel sind die nadelholzreichen Bergwaldgesellschaften<br />
ursprüi £lich vorhanden. Sie wurden im Gang der Kolonisation<br />
überall sj "ter als der Laubwald gerodet.<br />
3. Es schließt sich das nördliche Drittel an, das aus dem Altmoränenland<br />
und den vorgelagerten Schotterplatten und Molassehügeln<br />
besteht. Die flachen, nur von breiten Schmelzwasserrinnen<br />
zerschnittenen Platten des Altmcränenlandes dachen sich im W zum<br />
breiten Donaubecken von Riedlingen ab und liegen zwischen 70 r und<br />
800 m. Der durch das Risstal abgegliederte O-Flügel ist dabei höher,<br />
relief- und regenreicher und gehört deshalb im S -^och zum ursprünglichen<br />
Mi&chwaldgebiet. Sonst war im Altmöränenland weithin<br />
der Laubwald vorherrschend. Die lößbedeckten Ränder des<br />
Riedlinger Beckens und die breiten Schmelzwasserrinnen boten<br />
natürliche Ackerbauräume, die zu allen Zeiten geschätzt und besetzt<br />
waren.<br />
Eine ähnliche Gunst zeigt die Landschaft der eiszeitlichen Schottermassen<br />
zwischen Riss und liier. Nur die ausgelaugten Lehme der<br />
höheren Deckenschotterriedel in den „Holzstöcken" und das vielzertalte<br />
Molasseland rings um den Bussen sind hier natürliches Waldland.<br />
Vorzugsräume für die Nutzung sind die peripheren Teile. Ungünstig<br />
ist der mittlere Ring mit Waldhügeln u. vermoorteil N.. .derungen.<br />
Eine Milderung bringt die Schussen-Riß-Furche. Der W-Flügel<br />
hat ein ausgeglichenes Relief, geringere Niederschläge und größere<br />
Durchgängigkeit als der O-Flügel, der durch unruhigere Landformen,<br />
höhere Niederschläge und geringere Verkehrsgunst benachteiligt ist.<br />
4. Das bayerische Schwaben ist ein reliefstarkes Jungmoränenland.<br />
Die Kernräume liegen auch hier peripher.<br />
Die bevorzugten Räume wurden natürlich bei der ersten bäuerlichen<br />
Landnahme (bevorzugt) ausgesucht, daher tragen sie den<br />
stärksten Bevölkerungsdruck. Bis in die Jungsteinzeit sind der<br />
Hegau und das westliche Seeufer Schwerpunkte für die menschliche<br />
Besiedlung, während das eigentliche Oberschwaben außer dem Donautal<br />
und dem wildreichen Land am Federsee weitgehend menschenleer<br />
bleibt. Da Oberschwaben zur Zeit der Römer weniger Siedlungsland,<br />
die Hauptverkehrsstraßen ausgenommen, als vielmehr<br />
Durchgangsland hin zur bevölkerten Donaulinie war, dürfen wir als<br />
Wurzel der Siedlung die alemannische Landnahme<br />
(3. Jahrh.) annehmen. Die Flügel westlich und östlich<br />
der Schüssen waren siedlungsleer, deshalb können wir hier auf<br />
ein geschlossenes Waldland schließen. Von den Kernräumen aus<br />
drang in vorkarolingischer und karolingischer Zeit die Kolonisation<br />
in die Waldräume vor. Eine große Ausdehnung fanden die 'Auibauräume<br />
des Westens, besonders die Talgassen. Der ganze Ausbau ist<br />
dabei eine Rodekolonisation in den durch Weidgang gelichteten<br />
Hardt- und Laubwäldern des westlichen Oberschwaben. Gründer der<br />
Ausbausiedlungen waren durchweg noch die freien alemannischen<br />
Bauern. Die Ausbausiedlungen schließen sich meist in ihrem Aussehen<br />
und in ihrer Struktur eng an die Altlandsiedlungen an. Es<br />
sind fast immer geschlossene Dorfgebiete im Laubwald. Die eigentliche<br />
Rodung hingegen schafft nur Weiler und Einzelhofgebiete mit<br />
kleinen Parzellen in zentralen Waldgebieten. Die Rodung ging bis<br />
in die staufische Zeit. Sie fand ihren Abschluß in der Ansetzung der<br />
freier: •Säuern oder auch Klöster auf Königsland, d. h. der Schenkung<br />
eines noch ungenutzten Waldgebietes sollte ein Anreiz folgen<br />
für die Übernahme der schweren Waldrodung.<br />
Einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Rodung<br />
und Besiedlung hatten neben den Bauern die geistlichen<br />
Herrschalten, nie t das Bistum Konstanz, sondern die<br />
Klöster und Abteien, die nach dem 8. Jahrhundert in erstaunlich<br />
großer Zahl aufgeblüht waren. Die Frühklöster Oberschwabens<br />
wurden mit den Abteien St. Gallen und Reichenau<br />
eröffnet. Quelle für das oberschwäbische Mönchtum wurden<br />
die Iroschotten. Wir müssen uns von vorne herein<br />
klar darüber werden, daß die Christianisierung nicht in der<br />
Absicht der iroschottischen Wandermissionare lag, eis sie in<br />
einem angeborenen Wander- und Erlebnistrieb ihre heimatliche<br />
Insel verließen. Neben ihre zum Wandern geneigte Natur<br />
trat der Wille, Gott das Opfer der Heimat zu bringen, um<br />
ihm in einem fremden Lande zu dienen. Also war das Ziel<br />
persönliche, aszetische Vollendung und nicht die Ausbreitung<br />
des Glaubens. Der Plan einer Christianisierung dieser Völker<br />
lag im Sinne König Theudebert II.<br />
Die Klöster Oberschwabens<br />
(7. bis 15. Jahrh.)<br />
von Sr. M. Benedicta O.S.F.<br />
Als Columban mit noch 12 Gefährten um 6 0 0 auf<br />
das Festland kam, übergao der König inm und seinen Brüdern<br />
das Bodenseegebiet mit der Aufgabe, den christlichen<br />
Glauben zu festigen und zu vertiefen, um dadurch eine gesicherte<br />
politische Einigung der Franken und Alemannen zu<br />
erzielen. Gesetzlich war die Kirche bei den Alemannen schon<br />
seit dem 6. Jahrh. durch die „lex alamannorum" eingeführt.<br />
Beweis für die Christianisierung von oben her ist däs Fehlen<br />
der Märtyrer in Oberschwaben. St. Columban baute zuerst<br />
ein Kloster in Bregenz. Die politisch gefärbte Missionierung<br />
und der Gegensatz zum neuen Herrscher zwangen ihn<br />
bald, das Land zu verlassen.Verärgert ließ er den kranken<br />
Gallus zurück in Arbon. St. Columban starb bald darauf.<br />
Nach seiner Gesundung zog Gallus in den Arboner Forst<br />
hinein (6121 und wählte sich im Hochtal der Steinach den Ort<br />
für die geplante Niederlassung. Es schlössen sich ihm junge<br />
Männer aus der Umgebung an, die ihm halfen, ein Kloster<br />
aufzubauen. Gebet, Rodung des Waldes, Bestellung der Felder<br />
wechselten sich im Leben dieser Menschen ab. Das Kloster<br />
sollte von Anfang an eine sich selbst versorgende Wirtschaftsgemeinschaft<br />
sein Mit der Heilung der Tochter Cunzos,<br />
des Herzogs v. Uberlingen, trat Gallus in Beziehung zum<br />
merowingischen Hof. Es wurde ihm der Bischofsstuhl von<br />
Konstanz angeboten, den er jedoch ablehnte. Er erhielt noch<br />
einen Schutzbrief und die Grundschenkung für seinen Konvent.<br />
Gallus kannte die alemannische Sprache und den Charakter<br />
des Volkes. Sein Verständnis ihm gegenüber erwarben<br />
ihm schon zu Lebzeiten eine tiefe Verehrung, und nach seinem<br />
Tode wurde die Galluszelle Stätte und Ziel vieler Pilgerfahrten.<br />
Rund 100 Jahre später beauftragte Karl<br />
Martell Pirmin, einen Westgoten, eine staatskirchliche<br />
Reform im alemannischen Raum<br />
aufzugreifen. Er konnte das tun, denn die Fürsten und<br />
Könige waren Eigenkirchenherren, d. h. sie besaßen das<br />
Recht, sien inre Geistlichen selbst zu wählen, ein- und abzusetzen.<br />
Zur selben Zeit wurde Bonifatius zu den Hessen<br />
entsandt. Pirmin richtete in den S-Vogesen Murbach ein, das<br />
von Graf Eberhard auf seinem Eigengut erstellt worden war.<br />
Doch da Pirmin einen sehr harten und eigenwilligen Sinn<br />
hatte, vertrug er sich nicht lange mit den Grafen, zog sich<br />
zurück, und sein Gönner schenkte ihm nebst Schutz und Einweisungsbrief<br />
die Insel Sintleozan (Reichenau) mit den Orten:<br />
Markelf ingen, Allensbach, Kaltbrunn, Wollmatingen,<br />
Ermatingn und Allmannsdorf. Die Reichenau galt als fränkischer<br />
Stützpunkt gegen das alemannische und noch herzogstreue<br />
Konstanz. Die laufenden Einnahmen erhielt die Neugründung<br />
aus dem geschenkten Krongut der Bodenseeorte.<br />
Der Beginn der Reichenau fällt in die Zeit von 722. Noch<br />
nicht 10 Jahre später entstand von der Reichenau aus Pfäfers<br />
in Graubünden und 741 Nieder-Alteich in Bayern und um<br />
900 Einsiedeln. Später wandte sich der Abt wieder westwärts<br />
und gründete nacheinander: Schuttern, Gengenbach, Schwarzach,<br />
Neuweiler im Elsaß und als letzte Gründung Hornbach<br />
bei Pirmasens, wo er 753 starb.<br />
Karl Martell war im Grunde genommen der eigentliche<br />
Erbauer von St. Gallen, denn er ließ an der Stelle der<br />
beinahe verwaisten Einsiedlerzelle des Hl. Gallus ein Ordiensnaus<br />
erstellen und übertrug dem alemannischen Abt Otmar<br />
die Abtswürde, der eine Schule, em Spital und ein Leprosenheim<br />
einrichtete. Karlmann übergab der Brüdergemeinde die<br />
Regel Benedikts. Dazu erhielt St. Gallen reiche Schenkungen<br />
im Thurgau, um Arbon, in Oberschwaben und im Breisgau.<br />
Der Convent wuchs so rasch an, daß schon um 730 einige<br />
Mönche in das benachbarte Allgäu entsandt werden konnten,<br />
unter ihnen St. Magnus und St Theodor. Theodor blieb in<br />
Kempten, kehrte bald zurück, doch wurde 752 seine Zelle von<br />
Mönch Audegar in ein Benediktinerkloster ausgebaut, das<br />
von Königin Hildgard (Gemahlin Karls des Großen) reich beschenkt<br />
und zur Fürstabtei ernoben wurde, Magnus wanderte<br />
weiter und baute in Füssen eine Zelle, die von König<br />
Pippin ausgedehnte Besitzungen erhielt. St. Magnus wurde<br />
und wird noch als Landesheiliger verehrt.<br />
Während es der Reichenau gelang, im karolingischen<br />
Jahrhundert zu abendländischer Bedeutung emporzusteigen,<br />
blieb St. Gallen noch stark Im Hintergrund. Abt Otmar,<br />
der in Streitigkeiten mit dem Bischof "on Konstanz geraten<br />
war, dem Abt der Reichenau und den fränkischen Herzögen,
56 HOHENZOL E ISCHE Jahrgang 1958<br />
die Besitzansprüche geltend machten, war der Anlaß, daß<br />
nach seinem Tode für St. Gallen ein Mönch der Reichenau<br />
als Abt gewählt wurde, der sich sofort unterwarf und die<br />
jährlichen Abgaben entrichtete. St. Gallen stand also im<br />
Schatten der Reichenau, deren Äbte seit 736 gleichzeitig auch<br />
Bischöfe v. Konstanz waren; daneben ließen die Besitzungen<br />
der Reichenau im Altsiedlungsland eine bereits voll ausgebaute<br />
grundherrschaftliche Wirtschaft zu. Das Inselkloster<br />
wurde bald zum Mittelpunkt klösterlicher Bildung im<br />
Frankenreich. Mit AbtWaldo, dem Erbauer von Niederzell,<br />
(786—806) brach das „goldene Zeitalter" für<br />
sie an. Er rief die Gelehrtenschule und Bibliothek ins Leben,<br />
bekam den Bischofsstuhl in Pavia und wurde zuletzt als Abt<br />
nach St. Denis berufen, der Grabstätte der Merowingerkönige.<br />
Sein Nachfolger Heito vereinigt mit dem Abtsstab<br />
noch die Bischofswürde von Basel, führte eine notwendig<br />
gewordene Reform durch und war sich trotz der glänzenden<br />
politischen und diplomatischen Laufbahn, die sich ihm auftat,<br />
ganz seiner Berufung und Verpflichtung als Abt bewußt.<br />
Das Querhaus des Reichenauer Münsters (Mittelzell)<br />
geht noch auf ihn zurück. Von Kaiser Ludwig d. Frommen<br />
ließ er sich die freie Abtswahl und die Lösung vom Grafengericht<br />
bestätigen. Unter Abt. Erlebald, dem Asket,<br />
lebte der Dichter, theol. Schriftsteller und Hagiograph:<br />
Walafrid Strabo. Im 9. Jahrh. erlebte die „augia<br />
maior" eine kurze Spanne unerhörter Blüte. Es war die Pe-<br />
Haigerloch, Unterstadtkirche, Außenansicht<br />
Klichee: Badische Volkszeitung<br />
riode ihres höchsten Reichtums. Die Besitzungen reichten<br />
vom rätischen Chur bis in die Gegend von Pforzheim, waren<br />
bes. zahlreich im Donautal, von Dillingen bis Ulm und<br />
bis zur Baar. Leider mußte die Reichenau ihre beispiellose<br />
kulturelle Leistung mit jahrhundertelangem Siechtum und<br />
unrühmlichen Ende bezahlen; wenn St. Gallen einen weit<br />
längeren Bestand aufwies, dürfen wir ohne weiteres den<br />
Grund dafür in der, mit wenigen Ausnahmen, mehr auf die<br />
Politik und weltliche Macht eingestellten Haltung vieler<br />
Reichenauer Äbte wie Mönche sehen. Z. B. ist es klar, daß<br />
es für Äbte, wie etwa, Hatto II (888—913), um nochmal eine<br />
markante Gestalt herauszugreifen, nicht leicht war Abt,<br />
Bischof von Mainz, Reichskanzler und gleichzeitig einfacher<br />
Ordensmann zu sein, der nicht die Zucht auf Kosten weltlicher<br />
Ehre preisgab. Wie ein Symbol des damals herrschenden<br />
Geistes sind uns die in romanischem Stil erbauten<br />
Kirchen erhalten. Sie sind uns weniger Künder einer ganz<br />
auf das Jenseits gerichteten Geistigkeit, wie es später die<br />
Gotik wurde, sondern eines Zeitalters, das die Werte des<br />
Diesseits schätzte und Natur, Schönheit, Ehre und Rang in<br />
Gott bejahte. Der Massenbau der romanischen Kirche spricht<br />
uns von einer kirchlichen Art, die gewillt war, Weltzugewandtheit<br />
und dies besonders im Staatlichen zu verwirklichen,<br />
wie es die Haltung vieler Kleriker bewies. Ein Verhängnis<br />
wurde es für die Reichenau, daß beinahe nur Söhne<br />
des Hochadels Einlaß fanden, denn mit dem Rückgang des
Jahi 1958 H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 57<br />
Adels blieb auch der Nachwuchs aus, und der rasche Abstieg<br />
war nicht mehr aufzuhalten. Die Kunstschule sah keine<br />
Schüler mehr, und die Lehrstühle der einst glänzenden Professoren<br />
blieben unbesetzt. 200 Jahre später steht Hermann<br />
der Lahme (geb. 1013 als Sohn des Grafen Wolferats<br />
II. von Altshausen) Dichter des noch heute beliebten<br />
„Salve regina" und „Alma redemptoris mater" als einsame<br />
Leuchte in einem unproduktiven Konvent. 1402 war das<br />
Kloster bettelarm, es besaß nur noch zwei Konventualen und<br />
mußte nach einem nochmaligen kurzen Aufschwung 1540 dem<br />
Bistum Konstanz einverleibt werden.<br />
Das Königskloster St. Gallen war nicht gezwungen, auf<br />
einen solch tiefen Niedergang zu blicken wie die ihm befreundete<br />
Abtei. Obwohl das Kloster noch reichere Güter<br />
als die Reichenau besaß, es nannte Besitzungen im Thurgau,<br />
Breisgau, Rätien sein eigen und im Elsaß, (160 000 Morgen)<br />
gelangte es nicht ganz zu derselben Bedeutung. Schon im 10.<br />
Jahrh. begannen die herzlichen Beziehungen kühler zu werden,<br />
denn die [geistige Entwicklung beider Abteien war mehr<br />
und mehr auseinandergelaufen. Die Reichenauer Mönche hatten<br />
den folgenschweren Sprung hinein und zurück in die<br />
Welt, die Politik, das höfische Leben gewagt, vor dem sich<br />
die in St. Gallen scheuten und darum etwas länger ihre innere<br />
Zucht und Geschlossenheit bewahren konnten, abgesehen von<br />
erheblichen Gebietsverlusten, bis zur gänzlichen Säkularisation<br />
im Jahre 1805. St. Gallen und die Reichenau waren die<br />
Keimzelle mönchischen Lebens im oberschwäbischen Raum.<br />
Es folgten bis zum Jahre 1000:<br />
750 Füssen.<br />
752 Kempten.<br />
776 Ober-Marchtal von St. Gallen aus, mit ältester Barockkirche.<br />
777 Augustinerstift Beui n. Fiel 1802 an Sigmaringer.-Hohenz.<br />
1862 Neugründung durch Erzabt Wolter u. Kath. v. Hohenzollern.<br />
764 Benediktinerabtei Ottobeuren von Graf Silaeh (Alemanne).<br />
778 Rheinau von einem Weifen (heute Irrenanstalt).<br />
um 800 das adelige Damenstift Buchau, das eine Schenkung König<br />
Ludwig des Frommen an seine Tochter Irmingard war.<br />
Äbt. Maximiiiana legte im 18. Jahrh. mehrere Sümpfe in der<br />
Dorfnähe trocken und fällte zweimal den Seespiegel. 1803<br />
kam das Anwesen an Thurn und Taxis und findet jetzt als<br />
Kinderheim Verwendung.<br />
801 Schienen.<br />
810 das adelige Damenstift zu Lindau,<br />
um 900 Benediktinerabtei Einsiedeln.<br />
950 Kreuzlingen/1848 säkularisiert, jetzt Lehrerseminar,<br />
um 950 Twiel von der Fürstin Hadwig.<br />
um 970 Stein am Rhein.<br />
983 durch den Bischof von Konstanz Petershausen.<br />
940 Frauenkloster Altdorf bei vVeingarten, durch einen Weifen,<br />
1056 wechselten die Benediktiner von Altomünster mit den<br />
Nonnen das Kloster, da zwei Frauen aus dem Geschlechte<br />
der Weifen in Altomünster begraben sein wollten, r s Abtei<br />
erfreut sich der größten und großartigsten Barockkirche des<br />
Raumes. 1802 säkularisiert kam an den Fürsten von Nassau-<br />
Dillenberg.<br />
Diesen Gründungen folgten von 1000 bis 1100:<br />
1089 Die Benediktinerabtei Zwiefalten mit der reichsten<br />
Barockkirche. Im 12. Jahrhundert war sie das bedeutendste<br />
Kloster Oberschwabens, das bis Böhme" und Polen<br />
hinein eine segensreiche Tätigkeit im Getreide-,<br />
Obst- und Weinbau, durch die Pflege von Kunst und<br />
Wissenschaft und bes. durch seine strenge Klosterzucht<br />
entfaltete. Bei der Säkularisation 1802 erwarb sich das<br />
in den Kurfürstenstand erhobene Württemberg die<br />
reichen Güter (2'/» Quadratmeilen).,<br />
1093 wurde die ehemalige Benediktinerabtei Wiblingen<br />
von den Grafen Hartmann und Otto von Kirchberg gestiftet.<br />
Die 1. Mönche gab St. Blasien. Schon unter seinem<br />
1. Abt wurden die Sümpfe und zum Teil auch<br />
Waldländer um das Kloster in schöne und fruchtbare<br />
Gefilde verwandelt.<br />
Im 16. Jahrhundert darf es seine Blüte erleben, viele Klöster und<br />
Schulen suchten damals hier ihre Gelehrten. 1806 fielen die Besitzungen<br />
an Württemberg. Es kl I in Wiblingen noch heute die prächtige<br />
Bibliothek aus de- 18. Jahrh. gezeigt werden.<br />
1097—1806 war die Zeit der vom Grafen Ulrich v. Bregenz<br />
und seiner Gemahlin Berta gegründeten Benediktinerabtei<br />
Mehrerau.<br />
1854 kauften die aus Wettingen vertriebenen Zisterzienser das Konventsgebäud<br />
und richteten ein vollständiges humanistisches Gymnasium,<br />
eine 2 kl. Handelsschule und eine landwirtschaftliche Winterschule<br />
ein.<br />
1099 wurde die von 1495 an reichsunmittelbare Benediktinerabtei<br />
Ochsenhausen von einem Ministerialen der<br />
Weifen ins Leben gerufen, auf der Anhöhe des von den<br />
Ungarn 955 zerstörten Benediktinerinnenkonventes. Die<br />
fliehenden Nonnen sollen das Kirchengut in einer Kiste<br />
vergraben haben, auf die ca. 100 Jahre später, nach der<br />
Tradition, beim Pflügen ein Ochse gestoßen ist, der<br />
Markt und Kloster den Namen gegeben haben soll.<br />
Ochsenhausen war bis 1392 Priorat von St. Blasien. Hier<br />
dürfen wir mit Rodungen in dem von den Weifen, den<br />
Grafen von Kirchbcrg und den Grafen von Montfort ge-<br />
schenkten Gebiet rechnen. Die Besitzungen fielen 1803<br />
dem Reichsgrafen Franz Georg Metternich-Winneberg<br />
zu und 1825 Württemberg. Heute ist in Ochsenhausen<br />
ein staatl. Aufbaugymnasium.<br />
1127 Schon in -die Entstehungszeit der Reformklöster fällt<br />
die Gründung des Benediktinerinnenklosters Urspring<br />
bei Schelklingen, das 1806 aufgehoben, in eine Baumwollspinnerei<br />
und gegenwärtig in ein ev. Landerziehungsheim<br />
umgewandelt wurde. Kirche und Klausurgebäude<br />
blieben zum Teil erhalten.<br />
Mit dem 11. Jahrh. schließt die Periode der großen<br />
Benediktinergründungen ab, und es folgen die der<br />
2. Periode angehörenden Zisterzienserund<br />
Prämonstratenserorden, -die für die Rodung<br />
und Urbarmachung des Landes noch bedeutender<br />
waren, weil die Ordensregel des Zisterziensers das<br />
Hauptgewicht auf die Handarbeit legt. Benedikt war<br />
der erste, der neben das Bete auch das Arbeite stellte.<br />
Er wich damit vom Weg des schon vor Christi Geburt<br />
bestehenden Mönchtums ab, -der die Handarbeit ganz<br />
ablehnte, um nur der Beschauung zu leben. Nur auf<br />
diese Weise war es möglich, daß die Mönche neben der<br />
Verbreitung der Religion, Pioniere für die Ausbreitung<br />
der griechisch-römischen Kultur werden konnten. Als<br />
Voraussetzung brachten sie den Bauern mehr Kenntnisse<br />
im Ackerbau und hauptsächlich im Obstbau, den<br />
sie zum Teil neu einführten, der Viehzucht und dem<br />
Handwerk bei, um sie so aufgeschlossener zu machen<br />
für das geistige Erbe, -das sie ihnen bieten konnten. Die<br />
Mönche rodeten und planierten nicht nur den Boden,<br />
sondern versuchten, ihn auch bei entsprechender Qualität<br />
zu veredeln. Um die Klöster legten sie Obsthöfe,<br />
Gemüse-, Blumengärten und Weinberge an und bemühten<br />
sich, zahlreiche Kulturpflanzen an das nordische<br />
Klima anzugewöhnen. Durch das Vorbild der Mönche<br />
kamen die Germanen mehr und mehr von der Verachtung<br />
der Handarbeit ab, so daß auch sie sich daran wagten,<br />
den Pflug zu führen. Eine weitere Wandlung erfuhr<br />
das Siedlungsbild. Durch die steinernen Klosterbauten<br />
angeregt, wurden die Holzbauten mehr und mehr verdrängt.<br />
Übertroffen aber wurden die wirtschaftlichen<br />
und kulturellen Belange durch ihre Leistungen auf<br />
den Gebieten der Wissenschaft, Kunst und Religion.<br />
Mit dem Niedergang der gefeierten Benediktinerabteien<br />
bildete sich unter der Leitung des hl. Robert v. C i t ea<br />
u x 1 0 9 8 die Neugründung Zisterzium heraus (in dter unwirtlichen<br />
Ebene Burgunds), in der die Regel des hl. Benedikt<br />
im Geiste strengster Aszese beobachtet wurde. Bald<br />
wurden für dieses Kloster bes. Statuten herausgegeben, die<br />
unter Abt Bernhard von Clairvaux noch weiter ausgebaut<br />
wurden, und so war, ohne erste Beabsichtigung, neben dem<br />
Benediktinerorden eine neue Gemeinschaft entstanden. Die<br />
Zist. Verfassung schrieb vor, -daß ein Kloster wenigstens<br />
hundert Meilen vom andern entfernt sein müsse und wenigstens<br />
60 Mönche zur Neugrüdung bereit sein sollten. Weil sie<br />
sich ihren Lebensunterhalt nur durch die Landwirtschaft beschaffen<br />
durften, wählten sie sich zur Ansiedlung möglichst<br />
geschützte Täler, nicht wie die Benediktiner, die ihre Klöster<br />
bevorzugt auf Berge, in enge Tälschluchten oder gar auf Inseln<br />
bauten. Ein bedeutender Unterschied in der landwirtschaftlichen<br />
Nutzung der Güter beider Orden war ebenso<br />
vorhanden. Während die Benediktiner vielfach dazu übergegangen<br />
waren, ihr Land zu parzellieren und zu verpachten,<br />
um fich durch Einnahme des Zehnten den Lebensunterh<br />
zu sichern, trieben die Zisterzienser nur Eigenwirtschaft. Sie<br />
arrondierten ihren Besitz und gründeten als Stützpunkt die<br />
sogen. „Grangien", das sind Kornspeicher, Ackerhöfe, die von<br />
Laienbrüdern oder Konversen betrieben wurden. Die Konveisen<br />
waren Ordensbrüder, die, nicht wie die eigentlichen<br />
Mönche Priester und Lehrer werden konnten, auch nicht<br />
am vollen Chorgebet teilnahmen, sondern die Wirtschaft<br />
besorgten. Sie waren durchschnittlich Söhne der Lauern der<br />
Umgebung. Früher waren es meist bedeutend mehr Konversen<br />
als Patres in einem Convent. Über dem Abte einer jedei<br />
Abtei stand der visitierende Abt des Mutterklosters, i 5 daß<br />
die Finanzverwaltung streng geordnet war. Es war nicht so<br />
leicht eine Verwirtschaftung des Klostergutes möglich, die so<br />
manche Benediktinerabtei an den Rand des wirtschaftlichen<br />
Verfalls gebracht hatte. Ihr Eifer und Geschick erlangte den<br />
Zisterziensern bald die Führung auf allen Gebieten der<br />
Landwirtschaft, des Getreide-, Wein-, Obstbaus, der Pferde-,<br />
Rindvieh-, Schaf- und Bienenzucht, in der Anlage -on Bäckereien,<br />
Mahl-, Walkmühlen usw. Die Okonomiehöfe der Zisterzienser<br />
waren die Ackerbauschulen der damaligen Zeit,<br />
und geistl. und weltliche Fürsten bemühten sich, „graue
58 HOHENZOL E SC HE HEIMAT Jahrgang JH58<br />
Mönche" als Leiter und Verwalter ihrer Hospitäler und Güter<br />
zu gewinnen. Das Hauptwirkungsfeld war der deutsche<br />
Osten, aber auch in Süddeutschland blühte ein Zist.-Kloster<br />
auf:<br />
Salem. Es wurde 1134 von Ritter Guntram von Adelsreute<br />
bei Ravensburg angeregt, der sich in L ü z e 1 Mönche erbat<br />
und ihnen einen großen Teil seiner Güter im Linzgau überließ.<br />
In den folgenden Jahrhunderten gelang es Salem, zu dem geschenkten<br />
Besitz noch vieles hinzuzukaufen, auf Grund dessen<br />
wurde die Abtei bald zum Lehensherrn. Sie ist eine der wenigen<br />
Abteien jüngeren Datums und mit der Zisterz. Regel ausgestattet,<br />
die wie die früheren Gründungen einen ausgesprochenen Streubesitz<br />
hatte, statt eines geschlossenen Territoriums. Bei Ottobeuren und<br />
Kempten war es gerade umgekehrt. Der Konvent unterstand in<br />
weltlichen Dingen direkt dem Kaiser, dem er in Kriegszeiten Soldaten<br />
und Abgaben liefern mußte. Dem Bischof gegenüber bestand<br />
beinahe volle Unabhängigkeit.<br />
Die Zisterzienser brachten auch einen neuen Baustil. Ein<br />
typisches Beispiel dafür ist die noch erhaltene Klosterkirche<br />
Salems: Übergang von der Romantik zur Gotik, noch stark<br />
gezügeltes nach Oben-Streben, mit dem, aus Einfachheitsgründen<br />
vorgeschriebenen Dachreiter, statt eines Turmes. Die<br />
Innenausstattung allerdings stammt aus einer viel späteren<br />
Periode und ist der Art des Ordens total entgegengesetzt. Sie<br />
stellt eine Mustersammlung klassizistischer Motive und Bildungen<br />
dar, wie keine 2. in Deutschland entstand. Salem<br />
kann kein Rodungskloster genannt werden, hier haben die<br />
Mönche Sümpfe trocken gelegt. Die tiefe Lage des Gebäudes,<br />
gegenüber den höher gelegenen Nachbardörfern, weist darauf<br />
hin. In der Reihe der Zisterz. Männergründungen am Bodensee<br />
blieb Salem allein, weil sich die Mönche während der<br />
Auseinandersetzungen Kaiser-Papst auf die Seite des Papstets<br />
stellten. Der Kaiser (Friedrich II) bewilligte deshalb<br />
später einfach keine Grundstücke mehr.<br />
Priorat von Salem war Maurach oder Birnau, ein<br />
Geschenk von Heinrich dem Löwen, mit seiner 1747—50 von<br />
Peter Thumb erbauten herrlichen Rokoko-Kirche. 1808 säkularisiert.<br />
Salem unterstellt waren die Frauenabteien:<br />
Heggbach (1134—1803), Bassenheim und Plettenberg-Rhein. Adel<br />
erhielt Besitzungen.<br />
Heiligkreuzthal (1140—1806), die Güter fielen an Württemberg.<br />
Wald (1200—1806), Besitz kam an Hohenzollern.<br />
Gutenzell (1237—1803), den Grafen Törring zugewiesen, heute<br />
Rentamt.<br />
Baindt (1238—1803) heute Heim für verwahrloste Kinder fiel<br />
an Graf Aspermont-Linden.<br />
Reichsunmittelbare Zisterzienserinnenabteien waren in<br />
Oberschwaben nur: Gutenzell, Heggbach und Baindt.<br />
Neben den Zisterziensern setzten sich fast um dieselbe<br />
Zeit die Prämonstratenser in Schwaben fest. Es war<br />
eine unter dem hl. Norbert entstandene Reformbewegung des<br />
Weltklerus, Der Name rührt von der Erstgründung im Waldtal<br />
von Premontre her, wo 40 Kleriker 1121 zum, 1. Mal die<br />
Gelübde ablegten. Den engen Zusammenschluß mit dem Mutterkloster,<br />
wie dem wirtschaftlichen Eigenbetrieb, übernahmen<br />
sie vom Zisterzienserorden<br />
Das erste noch vom hl. Norbert selbst gegründete Kloster<br />
in Schwaben war „Rot oder früher „M ö n c h s r o t' 1<br />
an der Rot. 1126—1803. Hier dürfte es sich um ein Rodungskloster<br />
handeln.<br />
Rot war viele Jahrhunderte als erstes Prämonstratenserkloster in<br />
Württemberg geistig und religiös führend. Bei der Säkularisation<br />
ging es • n Graf Ludwig von Wartenberg über. Von Rot gingen die<br />
Tochterniederlassungen:<br />
Weißenau (1145—1803) und Ober-Marchtal aus<br />
Die Herren von Thum und Taxis wurden mit Ober-Marchtai<br />
entschädigt. Während es sich bei Ober-Marchtal weder um<br />
Ausbau- noch Rodungssiedlung handeln kann, ist dies für<br />
Weißenau gewiß, Den Urkunden gemäß siedelten sich in<br />
diesem Gelände die Mönche zuerst an, legten die Sümpfe<br />
trocken und rodeten den Wald.<br />
Bis zur Aufhebung 180L Destand hier nur die ' ilostersiedlung. Es<br />
gehörten damals 137 Dörfer, Weiler und . löfe hinzu. Das Gebiet<br />
wurde erst den Grafen Sternberg-Mandersi' eic igetei t und später<br />
Württ ftberg. Neuerdings ist es psychiatrisches Landeskrankenhaus,<br />
/or Weißenau ging 1 -8 die 4. oberschwäbische Prämonstratensersiedlung<br />
aus:<br />
Schussenried. Bei Schussenriea muß es sich um eine<br />
Gemeinschaft handeln, die sich neben Rodung besonders um<br />
die Trockenlegung von Sümpfen kümmerte.<br />
Bedeutsam ist der Bau der Steinhauser Pfarrkirche von Schussenried<br />
aus. Baurai ..ter war Dor-"nlkus 'irrmermann, und Bausteine<br />
versprach die Priorin von Sie'm zu 'lefern aus dem klostereigenen<br />
Steinbruch. Allerdings beliefen sich die Kosten der Kirche<br />
trotzdem noch auf 40 000 Guldtn, mehr als man zuvor bs -echnete,<br />
und weil der Konvent diese "Cht be'.illigte, mußte der damalige<br />
Abt abdanken. '803 wurde Sc* issenried aufgehoben uni xam wie<br />
Weissenau ii den Besitz des Grafen Sternberg-Manderscheid.<br />
Im 13. Jahrhundert setzt für Oberschwaben<br />
die 3. und letzte Klostergründungsperiode<br />
ein, die nicht mit der Landerschlie-<br />
ßung, sondern mit dem Aufblühen der Städte<br />
in Beziehung steht: Die Bettelorden des hl.<br />
Franziskus und Dominikus. Sie waren erwachsen<br />
aus dem Bestreben, dem auch in der Kirche, den Klöstern<br />
und Stiftern eingezogenen Reichtum und Luxus gegenüber,<br />
das Leben des armen Christus und die Einfachheit der apostolischen<br />
Frühzeit zu erneuern. Als Feinde jeglichen Grundbesitzes<br />
erwarteten sie ihren Unterhalt nicht von Pachtgeldern,<br />
Zehnten und Renten, sondern nur von geleisteter Arbeit<br />
und den milden Gaben der Gläubigen, um die in der<br />
demütigsten Weise des Betteins angegangen werden sollte.<br />
Waren die alten Benediktinerabteien die Stätten für die<br />
feudalen Stände der Hochedlen, die Zisterzienser und ähnliche<br />
Orden Lieblinge der ritterlichen Klassen, so wurden<br />
diese armen Brüder Christi die gegebenen Prediger und Seelsorger<br />
für das einfache Bürgervolk. Sie waren schon durch<br />
ihr Dasein eine stete Predigt für den reichgewordenen Klerus,<br />
die Händler und Krämer. In gleicher Weise aber auch<br />
waren sie ein Rückhalt in moralischer Hinsicht für die<br />
Armen und Elenden, deren Abstand von den Reichen die<br />
Geldwirtschaft viel krasser offenbarte. Eine größere oder<br />
kleinere Franziskanergründung treffen wir heute beinahe in<br />
jeder Stadt und Kleinstadt an, darum ist es nicht möglich, sie<br />
alle zu erwähnen. 1229 betraten die ersten Minoriten Ülm.<br />
Im selben Jahr entstand in Söflingen ein Klarissinnenkloster.<br />
Es folgten:<br />
1259 die Dominikanerinnen von Habsthal. (1806 zjg Sigm.-Hohenzollern<br />
das Kloster an sich, seit 1892 erneut Benediktinerinnenabtei).<br />
1251 Sießen, das Eigentum der Herren von Thum und Taxis wurde.<br />
(1803) 1860 erwarben es die Schulschwestern des hl. Franziskus<br />
von Oggelsbeuren, die ein Lehrerinnenseminar mit Handelsschule<br />
und Haushaltungsschule unterhalten. Eine weitere Gründung<br />
war um:<br />
1340 Hedingen, die wegen mangelnder Zucht nicht lange bestehen<br />
konnte.<br />
1303 Franziskanerkloster Gorheim.<br />
1354 Das Frauenkloster Inzigkofen, das wegen seiner außergewöhnlich<br />
hohen Zucht nie einer Reform bedurfte.<br />
1406 Reute.<br />
Alle drei wurden 1782 von Josef II aufgehoben.<br />
Einen noch recht ansehnlichen Teil am oberschwäbischen Boden<br />
besaß zu dieser Zeit der Deutschritterorden, und zwar die<br />
Kommende Altshausen mit Ländereien im Hegau (seit 1268) und die<br />
Insel Mainau (seit 1272). 1806 nahm Württemberg den gesamten<br />
Güterkomplex in Besitz.<br />
Noch zu erwähnen wären die Spitäler und S p i t a 1 o r d en,<br />
die in den Städten entstanden waren und denen z. T. auch Güter<br />
zur Verfügung standen. Uberlingen und Pfullendorf<br />
waren sehr reich, doch trugen sie nur örtliche Bedeutung.<br />
Im SO zwischen Argen und Iiier ist das Zurücktreten des klösterlichen<br />
Besitzes sehr auffällig. Es dehnte sich hier das selbständige<br />
Territorium der Truchsesse von Waldburg aus. Andere Territorien<br />
am Obersee und Schussenbecken gehörten den Grafen von Montfort<br />
und einzelne Streubesitzungen im Westen waren Eigentum der<br />
Fürstenberger.<br />
Zusammenfassend stellen wir fest., daß die kulturlandschaftliche<br />
Bedeutung des Klosterbesitzes auch darin lag, laß<br />
bei ihm darauf geachtet wurde, die Bauernieher nicht zu<br />
teilen, um eine vollbäuerliche Struktur zu erzielen. Es konnte<br />
sich ein lebensfähiges, selbstbewußtes Bauerntum mit marktgünstigem<br />
Wirtschaftssystem herausbilden. Eine Ausnahme<br />
machte die vielfache Peuplierungspolitik der Ritterorden. Dazu<br />
kam noch der kultureile Einfluß, der durch die habsburgische<br />
Landvogtei in Weingarten, Oberschwaben zu einem<br />
konservativ kath. Land stempelte. Im Mittelalter waren die<br />
Klöster Vortrupp der Kolonisation trotz aller Wirren und<br />
Unruhen, denen sie während der verschiedenen Kriege<br />
(Bauernkrieg, Ungarneinfäile, Reformation, 30 jähr. Krieg,<br />
Schwedenkämpfe, Span. Erbfolgekrieg) ausgesetzt w=ren;<br />
manche mußten im Laufe der Zeit mehr als einmal fliehen,<br />
erholten sie sich zu neuer Blüte. Im Barock wur'en J; e<br />
Klöster Oberschwabens Brennpunkt einer neuen Religiosität<br />
und einer neuen künstlerischen Kultur. Das Barock, in dem<br />
der Körperstil der Romantik, der Unendlichkeitscharakter<br />
der deutschen Gotik und das Übermaß an Schmuck der<br />
Renaissance ihre Höhe und Vollendung finden, entfaltete<br />
seine großartigste Pracht in Oberschwaben. Barock ist die<br />
stolze und zugleich frohe Miteinbeziehung der Natur in das<br />
Reich der Religion. Nichts wird getrennt. Das ganze übersprudelnde<br />
Leben quiiit hier hinein in das Leben Gottes und<br />
dies alles gleichsam als Spiegel einer Landschaft, in der och<br />
heute Bauernhof, Kirche, Kloster und Schloß in enger Verknüpfung<br />
nebeneinander stehen.<br />
Bitte empfehlen Sie die<br />
„Hohenzollerische Heimat" in Ihrem Bekannten-<br />
kreis. Alle Postanstalten nehmen Bestellungen<br />
entgegen. Ein Heft kostet 40 Pfg.
Jahrgang' 1958 HOHENZOLLERISCHE HF. 1MAT 59<br />
Ein bedeutender Brief des Fürsten Josef Friedrich<br />
Als ich in den Hohz. Jahresheften, Jahrgang 1950, meinen<br />
Aufsatz über „Charakteristische Profile der Grafen und<br />
Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen" veröffentlichte,<br />
hatte ich von den besonderen Verdiensten des Fürsten Josef<br />
Friedrich als Auftraggeber der schönsten Barockbau-Kunstdenkmäler<br />
in Hohenzollern gesprochen. Ich nannte ihn damals<br />
den Barockbaumeister Hohenzollerns.<br />
Bei späteren Nachforschungen über seinen Sohn, den Erbprinzen<br />
Karl Friedrich, fand ich im Hausarchiv Sigmaringen:<br />
Kasten 20, Fach 12, Fase. 10 nachfolgenden bedeutenden<br />
Brief, welchen Fürst Josef Friedrich zum 20. Geburtstag<br />
an seinen Sohn, den Erbprinzen geschrieben hat. Der Brief<br />
will dem Sohne Lebensgrundsätze an die Hand geben. Der<br />
Vater tut dies mit allem väterlichen Ernst und hatte vielleicht<br />
auch Anlaß dazu. Wie aus anderen Quellen des Fürstl.<br />
Archivs ersichtlich ist, war Erbprinz Karl Friedrich, der in<br />
Dillingen bei den Jesuiten studierte, ein musikalischer Schöngeist<br />
und auch manchmal vielleicht etwas zu einer leichteren<br />
Lebensauffassung geneigt. Erbprinz Karl Friedrich war<br />
selbst ausübender Organist und hat der Sigmaringer Stadtpfarrkirche<br />
die noch heute stehende, allerdings stumme Chororgel<br />
zum Geschenk gemacht. Aus den väterlichen Ratschlägen<br />
zum 20. Geburtstag des Erbprinzen spricht ein hohes<br />
Ethos, ein tiefer sittlicher Ernst und eine Gesinnung, die im<br />
letzten Sinne als wirklich adelig anzusprechen ist.<br />
Wenn die Lektüre des Briefes im Originaltext zunächst<br />
vielleicht auch etwas Schwierigkeiten bereitet, so mußte die<br />
originale Wortgestalt und Schreibweise des 18. Jahrhunderts<br />
beibehalten werden. Im übrigen kann sich niemand dem<br />
bedeutsamen Inhalt dieses Briefes aus dem Jahre 1744 verschließen.<br />
Der Brief lautet:<br />
„Mein Sohn: nachdteme dir undter heutigem dato zu<br />
deinem Geburtstag meinen vätterlichen wollmainendten<br />
Wunsch abgeleget, anbey dir durch freywillige Abtrettung<br />
des Craiss-Cavallerie regiments/: dessen Ich sonsten Vermög<br />
eines Exespectanz Decret, undt Conclusi Circuli der recht<br />
massige Innhaber gewesen wäre:/ ein solches Present gemachet,<br />
vermög welchem Du dich gegen einer so vätterlichen<br />
Dettensee, Pfarrkirche von Süden<br />
mitgeteilt von Archivrat Dr. Johs. M a i e r<br />
obsorg/: die nit nur auff gegenwärtige, sondtern auch auff<br />
zuekünftige Zeitten hinausgehet:/ lebenlänglich so wohl der<br />
Büllichkeit, als deiner kündtlichen Schuldigkeit gemäs högst<br />
verbündten zuerkennen hast, als lebe ich der gäntzlichen<br />
Hoffnung, Solches in das Zuekünftige in der Thatt zu erfahren.<br />
Gleichwie aber meinen mündtlichen Glückwunsch so weitläuffig<br />
nit habe machen können, noch wollen, das dir in<br />
dessen Begriff hätte darthuen können, wie Du die gnadten<br />
Deines Vatters in Zuekunfft durch eine gute, und deiner<br />
geburt gemäss-ahnständige Auffiehrung abzuverdienen dich<br />
befleissen sollest, so hindterlasse ich dir durch gegenwärtige<br />
schrüfftliche Verfassung zu einem ewigen undt deinem Seelundt<br />
leibs nutzen abziehlenden ahngedenkhen folgendte<br />
Lehrstukh: als<br />
Vor allem liebe, und förchte Gott, dem zugeschweigen, das<br />
dich dein alleinig seeligmachender Glaube dahin anhaltet. So<br />
ist nur gar zu gewis, das Gott nit die geringste deiner<br />
undternemmungen segnen württ, so du ihne verlassest. Halte<br />
dich unzertrennlich ahn deinem glauben, undt mache bey<br />
Dir den vösten, gottgefälligen schluss, lieber zu sterben, als<br />
solchen durch beygebrachte, odter anoch beybringendte, falsche<br />
teufflische lehren zubemackhlen, worundter jene nit die geringste,<br />
welche dermahlen bey denen Frantzosen allerdtings<br />
gemein, die da sagen, quon peut etre Honet Home sans Religion<br />
c. c. Ich aber halte es in disem undt mehreren stuckchen<br />
mit den Teutschen, undt sage, das man ohne glauben kein<br />
Mensch seye: nach Gott solle dir nichts lieber seyn, als dein<br />
Ehr undt guter namen, disen bewahre sorgfältigst auff alle<br />
artt und weis, dan dessen Verlust ist unersetzlich. Erinnere<br />
dich jedterzeit, undt in allen Vorfallenheiten deines<br />
stands, und geburt, nit aber umb dich dadurch gross<br />
zu machen durch Undtertruckhung oder Verachtung deren<br />
jenigen, die Gott eintwedters zu hayl ihrer Seelen, odter aus<br />
einem andteren unerforschlichen absehen ernidtriget, sondtern<br />
schätze dich alleinig groß, das du aus purer Barmherzigkeit<br />
Gottes in einem solchen standt bist, in welchem<br />
Du Deinen Nebenmenschen guttes thuen,'. und denen bedürfftigen<br />
undter die arm greiffen könnest, wie es dir dann<br />
bey Antrettung, undt Fortsetzung deiner Regierung ahn<br />
solchen vergnieglich, undt verdienstlichen gelegenheiten niemahls<br />
ermanglen württ.<br />
Gleichwie du nun Innhaber eines regiments bist/ jedtoch<br />
also, das Ich mir auff eine gewihse Zeitt die freye Disposition<br />
über dessen Emolumenten undt Prorogativen Vorbehalte:/<br />
so lasse dir nur nit beyfallen, das d,u nun hierdurch<br />
dein vollkommener Herr wordten, undt nach nierr ndt mehr<br />
zu fragen habest, keineswegs, dan so lang Gott deinen<br />
Eltern das leben lassen württ, so lang bist du auch vor Gott<br />
schuldtig Ihnen mit kündtlichei Pflicht undt schuldigen Gehorsamb<br />
beyget'nan zuseyn: Z" deme/: Soldatt seyn/: ist<br />
das allergeringste, unnothwenaigste stuckh, so von einem<br />
grossen Herren, der mit der Zeit landt, undt Leuth zu regieren<br />
hat, erforderet württ, es werdten als standhafftere<br />
Eigenschaften von einem vollkommenen Regenten, cTer da<br />
Sich Selbsten, undt Seine Undterthanen glückseelig zu<br />
machen verlanget, begehret, wo dan das Soldatten leben,<br />
dessen hoche charges, und Dignitäten nur vor was Zuefälliges,<br />
nit aber nothwendiges mus angesehen wprdten. Damit<br />
aber ahn dir in das Zukünftige erfüllet werdte, was man<br />
anietzo nur noch winschet, undt hoffet, so ..eruhet das<br />
mehriste auff dir Selbsten, nemblich ein kräftiger Willen,<br />
und Verlangen dich zu allem deme tüchtig zu maenen, vi rzue<br />
ich Dir vermög meiner vätterlichen Obliegenheit alle<br />
gelegenheit nach meinen kräften ahn die handt gehen<br />
werdte, wie dan bereits besorgt bin, dir einen solchen Mann<br />
zuezugeben, durch dessen müeh, undt deinem aigenen<br />
Eyfer zu seiner Zeitt ein gantzer Mann aus dir werdte,<br />
welche zwey wortt vill sagen wollen: Ich nimme die Jenige<br />
aus, die pur von dem soldatenleben Profession mache<br />
müssen, ansonsten, will es' bey einem grossen Herren nit<br />
vill sagen, der zugleich auch Regent solle werdten, wan die<br />
weit von Ihme redtet, er seye ein grosser General, darbey<br />
aber ein harter Regent, oder ein guter Musicus, in andteren<br />
Sachen aber ein schwacher kleiner Herr etc. Wann aber das<br />
erstere mit der gnadt Gottes ahn dir württ wahr werdten<br />
nebst beysetzung eines allgemeinen lobs, so ein 'iuter, gerechter,<br />
fridtliebendter, mithin großer Regen, verdien ;t, das<br />
andtere aber andterst nit, als zu einer lobwürdtigen Unterhaltung/:<br />
ohne das notwendigere ahn den nage", zuhenckhen:/<br />
gebrauchet württ, so ist mein wünsch erfüllet, nemblich<br />
meine noch übrige, undt von Gott gesetzte Jahr desto ver-
60 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
gniegter vollbringen zu können, als bey mir Selbsten den<br />
schluss werdte können machen, es durch meine müeh, obsorg<br />
undt was einem rechtschaffenen Vatter zuestehet, dahin gebracht<br />
zu haben, folglich auch desto ruhiger sterben zu<br />
können, als nach erfilter meiner vätterlichen schuldtigkeit<br />
dir durch meinen todt dasjenige abtritte, wohin dich Gott<br />
als rechtmähsiger Erbfolger ausersehen, wo dan der bishero<br />
gegen dir güettigste, undt barmherzigste Vatter, zu seiner<br />
Zeitt aber strengiste richter von dir deiner obgelegenen<br />
schuldigkaitten halber die genauiste Rechenschaft<br />
fordtern württ: fliehe die Zeit deines Lebens alle böse gesellschaften<br />
undt die Jenige Personen, die eins bekanntten üblen<br />
wandtels seyndt, wo bey einem solchen gefährlichen Umgang<br />
noch das allerwenigste Uebel wäre, das dieser dir zu grösster<br />
Unehr geraichette: Ferners hast zu meidten, den vor Gott<br />
und der weltt högststrafbaren müessigang, welcher bey<br />
großen Herren um so sträflicher, als Ihnen ahn nothwendtigen<br />
geschafften, undt nutzlichen undterhaltungen niemals<br />
ermanglet, worundter auch Verstandten haben will, ahnständige,<br />
gescheidte Büecher zu lesen, undt die stundten des<br />
Tages also nützlich aufzuteilen, das man nit Selbsten anlass<br />
gebe, das die Zeitt lang werdte, dan gemeiniglich solche nur<br />
denen lang vorkommet, die sich dem müessigang ergeben,<br />
undt Ihre Regierungsgeschäfte, denen Beambten gar zu vollkomentlich<br />
überlassen.<br />
Deine von Gott dir mitgeteilte Talente wendte niemahls<br />
andterst ahn, als zur Ehre Gottes, undt deines Hauses, beeyffere<br />
dich jedterzeit die gerechtigkeit zu befördteren, belohne<br />
diejenige, die dir getreyh, undt mit nutzen dienen<br />
werdten, hingegen bestrafe das üble,/: jedoch alle zeit mit<br />
maass und zihl:/.<br />
Wiewohlen dise meine schrüftliche Verfassung kurtz, undt<br />
gering, so enthaltet sie doch meines Erachtens so viel in sich,<br />
daß Ich hoffe, du werdtest solche nit auff die Seiten legen,<br />
sondtern dan und wan hervornemmen, undt überlesen, anbey<br />
mir in meinem leben das vergnügen machen, solcher<br />
genauist nachzukommen, nach meinem Todt aber dich als<br />
ein getreues Kindt jedtesmahl darbey desjenigen erinnern,<br />
von deme du nach Gott das leben bekommen, undt der dir<br />
hiermit seine fernere vätterliche gnadt in so lang versprichet,<br />
als du dich solcher durch eine gute Aufflehrung, und tugentlichen<br />
Christlichen lebens-wandtl würdtig machen wirst.<br />
Sigmaringen, den 9. ten Jan: 1744<br />
J(oseph) F(riedrich) Fürst zu Zollern.<br />
Gärtner im Weinberge des Herrn und im Garten der Natur<br />
Zum 70. Geburtstag des Pfarrers Theodor Bürkle in Heiligenzimmern am 9. November<br />
Es ist ein Akt dankbarer Pietät, daß unsere Heimatzeitschrift<br />
heute einer Persönlichkeit gedenkt, die jahrzehntelang<br />
ihre Kraft in den Dienst der Heimatkunde stellte und schon<br />
seit langer Zeit auch dem Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong> angehört.<br />
Pfarrer Theodor Bürkle in Heiligenzimmern, der am 9. November<br />
seinen 70. Geburtstag feiern kann, hat sich auf<br />
heimatkundlichem Gebiete reiche Verdienste erworben. Als<br />
Stadtpfarrer von Veringenstadt betätigte er sich schriftstellerisch<br />
außerordentlich viel auf heimatkundlichem Gebiete<br />
und brachte seine Forschungsergebnisse der Allgemeinheit<br />
zur Kenntnis. Durch diese Tätigkeit kam es nicht von ungefähr,<br />
daß auch die staatlichen und kirchlichen Stellen auf<br />
ihn aufmerksam wurden und ihn zum staatlichen und kirchlichen<br />
Archivpfleger ernannten. In dieser Eigenschaft entwickelte<br />
er ein segensreiches Wirken und hat einen großen<br />
Anteil daran, daß viel heimatliches Archivmaterial bei Kirchen<br />
und Gemeindeämtern erhalten geblieben ist. Pfarrer<br />
Bürkle, der auch als Stadtpfarrer von Veringenstadt und<br />
Wallfahrtspriester von Maria Deutstetten ein fruchtbares<br />
Wirken entfaltete, ist ein Sohn unserer hohenz. Heimat. Im<br />
stillen Höfendorf hat seine Wiege gestanden. Hier wurde<br />
von frommen Eltern die Neigung zum Priesterberuf geweckt,<br />
und er, der treue Sohn unserer hohenz. Heimat,<br />
fand gerade auf ihrem Boden, wo er einst Wurzeln geschlagen,<br />
sein dankbarstes Betätigungsfeld. War er doch dadurch<br />
mit seinem eigenständigen Menschenschlag, seinen<br />
Sitten und Brauchtumsformen besonders verwachsen. So<br />
sind ihm auch die seelsorgerlichen Erfolge in keiner seiner<br />
Pfarreien versagt geblieben. Schon in Veringenstadt belebte<br />
er die Jugendtätigkeit, war Piäses des Gesellenvereins und<br />
wußte auch die Wallfahrtsgottesdienste in Maria Deutstetten<br />
erhebend und feierlich zu gestalten. Ein ebenso segensreiches<br />
Wirken entfaltete er auch in seiner jetzigen Gemeinde Heiligenzimmern,<br />
wo er bereits das 20jährige Ortsjubiläum<br />
feiern konnte. Auch hier bot sich dem Heimat- und Naturfreund<br />
ein dankbares Wirkungsfeld. Hier ist er zum echten<br />
Vater seiner Gemeinde geworden. In allen Anliegen dürfen<br />
seine Pfarrkinder zu ihm kommen und sich bei ihm Rat und<br />
Hilfe holen. Durch seine außerordentlich reichen Kenntnisse<br />
auf dem Gebiete des Obstbaues und der Bienenzucht, die er<br />
als Praktiker selbst betreibt, belebt und bereichert er auch<br />
die Fachorganisationen seiner Gemeinde mit Vorträgen. Mit<br />
der Natur ist er durch seine Abstammung als Bauernsohn<br />
besonders verbunden. Das kommt am trefflichsten d^rii<br />
zum Ausdruck, daß man ihn ' fast während seiner ganzen<br />
Freizeit im Garten werken sieht. So ist der Pfarrgarten von<br />
Heiligenzimmern zu einem Stück Sonntag am Wege geworden.<br />
Doch trotz dieser Lieblingsbeschäftigung hat er nie den<br />
Blick für die seelsorgerlichen Belange und Notwendigkeiten<br />
verloren. Er hat hier eine lebendige Jugendbewegung aufgebaut<br />
und zu einem festen Bestandteil im religiösen Leben<br />
der Gemeinde gemacht, er hat viele Baumaßnahmsn durchgeführt.<br />
Nach dem 2. Weltkrieg war das stark beschädigte<br />
Gotteshaus zu reparieren. 2 neue Glocken mußten beschafft<br />
werden, ein neues Orgelwerk wurde aufgestellt und ein<br />
elektrisches Turmgeläute zugelegt. Darüber hinaus hat sich<br />
Von Josef Schneider<br />
Pfarrer Bürkle auch hier als Wallfahrtsprediger einen Namen<br />
gemacht. Seine Marienpredigten auf Loretto vermögen auch<br />
den Letzten anzusprechen und zu fesseln und es ist bezeichnend,<br />
daß immer dann die Wallfahrt zur Lorettokapelle am<br />
stärksten besucht wird, wenn Pfarrer Bürkle als Prediger<br />
angesagt ist.<br />
Durch sein vielseitiges Interessse und Wirken erklärt sich<br />
auch seine aufgeschlossene Einstellung gegenüber Schrifttum<br />
und Presse. Wie oft schon hat der Verfasser dieser Zeilen<br />
im Pfarrhaus zu Heiligenzimmern, das immer wieder Treffpunkt<br />
von Heimatkundlern ist, Gastrecht genießen und das<br />
Erlebnis seiner weltaufgeschlossenen und doch so volksverbundenen<br />
Persönlichkeit mitnehmen dürfen. Leider ist die<br />
Gesundheit unseres Jubilars in den letzten Jahren durch ein<br />
schleichendes Leiden geschwächt worden, und wir dürfen ihm<br />
gerne wünschen, daß ihm noch viele Jahre der Gesundheit<br />
vergönnt sein mögen.<br />
Pfarrer Bürkle<br />
(Klichee: Schwarzwälder Bote, Oberndorf)
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 61<br />
Die Frongeldliste für Heiligenzimmern aus dem Jahre 1549<br />
Zu den drückendsten Lasten des Bauernstandes gehörten<br />
bis in das 19. Jahrhundert hinein ohne Zweifel die Fronen,<br />
d. h. meist unentgeltliche Dienste und Leistungen für den<br />
Landes- oder Gerichtsherrn. Wer eine Mene, ein Pferdegespann,<br />
besaß, hatte Fuhrfronen oder Spanndienste auszuführen,<br />
während die kleinen Leute, die nur ein Haus, aber<br />
kein oder nur wenig Feld bebauten, Handfronen zu leisten<br />
hatten. Wie lästig mußte der Frondienst werden und welcher<br />
Schaden mußte dem Verpflichteten erwachsen, wenn er z. B.<br />
an den schönen Sommertagen zuerst die Feldarbeiten des<br />
Fronherrn besorgen mußte und erst nach deren Erledigung<br />
die eigenen verrichten konnte! So waren die Fronen, die<br />
ursprünglich ungemessen waren, ein ständiger Anlaß zur Unzufriedenheit,<br />
zu Streit und Hader zwischen der Bevölkerung<br />
und der Herrschaft. Es bedeutete daher sicherlich eine große<br />
Erleichterung, als Graf Jos Niklas II. von Zollern im Jahre<br />
1538 mit den Ämtern seines Landes einen Vertrag schloß und<br />
die ungemessenen Fronen durch ein jährlich auf den Gallustag<br />
(16. X.) zu zahlendes Frongeld ablöste und nur noch gewisse,<br />
genau bestimmte Fronen bestehen ließ.<br />
Die Frongeldliste für den Ort Heiligenzimmern aus dem<br />
Jahre 1549 lagert im Staatsarchiv Sigmaringen. Die Aufzeichnung<br />
ist in mehr als einer Hinsicht von geschichtlichem Interesse<br />
für den genannten Flecken. Wir sehen, daß das Frongeld<br />
in 4 verschiedenen Sätzen erhoben wurde, und demgemäß<br />
sind die Familien auch in 4 Klassen eingeteilt.<br />
Die Besitzer von Wagen, Bauern mit Pferdegespannen,<br />
haben 14 Batzen = 56 Kreuzer Frongeld zu zahlen, die<br />
Karrenbauern entrichten die Hälfte, 7 Batzen = 28<br />
Kreuzer und die Taglöhner 18 Kreuzer 3 Heier. Zur IV.<br />
Klasse zählen die Witwen, die 9 Kreuzer zu zahlen haben.<br />
Zu den Pferdebauern gehören: Theis im Hof (gen. Klenk),<br />
Hans Gültgleich, Jakob Schmid, Hans Alber und Hans Leiibfried.<br />
Sechs andere Bauern besitzen nur Karren. Es sind dies:<br />
Endris Gerber, Kaspar Decker, Michel Pfaff, Jerg Schumacher,<br />
Cyriak Leibfried und Gall Benfell. Als Taglöhner<br />
werden aufgeführt: Veitin Gack, Marx Karrer, Simon Stingle,<br />
Karl Knittel, Hans Wolff, Hans Paur, Conrad Schweizer,<br />
Michel Flauz, Hans Gack, Peter Leibfried der alt, Peter Leibfried<br />
der jung, Hans Stingle, Jerg Schumacher von Brixen,<br />
Jos Linder, Hans Gaunts, Jakob Mayer und Egid Seifert.<br />
Es folgen die Witwen: Ursula Scherzingerin, Margit Herrschlin,<br />
Margit Mäurerin und Anna Kiefer. Im Jahre 1549 zählte<br />
demnach Heiligenzimmern 33 Familien, das sind zwei weniger<br />
als das zollerische Leibeigenen-Verzeichnis von 1548 ausweist,<br />
das KRAUS im Hohenz. Jahresheft 1935 veröffentlicht<br />
hat. Es muß auffallen, daß unsere Landgemeinde nur<br />
6 Wagen- und 6 Karren-Bauern hatte, während Taglöhnerfamilien<br />
gleich 17 aufgeführt werden! Die Erklärung hierfür<br />
ist in der Tatsache zu sehen, daß der größte Teil der an sich<br />
kleinen Gemarkung — von 696 ha entfallen auf Äcker und<br />
Gärten 195 ha und 125 ha auf Wiesen — dem nahen Dominikanerinnen-Kloster<br />
Kirchberg gehörte. Kirchberg, das im<br />
Mittelalter nur Mitglieder adliger und vornehmer Bürgerfamilien<br />
aufnahm, hatte in der Umgebung der Klosteranlage<br />
einen großen landwirtschaftlichen Betrieb, der heute Staatsdomäne<br />
ist. In Heiligenzimmern hatte es einen Fronhof mit<br />
einer Größe von rd. 50 ha Feld. Daneben gehörten die Wiesen<br />
nördlich des Dorfes ganz und die südlich gelegenen zum<br />
größten Teil dem Kloster. Die Taglöhnerfamilien standen<br />
also im Dienste des Klosters und hatten sicherlich ihr gutes<br />
Auskommen. Der Spruch: Unter dem Krummstab ist gut<br />
leben, dürfte sich auch in unserem Fall bewahrheitet haben.<br />
Es braucht uns daher nicht zu wundern, wenn nach dler Aufhebung<br />
des Klosters 1806 ein großer Teil der Einwohner von<br />
Heiligenzimmern Arbeit und Brot verlor. Die Not unter der<br />
Bevölkerung stieg in einem Maße an, daß behördlicherseits<br />
im Dorfe eine Suppenküche eingerichtet werden mußte, wo<br />
die ärmeren Leute ein unentgeltliches Essen erhielten.<br />
Von den in der Frongeld-Liste aufgeführten Familiennamen<br />
finden sich 100 Jahre später, nach Beendigung des<br />
30jährigen Krieges — 1646 beginnen die Kirchenbücher in<br />
Heiligenzimmern — nur noch vier: Flau (Flaiz), Leibfried,<br />
Stingle (Stengle) und Scherzinger. Der verderbliche Krieg<br />
und in seinem Gefolge Hunger und Seuchen haben auch in<br />
unserem Flecken grausam gewütet. Heute sind nur noch die<br />
Flaiz und Scherzinger in Heiligenzimmern vertreten,<br />
die mit den B e 1 s e r - Familien,deren erste 1552 das Maieramt<br />
im Fronhofe antrat, somit die ältesten Geschlechter des<br />
Dorfes sind. M. Schaitel<br />
Die Klause von Heiligenzimmern<br />
Schon im Hochmittelalter finden wir fast in jeder Stadt<br />
eine, wenn nicht mehrere Niederlassungen, in denen Jungfrauen<br />
und Witwen ohne feste Regel ein halbklösterliches<br />
Leben führten. Die Heime nannte man in Süddeutschland<br />
meist Klausen oder Sammlungen und deren Insaßen Klausnerinnen,<br />
Klausenschwestern oder Sammlungsfrauen und mit<br />
einem Sammelnamen Beginen. Für die Dauer des Aufenthaltes<br />
in der Klause legten die Mitglieder zu Händen der<br />
Vorsteherin, auch Meisterin genannt, die Gelübde der Keuschheit<br />
und des Gehorsams ab und trugen einheitliche Kleidung.<br />
Ihren Unterhalt verdienten sich die Frauen mit ihrer Hände<br />
Arbeit durch Spinnen, Stricken und Nähen, teilweise auch<br />
durch Umtrieb einer eigenen Landwirtschaft. Neben der<br />
Teilnahme am Pfarrgottesdienst und der Verrichtung besonderer<br />
Andachtsübungen widmeten sie sich vor allem den<br />
Werken der Barmherzigkeit und christlichen Nächstenliebe,<br />
wie Pflege der Kranken, Erziehung und Unterricht der Jugend<br />
usw. Wenn der Hauptgrund für diese Art des gemeinsamen<br />
Lebens vor allem in der religiösen Anschauung und<br />
Einstellung des mittelalterlichen Menschen zu suchen ist, so<br />
kann nicht außer acht gelassen werden, daß auch ein soziales<br />
Bedürfnis vorlag. Bei dem starken Frauenüberschuß konnten<br />
nicht alle Mädchen zum Heiraten kommen und eine<br />
Familie gründen. Zur Abwendung von Mißbräuchen drang<br />
die Kirche im Laufe der Jahrhunderte immer mehr darauf,<br />
daß die Klausnerinnen eine Ordensregel annahmen, etwa die<br />
des III. Ordens des hl. Dominicus oder Franziskus. Im Wandel<br />
der Zeiten sind aus manchen Klausen Frauenklöster<br />
entstanden, anderswo haben die Klausnerinnnen aus den<br />
verschiedensten Gründen ihre Niederlassung aufgegeben und<br />
sind in ein nahes Kloster übergesiedelt.<br />
Soweit sich übersehen läßt, wird uns erstmals Kunde über<br />
die Klause zu Heiligenzimmern gelegentlich der Erwerbung<br />
einer Wiese auf Gemarkung Heiligenzimmern im Gewann<br />
Seltenbach — heute Selbbach — im Jahre 1436 1 ), Das Do-<br />
von M. Schaitel<br />
minikanerinnen-Kloster Kirchberg gibt den Klausnerinnen<br />
lehensweise eine Wiese, die zwischen dem Walde und dem<br />
Hofacker liegt und für die jährlich auf Martini 7 Schilling<br />
Haller, Haigerlocher Währung, Gült zu entrichten ist. Der<br />
Lehensbrief ist an Walburgistag des genannte) Jahres ausgestellt<br />
und 1 von Junker Heinrich von Ow von Zimmern 2 ) gesiegelt.<br />
Vier Jahre später hören wir wieder von einer Wiesenerwerbung<br />
vom Kloster Kirchberg im „Zimrer tal in dem<br />
Rin — heute „Im Rein" — an der stunze, genanni. des caplans<br />
wiese." Die Gült für die 2 Mannsmahd große Wiese wird<br />
auf 3V2 Pfund und 5 Schilling Haller, Haigerlocher Währung,<br />
festgesetzt und die Klausnerinnen werden verpflichtet, die<br />
Wiese alljährlich mit 10 Karren Mist zu düngen 3 ). Aus einer<br />
Urkunde von 1477 J ) erfahren wir die Lage der Klause. Zwischen<br />
dem Pfarrherrn Oswald Herli von Heiligenzimmern<br />
und dem Kloster Kirchberg als Patronatsherrn einerseits<br />
und den Klausnerinnen anderseits war es wegen eines Kellers,<br />
der zwischen Pfarrhof und Klause lag, zu Miß'neiligkeiten<br />
und Streit gekommen. So schütteten die Klausenschwestern<br />
ihr ganzes Abwasser über das Kellerdach, dessen<br />
Gefälle zum Pfarrhaus ging, so daß dessen Gemäuer stark<br />
geschädigt wurde. Aus der Ortsbeschreibung: „zwischen<br />
Pfarrhof und Klause" ergibt sich eindeutig, daß die Klause<br />
neben dem Pfarrhof und der alten Kirche stand, also auf der<br />
„Bruck" an der Stelle, wo heute das Anwesen des Matthäus<br />
Schäfer steht. Von Interesse sind auch die Namen der Schiedsmänner,<br />
auf die sich die Parteien zur Schlichtung des Streites<br />
geeinigt hatten: Junker Kraft von Hailfingen, Vogt zu<br />
Haigerloch, Ritter Duman von Wehingen zu Haigerloch, Meister<br />
Michel, Pfarrer zu Binsdorf, Pfaff Jörg Joss, Kaplan in<br />
Bernstein, und Hans Butz, Vogt zu Zimmern. Aus dem Jahre<br />
1487 5 ) ist uns wieder eine Nachricht über die Klause überliefert.<br />
Beim Jahrgericht, das am Tage nach Mariä Lichtmeß<br />
unter dem Vorsitz des Peter Käppier, Vogts zu Haigerloch<br />
und im Beisein des Ulrich Klenk, Vogts zu „Zymern, genant
62 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />
Hailgenzymern" 6 ) stattfand, führten die „Closenschwestern"<br />
und die. Kirchberger Klosterfrauen lebhaft Klage darüber,<br />
daß die Bewohner von Heiligenzimmern durch ihre Wiesen<br />
im oberen Tal widerrechtlich einen Fahrweg machten und<br />
ihnen damit schweren Schaden zufügten. Die Rechte der<br />
Klausnerinnen vertrat der Bernsteiner Kaplan Joos, während<br />
für Kloster Kirchberg dessen Hofmeister und Schreiber<br />
Heinrich Hug das Wort führte. Da die Dorfrichter und Dorfältesten<br />
bezeugen konnten, daß schon, immer ein Fußweg<br />
durch die Wiesen geführt habe, kam es zu folgendem Beschluß<br />
: Die Einwohner von Heiligenzimmern dürfen den Pfad<br />
durch die Wiesen zum Gehen. weiter benützen, das Reiten<br />
und das Fahren mit Karren und Wagen aber wird untersagt<br />
und verboten. — Unsere Klause ist übrigens auch in<br />
einer kirchlichen Statistik „Registrum ecclesiarum et beneficiorum<br />
in districtu decanatus Haigerloch consistentium"<br />
vom 9. Juli 1468 aufgeführt. Dieses Register hat der damalige<br />
Dekan im Auftrage des Bischofs Hermann zu Konstanz<br />
aufgestellt Wenn nach Hodler 7 ) das Reclusorium Zummern<br />
nach dem genannten Register „4 Pfund und 7 Pfund<br />
müntz" zahlte, so muß diese Abgabe wohl ein Irrtum sein,<br />
denn kaum das ganze Einkommen der Klause könnte so groß<br />
gewesen sein!<br />
Im Jahre 1554 wurde die Klause durch eine Feuersbrunst<br />
zerstört. Fast das gesamte Inventar und die Lade mit den<br />
Briefen, d. h. Urkunden über Grundbesitz und Verträgen<br />
aller Art, wurden ein Raub der Flammen. Da den Klausnerinnen<br />
offenbar nicht die entsprechenden Mittel für die<br />
Erstellung und Einrichtung eines neuen Gebäudes zur Verfügug<br />
standen, zogen sie nach dem nahen Gruol, dessen<br />
Klause bereits im Jahre 1477 zu einem förmlichen Dominikanerinnen-Kloster<br />
mit einer Priorin als Vorsteherin erhoben<br />
worden war 8 ). Mit dem Uebertritt der Klausenschwestern<br />
fiel auch deren Grundbesitz an das Kloster Gruol. Das<br />
Jahr 1554 ist uns aus zwei Gültverschreibungen überliefert.<br />
Die eine dadiert vom 6. 6. 1555 und besagt, daß im Vorjahr<br />
die Klause zu Zimmern durch Feuer zerstört wurde<br />
und daß der Bodenzins aus 8 Jauchert Acker im Donnertal<br />
— Flurname wie heute — nunmehr dem Kloster Gruol zukämen<br />
9 ). In einer weiteren Urkunde vom 27. 11. 1556 bestätigten<br />
die Vorsteher der Stadt Haigerloch dem Kloster<br />
Gruol eine frühere der Klause zu Heiligenzimmern zustehende<br />
Gült aus einer Wiese in der Au — heute in der<br />
Wer sich mit alten Schriften beschäftigt, trifft immer wieder<br />
auf Wörter, die im Laufe der Zeit außer Gebrauch gekommen<br />
sind und nicht mehr ohne weiteres verstanden werden.<br />
Man muß dann zum Wörterbuch greifen, etwa zu H.<br />
Schwäbisches<br />
„Naube". — Hier wird gesagt, daß vor z w e i.i, Jahren die<br />
Klause Zimmern mit „schwärlicher brunst vnd fewersnot"<br />
vernichtet wurde 10 ). Im alten Pfarrbuch von Gruo" ist etwa<br />
aus dem Jahre 1630 ein Vermerk: „So gedenket am Gottes<br />
Willen Elisabeth Rottwilerna und Anna Baierin, beide zu<br />
Zimmern gewesen und aller deren Mitschwestern, Vater und<br />
Mutter, Vorder- und Nachkommen, so aus den Gotteshäusern<br />
(Klausen, Sammlungen) Zimmern, Gruol und Haigerloch<br />
verschieden sind" 11 ).<br />
Nach einem Bestand von etwa 150—200 Jahren ist die<br />
Klause zu Heiligenzimmern infolge Einäscherung des Gebäudes<br />
und Wegzug der Schwestern zur Auflösung gelangt.<br />
Die Niederlassung war kein eigentliches Kloster, sondern eine<br />
Sammlung von Beginen, die später Mitglieder des III. Ordens<br />
des hl. Dominikus wurden, d. h. Tertiarerinnen. Die<br />
Zahl der Insaßen war nie groß und dürfte das halbe Dutzend<br />
wohl kaum einmal überschritten haben. Die Erinnerung an<br />
die Klause in Heiligenzimmern ist bei den Einwohnern erloschen.<br />
Das nahe Kloster Kirchberg mit seinem mächtigen<br />
Gebäudekomplex und als größter Grundbesitzer und Arbeitgeber<br />
in Heiligenzimmern mußte das Andenken an unsere<br />
Klause, die keinerlei wirtschaftlichen Einfluß ausgeübt hatte,<br />
bald vergessen lassen.<br />
Anmerkungen :<br />
Kopialbuch des Klosters Kirchberg.<br />
2 ) Zimmern, hier Marschalkenzimmern, s. Schön: Geschichte<br />
der Familie von Ow, München 1910.<br />
3 ) s. Anmerkung 1.<br />
4 ) Kirchberger Archivalien im Filial-Staatsarchiv Ludwigs-<br />
burg.<br />
5 ) s. Anmerkung 4.<br />
6 ) Demnach war schon am Ende des 15. Jahrhunderts der<br />
Name Horgenzimmern zu Hailgenzymern verschlechtert.<br />
Doch schrieben noch im 18: Jahrhundert Ortspfarrer und<br />
Vögte richtig Horgenzimmern.<br />
7 ) Hodler, Gesch. des Oberamts Haigerloch, Hechingen 1928.<br />
B ) Mitt. XX. Jahrg. Pfeiffer: Das Dominikanerkloster in<br />
Gruol.<br />
9 ) wie bei Anmerkung 7.<br />
10 ) Original-Pergament-Urkunde im F.H.D.A. Sigmaringen:<br />
R. 56, K. 27, Nr. 74.<br />
u ) wie bei Anmerkung 8.<br />
Fischers vielbändigem Schwäbischem Wörterbuch, oder zu<br />
dem des Christoph von Schmid (1831), oder M. Lexers Mittelhochdeutschem<br />
Handwörterbuch, Kluges Ethymologischem<br />
WB. der deutschen Sprache u. a. Wer sich dabei in der<br />
Straßberg
Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 63<br />
schwäbischen Mundart auskennt, wird in den meisten Fällen<br />
gegenüber anderen Volksgenossen in wesentlichem Vorteil<br />
sein! Denn der Zusammenhang zwischen dem Mittelhochdeutschen<br />
bis zum Jahre 1500 (abgekürzt mhd.) und dem<br />
Schwäbischen ist sehr eng. Man braucht sich also seiner<br />
Mundart keineswegs schämen. Wer über sie lästert oder sie<br />
verlacht, stellt sich selbst das Zeugnis der Unwissenheit aus.<br />
Das Schwäbische ist organisch gewachsen und nicht künstlich<br />
erfunden, wie etwa die sogenannte Bühnensprache, die von<br />
Saitenstechen und Menschenlaib redet, auch wenn sie Seitenstechen<br />
und Menschenleib meint.<br />
1.) Was für ein köstliches Wort ist unser Eigenschaftswort<br />
„aber"! Zwar muß man es reinlich scheiden vom „Näaber",<br />
dem Eber, oder Nepper, dem Bohrer. Im Frühling,<br />
wenn Sonne und Regen die Schneedecke weggenommen haben,<br />
ist die Flur bzw. ist es ä b e r. Schon im Parzivalgedicht<br />
(Vers 3563) heißt es: „Es wäre äber oder Snee. ..", wobei<br />
äber nicht, wie unser Deutschlehrer Steiner gemeint hat, als<br />
Hauptwort aufzufassen ist. Das Wort wird auch gebraucht,<br />
wenn das geschüttelte Obst aufgelesen oder die Feldfrüchte<br />
abgeräumt sind. In Bayern und der Schweiz lautet es aper<br />
(so auch im Duden!) oder aber, und hängt zweifellos mit<br />
aperire = öffnen und April zusammen!<br />
2.) In Ringinger und Salmendinger Urkunden des 16. Jahrhunderts<br />
steht die Rechtsbestimmung, das am gebannten<br />
oder verbotenen Wald gestohlene Holz sei zu „riegen bis<br />
uf die äse m". Riegen bedeutet rügen, anzeigen, aber<br />
äsem scheint ganz ausgestorben zu sein, äse oder äsel bezeichnete<br />
im mhd. ein Gestell vor dem Ofen zum Auflegen<br />
des Brennholzes. Das m am Ende erinnert an Besemreis und<br />
Kettem Kette. Gestohlenes Holz konnte damals also noch<br />
vor dem Ofenloch dem Dieb zum Verhängnis werden.)<br />
3.) E h e h ä f t e, auch ehehafte Wege, Zäune usw. finden<br />
sich in vielen alten Dorf- und Stadtordnungen. Es handelt<br />
sich um Rechte, bzw. rechtmäßige Wege, Zäune usw. Im<br />
ersten Teil steckt das alte Wort ewa = Gesetz, das noch in<br />
Ehegatten oder dem aussterbenden schönen Wort Ehehalten<br />
Dienstboten erhalten ist.<br />
4.) G r i s e 1 e nennt man in Ringingen die Sommersprossen<br />
und die kleinen Butterklümpchen im Butterfaß. Im Elsaß<br />
und anderwärts sagt man dafür Risele. Das vorgesetzte G<br />
bezeichnet einen Sammelbegriff: Hirn = Gehirn, Horn Gehörn,<br />
Holz Gehölz.<br />
5.) Der Flurname Kay oder Koi gehört ebenfalls hierher.<br />
Schon im Jahre 1293 berichten die Mon. Hohbg. (Nr. 142) von<br />
Wäldern, die man G e h a e nannte, wobei a und e getrennt<br />
zu sprechen sind, also nicht ä! Eine Heie oder Hei (gesprochen<br />
Hai!) bezeichnete eine Hegung, einen gehegten,<br />
eingemachten Wald. Der Esch-Hay war-der Feldhüter, und<br />
heien (sprich haien!) bedeutet „pflanzen, hegen, schützen,<br />
pflegen". Daß hegen zu haien werden konnte, nimmt den<br />
Schwaben gar nicht Wunder, sagt er doch auch für „er legt:<br />
e r 1 a i t ' Alte ai, die jedoch ei geschrieben wurden, sind<br />
im Lauf der Zeit zu oe, oi geworden, daher Koi, Koy!<br />
6.) Eine merkwürdige Bestimmung findet sich in einer<br />
Rechtssatzung von Siraßberg vom Jahre 1548: „Weiches Jahr<br />
Ecker oder Keyß geraten, soll jedermann es dem Amtmann<br />
anzeigen, der es h a y e n und verpieten mag lassen."<br />
Ecker bezeichnet den Eckerich: Bucheckern und Eicheln. Was<br />
aber soll Keyß? Fischer berichtet im Band 4, 350 von<br />
K ä s s das dem Zusammenhang nach das Gleiche bezeichnen<br />
muß Es ist wieder ein Sammelbegriff für alles Eßbare<br />
im Wald: G e - ä ß, Käss, Keyß, vermutlich auch Hagebutten<br />
und Schlehen samt Wildobst.<br />
7.) Die Schreibung des Schwäbischen nach dem Gehör ist<br />
nicht immer leicht, weil uns völlig ungewohnt! So konnte<br />
man sich wundern, daß (nach Hohenz. Heimat 1958 S. 5—6)<br />
in Jungingen in nerzigen Kinderliedlein und Sprüchen, die<br />
auch anderwärts bekannt sind, man „liaba" sage, statt läaba<br />
= leben, winn statt wenn, schniall statt schneall, Hiad statt<br />
Häat = Herde, diar statt dear usf. Man mag tatsächlich<br />
manchmal über die richtige Schreibung im Zweifel sein. Aber<br />
das ist ja nicht die Hauptsache! Wichtiger scheint, wie es C.<br />
Bumiller ja getan, die jetzige letzte Gelegenheit zu benützen,<br />
um die alten aber in unserer Zeit des Radios, Fernsehens<br />
und der Flut von Dr .ckerzeugnissen unrettbar untergehenden<br />
Kniderreime und Volksüberlieferungen zu sammeln! Damit<br />
auch ein Fremder den Sinn erfaßt, wäre zu empfehlen,<br />
daß man sich in der Schreibung nicht zuweit vom Hochdeutschen<br />
entfernt.<br />
8.) bräffla bedeutet tadeln, nach dem mhd. reffen, das<br />
die gleiche Bedeutung hatte. Dieses vorgeschlagene B findet<br />
sich auch in brupf a, und in Burladingen beim „Beicht<br />
bhaira!"<br />
9.) Lange e und ö sind bekanntlich (wie im Gotischen) zu<br />
ai oder ae geworden: Schnae, Arme Saela, Rairle, haera oder<br />
haira. Daher wurde auch Rötel (Rotstift) zu Raidel, der<br />
gelegentlich auch für andere Farbstifte eintritt. Dagegen existiert<br />
noch ein anderes ähnliches Wort, das schon in alter<br />
Zeit ein echtes ei (gesprochen ai!) besaß: der Reitel =<br />
Holzprügel, Bäumchen. Dieses alte ai wurde aber konsequent<br />
zu oe bzw. oi, also R o i d e 1, der genau vom Raidel<br />
zu scheiden ist! In Ringingen gibts beim Holzmachen: Reis,<br />
Scheiter und R o i d e 1 oder Prügel (Brigel). Einst ließ man<br />
beim Abholzen einige „B a n n r e i t e 1" stehen, die aber<br />
schwerlich mit einem Rotstift (Rötel), sondern wahrscheinlich<br />
mit einem weithin sichtbaren Strohwisch bezeichnet<br />
wurden zum Bannen des betr. Waldstückes, das somit für die<br />
Viehherden verboten blieb. Hohnerlein rechnet in seinem<br />
„Deutschen Sprachschatz" Reitel zu dem Wortstamm, der<br />
drehen oder zusammenwinden bedeutet. Nach Schmid<br />
heißt man so auch das junge Holz zu Reifstangen, nicht nur<br />
junge Bäume, die beim Holzschlag als die schönsten zum<br />
Samenwurf verschont wurden.<br />
10.) Die Wagenbremse, die bei uns die Micke heißt,<br />
wird im Elsaß Mechanik genannt. Sollte ersteres nur eine<br />
zusammengezogene Form des gleichen Wortes sein? Wer<br />
kennt urkundliche Formen und wie alt sind sie?<br />
11.) Wer vom Kloster Stein am Rhein zu Straßberg<br />
ein Gut als Leibeigener bewirtschaftete, durfte nur ein Mädchen<br />
heiraten, das seine Genossin (und nicht „Ungenossin")<br />
war, also ebenfalls dem Kloster gehörte. Damit sollte verhindert<br />
werden, daß durch die kommenden Kinder das Gut<br />
dem Kloster verloren gehe. Uebertrat nun einer obiges Gebot,<br />
so mußte er zu jedem der drei Gerichtstage im Jahr<br />
eine Buße zahlen und weiterhin einen „r i s e n d e n (Geld-)<br />
Seckel" haben, bis er die Huld des Abtes erlangte. Wir<br />
kennen das Wort rieseln herabfallen. L a u b r i s bedeutete<br />
einst Laubfall im Herbst. Der Leibeigene mußte also<br />
vermutlich seinen Geldbeutel immer offen halten und weiterhin<br />
zahlen, bis der Abt zufrieden war.<br />
12.) Im gräflich zollerischen Schloß zu Buriadingen fanden<br />
sich 1512 unter anderem Hausrat auch vor: eine stürzene<br />
Laterne und eine Brunzkachel aus Sturz. Gemeint ist<br />
Eisenblech, wie Schmid zu sagen weiß.<br />
13.) Maria S c h r a y heißt eine Kapelle bei Pfullendorf,<br />
1796 noch Maria Schräg, Schraye heißt eine Flur bei Weilheim/Hechingen.<br />
Schon 1351 erwähnen die Mon. Hohenbg. Nr.<br />
492 einen Acker b y der S c h r a y. Es ist dieselbe Wortbildung,<br />
wie sie schon oben bei Nr. 5 gezeigt wurde, Remig<br />
Vollmann bringt in seinem Flurnamenbüchlein einige ähnliche<br />
Beispiele: Geschray, die Schraie, Schrei. Es war nur<br />
eine Volkslegende, wenn man bei Pfullendorf erzählte, das<br />
Marienbild der Kapelle habe im Schwedenkrieg einen<br />
Schrei ausgestoßen, der namengebend gewesen sei.<br />
In Wirklichkeit handelt es sich um iine Schräge, Geschräg,<br />
d. h. einen Weidezaun aus schrägliegenden Stangen,<br />
wie man sie im Schwarzwaid vor 3 Jahrzehnten noch vielfach<br />
finden konnte.<br />
14.) T ä d i n g e n, teidingen entstand aus tagedingen und<br />
bedeutet: einen Gerichtstag festsetzen, gerichtlich ver-<br />
An das<br />
in<br />
<strong>Postamt</strong>
64 H O H E N O L L E R I S C H E HEIMAT Jahrgang1958<br />
handeln, jemandes Sache auf dem Tag-Ding verfechten und<br />
entscheiden. Daher rührt noch unser „verteidigen"<br />
vor Gericht vertreten. Ding oder Thing ist altes Wort für<br />
Gericht.<br />
15.) Der Übersauf stellt keinen Druckfehler dar, wie<br />
ich erst meinte, sondern bezeichnet nach Schmid eine Abgabe<br />
oder Steuer von entlehntem Getreide.<br />
16.) Das Zeitstück meint eine zweijährige, zur Zucht<br />
geeignete Kalbin.<br />
17.) Den Namen Wucherrind trug in alter Zeit unser<br />
Farren oder Hagen oder Zuchtstier. Die Bezeichnung verliert<br />
ihre Merkwürdigkeit, sobald man weiß, daß Wucher von<br />
wachsen kommt und in der Grundbedeutung soviel wie<br />
Zuwachs, Fortpflanzung, Nachkommenschaft bedeutet;<br />
erst später bezeichnete man damit den Zins u. endlich<br />
bekam das Wort Wucher die böse Bedeutung von ungerechtem<br />
Zins. Das Wucherrind sorgte für Nachkommenschaft.<br />
18.) Zu dem in Stetten bei Hechingen geübten Brauch des<br />
Johannisfeuers bzw. dem Sammeln des Holzes mag angefügt<br />
werden, was Chr. v. Schmid in seinem Schwäbischen Wörterbuch<br />
1831 S. 168 aus der Gegend um Ulm berichtet. Dort<br />
Anwander I!<br />
Bärental-Papiermühle 41 i<br />
Barth Jakob 16 u. • i<br />
Beuron, Monographie<br />
I i<br />
Burg Schatzberg<br />
5! 2<br />
Burkart v. Petershausen-Abt<br />
3! 2<br />
Bürkle, Pfarrer-Heiligenzimmern<br />
6( 0<br />
Christus-Johannesgruppe<br />
41 1<br />
Denkmalspflege-Hohenz. 1957<br />
31 1<br />
Deutwang-Begräbnisstätten<br />
t 4<br />
Deutwanger Veitle<br />
2; 2<br />
Doppellaut „ei" (schwäbisch)<br />
ii 7<br />
Eichendorff-Prinz Josef<br />
i'i !<br />
Empfingen-Reichenau<br />
2! t<br />
Familiennamen 1519; Kreis Hechingen 4; 1<br />
Fastnachtsbletz<br />
1;<br />
5<br />
Feldhausen, Harthausen, Bronnen-Rittergut 4» 6<br />
Figurendiebstahl-Kalkofen ii 8<br />
Fürst Josef Friedrich-Brief 5! 9<br />
Gammertingen-Grabfunde I 1<br />
Gammertingen, Enzian l; 1<br />
Gammertingen-Hügelgräber 1 1<br />
Gammertingen-Lütkirche 3: l<br />
Gammertingen-Stiftungen<br />
i<br />
Gammertingen-Sonntagsheiligung 2J 2<br />
Geiselhart-Waisenvater 6 u. 2! 3<br />
Erzofen bei Verfolgen. Am 19. Juli 1730 wurde beim Geistl.<br />
Rat in Konstanz verhandelt: Der Fürst von Sigmaringen hat<br />
gebeten, die Feiertage für die Arbeiter im Eisenwerk (in<br />
furno aeneo) bei Veringenstadt zu reduzieren. Man<br />
beschloß: Es könne dahin dispensiert werden, daß nämlich<br />
die Arbeiter (Laboranten) die von der Gemeinde zu Veringen<br />
d o r f angenommen, nit die von der kath. Kirche und<br />
statutis synodalibus vorgeschriebenen und spezifizierten Feier-<br />
BESTELL-SCHEIX<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
Sachregister des Jahrganges 1958<br />
Gfrörer-in Eckenweiler 32<br />
Glatt-Bibliothek 64<br />
Grabhügel-links der Lauchert 20<br />
Grosselfingen Narrengericht 51<br />
Haigerloch Unterstadtkirche 54<br />
Haigerloch-Wannenmacher 32<br />
Hanfertal-Wasenried 4<br />
Hechinger Untertanenstreit ^2<br />
Heiligenzimmern-Frongeldliste 61<br />
Heiligenzimmern-Klause 61<br />
Heiding, Bischof-Dissertation 32<br />
Höfendorfer Baupflicht 46<br />
Hundertschaft 15<br />
InnerIngen-Ritter v. Rischach 14<br />
Josefslust-Wildpark 21<br />
Kindersprüche-Killertal 5<br />
Kirchenbücher-Baden v. Hermann Franz 16<br />
Kirchberg bei Haigerloch 48<br />
Klöster Oberschwabens 55<br />
Kunstdenkmäler-Buch v. Dehio 16<br />
Kunstführer-Reclam 48<br />
Leibeigenschaft, freiwillige 12 u. 48<br />
Lichtenstein-Neufra 25<br />
Maigingen bei Burladingen 9<br />
Maria, Prinzessin v. Hohenz.-Hechingen 50<br />
Mengen-Heimatbuch 64<br />
sagten die Burschen beim Sammeln einen Vers, dessen erste<br />
Zeile Schmid selber nicht verstand:<br />
Am Pfeit, am Pfeit am Gloria<br />
Giend ens au a Stuirie<br />
Zuo unsers Hergets Fuirle.<br />
Scheitle raus, Scheitle raus!<br />
Geit a guotes Glick ins Haus.<br />
Ebenso unklar ist die erste Zeile des in Ringingen vor einem<br />
Menschenalter üblich gewesenen Kinderverse um Neujahr:<br />
Hairies Tregles klepfa,<br />
Geand mr au Bonussa und Epfel!<br />
Zahlet me au bald aus,<br />
Noch ka-n-i wieder in a anaers Haus.<br />
Schmid berichtet S. 142: Der Trögel bezeichne zu seiner<br />
Zeit das Einsammeln von Eiern, Mehl und anderen<br />
Lebensmitteln, besonders in Nordschwaben zu Gunsten des<br />
Schullehrers und z. T. des Pfarrers (Hairies), und sprachlich<br />
könne es zu (zusammen-) tragen gehören, wie Kirchent<br />
r a c h t. Bloße spielerische Reimfüllsel sind nicht wahrscheinlich,<br />
wenn sie auch bei Kinderverseen nicht ausgeschlossen<br />
wären. J. Ad. Kraus<br />
Petrus, Abt v. Salem 32<br />
Rangendingen-Pfarrarchiv 13 u. 31 u. 44<br />
Rangendingen-Soldatenwerbung 32<br />
Rangendingen, Verpfändung 32<br />
Ringingen-Affenschmalzer Jahrtag 14<br />
Ringingen-Marienkapelle 10 u. 26<br />
Roß des Grafen v. Zollern 50<br />
Sage vom Hirschguiden 33<br />
Schwäbisches 62<br />
Sigmaringer Stadtrecht 30<br />
Sonntagsglocken 49<br />
Stellbürdin 15<br />
Trochtelfinger Akten 32<br />
"ro< itelfingen-Kapitels-Siegelstock 15<br />
Trochtelfingen-Kirchenschatz 48<br />
Trochtelfingen-Truchtelfingen 28<br />
Veringen-Erzofen 64<br />
v. Bubenhofen-Hettingen 47<br />
Walter Michael + 39<br />
Weithart-Wanderung 1<br />
Weller, Württbg. Geschiche 48<br />
Wessenbergbriefe-Gruol 39<br />
Wocher Georg Adam-Achberg 41<br />
Zollrisches-Archiv Reutlingen 45<br />
tage in allweg zu halten schuldig seien. Am 9. Aug. 1730<br />
wurde diese Reduktion auch für die Arbeiter in Sigmaringendorf<br />
(wohl Lauchertal!) genehmigt. (Erzb. Archiv Ha 224).<br />
Ist über diese Verhüttung des Bohnerzes bei Vertagen Näheres<br />
bekannt? Flurname?<br />
Mengen/Donau. Die Staat Mengen überraschte ihre Bürger<br />
durch ein feines Weihnachtsgeschenk. Jede Haushaltung erhielt<br />
das von Oberlehrer Dominikus Bicheler verfaßte Buch:<br />
„Mengen in Krieg und Frieden" kostenlos zugestellt. In 20jähriger<br />
Arbeit, davon 6 Jahre seit seiner Zurruhesetzung,<br />
hat Bicheler die vielen dicken Bände der handgeschriebenen<br />
Ratsprotokolle des Rathauses Mengen, die von 1594—1806<br />
fast lückenlos erhalten sind, durchgearbeitet und aus diesem<br />
reichen Material eine äußerst spannende Geschichte der Sxadt<br />
erstehen lassen. Wir erleben direkt das Leben unserer Vorfahren<br />
und ihre Kämpfe um ihre hochgeschätzte Freiheit.<br />
Waren die vorderösterreichischen Städte doch in ihrer Selbstverwaltung<br />
fast so frei und selbständig wie die freien Reichsstädte,<br />
wenigstens bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, wie<br />
auch Mengen eigene Gerichtsbarkeit, die sogar den 31utbann<br />
umfaßte, überzeugend darlegt. Die verschiedenen Strafarten<br />
und Gefängnisse zeigen uns die frühere Rechtsauffassung,<br />
aber auch die armen Lebensverhältnisse der „guten alten<br />
Zeit." Die beigegebenen Illustrationen halten verschiedene<br />
Zeiten des Stadtbildes fest. Die bisher Dekannte älteste Ansicht<br />
von Mengen aus dem Jahre 1590 nält Bichele sogar um<br />
200 Jahre älter. Sehr interessant sind die von den Archiven<br />
stammenden ältesten Siegel von Stadt und Bürgerschaft,<br />
ebenso vom hiesigen Spital und Kloster.<br />
Alte Bibliothek von Glatt. Das genaue Verzeichnis der ehemaligen<br />
theologischen Bibliothek der Pa*res von Muri in<br />
ihrer früheren Pfarrei Glatt (Hohen), liegt heute, wie H. Prälat<br />
Dr. Friedr. Stegmüller mitteilt, nebst andern Archivalien<br />
im Kantonalarchiv Aarau i. d. Schweiz.<br />
Berichtigung: S. 28 links ist statt „Auch in diesem Tal" zu<br />
setzen: „Ach, in diesem TalpE Maler Anton Frank (nicht<br />
Franz) von Tafertsweiler.