05.12.2012 Aufrufe

Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Postamt - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Hohenzollerfsche Heimat<br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S.Acker, Gammertingen<br />

Postverlagsort Gammertingen<br />

Nummer 1 Gammertingen, Januar 1958 I 8. Jahrgang<br />

2lllen VFiitavbzitzm unö liefern<br />

Rottes Sriefcen unb ©egen im 7al)t:e 1958!<br />

I. Teil Der Weithart — Eine heimatkundliche Wanderung<br />

Der Weithart und sein Name<br />

Von Pfullendorf, der alten freien Reichsstadt, bis Mengen,<br />

der geschichtlich ebenso bedeutsamen Donaustadt, gesäumt im<br />

Westen vom Andelsbach und im Osten vom Ostrachtal, lagert<br />

sich der große Weithart-Forst mit seinen dunklen Tannenwäldern<br />

breit in die Moränelandschaft des hohenzollerischen<br />

Oberlandes hinein. Ein Kranz von freundlichen großen und<br />

kleinen Dörfern, von Weilern und Gehöften windet sich um<br />

den weitgedehnten Forst. Weithin bekannte Gnadenorte: die<br />

Wallfahrtskirche Maria Schray bei Pfullendorf zur Unbefleckten<br />

Empfängnis und die Wallfahrtsstätte zur Schmerzhaften<br />

Mutter Gottes bei dem Oelberg in der Pfarrkirche zu<br />

Mengen sind ihm als hütende Vorposten vorgelagert. Die<br />

Glocken des Benediktinerinnenklosters Habsthal lassen ihr<br />

frommes Läuten in seine Einsamkeit hineinklingen, der<br />

Schöpfung den Gottesfrieden zu verkünden. Auf den Hängen<br />

des Ostrachtales mahnt ein Denkmal an die große Schlacht<br />

von 1799 zwischen österreichischen und französischen Heeren,<br />

deren Waffengeklirr und Kanonengedröhn die friedsame<br />

Ruhe dieser Landschaft einst schreckten. Hier erfüllte sich<br />

vor Jahrhunderten die Geschichte der Adelsgeschlechter von<br />

Leiterberg, Magenbuch, Ostrach und Rosenowe. Weltentrückte<br />

Eremiten haben hier einst in stillen Klausen ihr Leben Gott<br />

und der Einsamkeit geweiht. Um die Wald- und Weidfegründe<br />

gab es freilich auch Jahrhunderte lang Streit und<br />

Feindschaft unter den Menschen um Berechtigungen der verschiedensten<br />

Art. Manches Martel erzählt von Unglücksfällen,<br />

vom Tod unter stürzenden Bäumen, von Ueberfällen<br />

und Mordtaten wildernder Gesellen, ebenso wie ein Sühnekreuz<br />

auf der Ruiiinger Feldgemarkung an der Straße nach<br />

Hausen von einer sagenhaften Mordtat im Schwedenkrieg.<br />

Der Silberspiegel eines verträumten Sees ziert, ein opalisierender<br />

Smaragd, den samtgrünen Saum des Waldes. Der<br />

Weithart ist ein Reich der Einsamkeit, mit verschollenen<br />

Gründen, Steilhängen, stillen Halden, mit Flut- und Wogengefällen<br />

der Wipfel, geheimnisvoll und ehrfurchtgebietend,<br />

dem einsamen Wanderer begli' ;kende und erlösende Waidruhe<br />

spendend, mit einem Füllhorn reicher Gaben zu allen<br />

Jahreszeiten. Wer ihn liebt und von ihm mehr erlauschen<br />

will, mag ihn im folgenden einmal kreuz und quer durchstreifen,<br />

freilich in der Erkenntnis, daß ein Streifzug keine<br />

volle Durchforschung dlises großen, geheimnisvollen Waldes<br />

sein kann und auch nicht sein will<br />

Der Weithart ist nicht, wie bei der Deutung des Namens<br />

vielfach angenommen wird, der „weite" Hart. Der Name<br />

„Hart" bedeutet zunächst Wald, vielfach auch Waldweide,<br />

eine Bezeichnung, die unserem Weithart, geschichtlich gesehen,<br />

mit Recht zukommt. „Wit" oder „Weit" ist ebenso wie<br />

„Hart" die uralte Bezeichnung für Holz oder Wald. Dem<br />

Volke war diese Bedeutung des Wortes „Weit" schon nicht<br />

mehr bekannnt, als es bei der Zusammensetzung der beiden<br />

Worte zu Weit-Hart einen Wald-Wald gemacht hat. Vielleicht<br />

hat aber ;abei die Erkenntnis mitgewirkt, daß der Weithart<br />

kein Wald im landläufigen Sinne ist, sondern daß er wegen<br />

seiner ungewöhnlich großen Ausdehnung die Bezeichnung<br />

Wald-Wald mit Recht verdient.<br />

Zur Siedlung<br />

De." Weithart hat auf die Siedlung in unserer.i Gebiet bestirr) -<br />

menden Einfluß ausgeübt. Während in dem Gebiet nördlich<br />

der Donau, z. B. im Laucherttal, ein ingen-Ort sich an den<br />

andern anreiht, finden sich ingen-Orte südlich der Donau<br />

nur im breiten Tal der Abiach, dessen saftige Wiesengründe<br />

die Siedler in der alemannischen Siedlungsperiode angezogen<br />

haben: Menningen, Göggingen, Zielfingen, Rulfingen, Mengen<br />

(Magingen) und Herbertingen. Weiter südlich, im Weithartgebiet,<br />

fehlt jede ingen-Siedlung. Erst das obere Andelsbachtal<br />

weist — südlich des Weitharts — mit Denkingen wieder<br />

einen alemannischen Siedlungsort auf. An unserm großen<br />

Waldgebiet, das früher ohne Zweifel noch ausgedehnter<br />

war als es heute ist, stauten sich die Siedlungsgebiet suchenden<br />

Sippen. Sie hatten keine Lust, den großen Wald zu<br />

durchdringen. Solches Land konnte sie nicht locken. Dies um<br />

so weniger, als auch ein großes Sumpfgebiet, das arm an<br />

jagdbaren Tieren war, sich über den Süden unseres Landes<br />

ausbreitete, dessen Ueberreste überall in den Teichen, Torfmooren,<br />

Rieden, Sumpfwiesen — südlich des Weitharts das<br />

Pfrungener Ried — heute noch, wenn auch nicht mehr so<br />

stark wie in der Zeit der ersten Besiedlung zu Tage treten.<br />

Diese Gegenden um den großen Wald wurden erst später besiedelt,<br />

als die Zeit der ingen-Siedlung längst vorbei war.<br />

Es möchte lockend sein, in unserm Wald auch nach abgegangenen<br />

Siedlungen zu suchen. Doch ward diesem Suchen<br />

bis heute kein Erfolg beschieden. Nur unbestimmte Hinweise<br />

lassen vermuten, daß im nordöstlichen Weithartdistrikt links<br />

der Straße-Krauchenwies-Habsthal und rechts der Straße<br />

Mengen-Pfullendorf eine abgegangene Siedlung „Goldbach^,<br />

wohl ein Gehöft am gleichnamigen, heute nicht mehr laufenden<br />

Bächlein zu suchen ist. Vergebens sucht man auch<br />

eine Siedlung „Wernshausen", die irgendwo einst in unserem<br />

Weithart gestanden haben soll.<br />

Bodendenkmale<br />

In die mittelalterliche Besiedlungszeit weisen als interessante<br />

Zeugnisse der damaligen Hochäcker, die im Distrikt<br />

Pfaffenwald zwischen Hausen und Rulfingen und an der<br />

Straße Hausen-Krauchenwies im Zaunhölzle, einem westlichen<br />

Ausläufer des Weitharts, liegen. Die Hochäcker sind<br />

von den damaligen Siedlern durch Anhäufung des nur in<br />

einer spärlichen Schicht vorhandenen fruchtbaren Humus mit<br />

Hilfe des Pfluges zu langgestreckten Hochbeeten angelegt<br />

worden, um auf dem sonst schlechten Untergrund ein für<br />

den Ackerbau ertragfähiges, tiefgründiges Hocnbeet zu erhalten.<br />

Die Hochäcker waren mindestens 30 m, häufiger 100<br />

bis 200 m lang, 20 bis 50 jkm hoch und 8 bis 10 m breit. Meistens<br />

waren sie gleichmäßig breit, sie konnten aber auch<br />

spitzlaufend sein.<br />

Ein anderes bedeutsames Bodendenkmal weist ebenfalls in<br />

die Frühgeschichte der Besiedler. Es ist der Burgsta 'l am<br />

S a m im Zaunhölzle beim Antonsbrunnen am nördlichen<br />

Ende des Andelsbachtales auf Krauchenwieser Gemarkung.<br />

Das Zaunhölzle ist ein vom nördlichen Weithart nach Westen<br />

zwischen Hausen und Krauchenwies vorspringendes, zungenförmiges<br />

Waldstück, also ein von drei Seiten von Aeckern<br />

und Wiesenland gesäumter Waid, der als Saumwald oder in<br />

alter Schreibweise als Saunhölzle bezeichnet wird. Beim Abfall<br />

der Hochebene ins Andelsbachtal unmittelbar oberhalb<br />

des Antonbrunnens ist ein schmaler Bergvorsprung durch<br />

einen Wall und Graben von der rückwärtigen Hochebene getrennt.<br />

Der Bergvorsprung zeigt deutlich an zwei Seiten von<br />

Menscnennänden geschaffene steile Abfälle, die ein Besteigen<br />

des Berges unmöglich machen sollten. In einem Güter- und


2 H.Q'H E:N ZOLtERISCHE HEIMAT 1 ahr6'ang 1958<br />

Einkünfte-Verzeichnis der Krauchenwieser Dorfherren vom<br />

Januar ±468 ist der .tsergvorsprung als „Burgstall am Sam"<br />

bezeicnnet. bam ist ein begraster .fiatz vor Ackerland, wo<br />

Wiesen und Aecker zusammenstoßen. In dem Burgstall ist<br />

nacn der Form seiner Anlage eine Fliehbarg der früiigeschichtiichen<br />

Zeit zu sehen, die den .Bewohnern der Umgebung<br />

bei Bedrängnis durch Feinde als Zufluchtsort diente.<br />

Vermutlich hat sie auch noch im früheren Mittelalter dem<br />

gleichen Zweck gedient.<br />

Weide und Wald<br />

Der Weithart war Jahrhunderte lang gemeinsame Allmende<br />

der Städte Mengen und Pfullendorf und der Dörfer<br />

Magenbuch, Lausheim, Mottschieß, Kosna, Ruifingen, Krauchenwies,<br />

iiausen und Schwabiishausen und des Klosters<br />

Habsthal. Die mehrhundertjahrige gemeinsame Nutzung dieser<br />

gemeinsamen Mark vor allem als Weideland hatte schon<br />

•— nach Felix von Hornstein: Wald und Mensch, Waldgeschichte<br />

des Alpenvorlandes Deutschlands — in den Jahren<br />

1522, 1593, 1602 und 1622 zu Verhandlungen, Vergleichen, Rezessen<br />

und Ordnungen infolge der Verwüstungen des Waldes<br />

geführt. Besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg schien<br />

der Wald in Abgang zu kommen. Damals hatte die Verödung<br />

ein ungewöhnliches Ausmaß erreicht. Eine Eichelordnung von<br />

1521 und die wiederholte Erwähnung der Eiche in den Ratsprotokollen<br />

von Pfullendorf weisen nach, daß die Eiche, wie<br />

es einem Hart entspricht, als geschonter Mastbaum einen<br />

großen Anteil an der Bestockung des Weitharts hatte. Andererseits<br />

wissen wir aus einer Harzerordnung für die nahe<br />

Gemeinde Spöck aus dem 16. Jahrhundert und aus Rechnungen<br />

des Spitals Pfullendorf von 3 597—1598, daß damals<br />

schon im Weitnart geharzt worden ist. Das Harzen gab wiederholt<br />

Anlaß zu forstrechtlichen Streitigkeiten. 1674 harzte<br />

u. a. Sebastian Fischer, Harzer zu Hausen a. A., in den Ostracher<br />

Wäldern des Klosters Salem. 1688 beschwert sich<br />

Salem wegen des Schadens durch Harzen. 1782 beruft sich<br />

Pfullendorf auf seine alten Rechte im Weithart, nach dem<br />

Rezeß vom Jahre 1740, von dem unten die Rede sein wird,<br />

und folgert daraus das Recht des Harzens, das allerdings im<br />

Rezeß nicht genannt ist.<br />

In den letzten Jahrhunderten hat, durch die Verödung<br />

begünstigt, auch die Forche weiter zugenommen, wie ebenfalls<br />

aus Pfullendorfer Ratsprotokollen hervorgeht und wie<br />

auch aus Waldnamen wie „Fohrenstock" und „Fohrenquelle"<br />

bei Rosna zu erkennen ist; im Laufe der Zeit ist die Forche<br />

aber leider stark zurückgegangen. Erst die Anlegung von<br />

Forchen-Jungkulturen in jüngster Zeit berechtigt zu der<br />

Hoffnung, daß Forchen, auch Föhren oder Kiefern genannt,<br />

nach Jahrzehnten ihre Wipfel wieder kühn dem Sonnenlicht<br />

entgegen tragen werden. Man soll aber nicht glauben, unser<br />

großer Forst bestehe nur aus Fichten und Forchen. Da finden<br />

wir an Laubbäumen in prächtigem Wuchs Eichen, Weiß- und<br />

Rotbuchen, dazu Ahornbäumc, Aspen, Birken, Eschen und<br />

Erlen.<br />

Schon im Jahre 1521/1522 ist um das Weiderecht im Weitnart<br />

zwischen Weithartgenossen, der Stadt Pfullendorf, den<br />

Klöstern Salem und Habsthai, den Gemeinden Hausen,<br />

^rauchenwies, Ruifingen, Rosna, Schwäblishausen, Mottschieß,<br />

Leffensweiler (Levertsweiler) und Laussen (Lausheim) ein<br />

Streit entstanden, der am 2. Mai 1522 geschlichtet wurde.<br />

Am 6. Dez. Ib68 protestierten die an den Weithart angrenzenden<br />

Gemeinden gegen den Grafen von HohenzoHern-Sigmaringen<br />

wegen Schmälerung ihrer Holzrechte.<br />

Der Weithart-Rezeß 1740<br />

Der bedeutendste geschichtliche Aufschrieb über den Weithart<br />

ist der schon erwähnte Weithärt-Rezeß vom 30. Mai<br />

1740. Die Niederschrift über den Rezeß, der das Ergebnis der<br />

vom vorderösterreichischen Oberamt in Stockach mit den<br />

Weithart-Genossen geführten Verhandlungen über die „Abteilung<br />

des Waldes" lestlegt, enthält einleitend die Bemerkung,<br />

daß von gutherzigen, christlichen Leuten, M .nd zwar<br />

einer Jungfrau von Riedlingen mit Zunamen Wiidtin der<br />

Weithart zwischen Pfullendorf und Mengen mit allen Nutzbarkeiter<br />

an Weide, Trieb und Tratt, Beholzung und Ackerreich<br />

an die Städte Pfullendorf und Mengen, das Gotteshaus<br />

Habsthal und die Gemeinden Hausen, Krauchenwies, Mottschieß,<br />

Ruifingen, Lausheim, Levertsweiler, Schw' Dlishausen<br />

und Rosna vergeben wurde, Weiter wird gesagt, in diesem<br />

Wald


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 3<br />

des württembergischen Oberlandes und wie der in den Jahren<br />

1874/76 trockengelegte Egelsee auf der nahen Gemarkung<br />

Hausen ein Ueberbleibsel des abgeschmolzer.en Gletschers<br />

der Rißeiszeit, sondern eine zur Fischzucht geschaffene künstliche<br />

Anlage des Klosters Salem, dem in der Zeit der geistlichen<br />

Herrschaften bis 1803 das Ostracher Amt und in diesen<br />

neben den Dörfern Ostrach, Bachhaupten, Einhart, Eschendorf,<br />

Kalkreute, Günzenhausen, Levertsweiler, Magenbuch,<br />

Tafertsweiler, Spöck, das Sandhäusle (Junghof) auch Lausheim<br />

gehörte. Noch heute trägt das Tor zur Amtsscheuer in<br />

Lausheim das Wappen des Klosters Salem. Der Lausheimer<br />

Weiher, der von mehreren Quellbrünnlein der wasserreichen<br />

Lausheimer Gemarkung — diese liefert auch das Wasser für<br />

die Wasserversorgung der Gemeinde Hausen — überwiegend<br />

von dem aus dem Gewann „Schafteich" kommenden Bächlein<br />

gespeist wird, war ursprünglich viel größer, als er<br />

heute ist.<br />

Im heutigen Walddistrikt „Altweiherhau" lag ehemals der<br />

obere Weiher, der durch einen heute noch sichtbaren Damm<br />

vom Hauptweiher getrennt war. Bei Bernweiler lag der untere<br />

Weiher, der aber wie der obere verschwunden ist. Der Lausheimer<br />

Weiher kam bei der Auflösung des Salem'schen Amtes<br />

Ostrach, der sogenannten „Oberen Herrschaft", durch die<br />

Säkularisation 1803 in den Besitz des Fürsten von Thum<br />

und Taxis. Im Jahre 1853 ist er durch Kauf an die Familie<br />

Dreher in Magenbuch übergegangen, in deren Besitz er heute<br />

noch ist. Auch die Weihermühle, eine im Jahre 1751 vom<br />

Kloster Salem und der Familie Andelfinger in Lausheim<br />

erbaute Mahlmühle am Weiherausfluß gehörte zunächst dem<br />

Kloster Salem, dann der Thum- und Taxis'schen Herrschaft<br />

und wurde dann mit dem Weiher von Johann Georg Dreher<br />

in Magenbuch erworben. In den achtziger Jahren des vorigen<br />

Jahrhunderts ist sie stillgelegt worden. Jeder Freund<br />

der Heimat wird den Zerfall der Weihermühle, deren Bauart<br />

und charakteristisches Dach ihre ehemalige, schlichte Schönheit<br />

heute nur noch ahnen läßt, herzlich bedauern.<br />

Eine prachtvolle Zierde nicht nur des Weitharts, sondern<br />

der weiten Landschaft, ist die mächtige Weiherbuche neben<br />

der Weihermühle. Die dreihundertjährige, über 26 m hohe<br />

Buche mit 5 m Umfang und 21 m Kronendurchmesser, deren<br />

Aeste mantelartig fast bis auf den Boden reichen, ist als<br />

„eine der mächtigsten Naturerscheinungen des Oberlandes"<br />

vom Naturschutz in seine Obhut genommen. So lieblich das<br />

verträumte Gewässer des Lausheimer Weihers ist, hat es<br />

doch im Laufe der Zeiten manches Todesopfer gefordert,<br />

wie ein zu stillem Gedenken mahnendes Gedenktäfelchen am<br />

Stamm der Weiherbuche erzählt.<br />

Wer dem Dorf Lausheim selbst mit seinen stattlichen<br />

Bauernhäusern noch einen Blick gönnen will, findet dort<br />

die St. Rupertus-Kapelle als ein schlichtes, aber beachtenswertes<br />

Kunstdenkmal, das — ebenso wie die St. Michaelskapelle<br />

zu Rosna — ins 12. Jahrhundert zurückgeht.<br />

Der Antonsbrunnen<br />

Unterhalb des Dorfes Hausen liegt auf der Krauchenwieser<br />

Gemarkung im Zaunhölzle, unweit der Fliehburg, am<br />

rechten Talrand des Andelsbaehes in stiller Waldeinsamkeit<br />

der Antonsbrunnen. Ein schlichtes Denkmal leben einer aus<br />

einem Felsen sprudelnden Quelle, dessen silbrige Wässerlein<br />

in einem einfachen, der umgebenden Natur angepaßten Brunnen<br />

gefaßt war, zierte vor Jahren den liebevoll gepflegten<br />

Buchenhain; eine in Relief geschnitzte Kreuzigungsgruppe,<br />

darunter das Datum 17. Juli 1859 und 5. August 1866.<br />

Königin Carola von Sachsen hat die Gedenktafel als Andenken<br />

an die Königin Stephanie von Portugal und dci<br />

Prinzer Anton, oie beide in blühender Jugend von der<br />

kalten Hand des Todes dahingerafften Kinder des Fürsten<br />

Carl Anton von Hohenzollern, ihren fürstlichen Verwandten<br />

geschenkt. Janrzehnteiang war das Waldheim mit dem munteren<br />

Brunnen und den mächtigen Buchen eine entzückende,<br />

sorgsam gepflegte parkähnliche Anlage mit einladenden<br />

Ruhebänken, die gerne von besinnlichen Wanderern aus<br />

Krauchenwies und Kausen besucht wurde. Heute ist der<br />

Brunnen verfallen, das Denkmal verschwunden und der<br />

grüne Rasen verstruppt, und nur der dem Walduistrikt verbleibende<br />

Name Antonsbrunnen erinnert noch an das Waldkleinod<br />

vergangener Tage.<br />

Weithart-Sagen<br />

Zum tlild des Weitharts gehören die Sagen und seltsamen<br />

Geschichten, die der Volksmund von ihm aus vergangenen<br />

Zeiten erzählt. Da ist das böse Gügele-Weib" von Rulfingen,<br />

das ebenso wie: das „Weithart-Weible", eine grimmige Hexe,<br />

seit vielen Jahrhunderten in unserem Forst sein Unwesen<br />

treibt. Der „Kraner-Geist" schreckt eben wie der „Höizle-<br />

Geist" um die mitternächtige Stunde den einsamen Wanderer<br />

im tiefen Waldesdunkel. Die „Goldige Henne", ein Zaubervogel<br />

lockt geld- und goldgierige Menschen in seinen Bann,<br />

und vom „Verzauberten Nonnenkloster" wehen beglückende<br />

Gesänge und Orgelklänge durch die nächtliche Waldesstille.<br />

Der „Schwarze Hund" ist plötzlich einem nächtlichen Gefährt<br />

unheimlicher Begleiter und, so lautlos wie er gekommen,<br />

ist er wie ein Spuk wieder verschwunden. Der „Rote<br />

Hans" von Mottschieß und der „Schwarze Vere" sind geschichtliche<br />

Gestalten, die im Weithart einst als Räuber<br />

Angst und Schrecken verbreitet haben. (Siehe Hohenz. Heimat<br />

1952 Nr. 3 und 1953 Nr. 3.)<br />

Klausen rings um den Weithart<br />

Bei unserer Schau über den Weithart mögen wir in einem<br />

weiten Blick über seinen Waldsaum hinaus noch eine bemerkenswerte<br />

geschichtliche Erinnerung aufleuchten lassen.<br />

Es sind die Klausen, vor Jahrhunderten rings um den Weithart<br />

als stille Stätten religiöser Beschaulichkeit in unsere<br />

Landschaft getupft, denen hier noch ein freundliches Gedenken<br />

gewidmet sei. Da befand sich in Mengen, hart am<br />

oberen Tor, dem späteren Stift = Buchauischen Amtshof —<br />

heute Gasthof zum „Lamm" — eine etwa ums Jahr 1250<br />

gegründete Schwesternklause. In der Klause muß sich echt<br />

frommer und religiöser Geist entfaltet haben, rühmt doch<br />

Bischof Eberhard II. zu Konstanz in einem Huldschreiben<br />

vom 1. Juni 1257 „den aufrichtigen Wandel, die Andacht und<br />

das lobwürdige ehrliche Verhalten der Nonnen." Gleichzeitig<br />

schreibt er ihnen die Regel des Hl. Augustinus vor, „damit<br />

sie ihre Tage in göttlichem Dienst, in gebünrender Zucht und<br />

in Untertänigkeit gegen ihn, den Bischof, und die Kirche zu<br />

Konstanz zubringen und das himmlische Vaterland verdienen<br />

mögen." Zwei Jahre lang blühte noch das Klösterlin zu Mengen,<br />

in dem es zum Dominikaner-Frauen-Konvent ausgestaltet<br />

wurde. Der Wunsch der Klosterfrauen nach unbehelligtem,<br />

geräuschlosem Ordensleben mag Anlaß gewesen<br />

sein, daß sie sich von Pfalzgraf Hugo von Tübingen im Jahr<br />

1259 den Ort „Habisthaal - ^ den dieser und sein Haus als<br />

Oesterreichisches Feudallehen innehatten, als neue Heimatstatt<br />

zuweisen ließen.<br />

Von einem Bruder-Eremiten zu Rosna berichten die Annalen<br />

des Klosters Habsthal. Dieser Eremit, zugleich Schulmeister,<br />

Josef Neubrand aus Munderkingen, ist im Jahre<br />

1747 gestorben. Er scheint, wenn nicht der erste, so doch der<br />

letzte Eremit in Rosna gewesen zu sein. Jedenfalls fehlen<br />

weitere Aufzeichnungen über die Klausen zu Rosna.<br />

Wohl aber blieb im Raum des Weithart-Distriktes das Eremiten-Institut<br />

noch länger bestehen. So hielt beim Beinhaus<br />

auf dem Friedhof zu Pfullendorf Bruder Sebastian Kramer<br />

aus Otterswang bis 1765 die „Armenseelenwacht" Bei<br />

St. Kilian zu Bittelschieß bewohnte Bruder Simon<br />

Strang, geboren in Mengen, seine Klause noch bis 1794. während<br />

Felix Hopfer von Grünmettstetten bei Horb als Wohlfahrts-Eremit<br />

zu Maria-Schray selbst die Kriegswirren<br />

der französischen Revolution noch überlebte. Erst bei dessen<br />

Tod wurde ein Laienmesner aus Pfullendorf dort angestellt.<br />

Der Klause zu Krauchenwies, wo 1779 ein Johann<br />

Georg Geiger als Waldbruder lebte, scheint Kaiser Franz<br />

Josef II., dessen Neuerungen auch dem Kampf ge,yan das<br />

uralte Eremitentum in den österreichischen und schwäbischen<br />

Landen galten ein Enca bereitet zu haben. Der Voiksmund<br />

will wissen, daß sich die Krauchenwieser Klause an dem<br />

Waldessaum auf der Ruifinger Höhe befunden habe,<br />

dem Platz, wo später eine Ziegelei erbaut wurde. Diese Annahme<br />

mag eine gewisse Bestätigung darin finden, daß dort<br />

an der schon längst eingegangenen Köhlerstätte Mauerreste<br />

entdeckt wurden, die in ihren Fundamenten auf eine Einsiedelei<br />

mit einer Kapelle schließen lassen.<br />

Die Weithartklausen bilden, auch wenn sie längst schon<br />

der Geschichte angehören, einen immergrünen Kranz von<br />

Romantik um unserer sagenumsponnenen Weithart. In diese<br />

Erinnerung an die Klausner dürfen wir auch den liebenswürdigen<br />

Pater Benedikt Hänggi (vom Kloster Habsthal) mit<br />

seinem köstlichen Humor einbeziehen, der, 1930 gestorben,<br />

zwar kein Eremit im Sinne unseres geschichtlichen Rückblicks<br />

war, der aber sich selbst durch seine liebevolle Durchforschunf<br />

des Weitharts und sein heimatliches Schrifttum als<br />

„Waldbruder vom Weithart" ein bleibendes Denkmal gesichert<br />

hat.<br />

Der Wald in seiner Schönheit, Landschaft der Heimat, Geschichte,<br />

Volkskunde, Flora und Fauna haben sich auf unserer<br />

Wanderung durch den Weithart zi einem bunten<br />

Mosaik zusammengefügt. Aber als ein Stündchen ansprechender<br />

Heimatkunde möge sich der Streifzug durch unseren<br />

heimatlichen Forst doch gelohnt haben. Josef Mühlebach.


4 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Das Wasenried bei Hanfertal<br />

Dort, wo von der Bahnstrecke Gammertingen-Sigmaringen<br />

ein Geleise nach Sigmaringendorf abzweigt, liegt die einsame<br />

Station Hanfertal. An einem warmen Herbsttage erwartete ich<br />

den nächsten Zug zur Heimfahrt. Lange betrachtete ich die<br />

Schildkröten des tierliebenden Stationsvorstehers. Dann wanderten<br />

meine Gedanken zurück zum 27. Februar 1945. Feindliche<br />

Jagdbomber bewarfen den in Jungnau haltenden Personenzug,<br />

wobei es 25 Tote und 30 Verletzte gab. Auch der<br />

Bahnhof Hanfertal wurde bombardiert. Neben dem Bahnhof<br />

sind heute noch 2 Bombentrichter zu sehen. Zwischen dem<br />

Bahndamm und der Lauchert liegt das von vielen Reisenden<br />

nicht beachtete Wasenried, von dem ich erzählen will.<br />

Längst war das Tal der Lauchert in der Tertiärzeit gebildet.<br />

In der vorletzten Eiszeit schoben sich von den Alpen<br />

Riesengletschermassen über das Donautal nach Norden bis<br />

zur heutigen Station Hanfertal und versperrten der Lauchert,<br />

die einstens in der Richtung gegen das heutige Sigmaringen<br />

floß, den Weg zur Donau. Der Gletscher brachte ungeheure<br />

Geröllmassen mit. (Durch diese Endmoräne fährt die Landesbahn<br />

nach Sigmaringen. Immer wieder rutschen dort die Böschungen.)<br />

Als wärmeres Klima einsetzte, schmolz das<br />

Gletschereis. Das eiskalte Wasser bildete mit dem Lauchertwasser<br />

einen tiefen Kolk. Langsam nagten sich die Wassermassen<br />

durch das klüftige Kalkgestein und schufen dabei<br />

das malerische Bittelschießer Tale. Immerhin blieb ein großer<br />

See zurück, der in den vielen Jahrtausenden langsam verlandete.<br />

An der Stelle des einstigen Sees entstand das heutige<br />

Wasenried. Während der Eiszeit starb das ganze Pflanzenleben.<br />

Nach den Eiszeiten drangen von Westen her Kieinpflanzen<br />

und Bäume wieder in unsere Gegend vor. Seepflanzen<br />

belebten das Seeufer; Blütenstaub der Windblütler fiel in<br />

den jungen See und sank in die Tiefe. Der See wurde immer<br />

kleiner, es entstand ein Moor. Blütenstaub und Pflanzen, die<br />

vom Torf und Wasser zugedeckt wurden, konnten wegen<br />

Luftabschluß nicht verwesen und lagern heute noch dort.<br />

Aus dem Blütenstaub kann man die zugehörige Pflanzenart<br />

bestimmen, und von den Pflanzen läßt sich wieder auf das<br />

einstige Klima schließen.<br />

Der erfolgreiche Naturforscher Dr. Karl Bertsch untersuchte<br />

im Jahre 1926 die Schichten des Wasenriedes und vermittelte<br />

uns ein genaues Bild vom Pflanzenleben und Klima<br />

in der Nacheiszeit. (Der heute 80jährige Gelehrte hat uns<br />

erlaubt, einige seiner wichtigen Forschungsergebnisse unsern<br />

Lesern bekannt zu geben.) Dr. Bertsch führte im Abstand<br />

von je 40 Metern 4 Tiefenbohrungen durch. Hierbei stellte<br />

man zunächst fest, daß das Wasenried alle Moore Süddeutschlands<br />

an Mächtigkeit übertrifft. Unter einer Decke<br />

von 50 cm schwarzer Moorerde liegt eine 9,50 m dicke Riedtorfschicht.<br />

Dieser Riedtorf besteht hauptsächlich aus feinen<br />

Pflanzenwurzeln von Seggen, Farnen, von Moosstengelchen,<br />

Algen und Fieberklee. Bei der mikroskopischen Untersuchung<br />

des Riedtorfes fand man eine Menge Blütenstaubkörner, die<br />

interessante Aufschlüsse gaben. Die ganze Torfablagerung<br />

gliedert sich in eine Kiefernzeit, eine Haselzeit, eine Eichenzeit<br />

und eine Buchenzeit. In der untersten Schicht herrscht<br />

der Blütenstaub der Kiefer vor. Nachdem die Kiefer im<br />

Hanfertal eingetroffen war, breitete sie sich rasch aus und<br />

bildete einen aufgelockerten Wald. Auf den lichten Stellen<br />

siedelten sich bald Haselstauden an. In den Kieferpark rückten<br />

Eiche, Ulme und Linde ein. Die Haselstauden verkümmerten<br />

in diesem Mischwald. Bei 6,50 m Tiefe erscheint<br />

Tännenblütenstaub und bei 6 m der Buchenblütenstaub.<br />

Beides sind Bäume aus dem atlantischen Klima. Die Buche<br />

fand auf dem kalkhaltigen Boden guten Nährstoff und breitete<br />

sich rasch aus. Die angefügte Tabelle gibt uns die<br />

Blütenstaubfunde aus dem 1. Bohrloch in Prozenten.<br />

Dr. Bertsch untersuchte noch mehrere Riede und konnte<br />

dabei die Blütenstaubfunde mit den vorgeschichtlichen Siedlungen<br />

der Menschen vergleichen. Die jungsteinzeitliche<br />

Siedlung Riedschachen bei Schussenried stammt aus der Eiszeit.<br />

Die Einwanderung der Buche fällt an den Schluß der<br />

jüngeren Steinzeit und in die Broncezeit, wie bei der Wasserburg<br />

im Federsee festgestellt wurde.<br />

Tiefe cm<br />

Birke<br />

Kiefer<br />

Blütenstaubtafel vom 1. Bohrloch<br />

Weide<br />

Haselnuß<br />

0)<br />

•s<br />

H Ulme<br />

Linde<br />

Erle<br />

richte<br />

Tanne<br />

Buche<br />

Weißbuche<br />

Ze 1 :' d. abgezählt.Blütenstaubkörner<br />

50 8 19 1 10 7 7 3 6 39 100<br />

100 12 14 1 14 12 1 1 6 4 7 27 1 140<br />

150 7 11 5 12 15 4 7 49 100<br />

200 11 5 1 29 18 3 9 2 1 22 260<br />

250 9 18 6 8 4 7 8 40 100<br />

300 4 16 1 2 7 2 1 10 2 2 53 100<br />

350 2 19 7 5 1 2 10 13 41 100<br />

400 1 13 8 6 1 2 7 5 9 47 1 100<br />

450 2 10 9 5 1 7 6 8 1 51 100<br />

500 4 20 14 6 5 8 3 2 37 100<br />

530 3 9 6 18 3 3 9 21 9 18 33<br />

570 12 14 17 19 3 4 18 1 2 10 100<br />

600 43 1 0,3 16 4 10 24 1 0,3 0,6 300<br />

630 15 16 17 13 2 14 15 7 1 100<br />

650 11 14 27 17 2 12 9 7 1 100<br />

700 9 22 1 18 18 3 17 3 8 100<br />

750 10 9 19 24 2 25 9 2 100<br />

800 4 12 1 42 11 4 15 9 2 100<br />

850 7 36 22 5 1 11 1 17 200<br />

900 9 50 20 3 4 13 1 203<br />

950 2 76 14 0,5 3 0,5 4 176<br />

Quelle: Pollenanalytische Untersuchungen an einem Moor<br />

H rr Schwäbischen A11 Von Karl srtsch. Ravensburg.<br />

Heft r der Veröffentlichungen der S äat . Stelle iür 'Naturschutz.<br />

Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Schwenkel.<br />

Alte Begräbnisstätten in Deutwang<br />

In Deutwang werden Kanalisation und Wasserleitung gebaut.<br />

Auch die Kirche wurde an die Leitungen angeschlossen<br />

Bei den Grabarbeiten kamen viele Knochen der Begräbnisstätten<br />

des alten Kirchhofs zutage. (Der heutige Friedhof<br />

liegt auf der Höhe zwischen Deutwang und Mindersdorf.)<br />

An der Nordseite der Kirche stießen die Arbeiter in etwa<br />

50 cm Tiefe auf normale Grabiagen, die aus der letzten Zeit<br />

der Kirchhoibenützung stammen (etwa 1800- 1836).<br />

In der Ecke zwischen Chorrundung und Sakristei lagen die<br />

Knochen in 30 cm bis 100 cm Tiefe in einem Geviert von<br />

120 cm mal 120 cm. Alle Knochen waren gut erhalten, lagen<br />

aber durcheinander. Es scheint sich hier um einen Platz zu<br />

handeln, an dem sie nach Ausbettungen wieder begraben<br />

wurden.<br />

Beim Schachtbau in der Sakristei stieß man auf Grablagen,<br />

die aus der Zeit vor dem Erweiterungsbau der Kirche (1715)<br />

stammen, denn sie befinden sich unter dem Boden der Sakristei<br />

und ziehen sich z. T. unter den Fundamenten hin. Die<br />

Hohlräume der ehemaligen Särge waren in einem Ausmaß<br />

von 170 cm auf 50 cm auf 50 cm noch vollständig erhalten,<br />

samt den Skeletten, und sogar Holzreste der Särge waren zu<br />

erkennnen. Diese Bestattungen waren in einer Tiefe von 60<br />

cm bis 110 cm und mit einem seitlichen Abstand von 90 cm<br />

vorgenommen worden.<br />

Von Hauptlehrer Ströbele<br />

Weiter unten befanden sich nochmals Grablegungen (125<br />

cm), die aus weit früherer Zeit stammen müssen. Aus sämtlichen<br />

Gebissen, auch denen, die unter dem Fundament gefunden<br />

wurden, ist zu erkennen, daß die Menschen der damaligen<br />

Zeiten sehr gute Zähne hatten.<br />

Bei all diesen Funden tauchte immer wieder die Frage nach<br />

dem Zeitpunkt der letzten Bestattung auf diesem alten Kirchhof<br />

und der Eröffnung des neuen, mit Mindersdorf gemeinsamen<br />

Friedhofs auf. Niemand in den beiden Gemeinden<br />

wußte darüber Bescheid. So wandte ich mich an das Archiv<br />

in Sigmaringen und gebe nachfolgend den Inhalt des 150 Seiten<br />

umfassenden Schriftwechsels über diesen Fall wieder:<br />

Am 3. Juli 1828 wurde der Plan gefaßt, für die Pfarrgemeinde<br />

Mindersdorf, Deutwang und Sattelöse einen neuen<br />

Friedhof außerhalb der Orte anzulegen.<br />

Die Kirchhofmauer in Mindersdorf war sehr schlecht, es<br />

hätte deren Erneuerung und Instandsetzung 80 fl gekostet,<br />

die in Deutwag 6 fl. Die Neuanlage eines Friedhofs wurde<br />

auch in polizeilicher Hinsicht verlangt, weil angeblich ffer<br />

Wind Verwesungsgeruch im Dorf verbreite und so Lrankheitsgefahr<br />

bestehe. Als Platz wurde die Höhe am Vizinalweg<br />

zwischen Mindersdorf und Deutwang ausgesucht, weil<br />

hier der Boden günstig war und der Friedhof genügend weit<br />

von beiden Orten entfernt liege. Das Grundstück gehört z. T.


•Tahrgane 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 5<br />

der Pfarrei, zum andern Teil Anton Hahn von Ratzenweiler,<br />

und dessen Wert (V2 Morgen) wurde auf 60 fl geschätzt.<br />

Am 4. Juli 1829 sind die Bauarbeiten im Neilenburgischen<br />

Intelligenzblatt mit folgendem Ueberschlag ausgeschrieben:<br />

Maurerarbeiten mit Material 503 fl, Zimmerarbeit 28 fl 23 kr,<br />

Schlosserarbeit 9 fl, Planierarbeit 8 fl, insgesamt 548 fl 23 kr.<br />

Bei der Verakkordierung steigerten Mathä Lohr von Mindersdorf<br />

die Maurerarbeit, Josef König von Deutwang die<br />

Zimmer-, Fidel Riegger von Kalkofen die Schreiner-, und<br />

Karl Rebholz von Oberndorf die Schlosserarbeit zum Gesamtpreis<br />

von 497 fl.<br />

Die Bürger von Mindersdorf, Deutwang, der Sattelöse und<br />

der Eckartsmühle wehrten sich gegen den neuen Friedhof<br />

wegen zu weiter Entfernung von den Orten und weil sie<br />

z. Zt. Fronfuhren an der neuen Straße von Manlspüren nach<br />

Kalkofen zu leisten hätten. Ebenso wehrten sich der Pfarrer<br />

von Mindersdorf und Anton Hahn von Ratzenweiler gegen<br />

die Abgabe des Grundstückes. So geschah vorläufig gar<br />

nichts, um den Platz als Begräbnisstätte einzurichten. Erst<br />

auf eine ernstliche Erinnerung des Oberamts Wald vom 12. 9.<br />

1834 kam die Sache wieder in Gang, nachdem die Rekursbeschwerde<br />

der betreffenden Gemeinden von der Landesregierung<br />

abgewiesen wurde. Am 15 9. 1835 wurde Maurermeister<br />

Georg Keller von Mindersdorf unter Androhung<br />

einer empfindlichen Strafe aufgefordert, sofort mit dem Bau<br />

der Mauer zu beginnen. Nachdem er keine Vorbereitungen<br />

traf anzufangen (Maurermeister Mathä Lohr war gestorben),<br />

wurde er nach einer Frist von drei Tagen mit 1 fl 30 kr und<br />

nach weiteren drei Tagen mit einer Strafe von 10 fl täglich<br />

belegt. Die Pfarrgemeinde legte erneut Rekursbeschwerde<br />

ein und bat um nochmalige Besichtigung der alten Friedhöfe,<br />

was aber sofort abgewiesen wurde. Das Oberamt Wald verlangte<br />

nun energisch, daß der neue Friedhof bis 15. 11. 1835<br />

fertig sein mußte. Nachdem begonnen werden sollte, stellte<br />

sich heraus, daß die Pläne nicht mehr auffindbar waren.<br />

Maurermeister Georg Keller von Mindersdorf begann nun<br />

seine Arbeit ohne Plan, doch nach kurzer Zeit wurde er wegen<br />

Körperverletzung eingesperrt. Die Gemeinde bat deshalb um<br />

Zurückstellung des Termins bis Frühjahr 1836. In diesem<br />

Jahr wurde der Friedhof fertig und am 10. 11. 1836 war die<br />

Bauübernahme.<br />

Aus: Neuverz. Akten II 3252<br />

Staatliches Archiv, Sigmaringen.<br />

In einer Unterhaltungssache betr. der alten Friedhofmauer<br />

zu Deutwang wird der alte Friedhof daselbst als ein mit<br />

Gras überwachsener Platz angegeben (1854). Die Mauer war<br />

sehr schadhaft, und es wurde vorgeschlagen, sie abzureißen,<br />

einen Hang aus Erde zu machen und ebenfalls mit Gras einzusäen.<br />

Ich nehme an, daß diese Arbeiten durchgeführt<br />

wurden, da kein Schriftwechsel mehr darüber stattfand.<br />

Aus: Neuverz. Akten II 15400<br />

Staatliches Archiv, Sigmaringen<br />

Erwähnt sei noch, daß auf den alten Friedhöfen zu Deutwang<br />

und Mindersdörf jede Familie ihren eigenen Begräbnisplatz<br />

hatte.<br />

Die Funde des ersten ßerichtteils<br />

sind durch Farbdias belegt.<br />

Kinderstubenpoesie aus dem Killertal<br />

„Babelai!" Hau-n-i ällamol zua meira Ahna g'sait, winn i<br />

mein Budel leer g'het hau. No hot sie mi uff da Schauß<br />

g'numma und uff's Knub g'setzt und hot g'sunga:<br />

Reita, reita Rößle, z'Killer stoht a Schlößle,<br />

z'Beura stoht a Käpalle, d' Buaba traget Schäppalle,<br />

d'Mädle traget Moile, d' Heale leget Oile,<br />

die alta Weiber neahmets aus<br />

und bachet am Biable a Dötschle draus!<br />

Und wenn des vrbei g'sai ischt, no hot sie mit mir und mit<br />

da andera uff-m Boda rum da(n)zet und hot g'sunga:<br />

Ringa, ringa Dala, d'Knöpfle sind verfahra,<br />

s'Kraut ischt verbrinnt, d'Pfann hot a Loch,<br />

du bischt a wiaschter Koch!<br />

Hutsch-hutscn-hutsch-hutsch!<br />

Jungingen, Pfarrkirche. Geburt Christi<br />

Casimir B u m i 11 e r, Jungingen<br />

Uff Hutsch hot miassa älis uff da Boda huttera und uff da<br />

Zaiha im Ring rum jucka! Und winn uas da Kopf an d'Tischkanta<br />

na g'staußa hot, no ischt sie schniall kumma, hot mit<br />

der Hand am „Burra" rum g'rieoa und hot g'sait:<br />

Heila, heila Sega, drei Dag Rega,<br />

drei Dag Sunnaschei, no duats am Biable nimme waih!<br />

No ischt ma wieder maschiert und hot g'sunga (wia ma's<br />

heit au no machet):<br />

Rumpete bumb, der Kaiser kunnt<br />

mit a-ra Hiad Soldata,<br />

oder: Rumpete bumb vuar s'Kiafers Haus,<br />

Kiafer laß dei Marie raus,<br />

ischt se schö(n), no g'hairt sie mei,<br />

ischt se wüescht, no g'hairt se dei!<br />

Und so ischt es fott ganga:<br />

Kimetfiager kreidaweiß, hoscht a Säckle volla Läus!<br />

Oder: Miar stände uff-am Trippele,<br />

s'frut-a-n-is, das mr zittere,<br />

s'zittcre wut miar schau vergau,<br />

winn i amol an Batza hau!<br />

Hot ma wieder a Weile g'nuag g'hett vu dianna Sprichle, no<br />

hot d'Ahna wieder a Rätsle verzehlt vu siallem Buaba, mo<br />

hot wella da Guascht fanga in der Glockastub und ischt vum<br />

Messmer ei'gschlossa wuara no-m Biatläuta:<br />

Gung gang, Zusann, z' Killer mueß e blaiba<br />

und älle Wiatter vertreiba!<br />

Und mo dr Bua ei-g'schlossa g'sei ischt im Dürrn, no not-r<br />

so lang Daudaköpf an d'Tür na g'warfa, bis der Messmer<br />

kumma ischt und hot-a wieder raus glau.<br />

No. hot ma wieder a Weile zuam Fiaschter naus gucket und<br />

hot d' Leit b'refflet, mo do im Scnnai vorbei g'loffa sind.<br />

B'riaffla oder b'reffla kunnt vo Riaff, g'nau g'numma vo<br />

Zah(n)riaff, ma duat also a-jabbes-na^schwätza. Ma ka<br />

Jungingen, Pfarrkirche. Anbetung der Könige


6 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1958<br />

niamet laufa lau, a-m-a jeda waßt ma jabbes!<br />

Und no ischt es wieder weiter ganga:<br />

Lausbua, schla s'Haus zua, schla's nomol zua,<br />

no bischt a riachter Lausbua!<br />

Aber d'Ahna hott äll wieder vur si na g'setzt und hot vo da<br />

Schweda verzehlt und vu da Franzosa und Rueßa und wia<br />

ma vuar dreihundert Johra am Speidelvogt sei zweite Frau,<br />

Anna Künzlerin vu Ringinga als Hex uff-m Scheiterhaufe<br />

verbrinnt hot.<br />

Und vu da Franzosa wut diar Spruch komma, mo ma<br />

Sllamol singt:<br />

Katza-katza Pflotschga, Schlai-olee! Viavt Trompeto!<br />

raprosch do, Kompagno, walle-walle geto, Trulutschu!<br />

Des will saga: Bei euch ischt no Dreck und Pfloder, komm<br />

doch her zu uns, Kamerad, lauf, schnell, Trulutsche! Komm<br />

in die französische Armee.<br />

A Trulutsche ischt a Tralewatsch oder a Elladera oder eba<br />

a Depp. Aber wia ischt es no in deam Sprichle:<br />

Da vanna Floisch, da hinna Floisch, da mittle Holz u. Eise,<br />

dr niabet hiar a Trallewatsch, dear duat da Wiag beweisa!<br />

(Pflug und Minetreiber.)<br />

Mo moat, s'sei bärig g'sei, mo ma dia Sprüch und Liadle<br />

ällweil no g'sunga hot, aber dia junge Leit wisset jo nunz<br />

mai. Mei Ahna hot verzehlt, vuar hundert Johra häb ma um<br />

an Luab Braut an ganze Acker hau kinna, was au wohr<br />

ischt. Siallmol sind aus dem enga Killerdäle vill-mit-em-a<br />

Zweiräder uff da Handel ganga in Schwazwald, ins Oberland<br />

und über da Rhei numm. Und dohiar wut au diar Spruch<br />

kumma:<br />

D'Schlattemer Narra fiahret da Karra<br />

biarg uff und biarg a ins Katzaloch na!<br />

Sie fanget drei Mäus, sie brotets im Kessel,<br />

sie jassats mit-m Löffel,<br />

sie muanet s'sei Speck, s'ischt lauter Hundsdreck!<br />

Ischt no der Santiclos kumma oder s'Chrischtkindle, no hot<br />

es g'huaßa:<br />

S'Hairles Trögles Klopfer bringt mr Nussa und Epfel!<br />

Der Klopfer ischt wahrscheinlich der Sack g'sei, mo dia<br />

Nussa und Epfel aus-m Hairle seim Hutzlatrog nei kumma<br />

sind.<br />

Und winn ma wann g'froget hot: „Liabscht au no?", no<br />

hot er könna saga:<br />

Morum solle dinn nimme liaba?<br />

Mei Vatter ischt a Wiaber,<br />

mei Muater ischt a Kuchefrau!<br />

Winn se becht, no geit sie mir au<br />

a gleis Stickle Kuacha!<br />

Du kascht da Mausdreck suacha!<br />

O, des ischt schlimm:<br />

Kätter, Schnetter, Hinnabua(n)<br />

trait da Dreck im Himmet hua,<br />

trait-a bis ge(n) Dalha, z'Dahla lott si-ihn mahla.<br />

Und manchmol ischt reacht schlimm:<br />

Ginkes, Gankes, Gosfuoß, d'Güs laufet barfuoß,<br />

Schüehle hand se kuane, macha land se kuane,<br />

s'fellt a Klotz vum Himmel ra, schlecht der Gus daKraga a!<br />

Mo ischt au des Köpfle? S'Wässerle hots g'numma!<br />

Mo ischt des Wässerle? S'Kuehle hots g'soffa!<br />

Mo ischt au des Kuehle? S'Metzgerle hots g'stocha!<br />

Mo ischt au des Metzgerle? Weit, weit verd'loffa!<br />

Hot äll sei Giald versoffa, bis uff-n Groscha!<br />

und traurig:<br />

Dr Lipp, der Lipp hot d'Hosa g'flickt<br />

in Neckaburg am Ruile.<br />

Ear hot so dinne Hosa a, ma sieht-m älle Buile!<br />

aber:<br />

Hui gang i it, do blei i it,<br />

meira Muater reib i d'Grumbira it,<br />

winn si-s will g'rieba hau, soll si an Reiber hau!<br />

Und am allerschlimmsten:<br />

Dr Oberamtsrichter hot a Gois g'stohla<br />

uff-m nigelnagelnuia Wiag,<br />

hot si mialka wölla, hot si naus g'schlaga,<br />

wett au wissa, was er mit-r dät!<br />

Und am schlimmsten sind diese:<br />

Ausa Hansjörg hat a Aergele,<br />

winn ma rum treibt, no hiichts,<br />

wiar hot au ausem Hansjörg sei Aergerle so g'richt!<br />

Des „hiicht" oder „es hot g'hea(n) wird si wahrscheinlich uff<br />

„Horn" schwäbisch Heannle" d. h. eine Trompete z'ruckfiahra<br />

lau. — Waßt uar mai?<br />

Thomas Geiselhart, der Waisenvater von Hohenzollern<br />

IL Teil von Franz D o r<br />

Wohl kein Seelsorger im Hohenzoller-Lande hat sich in<br />

der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so zahlreiche Verdienste<br />

auf 1em Gebiet der Charitas erworben wie Geistl. Rat<br />

Thomas Geiseihart. Sein Warne hatte einen vorzüglichen<br />

Klang weit UDer die Grenzen des kleinen Landes hinaus. Mit<br />

inniger Dankbarkeit und hohe*- Verehrung nennen ihn heute<br />

noch Tausende ihren geistigen Vater, ihren großer Wohltäter.<br />

Thomas Geiseihart war am "7. Februar 1811 in Steinhilben,<br />

einem Filial der Pfarrei Trochtelfingen auf der Alb, geboren.<br />

Er war das zweite Kind von sechs Kindern armer Taglöhnersleute,<br />

Josef Geiselhart und Theresia geb. Volk. Die Mutter<br />

war Hebamme und Krankenpflegerin. In der Schule war<br />

Thomas einer der begabtesten Schüler, zu Hause mußte er<br />

frühzeitig tüchtig arbeiten. Seine größte Freude war das Lesen<br />

von Büchern, die er im Dorfe auftreiben konnte, in seiner<br />

jungen Seele trug er len Wunsch, studieren zu dürfen.<br />

Eine entscheidende Wendung seines Lebens kam anläßlich<br />

einer Primiz im nahen Wilsingen. Dieselbe wurde im Freien<br />

gehalten. Thoma , der eben 3V2 Jahre alt geworden war,<br />

kniete während der hl. Wandlung abseits und betete innig<br />

zu Gott, er möge ihn „Hairle" werden lassen. Das war im<br />

Jahre 1824. Das Gebet des Knaben fand Erhörung. Die Mutter<br />

schickte ihn mit einem Stumpen Büchelen (Früchte der<br />

Buchen) zum Kaplan Itta nach Trochtelfingen, er solle diese<br />

Gabe ihm bringen und zugleich bitten um Unterricht im Latein.<br />

Der Kaplan war schon 60 Jahre alt, nahm den Knaben<br />

gütig auf und gab ihm nun wöchentlich zwei Lateinstunden.<br />

Im Frühjahr 1825 kam Itta nach Horheim bei Stühlingen, er<br />

nahm den liebgewordenen Thomas um ein geringes mit sich.<br />

An Maria Geburt 1825 ging unser Lateinschüier nach Konstanz,<br />

um dort Aufnahme am Lyzeum zu finden.<br />

Der Stellvertreter des Lyzeumdirektors erklärte dem<br />

schüchternen Knaben rundweg, man nehme Keine ar^'.en<br />

Studenten mehr auf. Thomas mußte nun gute L^ute aufsuchen,<br />

die ihm sogenannte Kosttage versprachen; fas* überall<br />

wurde er abgewiesen nur einige wohltätige Familien der<br />

alten Bischofsstadt stellten ihm solche Tage ; n Aussicht, wenn<br />

er zu Anfang des Winters die Aufnahmeprüfung bestanden<br />

habe. Nur probeweise fand er Aufnahme in die zweite Klasse;<br />

in der ersten Zeit war er der letzte in seiner Abteilung, doch<br />

am Schlüsse des Schuljahres glänzte er bereits unter den ersten<br />

Schülern. Er durfte darum von Hause aus noch ein Jahr<br />

nach Konstanz. Um den Jahreszins von sechs Gulden mietete<br />

er sich bei einer 7 4i ährigen Frau ein Kämmerlein ohne Ofen,<br />

er hatte nur drei Kosttage, an vier Wochentagen kaufte er<br />

Thomas Geiselhart, der Waisenvater von Hohenzollern


Jahrgang lOSfl H O H E N Z O L L E HI S C H E HEIMAT 7<br />

sich für einen Kreuzer Schwarzbrot, er litt bei seinem Wuchs<br />

solchen Hunger, daß er in der Rheinmühle manchmal Brot<br />

bettelte.<br />

In dieser schweren Not kam dem jungen Lyzeisten Hilfe<br />

von Hermann von Vicari, dem nachmaligen Erzbischof von<br />

Freiburg. Dieser war durch einen Mitschüler auf Geiselhart<br />

aufmerksam gemacht worden, er lud den mageren und bleichen<br />

Studenten ein, jeden Morgen, Mittag und Abend, wo er<br />

nichts zu essen habe, an seinen Tisch zu kommen. Die Tage<br />

der Freude für Thomas dauerten nicht lange. Hermann von<br />

Vicari kam als Domdekan nach Freiburg, doch sorgte er noch<br />

in reichlicher Weise für den armen Lyzeisten, verschaffte<br />

ihm zwei Kosttage im Kloster Zofingen und einen im Münsterpfarrhaus.<br />

Schon im Herbst 1832 hatte Geiselhart seine Studien in<br />

Konstanz abgeschlossen. Leider waren die Jahre an der<br />

Mittelschule für seinen Glauben von Unheil gewesen, der<br />

Wessenbergianismus hatte seinen Höhepunkt erreicht, der<br />

Einfluß rationalistischer Professoren war an ihm stark bemerkbar.<br />

Als es sich bei unserem Geiselhart um den Beruf<br />

zur Theologie handelte, erklärte er der erschrockenen Mutter:<br />

„Ich kann und mag nicht mehr glauben; heucheln will<br />

ich aber auch nicht". Die Mutter wiederholte oft: „Andere<br />

können doch auch glauben, bete doch um die Gnade des<br />

Glaubens".<br />

Schließlich wandte er sich zur Theologie, mehr der Mutter<br />

zuliebe als aus eigenem Antrieb.<br />

Welches Glück wäre es gewesen, wenn der Kandidat der<br />

Theologie nun zu Professoren gekommen wäre, die ihm Führer<br />

und Berater durch das akademische Leben gewesen<br />

wären; allein die theologische Fakultät zu Freiburg war auf<br />

einen Tiefstand gesunken, von dem wir uns heute kaum eine<br />

Vorstellung machen können. Weder die Theologie jener Professoren<br />

Reichlin-Meldegg, Schreiber, Amann, noch sonstige<br />

Wissenschaft brachte unserem Theologen Freude an seinem<br />

Beruf, dies tat nur die Gnade Gottes und die Güte des Weihbischofs<br />

von Vicari. Die Prüfungen am Ende der drei Jahre<br />

brachten Geiselhart kein günstiges Resultat, er konnte nicht<br />

ins Priesterseminar eintreten. Weihbischof von Vicari versprach<br />

ihm 150 Gulden, mit der Bedingung, daß er nach<br />

Tübingen gehe und dort Vorlesungen bei Hirscher und anderen<br />

berühmten Professoren höre.<br />

Im Herbst 1836 bestand er dann die Prüfung mit Erfolg,<br />

kam ins Priesterseminar und erhielt am 9. September 1837<br />

mit 40 Mitalumnen die hl. Priesterweihe. Sofort machte der<br />

Neupriester eine Reise durch die Schweiz bis nach Italien<br />

als Begleiter seines Freundes und Wohltäters Hermann von<br />

Vicari. Nach der Rückkehr feierte er am Kirchweihsonntag<br />

1837, am Namenstage seiner Mutter, sein erstes hl. Meßopfer<br />

im Freien.<br />

Habstal<br />

Weihbischof Hermann von Vicari hatte unserem Neupriester<br />

verraten, Geistl. Rat Engel in Veringendorf wünsche ihn<br />

als Vikar, Geiselhart bat aber dringend, den Wunsch nicht<br />

zu erfüllen, es sei ihm dort „zu nobel", er wolle lieber unter<br />

armen Leuten tätig sein. So kam er denn 1837 zunächst auf<br />

zwei Wochen nach Dettingen am Neckar, dann 8 Wochen<br />

nach Fischingen, wo die Leute sehr arm waren, und in der<br />

Gemeinde nicht einmal ein Armenfond vorhanden war. Der<br />

junge Vikar gründete einen, derselbe besteht heute noch<br />

(1916). Nach kurzer Wirksamkeit mußte Geiselhart im Januar<br />

1838 eine neue Stelle in Gruol antreten. Hier hatte er neben<br />

Seelsorgsarbeiten auch den Unterricht in der Volksschule,<br />

und zwar in der Oberklasse mit 74 Kindern zu geben; ebenso<br />

durfte er noch das Dominikanerinnenkloster Kirchberg pastorieren.<br />

Nach Umlauf eines tüchtigen Arbeitsjahres erhielt<br />

Geiselhart seine Versetzung nach Empfingen zu Pfarrer<br />

Sprißler. Zwei Schulen, viele Kranke und Arme, dazu noch<br />

die Pfarrei Fischingen mit ihrem kranken Pfarrherrn beschäftigten<br />

ihn vollauf, besonders da sein Prinzipal vom<br />

Passionssonntag bis Dreifaltigkeitsfest als Abgeordneter nach<br />

Sigmaringen ging.<br />

Eines Tages starb eine arme Witwe und hinterließ ein<br />

Mädchen, das, ohne alle Verwandte, nun hilflos in der Welt<br />

stand. Niemand kümmerte sich um das verlassene Kind —<br />

als der selbst arme Vikar. Beim Begräbnis der Mutter nahm<br />

er die Waise an seine Hand, stellte sie an das offene Grab<br />

und frug in eindringlicher Rede, ob niemand da wäre, der<br />

sich des armen Kindes annehmen wollte um Gottes und<br />

Christi willen. Gleich darauf meldete sich bei dem mutvollen<br />

Vikar eine Dienstmagd und bot sich an, von ihrem Lohn<br />

jährlich dreißig Gulden für Unterbringung des Mädchens in<br />

einer württembergischen Waisenanstalt zu erlegen. Dieses<br />

unendlich große Opfer einer armen Magd machte den tiefsten<br />

Eindruck auf den überraschten Priester. „Wenn soviel<br />

ein armseliges Weib vermag, was wirst du tun können?"<br />

rief er sich zu und beschloß alsbald, alle Kräfte einzusetzen,<br />

das harte Los der Waisenkinder in den hohenzollerischen<br />

Landen zu erleichtern.<br />

Im Herbst 1840 wurde Geiselhart von der Kirchenbehörde<br />

zum Verweser der Kaplanei St. Anna in Haigerloch befördert.<br />

Im Nebenamte war er Leiter einer sogenannten Präzeptoratsschule,<br />

in der er 16 Knaben aus der Umgegend für<br />

die Mittelschulen vorbereitete.<br />

Während des Winters 1841/42 ließ sich der unermüdliche<br />

Seelenhirte noch überreden, an Sonn- und Festtagen in dem<br />

2V2 Stunden entfernten Fischingen Gottesdienst und Christenlehre<br />

zu halten. Im Oktober 1842 kam er auf ein Jahr<br />

als Pfarrverweser nach Stetten bei Haigerloch und dann am<br />

13. Oktober 1843 nach Rulfingen, wo er aber nur 3 Monate<br />

bleiben durfte. Durch drei Unternehmungen erwarb er sich


8<br />

das Vertrauen der Gemeinde: er vermehrte durch eine<br />

Sammlung den überaus kleinen Armenfond, stiftete eine<br />

Bruderschaft für die Jungfrauen, die heute noch besteht, und<br />

brachte einen Unfug aus der Gemeinde hinaus, der fast unzerstörbar<br />

schien. Jeweils in der Neujahrsnacht wurde wie<br />

an anderen Orten auch in Ruifingen kräftig von den Burschen<br />

geschossen. Nun versammelte Geiselhart einigemale<br />

im Dezember die heranwachsende männliche Jugend, um<br />

andere Vorbereitungen zu treffen für den Schluß des Jahres.<br />

Auf dem nanen, sogenannten Gügeleberg sollte die Feier<br />

stattfinden: Ein großes Transparent wurde hergesteilt, auf<br />

der Vorderseite las man die Inschrift: „Gott segne das Jahr<br />

1844", hinten standen die Worte: „Gott sei Dank für das Jahr<br />

1843". Der Sylvesterabend kam; ein stattlicher Zug bewegte<br />

sich durch die lange Dorfstraße dem Berge zu. Voran marschierte<br />

die Musik, dann der angesehenste Bursche mit dem<br />

großen Transparent, hinter ihm Lampionsträger. Auf der<br />

Anhöhe angekommen, zündete man einen schon hergerichteten<br />

Haufen Stroh an. Weit hinaus glänzte die Inschrift<br />

auf dem Transparent, dann stimmten alle das „Großer Gott,<br />

wir loben dich" an, die Burschen kehrten zurück in die<br />

Wirtschaften; geschossen wurde in jener Nacht von niemanden.<br />

mit Ausnahme von einem Sigmaringer, und der mußte<br />

es mit einer Tracht Prügel büßen.<br />

Zu Fuß, wie er gekommen, zog Geiselhart am 10. Januar<br />

1844 wieder hinaus zu Ruifingen und wanderte nach Veringenstadt,<br />

wo ihn der Gemeinderat im Oktober zum Pfarrer<br />

präsentierte. Dort hat er vom 13. Januar 1844 bis zum 20.<br />

Dezember 1850 gewirkt. „Veringenstadt ist eingeklemmt zwischen<br />

die rauhen Berge und kahlen Felsen des Laucherttales.<br />

Es ist ein Städtlein mit alten Häusern und winkeligen Gassen.<br />

Hart und rauh wie ihre Berge und Felder ist auch der<br />

Charakter der Leute." So beschrieo Geiselhart ehemals selbst<br />

dieses sein Feld der Seelsorge. Er fand keine besondere<br />

Empfänglichkeit für seine Hingebung an den Priesterberuf.<br />

Eine Hauptschuld trugen die Feindseligkeiten, die in der<br />

Pfarrei herrschten. Zwei Jahre lang hatte Geiselhart auch<br />

noch das Amt eines provisorischen Schulkommissärs: 34<br />

Schulen der Aemter Trochtelfingen, Gammertingen und<br />

Straßberg waren ihm unterstellt. Fleißig, vielleicht übereifrig,<br />

wohl auch zu streng und scharf hat Geiselhart in<br />

Veringenstadt gearbeitet. Die sechs Jahre, die er daselbst<br />

verlebte, nannte er selbst „die Winterperiode seines Priesterlebens."<br />

Die Wallfahrt von Maria Dillstetten oder Deutstetten<br />

hatte er in jenen Jahren wieder neu belebt. Eine<br />

große Freude erlebte er im Herbst 1848 Ganz unerwartet<br />

kam Erzbischof Hermann von Vicari mit seinem Neffen<br />

Finnneisen zu ihm auf Besuch. Zweimal blieb der liebenswürdige<br />

Oberhirte bei dem eifrigen Seelsorger über Nacht.<br />

Eine Fülle von Widerwärtigkeiten und Unannehmlichkeiten<br />

brachte ihm das Revolutionsjahr 1848, denn der Geist des<br />

Aufruhrs spukte auch in Veringenstadt. Zu diesen Wirren<br />

kam noch ein schweres Brandunglück. Am 22. August 1848<br />

fing es im Städtchen während eines furchtbaren Weststurmes<br />

zu brennen an, 33 Gebäude wurden eingeäschert, 37<br />

Famiiien sahen sich obdachlos. Geiselhart half arbeiten und<br />

tröstete und begann um 4 Uhr, das Pfarrhaus zu räumen,<br />

nachdem auch das letzte Haus, welches die Unglücklichen<br />

aufgenommen hatte, prasselnd zusammenstürzte. Erst nach<br />

einigen Wochen, als alle übrigen Obdachlosen mit dem Notwendigsten<br />

versehen waren, dachte Geiselhart an seine<br />

Person und bezog eine Wohnung bei einem Landwirt. Ende<br />

1848 überschwemmte die Lauchert das ganze Tal, so daß in<br />

Veringenstadt 39 Pferde und Rinder umkamen. In diesen<br />

Tagen der Heimsuchung fanden die Bewohner die meiste<br />

Hilfe und den besten Rat bei ihrem Seelenhirten.<br />

Seine Erholung suchte Geiselhart am liebsten bei dem<br />

Geistlichen Rat Engel im nahen Veringendorf. Von diesem<br />

Herrn lernte unser Priester den Rosenkranz liebgewinnen,<br />

von ihm erhielt er auch das erste Brevier, denn von beiden<br />

Gebetsarten hatten die Theologen während der dreißiger<br />

Jahre weder an der Universität noch im Seminar weder eine<br />

Erklärung noch eine Anleitung empfangen.<br />

Als im Herbste des Jahres 1847 Erzbischof Hermann von<br />

Vicari die Priester zum Besuch der Exerzitien nach St. Peter<br />

im Schwarzwald einlud, folgte auch Geiselhart dem Rufe,<br />

nachdem er jetzt bereits zehn Priesterjahre verlebt hatte.<br />

Nach „Freiheit" hatte im Jahre 1848 alles gerufen, nur der<br />

Kirche sollte keine Freiheit werden, auch im Hohenzollerischen<br />

nicht. Zur Aufklarung in der aligemeinen Zeit der<br />

Gärung gründete Geiselhart mit Fr. Jos. Marmon aus Haigerloch<br />

und Pfarrer Silvester Miller in Gruol die Zeitung<br />

„Der Volksfreund" als Gegenstück zum liberalen „Erzähler",<br />

die zweimal in der Woche erschienen Geiselhart zeichnete<br />

als Schriftleiter. Wie die Liberalen, so hielten auch Geiselhart<br />

HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

und Miller an verschiedenen Orten Hohenzollerns Volksversammlungen<br />

und gründeten Piusvereine, wie es die erste<br />

Generalversammlung der katholischen Vereine in Mainz<br />

empfohlen hatte. In ihren Reden forderten sie einen Rechtsstaat<br />

und keinen Polizeistaat und Freiheit für das Wirken<br />

der Kirche. Dieses mutvolle Vorgehen trug den beiden Herren<br />

eine Vorladung zum Fürsten Karl Anton in Sigmaringen<br />

ein. Der Fürst sagte alsbald mit dürren Worten heraus:<br />

Miller und Geiselhart hätten seiner Regierung und Familie<br />

mehr geschadet als die „Roten", denn sie als Geistliche fänden<br />

Glauben und Anhänglichkeit beim Volke. Geiselhart<br />

hatte für die Unabhängigkeit der Kirche und für freie Bewegung<br />

im Staate gesprocher und unter anderem gesagt:<br />

Die Pfarrei Benzingen sei nicht gestiftet, um den Fürsten<br />

eine Kindsmagd zu halten. Zur näheren Erklärung von dem<br />

Fürsten aufgefordert, erklärte Geiselhart: Ich habe vorgetragen:<br />

der Instruktor des Erbprinzen beziehe 1000 Gulden<br />

jährlich von der Pfarrei Benzingen, diese Pfarrei sei aber<br />

sicher nicht gestiftet, dem Fürsten einen Instruktor zu bezahlen.<br />

Der Fürst erwiderte: „Der Instruktor ist Pfarrer in<br />

Benzingen gewesen. Die 1000 Gulden machen seine Pension<br />

aus. Ich bezahle ihm aber selbst noch 100 Gulden."<br />

Geiselhart ergänzte: „Ja, Durchlaucht, ich weiß aber ganz<br />

genau, wie man das Ordinariat in Freiburg dazu gebracht<br />

hat, dem Pfarrer von Benzingen Pension und Absenz zu<br />

gewähren. Herr von N. und ein anderer Regierungsrat haben<br />

an das Ordinariat berichtet, wenn die Pension nicht gewährt<br />

werde, so sei zu befürchten, daß der katholische Fürst seinem<br />

Sohn einen protestantischen Instruktor gebe! Das habe ich<br />

verschwiegen, weil es die fürstliche Familie in üblen Ruf<br />

gebracht hätte.,,<br />

Nach einigem Hin- und Herreden war die Audienz zu<br />

Ende. Der mutvolle Priester blieb aber von da ab 20 Jahre<br />

in Ungnade. Im Jahre 1850 am 20. Dezember verließ Geiselhart<br />

seine Stelle in Veringenstadt und zog nach Sigmaringen.<br />

Damit begann ein Wendepunkt in seinem Leben, denn von<br />

nun an war er nicht mehr der Pfarrer einer einztien Gemeinde,<br />

sondern der große Waisenvater für ganz Hoheiizollern.<br />

Warum aber zog er nach Sigmaringen? Der tiefste<br />

Grund war dieser: Geiselhart hatte das Gelübde gemacht,<br />

für arme Studenten und Hohenzollerns Waisen zu tun, was<br />

nur in seinen Kräften stand. Diesen Doppelplan konnte er<br />

aber draußen auf seiner Landpfarrei nicht ausführen, daher<br />

legte er ein Bittgesuch dem ErzDischof vor, auf seine Pfarrei<br />

verzichten zu dürfen. Der Oberhirte genehmigte das Gesuch;<br />

Geiselhart erhielt gleichzeitig die Anweisung, in Figmaringen<br />

für den abwesenden Hofkaplan und Nachprediger Feßler<br />

Aushilfe zu leisten. Aisbald mußte er von Sigmaringe, i aus<br />

auch die Pastoration in Schmeien übernehmen. Mit Hilfe der<br />

barmherzigen Schwestern im Landesspital errichtete er schon<br />

am Neujahr 1851 eine Privatmädchenschule, die von zwei<br />

barmherzigen Schwestern besorgt wurde. So hatte er jetzt<br />

schon etwas erreicht, was er in Veringenstadt umsonst angestrebt<br />

hatte.<br />

Große Verdienste erwarb sich Geiselhart zu Anfang der<br />

fünfziger Jahre um die Abhaltung von Missionen. Im Sommer<br />

1850 wurde von den Jesuiten Schlosser und Roder eine<br />

vierzehntägige Mission in Sigmaringen gehalten. Schon im<br />

Jahre vorher hatte Geiselhart im Namen des Erzbischofs<br />

vom preußischen Militärfiskus Gorheim in der Nähe von<br />

Sigmaringen als Eigentum erworben. Gorheim war früher<br />

bis 1782 Franziskanerinnenkloster des dritten Ordens. Nach<br />

Aufhebung der Klöster wurde der Gebäudekomplex zuerst<br />

zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein Waffendepot, dann eine<br />

Kaserne, und später kam es an den Fiskus und 1849 an den<br />

allgem. katholischen Kirchenfond, dem es noch gehört. Während<br />

der Mission in Sigmaringen bestürmte Geiselhart die<br />

Jesuiten, aus Gorheim eine Niederlassung zu machen. Nur<br />

ungern nahm sich Pater Roder der Sache an, doch der Einzug<br />

der Jesuiten erfolgte zur Freude "^eiselharts. Er sorgte auch<br />

für Jen Unternalt der Patres, indem er die Barone von<br />

Enzberg, Stotzingen und von Bodmann veranlaßte, Lebensmitte'<br />

nach Gorheim zu schicken. Leider wurden die Jesuiten<br />

1872 durch die Kulturkampfgesetze vertrieben.<br />

Während der obigen Mission hatte Geiselhart angefangen,<br />

einen katholischen Frauenverein, den sogenannten Elisabethenverein,<br />

zu gründen. Aus diesem wohltätigen Verein<br />

zweigten sich 1868 das Institut der Krankenpflegeschwestern<br />

in Privathäusern und 1872 der katholische Mütterverein ab.<br />

Durch solche Gründungen war Geiselhart in der Residenz<br />

Hohenzollerns rasch heimisch geworden. Im Jahre 1851 rief<br />

er auch einen Klankenverein für Gesellen und Dienstboten<br />

ins Leben. Er bettelte zu diesem Zwecke ungefähr 400 Gulden<br />

zusammen, und blieb 27 Jahre ihr geistlicher Leiter,


Jahrgang 1958 HOHENZOL ISCHE HEIMAT 9<br />

Von 1851 bis 1854 mußte Geiselhart noch die Kuratie Laiz<br />

mit der Filiale Inzigkofen übernehmen. An letzterem Orte<br />

war 400 Jahre lang ein Kloster regulierter Augustiner-Chorfrauen<br />

und Laienschwestern. Im Jahre 1852 traf Geiselhart<br />

nur noch drei Chorfrauen und zwei Vorschwestern an, die<br />

seit 1806 in Pension des Fürsten lebten und im Kloster ihr<br />

Sterbestündlein abwarten durften. Oft erzählten die hochbetagten<br />

Schwestern von den traurigen Tagen, wo ihnen 1306<br />

alles versteigert wurde. Seit einem halben Jahrhundert hatten<br />

sie ihre strenge Klausur weiter beobachtet, Geiselhart<br />

staunte über den Schatz christlicher Lebensweisheit, Ruhe<br />

und Sicherheit in allem, den er bei den fünf Schwestern beobachtete.<br />

Mit Zustimmung des Erzbischofs wurde Geiselhart<br />

deren Beichtvater und Berater in Rechtssachen. Noch zu<br />

ihren Lebzeiten gaben die Chorfrauen einen Teil des Hausrates<br />

an das Landesspital in Sigmaringen und in die leeren Räume<br />

von Gorheim ab. Im Jahre 1856 starb die letzte Chorfrau<br />

Salesia Pfeifer. Wie ihre Mitschwestern hatte Geiselhart<br />

auch diese letzte Pfründnerin zum Tode vorbereitet und begraben.<br />

In Laiz wurde die in der Aufklärungszeit erloschene<br />

Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter neu belebt.<br />

(Schluß folgt.)<br />

Der abgegangene Weiler Maigingen bei Burladingen<br />

Wer schon eingehend die Karte der Zolleralb studiert hat,<br />

dem wird vielleicht dabei der Name „Maigingen" aufgefallen<br />

sein, der dort, im weiten Hochtal der oberen Fehla, links<br />

von der Bundesstraße 32 gegen Gauselfingen, auf Burladinger<br />

Gemarkung eingezeichnet ist. Doch was bezeichnet dieses<br />

„Maigingen"? Ist es ein Flurname oder gar die Bezeichnung<br />

für eine ehem. Ansiedlung? Aber das Gewann heißt heute<br />

„Ob der Gasse", und der kundige Wanderer sucht vergebens<br />

nach sichtbaren Zeugen aus der Vergangenheit. Jedoch alte<br />

Urkunden geben uns Aufschluß, und in der Tat, die Flur<br />

„Gassen" ist der Platz eines abgegangenen Weilers, der in<br />

vergilbten Pergamenten oft genannt wird. Seine Namensformen<br />

sind: Megingen, Mayngen, Mayingen, Maygingen,<br />

Maigingen.<br />

Machen wir einen kleinen Spaziergang durch die Geschichte<br />

des Ortes! Die erste Nennung erfolgt bei einer umfangreichen<br />

Güterschenkung an das berühmte Benediktinerkloster<br />

Lorsch, das heute im hessischen Landkreis Bergstraße<br />

liegt. Am 17. September 772 schenken nämlich ein<br />

Bleon und sein Sohn Otto dem hl. Märtyrer Nazarius zu<br />

Lorsch „in Burichinger marca et in Burdiaidingen et in Megingen<br />

... et Gauzolfingen quidquid habere videmur". Wann<br />

die Gegend an die Grafen von Zollern kommt, ist ungeklärt,<br />

spätestens aber um die Wende des 13. Jahrhunderts, denn<br />

an St. Peter und Pauls Abend (28. Juni) 1356 löst Graf Friedrich<br />

von Zollern, gen. der Straßburger, seine beiden Dörfer<br />

„Burladingen und Mayngen mit aller zugehörde" wieder ein,<br />

die er an Hans von Salbadingen (Salmendingen) versetzt<br />

hatte, der im Jahre 1354 mit dem Zusatz „von Burladingen"<br />

genannt wird und zu Trochtelfingen saß. Anno 1375 verkaufen<br />

Ritter Kun, der Truchseß von Ringingen, und die<br />

Truchsesse Kun und Georg, seine Söhne, dem Grafen von<br />

Zollern ihren Teil an Burlafingen mit dem Kirchensatz (Patronatsrecht)<br />

und den Weiler Mayingen, der dazugehört.<br />

Graf Ostertag von Hohenzollern verkauft seinerseits wieder<br />

am 4. Juni 1386 (vgl. Anm.) an Geori, den Truchseß von<br />

Ringingen, und Swenger von Liechtenstain den Jungen seinen<br />

Teil an „Burladingen dez dorffz und die kirchen und<br />

den kirchensatz da selbest, und ocb Maygingen daz wiiar<br />

daz zu dem vorgenannten dorf Burladingen gehöret", mit<br />

Dorf recht, Vogtrecht, Vogtei, Stab, Gericht, Groß- und Kleinzehnten<br />

um 800 Pfund Heller auf Wiedereinlösung. Das<br />

Kloster Mariaberg erhält 1392 von Heinrich Späth, genannt<br />

Schirberg, und seinem Sohn ein Gut zu Mayingan. Am Freitag<br />

vor St. Michelstag (22. Sept.) des Jahres :402 teilen ^es<br />

Grafen Friedrich, des Straßburgers Söhne, Graf Friedrich<br />

von Zollern, der üttinger, und Graf Eitelfriedrich das väterliche<br />

Erbe. Eitelfritz bekommt hierbei u. a. auch Burladingen<br />

und Maigmgen. IN och er ließ 1435 ein Urbar anlegen, das<br />

sogenannte Bickelsperger Lagerbuch, aus dem wir unten<br />

noch Näheres hören werden. Danach besaß der Graf das<br />

Vogtrecht zu Maygingen und Burladingen, war alo Gerichtsherr<br />

daselbst.<br />

Um 1408 scheinen die Zollerngrafen in ihrer ewigen Geldverlegenheit<br />

unsere beiden Dörfer gleich zweimal versetzt zu<br />

haben; denn 1408—13 sind Burladmgen und Maigingen mit<br />

Kirchensatz und Widdumshof zu Killer, Schlatt mit Weiler<br />

usw. an Volkart von Ow, genannt Wutfuß, verpfändet, und<br />

am St. Ulrichtstag (4. Juli) 1408 verkaufen die Gebrüder<br />

Eitelfriedrich und Fritz der öttinger an Frau Ursula, des<br />

Ritter Jergen, Truchsessen von Ringingen, eheliche Hausfrau,<br />

„Burladingen daz dorff und Mayingen mit allen zugehörden:<br />

. .. mit dem kirchensatz und daz geriht, zwing und<br />

benne.. . alle ander unser lut und gut ze Burladingen",<br />

alles um 1200 Pfund Heller und 200 rheinische Gulden. Noch<br />

Anfang August 1424 hat Ursula, die Truchsessin von Ringingen,<br />

das Dorf Burladingen in Pfandbesitz, denn am 8. Aug.<br />

des genannten Jahres erlaubt Eitelfriedrich, Graf von Zollern,<br />

der Grätm Henriette von Württemberg Burladingen<br />

von des Jerg Truchsessen (von Ringingen) Hausfrau Ur-<br />

sula, der es versetzt war, zu lösen. Sicher ist auch Maigingen,<br />

obwohl es nicht mehr eigens erwähnt wird, hier dabei gewesen,<br />

denn, wie wir gesehen haben, teilte der Ort alle<br />

seine Geschicke mit denen des Pfarrdorfes Burladingen, woraus<br />

wohl folgt, daß es nie eine eigene Markung gehabt hat.<br />

Wann das Burladingertal endgültig wieder in zollerische<br />

Hände kommt, bedarf noch der Aufklärung. Jedenfalls gelingt<br />

es 1473 dem Grafen Niclas I., Anteile Württembergs im<br />

Killertal gegen Zinse in heute württembergischen Dörfern<br />

einzutauschen. Wenig später wird er auch Burladingen wieder<br />

an sich gebracht haben, und im letzten Viertel des 15.<br />

Jahrhunderts erwirbt der Graf Teile von Stetten u. H. sowie<br />

ganz Hörschwag und Gauselfingen, so daß der Osten der<br />

alten Grafschaft Zollern, die sog. „Obere Grafschaft", seither<br />

fester Bestandteil der genannten Herrschaft ist. Maigingen<br />

wird ab dieser Zeit nicht mehr als bestehend erwähnt, wird<br />

also spätestens Anfang des 16. Jahrh. eingegangen sein. Der<br />

Grund hierzu liegt wohl in der auch damals schon zu beobachtenden<br />

Landflucht, wofür uns nach dem Bickelsbergschen<br />

Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435 gerade Burladingen<br />

und Mayingen, sowohl im Wüstliegen mancher Güter<br />

wie vor allem in der Zusammenfassung mehrerer Güter in<br />

einer Hand, das krasseste Beispiel bieten. Hier kann nach<br />

den Angaben des Urbars die Bevölkerung der beiden Orte<br />

noch nicht auf 200 Personen geschätzt werden!<br />

Aber auch sonst gibt uns Bickelspergs zollerisches Lagerbuch<br />

noch manchen interessanten Aufschluß. Auf Blatt 268<br />

bis 285 sind unter der Ueberschrift „Diß sind die vogtrecht<br />

zu Maygingen und zu Burladingen zu allen tailen" insgesamt<br />

99 Posten von Zinsen und Fruchtabgaben aufgeführt, die in<br />

Geld, Hühnern, Eier, Hafer und Hanfsamen bestehen und<br />

aus einem älteren Verzeichnis vom Jahre 1406 übernommen<br />

sind, denn ausgangs heißt es auf Bl. 285: „Anno domini<br />

MCCCCVI sripta (sie!) sunt hec." In diesen Angaben kommt,<br />

Maigingen betreffend, folgendes vor:<br />

an Personen: Hans von Maigingen gibt „von der von Burladingen<br />

gut" (gehörte wohl dem ehem. Adel derer von Burladingen),<br />

hat „die wis uff Kay" und das „gütlin, das Martins<br />

ist" (Zugehörigkeit unbekannt, vielleicht nach Ringingen, da<br />

(lort Martinspatrozinium?); Henslin von Mayingen gibt „von<br />

Volgers gut"; Haintz von Maygingen gibt aus seinem Hof;<br />

Frick von Maigingen hat ein Gut „von sant Micheln" (gehörte<br />

wohl nach Veringen, das den hl. Michael zum Patron<br />

hat, vgl. unten);<br />

an Gütern: „Mörssen gut ze Maigingen", das Auberlin<br />

(Albrecht) Kouffman hat und zur Mühle gehört, dahinter<br />

von späterer Hand nachgetragen, etwa um 1520: Michel Bau<br />

singer; Mantz gibt aus „Staimlins hof, der ze Maigingen"<br />

ist Widdum (Kirchengut); „zu Maigingen der Kaiserinen hofstatt",<br />

hat Wochenwerck und Hagen; „der Arnoltinen gütlin,<br />

das ze Maigin gen lit", hat App;<br />

an Grundstücken: der Kaiser gibt aus „ainem aker ze<br />

Mayingen", der dem Nunner gehört und wüst liegt; „ain<br />

gärtiin lit ze Maigingen, das da Hagen hat"; Aubrecht Pfaff<br />

gibt aus „des Nünners garten zu Maigingen gelegen".<br />

Auch der heutige Flurname „Gassen" wird schon genannt:<br />

Mantz gibt aus „Sennoppen gut in der gassen"; der Spindler<br />

gibt aus „der Schlechtinu garten in der gassen", hat jetzt<br />

Geipffii; „Strecken hoffstatt, die obnen an der gassen lit."<br />

Noch eine weitere Urkunde sei angeführt, in der unser<br />

Maigingen erwähnt ist. Am Freitag, so man singt in der<br />

christlichen Kirche Vocem, Jocunditatis (also am. Freitag vor<br />

dem 5. Sonntag nach Ostern, den 20.) Mai 1468 fand vor dem<br />

Burladinger Ortsgericht unter dem örtlichen zollerischen<br />

Amtmann Konrad Ragor eine Feststellung zwischen der Heiligenpflege<br />

St. Michael zu Veringendorf und deren Pächtern<br />

auf Burladinger Bann statt. Darnach bat Benz Spinnler u. a.<br />

folgende Grundstücke, die dem hl. Michael Zinsen: 1 Jauchert<br />

unter Maygingen stoßt uf des Busingers Gut, das man<br />

nennt „des Burladingers Gut"; 1 Gart zu Mayingen, druf sät


10 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

man 3 fiertail Hanfsamen, stoßt an die Straß; 1 Jauchert ob<br />

Mayingen uf dem Rain, stoßen rings an den Businger. Folgende<br />

Stücke hat Hans Decker inne: 1 Wiesbletz in Mayingen<br />

am Spinnler und 1 stoßt uf den Bronnen; 1 Wiesbletz zu<br />

Mayingen uf dem Rain, stoßt an Stuklin, und ein Wiesbletz<br />

stoßt uf den blinden Clausen; 1 Garten zu Mayingen am<br />

Miller.<br />

Heute liegt der Ort verlassen, und dort, wo einst Häuser<br />

und Gehöfte gestanden haben, dehnen sich jetzt weite Ackerund<br />

Wiesenflächen. Vor Jahren wurden auf einer Wiese „bei<br />

der Gasse" Töpfe und Bronzesachen (?) gefunden, die aber<br />

leider verschleudert wurden, sicher Gegenstände der ehem.<br />

Bewohner von Maigingen. Den starken „Gassenbrunnen",<br />

einen Zufiuß der Fehla, hat sich seit etwa 20 Jahren das<br />

Kreiswasserwerk Hechingen dienstbar gemacht und leitet ihn<br />

mittels Pumpwerk auf die nördliche Höhe über der Burladinger<br />

Fideliskirche und von da ins Unterland. Ob sich bei<br />

der geplanten Benennung der Burladinger Straßen die Gemeindeväter<br />

des aufstrebenden Fleckens bereit finden wer-<br />

den, sich auch für eine „Maiginger Straße" zu entscheiden,<br />

um das Andenken an die einstige Schwester nicht ganz verschwinden<br />

zu lassen?<br />

Anmerk ung : Die genaue Datumsangabe in der Urkunde<br />

(Monumenta Zollerana I, 402) lautet: „uffen den<br />

nähsten guten Tag vor dem hailigen pfingstag". Die<br />

Herausgeber der Mon. Zoll., Rud. Frh. v. Stillfried und<br />

Tr. Maercker, sahen in dem „guten tag" fälschlicherweise<br />

stets den Mittwoch und berechneten daher unser<br />

Datum auf den 6. Juni. In Wirklichkeit aber ist es der<br />

Montag (vgl. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung,<br />

4 1915, S. 18, 62) und so d.er 4. Juni; denn Montag heißt<br />

lat. „Feria secunda", secundus ist „glücklich günstig, gut",<br />

daher Montag = guter tag! Audi Joh. Ad. Kraus, der<br />

in den Hohenzoll. Jahresheften 12 (1952) S. 96 und 14<br />

(1954) S. 109 die Urkunde anführt, hat den Fehler der<br />

Herausgeber zu spät bemerkt und bat mich, auf diesem<br />

Wege den Irrtum richtig zu stellen.<br />

Helmut Rischert.<br />

Die Marienkapelle bei Ringingen<br />

„Du stille Kapelle am Friedhofrand,<br />

kann eine dir gleichen im weiten Land!?"<br />

1. Vor dem Dorf Ringingen am Heufeld, auf der Wasserscheide<br />

zwischen Starzel und Laudiert, wo die neuen Straßen<br />

von Salmendingen und Killer her zusammenstoßen, steht ein<br />

altehrwürdiges Kirchlein. Zwar glänzt es nicht nach außen<br />

durch prachtvolle Bauart, nicht prangen in seinem Innern<br />

Marmor und Gold, sondern schlicht und einfach steht es da<br />

in grauem Gewand. Die neueren dunklen Ziegel des Daches<br />

verraten eine pflegende Hand, und ein paar mächtige, wohl<br />

200jährigen Linden breiten schützend ihre Aeste über das<br />

kleine Heiligtum, an das sich seit 1841 der Friedhof wie ein<br />

Kind an die Mutter anschmiegt. Diese Kapelle wüßte viel zu<br />

erzählen von vergangenen Tagen, von Freud und Leid der<br />

Menschen, die hier schon gewandelt sind. Zwar reicht sie<br />

nicht in die Zeit zurück, als die römischen Legionen die uralte<br />

Straße von der Burladinger Schlichte herauf hier vorbei<br />

gen Norden marschierten, als die Alemannen im Dorf zwischen<br />

Nehberg und Hälschloch siedelten und ihre Toten im<br />

Lai begruben, als auf der „Heerstraße" die Ritter und Knappen<br />

der mittelalterlichen Grafen und Herren vorbeiritten, als<br />

über dem Dorf und auf Eineck und am Kästlesbühi wehrhafte<br />

Burgen erstanden. Der Zeitpunkt also, wann nach<br />

dem Entstehen der Martinspfarrkirche und der auf sanktgallischen<br />

Besitz zurückreichenden Galluskirche hier an der<br />

„Heerstraße" bzw. am heutigen Feldweg als Heiligtum Unsrer<br />

Lieben Frau entstand, ist so wenig bekannt, als die<br />

Namen der Gründer. Nach einer verschwommener. Ueberlieferung<br />

sollen einige Fräulein aus dem Ritterstand namens<br />

Maria, Elisabeth und Veronika von Eineck die Hand im Sp el<br />

gehabt haben. Allein dies klingt ziemlich unwahrscheinlich,<br />

denn 1) die Burgstelle auf dem Seeheimerberg gen Junging' n<br />

die man seit dem Ringinger Chronisten Jakob Barth ;i867)<br />

Eineck heißt, wird noch 1545 Freunds- oder Frundspürglin<br />

genannt. 2) Jene Veronika hieß in Wirklichkeit „von Neuneck"<br />

und lebte 1507. wie wir unten sehen werden. ) Die angebliche<br />

Freifrau Elisabeth von Eineck, Gattin des edlen<br />

Heinrich von Killer im Affenschmalzer Jahrtag zu Ringln^en<br />

1406 hieß richtig „Elisabeth die Unrain" aus dem Gescnlecnt<br />

von Ratzenried (Hohz. Jahreshefte 1954, 135). 4) Nägele hat<br />

in den Albvereinsblättern 1900 Sp. 54 anläßlich einer Schilderung<br />

der „Schwedenschanze" von Jungingen geschrieben:<br />

„Ein Bauer, den ich auf (dem Seeheimerberg) trai wollte<br />

wissen, daß dort vorn (auf Eineck) einmal eine Kapelle<br />

„Maria Eineck" gestanden habe." Jedoch ist von einer solchen<br />

nichts bekannt, und die Burg ging wohl schon im 13. Jahrhundert<br />

wieder ab. Ein Fräulein Elisabeth von Neun^ck<br />

findet sich lediglich mit. ihren Schw-steru Mararetb und Ursula<br />

in der Pfarrchronik von Glatt (Bc 3 . I, 41) als Kinder des<br />

edlen Oswald von Neuneck (+- 1452) und der Ursula SchArelherin,<br />

der Tochter des Fritz Schw. von Straßberg. Da uer<br />

Mädchenname Maria im 15. Jahrhundert beliebter wurde,<br />

bleibt von den angeblichen drei Gründerinnen nicht viel<br />

mehr übrig, als verschwommene Vermutungen, die nichts beweisen<br />

(Hohz. Heimatblatt 1929, Nr. 1, S. 5 ff). Wenigstens<br />

hatte obige Elisabeth durch ihre Mutter vage Beziehungen zu<br />

Ringingen, wie noch zu zeigen sein wird.<br />

2. Die erste ganz sichere Nachricht vom Bestehen der<br />

Kapelle (nach einer unbestimmten von 1489) besitzen wir<br />

vom 28, September 1507. Eine Pergamenturkunde, die aber<br />

Von Joh. Adam Kraus<br />

beim Franzoseneinmarsch am 23. April 1945 mit dem Rathaus<br />

verbrannte, meldete: „Peter Schwelher von Straßberg<br />

urkundet: Mein liebes Bäsle, die edle Witwe Fronik (Veronika)<br />

von Nüneck geborene Spettin, ist zu mir gekommen<br />

und hat mir gesagt, sie habe vor, in die Kapelle Unsrer lb.<br />

Frau bei Ringigen eine Stiftung zu machen, so daß der Frühmesser<br />

zu Ringingen für ewige Zeiten alle Samstage darin<br />

Messe lesen oder singen soll, wie es sich bei der Zeit nach<br />

gebührt. Zudem habe sie auch eine Stiftung angefangen auf<br />

dem Kornbühel bei Salmendingen zu Ehren der hl. Frau St.<br />

Anna. Veronika hat mich freundlich gebeten, auch et vas<br />

dazu zu geben, da doch meine und ihre Vorfahren selig ihr<br />

Wesen lange Zeit da herum gehabt hätten. Da ich jedoch dort<br />

in der Gegend nichts besitze, als das Sehamertal ob dem<br />

Dorfe Killer und mein Recht („Gerechtigkeit") auf dem Seheimerberg,<br />

so schenke ich hiermit dies alles ihr zu freier<br />

Verfügung kraft dieses Briefs, der mit meiner eigenen Hand<br />

geschrieben und mit meinem anhangenden Insiegel besiegelt<br />

ist am Zinstag vor sant Michaelstag, als man zalt von der<br />

Geburt Christi 1500 und in dem sübenden Jar."<br />

Es ist also ein Irrtum, wenn das Fürstenbergische Urkundenbuch<br />

diese Base Veronika eine geborene Epellin<br />

nennt. Sie war vielmehr die Tochter des Heinrich Spät des<br />

älteren zu Granheim, der im J. 1468 als Gatte von Mettelhansen<br />

Schwelhers Tochter Mergelin (Mariele) erscheint. Ihr<br />

Bruder Junghans Spät von Granheim tauschte 1507/8 sein<br />

Viertel ar~ Dorf Ringingen gegen das verbrannte Schloß<br />

Wartstein im Laatertal an den Grafen Eitelfriedrich von Zollern.<br />

Heinrich Spät hatte 1471 und 1481 zu l U Teil am Präsentationsrecht<br />

für Pfarrei und Kaplanei Ringingen. Peter<br />

Schwelher aber, der als Witwer um 1508 noch geistlich<br />

wurde, war der Sohn des Fritz Schwelher zu Straßberg und<br />

Enkel des Althans Schw., der 1403 zu Ringingen saß und mit<br />

seinen Brüdern Mettelhans und Kleinhans später einziger<br />

Herr zu Ringingen wurde. Die restlichen 3 Viertel an Ringingen<br />

samt Patronat kamen von den andern Schwelhererben<br />

an die Grafen von Werdenberg zu Trochtelfingen und 1534<br />

erbweise an Fürstenberg (Hohz. Jahreshefte 1938, 109 ff.). Es<br />

stimmte somit genau, wenn Peter Schwelher in der Urkunde<br />

schreibt, seine und Veronikas Vorfahren hätten lange Zeit<br />

So - ' J i .<br />

m Ü .•^JirT<br />

Marienkapelle bei Ringingen


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 11<br />

ihr Wesen um Ringingen herum gehabt. Des Kleinhans<br />

Witwe Anna von Freiberg, die er nach der Zimmerischen<br />

Chronik so stark gequält haben soll, hat noch am 15. April<br />

1464 zu Ringingen auf der Burg gewohnt und vom Bischof<br />

von Konstanz die Erlaubnis erhalten, auf einem Tragaltar<br />

der Kirche (wohl Pfarrei!) Ringingen die Exequien halten zu<br />

lassen, vielleicht für ihren noch geisternden Mann (Hohz.<br />

Heimat 1954, 14). Veronikas verstorbener Mann hatte Melchior<br />

von Neuneck geheißen und war ein naher Verwandter<br />

obigen Oswalds, ebenfalls aus Glatt.<br />

Was wurde nun aus den geplanten Stiftungen Veronikas?<br />

Mit der Ringinger offenbar nichts, und vom Kornbühl erfahren<br />

wir auch nichts. Denn am 26. Juli 1513 hat diese Frau,<br />

nun zu Reutlingen seßhaft und 1494 bis 1536 als Witwe nachzuweisen,<br />

ihren Ringinger Besitz, den sie vom Schwelher geschenkt<br />

bekommen (Seheimerberg mit Wunn und Waid und<br />

das Seheimertal), um 80 rheinische Gulden (ca 2400 Goldmark)<br />

an die „Gepurschaft" oder Bauernschaft des Dorfes<br />

Ringingen uf der Alb verkauft, wobei der genannte Schwelher<br />

als „Herr" (Geistlicher) siegelte. Auch diese Urkunde ist<br />

mit dem Rathaus verbrannt.<br />

Mit größter Wahrscheinlichkeit war unsere Marienkapelle<br />

auch gemeint, als am 2. Januar 1489 der Bischof von Konstanz<br />

auf 1 Jahr die Erlaubnis gab, in einer Kapelle außerhalb<br />

Ringingens einen Tragaltar zu benützen, offenbar weil<br />

diese Kapelle mit dem Altar noch nicht geweiht war (Krebs,<br />

Investiturprotokolle S. 709). Da die Gallenkirche innerhalb<br />

des Orts-Etters oder Zauns lag und die 1530 erwähnten<br />

Bernhards- oder Weilerkapelle und St. Jakoben auf der<br />

Staig als vermutlicher Bildstock, sowie die erst 1609 erwähnte<br />

Schächergruppe am Ortsausgang gegen Meldungen<br />

wohl nie einen konsekrierten Altar besaßen, dürfte nur unser<br />

Liebfrauenheiligtum gemeint gewesen sein. Möglicherweise<br />

entstand es nach 1450 im Zug der Wiedergutmachung<br />

der Freveltaten des letzten Schwelhers (Zollerheimat 1931<br />

9—11).<br />

3. Das Fleckenbuch von 1530 (ebenfalls 1945 verbrannt) erwähnt<br />

die Kapelle „Unser Lb. Frauen" sehr oft bei Beschreioung<br />

der Wege und Fußsteige (Mitt. Hohz. 1924 S 209—20).<br />

Sie war einst auch mit Gütern ausgestattet, denn 1544<br />

nennnt Hagens Lagerbuch von Killer einen Acker „Unser<br />

Frauen zu Ringingen" in der Flur Enk an der Landstraße in<br />

Tiefental, der auch noch 1580 in Rammingens Erneuerung vorkommt.<br />

Die Pfleger Unser Frowen zahlten im Jahre 1542 an<br />

Türkensteuer 1 Pfund 9 Schilling (ca 51 Goldmark), die<br />

Annapflege dahier 9 Schilling 6 hlr, die Martinspfle^e 4<br />

Pfund und der Herr Pfarrer zu Ringingen für Pfarrei und<br />

Kaplanei 10 Pfund 17 Schilling (Zollerheimat 1938 S. 93). Wohin<br />

die Güter kamen, bleibt unbekannt; die übrigen Einnahmen<br />

stammten wohl von milden Gaben. Sicher unrichtig<br />

ist die Vermutung eines späteren Pfarrers von I66i, die einst<br />

zur Kapelle gestifteten Grundstück« habe jetzt Fürstenberg<br />

inne; den Grund wußte er nicht. Diese Herrschaft hat sich<br />

jedenfalls jederzeit sehr korrekt in ihrer Verwaltung gezeigt.<br />

Die Rechnungen U. Lb. Frau von 1531—40 sind I aider<br />

beim Trochtelfinger Stadtbrand 1726 mit der Kanzlei in<br />

Rauch aufgegangen.<br />

Bei der Kirchenvisitation im J. 1650 (FDA 1953, 169) gab<br />

Pfarrer Jakob BÖler (Bailer) an, die Kapelle sei im Krieg<br />

von Soldaten verbrannt worden, soll aber auf Kosten des<br />

Kirchenheiligen (Heiligenpflege) im Frür.jah' wiederhergestellt<br />

werden. Doch geschah dies erst 1652. Das zolierische<br />

hechingische Auaienzprotokoll mei' et nämlich am 13. März<br />

dieses Jahres: „Die Gemeind zu Ringingen pittet untertänig,<br />

weylen sie ihre Capel aufm Ringinger Feld wieder zu pauwen<br />

bedacht, ob man ihnen nicht zu diesem Ende aus gueter<br />

Nachbarschaft 20 Stumpen (Stämme) Hol; zur Beisteuer bewilligen<br />

und ihnen zuekommen lassen wollte". Der Bescheid<br />

lautet: „Aus gnäd. Herrschaft Waiden solle ihnen mit 12<br />

Stumpen, die Junginger dazu 4 und von Hausen auch 4, darumben<br />

sie auch zuevor ersuecht werden Könnten, gratifiziert<br />

werden" (Staatsarch. Sigm. D 140, No 37). Nach anderer Angabe<br />

war das Kirchlein n i ch t völlig vernichtet, sondern<br />

nur ausgebrannt gewesen, wie auch 4—5 Häuser im Ort:<br />

Folgen des 1648 beendeten großen Krieges.<br />

Der 17. Juli 1659 war für Ringingen ein großer Tag. Der<br />

Konstanzer Weihbischof Goorg Sigismund Müller, episc. Heliopoiitanus,<br />

kam ins Dorf, weihte die wiederhergestellte<br />

und vermutlich erweiterte Kapelle samt Altar, und firmte 80<br />

Ringinger unter Pfarrverweser Kern. Die letzte Firmung war<br />

1656 in Trochtelfingen gewesen mit 21 Ringingern. Diesmal<br />

finden wir u. a. die Namen: Riedinger, Rhein, Vogel, Dieter,<br />

Ott, Faigle, Dietz, Hoy. Kraus, Schaut, Nadlei, Spendler,<br />

Ruoß, Baur, Quintle, Volk, Buck, Koch, Stopper, Furtenbach,<br />

Böz, Frey, Sauter, Buckenmayer und Löffler. Doch ist unsicher,<br />

ob schon bei dieser Renovierung oder erst um 1683 die<br />

Verlängerung des Gebäudes nach Westen vorgenommen<br />

wurde. Die 20 Stämme sprechen für das frühere Datum. Der<br />

Chorteil mit dem 3/8 Schluß und das gotische Türgewände<br />

mit Kielbogen sind offenbar älter als der übrige Teil und<br />

deuten in das Ende des 15. Jahrhunderts als Entstehungszeit.<br />

Auch zeigt sich, daß die beiderseits über die Mauer unterm<br />

Dach hinlaufenden Balken an der gleichen Stelle am Chorbeginn<br />

ineinander verkröpft sind, so daß hier ein gewisser<br />

Abschluß gewesen sein mag. Der Stil des steinernen Giebelreiters<br />

oder Glockenbocks im Westen mit dem Glöcklein, sowie<br />

das Patrozinium des Heiligtums „Mariä Namen", das wie<br />

früher allgemein nicht am 12. September, sondern am Sonntag<br />

nach Mariä Geburt als „Kappelfest" gefeiert wird, sowie<br />

das steile Kehlbalkendach mit liegendem Stuhl deuten ebenfalls<br />

in die Zeit um 1683, wo zum Dank für die Befreiung<br />

Wiens aus der Türkengefahr das Fest Mariä Namen in der<br />

katholischen Kirche eingeführt worden ist. Vorher dürfte das<br />

Patrozinium wohl am 15. August gewesen sein, wenn nicht<br />

eher am Schmerzensfreitag!<br />

Das in der Ausführung sehr schöne und einst auch wohlklingende<br />

G 1 ö ck 1 e i n von 39 cm Durchmesser, etwa 70<br />

Pfund Gewicht und Ton h2, hat oben auf der Platte am<br />

Rand neben den Henkeln, von denen einer abgebrochen ist,<br />

einige Salbeiblättchen abgegossen. Rings um den oberen<br />

Rand läuft ein 3—4 cm breiter Biumenfries. Ein Inschriftband<br />

darunter zeigt eine Hand mit der Zahl 1686 und die 4<br />

Evangelistennamen in Kapitalschrift. Unter diesem Band<br />

schlingt sich wieder ein Blumengewinde herum. Darunter<br />

sieht man auf einer Seite als Gießerzeichen ein Glöcklein mit<br />

dem Namen Johannes Rozier darum, darunter IHS und<br />

rechts und links wieder ein Blättchen. Der Gießer stammte<br />

aus einer bekannten lothringischen Gießerfamilie R o s s i e r,<br />

die sich in Rottenburg niedergelassen hatte und die auch für<br />

Haigerloch, Trochtelfingen, Inneringen, Frohnstetten, Bingen,<br />

Steinhilben, Obermarchtal, Ochsenhausen, Rottenburg, Rottweil,<br />

Kirchheim, Wiesensteig, Straßburg und andere Kirchen<br />

goß. Nachdem dieses Glöcklein am 25. März 1942 für Kriegszwecke<br />

abgegeben werden mußte, hat man es am 5. Dez. 1946<br />

mit der Mettel- und Gallenglocke im fernen Lünen in Westfalen<br />

im Hüttenwerk Kayser A. G. wiedergefunden und zurückgebracht.<br />

Steinhauermeister Lukas Dietrich hat sich die<br />

Mühe gemacht, es wieder in den Giebelreiter einzubauen, worüber<br />

sich jedermann freute. Allein einige Zeit darauf, als<br />

die französischen Besatzungstruppen jahrelang auf den Heufeld<br />

Übungsschießen hielten und jeweils einen Posten bei<br />

dem Kirchlein stehen hatten, zeigt sich plötzlich der Klang<br />

der Glocke sehr matt und stumpf. Von unten sieht man, daß<br />

oben ein Loch durch die Platte geht; offenbar wurde hindurch<br />

geschossen! Wie lange wird es noch Dienst tun können?<br />

Die Heilig°nrechnune vom 1692/93 berichtet vom Beschlagen<br />

von drei Glöcklein, wohl unserm und der beiden<br />

auf St. Gallen, von Anfertigung neuer Stühle für Unser Lb.<br />

Frauen Capel und St. Gallen und vom Decken des Weilerkäppeles<br />

mit Schindeln, vo r . Anschaffung eines Vorhangs an<br />

en Altar der Frauencapel, von Leim und Farben zur St.<br />

Bernhards- oder Weilerkapelle usw.<br />

4. Nach 'der Uberlieferung muß einst eine beliebte Wallfahrt<br />

in dieses MarienheiHgtum bestanden haben, worauf<br />

ach r lie Hoizgabe der Killertalgemeinden 1652 hindeutet.<br />

Das Taufbuch von Hauser berichtet (nach Staudacher) um<br />

1650: „Am 20. Juli, dem Feste der hl. Margaretha, geht man<br />

mit dem Kreuz von Hausen, (Starzein) und Killer nach Ringingen<br />

in die Kapeile um gutes Wetter".<br />

Ein genauerer Be-icht Legt uns aus der Feder des Ringinger<br />

Pfari :s Magnus Tiberius von Pflummern vom 17. Juli 1736<br />

vor. Er schrieb damals an den Landesherrn, den Fürsten<br />

Proben Ferdinand von Fürstenberg:<br />

„Unsere nächst allhiesigem Flecken zu Ringingen anliegende<br />

Kapeile, zu U. Lb. Frauen genannt, welche schon<br />

einigt undert Jahre hero von den umliegenden Orten<br />

vielfältig besuchet und das darin befindliche sehr anmüetige<br />

marianisene Gnadenbild mit großer Andacht<br />

erehrt wird, befindet sich dermalen in so schlecht und baufälligem<br />

Stand, daß einige Reparation, um dem völligen Ruin<br />

vorzukommen, unumgänglich vonnöten war. Da nun aber<br />

besagte Kapelle nicht mit der mindesten Stiftung versehen,<br />

mdern alleinig aus dem Opfer, das jedoch jetziger erbarmter<br />

Zeiten sehr gering ausfallet, muß erhalten werden, auch<br />

ailhiesige Heiligenfabrik wegen unlängst ganz neu aufgeführtem<br />

Kirchenbau (1707-24) und dato ailbereits ins We, k<br />

gesetzte Fassung der beiden Nebenaltäre, der ailersel. Jungfrau<br />

und d ;ss hl. Seb^stiani unmöglich bei Kräften steTie t,<br />

sotaner ur ter Kapellen mit Beitragung der ziemlich anlaufenden<br />

Reparationskösten ex toto verhiifiich zu sein, folglich<br />

anc :rwe : tiger christlicher Beisteuer höchst bedürftig ist,<br />

also gelangt hiermit an Ew. Hochfürstl. Durchlaucht meine


12 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

untertänigste gehorsamste Bitt, höchstdieselbe geruhten doch<br />

gnädigst aus anstammender hochfürstl. Clemenz, mehrgedachter<br />

ganz erarmter Marianischen Gnadenkapellen mit<br />

Beitrag etwas weniges beizuspringen, damit die höchst benötigte<br />

Reparation vollends zu End gebracht und die dazu<br />

erforderlichen Kosten mögen bestritten werden. Welche anhoffende<br />

hochfürstl. Gnad der allgütige Gott und seine gebenedeite<br />

Mutter Maria reichlich belohnen wollen, die auch<br />

mit meinen Pfarrkindern in obbesagter Marianischen Kapellen<br />

allwo wöchentlich alle Freitag die hl. Meß gelesen<br />

wird mit neunmaliger Applikation derselben und jedesmal<br />

darunter öffentlich betendem heiligen Rosenkranz<br />

Daß sich freie Personen völlig aus freien Stücken einem<br />

Herrn leibeigen gaben, scheint uns heute fast unglaublich,<br />

und doch beweisen folgende Beispiele die Tatsache. Offenbar<br />

muß die Leibeigenschaft sehr milde gehandhabt worden<br />

sein und es manche Vorteile gebracht haben, wenn einer<br />

„den Schutz und Schirm seines Herrn" suchte. Sie bestand<br />

nämlich um 1600 nur in der jährlichen Abgabe eines Fastnachtshuhns,<br />

und beim Tod eines Mannes im besten Stück<br />

Vieh, bei der Frau im besten Oberkleid. So .hart diese<br />

letztere Abgabe (der sog. „Fall") auch war, er wurde mancherorts<br />

um 1600 auch von allen anderen Einwohnern und<br />

Leheninhabern verlangt, so daß sich der Unterschied zwischen<br />

Freien und Leibeigenen allmählich völlig verwischte.<br />

Bei Verkauf eines Leibeigenen an einen andern Herrn wurde<br />

ja nur der Empfänger der Abgaben ein anderer, und sonst<br />

änderte sich überhaupt nichts. Das Wort Leibeigenschaft<br />

war bei uns also schlimmer als die Sache!<br />

1606 28. Januar. Waldburga Stehelin von Owingen<br />

b. Haig. bekennt, sie habe sich aus sonderer Schickung Gottes<br />

und mit Erlaubnis des Grafen Johann Georg von Hohenzollern<br />

zu dem ehrbaren Hans Folmb daselbst ehelich<br />

versprochen, und da sie bisher niemand leibeigen war,<br />

sich dem genannten Herrn Grafen leibeigen ergeben und<br />

somit auf sich genommen, was andere Leibeigene und Untertanen<br />

jederzeit gegen ihren Leib- und Halsherrn zu tun<br />

und zu lassen schuldig seien. Auf ihre Bitten siegelt die<br />

Stadt Hechingen (anno der weniger Zahl 606 Jahr!). Papieroriginal,<br />

das Siegel ist abgesprungen.<br />

1606 18. November. Melchior Wied von Owingen hat<br />

sich mit Erlaubnis des gleichen Herrn mit der ehrbaren Katharina<br />

Sennerin, Tochter des Hansen Se n n e r, des Becken<br />

von Grosselfingen, der zollerisch leibeigen ist, verlobt<br />

und ergibt sich nun auch dem Grafen zu leibeigen.<br />

Stadtsiegel Hechingen. Den 4. Novb. 1606 ist die Heirat vermög<br />

Owinger Bescheidbuchs bewilligt worden.<br />

1607 27 Januar. Katharina Herttkornin von T r i 11fingen<br />

hat sich mit Erlaubnis obigen Grafen dem Balthas<br />

Hohenloch zu Owingen ehelich versprochen, der Leioeigenschaft<br />

der Herrschaft Haigerloch entledigt (gegen Geld)<br />

und dem genannten Grafen ungezwungen und ungedrungen<br />

leibeigen ergeben. Heirat ratifiziert 13. Jan. 1607. Stadtsiegel<br />

Hechingen.<br />

1611 20. Mai. Barbara Bürkim von Stetten b. Haig.<br />

hat sich mit Consens des gen. Grafen mit Balth&s Hohe<br />

1 o ch von Owingen, der zollerisch leibeigen ist (und offenbar<br />

verwitwet), verlobt uad da bisher frei, dem Grafen<br />

leibeigen ergeben. Stadtsiegel Hechingen.<br />

1611 13. August. Katharina B e y e r i n von Waidmühlb<br />

a cli, kurzmainzischen Gebiets, die mit Georg S ch m i d von<br />

Owingen heiratet (14. Mai 1611), gibt sich zollerisch leibeigen.<br />

Stadtsiegel Hechingen.<br />

1611 10. September. Ebenso Georg Flaitz von Gruol,<br />

der sich mit des Hans S ch i ck e n Witwe Barbara Weißhaar<br />

i n zu Owingen verlobte und sich von der gräfl.<br />

Haigerlochischen Vormundschaft von der Leibeigenschaft<br />

löste. Stadtsiegei Hechingen.<br />

1612 7. Januar. Der zollerische Obervogt Dr. Christoph<br />

Metzger und Schultheiß Michael Mayßing zu Hechingen irkunden,<br />

daß Georg S ch m i d von Owingen mit Katharina<br />

Beyerin von Waldmühlbach heiratete und beide als Untertanen<br />

zu Owingen angenommen wurden. Jedermann, den es<br />

angeht, möge das Vermögen der genannten Beyerin an sie<br />

herausgeben. Mayßing siegelt mit Petschaft: Meise über Dreiberg.<br />

1614 21. Juni. Walburga Schneiderin von Ahldorf,<br />

das dem Hans Erhard von Ow daselbst untersteht, hat sich<br />

von diesem aus der Leioeigenschaft losgekauft und gibt sich<br />

nun (wie die vorausstehenden) freien guten Willens, unge-<br />

om langwühriges hochfürstl. Wohlseyn des gesamten durchlauchtigsten<br />

Hauses von, Fürstenberg die göttliche Allmacht<br />

eifrigst bitten werde . . .<br />

Untertänigst gehorsamster Kaplan Tiberius Magnus Josephus<br />

von Pflummern, Pfarrer von Ringingen, Mpr.<br />

(Archiv Donaueschingen). Diese Eingabe ist überaus aufschlußreich:<br />

die Wallfahrt aus der Umgegend war einige<br />

hundert Jahre alt, ein anmutiges Gnadenbild vorhanden, der<br />

Bau in schlechtem Zustand, keine Stiftung oder Geld vorhanden,<br />

Freitags je eine hl. Messe mit Rosenkranz, deren<br />

Intention nur 9 mal festgelegt sei (wofür?), die übrigen also<br />

noch frei. (Schluß folgt.)<br />

Freiwillige Leibeigenschaft<br />

zwungen und ungedrungen dem Gr. Johann Georg von Hohenzollern<br />

leibeigen. Stadtsiegel Hechingen.<br />

1614 11. Oktober. Paul Rockenstein von Owingen<br />

und Katharina Essichin, Tochter des Georg Essig zu Gundrichen<br />

urkunden als angehende Eheleute, sie hätten sich<br />

als bisher freie Leute dem Gr. Joh. Georg von Hohenzollern<br />

ganz freiwillig als leibeigen ergeben. Stadtsiegel Hechingen<br />

mit Zollernschild und sehr schöner Umschrift: „SIGIL.<br />

CIVIUM. IN. HECHINGEN 1596."<br />

1615. 19. Dezember. Elisabeth Göttlerlin von Gruol,<br />

Haigerlocher Herrschaft, bisher frei, ergibt sich ungezwungen<br />

und ungedrungen dem Gr. Johann Gg. v. Hohenzollern leibeigen,<br />

indem sie seinen Untertan Georg Klein von<br />

Owingen ehelicht. Stadtsiegel Hechingen.<br />

1616 16. Oktober Anna Weißin von Straßberg, bisher<br />

keinem Herrn zugehörig, ergibt sich freiwillig dem Gr. Johann<br />

Gg. v. Hohenzollern leibeigen. Sie ist das Weib des<br />

Georg Koch zu Owingen. Stadtsiegel Hechingen.<br />

1617 20. Januar. Barbara Bendlerin von Bitteisch<br />

i e ß bisher frei, ergibt sich wie vorige, indem sie sich<br />

mit dem leibeigenen Hans Schwehrer zu Jungingen<br />

verheiratet. Hechinger Stadtsiegel war trotz Anzeige niemals<br />

aufgedrückt!<br />

1624 5. Oktober. Maria W e i ß i n von Straßberg hat<br />

sich von Junker Georg Dietrich von Westerstetten der Leibeigenschaft<br />

losgekauft, heiratet den Georg Braun von<br />

Owingen und ergibt sich der Grafschaft Hohenzollern<br />

leibeigen. Stadtsiegel Hechingen.<br />

1627 11. Oktober. Baltas Haasis von Tailfingen,<br />

Baiinger Amts, ist bisher frei gewesen und jetzt zu Hause<br />

n i. Killertal als Burger angenommen, ergibt sich an die<br />

Grafschaft Zollern und den regierenden Fürsten leibeigen.<br />

Stadtsiegel Hechingen.<br />

1665 31. Oktober. Maria May er in von Heiligenzimme<br />

r n, künftige Ehefrau des Aftervogts Georg Sinz<br />

zu Owingen, war bisher frei, gibt sich aber mit der Heiratsbewilligung<br />

aus wonlbedachtem freiem Mut, gutem<br />

Wissen und Willen, ungezwungen und ungedrungen in die<br />

Leibeigenschaft der fürstl. Grafschaft Hohenzollern. Stadtsiegel<br />

Hechingen war trotz Ankündigung niemals aufgedrückt.<br />

1666 9. Januar. Katharina Fischerin von Weildorf,<br />

bisher frei, hat sich mit Michae 1 S i ck i n g e r nach<br />

Owingen verheiratet und ergibt sich freiwillig in Leibeigenschaft<br />

der fürstl. Grafschaft Zollern. Siegel wie vorige.<br />

1684 4. Januar. Wachendorf: Johann Michael Till, owischer<br />

Vogt beider ritterschaftlicher Orte Hirrlinger und Wachendorf,<br />

urkundet: Anna Zweigin sei die eheliche Tochter des<br />

Karl Zweig und der Anna H ö 1 z i n, Bürger zuWachend<br />

o r f ; habe sich allzeit fromm, züchtig, ehrlich und ehrbar<br />

lieh gehalten, sei niemand leibeigen, könne also ungehindert<br />

nach Gefallen anderer Herren Schutz und Schirm suchen und<br />

annehmen. Sein Siegel: Baum, über dessen Stamm quer eine<br />

Waage gelegt ist. Helmzier: Baum zwischen 2 Büffelhörnern.<br />

Umschrift: sein Name. (Alle 17 Urk. im Erzbisch. Archiv,<br />

Freiburg, Z 307; früher angebl. im bischöfl. Archiv Konstanz).<br />

J. Ad. Kraus.<br />

Senden Sie bitte die Heimatzeiiung an Ver-<br />

wandte und Freunde! Der Verlag stellt gerne<br />

Probeexemplare gratis zur Verfügung.


a Organa 1058 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 13<br />

Aus dem Pfarrarchiv Rangendingen<br />

18 10<br />

Am 18. Januar ist mein Schwager Christoph Pfriemer,<br />

Bürgermeister und Salzfactor zu Hechingen an einem Schlagfluß<br />

nach Empfang der H. Sterbsakramente und da er 27<br />

Wochen krank gelegen selig in dem Herrn entschlafen, seines<br />

Alters 78 Jahr.<br />

Joannes Seiz Zimmermann von hier ist wegen dem Forstproceß<br />

von gnädigster Herrschaft den K. Soldaten 1794 übergeben<br />

worden, sodann in Jetalien zu Verena gestorben, und<br />

da sein Todfall durch einen K.Soldaten im Jahre 1808 bekannt<br />

gemacht worden, so wurden für denselben die gewöhnliche<br />

Exequien abgehalten am 28., 29., 30. und 31. März<br />

R.I.P.<br />

Am 8. Januar a. c. ist Caspar Kern leedig an einem Hitzigen<br />

Fieber nach Empfangung der H. SterbSakramente zu<br />

Wien im 31. Jahr seines Alters gestorben. R.J.P.<br />

Am 28. September hat es der göttl. Vorsicht gefallen die<br />

Frau Geheime räthin Maria Crescentia von Brodorotti gebohrene<br />

von Ziegler in dem 44. Jahre ihres Alters nach Enipfangung<br />

der H. Sterbsakramente am Vormittag um halb<br />

10 Uhr in eine bessere Weit abzurufen. R.J.P. Sie ist an der<br />

Wassersucht gestorben.<br />

Am 2. November sind Seine Hochfürstl. Durchlaucht unser<br />

Regierender gnädigster Fürst Herman Frideric Otto Nachmittag<br />

um halb 1 Uhr nach Empfang der Heil. Sterbsakramente<br />

in dem 60. Jahre Ihres Alters seelig in dem Herrn<br />

entschlafen. R.J.P.<br />

Seine Hochfürstl. Durchlaucht der Gnädigste Erbprinz<br />

Frideric Wilhelm haben seinem Höchst Seeligen H. Vater in<br />

der Regierung nachgefolgt, welcher an der Brustwassersucht<br />

gestorben.<br />

Das Namensfest des wirklich regierenden Fürsten Friedrich<br />

Wilhelm ist am 5. März und dessen Geburtsfest am 22. Juli.<br />

Das Geburtsfest unserer gnädigsten Fürstin ist am 19. Februar<br />

und des Erbprinzen am 16. Februar, werden beede<br />

diese Geburtsfeste miteinander gehalten und zwar alzeit am<br />

nächst darauf folgenden Sontag.<br />

18 11<br />

Am 31. August wäre die Vermehrung mit einem ungarischen<br />

Prinzen Festitiz und mit unserer gnädigsten Princessin<br />

Josephina Abend um 6 Uhr in der Pfarrkirche zu Hechingen<br />

vorgegangen.<br />

18 12<br />

Am 19. October ist die Kirch zu Bechtoldsweiler zu Ehren<br />

des H. Wendelin von dem H. Geistl. Geheimrath Decan und<br />

Stattpfarrer Weiger Hochwürden eingeweyhet worden.<br />

Am 20. d. M. ist sodan der erste Gottsdienst, als an dem<br />

Festtage des H. Wendelin in dieser Kirche abgehalten worden.<br />

Der H. Pfarrer Joseph Reiner zu Stein hat gepredigt und<br />

ich war eingeladen das Hochamt zu halten, weil ich aber<br />

nicht wegen der schlimmen Witterung dahin gehen kennte,<br />

so hat H. Pfarrer Pfriemer von Boll das Amt gehalten,<br />

auch hat H. P. Guardian Hertie seine H. Mess dorten gelesen.<br />

18 13<br />

Am 20. December hat der Fürst Windeskrez aus Kuerlanden<br />

im Pfarrhaus hier sein Quartier gehabt und am 25. d.<br />

M. d. H. General Thour und am 26. sind Reüssen hier ankommen,<br />

da war bey mir ein Mayor, es sind 160 Mann hier 5<br />

Tag gelegen. Dem Major mußte täglich für 8 Pferdte 8 Viertel<br />

Haber abgeben und diese Einquartierungen haben mi


14 HÖH EhMlZ OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 195o<br />

Bei dem Leichenbrand lassen sich deutlich die Reste eines<br />

Erwachsenen und eines Kindes unterscheiden. Ein Teil der<br />

Broncen ist vor der Verbrennung gewaltsam zerbrochen und<br />

zernackt worden.<br />

Funde: 2 offene ovale Broncearmringe mit rundem Querschnitt,<br />

glatten Enden und je 8 Kippen. Ritz- und panzverziert.<br />

Durchmesser 9,8 cm.<br />

Mindestens iu offene ovale Broncearmringe mit D-förmigem<br />

Querschnitt, Stollenenden und uiilenverziei ung. Die willen<br />

sind nicht gepunzt, sondern mit einem dreikantigen Gerät<br />

eingegraben. Mindestens 5 Ringe tragen aut der Innenseite<br />

keuiormige Schlagmarken. Hammerspuren und btaucnwuiste<br />

auf der Innenseite der Ringe zeigen, daß diese ais btangen<br />

gegossen und wohl erst nacn Anbringung der Verzierung in<br />

Ringlorm gebogen wurden. Durchmesser des besterhaltenen<br />

Stuckes 11 cm.<br />

3. Fragmentierter Broncearmring, ähnlich den vorhergehenden,<br />

Querschnitt jedoch nahezu dreieckig. Ais Verzierung<br />

keine Bögen, sondern Winkel.<br />

4. Brucnstücke von Broncearmringen mit rundem bis nahezu<br />

dreieckigem Querschnitt und Hilienverzierung.<br />

5. Broncearmringe mit vierkantigem, an den Enden rundem<br />

bis ovalem (Querschnitt mit Scnragstrichverzierung.<br />

6. Reste von üroncearmringen, vielleicht zu den unter 4.<br />

und 5. aufgezählten gehörig.<br />

7. Reste einer uroncenadel.<br />

8. Flache Broncescheibe mit Rückenöse. Durchm. 2,6 m.<br />

9. Ueber 35 kleine Bronceringe mit rhombischem Querschnitt<br />

und meist gekerbter Außenseite. Zum Teil zusammengeschmolzen.<br />

Durchmesser 1,2 bis 2,2 cm.<br />

10. Bruchstücke von 3 bis 4 verbogenen Broncebändern mit<br />

schräggeschnittenen Enden und randlichen Doppelrillen auf<br />

der Oberseite.<br />

11. Oval zusammengebogenes Bronceband, unverziert. Dm.<br />

1,1 cm.<br />

12. Drei Bruchstücke von vierkantigen, verbogenen Broncebändern.<br />

13. Geringe Reste von punzverzierten Bronceblechen.<br />

14. Wohl zusammengehörige Teile einer Haiskette. 1 flachkugelige<br />

Bernsteinperle mit Brandspuren, seitlich angebohrt,<br />

Dm. 2,5 cm; 2 ungefähr langovale Bemsteinpenen, Lange 1,2<br />

und 1,3 cm; etwa 20 kleine Ringperien aus dunkelblauem<br />

Glas zum Teil zerschmolzen, Dm. etwa 3,5 bis 4 mm; 3 gerillte<br />

Röllchen aus Goldblech, Länge 0,7 bis 1 cm; 1 gerilltes<br />

Rollchen aus Bronceblech und Reste von weitern, Länge 1,5<br />

cm; 1 Fischwirbel, Dm. 1,1 cm.<br />

15. Unkenntliche zerschmolzene Bronce- und Glasreste.<br />

16. Zylinderhaisgefäß. Stark ergänzt. Dunkelschwarzbraun.<br />

Auf der Schulter zwei umlaufende Riefengruppen, darunter<br />

eine dritte, die an vier Stellen girlandenartig gerafft ist.<br />

Unter diesen Stellen je eine Gruppe konzentrischer Halbkreise<br />

aus je vier Riefen. Nicht verbrannt. Höhe 20 cm.<br />

17. Geringe Reste einer zweiten Zylinderhalsurne mit umlaufenden<br />

Kanneluien- und Rillengruppen. Stark verbrannt.<br />

18. Doppelkonischer Becher mit leicht geblähtem, sich nach<br />

oben verjüngendem Hals. Rand schwach ausladend, nach<br />

innen abgeschrägt. Auf der Schulter zwei umlaufende Riefen,<br />

darunter aneinandergereihte flache hängende Bögen.<br />

Schwarzgrau, mäßig feiner Ton. Nicht verbrannt. Höhe<br />

12,2 cm<br />

19. Konische Schale mit horizontal abgewinkeltem Rand.<br />

Schwarzgrau, mäßig feiner Ton.<br />

20. Randstücke von mindetens zwei weiteren Schalen ähnlicher<br />

Form und Größe. Nicb 4 verbrannt.<br />

21. Flach geschweifte Schale mit abgewinkeltem, durch<br />

einen schwachen Wulst abgesetzten Rand. Auf dem Rand<br />

eingeritztes Zickzackband. Auf der Innenseite des Bodens ein<br />

einfacher Kreis, die Quadranten sind mit Riefen gefüllt. Ueber<br />

dem Boden, nach außen von einer Riefe begrenzt, eine Zone<br />

mit unregelmäßigen Einstichen. Schwarzbraun, mäßig feiner<br />

Ton. Nicht verbrannt. Dm 21,4 cm.<br />

22. Geringes Fragment eines dickwandigen, grobtonigen<br />

Gefäßes mit Fingertupfleiste.<br />

23. Kleines Fragment eines Gefäßes (Topf?) mit Einsatzloch<br />

für ehemaligen Henkel.<br />

Gammertinger Stiftungen<br />

Das Protokoll der „Geistl. Rates" zu Konstanz meldet unterm<br />

17. November 1666:<br />

Ihro Hochwürden Herr Vicarius referiert, weichergestalten<br />

von Spethischen etliche 1000 fl für J ahrtage in der Kirche zu<br />

Gammertingen vor diesem seien gestiftet worden. Die Unterpfand<br />

dafür genieße der derzeitige Junker Speth als Inhaber<br />

der Herrschaft Gan lertingen, lasse aber etwan einmal im<br />

Jahr etwas in der Kirchen nachmittags, aber das meiste bei<br />

dem Essen und Trinken halten. Obwohl im zugesprochen<br />

worden, daß er zur Erleichterung seines Gewissens solcher<br />

Stiftung nachlebe, man aber auch wissen möchte, was es für<br />

Stiftungen seien, daß er solche herausgeben solle. Zwar habe<br />

der Junker solches versprochen, doch habe es bis dato nicht<br />

getan. Daher die Frag, was zu tun sei.<br />

Einmütiger Beschluß: Der Geistl. Rat soll ihm schreiben<br />

und einen Monat zu Haltung dieses seines Versprechens und<br />

Edierung der Stiftungen ansetzen, widrigenfalls man mit<br />

Mandaten wider ihn verfahren werde.<br />

Am 9. März 1667 war die Antwort des Junkers Speth eingekommen:<br />

es seien zwar etliche Legata (Stiftungen) gemacht<br />

worden, die er auch jährlich halten lasse, dieselben aber<br />

seien niemals in authentischer Form confirmiert oder aufgesetzt<br />

worden, sondern allein auf Privatzetteln verzeichnet.<br />

Die Güter aber seien mit großer Schuldenlast beladen, daß<br />

die Stiftungen nit nach Inhalt besagter Zettel gehalten werden<br />

oder künftig confirmiert werden könnten.<br />

Beschluß: Man soll solche Antwort des Junkers dem<br />

allhier sich befindlichen Fröle (Fräulein) Spetbin und dem<br />

gewesten Trochtelfingischen Dekano mitteilen, ihren Bericht<br />

aber Herr Dekan des Kapitels um fernere Information überschreiben.<br />

(Weiteres fehlt. Erzbisch. Archiv Freiburg, Ha 213,<br />

S. 115, 184.) Krs.<br />

Innneringen<br />

1374 22. Juni. Ich Hans von Rischach, Ritter, den man nennt<br />

den Flachen, urkuntie, daß icn zu meinem Seeleheil an den<br />

Altar der Kapelle zu Inaringe in dem Dorf, da unser Frowe<br />

gändig und Huswirtin ist, vermachte: 26 T.-it. Korn, Veringer<br />

Meß, halb Vesan und halb Haber, us dem großen Zehnten<br />

der Pfarrei zu Inaringen, die ich zu leihen hab, und der<br />

kilchensatz min ist. Man soll sie jährl. us dem Zehnten dem<br />

genannten Altar und seinem Kaplan richten, und besonders<br />

dazu die Widern ze Inaringen, die derzeit Hainz Gerot baut,<br />

die jährlich gibt 30 ß Hlr, 2 Hähner und l h Vierte) Eier. Die<br />

alles stifte ich dem Altar und dem Kaplan zur Aufbesserung<br />

der Pfründe. Dabei soll Herr Peter der Maiger, Kilchherr<br />

derzeit ze Inaringen und sine Nachkommen sollen diesen<br />

Altar der Kapelle mit einem ehrbaren Priester besetzen, so<br />

wie bisher. Auch soll der Pfarrer zu Inaringen alle Jahr in<br />

der Kirche an der Kanzel uf den Tag der rechten Kylwihe<br />

(Kirchweih) und uf den Tag der Kirchwihe der Kapelle verkünden<br />

dieses. Wenn ich vorgenannter Hans von Rischach<br />

abgang von Todes wegen, das Gott lang spar, so soll der<br />

Kirchherr und Kaplan dahier zu Inaringen die Jahrzeit für<br />

mich und meine Vorfahren auf meinen jährl. Tag begehen<br />

mit Vigil und mit Seelmessen, wie gewöhnlich. Er siegelte<br />

und mit ihm der Kirchherr, Pfaff Peter der Maiger, Kylcherr<br />

ze den ziten ze Inaringen. Geben uf den nechsten Donrstag<br />

vor sant Johannstag ze Sunwenden, do waren von gottes<br />

geburt 1300 jar und darnach in dem vierten und sübenzigosten<br />

Jahre.<br />

lOr. Perg. Das erste Siegel fehlt, nur der Streifen noch<br />

vorhanden. Vom zweiten, spiczovalen Siegel ist die Umschrift<br />

weggebrochen, und nur INARINGEN noch zu erkennen. In<br />

der Mitte ein Dreieckschild, der auf einem Dreiberg einen<br />

Raubvogel (Habicht?) nach herald, links gewandt zeigt. Erzbischöfliches<br />

Archiv Freiburg, Urk. Z 595). Kr<br />

Das Donautal wurde nach Sage und Geschichte seinerzeit<br />

von Schlude in einem sehr ansprechenden Büchlein behandelt,<br />

das u. W. zwei Auflagen erlebte, aber längst nicht mehr zu<br />

haben ist. Findet sich kein Heimatfreund zwischen Tuttlingen<br />

und Sigmaringen oder Scheer, der sich der Neubearbeitung<br />

unterzöge? In ähnlicher Weise sollten auch die<br />

übrigen Täler der Laudiert mit der Fehla und der Starzel<br />

und Eyach volkstümlich und doch wissenschaftlich beschrieben<br />

werden. Wer wagt sich dran? Kr.<br />

Der Affenscnmalzer Jahrtag zu Ringingen 1406 wurde im<br />

Hohz. Jahresheft 1954 (i4) S. l.?l und 135 nach einer Kopie<br />

von 1799 behandelt, während das Original der Stiftung als<br />

verloren galt. Nun hat das Stuttgarter Hauptstaatsarchiv<br />

überraschend festgestellt, daß dieses Original noch wohlbehalten<br />

vorliegt und zwar ; m dortigen Archiv selbst im Bestand<br />

Blaubeuren A 323 Nr. 278. Das zweite Siegel (nämlicn<br />

Kaspars) zeigt den Ring über einem Dreiberg, wohl wie aas<br />

erste seines Vaters Heinrich; das dritte wird die gekreuzten<br />

Ziegenhörner der Elisabeth Unrain enthalten, während die<br />

beiden letzten leider nicht mehr kenntlich sind. Da die Urkunde<br />

nichts mit Ringingen bei Blaubeuren und noch weniger<br />

mit letzterem Kloster zu tun hat, muß die Einreihung<br />

auf einem Irrtum beruhen. Aber wie kam die Urkunde vor<br />

1799 von Ringingen weg? Krs.


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 15<br />

Ein Siegelstock des ehm. Kapitels Trochtelfingen aus Messing<br />

befindet sich im Besitz von Herrn Oberlehrer i. R. Anton<br />

Walter in Ebingen, Schmiedstr. 9. Der runde Abdruck<br />

von 3,7 zu 4 cm zeigt die Umschrift: SIGILL. CTPIT.<br />

TROCHTELFINGANI, in der Mitte das bischöfliche Konstanzische<br />

Wappen aus drei Teilen: 1 und 2 je ein Balkenkreuz<br />

(Konstanz und Reichenau?) und 3 das Wappen von<br />

Oehningen, dessen Herr der Bischof seit 1535 war, nämlich<br />

ein von zwei Händen gehaltener aufrechter Schlüssel. Das<br />

Bischofswappen ist überhöht von Bischofsstab und Schwert<br />

und darüber dem Fürstenhut. Beiderseits sieht man je einen<br />

Heiligen; rechts (heraldisch) den Bischof Konrad mit Kelch<br />

und Spinne, Mitra und Pluviale, links einen Ritter mit<br />

Schwert, Turban, Palme und Mantel, wohl der hl. Pelagius.<br />

Unten im Siegel zeigt ein ovaler Schild einen Rosenstrauch<br />

mit drei großen Rosen und je 3 Laubbläitchen beiderseits.<br />

Dieser Strauch soll zweifellos das Abzeichen des Kapitels<br />

sein. Außer dieser letzten Zutat gleicht das ganze natürlich<br />

ohne Umschrift sehr stark dem Bischofswappen von Konstanz<br />

im Personalkatalog von 1794 auf der vorausgebundenen<br />

Diözesankarte Krs.<br />

Originell ist die Datierung einer Urkunde zu Freiburg vom<br />

Jahre 1^96 „an dem sunnentage do man vierzehen<br />

tage hatte bletz gesse n." Hefele bezieht<br />

es mit E. Ochs auf das Essen der Fastnachtsküchlein am<br />

Sonntag Invocavit (1. Fastensonntag, hier 12. Febr.),<br />

was nicht ganz überzeugend klingt. Es käme doch auch der<br />

Fastnachtssonntag (Esto mihi) oder der unmittelbar<br />

zuvor liegende Schmotzi ge oder Aunsennige Donnerstag<br />

infrage, was dann 14 Tage später den 19. und<br />

nicht den 2 6. Februar ergibt. Andernfalls hätte man<br />

ehemals nicht vom Fastnachts - sondern vom Fastenküchlein<br />

geredet. „Schneider bletz" heißen im Hohenzollerischen<br />

heute noch die an Form und Größe ungleichen<br />

Fettküchlein, die man früher an Fastnacht in Menge genoß.<br />

Tierfett, auch Butterschmalz, heißt Schmotz (daher obiger<br />

Name des Donnerstags) und dieses war ehemals in der Fastenzeit<br />

außer den Sonntagen verboten. Darum hat man<br />

sich eben an Fastnacht noch damit besonders gütlich<br />

getan. Bletz ist Mehrzahl von Blatz oder Platz, das vom lat.<br />

placenta = Kuchen abgeleitet wird. In Ringingen (Hohenz.).<br />

ist übrigens heute noch der auf den 2. Juli oder unmittelbar<br />

nachher treffende Sonntag ein (Schmalz-)Küchlestag, ein auch<br />

durch Flurprozession ausgezeichneter Sonntag. Die „brutelouft"<br />

S. 287 oder Vermählung hieß bei uns noch vor 30<br />

Jahren Bräutlauf. Den (zollerischen) Schenken Walter von<br />

Andegg und seinen Schwiegervater Schenk Burkart von Wittichenstein<br />

bei Schenkenzell 1297 finden wir S. 234.<br />

Den Vorgang der uralten Herstellung von Flecht-<br />

Riegel-Wänden, die nach einer Dauer von über 5 000<br />

Jahren erst vor 2 Menschenaltern durch moderne Bauweise<br />

abgelöst worden sind, schildert H. Heimberger in der „Badischen<br />

Heimat", FreiDurg, 1953, Heft 4 S. 333 ff. Die Namen<br />

der einzelnen Werkzeuge und Stoffe mögen zwar im Badischen<br />

etwas anderes gewesen sein, als bei uns, aber die Sache<br />

selbst war gleich. Die Flechtruten hießen in Ringingen: Reige(r)ten.<br />

Kr.<br />

Was bedeutet Stellbiirdin? In dem Brucnstüct eines fürstenbergischen<br />

Urbars vom Jahre 1562 über Melchingen<br />

(Arch. Donaueschingen Vol. VIII, D, Fasz. 2) findet sich im<br />

ganzen 22 mal unter den Abgaben der Höfe auch verzeichnet:<br />

„Für die Stellbürdin (auch Stel-, und viell. Stolbürdin)".<br />

Dabei sind 21 mal 5 Schilling 6 Heller und einmal 2 ß 9 Hlr.<br />

(dies offenbar als halbe Summe) zu zahlen und zwar an den<br />

Ortsherrn Fürstenberg. Bürdin bedeutet Last oder Abgabe.<br />

Bei fürstenbergischen I 3hen z. B. lauten die Abgaben:<br />

„12 ß Wiesenzins, 5 ß 6 Hlr. für die Stellbürdin, 4 Sei:Vesen<br />

und ebensoviel Haber, 4 Sri Vogthaber, 1 Vogthenne, 1<br />

Fastnachtshenne, 2 Herbsthühner, 2 Schultern (Schinken!), 10<br />

Käs, V2 Vtl. Eier 60), ist vogt- und dienstbar." Bei vier<br />

weiteren fürstenbergischen Höfen fehlt diese Stellbürdin, bei<br />

sonst ähnlichen Lasten; statt deren findet sich ein Zins von<br />

5 ß, oder 1 Pfd. 5 ß, oder 17 ß, oder "5 ß Hlr. fürdi Vogt<br />

e i", wobei unter diesem Zins vielleicht obige Stellbürdin<br />

zu vermuten ist. Bei vier andern Lehenhofen, die fremden<br />

Herren gehören, dabei zweimal der Kaplanei Neufra, finden<br />

sich nur „Wiesenzins, Stellbürdin, Vogthaber, Vogthenne, ist<br />

vogt- und dienstbar", aber keine Lehengilt, die offenbar den<br />

fürstenbergischen Renovator nicht interessierte. Ein Hof des<br />

Galli Straubinger gibt nur "5 ß Vogteizins, 2 Sri vogthaber,<br />

1 Vogthenne", gehört also wohl nicht zu Fürstenberg.<br />

Die zwei Höfe cor Neufraer Kaplanei geoen jährlich an den<br />

Ortsherrn: Für die Stellbürdir r B 6 hl., Vogthaber 2 Sr., 1<br />

Vogthenne und sind vogt- und dienstbar. Vach der Doppelhof<br />

des Klosters Stetten b. Hech. (des Ludin Visel) zahlt „fü<br />

die Vogtei 5 ß, Vogthaber 3 Sri, 1 Vogthenne und nochmal<br />

4 ß Hir." (da ursprünglich 2 Guter). Man möchte nach allem<br />

vermuten, daß Stellbürdin eine Geldgabe an den Vogt war,<br />

eine Art Ablösung der Pflicht, die Pferde des Vogts einzustellen.<br />

Oder wer weiß etwas Besseres? J. Ad. Kraus.<br />

Huntare, Hundertschaft, Centena erfuhr durch Hans Jänichen<br />

eine neue Deutung in „Beiträge zur Landeskunde hgg,<br />

vom statist. Landesamt für Württemberg-Hohenzollern Nr. 1<br />

(1951) S. 97 ff." Bekanntlich hieß das Gebiet um Hechingen<br />

einst Hattenhuntare, das um Münsingen Munigeshuntare.<br />

Während man bisher bei Hundertschaft an 100<br />

Bauernhöfe oder 100 waffenfähige Alemannen denken wollte,<br />

was Prof. Dannenbauer völlig ablehnte, versteht Jänichen<br />

unter „hunta" (Hundertschaft, centena) eine fränkische Besatzung,<br />

die an verschiedenen militärisch wichtigen Punkten<br />

des Alemannenlandes eingesetzt war. Die Huntari oder Führer<br />

derselben seien Organe der königlich fränkischen Verwaltung<br />

gewesen, deren Bezeichnung von ehemals römischen,<br />

dann im Frankenreich übernommenen Zentenaren herzuleiten<br />

sei. Die Hattennuntare um Hechingen wäre somit der<br />

Amtsbezirk eines Huntari namens Hatto, später<br />

seine durch Rodung ausgebaute Grundherrschaft<br />

oder ein kleiner Gau, der noch länger seinen Namen<br />

fortleben ließ. Neben dieser militärischen Besetzung des Alemannenlandes<br />

dürfte schwerlich auch eine zivile Verwaltung<br />

von den Franken eingerichtet worden sein. Die Stammesherzöge<br />

werden also in ihren Bereichen weitgehend autonom<br />

geblieoen sein. Theod. Mayer berichtet darüber in seiner Abhandlung<br />

über die Frühzeit der Diözese Konstanz in Beziehung<br />

zu St. Gallen in der „Schweizerischen Zeitschrift für<br />

Geschichte (2. Jahrg. 1952, S. 473—524). Krs.<br />

Ein Anwander ist ein Acker, mit dem gelehrte Werke oft<br />

nichts anfangen können. Auch Lexer meint in seinem mittelhochdeutschen<br />

Handwörterbuch, er sei ein Angrenzer. Aber<br />

was soll das heißen? Angrenzer ist schließlich jedes Grundstück!<br />

Auf der Alb ist-ein Anwander (soweit noch keine<br />

Flurzusammenlegung und keine Wege zu jeder Anwand bestehen),<br />

ein Acker, auf dessen Längsseite mehrere andere<br />

Aecker anstoßen, die somit das Recht haben, auf ihm<br />

den Pflug zu wenden. Die Anwander verschwinden natürlich<br />

in dem Maße, als man zu jeder Ackeranwand einen Weg hat,<br />

auf dem dann der Pflug gewendet werden kann. Kr.<br />

1603 2. Juni, Schelklingen: Maximilian Schenk von Staufenberg<br />

zu Altheim, Hauptmann zu Konstanz, sowie Konrad<br />

von Werdnau zu Pfauhausen, Unterboihingen, Dießen und<br />

Böringen, urkunden: Der edle Hans Reiß von Reißenstein,<br />

der Letzte seines Namens und Geschlechts, hat nach Hettingen<br />

einen Jahrtag gestiftet, wegen Leibschwachheit und Tod<br />

aber nicht mehr unterschreiben und siegeln können. Somit<br />

bestätigen sie zu Schelklingen als seine Bevollmächtigten<br />

diese Stiftung, wie sie im Briefe steht. Beide siegeln.<br />

(Pfarramt Hettingen.)<br />

Berichtigung: Seite 16 „Kirchenbücher in Baden"<br />

muß es in der 7. und in der drittletzten Zeile heißen: Dr.<br />

Hermann Franz.<br />

An das<br />

in<br />

<strong>Postamt</strong>


16 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Heimatschrifttum<br />

Oer Verlag Schnell & Steiner in München hat in seiner Reihe<br />

„Kunstführer" eine sehr sympathisch ansprechende Monographie<br />

über Beuron, die Benediktinerabtei im Donautal,<br />

herausgebracht. Verfasser der Schrift ist Pater Ursmar<br />

Engelmann, Prior und Bibliothekar der Erzabtei Beuron.<br />

Die Monographie berichtet über die wechselvolle, von Heimsuchungen<br />

gefüllte 700-jährige Geschichte des alten Klosters<br />

Beuron von 1077 bis 1802, von der Landschaft, von den Besitzungen,<br />

Gefällen und Gerechtsamen des Klosters, von den<br />

hohen mönchischen Leistungen, von der wissenschaftlichtheologischen<br />

Arbeit der Augustinerchorherren, die z. Zt. der<br />

Aufhebung des Klosters eine Bibliothek mit 20 000 Bänden<br />

aufgebaut hatten, weiter von der Auflösung des Klosters<br />

durch den Reichsdeputationshauptschluß 1802 mit der Säkularisierung<br />

und dem Uebergang der Klosteranlagen in den<br />

Besitz des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen. Ein besonderer<br />

Abschnitt der Monographie ist der Entwicklung der<br />

im Jahre 1862 mit Hilfe der Fürstin Katharina von Hohenzollern<br />

neu errichteten Beuroner Benediktinerkongregation<br />

gewidmet. Hier erfahren wir von dem klösterlichen Wirken,<br />

aber auch von der vielseitigen wissenschaftlichen Tätigkeit<br />

der Beuroner Kongregation, von der theologischen Hochschule,<br />

von der Bearbeitung des „Schott", von den Arbeiten<br />

des „Vetus-Latina-Instituts", vom Wesen der von Pater Desiderius<br />

Lenz gegründeten Beuroner Kunstschule, von der<br />

Architektur der Beuroner Gnadenkapelle mit dem Gnadenbilde<br />

der Pietä aus dem 15. Jahrhundert. Eingehend ist die<br />

Geschichte der Bauten und der Kirche mit ihren Künstlern<br />

dargestellt. Kurz: die Schrift bietet in gedrängter Fülle all<br />

das, was uns an Beuron geschichtlich, kunstgeschichtlich und<br />

religiös, auch aus der Gegenwartsschau; interessiert. Man<br />

darf dankbar sein für die Monographie, die in vorbildlich<br />

schöner, knapper und klarer Form dem Heimatfreund, und<br />

nicht nur diesem, all das bietet, was er von einer solchen<br />

Monographie über Beuron erwartet. Die Monographie erhält<br />

ihren vollen Wert durch die drucktechnisch vollendeten Bilder,<br />

die ihr in reicher Fülle beigegeben sind. (Preis 4.— DM.)<br />

J. M.<br />

Biographien von hohenzollerischen Heimatforschern standen<br />

schon vor Jahren (noch unter Hebeisen selig) auf dem<br />

Programm des hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong>s. Aber nur<br />

die sehr schöne Sebastian Lochers ist im Hohz. Jahresheft<br />

1937 aus der Feder von Franz Keller erschienen. Und<br />

doch verdiente auch der Lehrer Jakob Barth aus Gammertingen<br />

einmal näher behandelt zu werden. Er schrieb<br />

in Ringingen 1865 ff. die Schulchronik, und ließ im Druck<br />

erscheinen: 1.) Geschichte des fürstl. fürstenbergischen Hüttenwerks<br />

Tiergarten, Sigmaringen, Liehner 1858. 2. Hohenzollernsche<br />

Chronik oder Geschichte und Sage der hohenz.<br />

Lande, Sigmaringen bei Tappen 1862 (584 S.). 3.) Anleitung<br />

zur Anlegung von Orts-Chroniken, 1867 bei Tappen-Sigmaringen,<br />

48 S. 4.) Geschichte der Stadt Geislingen 1880 (wohin<br />

er 1869 von Ringingen kam). 5.) Geschichte der Stadt Engen<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

und der Herrschaft Hewen, Engen 1882. 6.) Vor dreihundert<br />

Jahren. (Aus der Zimmerischen Chronik) Selbstverlag als<br />

Hauptlehrer in Gelsingen, 1888, 151 S., gedruckt von Werner<br />

in Gammertingen. 7.) Geschichte der Stadt Stockach, 412 S.;<br />

Stockach 1894. Die von Thiergarten stammende Frau Barths<br />

scheint ihm durch Krankheit viel Sorgen bereitet zu haben.<br />

Dort war er vor Ringingen angestellt. Als Lehrer hat er noch<br />

Latein gelernt, um die Urkunden lesen zu können. Die Pfarrchronik<br />

von Ringingen enthält noch einiges zu seiner Charakterisierung.<br />

JaKob Barth wurde in Gammertingen am 23. 7.<br />

1825 geboren; er starb in Geisingen bei Donaueschingen im<br />

Jahre 1894.<br />

Der Name Alb für unser heimatlicnes Gebirge wurde in<br />

Jahrg. 1952 S. 46 kurz behandelt. Nun ist 1957 im Verlag des<br />

Schwab. Albvereins darüber ein ganzes tiefgründiges Buch<br />

von Hans Widmann-Tübingen erschienen, auf das hiermit<br />

wirkliche Interessenten hingewiesen seien. Es setzt allerdings<br />

ziemliches Studium voraus, sonst kommt man nicht<br />

mit. Kr.<br />

Hermann Franz: Die Kirchenbücher in Baden<br />

Die Kirchenbücher, also Tauf-, Ehe- und Totenbücher einer<br />

Pfarrei sind wichtige Geschichtsquellen und lassen in ihrer<br />

Vielseitigkeit Einblick zu in das kirchliche und gemeindliche<br />

Zusammenleoen, über die soziale Struktur der Bewohner<br />

usw. Für Baden kam soeben im Verlag G. Braun GmbH.,<br />

Karlsruhe, eine 3. Auflage über die Kirchenbücher heraus,<br />

die Ministerialdirektor i. R. Dr. Hermann Kanz in Karlsruhe<br />

nach fast 45jähriger Beschäftigung mit der ihm ans Herz<br />

gewachsenen Materie bearbeitete. In der umfassenden Einleitung<br />

wird die Entstehung der Kirchenbücher behandelt als<br />

rein kirchliche Einrichtung, die Kircheiibuchführung unter<br />

staatlichem Einfluß, Bekenntniszugehörigkeit der einzelnen<br />

Landesteile, ehemals zu Baden gehörige Orte links des<br />

Rheins, in Württemberg, Hohenzollern. Kirchenbücher der<br />

Altkatholiken, der Freikirchen, der Juden. Militärkirchenbücher<br />

u. a. Dann erst kommt das ausführliche Verzeichnis<br />

der Kirchenbücher in Baden.<br />

Für uns in Hohenzollern sind die Hinweise von Interesse,<br />

wenn hohenzollerische Orte in badische Pfarrei übergreifen<br />

und umgekehrt, oder wo es früher solche Einpfarrungen gab.<br />

Das „Verzeichnis der Kirchenbücher Hohenzollerns" von Dr.<br />

Franz Haug im Sammelj ahrgang 1941—1949 der Hohenzollerischen<br />

Jahreshefte erschien übrigens in Gammertingen,<br />

nicht in Hechmgen, wie es irrtümlich bei Hermann Frey<br />

heibt. Es verdient dankbar vermerkt zu werden, daß zahlreiche<br />

Hinweise unserer Heimatliteratur genannt sind.<br />

N. Maier.<br />

Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler<br />

(neu bearbeitet von Ernst Gall<br />

- Westl. Schwaben - Manchen 1956).<br />

Unter dieser Ueberschrift brachte Dr. Schupp in unserer<br />

Zeitschrift Nr. 4, Oktober 1957, eine Richtigstellung bezüglich<br />

des Relie 5 über dem Hauptportal des Schlosses zu Sigmaringen.<br />

Für weitere Beispiele, an Ungenauigkeiten in dem<br />

genannten Werk sei angeführt, daß Hedingen S. 194 mit der<br />

Josephskapelle als selbständiger Ort erscheint, obwohl bereits<br />

S. 191/192 das „ehemalige Franziskanerkloster Hedingen"<br />

und die „Josephskapelle" unter Sigmaringen behandelt<br />

werden. Auch das Schloß :,indich bei Hechingen wird S. 214<br />

als selbständiger Ort aufgeführt. Im Abschnitt „Hechingen,<br />

Umgebung" wird S. 217 Dettingen genannt mit seiner spätgotischen<br />

Muttergottes auf dem nördl. Seitenaltar sowie den<br />

hl. Petrus und Andreas am barocken Hochaltar. Erwähnt<br />

wird ferner das ehemalige Amtshaus des Klosters Muri<br />

(Schweiz), 4flügelig mit Innenhof. Auf Seite 234 im Abschnitt<br />

„Freudenstadt, Umgebung" kommt Dettingen noch einmal<br />

mit kaum verändertem Text! — Solche Irrtüme: dürften in<br />

einer Neuauflage nicht vorkommen; offensichtlich sind „Die<br />

Kunstdenkmäler Hohenzollerns" 1939 und 1948 noch nicht<br />

überall bekannt! M. Sch.<br />

Berichtigung. Es ist ein Irrtum, wenn an dieser Stelle 1957<br />

S. 59 angegeben wurde, die ehem. Burg Schmeien habe<br />

unweit der Mündung des Baches auf der rechten Seite gestanden.<br />

Wie der ausgezeichnete Kenner der Alb. Willy Baur,<br />

in den Albv. Blatt. "934 S. 273 ff. dartat, lag die Burg unmittelbar<br />

nördlich von Unterschmeien auf dem nach Westen<br />

ins Schmeiental vorspringenden Bergrücken. Baur beschreibt<br />

dort auch den Standort des Burgstailes Storz<br />

i n g e n rechts dei Schmeie. Nach H. Rieger in der Festschrift<br />

zum Gauturnfest 1957 in Kaiseringen heißt der Felsen<br />

über dem Bahnhof Kaiseringen und der Ottilienkapelle<br />

(westlich) „Schlößlefelsen", doch sind keine Gebäudespuren<br />

vorhanden.


Hohenzollerische Heimat<br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />

Postverlagsort Gammertingen<br />

Nummer 2 Gammertingen, April 1958 8. Jahrgang<br />

/. Teil Wie spricht der Schwabe den Doppellaut „ei" aus ?<br />

Welchem Schwaben ist es nicht schon begegnet, daß er<br />

jenseits der Grenzen des schwäbisch-alemannischen Kulturraumes<br />

ob seiner heimatbetonten Aussprache des Schriftdeutschen<br />

aufgezogen, geneckt oder belächelt worden ist?<br />

Zwar geben alle deutschen Stämme der Aussprache des<br />

Schriftdeutschen Klang und Färbung ihrer heimischen Mundart<br />

mit, der Schwabe aber fällt vor allem wegen der Aussprache<br />

des Doppellautes ei auf, der bekanntlich im Hochdeutschen<br />

bzw. in der künstlichen Bühnensprache stets als<br />

ai, von den Schwaben aber, auch wenn sie Schriftdeutsch<br />

reden, bald als ai und bald als ei ausgesprochen wird. In<br />

dem bekannten Lied vor der Predigt: „Komm, Heiliger<br />

Geist", wird jeder Schwabe und Süddeutsche das ei in den<br />

Worten „Heiliger Geist" als ai aussprechen. Kein Schwabe<br />

aber wird jemals sagen: „Drai Raiter sind glaichzaitig durchs<br />

Ziel"! Wenn im Schriftdeutschen unser Doppellaut in dem<br />

Worte Reif als ai ausgesprochen, sowohl den gefrorenen Tau<br />

wie den Faßreif bedeutet, so unterscheidet der Scnwabe<br />

scharf zwischen Reif = gefrorenem Tau als ei ausgesprochen<br />

und Reif = eisernes Band um Fässer, Bütten usw. als ai<br />

ausgesprochen.<br />

Als Beispiele für die schwäbische ai-Aussprache (gemeinschwäbisch<br />

oi oder oa) des schriftdeutschen ei seien angeführt:<br />

leiten, reisen, reizen, teilen, zeichnen; heilig, beide,<br />

heiß, heiter, weich; Fleisch, Geist, Kleid, Leisten, Scheitel,<br />

Speiche, Teig<br />

und für die ei-Aussprache: greifen, leiden, pfeifen, reißen,<br />

reiten; frei, leicht, reich, seicht, weiß; Eifer, Eisen, Fleiß,<br />

Geiz, Reiter, Scheit und Weib.<br />

Die verschiedene Aussprache des schrifcdeutschen ei im<br />

Schwäbischen ist nun nicht willkürlich, wie man zunächst<br />

glauben könnte, sondern nach strenger Gesetzmäßigkeit<br />

sprachgeschichtlich begründet. Als Regel gilt: Alle Wörter<br />

der schwäbischen ai-Aussprache — gemeinschwäbisch oi oder<br />

oa — des hochdeutschen Lautes ei wurden schon vor 1000<br />

Jahren als ai ausgesprochen und auch geschrieben, während<br />

sich das ei der Wörter mit ei-Aussprache auf dem langen i<br />

des Mittelhochdeutschen (vom Jahre 1100—1500) entwickelt<br />

hat. Erst seit der Zeit Luthers hat sich dann für beide<br />

Laute allgemein die Schreibweise ei durchgesetzt. Das alte<br />

Am 26. 11. 1957 hatte sich der Todestag des Dichters Joseph<br />

von Eichendorff zum hunderten Male gejährt. Aus diesem<br />

Anlaß wurde in ganz Deutschland, in der Tagespresse<br />

und in Schulen, des „letzten Ritters der Romantik" gedacht.<br />

Für uns ist es von besonderem Interesse zu wissen, daß der<br />

Dichter, in dem die romantische Lyrik ihre Vollendung gefunden<br />

hat, zum trauten Freundeskreise des Prinzen Jo-<br />

Zum Eichendorff-Jahr 1957<br />

ei, vom Schwaben ai gesprochen, auf gemeinschwäbisch oi<br />

oder oa, war also stets ein Doppellaut, wänrend das junge,<br />

spitze ei, wie angeführt, ein altes i war. Dieses alte i hat sich<br />

bis heute noch in der hochalemannischen Mundart im südlichen<br />

Schwarzwald, am Hochrhein entlang, am Bodensee<br />

und in der Schweiz erhalten, z. B. Weiber = wiber, Wein =<br />

win, Rhein rin, Scheiter = schiter, Reiter = riter. Im<br />

Schwäbischen hat sich das lange i nur in wenigen Wörtern in<br />

die Gegenwart herübergerettet. So werden die Weiden, Ruten,<br />

die an den Ufern von Gewässern und auf nassen Standorten<br />

wachsen und hauptsächlich zum Korbflechten verwendet<br />

werden, auch im Schwäbischen heute noch Widen genannt.<br />

Doch keine Regel ohne Ausnahme: Vor den Nasallauten m<br />

und n färben sich in der schwäbischen Volkssprache die<br />

Selbstlaute ab, und altes und junges ei sind kaum mehr zu<br />

unterscheiden. So haben Bein und Stein altes ei, das schon<br />

im Althochdeutschen vorhanden ist, mein und dein aber junges<br />

ei, von min oder din herkommend, während die ei-<br />

Aussprache aller 4 Wörter gleichlautend ist. Noch einige wenige<br />

andere Wörter folgen der Regel nicht, weil sie der<br />

schwäoischen Volkssprache ursprünglich fremd sind und erst<br />

in späterer Zeit von außen hereinkamen.<br />

Als Grundsatz aber hat zu gelten, daß der Schwabe das<br />

alte ei hochdeutsch und halbmundartlich als ai, gemeinschwäbisch<br />

als oi oder oa, das junge ei aber als ei ausspricht,<br />

während das Schriftdeutsche oder die Bühnenspracne<br />

heute für alle ei die Aussprache ai verlangt.<br />

Unsere Heimatsprache hat also die historische Unterscheidung<br />

zwischen altem und jungem ei beibehalten und damit<br />

einen wertvollen sprachlichen Vorgang bis in die Gegenwart<br />

festgehalten. Wir brauchen also keine Minderwertigkeitsgefühle<br />

aufkommen oder uns gar necken lassen, wann wir in<br />

der Fremde beim Gebrauch der schriftdeutschen Sprache als<br />

Schwaben erkannt werden. Unsere von der Muttersprache,<br />

der Mundart, herrührende Aussprache des Doppellautes ei<br />

ist keineswegs sinnlos oder willkürlich, sondern sprachgeschichtlich<br />

wohl begründet. Haben wir daher nicht nur Verständnis<br />

für unsere Mundart, sondern auch Ehrfurcht!<br />

M. Scnaitel.<br />

seph von Hohenzollern-Hechingen gehörte, des<br />

letzten Fürstbischofs von Ermland und Titularabtes von<br />

Oliva und Pelplin. Schon bald nach der Uebernahme seines<br />

Bistums schritt der Hohenzollernprinz zu Reformen auf dem<br />

Gebiete der Theoiogenausbildung, wie auf dem Gebiete des<br />

Volksschulwesens. In Verbindung mit Schulmännern arbeitete<br />

er selbst Katechismen, Lesebücher und Stoffverzeichnisse


18 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

aus. Da Eichendorff in Danzig als Regierungs- und Schulrat<br />

tätig war, kam er bald mit dem Fürstbischof in Verbindung.<br />

Aus dem dienstlichen Verkehr erwuchs im Laufe der Jahre<br />

ein inniges Freundschaftsverhältnis. Nach dem landschaftlich<br />

herrlich gelegenen Oliva, war es von Danzig aus nicht<br />

weit. Im Kreise hochgebildeter und gleichgestimmter Männer,<br />

die der Fürstbischof um sich versammelte, fand unser<br />

Dichter das, was ihm der Dienst als preußischer Beamter<br />

nicht geben konnte. Auf des Gastgebers Wunsch dichtete<br />

Eichendorff nachstehendes Marienlied, das beim erstmaligen<br />

Anhören dem zartfühlenden Fürstbischof Tränen entlockte:<br />

1. O Maria, meine Liebe!<br />

Denk' ich recht im Herzen dein:<br />

Schwindet alles Schwer' und Trübe,<br />

Und, wie heller Morgenschein,<br />

Dring's durch Lust und ird'schen Schmerz<br />

Leuchtend mir durchs ganze Herz.<br />

2. Auf des ew'gen Bundes Bogen,<br />

Ernst von Glorien umblüht.<br />

Stehst du über Land und Wogen;<br />

Und ein heimlich Sehnen zieht<br />

Alles Leben himmelwärts<br />

An das große Mutterherz.<br />

3. Wo Verlass'ne einsam weinen<br />

Sorgenvoll in stiller Nacht,<br />

Den vor allen läßt du scheinen<br />

Deiner Liebe milde Pracht,<br />

Daß ein tröstend Himmelslicht<br />

In die dunklen Herzen bricht.<br />

4. Aber wütet wildverkehrter<br />

Sünder frevelhafte Lust:<br />

Da durchschneiden neue Schwerter<br />

Dir die treue Mutterbrust;<br />

Und voll Schmerzen flehst du doch:<br />

Herr! vergib, o schone noch!<br />

5. Deinen Jesus in den Armen,<br />

Uebern Strom dei Zeit gestellt,<br />

Als Jas himmlische Erbarmen<br />

Hütest Du getreu die Welt,<br />

Daß im Sturm, der trübe weht,<br />

Dir kein Kind verloren geht.<br />

6. Wenn die Menschen mich verlassen,<br />

In der letzten, stillen Stund',<br />

Laß mich fest das Kreuz umfassen.<br />

Aus dem dunklen Erdengrund,<br />

Leite liebreich mich hinaus,<br />

Mutter, in des Vaters Haus! M. Sch.<br />

Die Hügelgräber-Friedhöfe um Gammertingen<br />

Im Jahre 1893 veröffentlichte Dr. Zingeler einen umfassenden<br />

Bericht über den damaligen Stand der vor- und frühgeschichtlichen<br />

Forschung in Hohenzollern. Hiermit hat der<br />

Verfasser unserm Lande einen unermeßlichen Dienst geleistet,<br />

weil viele Funde und Fundorte sonst sicherlich in Vergessenheit<br />

geraten wären. In dem Abschnitt „Broncezeit"<br />

schreibt Dr. Zingeler:<br />

„Endlich ist die Wissenschaft in den Stand gesetzt worden,<br />

mit relativer Genauigkeit die Zeit zu bestimmen, in welche<br />

die Broncezeit zu versetzen ist. Und die Beweise für diese<br />

Behauptung? Sie liegen in gleicher Weise wie für die Broncezeit<br />

so auch für die dieser folgenden Perioden der Hallstattzeit<br />

und La Tenezeit in den Grabstätten, hauptsächlich den<br />

Grabhügeln, die jene Menschen pietätvoll ihren Toten errichteten.<br />

Sowohl im äußeren und inneren Bau der Grabhügel,<br />

wie auch in der Art der Bestattung herrscht große<br />

Mannigfaltigkeit. Sie sind entweder ganz aus Steinen aufgeschichtet<br />

mit nur wenigem Boden im unteren Teile oder aus<br />

Boden und Steinen gemischt. Solche Grabhügel gehören fast<br />

durchweg der Broncezeit an. Die Grabhügel der Broncezeit<br />

sind selten so groß wie jene der Hallstattperiode, weil zu<br />

diesen weit mehr Boden verwendet wurde. Sie haben auch<br />

die ursprüngliche Gestalt behalten, während die aus Erde<br />

gebildeten Hügel selbst auch da, wo kein Pflug sie berührte,<br />

sich durch den abfließenden Regen verflachten. Während<br />

die Steinhügel der Broncezeit (in Hohenzollern) selten<br />

einen Umfang von 50 m und 2-—3 m Höhe erreichen, gibt<br />

es Hallstattzeit-Grabhügel von 190 m Umkreis und 6 m Höhe,<br />

wie der im Leopoldswald bei Rothenlachen oder der nicht<br />

viel kleinere im Ziegelholz bei Sigmaringen. Die Art und<br />

Weise der Bestattung wechselt auch mit der Zeit. Die älteste<br />

und ältere Broncezeit kennt nur Leichenbestattung, in der<br />

jüngeren tritt schon Leichenbrand auf. In der Broncezeit<br />

sind die Beigaben der Toten weniger zahlreich als in späteren<br />

Perioden. Besonders gilt dies von den Gefäßen und<br />

Waffen, während die Frauen auch schon in jener Periode<br />

mit oft reichem Bronceschmuck bestattet wurden. Es gibt<br />

viele Broncegräber, in denen gar nichts mehr vorhanden ist.<br />

Der bestattete Leichnam und seine Umhüllung sind gänzlich<br />

verwest und sonstige Beigaben hat, man, wie es scheint, nicht<br />

mitgegeben. Der Mangel an genauen Fundprotokollen früher<br />

in Hohenzollern geöffneter Gräber macht sich auch in Bezug<br />

auf die Grabhügel der Broncezeit schmerzlich bemerkbar."<br />

Nach Ausführungen über Funde in den Grabhügeln schreibt<br />

Dr. Zingeler:<br />

„Die zahlreichen Friedhöfe und Grabhügel jener Perioden<br />

lassen unbedingt auf eine große Bevölkerung schließen.<br />

Männer und Weiber der Broncezeit müssen eher von feinem<br />

als starkem, robusten Körperbau gewesen sein. Das beweisen<br />

die Armbänder, Fußringe und Waffen jener Zeit. Es wird<br />

für die meisten Frauen unserer Zeit unmöglich sein, ein geschlossenes<br />

Armband der Bronce- und Hallstattzeit über die<br />

Hand zu ziehen, und die Schwert- und Dolchgriffe lassen<br />

ebenfalls auf eine sehr zierliche Männerhand schliefen. Für<br />

unsere Hände sind sie durchweg zu kurz. — Ein Friedhof<br />

von ganz besonderer Großartigkeit ist der bei Hettingen auf<br />

dem Bruckberg, den ich erst in diesem Sommer, aufmerksam<br />

gemacht durch Oberförster Eberhard, entdeckte. Der Bruckberg<br />

ist ein schroff abfallender hoher Felsgrat, der in das<br />

Laucherttal hineinspringt und eine weite Ausschau bietet.<br />

Auf dem hohen Plateau liegen über 100 Steinhügel der<br />

Broncezeit, ein Bild von ergreifender Wirkung. In weitem<br />

Bogen wird dieser Friedhof von einem mächtigen Steinwall<br />

umschlossen. Etwa 15 Minuten von dieser großen Hügelgruppe,<br />

die wahrscheinlich noch mehr Grabhügel enthält,<br />

liegt eine zweite Gruppe von 16 Hügeln, die auf den ersten<br />

Blick der Hallstattzeit anzugehören scheinen, bei der Ausgrabung<br />

sich aber als der Broncezeit angehörig erweisen.<br />

In einem dieser Hügel fand ich einen vortrefflich erhaltenen,<br />

der Früh-Broncezeit angehörigen Palstab."<br />

Merkwürdig erscheint es, daß Dr. Zingeler über die Hügelgräber-Friedhöfe<br />

in den Wäldern der Gammertinger Gemarkung<br />

nichts berichtete. Anscheinend blieben ihm diese<br />

völlig unbekannt. Auch seine archäologische Karte vom Jahre<br />

1896 bringt nur geringe Hinweise über Hügelgräber auf der<br />

Gammertinger Markung. Tief in Wäldern geborgen finden<br />

wir 5 größere Friedhöfe mit mehr oder weniger gut erhaltenen<br />

Stein-Grabhügeln, die wohl alle der mittleren Broncezeit<br />

angehören.<br />

1. Der Friedhof über dem We i h t ä 1 e.<br />

In der Nähe der im Jahre 1946/47 erneuerten Bogenbrücke<br />

der Hohenz. Landesbahn liegt der Waldteil Weihtäle auf der<br />

rechten Lauchertseite. In halber Höhe finde: wir r he am<br />

Fußgängerweg die in der Steinzeit bewohnte Weihhöhle Der<br />

Felsen dürfte im Frühmittelalter ein burgähnlich 5 Gebäu 5 e<br />

getragen haben; der von Menschenhand geschaffene Wallgraben,<br />

über den heute eine Holzbrücke führt, deutet auf<br />

die einstige Ansiedlung hin. Etwas weiter unten breitet sich<br />

eine aus dem Felsen herausgearbeitete Fläche, auf der sicherlich<br />

ein Gebäude gestanden hat. Oben auf der Höhe liegen weit<br />

gestreut etwa 20 Grabhügel, von denen einige dui h Steinabfuhr<br />

stark beschädigt sind. Auch ein längerer Steinwail<br />

am Waldrand weist solche Beschädigungen auf. Eine dicke<br />

Moosdecke lagert auf den unberührten Grabhügein. Ueber<br />

den Inhalt der Gräber können keine Angat^ n gegeben werden.<br />

Eine Freilegung (aber nur durch Fachleute) wird das<br />

Geheimnis über Alter und Grabbeigaben lüften. Westlich des<br />

Friedhofes dehnen sich weite Ackerflächen, auf denen die<br />

Urbewohner Ackerbau und Weidewirtschaft treiben konnten;<br />

der Wasserbedarf blieb durch die Laudiert gesichert.<br />

2. Der Friedhof im Waldteil Blaize links der<br />

der Laudiert.<br />

Die beherrschende Höhe links der Laudiert, mit Mischwald<br />

bestanden, weist ein besonders interessantes Gräberfeld auf.<br />

Etwa 60 kleinere und größere Grabhügel liegen weit gestreut<br />

im Schatten des Hochwaldes. Einige Grabhügel sind durch<br />

Steinabfuhr erheblich beschädigt, während die unberührten<br />

Hügel eine diene Moosschicht und oft einen üppigen Pflan-


Jahrgang 1958 HOHE ZOLLERISCHE HEIMAT ->9<br />

zenwuchs tragen. Wieder andere ragen beinahe kahl aus der<br />

Erde wie vor Jahrtausenden, Doch bestehen sämtliche Totenhügel<br />

aus zusammengelesenen Fundsteinen, während<br />

größere Steine eine Art Einfassung bilden. Aus einem Hügelgrab<br />

konnte ich Schmelzrückstände aus Bronce und Urnenreste<br />

mit Verzierungen bergen, die auf die Broncezeit hinweisen.<br />

(Die Funde lagern im Heimatmuseum Gammertingen.)<br />

Herr Dr. Herbert Burkarth entdeckte auf dem weiträumigen<br />

Gräberfeld einen Rechteckwall von 90 mal 45<br />

m. Außerdem erstreckt sich ein 100 m langer Steinwall<br />

am Ende der Hochfläche parallel zum Neckental. Einige<br />

kürzere Wälle südwestlich der Hochebene sind deutlich erkennbar.<br />

Da sich im Laufe der Jahrhunderte der Waldboden<br />

mehr und mehr erhöhte, ragen sämtliche Wallbauten nur<br />

noch ewa 50 cm aus dem Humusboden. Die tatsächliche Höhe<br />

der Steinwälle müßte durch Grabungen festgestellt werden.<br />

An einigen Stellen sind auch die uralten Steinwälle durch<br />

Steinabfuhr beschädigt. Allerdings ist es merkwürdig, daß<br />

nicht nur auf der Hochfläche Gräber zu finden sind, sondern<br />

viele Einzelgräber (darunter ein ganz großes) auch am West-


20 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

hange gestreut liegen. In dieser Gegend benutzten die Bewohner<br />

das bodenreiche Gelände südöstlich für Landwirtschaft<br />

und Weidewirtschaft.<br />

3. Der Hügelgräberfriedhof im Waldteil<br />

Katzensteig.<br />

Am malerischen Neckental entlang zieht sich ein Höhenzug<br />

mit dem Waldbezirk Katzensteig. Der prächtige Mischwald<br />

birgt den 3. Hügelgräberfriedhof, der nicht wie die andern<br />

ein geschlossenes Bild bietet, vielmehr ganz weit gestreut ist.<br />

Auch die Größe der Grabhügel bleibt hinter den besprochenen<br />

Gräbern der Blaize zurück. Vielleicht haben den Friedhof<br />

im Katzensteig mehrere Sippen angelegt. Die meisten<br />

Gräber sind noch völlig unversehrt und haben daher ihre<br />

Geheimnisse noch niemanden preisgegeben. Nach meiner<br />

Schätzung dürften etwa 80 Hügelgräber zu diesem Friedhof<br />

gehören<br />

4. Der Hügelgräberfriedhof auf Altenburg.<br />

In den Waldteilen auf Altenburg, mit der herrlichen Sicht<br />

auf die weiträumige Gammertinger Mulde, lagern etwa 30<br />

große (einige über 10 m lange) moosbewachsene Grabhügel.<br />

Da diese Gegend schwer zugänglich ist, blieben alle Gräber<br />

unbeschädigt. Auch ein längerer Steinwall ragt gut erhalten<br />

aus dem Waldboden.<br />

5. Der Hügelgräberfriedhof im Waldteil<br />

S t o 11 b e c k rechts der Fehla.<br />

Das malerisch schönste Tal der Gammertinger Gemarkung<br />

ist das Tal der Fehla. Ein vom Albverein markierter Weg<br />

führt steil zum Birkhof hinauf, im Mittelalter Birkach genannt.<br />

Bevor der Weg den Wald verläßt, beginnt rechts eine<br />

kleine Hochfläche, auf der ein fünfter Hügelgräberfriedhof<br />

liegt. Wer diesen Friedhof zum ersten Male betritt, wird tief<br />

beeindruckt von der großen Zahl der Gräber, die aber nicht<br />

weiträumig gestreut, sondern nahe beieinander liegen. Der<br />

Friedhof erstreckt sich auch auf einen Waldteil der Gemeinde<br />

Neufra. Es dürften etwa 200 große und kleine Grabhügel<br />

sein, die seit Jahrtausenden im Schatten des Waldes geborgen<br />

sind. Einige liegen auf waldfreier Fläche, die zur Do-<br />

mäne Birkhof gehört. Die Steine, mit denen die Grabhügel<br />

aufgebaut sind, übertreffen an Größe die der andern Friedhöfe.<br />

Ein Hügelgrab liegt geöffnet da; es ist aufgewühlt und<br />

durchsucht wprden. Freilich hat der einstige Forscher nicht<br />

bedacht, daß bei Nachbestattungen die Urnen auch seitlich<br />

zugesetzt wurden. Ein 50 m langer Steinwall durchzieht das<br />

große Gräberfeld. Die weite, ebene Fläche des Birkhofes bot<br />

den Urbewohnern überaus günstige Gelegenheit für Ackerbau<br />

und Weidewirtschaft. Der Weg aus dem Tal der Fehla<br />

bis zur Höhe führt steil ohne Kurven aufwärts und dürfte<br />

so alt wie der Friedhof sein.<br />

Rückblick und Mahnung. Wenn wir die Anlagen<br />

der 5 Friedhöfe miteinander vergleichen, zeigt sich bei allen<br />

die gleiche Form der Grabhügel. Meistens sind sie oval bis<br />

kreisrund, nur wenige rechteckig. Alle dürften in der mittleren<br />

Broncezeit, also etwa 1500 Jahre vor Christi Geburt<br />

entstanden sein. Doch darüber müssen uns die Fachleute<br />

durch Probegrabungen Auskunft geben. Die vielen Grabhügel<br />

zeigen, daß die Hochflächen beiderseits der Lauchert und der<br />

Fehla während vieler Jahrhunderte dicht besiedelt waren.<br />

Weiträumige Felder boten ausreichenden Weidegrund, Lauchert<br />

und Fehla deckten auch in Trockenzeiten den Wasserbedarf.<br />

Vielleicht geht der Ursprung der uralten Höfe Stollbeck,<br />

Lieshöfe und Birkhof auf diese Ansiedler zurück. Die<br />

pietätvolle Bestattung der Toten deutet an, daß die Sippen<br />

der Broncezeit an ein Fortleben nach dem Tode glaubten.<br />

Den Forstbeamten, die unsere Wälder hegen und pflegen,<br />

obliegt die Pflicht, um die Erhaltung der alten Friedhöfe<br />

besorgt zu sein. Beim Holzfällen und bei der Holzabfuhr<br />

sollten keine Hügel beschädigt oder zerstört werden. Nur<br />

durch den schützenden Wald blieben die Friedhöfe bis jetzt<br />

erhalten. Den Gemeindeverwaltungen verbleibt die<br />

Aufgabe, die Steinabfuhr zu verbieten, damit alle Grabhügel<br />

und Wälle auch für die Zukunft erhalten werden. Jeder<br />

Grabhügel-Friedhof bildet ein geschichtlich wertvolles Kulturdenkmal,<br />

das jeden stillen Besucher in seinen Bann zieht<br />

und an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnert. Wiest.<br />

Die großen Grabhügelfelder links der Lauchert<br />

Wohl kaum sonst in süddeutschen Landen finden wir so<br />

zahlreiche und guterhaltene Hügelgräber wie gerade auf den<br />

Höhen der Alb, die im 3. Jahrtausend vor Chr. begehrtes<br />

Siedlungsland wird. Die Erhaltung dieser Gräber verdanken<br />

wir den ausgedehnten Wäldern und Heiden, die nie der Pflug<br />

berührte. Gammertinger und Zwiefalter Alb, also der flache<br />

Höhenrücken zwischen Lauchert einer- und Lauter und Zwiefalter<br />

Aach anderseits, bergen im Schutz ihrer Wälder und<br />

Oedungen ausgesprochene Gräbhügelfelder, nicht bloß einzelne<br />

Hügel, die ja auf jeder Gemarkung anzutreffen sind.<br />

Sie haben von jeher die Aufmerksamkeit Berufener und Unberufener<br />

auf sich gezogen, und besonders am Ende des<br />

vorigen Jahrhunderts haben gelehrte und ungelehrte Maulwürfe<br />

hier eine eifrige Wühltätigkeit entfaltet. Neben dem<br />

beutelüsternen Schatzgräber, der hastig alles durcheinander<br />

warf, mühte sich der ernste Forscher behutsam und pietätvoll<br />

im Dienste der Wissenschaft. Namen wie G f r ö r e i s,<br />

Hedinger, Führ, Sautter und schließlich auch Jon.<br />

Dorn seien mit Ehren genannt; Dorn verdankt sein ausgedehntes<br />

Wissen besonders seiner langjährigen, praktischen Erfahrung<br />

und Tätigkeit, die indessen in erster Linie der Bergung<br />

von Schätzen galt. Literarisch ausgewertet wurden die<br />

Forschungsergebnisse von Professor G o e ß 1 e r, dem Leiter<br />

der staatlichen Altertumssammiungen in Stuttgart.<br />

Aber auch im Volke sind diese Grabfelder nie ganz in<br />

Vergessenheit geraten; man nannte die Gräber fälschlich<br />

Römergräber, und die allzeit geschäftige Phantasie hat um<br />

diese Totenmale der Vorzeit oft üppige Ranken geschlungen.<br />

Meist ist es dort nicht ganz geheuer; namentlich auf der<br />

Zwiefalter Alb spukt es an allen Ecken und Enden. Sautter<br />

berichtet darüber Ergötzliches: In dem Felde zwischen Hundersingen<br />

und Bremelau wollen viele Leute zur Nachtzeit<br />

einen großen Mann gesehen haben, der den Kopf unter dem<br />

Arm trug, in den 60er Jahren kamen bei hellem Tage zwei<br />

Dienstmägde von dort in atemlosem Lauf ins Dorf und sagten,<br />

sie hätten diesen Mann, der den Kopf unter dem Arm<br />

trage, gesenen, und waren nicht mehr zu bewegen, wieder<br />

aufs Feld an die Arbeit zu gehen. Das Merkwürdigste an der<br />

Sache ist nun freilich, daß Sautter, durcn die Sage veranlaßt,<br />

das Gelände dort absuchte und Grabhügel fand, die er öffnete,<br />

und siehe da!, ein Skelett trug dc-n Schädel unter dem rech-<br />

Von Hans H a n n e r t<br />

ten Armknochen. — Auf der Zwiefalter Alb wollte ihn ein<br />

80jähriges Mütterlein vor Geisterspuk schützen. Als er mit<br />

Grabwerkzeug bewaffnet zum Dorf hinausging, warnte ihn<br />

das Mütterlein eindringlich und sagte wörtlich: „Oh laud Sie<br />

doch dees Ding bleiba, ih hau schau ghairt, Sie häbet au<br />

Weib und' Kinder dahoim, und Se wearet seah, Sie komme<br />

nemme hoim, Dui Stell hott man schaun gfürcht, mo-n-ih<br />

noh a kleins Mädle gsei bi. Ih hau schaun a Vaterunser für<br />

uih beatet."<br />

Die Sitte der vorgeschichtlichen Völker, über der Stätte<br />

ihrer Toten noch lange sichtbare Hügel zu errichten, stammt<br />

her von nomadisierenden Horden, von Wandervölkern, die<br />

nach ihrem Abzüge ihre Töten nicht der völligen Vergessenheit<br />

überantwortet wissen wollten. Ausgesprochene Ackerbauern<br />

wölben keine Hügel; aber schon die steinzeitlichen<br />

Jäger kennen und üben diesen Brauch. Nichts anderes ist<br />

der Grabhügel als „des Toten Behausung", nachgebildet den<br />

Rundhütten des Stammes. Daher sorgfältiger Aufbau, daher<br />

Grabgewölbe bei Reicheren und Führern; Waffen und Wagen,<br />

Schmuck und geliebte Tiere folgen dem Herrn ins Grab,<br />

auch Sklaven. Bronce- und Hallstattzeit sind die beiden<br />

Epochen, die für unsere Alb bezeichnet sind. Zweitausend<br />

Jahre vor Chr. beginnt die Bronce-, 500 vor Chr. endigt die<br />

Hallstattzeit. Träger dieser Kulturen waren Hirten und Jäger;<br />

sie wurden angezogen von den günstigen Weide- und<br />

Jagdverhältnissen und stiegen auf heute noch erkennbaren<br />

Wegen einst auf die Albhöhen.<br />

Dem Leser bekannt ist jene weitgedehnte „Heide", die gar<br />

keine ist, zwischen Trochtelfingen und Kleinengstingen. Jetzt,<br />

nachdem die Jungviehweide dort untergebracht ist, verschwand<br />

der letzte Rest des „Heidezaubers". Man durcheilt<br />

das ganze Gebiet heute mit der Hohenzollerischen Landesbahn<br />

in wenig mehr als einer halben Stunde. In diesem weiten<br />

Raum befinden sich Hunderte von Grabhügeln, meist der<br />

Broncezeit angehörig. Auf Weiler Haid starb vor Jahrzehnten<br />

der oben erwähnte Grabhügelforscher Dorn, der hier<br />

wie anderwärts reiche Ausbeute aus aiten Gräbern schaufelte.<br />

Er fand auch den Gammertinger Goldhelm und erfuhr<br />

die ersten Anregungen zu seinen Ausgrabungen in unmittelbarer<br />

Nähe seiner Heimat, wo sich in dem nördlich anschließenden<br />

Wald „H u m m e 1 b e r g" die Hügelgruppen


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 21<br />

häufen. Auch weiterhin auf Flur „H a i d" und „Schloßb<br />

e r g" finden sich viele Gräber. Um die Mitte der Broncezeit<br />

ist diese Heide geradezu der Mittelpunkt jener glänzenden<br />

vorgeschichtlichen Kulturepoche, die in Töpferei, Waffen<br />

und Schmuck einen so eigenartigen und bodenständigen Ausdruck<br />

finden.<br />

Ein zweites bedeutendes Gräberfeld, und zwar wieder der<br />

Broncezeit angehörig, ist das von Wilsingen-Steinhilben mit<br />

sehr zahlreichen und großen Hügeln, wie wir sie vereinzelt<br />

auf der ganzen Alb finden. Wenn man aus der Spärlichkeit<br />

der Beigaben Schlüsse zu ziehen berechtigt ist, so weisen<br />

diese Gräber auf eine ärmere Bevölkerung hin. Nördlich vom<br />

Ort auf „B i r k i c h" sind zu beiden Seiten des Steinhilber<br />

Wegs 12 Hügel; in Flur „Köbele" gegen Oberstetten befindet<br />

sich ein gr ßerer Begräbnisplatz von 50 Meter Durchmesser.<br />

Auf den „Spitzäckern" sind drei Hügel, darunter einer<br />

ausgegraben mit 16 Bestattungen. In einem Grabhügel der<br />

Broncezeit auf den „Stockäckern" wurde von Dorn neben<br />

römischen Scherben eine römische Münze (Faustina)<br />

gefunden. In der Nähe des Waldes „K leiner Schmidb<br />

e r g" sind von 3 Hügeln 2 ausgegraben. Das „H a r t" hat<br />

heute noch sehr große Hügel. Dort gruben Föhr und Dorn.<br />

Letzterer fand in einem Hügel eine Grabkammer von 4 X 2,50<br />

m, mit zahlreichen Gefäßen. Aus einem Hallstattzeit-Hügel<br />

entnahm er ein eisernes Schwert. Reiche Hallstattbesiedlung<br />

hat Tigerfeld; 6 Hügel, in denen sich Tierleichen befanden,<br />

liegen auf Flur „L ehe n" östlich vom Armenhaus. Auch im<br />

Aus der Geschichte des<br />

Vielen Sigmaringern brachte in der warmen Jahreszeit ein<br />

Spaziergang nach Josephslust Freude und Erholung. In diesen<br />

trüben Dezembertagen ans Haus gebunden, wird ein<br />

Rückblick auf die Geschichte des Wildparkes von Interesse<br />

sein.<br />

Schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts wird die Wiege<br />

des heutigen Wildparks, der Walddistrikt Faulbronn, in Urkunden<br />

genannt. Nach der Zimmernschen Chronik gehört er<br />

zu dem gemeinsamen Jagdgebiet der Grafen Werdenberg in<br />

Sigmaringen und der Freiherrn von Zimmern in Meßkirch,<br />

die 1463 die Grenzen vertraglich festlegten. Es muß ein für<br />

die Jagd sehr ergiebiges Gebiet gewesen sein, denn es wies<br />

nicht nur einen besonderen Reichtum an gewöhnlichem Wild<br />

auf, auch Bären waren bis in das späte Mittelalter keine<br />

Seltenheit. Dies kann man einem Vertrag zwischen Graf Johann<br />

von Werdenberg in Sigmaringen und dem Truchsessen<br />

Eberhard zu Scheer entnehmen, wonach der Herrschaft in<br />

Scheer vom Jahre 1443 ab das Recht zustand, im Faulbronn<br />

„Bären zu jagen und Schweine zu hetzen". Eine Urkunde des<br />

Jahres 1601 bringt den gleichen Wortlaut.<br />

Ein besonders begeisterter Jägersmann war der Fürst Joseph<br />

Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen (1715—1769),<br />

der, um seiner Passion besser huldigen zu können, im Faulbronn<br />

das Jagdschlößchen Josephsiust um das Jahr 1727 erbaute<br />

und oft darin verweilte. Ursprünglich stand noch eine<br />

Kapelle dabei, und ein „ständiger Jäger" fand Wohnung in<br />

einem Nebengebäude.<br />

Im Laufe der Jahre vermehrte sich der Wildbestand, der<br />

Wildschaden wurde immer größer und die Klagen der Untertanen<br />

immer häufiger. Nun gestattete der Fürst den Grundbesitzern,<br />

ihre an den Wald stoßenden Aecker einzuzäunen,<br />

womit die Gemeinde Sigmaringendorf im Jahre 1717 den Anfang<br />

machte. Dies half aber wenig, und die wiederholten<br />

Vorstellungen und Bitten der umliegenden, besonders unter<br />

dem Wildschaden leidenden Gemeinden, die übrigens im<br />

Faulbronn das Weiderecht hatten, fanden kein Gehör. So entschlossen<br />

sich die am meisten betroffenen Gemeinden Sigmaringendorf<br />

und Ablach zu einer besonderen Maßnahme. Sie<br />

schickten, wahrscheinlich im Jahre 1770, unter der Führung<br />

des Adlerwirts von Ablach eine Deputation von drei Mann<br />

nach Wien zur Kaiserin Maria Theresia, da das Fürstentum<br />

Hohenzollern-Sigmaringen zu damaliger Zeit unter vorderösterreichischer<br />

Herrschaft stand. Die Bittsteller fanden Gehör,<br />

denn die Kaiserin verordnete unter dem 25. 8. 1770 „daß<br />

hinfüro niemand wer er immer sei, einiges Schwarzwild anders<br />

als in verschlossenen, gegen allen Ausbruch wohlverwahrten<br />

Tiergärten zu hegen gestattet sei." Das gleiche Reskript<br />

legte fest, daß Schwarzwild außerhalb der Tiergärten<br />

den Raubtieren gleichgeachtet und zu jeder Zeit „gefället"<br />

werden soll. Es gebietet ferner den Jagdherrn, Grundstücke<br />

für ihre Wildgärten von den Eigentümern nur käuflich ohne<br />

den mindesten Zwang zu erwerben. Es versagt ihnen ferner<br />

das Recht, den Besitzern der im Jagdgebiet gelegenen Wiesen<br />

die Zeit des Heu- und Grummetmachens vorzuschreiben<br />

„K apellenhau" auf Gemarkung Kettenacker befinden<br />

sich bei 20 Grabhügel. Anschließend an das Wilsinger Hügelfeld<br />

und wohl mit ihm in Zusammenhang stehend dehnt sich<br />

südostwärts davon jenes von Geisingen—Upflamör—Friedingen,<br />

dessen westliche Ausläufer bis in den „Großen Buchwald"<br />

und darüber hinaus sich erstrecken. Bronce- und<br />

Hallstattzeit sind gleich reich vertreten. Die Grabbeigaben<br />

sind nicht mehr so ärmlich und lassen auf eine wohlhabendere<br />

Bevölkerung schließen. Auf Markung Geisingen ist der<br />

sehr beachtenswerte Riesenhügel des sog. Schloßburren"<br />

östlich des Ortes in den „Buchäckern", der im<br />

Jahre 1911 vom Schwäb. Albverein als ein hervorragendes<br />

Denkmal der Vorzeit zwecks späterer eingehender Untersuchung<br />

angekauft wurde. Der ersten Eisenzeit angehörend,<br />

mißt er 35 Meter im Durchmesser bei 2 Meter Höhe. Die<br />

äußere Steinfassung aus waagrecht gelegten Schichten gab<br />

beim Volk Veranlassung zu der irrigen Meinung, es habe hier<br />

ein Schloß gestanden. S a u t e r - Hundersingen verdanken<br />

wir die Untersuchung vieler Broncezeitgräber auf Markung<br />

Upflamör. In dem großen Hügel im „Oeschba n", südlich<br />

des Orts fand er 9 Skelette, alle ostwärts orientiert, mit reichen<br />

Beigaben, worunter eine Bernsteinscheibe. Am „L a u -<br />

trieb" westlich Upflamör wieder 2 große Hügel von 10<br />

Meter Durchmesser. Vier Frauenskelette waren drin mit<br />

zahlreichen Schmuckgegenständen aus Bernstein und Bronce.<br />

Daneben kam aus einem Männergrab ein Schwert, 60 Zentimeter<br />

lang mit breiter Griffzunge, zum Vorschein.<br />

Wildparks Josephslust<br />

So sehr die Kaiserin bemüht war, den Mißständen abzuhelfen<br />

und Anmaßungen einzelner Jagdherren zurückzuweisen,<br />

so wenig muß sich aber im Faulbronn geändert haben,<br />

was folgendes Ereignis beweist. Im Jahre 1777 reiste<br />

Kaiser Franz Joseph II. zum Besuche seiner Schwester Maria<br />

Antoinette nach Paris. Er bezog in Mengen Quartier, und der<br />

dortige Magistrat nahm die Gelegenheit wahr, sich beim Kaiser<br />

über den Schaden, „den das Wild der umliegenden fremden<br />

Förste mache" zu beschweren. Der Kaiser riet, das Wild<br />

einfach abzuschießen. Diese Antwort rief aber die jagdberechtigte<br />

Herrschaft in Sigmaringen auf den Plan, denn bald<br />

darauf traf eine gegenteilige Weisung aus Wien ein. Die<br />

Schäden müssen schon erheblich gewesen sein, sonst hätten<br />

sich die Untertanen des Fürstentums Sigmaringen zu jener<br />

Zeit nicht freiwillig erboten, ein Viertel ihrer Ernteerträge<br />

abzuliefern, sofern der Wildbestand verringert würde. In dieser<br />

Zeit soll es keine Seltenheit gewesen sein, daß die Hirsche<br />

zur Zeit der Brunst in ganzen Rudeln an den Stadtrand von<br />

Sigmaringen gekommen sind. Jedenfalls sind die Klagen der<br />

umliegenden Gemeinden nie verstummt und scheinen wieder<br />

nach Wien gedrungen zu sein, denn im Januar 1786 stellte<br />

der zuständige Landvogt im „Höchsten Auftrag" an die betroffenen<br />

Gemeinden in einem Rundschreiben die Frage, ob<br />

ihnen durch die Errichtung eines Tiergartens geholfen sei,<br />

erklärte aber gleichzeitig, daß sie sich an den Kosten beteiligen<br />

müßten. Die Gemeinden wiesen auf ihre Armut hin<br />

und auf die Unmöglichkeit, diese „unerschwinglichen* Beiträge<br />

zu leisten. Inzwischen war in Sigmaringen Fürst Anton<br />

Aloys (1785—1831) zur Regierung gekommen. Er entschloß<br />

sich im Jahre 1790, den Walddistrikt Faulbronn auf eigene<br />

Kosten mit einem hohen Gatter umzäunen zu lassen. Zur<br />

Abrundung des Ganzen erwarb er im Laufe seiner Regierungszeit<br />

von sämtlichen anliegenden Gemeinden größere und<br />

kleinere Waldstücke und löste das Weiderecht gegen entsprechende<br />

Abfindungssummen ab. Die auf den erworbenen<br />

Stücken befindlichen Ziegelbütten wurden abgebrochen, da<br />

sie „nur zweifelhaften Elementen die beste Gelegenheit<br />

zum Wildern" boten. Mit dem Tierpark wurde ein größerer<br />

landwirtschaftlicher Betrieb verbunden, und in Josephslust,<br />

wohin inzwischen eine Oberförsterei verlegt worden war,<br />

wurde für die Dienstboten eine eigene Schankwirtschaft eingerichtet.<br />

Viel Leben brachten in den Tiergarten die ständig<br />

vermehrten Kohlplatten mit ihren rauchenden Meilern, die<br />

dem Hüttenwerk Laucherthal große Mengen von Kohlen für<br />

die Hochöfen lieferten.<br />

Eine nette Episode brachte das ereignisreiche Jahr 1848.<br />

Zur Beruhigung der Gemüter waren vorübergehend bayerische<br />

Truppen in unsere Gegend verlegt. Diese legten ihre<br />

„Freiheiten" des Freiheitsiahres auf ihre Weise aus und<br />

übten sich im Tiergarten im edlen Waidwerk. Dabei wurde<br />

einer dieser Nimrode von dem fürstlichen Jäger Fischer und<br />

dem Holzhauer Fidel List aus Sigmaringendorf erwischt,<br />

und es wurde inm das Gewehr abgenommen. Dadurch entstand<br />

im Lager der Bayern größte Empörung. Sie umzingel-


22 H O H E N Z O L L E B I S C H E H E I M A T Tanrgang 1958<br />

ten Josephslust und zwangen tatsächlich den Oberförster<br />

Dollenmaier, das Gewehr wieder herauszugeben. Dem Holzhauer<br />

List schworen sie Rache, lauerten ihm eines Abends<br />

auf, er aber entfloh ihnen, durchschwamm die Donau und<br />

versteckte sich für die Zeit der „bayerischen Besetzung" in<br />

Ruifingen.<br />

Im Jahre 1850 umfaßte der Tiergarten 4330 württembergische<br />

Morgen. Fürst Karl Anton entschloß sich, ihn auf<br />

2650 Morgen zu verkleinern. Nach Fertigstellung der inneren<br />

Umzäunung wurde im gleichen Jahre unter großen Schwierigkeiten<br />

und einem Aufgebot vieler Leute, mit Hilfe mächtig<br />

langer Tücher, das Wild in den inneren Tierpark getrieben.<br />

Die Umplankung des äußeren Gartens, durch die die Straße<br />

Sigmaringen-Krauchenwies führte, wurde niedergerissen. Das<br />

restliche Schwarzwild wurde abgeschossen. Glänzende Hofjagden,<br />

an denen häufig gekrönte Häupter teilnahmen, sah<br />

der Wildpark unter Fürst Leopold, dessen Nachfolger, Fürst<br />

Wilhelm, im Jahre 1906 wieder Wildschweine einsetzen ließ.<br />

Die Stürme der jüngsten Zeit hat der Wildpark auch überstanden,<br />

und es bleibt zu wünschen, daß er weiterhin mit<br />

seinen herrlichen alten Baumgruppen, seinen idyllischen<br />

Weihern, den schattigen Wegen und seinem Wild eine Quelle<br />

der Freude und Erholung sein wird. Hans Baron.<br />

Die Sonntagsheiligung in der ehem. Ritterschaft Gammertingen<br />

Bei der Teilung des Speth'schen Familienbesitzes am 25.<br />

März 1599 erhielt Caspar Bernhard Speth die Herrschaft<br />

Gammertingen mit Feld- und Harthausen. Der neue Besitzer<br />

ließ in seiner Eigenschaft als Gerichtsherr das alte Vogteigerichtsbuch<br />

erneuern und ergänzen. Das erneuerte Vogtgerichtsbuch<br />

bringt in seinem ersten Teil strenge Bestimmungen<br />

über die Sonntagsheiligung. Sie sollen hier inhaltlich<br />

wiedergegeben werden.<br />

Der Junker klagt, daß er erfahre und sehe, wie „unfleißig"<br />

man den Gottesdienst besuche. Das führe zu einem „viehischen<br />

Heidentum." Jede Person muß an Sonn- und gebotenen<br />

Feiertagen die heilige Messe, die Predigt und die Vesper<br />

besuchen. Väter und Mütter haben dafür zu sorgen, daß<br />

sämtliche Hausgenossen an den Gottesdiensten teilnehmen.<br />

Wer während der hl. Messe, der Predigt oder der Vesper<br />

tanzt, mit Karten oder Würfeln spielt, sich vor den Stadttoren,<br />

vor Wirtshäusern, vor der Kirche oder an heimlichen<br />

Plätzen aufhält, wer auf dem Kirchhof während des Gottesdienstes<br />

sitzt oder steht und sich nicht mit Fleiß ; n die Kirche<br />

verfügt, muß der Herrschaft als Strafe 5 Pfuna Heller und<br />

den Heiligenpflegern 5 Schilling entrichten. Wer aus redlicher<br />

Ursache die Gottesdienste nicht besuchen kann, soll sich in<br />

aller Stille in seinem Hause aufhalten, ohne Aergernis zu<br />

geben. Die Heiligenpfleger haben alle Manns- und Weibspersonen,<br />

die erst zum Gottesdienst kommen, wenn man die<br />

Vormesse geläutet hat und solche, die vor dem Schlußsegen<br />

den Gottesdienst verlassen, der Obrigkeit anzuzeigen. Für<br />

solche Uebertretungen beträgt die Buße 5 Schilling, die von<br />

den Heiligenpflegern einzuziehen sind. An Sonn- und Feiertagen<br />

dürfen die Handwerker zwischen den Aemtern, der<br />

Predigt und der Vesper nicht arbeiten, die Müller nicht<br />

mahlen, die Bäcker nicht backen; Schmiede, Schlosser, Schneider,<br />

kein Handwerker ausgenommen, haben vollständige<br />

Sonntagsruhe zu halten. Jede Uebertretung wird mit 5 Pfund<br />

Hellern oder Gefängnis bestraft.<br />

Bei gewissen Notständen kann mit Wissen und Willen der<br />

Obrigkeit gearbeitet werden. Wenn ein Wirt während des<br />

Amtes, der Predigt oder der Vesper an Personer Wein ausschenkt,<br />

werden Wirt und Gäste um je 3 Pfund Heller bestraft.<br />

Etliche Personen verrichten nach den Gottesdiensten<br />

weltliche Geschäfte: Dengeln, Wagen zurichten, Garben aufziehen.<br />

Der Junker will, daß solche Arbeiten vollständig unterbleiben.<br />

Handwerker, die vor der hl. Messe an Sonn- und Feiertagen<br />

arbeiten, werden bei der ersten Uebertretung um 3,<br />

bei der zweiten um 6 und bei der dritten um 9 Pfund Heller<br />

bestraft.<br />

1952 suchte ich unterm Kirchendach nach einer im Gebälk<br />

eingeschnittenen Jahreszahl und fand dabei eine alte, holzgeschnitzte<br />

Figur: Aus einem Gefäß ragt mit dem Oberkörper<br />

eine nackte menschliche Gestalt. Sie stellt den hl. Märtyrer<br />

Vitus im Pechnapf dar. Das Schnitzwerk hat eine Gesamthöhe<br />

von 34 cm. Die Bemalung ist fast ganz abgefallen.<br />

Ich konnte folgendes über den Fund erfahren:<br />

Es handelt sich um das sogenannte „Deutwanger Veitle".<br />

Dieses stand früher auf dem nördlichen Seitenaltar, neben<br />

der großen Statue des hl. Vitus. Bekleidet war das „Veitle"<br />

mit kostbaren Umhängen, die mit der Kirchenfarbe gewechselt<br />

wurden. Im ganzen Hohenfelser Bezirk und besonders<br />

im Tal (von Stockach bis Billafingen) war das „Veitle" bekannt,<br />

und es herrschte der Glaube (oder Aberglaube — wer<br />

kann da eine Grenze ziehen?), daß es bei Kinderkrankheiten<br />

helfe.<br />

Das „Deutwanger Veitle"<br />

Sonntags und werktags dürfen die Wirte nach 9 Uhr an<br />

Einheimische und nach 10 Uhr an Fremde keinen Wein mehr<br />

ausschenken, bei Strafe von 5 Pfund Hellern oder drei Nächte<br />

im Turm.<br />

(Ueber den Geldwert der hier festgesetzten Strafen siehe<br />

Seite 15, Jahrgang 1953: In den Jahren 1601—1625 beträgt<br />

der Wert eines Pfundes Heller ungefähr 14,80 Goldmark,<br />

eines Schillings 0,74 Goldrnark.)<br />

Der letzte Rundturm des ehemaligen Wasserschlosses in Dettonsee.<br />

Es besaß 4 Rundtürme. Der Hauptbau wurde 1817/18 abgebrochen.<br />

Kein Wunder, daß die Mütter der damaligen Zeit jede nur<br />

erdenkliche Hilfe suchten, denn die Kindersterblichkeit war<br />

sehr groß. In den Jahren 1874 bis 1899 starben allein in<br />

Deutwang bei 173 Geburten 60 Kinder, das sind 34 Prozent.<br />

Die Mütter holten dann jeweils das Röcklein in der Kirche,<br />

legten es dem kranken Kinde auf und opferten zum Dank<br />

ein neues Röcklein dazu. Das Röcklein war vielen wichtiger<br />

als das Gebet zun Heiligen.<br />

Fälle einer wunderbaren Hilfe wurden nicht überliefert, obwohl<br />

die Frauen damals aligemein aufs „Veitle" schworen.<br />

Pfarrer Tense, Mindersdorf, verurteilte das Geschehen als<br />

Aberglaube ganz energisch in einer Predigt.<br />

Im Jahre 1884 war das „Veitle" plötzlich verschwunden.<br />

Lange Zeit war die Bevölkerung darüber sehr aufgebracht.<br />

Die Mindersdorfer • Fuhrleute weigerten sich anfangs sogar,<br />

den Pfarrer nach Deutwang zum Gottesdienst zu fahren,


Ja! rgang 1958 H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 23<br />

Erst viel später wurde die Statue unter dem Kirchendach<br />

wiedergefunden. Die Röcklein blieben verschollen. Es ist anzunehmen,<br />

daß Pfarrer Tense das „Veitle" versteckt hatte,<br />

um dem Kult ein Ende zu bereiten!<br />

Ströbele, Deutwang.<br />

Prof. Dr. Ludwig Veit schreibt in seinem vorzüglichen Werk:<br />

„Volksfrommes Brauchtum und Kirche im deutschen Mittelalter"<br />

über die Verehrung des hl. Vitus: Die Kunst hat den hl. Vitus, als<br />

sie den Heiligen mit dem Oelkessel darstellte, ungewollt und unbewußt<br />

zum Patron der bettnässenden Kinder gemacht, die ihn vor<br />

dem Schlafengehen anrufen, damit er sie zur rechten Zeit wecke.<br />

IL Am Neujahrstage 1855 erhielt Geiselhart die Präsentation<br />

auf die Nachprediger-Pfründe in Sigmaringen.<br />

Im Jahre zuvor hatte er auf den Rat des Erzbischofs eine<br />

lange Rheinfahrt unternommen. Er sollte das kirchliche<br />

Rechnungswesen in Preußen kennen lernen und deshalb die<br />

geistlichen Kanzleien in Köln und Trier durchmustern.<br />

Eine Großtat leistete Geiselhart nach seiner Rückkehr aus<br />

den Rheinlanden durch den Ankauf des Gasthauses zur<br />

„Post" in Sigmaringen. Dieses Gebäude war das Geburtshaus<br />

des heiligen Fidelis von Sigmaringen.<br />

Eine Statue an der Front war das einzige Zeichen, das den<br />

Vorübergehenden an den berühmtesten Sohn der Stadt erinnerte,<br />

der hier am 1. Okt. 1577 das Licht der Welt erblickte.<br />

Der Kaufpreis von 8000 Gulden war für Geiselhart eine<br />

schwere Last; indes sowohl die Erinnerungen, die sich an<br />

das Haus knüpften, wie der edle Zweck, dem es von nun an<br />

dienen sollte, weckten mitleidige Herzer. zur Beisteuer milder<br />

Gaben. Geiselhart machte aus dem Haus ein trautes<br />

Heim für arme Studenten, die das Gymnasium in Sigmaringen<br />

besuchen wollten. Erzbischof Hermann von Vicari,<br />

dessen Liebling Geiselhart allzeit war, schickte von Anfang<br />

an regelmäßig jedes Jahr namhafte Summen „zur Unterstützung<br />

wenig bemittelter Studenten."<br />

Das unbegrenzte Vertrauen, das unsern Mann der Caritas<br />

immer auszeichnete, wurde auch dieses Mal wunderbar<br />

gerechtfertigt. Schon nach einem Jahre waren alle Schulden<br />

getilgt, die Einrichtung fertiggestellt und sogar noch 470<br />

Gulden bares Geld blieben übrig. „Ich war vormals selbst<br />

ein armer Student", pflegte Geiselhart zu sagen, „und habe<br />

während meiner Studienzeit harte und selbst gefährliche<br />

Wege betreten müssen. Nur der Güte Gottes und der liebevollen<br />

Unterstützung meiner vielen Wohltäter habe ich es<br />

zu verdanken, daß ich Priester geworden bin. Durch die<br />

Gründung des Fidelishauses möchte ich nun einen Teil meiner<br />

Schuld abtragen." Und wahrlich, er hat diese Schulden<br />

redlich und reichlich abgi. „ragen. Man wird einer annähernden,<br />

erstaunlichen Begriff bekommen von dem, wa.i der Unermüdliche<br />

für seine Stiftung geleistet, wenn man liest, daß<br />

er bis zum Jahre 1872 über 25 000 Gulden nur an Stipendienstiftungsgeldern<br />

für sein Fideiishaus gesammelt habe.<br />

Reichliche Unterstützung fand der „Bettler von Gottes Gnaden"<br />

bei der frommen Fürstin Katharina von Hohenzollern,<br />

der Neugründerin des Klosters Beuron und bei zahlreichen<br />

Geistlichen des kleinen Landes.<br />

Am 5. Oktober bezog Geiselhart das Haus mit 11 Schülern<br />

des Gymnasiums, mit jedem Jahre wuchs die Zahl der<br />

Zöglinge,<br />

Doch nicht genug damit, seine Heimat mit einer Pflanzstätte<br />

des Priestertums beschenkt zu haben, kaufte Geiselhart<br />

Ende der 60er Jahre in Konstanz ein großes Gebäude zu<br />

gleichem Zwecke wie sein Fidelishaus, nannte es zu Ehren<br />

des heiligen Konstanzer Bischofs Konrad, Konraditaus, zog<br />

durchs badische Oberland, bettelte für seine zukünftigen<br />

Zöglinge in jedem wohltätigen Pfarrhause. Diese Gründung<br />

ist umso nötiger hier anzumerken, als sie im Nekrolog Geiselharts<br />

(im Freibg. Diz.-Arch. 28, 1900. S. 240) irrtümlich<br />

völlig vergessen ist. Wie viel Segen ging von beiden Pflanzschulen<br />

des Klerus in 100 Jahren aus!<br />

Die verschiedenen Gründungen unseres Geiselhart erregten<br />

bald den Neid und die Mißgunst der Liberalen: sie brachten<br />

es dahin, daß am Ende des Jahres 1857 eine Entscheidung<br />

des Königlichen Schul- und Regierungsrates kam, die Kurz<br />

und bündig erklärte, die Vinzenzschwestern könnten nicht<br />

länger bleiben, weil ,in Preußen nur preußische Lehrer und<br />

Lehrerinnen angestellt werden könnten."<br />

Nun unternahm Geiselhart eine schleunige Reise zum Erzbischof.<br />

Dieser gab ihm den Rat, sich in Paderborn die neuentstandene<br />

Kongregation der Paunne von Mallinckrodt an-<br />

Dieses Attribut gi ^ ganz in Ordnung, da der Heilige in Oel gesotten<br />

werden sollte; das Volk aber deutete den Kessel wegen<br />

seiner merkwürdigen Form als Nachtgeschirr, und so wurde der<br />

brave jugendliche Heilige der Schutzherr aller jener, die in jungen<br />

Jahren an • "bekann .rn Schwäche leiden. Die unheimliche Krankheit<br />

der Epilepsie, die ü- Deutschland im 14. Jahrhundert fast epidemisch<br />

geworden, wurde von der Anrufung des Heiligen „Veitstanz"<br />

genannt. Kranke und Gesunde „bestrichen" den Heiligen. Dieses<br />

Zeichen der Verehrung bestand darin, daß man den Finger an den<br />

Mund bringt und dann den Gegenstand der Verehrung berührt.<br />

Das ist noch heute üblich. „Daß dich sankt Veitstanz ankomme",<br />

war eine der im Mittelalter recht gebräuchlichen Verwünschungen<br />

anderer auf den Namen eines Heiligen.<br />

Thomas Geiselhart, der Waisenvater von Hohenzollern<br />

Teil (Schluß)<br />

zusehen und sich Lehrerinnen von dorther zu erbitten. Dem<br />

Rat folgte die Tat, an Ostern 1858 zogen in Sigmaringen<br />

die Vinzenzschwestern ab, an ihre Stelle kamen zwei Schwestern<br />

aus Paderborn. Später kamen für die Kleinkinderschule<br />

noch zwei Schwestern aus derselben Stadt.<br />

Im Jahre 1861 gründete Geiselhart unter dem Beistand<br />

katholischer Familienväter eine Privatschule. Das Schulgeld<br />

wurde auf 60 Gulden festgesetzt.<br />

Auch zum berühmten Kloster zu Beuron und dessen Wiedereröffnung<br />

durch Benediktiner im Jahre 1863 hatte Geiselhart<br />

enge Beziehungen.<br />

Eine Aufgabe mußte er aber infolge eines Gelübdes noch<br />

lösen, die ihm schon seit dem Jahre 1850 viele Sorgen bereitete,<br />

es war die Gründung eines Waisenhauses. Mehrere<br />

Male hatte er den Plan fest ins Auge gefaßt, allein die allzugroßen<br />

Schwierigkeiten machten die Ausführung unmöglich.<br />

Endlich am 21. Oktober 1859 mietete er eine kleine Wohnung,<br />

holte sich sechs Waisen und Bettelkinder von der Straße und<br />

zog mit ihnen und einer barmherzigen Schwester in dieselbe<br />

ein. Ein Tisch, ein Kasten, einige Bettlein waren die<br />

ganze Einrichtung und zum Unterhalt nichts, als was sie<br />

täglich an Almosen von Gott durch gute Leute erhielten.<br />

Trotzdem war unser Kinderfreund seelenvergnügt, einmal<br />

Waisen zu haben und für sie sorgen zu können, Er machte<br />

eigenhändig mit den Kindern das Holz, erbettelte einen Ziegenstall.<br />

Später konnte er sogar eine Milchkuh und einige<br />

Stücklein Feld kaufen, Er sagte: „Die Arbeit, die man<br />

für die Lieblinge Jesus tut, ist nie entwürdigend." Ein<br />

Jahr lang suchte er nach vollbrachtem Tagewerk in der<br />

Seelsorge und im Fidelishaus seine Erholungsstunden bei<br />

seinen Waisenkindern, als ihm plötzlich die Wohnung gekündigt<br />

wurde. Tiefbetrübt wanderte er, wie einst der heilige<br />

Joseph durch Bethlehem, durch Sigmaringens Straßen, um<br />

eine Herberge zu suchen. Ueberall wurde er abgewiesen. Gott<br />

wollte seinen treuen Diener abermals prüfen, um ihm dann<br />

umso glänzender aus der Not zu helfen.<br />

Als Geiselhart am Samstag, 21, April 1861, in wehmütiger<br />

Stimmung sich eben anschickte, die Beichte de: barmherzigen<br />

Schwestern im Spital zu hören, fiel ihm der öffentliche<br />

Anzeiger in die Hand, worin auf dem nahe der Stadl<br />

gelegenen sogenannten Brunnenberge ein kleines Hotgut mit<br />

geräumiger Wohnung dem Verkaufe ausgesetzt war. Ohne<br />

sich lange zu besinnen, wo Geld hernehmen, ging er sofort<br />

zu dem Besitzer, unterhandelte und kaufte das Anwesen um<br />

12 400 Gulden. Der glückliche Waisenvater nannte das neu^<br />

Heim „Nazareth". Am 15. Mai zog er mit den Waisen und<br />

zwei Schwestern ein. Ein Jahr später und die Wohnun; war<br />

schon zu klein für die immer zahlreicher werdende Kinderfamilie;<br />

eine Erweiterung ward mit einem Aufwand von<br />

gegen 9000 Gulden durchgeführt. Geiselhart wollte nui auch<br />

für die letzten Lebensjahre seiner Waisen sorgen und ein<br />

Asyl gründen für ihr späteres Alter, damit sie, "'enn nötig,<br />

da wo sie ihre Kindheit zugebracht, nach vollbrachtem Tagewerk<br />

ein Ruheplätzchen fänden.<br />

So reifte in ihm der Plan, ein großes Gebäude zu erstehen,<br />

das alle Waisenkinder, Knaben und Mädchen von ganz Hohenzollern,<br />

aufnehmen und zugleich ihnen in alten und kranken<br />

Tagen eine Heimat bieten sollte. Er erließ einen Aufr-jf<br />

in allen Blättern des Landes. Er/.bischof Hermann von Vicari<br />

empfahl alsbald das Unternehmen eindringlich lund ließ<br />

der Bitte Geiselnarts die wärmste Empfehlung angedeihen.<br />

Schon im Jahre 1866 begann Geiseinart den umfassenden<br />

Bau, hatte stets Geld und wußte überall zu bekommen, ohne<br />

andere Kupons auszustellen, als solche, die erst im Jenseits<br />

fällig sind. Er hatte die Freude, daß 1er König Wilhelm von<br />

Preußen selbst in Begleitung der Königin, des Kronprinzen<br />

und der fürstlich Sigmaringischen Familie am 5. Oktober<br />

18ö7 den Grundstein zum Hause Nazareth legte. „Wir nennen


24 HOHENZOLLEP SCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

es Nazareth", sagte Geiselhart in seiner Ansprache an den<br />

König, „denn wie unser Heiland als schwaches, hilfloses<br />

Kind zu Nazareth aufgewachsen ist, so sollen hier die Waisenkinder<br />

von Hohenzollern auferzogen, an Leib und Seele<br />

gepflegt und zu tüchtigen Menschen herangebildet werden."<br />

Damals habe der König seine Stiftung von 100 fl. auf des<br />

Waisenvaters Bitte noch um ein „Nüllele" auf 1000 fl. erhöht.<br />

Der Grund war gelegt, und rüstig ging es an den Weiterbau.<br />

Vom April bis Oktober 1868 gab der arme Gründer und<br />

Bettler gegen 50 000 Gulden aus und führte den äußeren Bau<br />

fast zu Ende. Aber nun fehlte nach dem mächtigen Gerüste<br />

der innere Ausbau, der zum mindesten auf 25 000 Gulden<br />

veranschlagt war und eine nochmalige gewaltige Anstrengung<br />

vonseiten des Bittenden und der Geber verlangte. Geiselhart<br />

erließ daher ein offenes Sendschreiben an seine hohenzollerischen<br />

Landsleute, Priester und Laien und bat zum letztenmal:<br />

„Wenn ich manchem", sagte er, „selbst meinen besten<br />

Freunden, lästig geworden bin, so mache ich es wie jener<br />

Mann im Evangelium: „Auch wenn er nicht geben würde,<br />

weil er sein Freund ist, so wird er ihm dennoch geben wegen<br />

seiner Zudringlichkeit. Sorgt nur endlich dafür, daß Ihr einmal<br />

vor mir Ruhe habt, denn auch ich will gerne ausruhen,<br />

wenn das Haus Nazareth vollendet ist. Und wie in einer<br />

Sammlung von Kunstgegenständen manchmal ein alter Invalide<br />

angestellt ist, den Fremden die Schätze des Museums<br />

zeigt, so will ich dann allen zeigen die Schätze des Hauses<br />

Nazareth, die Waisen und die verlassenen Dienstboten, und<br />

will allen zeigen die Werke christlicher Barmherzigkeit."<br />

Dem offenen Sendschreiben kamen die wackeren Landsleute,<br />

namentlich unter dem Klerus, mit offenen Händen<br />

entgegen. Die Mittel flössen so reichlich, daß bis zum Herbst<br />

1869 der innere Bau mit einer schönen Hauskapelle fertig<br />

war und der Waisenvater am 21. Oktober mit sämtlichen<br />

Waisen Hohenzollerns und ihren Lehr- und Erziehungsschwestern<br />

in Prozession den Einzug halten konnte.<br />

So hatte das Gelübde des armen ehemaligen Vikars von<br />

Empfingen seine höchste Erfüllung erreicht.<br />

Das Kriegsjahr 1870/71 hatte der jungen Schöpfung bedeutende<br />

Opfer an Geld verursacht. Fünfzig Betten wurden<br />

von der Anstalt für kranke und verwundete Soldaten eingerichtet.<br />

Es kamen aber keine nach Nazareth, die erheblichen<br />

Ausgaben waren umsonst gemacht.<br />

Eine tiefere, schmerzliche Wunde aber hat der Kulturkampf<br />

dem Waisenhaus geschlagen. Zum großen Jammer der<br />

armen Waisen mußten die Schwestern von Ingenbohl, die<br />

Geiselhart für die Führung einer Haushaltsschule im Hause<br />

1873 eingeführt hatte, Nazareth verlassen. So wollten es die<br />

kirchenfeindlichen Gesetze. Doch auch in dieser Not zeigte<br />

sich Gottes weise Zulassung. Im Jahre 1879 feierten Kaiser<br />

Wilhelm I. und seine Gemahlin Augusta die goldene Hochzeit.<br />

Durch eine Sammlung in ganz Hohenzollern, wozu rcich<br />

und arm gleich eifrig beisteuerte, kamen 33 829.92 Mark zusammen.<br />

Beim gleichen Anlaß gab der Fürst Karl Anton 30 000<br />

Mark als Jubiläumsstiftung für Nazareth. Auch hatte der<br />

Die aite Friedhofskapelle (Viruskopelle) in Gruol,<br />

1871 verstorbene Pfarrer von Benzingen, Joseph Volkwein,<br />

der größte Wohltäter des Hauses, „Nazareth" zu seinem Universalerben<br />

eingesetzt.<br />

Um einigermaßen die vielen Arbeiten und Sorgen für<br />

einige Zeit zu vergessen, machte Geiselhart im Sommer 1871<br />

eine Reise durch das herrliche Land Italien. Am Tage des<br />

heiligen Aloysius, am 21. Juni, hatte er die Ehre, mit andern<br />

deutschen Pilgern von Papst Pius IX. in Audienz empfangen<br />

zu werden. Die Reise war für unsern Priester zugleich eine<br />

Wallfahrt an die heiligen Stätten Italiens, vor allem an die<br />

zahlreicher Heiligengräber.<br />

Im Winter 1882 wurde der unermüdliche Mann, der neben<br />

seinen vielen Berufsarbeiten mehrere Male beim jeweiligen<br />

Tode der einzelnen Pfarrer von Sigmaringen die gesamte<br />

Seelsorge der Stadt auf sich nehmen mußte, und dem von<br />

ihm 1872 gegründeten katholischen Mütterverein monatlich<br />

im Fidelishaus einen religiösen Vortrag hielt, schwer krank.<br />

Sieben Monate lag er auf dem Schmerzenslager. Erst gegen<br />

Pfingsten 1883 konnte er wieder alle Geschäfte besorgen. Er<br />

bat um Pensionierung, die ihm abgeschlagen wurde, und um<br />

Erleichterung in seinen Arbeiten, was gewährt wurde. Im<br />

folgenden Jahre 1884 unternahm der ehrwürdige Priestergreis<br />

noch eine Wallfahrt an alle die Orte, welche durch die<br />

Anwesenheit des hl. Fidelis geheiligt worden sind.<br />

Im Jahre 1887 konnte der Waisenvater sein 50jähriges<br />

Priesterjubiläum feiern. Alle Aemter gab er nun ab und<br />

lebte droben auf der Höhe von Sigmaringen, in Nazareth,<br />

„als geistlicher Hausvater, Zahlmeister und Bettler", wie er<br />

sich selbst nannte.<br />

Das Gebet war seine Hauptbeschäftigung. Frühzeitig machte<br />

er sein Testament, darin bat er alle um Verzeihung, denen<br />

er etwa in seinem Leben Aergernis gegeben, die er je gekränkt<br />

oder beleidigt. In einem Nachtrag vom 14. August<br />

1888 konnte er versichern, daß er jetzt gar kein Geld oder<br />

sonst Wertvolles besitze — als nur noch einige Bücher und<br />

Bilder. So starb Geiselhart in Armut, er, der Hunderttausende<br />

Y°n Mark durch seine Hände hatte gehen sehen. Er<br />

war 80 Jahre alt geworden, aber das Studium hielt er immer<br />

noch hoch. In Anerkennung seiner Verdienste für die Caritas<br />

hatte ihn der Erzbischof zum Geistlichen Rat ernannt, was<br />

ihn freute, aber nicht stolz machen konnte.<br />

Am Pfingstquatember, 22. Mai 1891, hatte er sich in starkem<br />

Regen zum Spital verfügt und erkältet. Mehrere Wochen<br />

war er noch krank. Am 16. Juni schied er still und<br />

sanft von dieser Erde. Wer am Freitag, den 19. Juni nach<br />

Sigmaringen kam und die allgemeine Trauer sah, mit der<br />

die Stadt die sterbliche Hülle Geiselharts zur letzten Ruhe<br />

bestattete, mußte beim Anblick des gewaltigen Leichenzuges<br />

gestehen: dieser Tote, dem die letzte Ehre erwiesen wird,<br />

war sicher einer der bedeutungsvollsten Männer seiner Zeit.<br />

Unter den Leidtragenden sah man 52 Geistliche, den Erzabt<br />

Plazid'us Wolter von Beuron, Domkapitular Kiefer von Freiburg,<br />

Seine Hoheit den Fürsten Leopold, den Regierungspräsidenten<br />

Freiherrn von Frank, zahlreiche Beamte und


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 25<br />

eine fast unübersehbare Menge aus allen Berufen. Der Sarg<br />

war in der Hauskapelle von Nazareth aufgestellt. Nach der<br />

kirchlichen Feier sangen die im Chor aufgestellten Waisenkinder<br />

ein ergreifendes Lied als „Abschied an das teure Vaterherz."<br />

Dann wurde der Leib des alten Mannes in der<br />

Kapelle vor dem nördlichen Seitenaltar beigesetzt. Hierauf<br />

bewegte sich der Leichenzug unter dem Geläute der Glocken<br />

vom Berge hinab in die Stadtkirche, wo Dekan Ad. Laudiert<br />

die Leichenrede hielt.<br />

Geiselhart war, wie das Deutsche Volksblatt in jenen Tagen<br />

schrieb, „eine energische und willensstarke, oft wenig<br />

rücksichtsvolle Persönlichkeit, die vor nichts zurückschreckte.<br />

Er war christlicher Sozialist. Er war kein Freund komplimentösen<br />

Formenwesens, geradeaus, mit altertümlichen Manieren<br />

trat er stets auf den Plan" ...<br />

Der Schwäbische Merkur widmete dem Verblichenen einen<br />

längeren Nachruf. Folgende Zeilen seien daraus mitgeteilt:<br />

„Schon die äußere Erscheinung des fast 81jährigen Greises<br />

verriet einen Mann besonderer Art. Er war von ungewöhnlich<br />

hoher Gestalt, die sich nicht von der Last der Jahre beugen<br />

ließ, wenn auch das Haar schneeweiß geworden und die<br />

markigen, scharfgeschnittenen Züge in viele Falten sich legten.<br />

Unbeugsam wie der Körper war auch der Charakter<br />

Geiselharts, wenn es galt, ein Ziel zu erreichen, von dem er<br />

überzeugt war; daß es recht und gerecht war. Kräftig, fast<br />

rauh war die Außenschale, stark, fest, beinahe herb war der<br />

Kern, der in jener steckte. Aber eine Saite blieb sein ganzes,<br />

an Wirken so reiches Leben hindurch stets voll und wohltuend<br />

gestimmt, die Liebe zu den armen, hilfsbedürftigen<br />

Nebenmenschen... Geiselhart hatte manche Gegner, Feinde<br />

hinterläßt er keine, Dankbare unzählige."<br />

Fassen wir das ganze Leben Geiselharts zusammen, so<br />

können wir sagen: Er gehörte zu jenen Menschen von höherem<br />

Typus auf Erden, deren wahre Mission es ist, Liebes zu<br />

tun, indes die meisten in Selbstdienst versunken sind. Solche<br />

vornehme Seelen kennen die seltene Kunst, statt für sich,<br />

nur für andere zu leben, und bringen es zu solcher Meisterschaft,<br />

daß die Geschichte ihres Erdenwallens sich wie ein<br />

Brevier des Erbarmens bietet.<br />

(Mit frdl. Genehmigung des Badenia-Verlags in Karlsruhe<br />

abgec :ckc aus Franz Dor: Lebensbilder aus dem Seelsorgeklerus.<br />

Weitere Quellen: Kath. Sonntagsblatt, Stuttgart<br />

und J. Wetzelt Thomas Geiselhart. Sigmaringen 1945.)<br />

Neufra und Lichtenstein an der Fehla<br />

Ob die Burg Lichtenstein bei Hönau oder die Doppelburg<br />

an der Fehla die ältere ist, konnte noch nicht erwiesen werden,<br />

mögen württembergische Forscher auch begreiflicherweise<br />

für die bei Hönau stimmen (so Gratianus in seinem<br />

1844 erschienenen Büchlein „Die Ritterburg Lichtenstein").<br />

Wenn es von Bürgern von Reutlingen heißt, sie hätten im<br />

Kampf gegen Eberhard den Erlauchten von Württemberg<br />

1311 die Burgen Rohr (b. Bisingen), Jungingen, Nürtingen,<br />

Heydecke (vielleicht die „Hintere Burg" bei Trochtelfingen<br />

an der Haid), Lüechtenstein und Greiffenstein zerstört,<br />

so dürfte hier wohl die bei Hönau gemeint gewesen sein<br />

(Lat. Gedicht in Württb. Vierteljahreshefte Jg. 6, 1883, S. 3).<br />

Ob wirklich Dietrich von Lichtenstein um 1331 die Burg bei<br />

Neufra erbaute, wie Gratianus behauptet, scheint trotzdem<br />

nicht sicher. Eine am 24. März 1332 zu Konstanz ausgestellte<br />

Urkunde ist da bedeutungsvoll:<br />

Ritter Swenger von Liehtenstain (das h ist wie ch zu sprechen!)<br />

stiftet mit Zustimmung des Bischofs Rudolf von Konstanz<br />

eine Kapelle in den Kirchhof „zu N ü f r o n, im Dorf,<br />

das bei Liehtenstain miner Burg lit." Er bewidmet<br />

sie und besorgt den Priester, der sie besingen soll.<br />

Er stiftet dazu 1 Hof, den Heinrich der Wirt (zu Neufra)<br />

baut und jährlich daraus 7 Malter Roggen und ebensoviel<br />

Haber, dazu 11 Schilling Heller, 1 Viertel Eier, 2 Schultern<br />

(Schinken) und 2 Hühner gibt. Ferner das Gut, das Heinrich<br />

der Woutenz baut, das jährlich 3 ß hlr, 3 Vtl. Haber und 2<br />

Hühner gibt. Brändlins Gut gibt 1 Mit. Roggen und 5 ß hlr,<br />

2 Vtl. Haber, 6 Eier und 2 Schultern und 1 Huhn. Kunrad<br />

des Müssigen Hofraite gibt 2 ß hlr. Ferner gibt er dazu den<br />

Zehnten zu Ostdorf (bei Balingen-Bisingen), den Rütimann<br />

innehat, der giltet jährlich 8 Mit. Vesen, 3 Mit. Haber<br />

und 8 Hühner. Das Gütli, das Musli zu Ostdorf baut, gibt<br />

jährlich 9 ß hlr, 4 Hühner, und 1 Vtl. Eier (= 120 Stück).<br />

Ebenso der Kleinzehnt zu Ostdorf, der giltet jährlich 6 ß<br />

hlr und 4 Hühner. Das Lehenlin zu Ostdorf, das Wirtenberg<br />

baut, das gibt jährlich 16 ß hlr. Gerhartz Müli zu Balgingen<br />

(Balingen), die giltet jährlich 1 Pfund 5 ß hlr. Ferner stiftet<br />

er 1 Wiese in dem Bann von Nüfron, die jährlich 13 ß giltet.<br />

Der Priester soll zu Nüfron wohnen und keine andere<br />

Pfründe haben. Das Patronatsrecht über den Altar (Kaplanei)<br />

wird dem Amt von Salmannsweil (Salem) zustehen. Der<br />

Kaplan darf den Leutpriester nicht schädigen an Opfern und<br />

Seelgerät. Der Stifter Swenger, sein Bruder Eberhard und<br />

des letzteren Sohn Walz (Walter) schwören, ihre Erben<br />

künftig, wenn sie zu ihren Tagen gekommen sind, zur Haltung<br />

der Stiftung zu zwingen. Siegler: Bischof Rudolf von<br />

Konstanz (sehr schön), der Aussteller Swenger und die beiden<br />

verwandten Zeugen. Die Siegel der beiden letzten sind<br />

noch in ein Säckchen genäht Das Swengers zeigt einen stilisierten<br />

Flügel, dessen Höhlung nach herald, links zeigt;<br />

Spitze unten. (GIA Karlsruhe 4/395; gedruckt in F. Weech,<br />

Codex Salemitanus III, 328).<br />

Schon am 6. Oktober 1327 hat der gleiche Ritter Swaenger<br />

von Liehtinstain auf seiner Burg „Liehtinstain" die Hälfte<br />

des Sees zu Illmensee, Lehen der Grafen von Zoll.;rn, dem<br />

Kloster Salem zu einem Almosen geschenkt. Sein Bruder<br />

Eberhard und dessen Sohn Waltz stimmen zu und siegeln<br />

mit. Die beiden ersten Siegel zeigen den Flügel wie in der<br />

Urk. von 1332; das Siegel des Waltz hat die Wurzel des<br />

Flügels oben rechts. Hier im Siegel lautet der Name Swenger,<br />

im Text sonst Swaenger. A. Lichtschlag, der die Urkunde<br />

im Programm des Gymn. Hedingen-Sigmaringen 1869/70 S.<br />

10 abdruckte, führt weiter noch Herren von Liehtenstain an,<br />

die er an die Fehla deutet: 1331 reversiert Dietrich v. L.<br />

unter dem Siegel Swiggers und Eberhards v. L. dem Kloster<br />

Zwiefalten über eine Mühle bei Trochtelfingen (Sulger,<br />

Annal. Zwif. I, 278). 1340 erwirbt Eberhard v. L. vjm Grafen<br />

Heinrich von Hohenberg pfandweise das Dorf Winterlingen<br />

(Schmid, Grafen v. Hohbg. 415). 1393 erscheint Swenger v. L.<br />

zu Steinhilben bei Trochtelfingen begütert (Urk. Staatsarch.<br />

Sigmaringen). Im Jahre 1325 gaben die Grafen Friedrich<br />

Ostertag von Zollern und Friedrich von Zollern-Schalksburg<br />

auf Bitten ihres Lehensmannes Swenger v. L. zwei Fischlehen<br />

zu Illmensee samt dem zugehörigen Teil des Sees ans<br />

Kl. Salem (Mon. Zoll. I, Nr. 274).<br />

Am 26. Mai 1336 schwören die beiden Ritter Swenger und<br />

Eberhard von Liechtenstein, sowie Walther, Eberhards Sohn<br />

v. L., die Güter, die Swenger an die Kapelle zu Neufra<br />

(Niufron) stiftete, zu schirmen. Falls Eberhards Eigenleute<br />

ebenfalls Güter an die Kapelle stiften sollten, braucht er<br />

jedoch die Kapelle deswegen nicht schirmen. Alle 3 Siegel<br />

schön (GLA a. a. O.).<br />

Hans von Bubenhofen, der württembergische Landhofmeister<br />

und Besitzer Neufras, hat am 6. September 1479<br />

beurkundet: Der Abt Johannes von Salem habe auf seine<br />

Bitten zugelassen, das Pfrendlin (Pfründe) des st. Nikolausaltars<br />

in der Kapelle zu Nüfran samt seiner Dotation<br />

in die Pfarrkirche daselbst zu ziehen, den Altar dort<br />

aufzumachen, damit der Gottesdienst nicht „abbrochen"<br />

werde. Der Lehenschaft der Pfründe soll diese Verlegung<br />

unschädlich sein, d. h. Salem soll wie bisher das Patronatsrecht<br />

behalten. Sein Siegel, das zwei querliegende Zickzackbalken<br />

zeigt, ist beschädigt (GLA Karlsruhe 4/395). Am 11.<br />

September desselben Jahres 1479 hat der Kirchherr zu<br />

Niufra, Bernhardus Alterthein, eine Urkunde<br />

ausgestellt: Der Abt Johannes von Salem habe vor, das<br />

Pfründlein in st. Niclaus Capell zu Niufra und den Altar<br />

darin in die Pfarr zu ziehen samt aller Beschwer laut' der<br />

Dotation, unter Vorbehalt der Lehenschaft. Alterthain verspricht<br />

für sich und seine Nachfolger, das in die Pfarrkirche<br />

gezogene Pfründlein nicht weiter zu beschweren. Die Urkunde<br />

ist von ihm selbst geschrieben. Sein Siegel zeigt im<br />

Schild einen halben wachsenden Steinbock mit langen Hörnern<br />

(Ebenda). Es handelt sich um die von Swenger von<br />

Lichtenstein 1332 gestiftete Pfründe. Reste der Kapelle neben<br />

der Pfarrkirche sind angeblich noch in der alten Scheune erhalten.<br />

Die jetzige Kapelle im Dorf Neufra ist i« erst<br />

1591 erbaut worden. Nach den Investiturprotokollen (Krebs)<br />

hat der Abt von Salem zu Ende des 15. Jahrhunderts neben<br />

dem Nikolausaltar auch auf den Marienaltar der Pfarrkirche<br />

präsentiert, falls beide nicht identisch sind, was naheliegend<br />

scheint! Kapläne waren: 1486 Wolfg ng Bubenhofer<br />

nach dem Tod von Ludwig S t e n g 1 i n ; 1488<br />

Wilhelm Stantenatt nach Wolfgangs Tod; 1488 Johann<br />

Sigg von Günzburg nach Wilhelms Verzicht; 1490 Thomas<br />

Gast von Steinhilben nach Siggs Verzieh* 'Krebs). Um<br />

1493 heißt der Kaplan Thomas Geist am Nikolausaltar der<br />

Pfarrkirche, hat 42 Pfund hir Einkommen wovon er an den<br />

Bischof 2 Ptd. 1 ß und 6 hlr zahlte (FDA 26, 105). J. A. Kr.


26 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Die Marienkapelle bei Ringingen<br />

Aus dem Bruchstück einer Heiligenrechnung von 1736 erfahren<br />

wir auch den Erfolg des Bittschreibens an den Fürsten:<br />

Ihro hochfürstl. Durchlaucht zu Mößkirch stiftete 20 fl.<br />

Soviel galt damals ein guter Gaul! Aber er wurde noch übertroffen<br />

vom hiesigen Bürger Matheiß Rueß (Haus 43 Enggasse),<br />

der gar 50 fl opferte. Ferner stiftete Edmund Dorn<br />

selig 20 fl, Johann Furtenbach 6 fl, Marianne Maichle selig<br />

5 fl, der Opferstock ergab 3 fl und 4 kr. Achtzehn Pfund geopfertes<br />

Rindschmalz ertrugen 3 fl; 18 Scheffel 3 Simri Vesen<br />

ergaben 22 fl 20 kr; 10 Scheffel 1 Simri Haber aber 16 fl und<br />

12 kr. Der Maurer Konrad Faigle (Haus 64: Bach) erhielt für<br />

Renovierung der Frauenkapelle 13 fl. Die Sturzblöcke an<br />

Unser Frauen Thum kosteten 2 1 /z fl; Maler Ferdinand Saur<br />

von Ehingen für farbige Fassung der beiden Nebenaltäre der<br />

Pfarrkirche 130 fl und Bagage-Anfuhr 9 fl.<br />

Bei der Frage nach dem anmütigen, mehrere hundert<br />

Jahre alten Gnadenbild von 1736 müssen wir beachten,<br />

daß die heutige Ausstattung des Kirchleins erst ums<br />

Jahr 1760 beschafft wurde, wie noch zu zeigen sein wird. Das<br />

beliebteste Marienbild zwischen 1350 und 1500, wo die Kapelle-<br />

entstanden sein dürfte, war nach den Forschungen von<br />

Stephan Beissel in seinem Buch über Marienwallfahrten die<br />

Schmerzensmutter oder Pieta, zu deutsch „das Vesperbild."<br />

Es scheint nicht wahrscheinlich, daß man 1760 das alte Gnadenbild<br />

einfach verschleudert hat, auch wenn man es durch<br />

ein „moderneres" ersetzte. Nun findet sich in der Pfarrkirche<br />

eine kleine Pieta von 47 cm Höhe aus der gotischen Zeit<br />

(um 1450), die eigentlich nirgends hinpaßt und heute meist in<br />

der Sakristei verwahrt wird. Was liegt nun bei dem Gedanken<br />

an Beissels Feststellung näher, als in diesem Vesperbild<br />

die alte Wallfahrtsstatue zu sehen? Daß 1736 der Gottesdienst<br />

gerade an einem Freitag, dem Leidenstag des<br />

Herrn, gehalten wurde, deutet ebenfalls darauf. Später ging<br />

Pfarrer Bitzenhofer mit der Zeit, ersetzte das alte Standbild<br />

durch eine gemalte liebliche Mutter mit dem Kind („vom<br />

Guten Rat"), die wohl sein Neffe Franz Ferd. Dent geschaffen<br />

hat. Aus Pietät wurde die Schmerzensmutter in die<br />

Pfarrkirche übernommen; aber als in der Zeit des Josefinismus<br />

mit seiner Aufklärung den Wallfahrten der Garaus gemacht<br />

wurde, ließen es sich die gläubigen Umwohner des<br />

Heufeldes (nicht bloß die Eingesessenen!) nicht nehmen, noch<br />

im Jahre 1842 am Feste Mariä Namen, d. h. am Sonntag<br />

nach Mariä Geburt, dem ehemaligen Hauptfest, zur alten<br />

Statue der Gnadenmutter massenhaft in der Pfarrkirche<br />

zu pilgern, wie Rösch ausdrücklich berichtet. (Wessenbergianismus,<br />

1908, S. 97) und „Heimatkiänge" des Zoller<br />

1934, S. 34.) Die Entstehungszeit der Statue läßt wohl auch<br />

Rückschlüsse zu auf das Alter der Kapelle selbst.<br />

5. Mit der Wallfahrt und dem Kappelfest unter Pfarrer<br />

Eisele ist auch die hiesige Bruderschaft untergegangen,<br />

und niemand wußte mehr davon, bis eines Tages die Nachbarin,<br />

Hebamme Brigitte Dorn geb. Meßmer, dem Verfasser<br />

ein altes Kinderamulett zeigte und bei dessen Üe " nung kam<br />

ein gedruckter Bruderschaftszettel zutage. Es heißt da:<br />

Mariarische Bruderschaft, und Bundes-vereinigwig<br />

unter dem Titel und Schutz Maria von guten Rath,<br />

welche Authoritate Ordinaria Anno 1770 aufgerichtet, und<br />

von jetztregierender päpstlichen Heiligkeit Clemens XIV. mit<br />

vielen Ablässen auf ewige Zeiten begnadigt worden.<br />

In der löblichen Pfarrkirchen zu Ringingen auf der Alb.<br />

Gebet: Heiligste . ungfrau Maria, du Mutter des guten<br />

Raths, dir bete ich dreimal den Englischen Gruß zu Ehren<br />

deines allerheiligsten Herzens. Ich will auch deinen allerliebsten<br />

Sohn fürsätzlicher Weis niemals beleidigen. Von dir erbitte<br />

ich einen guten Rat, auf daß ich vollziehen könne den<br />

allerheiligsten Willen Gottes und auch den deinigen. Mein<br />

Herz verschreibe und übergebe ich in deine mütterliche<br />

Hand, und bitte dich endlich um diese Gnad .. . wan anders<br />

es zum Nutzen meiner Seei gereichet; wo nicht, so übergib<br />

ich und überlasse mich vollkommen deinem und deines allerheiligsten<br />

Sohns heiligstem Willen. Amen. Drei Ave Maria.<br />

Regeln und Satzungen, jedoch ohne Verbindnus einer Sünd:<br />

1) Sollen die Einverleibten jährlich für die lebendigen und<br />

abgestorbenen Bundesgenossen eine hl. Meß lesen oder lesen<br />

lassen. Welche das nicht vermögen, an dessen statt hl. Beicht<br />

und Communion eine hl. Meß anhören. 2) Täglich 3 Ave<br />

Maria oder dreimal den Englischen Gruß zu Fhren des reinsten<br />

Herzens Mariä beten 3) Jeder die Abbildung des Gnadenbilds<br />

zu Genazzano „Maria vom guten Rat" auch zu Haus<br />

halten und verehren, auch die Andacht befördern. 4) Solle<br />

jeglicher Einverleibte dahin besorgt sein, daß nach seinem<br />

Von Joh. Adam Kraus<br />

Ableben der Bruderschaftszettel in die Bruderschafts-Kirche<br />

eingeschickt werde, damit der Verstorbene durch Abbetung<br />

von 5 Vaterunser und Ave Maria etc. möge getröstet werden.<br />

Vollkommener Ablaß: 1) Am Tage der Einschreibung nach<br />

abgelegter Beicht und Communion. 2) In der Sterbstund nach<br />

der Beicht und Communion, oder bei (Jnvermögenheit dessen,<br />

wenn mit vollkommener Reu die Nämen Jesus und Maria<br />

mit dem Mund oder Herzen andächtig angerufen werden.<br />

3) Am Sonntag nach Mariä Geburt, als T i t u 1 a r f e s t, nach<br />

abgelegter h. Beicht und Communion in was immer für einer<br />

Kirche man zum Wohlstand der Kirche bettet.<br />

Sechzig Täg Ablaß: Als oft sie Arme beherbergen, unter<br />

Feinden Frieden stiften, einen Verstorbenen zum Grab begleiten,<br />

beiwohnen den Umgängen des Hochwürdigsten Guts,<br />

selbes zu den Kranken begleiten, oder bei Unvermögen ein<br />

Vaterunser und Avemaria beten, für die Verstorbenen 5<br />

Vaterunser und so vil Avemaria Gott aufopfern, einen Irrenden<br />

zu dem Weg des Heils führen, die Unwissenden die<br />

Gebote Gottes und was zur Seligkeit gehörig, lehren oder<br />

sonst ein Werk der Liebe und Barmherzigkeit üben. Alle<br />

diese Ablässe können bittweise den Abgestorbenen verbundenen<br />

überlassen werden.<br />

Den .. . Monats .. . Anno ... ist eingeschrieben worden . . .<br />

Riedlingen, gedruckt bey Maria Anna Ulrichs seel. Witwe.<br />

1771."<br />

Mit diesem Bruderschaftszettel sind einige Rätsel gelöst<br />

worden: Tag und Grund des Kappelfestes, Herkunft der Bilder<br />

bzw. Fahnenblätter der „Mutter vom guten Rat" in der<br />

Pfarrkirche, Gebet der 5 Vaterunser für die Verstorbenen.<br />

Obwohl die Bruderschaft eigentlich in die Pfarrkirche gestiftet<br />

war, stand jedoch der Bruderschafts a 11 a r in der<br />

Kapelle, wohin vermutlich (wie noch heute) am Kappelfest<br />

nachmittags nach der Predigt sich die Prozession bewegte,<br />

weshalb wohl der schon ältere Name Kappelfest belassen<br />

wurde. Bei schönem Wetter mag die Predigt auch im Freien<br />

stattgefunden haben. Die Marianische Bruderschaft für alle<br />

Erwachsenen bestand nach dem Verkündbuch noch 1820.<br />

Etwa alle Monate fand einmal Sonntags 12 Uhr eine Versammlung<br />

statt und jeden Sonntag abend um 5 Uhr Rosenkranz,<br />

sowie am Sonntag nach Mariä Geburt das sog. Kappelfest.<br />

Zu letzterem wurden auch fremde Geistliche eingeladen<br />

und bewirtet, wofür die Bruderschaftskasse dem Pfarrer<br />

6 fl bezahlte. An Kreuzauffindung und Erhöhung (3. Mai<br />

und 14. Sept.) war wie noch heute Prozession in die Kapelle<br />

mit hl. Messe, ebenso damals am I 1 reitag nach Christi Himmelfahrt<br />

und am 26. Juni, dem Tag der sog. Wetterherren<br />

Johannes und I..ulus. Pfarrer Joach. Eisele ließ dann Bruderschaft<br />

und Kappelfest eingehen. Angeblich sei dieses<br />

durch den Zuzug vieler Fremden ausgeartet, so daß Unfug<br />

und Schlägerei vorkamen und man den Tag „Prügelfe - '<br />

genannt habe. Lehrer Jak. Barth schreib 1 " in der Schulchronik<br />

1857: Am Kappelfest sollen junge Burschen sogar Prügel zur<br />

Kirche mitgenommen haben. Dagegen lesen wir nach Eiseies<br />

Tod (1863), daß bis unter Pfarrverweser Nerz während des<br />

Sommers jeden Samstag eine hl. Messe im Kirchlem<br />

gehalten wurde. Weil nun Lehrer Jak. Barth wegen seines<br />

bresthaften Beines als Mesner die Paramente nicht mehr<br />

hinausschaffen wollte, ließ der Pfarrer des Friedens willen<br />

diesen Gottesdienst ausgehen (1868), trotzdem er besser besucht<br />

war als in der Pfarrkirche.<br />

6. Bei der langdauernden Unzulänglichkeit der Heiligenpflege<br />

kam es soweit, daß man im J. .806 die Marien- und<br />

die Galluskapelle abbrechen wollte, um die Unterhaltungskosten<br />

zu sparen. Man denke: Vor 40 Jahnen _iatte<br />

Pfarrer Bitzenhofer mit seinen Gläubigen das Heiligtum<br />

(und wohl auch St. Gallen) mit aller Pracht ausmalen lassen,<br />

und jetzt schon ließ man sie im Stich! Da geschah etwas,<br />

was weder der schwache Pfarrer Seb. ^chmid, noch der Dekan<br />

Schreyer von Engstingen, weder das Obervogteiamt zu<br />

Trochtelfingen noch die bischöfliche Behörde zu Konstanz erwartet<br />

hatten. Die Gemeinde unter dem rührigen Schultheißen<br />

Georg Daigger (Haus 24: Kreben) übernahm am 24.<br />

November 1806 freiwillig die Baupflicht beider Bauten. Uebrr<br />

das Eigentumsrecht wurde damals nichts ausgemacht, doch<br />

steht es seitdem praktisch der Gemeinde zu.<br />

Im Jahre 1841, als man überall die Gräber nicht mehr um<br />

die Kirche in den Dörfern haben wollte, wurde auch der<br />

Gottesacker von der Pfarrkirche weg 2 - unserer Kapelle verlegt,<br />

wobei nur fremde Maurer für die Arbeiten gewonnen<br />

werden konnten. Die Einweihung durch Pfarrer Eisele fand<br />

am 7. November statt. Es folgte am 10. die erste Kindsleiche


Jahrgang 1958 HOHENZOLLE [SCHE HEIMAT 27<br />

und am 14. November die Beerdigung der Maria Agatha<br />

Nadler geb. Dorn, Frau des Wenzeslaus Nadler (Haus 53,<br />

abgeg. bei 52 am Bach). Anfangs Oktober 1930 hat die Gemeinde<br />

die schon länger notwendige Neudeckung des Daches<br />

unter Bgmst. Alois Dorn vornehmen lassen. Ein plötzlicher<br />

Regen konnte knapp mittels Brettern und Strohhaufen abgefangen<br />

werden. Während bisher die Ostseite durch ineinander<br />

gemauerte Hohlziegel (Münch und Nonnen) abgerundet<br />

gewesen war, hat man nun das Dach dem halben Achteck der<br />

Chormauer angeglichen und nur noch über die vier Gratsparren<br />

Hohlziegel gelegt.<br />

7. Es wird Zeit, daß wir uns das Innere des Gotteshauses<br />

näher ansehen, das von Maler Franz Ferdinand Dent<br />

und seinem Onkel, dem Pfarrer Bitzenhofer um 1760 gestaltet<br />

wurde. Der Bau ist außen 15 m lang, 7,14 m breit, die Mauer 0,92<br />

m dick, das Innere mißt 5,31 zu 13,40 m. Der Raum unter der<br />

Empore ist durch wenig ansprechende Holzgitter abgetrennt.<br />

Laut Heiligenrechnung wurde der Altar im Jahre 1747 vom<br />

hiesigen Schreiner Josef Neser (wie auch die Seitenaltäre in<br />

Salmendingen) verfertigt, wofür er hier als Teilzahlung 4 fl<br />

30 kr. erhielt. Das Mittelgemälde zeigt das von Engeln gehaltene<br />

Gnadenbild von Genazzano (Italien) „Mutter vom guten<br />

Rat", das von heiliger Sippe verehrt wird; Anna, Joachim,<br />

Zacharias, Josef, Elisabeth. Im Oberbild sieht man Gott<br />

Vater mit der Taube des Hl. Geistes und darunter ein Täfelchen<br />

mit dem Chronogramm:<br />

haC pla De Matre<br />

soLarla Casta ferVntVr.<br />

tV reglna potens aCCeDe<br />

rogantlbVs aLMa.<br />

Die groß gemalten Zahlbuchstaben von je 2 Zeilen ergeben<br />

je die Jahreszahl 1762. Zu deutsch heißt der Vers: „Von dieser<br />

gütigen Mutter sagt man nur Sonnenreines. Mächtige<br />

Königin, hilf den Flehenden, du Holde!" Die Verehrung des<br />

Gnadenbiides von Genazzano hatte seit 1758 besonders der<br />

Augustinerorden (z. B. damals B e u r o n) gefördert. Je rechts<br />

und links der Doppelsäulen sieht man die Holzstatuen von<br />

St. Wendelin, dem Viehpatron (1,05 m) auf der Epistelseite,<br />

und Eligius als Bischof (1,15 m) mit Stab und Hufeisen als<br />

Schutzherrn der Pferde auf der Evangelienseite. Am Antependium<br />

findet sich ein Monogramm Mariä mit entzückenden<br />

geflügelten Engelköpfchen und das Wappen des Pfarrers<br />

Bitzenhofer, wie übrigens auch an der Kanzel der Pfarrkirche.<br />

Es enthält im Schild eine Staude mit 3 Hagebutzen<br />

auf einem Dreiberg, und als Helmzier einen Mann mit quadrierter<br />

Brust, mit Hut und einer Hagebutze in der Rechten.<br />

Die Linke ist in die Hüfte gelegt und hält einen geraden<br />

Stengel mit Blüten. Die Hagebutzen spielen auf Bitzenhofer<br />

an! Nach des Pfarrers Tod bediente sich Schultheiß<br />

Daigger seines Petschafts, woraus man irrig auf dessen Wap-<br />

Inneres der Marienkapelle Ringinqen<br />

pen schließen wollte. Stilistisch scheinen die beiden Statuen<br />

in die Rottenburger Gegend zu weisen. (Abbildungen siehe<br />

Kunstdenkmälerwerk Kreis Hechingen. Zu Maler Dent vgl.<br />

Monographie von Pfr. Albert Pfeffer in Mitt. Hohenzoll. 1932.)<br />

Die Decke und beide Längsseiten hat der Künstler mit<br />

Fresken geschmückt: nördlich: Johannes der Täufer predigt<br />

den Juden, südlich: Johannes Nepomuk hält (im Roschett) das<br />

Kreuz, während seine das Beichtgeheimnis andeutende Zunge<br />

daneben schwebend von 5 Buchstaben umgeben ist: „TACUI<br />

= Ich habe geschwiegen." Eigentümlich ist der farbenprächtige,<br />

schwer erscheinende Vorhang, der beide Gemälde nach<br />

der Seite abgrenzt. An der Decke des am 2 Stufen erhöhten<br />

Chores hat der Maler den Opfergedanken versinnbildet mit<br />

der alttestamentlichen Szene J e p h t e s, der an der Spitze<br />

seiner Krieger siegreich aus der Schlacht heimkehrt. Vor dem<br />

Auszug gegen die Ammoniter hatte er gelobt, im Falle des<br />

Sieges das Erste, was ihm entgegenkäme, dem Herrn als<br />

Opfer darzubringen. Jetzt aber begrüßte ihn seine einzige<br />

Tochter mit ihren Gespielinnen, worauf er abwehrend die<br />

Hände ausstreckt und das Angesicht abwendet, um das Verhängnis<br />

nicht sehen zu müssen. Ein Teil dieses Bildes war<br />

schon 1891 abgestürzt und wurde damals von Maler Jos.<br />

Lorch wieder ergänzt- Neuestens fiel wieder ein anderes<br />

Stück mit dem Putz herunter.<br />

8 Mit schnörkelndem Zierwerk leitet Ferdinand Dent über<br />

zum zweiten ganz wuchtig wirkenden Gemälde des Schiffes,<br />

der Himmelfahrt Mariens. Lediglich die geringe Höhe der<br />

Decke beeinträchtigt etwas den Eindruck des Werkes, das<br />

in einer hohen Kirche ganz anders zur Geltung käme, und<br />

sich neben denen Meinrads von Ow sehen lassen könnte. Die<br />

demütige Jungfrau in einfachem Gewände, auf der Mondsichel<br />

stehend, einen Kranz von 12 Sternen um ihr strahlendes<br />

Haupt, schwebt von Engeln getragen auf den Wolken<br />

himmelwärts, wo Gott Vater und ihr Sohn sie erwarten. Der<br />

Geist aber als königlicher Bräutigam im Hermelinmantel und<br />

mit siebenfach umflammtem Haupt geleitet sie auf den herrlichen<br />

Thronsessel, den farbenumgiühte Cherubim in den<br />

Lüften schwebend halten. Augenfällig hat hiei 4 '' der Künstler<br />

festgehalten, was die Christenheit von Maria singt: „Weil du<br />

ganz makellos, hat holde Gnadenros ... sich als erkorener<br />

Braut selber der heilige Geist dir getraut." Die Darstellung<br />

des hl. Geistes in t lenschlicher Gestalt war in der damaligen<br />

Zeit nicht gerade selten, ist aber seitdem von der<br />

Kirche untersagt worden. Da Maria gewürdigt wurde, durch<br />

ihren Sohn den Fluch der Sünde von der Erde zu nehmen,<br />

ist unten die Erdkugel mit dem Falle Adams und Evas dargestellt.<br />

Darüber sehen wir als Mittler die hl. Eucharistie<br />

durch Kelch und Hostie abgebildet. Ein barocker zierlicher<br />

Rundbau bildet den Hintergrund für zwei weiße und zwei<br />

schwarze Frauengestalten. Eine weist auf ein Wappen hin.<br />

Noch vor einem Menschenalter haben manche gemeint, dies<br />

sei das Wappen derer von Eineck und die 2 weißen Frauen<br />

die Stifterinnen des Heiligtums. Allein schon der Gedanke<br />

hätte stutzig machen müssen, aaß das Bild über 250 Jahre<br />

jünger ist als die erste Erwähnung des Baues, und daß<br />

überhaupt keine Familie von Eineck nachgewiesen<br />

werden 'rann. Die Herren von N e u n e c k aber<br />

tührten im Schild einen von einem goldenen Stern überhöhten<br />

goldenen Querbalken in Rot. An der Kirchendecke<br />

jedoch sieht man einen viergeteilten Schild mit einem fünften<br />

goldenen Herzschild, der eine Goldkrone trägt und einen<br />

schwarzen gekrönten Doppeladler zeigt. Von den vier Teilfeldern<br />

enthält I. ein silbe;. es, gerades Balken.reuz in Rot,<br />

II. und Iii. in Blau einen silbernen Turm mit schwarzem Tor<br />

und Fenster, und aas IV. Feld ist fünfmal rot-silbern schräglinks<br />

geteilt.<br />

Ein genaues Beachten der Gesamtumstande hätte sofort<br />

den Weg zur Deutung des Wappens zeigen können. So aber<br />

blieb das Auge des Verfassers noch von romantischer Sage<br />

umnebelt, bis ein Zufall die Klarheit brachte.<br />

Ich blätterte gelangweilt im Lesesaal der Universität Freiburg<br />

im ersten besten Band von „Siebmachers großem Wappenbuch."<br />

Da ... ! War es närrische Täuschung? Nein, kein<br />

Zweifel! Das Wappen von unserer Kapeile! Staunend las,<br />

nein, verschlang ich den dazugehörigen Text: „Fürsten Rezzoniko.<br />

Italienischer Huchadel." Aber was hatte der auf der<br />

schwäbischen Alb verloren? Sollte ein südländischer Maier?<br />

. . . „Carlo Rezzoniko, geb. 1693, wurde 1758 mit dem Namen<br />

Clemens XIII. auf den päpstlichen Stuhl erhoben. Er starb<br />

176P<br />

Es ist gar kein Zweifel: das fragliche Wappen ist das des<br />

1763 regierenden hl. Vaters. Denn bei näherem Zusehen findet<br />

man zum Ueberfluß noch die päpstliche Tiara und den<br />

Stab mit dem dreifachen Kreuz, den ein Englein hält. Die<br />

auf das Wappen weisende Frau mit einer Krone zu Füßen<br />

und einem Roß begleitet, stellt Europa dar, die üorigen


28 H O H E N Z O L L E B I S C H E H E I M A T Jahrgang 1958<br />

Frauen mit ihren Begleiterinnen Löwe, Kamel und Papagei<br />

aber die übrigen drei alten Erdteile. (Australien ist der Harmonie<br />

wegen nicht berücksichtigt.) Teils blicken sie anbetend<br />

auf die Hostie, teils staunend auf die Erscheinung in<br />

der Höhe. Man erzählt, als die Malarbeiten Dents schon<br />

ziemlich fortgeschritten waren, seien die Kinginger in Bittprozession<br />

zur Kapelle gekommen und, überwältigt von der<br />

Schönheit und Farbenpracht der Gemälde, hätten sie wortlos<br />

hinaufgestarrt an die Decke. Der Meister aber, nicht faul,<br />

habe die Gelegenheit wahrgenommen und die Staunenden,<br />

so wie sie unten standen und knieten, auf den nassen Putz<br />

gemalt. Und wirklich sehen wir auf der linken Seite des<br />

Bildes den damaligen Pfarrherrn Bitzenhofer in Porträtähnlichkeit,<br />

wie er niedergekniet ist und voll Bewunderung die<br />

Hände ausstreckt. Um ihn herum sind in alter, inzwischen<br />

verschwundener Volkstracht seine Pfarrkinder mit dem<br />

Schultheißen Pius Schneider geschart, die andächtig zur<br />

himmlischen Mutter aufblicken, gerade als ob sie beteten:<br />

„Mutter an der Heeresstraße, sieh uns doch in Gnaden an!<br />

Deine Kinder nie verlasse, führ' sie auf der Tugendbahn.<br />

Auch in diesem Tal der Zähren seufzen wir in Angst u. Not.<br />

Du kannst jede Bitt' gewähren, denn Dein Sohn ist Herr<br />

und Gott."<br />

Ein kleines Mägdlein aber reibt weinend die Augen. Ihm<br />

ist nämlich beim Hinaufschauen ein Sandkörnlein hineingefallen,<br />

und so hat der Maler es hingezeichnet. Im Hintergrund<br />

lugt zwischen strohgedeckten Häusern Ringingens das<br />

schmucke Kirchlein samt Pfarrhaus, Scheuer und Beinhäuslein<br />

hervor. Ueberragt wird alles vom Nehberg mit seiner<br />

trotzigfesten Ruine, die noch wesentlich besser erhalten war,<br />

als heute. Das Dorfbild ist fortgesetzt zu denken bis auf die<br />

rechte Seite. Hier hat der Meister die ehemalige Galluskapelle<br />

mit ihrem Türmchen festgehalten, die sich mit den<br />

andern Häusern vom zerzausten Hälschlochwald abheben.<br />

Ganz im Vordergrund flehen Gefangene und Krüppel, Kranke<br />

und Besessene, sowie Mütter mit ihren „eingefätschten" Kindern<br />

vertrauensvoll zur Helferin in jeder Not, die ja oben<br />

ihren Einzug in den Himmel hält. Und sie vergißt ihre<br />

Pflegebefohlenen nicht: Sündenketten lösen sich, Kranke werden<br />

gesund und böse Geister fliehen in Gestalt kleiner, häßlicher<br />

Drachen. Denn ihnen ist ein Greuel, was Maria von<br />

sich sagen kann und was daher der Maler mit Recht auf<br />

das Gemälde geschrieben hat: „Ich bin, die ich war,<br />

und ich wa r nicht, die ich bin: Jungfrau und<br />

Mutter." Das Werk ist signiert: „Franz Ferdinand Dent<br />

Constantiensis invenit et pinxit, 1763." (F. F. D. aus Konstanz<br />

hat es erdacht und gemalt, 1763.) Konstanz war jedoch nur<br />

der letzte größere Aufenthaltsort des Meisters gewesen, wo<br />

auch seine Mutter herstammte und starb. Er selbst hatte<br />

am 11. August 1723 in Kirchenhausen bei Engen das Licht<br />

der Welt erblickt, heiratete zu Ringingen bei seinem geistlichen<br />

Onkel am 28. November 1769 mit Apollonia Henkel<br />

von Salmendingen, zog nach Hechingen und starb dort am<br />

12. November 1791 (Mitt. Hohz. 1932, 30—52).<br />

Auch bei der Gruppe der Kranken war ein Stück Putz herabgebrochen<br />

und wurde durch Maler Ant. Franz von Tafertsweiler<br />

1927 wieder ergänzt. Eine weitere Beschädigung erfolgte<br />

1938 durch die Erschütterung, die schwere Manöverfahrzeuge<br />

erzeugten und die schon oben erwähnte von 1946,<br />

die noch dier Ausbesserung harren.<br />

Um aber auch nach außen zu zeigen, wessen dieses Kirchlein<br />

sei, hat Franz Ferdinand Dent das Bild der hehren Mutter<br />

mit Kind auch an die östliche Außenwand des Chores<br />

gemalt. Dort thront sie, die Erdkugel mit der Schlange zu<br />

den Füßen, während Engelein die Ehrenwache halten, dort<br />

begrüßen sie die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne.<br />

(S. Zollerländle 1925, 2—3.) Auch hier hat Frank 1927 die<br />

Farben wieder aufgefrischt.<br />

9. Der Boden der Kapelle besteht in barocker Art aus roten<br />

Backsteinen, mit Ausnahme des hintersten Teils, der betoniert<br />

ist. Doch finden sich, wie der verstorbene Pfarrer<br />

Pfeffer-Lautlingen im Jahre 1932 feststellte, vorn um den Altar<br />

noch viel ältere quadratische Fliesen von 16 cm, die teils ein<br />

Eichenblatt, teils vier zusammen eine Kreisinschrift zeigen, in<br />

dem in gotischen Minuskeln geschrieben steht: „trit mich".<br />

Aehnliche noch besser lesbare Fliesen sind erst jüngst in<br />

Jungingen aus der alten Anna- und früheren Marienkapelle<br />

von 1501 „auf der Leer" unverständlicherweise hinausgeworfen<br />

worden. Sie dürften in die Zeit der Erbauung beider<br />

Kapellen, ins endende 15. Jahrhundert zurückreichen (Heimatklänge<br />

des Zoller, 1934, S. 34—35). Um den Altar unseres<br />

Kirchleins fand der gleiche Kunstkenner noch Spuren eines<br />

gemalten Teppichs unter der Tünche und nahe dabei in der<br />

Wand ein viel älteres zugemauertes gotisches Fenster. Offenbar<br />

hat Maler Lorch 1891, als er das Deckenbild ergänzte<br />

und die Kapelle renovierte, den Teppich überweißelt. Er<br />

bekam damals 330 Mark. Die beiden Altarstatuen und das<br />

Schildchen erneuerte gleichzeitig Bildhauer Fidelis Schäfer<br />

von Hechingen für 24 Mark. Auch hat man im September<br />

desselben Jahres im Chor zwei neue Fenster eingesetzt von<br />

M. Meier in München: Kostenpunkt pro Quadratmeter 8<br />

Mark, zusammen also 32 Mark. Seit dem Kappelfest 1889<br />

waren dafür Kirchenkollekten gehalten worden.<br />

Den Bewohnern von Ringingen ist die Kapelle lieb und<br />

teuer, sowohl wegen der ansprechenden Gemälde, die so<br />

frisch erscheinen, als wären sie erst kürzlich entstanden, als<br />

auch wegen des anschließenden Gottesackers, auf dem die<br />

meisten einst ihre Ruhestätte finden werden.<br />

„Dort in dem Schatten vom Heiligtum,<br />

Schlafen sie nebeneinander stumm,<br />

Alte und Junge in stiller Gruft<br />

Bis einst der Herr sie zum Leben ruft!"<br />

Leider war einem kleinen Täfelchen im Vorraum, das den<br />

Fremden die wichtigsten Daten und den Inhalt der Gemälde<br />

dartun wollte, keine lange Lebenszeit beschieden!<br />

Viele haben einst, wie auch anderwärts überliefert ist, beim<br />

Gang zur Arbeit aufs Feld ihre Hacken am steinernen Türgewände<br />

geschärft, als wollten sie den Segen Gottes mitnehmen.<br />

Möge die Liebe und Zuneigung zur Kapelle und ihre hohe<br />

Patronin auch weiterhin das Interesse wach halten. Dann<br />

dürfen wir hoffen, daß bald eine kundige Hand wieder die<br />

Schäden der letzten Jahrzehnte beheben wird. Es sei geschlossen<br />

mit einer freien Uebersetzung der Altarinschrift,<br />

die der Verfasser schon auf seinem Primizbildchen abdruckte:<br />

„Mutter, Du Gütige, rein wie der Sonne Licht wirst<br />

du genannt!<br />

Mächtige Königin und Segenspenderin, hilf allen die<br />

an Dich je sich gewandt!"<br />

Trochtelfingen oder Truchtelfingen?<br />

Die Herren von Truchtelfingen werden teils nach Truchtelfingen<br />

bei Tailfingen (jetzt eingemeindet), teils aber nach<br />

unserer Stadt Trochtelfingen gedeutet, die ehedem bis ins 14.<br />

Jahrhundert Truchtelfingen geschrieben wurde. Sicherheit ist<br />

bis heute nicht zu gewinnen. Sowohl in Truchtelfingen ist<br />

östlich des Dorfes auf dem Leimenfelsen der Flurname<br />

„Burgstall" (Burgstelle) erhalten, aber auch in Trochtelfingen<br />

gab es mehrere Burgen: 1) Hintere Burg (vielleicht die<br />

alte „Haideck", 2,5 km nördlich der Stadt, rechts von der<br />

Stelle, wo Bahn und Straße sich kreuzen, 2) die Burg, wo seit<br />

1686 die Burgkapelle steht, 3) der Burgstall am nördlichen<br />

Stadtausgang, 4 die sog. Wetzeisburg, deren Felsen gegen<br />

Steinhilben völlig abgeräumt sind, 5) das Schloß innerhalb<br />

der Stadt (Mitt. Hohz. 38, 1904, S. 35).<br />

Der im Jahre 1297 am 26. Dezember verstorben genannte<br />

Swigger von Truchtelfingen, der in Steinhilben und Truchtelfingen<br />

Besitz ans Kl. Mariaberg gestiftet hatte, gehört mit<br />

ziemlicher Sicherheit nach unserem Trochtelfingen (Zollerheimat<br />

1938, 68; WUB 11, 100; H. Bitzer, Tailfinger Heimatbuch<br />

1953/54). Eisele hat s. Zt. diesen Swigger für einen der<br />

Herren von Gundelfingen gehalten, worin ihm schwerlich<br />

beizupflichten ist (Mitt. Hohz. 38, 36). Nach Trochtelfingen<br />

möchte man auch Albertus v. Trochtelfingen von 1299 deuten,<br />

der als Zeuge für Zwiefalten auftritt (Sulger, Annal. Z\..<br />

falt. I, 254). Ebenso eine Judenta v. Trochtelfingen von 1333<br />

(Fürstb. Urkb. 5, S. 186).<br />

Um obigen Swiggers willen neige ich dazu, auch die folgenden<br />

Namen nach unserer Stadt zu deuten: Hermann<br />

von Truchtelfingen, Vogt zu Winrzageln 1434—67 (v. Alberti,<br />

Wappenbuch II, 855). Wohl derselbe sitzt am Magdalenentag<br />

1374 als Edelknecht „H. v. T r u h t e 1 fingen" und Vogt des<br />

ehrw. Herrn Wernher von Zimmern zu Gericht in Hochmossingen<br />

wegen Gütern der Klöster Wittichen und Aipirsbach<br />

(Witticher Copialbuch, Mskr. 68, 23 im Stadtarch. Ueberlingen).<br />

Ebenso siegelt derselbe an Gertrudentag 1385 (ebenda<br />

S. 33) und am Otmarstag 1386 als „Vogt vor Wald" des<br />

Junkers Johannes von Zimmern (S. 35), und nochmals arn<br />

Zinstag nach Maria Magdalena 1392 neben Dekan Nikolaus<br />

Haas zu Rottweil (ebenda S. 475).<br />

Nach Kindler v. Knobloc'n (I, 241) war ein Ulrich von<br />

Truchtelfingen als Kaplan des Abts zu Gengenbach tätig.<br />

Als letzterer plötzlich starb, kam Ulrich in den Verdacht, ihn


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 29<br />

erwürgt zu haben, wurde aber trotzdem im Jahre 1347 zum<br />

Abt von St. Georgen gewählt. Er soll ein zänkischer und verschwenderischer<br />

Mann gewesen sein, unter dem das Kloster<br />

zweimal abbrannte. Der Bischof von Konstanz habe ihn abgesetzt,<br />

aber nach Appellation nach Rom wurde er im Jahre 1364<br />

wieder eingesetzt, wohnte jedoch in Rottweil, wo er am 9.<br />

März 1368 starb. Ein späterer Ulrich von Truchtelfingen<br />

sagte 1390 denen von Falkenstein ab, hatte in Villingen ein<br />

gräflich hohenbergisches Lehengut, wurde 1404 als Helfer des<br />

Grafen Hermann von Sulz von den Freiburgern gefangen<br />

genommen und starb zwischen 1424 und 1431. Seine Tochter<br />

Barbara verkaufte 1431 den großen und kleinen Truchtelfinger<br />

Zehnten in Seedorf. Ulrichs Siegel von 1424 zeigt im<br />

Schild einen stehenden nackten Teufel, ebenso 1418.<br />

Ein Kunz v. Tr. ist 1371 und 1372 erwähnt (Alberti II,<br />

855 und Mitt. Hohz. 12, 13). Nach Locher war seine Familie<br />

in Rottweil und Oberndorf begütert. Laut Zimmerischer Chronik<br />

war dieser Kunz mit einer von Heckelbach vermählt,<br />

deren beider Tochter Margaretha habe den Konrad von<br />

Ramingen zu Tuningen geheiratet. Adelheid von Truchtelfingen<br />

und ihr Mann Hainz Hülwer von Schenkenzell erscheinen<br />

in einer Urkunde vom 24. August 1407, in der Adelheids<br />

Bruder Ulrich v. Truchtelfingen als Sieglcr auftritt<br />

(Fürstb. Urkb. 6, S. 127). Laut Mitt. Hohz. 12, 68 hat im Jahre<br />

1431 am 22. Juni die Witwe dieses Ulrich v. Trochtelfingen,<br />

Anna Schilling, die Hälfte des großen Zehnten zu Seedorf an<br />

Nach Gallus Oheims Chronik der Reichenau (um 1495) hat<br />

Ludwig das Kind, der Sohn König Arnulfs, u. a. auch ans<br />

Kloster (Güter in) Empfingen geschenkt (Programm des<br />

Gymnasiums Hedingen-Sigmaringen 1871/72, S. 17). Es dürfte<br />

sich um einen Irrtum handeln, wenn er Empfingen auf die<br />

Alb verlegt, wo es freilich bei Jungnau ebenfalls eine Siedlung<br />

Empfingen gab. Eine auf den 1. September 843 datierte<br />

Fälschung, die in Wirklichkeit Zustände um 1150 darbietet,<br />

zählt unter den Abgaben ans Kloster Reichenau auch aus<br />

Empfingen auf: 10 Scheffel Hülsenfrüchte, 100 Käse, 1<br />

Schaf, 5 Haspel voll Hanf, 4 voll Flachs und einen Krug<br />

Honig (Zeitschr. Oberrhein 42, 345; Mitt. Hohz. 12, 76). Man<br />

möchte auch den jetzigen Kirchenpatron St. Georg, der seit<br />

dem Beginn des 14. Jahrhunderts (1337) nachzuweisen ist,<br />

mit Reichenau in Zusammenhang bringen. Der frühere<br />

Schutzherr wird jedoch schwerlich festzustellen sein (Zollerheimat<br />

1938, 5).<br />

Eine lateinische Urkunde des Benediktinerabts Diethelm<br />

von Reichenau vom 25. Mai 1327 berichtet: Der Priester<br />

Kunrad, genannt Hiltpolt von Haigerloch, sowie die Untertanen<br />

zu Empfingen, die zu unserem Kloster gehören, haben<br />

zu ihrem Seelenheil und dem ihrer Vorfahren und zur<br />

Vermehrung des Gottesdienstes mit Zustimmung des zuständigen<br />

Bischofs Rudolf von Konstanz und des Kirchrektors<br />

(Pfarrers) zu Empfingen namens Johannes, Sohnes des<br />

Truchsessen Johannes von Diessenhofen, daselbst in<br />

der Kirche einen Altar oder Pfründe gestiftet und ausgestattet<br />

zu Ehren der hl. Nikolaus und Katharina. Sie versprachen<br />

auch vor uns (dem Abt), die Einkünfte dieser<br />

Pfründe zu bessern und zu vermehren bis auf 4 Mark Silber,<br />

nämlich soll der Inhaber 7 Pfund Heller und 10 Malter<br />

Winterroggen (siliginis) Horber Meß erhalten. Das Patronatsrecht<br />

steht dem Abte zu, der einen geeigneten Priester jeweils<br />

dafür vorschlagen soll, der schwören muß, dort persönlich<br />

zu residieren, täglich die Frühmesse zu lesen und zu<br />

Ehren der Heiligen, deren Schutz angerufen wird, falls er<br />

nicht verhindert ist. Er muß ohne Präjudiz und Schaden des<br />

Kirchrektors seines Amtes walten und darf kein OpfergelC.<br />

annehmen. Es siegelten: der Aussteller Diethelm, der Bischof<br />

Rudolf von Konstanz und der Rektor Johannes. Das 1. Siegel<br />

fehlt ganz, das 2. ist halb erhalten, das 3. zeigt im Schild<br />

einen Kessel (GLA Karlsruhe: 5/653 Konstanz). Johannes war<br />

1320 Kirchrektor in Reutlingen (Alberti 129).<br />

Am 26. Dez. 1432 urkundet der Freie Walther von Geroldseck,<br />

von Abt Friedrich von Reichenau durch seinen Vetter,<br />

den edlen Heinrich v. Geroldseck, Freiherrn zu Sulz, zu rechtem<br />

Mannlehen empfangen zu haben: Kirche und Kirchensatz<br />

(Patronat) zu Empfingen, den Kelnhof daselbst,<br />

alle Zehnten, Leute und Güter, die dazu gehören, wie es<br />

Lehen von Reichenau ist. Er hat dem Abte gehuldigt und den<br />

Eid geschworen, ihm treu und verbunden zu sein und ^.lles<br />

nach Lehensweise zu tun. Da Walter kein Siegel (da) hat,<br />

siegelt für ihn sein Vetter Heinrich (S. fehlte heute). Aehnliche<br />

Lehenreverse liegen vor: Vom 28. August 1455 von Freiherr<br />

Heinrich von Geroldseck zu Sulz für Abt Johannes,<br />

Empfingen und Reichenau<br />

Johannes von Zimmern verkauft. Barbara v. Truchtelfingen<br />

verkauft am 14. Dezb. 1440 mit ihrem Mann Hanmann<br />

dem Behem ihr Drittel des Steinhauses zu Wolfach und anderes<br />

an ihren Schwager Heinrich Behem (FUB. 6, S. 181).<br />

Ein Baiinger" Bürger Albrecht v. Truchtelfingen 1335<br />

und 1340 stammte wohl nur vom nahegelegenen Dorf und<br />

war nicht adlig (Stettener Urk. 94 und 120). Das gleiche gilt<br />

wohl bezüglich des Standes von Burkart von Trochtelfingen<br />

(wohl der Stadt), der 1364 in Reutlingen wohnte und zwei<br />

Töchter zu Stetten im Kloster hatte (ebenda Nr. 251). Eine<br />

der Stifterinnen der Klause Margrethausen b. Lautlingen,<br />

Mechtild von Truchtelfingen, dürfte aus dem nahegelegenen<br />

Dorf gestammt haben. (Anfang des 14. Jahrhunderts.)<br />

In Trochtelfingen mögen noch andere Adelsgeschlechter<br />

seßhaft gewesen sein. So berichtet Sulger (II, 12) im Jahre<br />

1400 habe Heinrich von Blankenstein, zu Steinhilben seßhaft,<br />

dem Kl. Zwiefalten um 32 Pfund die Güter verkauft, die<br />

einst Johannes von Ehrenfels dem Heinrich Rimmelin, Ritter<br />

von Trochtelfingen, übergeben hatte, und dann an den Blankenstein<br />

gekommen waren (Mitt. Hohz. 38, 37). Ein Junker<br />

Eberhard Hipp, der 1467 zu Trochtelfingen saß, führte zwei<br />

gekreuzte Aexte im Siegel (Alberti Nr. 1120), gehörte also<br />

vermutlich einer Familie an, die sonst in Eßlingen am Neckar<br />

saß. Auch ein Hans von Salmendingen, der sich auch von<br />

Burladingen schrieb, saß 1356 in Trochtelfingen, vielleicht auf<br />

einer der genannten Burgen. Kr.<br />

ebenso von Hans v. Geroldseck vom 24. April 1457 (Siegel:<br />

im Schild ein Querbalken; Zier: ein Flügel). Am 8. November<br />

1465 stellt derselbe nochmals eine gleiche Urkunde aus<br />

mit sehr schön erhaltenem Siegel.<br />

Am 9. März 1489 urkundet dann Freiherr Erhard von Gundelfingen<br />

anstelle seines Herrn, des Grafen Eberhard d. ältere<br />

von Wirtemberg, daß dieser vom Abte Johannes von Reichenau<br />

obige Lehensteile empfing, wie sie Erhards Oheim,<br />

Johannes Herr zu Geroldseck selig innehatte. (Siegel: ein<br />

Turm der kath. Pfarrkirche Empfingen.<br />

Der untere, frühgonsche Teil des Turmes stammt noch von der alten Kirche.


30 HOHENZOL EBISCHE HEIMAT .Tahrgpns 1.958<br />

dorniger Schrägbalken.) Schon am 2. April 1489 stellte Herr<br />

Gangolf zu Geroldseck diesen Revers aus, am 9. März 1497<br />

dagegen der Freiherr Erhard von Gundelfingen, der dem Abt<br />

Martin von Reichenau den Empfang des Lehens für Eberhard<br />

von Wirtemberg bestätigt: Kirche und Kirchensatz,<br />

Kelnhof und Zehnten.<br />

Kath. Pfarrkirche in Empfingen. Erbaut 1858.<br />

opäter war das Lehen in Hand des Zollergrafen: Am 12.<br />

September 1536 hat Graf Joachim von Zollern nämlich auf<br />

das Reichenauer Lehen zu Empfingen (Zehnten, als dem<br />

wichtigsten Teil, Kirchensatz, Umgeld und neue Scheuer, die<br />

er vom Äbt Martin zu Lehen erhielt), 1000 fl Hauptgut mit<br />

50 fl Zins aufgenommen, die er innerhalb 8 Jahren abzahlen<br />

will. Sein Anwalt und Sekretär ist Baptist Hömsedl. Das<br />

Siegel des Gr. Joachim ist beschädigt, das des edlen Burkart<br />

von Danketschweyl (große Lilie im Schild) dagegen schön<br />

erhalten.<br />

Am 5. November 1538 schrieb Gr. Jos Nikiaus von Hohenzollern<br />

an seinen Lehensherrn, den Abt Marx zu Reichenau:<br />

Mein verstorbener Vater Joachim hat den<br />

Zehnten zu Empfingen samt Kirchensatz und neuerbauter<br />

Scheuer samt allen Rechten als Reichenauer Lehen gehabt,<br />

die nun ich erbte. Da jedoch das Lehen nun dem Grafen<br />

Christoph von Nellenburg, Herrn zu Tengen, künftig zusteht,<br />

so sende ich es auf mit der Bitte, es diesem Grafen zu leihen.<br />

Aufgedrückt auf das Papier findet sich das Wildmannssiegel<br />

des Zollergrafen auf Oblate.<br />

Christoph war nämlich vermählt mit Gräfin Helene von<br />

Hohenzollern (Großmann, Genealogie des Gesamthauses Hohenzollern<br />

Nr. 478, S. 69 und Zollerheimat 1941, 46—48.)<br />

Unterm 18. August 1554 lesen wir: Graf Karl von Zollern<br />

wolle dem Bischof von Konstanz, dermaligem Abt von Reichenau,<br />

betr. Empfingen nur das Handgelübde geben, aber<br />

nicht den Lehenempfang beschwören. Endlich am 11. August<br />

1556, nach dem Tode der Nellenburger Witwe Helene von<br />

Zollern, beauftragte Graf Karl von Hohenzollern den Obervogt<br />

Bastian Schlegel von Gruol und Christoph Wendler von<br />

Bregrath, für ihn das Reichenauer Lehen zu Empfingen vom<br />

Bischof Markus Sittich von Konstanz, dem Inhaber des Klosters<br />

Reichenau, zu empfangen.<br />

(Alle Urkunden im GLA Karlsruhe 5/653 Konstanz.) Diese<br />

Nachrichten dürften willkommene Ergänzungen zu den Ausführungen<br />

Hodlers über Empfingen sein, die sich in seiner<br />

Geschichte des Oberamts Haigerloch 1928, S. 680 ff finden.<br />

Krs.<br />

Die ältesten Sigmaringer Stadtrechte<br />

Die erste sichere Nachricht aus der Geschichte unserer Heimat<br />

erhalten wir, wie bekannt, aus dem Parteikampf zwischen<br />

Kaiser Heinrich IV. und seinem Gegenkaiser Rudolf<br />

von Schwaben. Dieser belagerte im Frühjahr 1077 die Anhänger<br />

Heinrichs längere Zeit erfolglos in der festen Burg<br />

Sigmaringen. Wir wissen wohl, daß Sigmaringen im darauffolgenden<br />

12. Jahrhundert Stadt war, wir wissen aber nicht,<br />

ob es schon Märkte hatte und welcher Rechte und Freiheiten<br />

es sich sonst erfreute Daß es solche gehabt haben muß, ist<br />

aus der ältesten, diesbezüglich uns vorliegenden Urkunde zu<br />

entnehmen, nach der sich die Stadt schon „vor langen Zeiten<br />

Ordnung und Gesetze selbst gegeben habe.<br />

Im Jahre 1362 verleiht Kaiser Karl IV.'der Stadt Sigmaringen<br />

das Recht, jeden Montag einen Wochenmarkt abzuhalten und<br />

nimmt die Besucher und Waren desselben in seinen besonderen<br />

kaiserlichen Schutz. Zu diesem Markte gab er der<br />

Stadt die gleichen Rechte, Freiheiten und Ehren, die seine<br />

Reichsstadt Pfullendorf genoß. Danach konnte Sigmaringen<br />

seine inneren Angelegenheiten und Einrichtungen selbst ordnen.<br />

Seine Bürger -— dies konnten nur Freie, aber nicht<br />

Leibeigene werden — durften nicht mehr vor fremde Gerichte<br />

geladen werden, denn nun erhielt es eigene Gerichtsbarkeit.<br />

Die Stadt durfte nicht mehr verpfändet weiden, was<br />

unter der vorangegangenen österreichischen Herrschaft so it<br />

zum Nachteil der Stadt geschehen war. Schließlich durfte die<br />

Stadt zum eigenen Schutze mit anderen Städten Bündnisse<br />

eingehen. Zu dieser Zeit gehörte Sigmaringen zu Württemberg<br />

(1325—1399). Graf Eberhard von Württemberg behielt<br />

seine Hoheitsrechte. Er blieb weiterhin Herr der Stadt und<br />

bezog nach wie vor von ihr seine Einkünfte. Durch seinen<br />

Vogt übte er auf Verwaltung und Justiz die früheren Einflüsse<br />

aus.<br />

Auf Grund des kaiserlichen Marktpri - ilegs vom Jahre<br />

1362 wurde nun das älteste, uns bekannte Sigmarin, jer Stadtrecht<br />

begründet, vermutlich das schon vorhandene ältere geändert<br />

und mit Zusätzen versehen. Leider trägt diese Urkunde<br />

keine Jahreszahl. Diese erste Fassung behandelte fast<br />

nur Strafrecht, von der Organisation der Verwaltung wird<br />

darin nichts erwähnt. Ueber diese gibt dagegen die zweite<br />

Fassung aus dem Jahre 1460 nähere Aufschlüsse. Oberste<br />

städtische Instanz war der Stadtvorstand, desser. Mitglieder<br />

der Schultheiß, der Bürgermeister, die Richter und die Sechser<br />

waren. Der Schultheiß war Gerichtsvorstand und Straf-<br />

richter. Uebrigens geht aus einer Urkunde des Jahres 1275<br />

hervor, daß Sigmaringen schon zu jener Zeit einen Schultheißen<br />

hatte. Der Bürgermeister, zugleich einer der zwölf<br />

Richter, erscheint als der leitende Verwaltungsbeamte und<br />

Finanzverwalter der Stadt.<br />

Die zwölf Richter bildeten mit dem Schultheißen und dem<br />

Bürgermeister das Stadtgericht. Sie waren sowohl Richter als<br />

auch Räte und hatten in dem Schultheißen ihren richterlichen<br />

und in dem Bürgermeister ihren verwaltenden Vorstand.<br />

Eine scharfe Trennung zwischen Verwaltung und Justiz<br />

gab es zu jener Zeit noch nicht, und so erscheinen die<br />

gleichen Männer einmal als Richter und dann wieder als<br />

Räte. Sie standen also dem Schultheiß in Strafsachen und<br />

dem Bürgermeister in Verwaltungsangelegenheiten und bei<br />

Vertretung der Stadt nach außen zur Seite. Die Sechser<br />

waren nicht etwa ein besonderes Kollegium, sondern die<br />

Stellvertreter und Ersatzmänner der Richter und Räte, über<br />

die sie nebenbei noch äine kontrollierende Funktion hatten.<br />

Alle wichtigen Angelegenheiten und Verhandlungen, ganz<br />

besonders Verfügungen über' Liegenschaften und „Sachen,<br />

die Leib und Leben anbetreffen", mußten unter freiem Himmel<br />

und unter Beachtung bestimmter Formen, wie z. B.<br />

Handschlag, dreimalige Wiederholung vorgenommen werden.<br />

Das Recht hatten die Richter auf des Schultheißen<br />

„Umfrag" auszusprechen. Die Richter wählten aus ihren Reihen,<br />

zusammen mit den Sechsern wieder besondere Aufseher<br />

über die Polizei, die verschiedenen Gewerbeai ,;en ie Metzger,<br />

Bäcker, Tuch- and Ziegelmacher usw., sodann die Feuerschauer,<br />

die Weideaufseher und andere mehr.<br />

Ais herrschaftlichen Beamten finden wir den Vogt, der<br />

zugleich der höchste Beamte des Bezirks war. Er wird in<br />

Urkunden rein städtischer Angelegenheiten nie genannt.<br />

Diese Tatsache läßt auf eine ziemlich freie Stellung der .-?tadt<br />

gegenüber ihrer Herrschaft schließen, ebenso der Umstand,<br />

daß der Schultheiß durch die freie Wahl der Stadtgemeinde<br />

und nicht vom Herrn ernannt wird.<br />

Sigmaringen, das um jene Zeit noch recht klein gewesen<br />

sein muß, hatte sich . somit schon schöne Rechte erworben,<br />

die auch unter den nachfolgenden Werdenbergern und Grafen<br />

von Hohenzollern-Sigmaringen in Geltung blieben, Erst<br />

im Jahre 1623 wurde das bisherige Stadtrecht durch ein den<br />

veränderten Zeitverhältnissen angepaßtes ersetzt.<br />

Hans Baron.


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 31<br />

Aus dem Pfarrarchiv Rangendingen<br />

von Fritz Staudacher<br />

18 17<br />

Am 13. Februar ist Herr Pfarrer in Grosselfingen Sebastian<br />

Haid im 64. Jahre seines Alters an einer innerlichen Fäulung<br />

nach Empfang der Hl. Sterbsakramente gestorben. R. I. P.<br />

Am 21. May ist der Hochw. H. Pfarrer Joseph Ferber von<br />

Stetten unter Holstein nach Grosselfingen als Pfarrer aufgezogen.<br />

Am 10. d. M. Februar sind unser Hochwürdigster Bischoff<br />

Karl Theodor von Dalberg zu Regensburg gestorben. R. I. P.<br />

Das Bild von dem Hl. Johann von Nepomuc habe ich zu<br />

Owingen wieder frisch fassen lassen und in der Klosterkirche<br />

auf den Hochaltar gestellt am 31. May. Dies Bild hat zu fassen<br />

gekost 2 fl 24 x.<br />

Am 14. Oktober sind Seine Hochwürden H. Kammerer und<br />

Pfarrer zu Weilheim Joseph Giegling als Decan im 41. Jahre<br />

ihres Alters erwehlt worden, geb. 1771 am 11. April.<br />

Die Katharina Hornin gebürtig von Fronstetten, so bey<br />

mir 20 Jahre Köchin wäre, hat sich nach Bechtoldsweiler mit<br />

dem Johannes Kaus verheurahtet und ist am 25. November<br />

in dem 66. Jahre ihres Alters nach Empfangung der Hl.<br />

Sterbsakramente an der hitzigen Krankheit gestorben. R.I.P.<br />

1818<br />

Am 20. May ist der Herr Pfarrer zu Stetten unter Hollstein<br />

Aloysius Klingler nach Empfang der Hl. Sterbesakramente<br />

in dem 45. Jahre seines Alters an der Wassersucht<br />

gestorben. R. I. P.<br />

Am 7. Juni ist der Herr Pfarr zu Thanheim Josephus Bulach<br />

nach Empfangung der Hl. Sterbsakramente in dem 49.<br />

Jahre seines Alters an der auszehrenden Krankheit gestorben.<br />

R. I. P.<br />

Am 4. August ist H. Pfarrer Reiner Hochw. von Stein nach<br />

Stetten unter Hollstein auf die dortige Pfarrey aufgezogen,<br />

und am 4. d. M. ist H. P. Quardian Hertie Hochw. als Pfarrer<br />

nach Stein gekommen.<br />

Am 3. August ist H. Can. Wolffgang Funck nach Thanheim<br />

als Pfarrer gezogen.<br />

Den Nußbaum, so in dem Gärtie an der Klostermaur stehet,<br />

habe ich gesetzt 1798. Dieser Baum hat das erstemal Nüssen<br />

getragen 1817.<br />

1819<br />

Am 4. Juli ist der Hochw. H. Pfarrer Franz von Franck zu<br />

Burladingen im 84. Jahre seines Alters gestorben. R. I. P<br />

Am 20. September ist der wohlehrwürdige Herr Volm ein<br />

H. Sohn von H. Breimeister zu Hechingen von Seiner Hochwürden<br />

und Gnaden dem Gnädigsten Herrn Weybischoff von<br />

Keller zu Rottenburg als Priester ausgeweyht worden und<br />

hat am 26. d. M. sein Erst Hl. Meßopfer in der Stattpfarrkirche<br />

zu Hechingen dem Allerhöchsten abgestattet.<br />

Am 26. d. M. ist H Pfarrer Karl Bulach ein Bruder von<br />

H. Joseph Bulach in Wilflingen in dem 42 Jahr seines Alters<br />

gestorben. R. I. P.<br />

Am 8. October ist H. Libori Klingler von Zimmern nach<br />

Wilflingen als Pfarrer rufgezogen.<br />

Am 14. d. M. ist H. Canonicus Reithinger nach Buriaaingen<br />

als Pfarrer aufgezogen, und H. Vicarius Sauter am nemlichen<br />

Tag nach Zimmern als Kaplan aufgezogen.<br />

H. Klarus Sauter war Vicarius in Burladingen.<br />

Am 15. November ist der Hochwürdige H. P. Beichtvatter<br />

Aurelius Lussner 4 Jahre und 2 Monathe nach seiner gehaltenen<br />

Secundiz in dem 79. Jahr seines Alters an einem<br />

Schlagfluß gestorben. R. I. P Dieser war aer Letzte H. Pater<br />

Franciscaner im Kloster St. Luzen, mit diesem guten alten<br />

Herrn ist das ganze Kloster ausgestorben.<br />

Kurznachrichten<br />

DenKmalsp/He. Aus der schnell vergehenden Tagespresse<br />

seien die wichtigsten Arbeiten des LandesKonservators W.<br />

Genzmer und Kirchenmalers Jos. Lorch von 1957 für cue<br />

Zukunft festgehalten. Haigerloch: Unterstadtkirche St.<br />

Nikolaus (hoffentlich für dauernd) entfeuchtet und im Innern<br />

farbig neugestimmt, wobei die bisher undeutliche Jahreszahl<br />

1546 festgestellt wurde. Im Gegensatz zu Bingen: Beiassung<br />

der neugotischen Altäre von 1862, Abschlagen der<br />

Gipsdecke des Schiffes mit dem Gemälde (Verehrung des Hl.<br />

Nikolaus durci Priester, K. Schmid, Pfarrer und B Xramer,<br />

Kaplan und Volk von Haigerloch mit Stadtansicht), das<br />

Klink-Horb erst 922 geschaffen. So schnell ändern sich iie<br />

Ansichten! Anbringung der heute in Mode stehenden Kassettendecke<br />

aus Holz. Dettensee: Aufdeckung der alten<br />

Bemalung des Chorgewölbes, Entfernen des Oelanstrichs der<br />

barocken Seitenaltäre und Kanzel, neugotischer Hochaltar<br />

aufgefrischt, Farbfenster des 19. Jahrhunderts herausgenommen.<br />

Esseratsweiler: Restaurator Lang aus Lechbruck<br />

holte die alte 'Bemalung des 18. Jahrhunderts heraus, paßte<br />

die Apostelfiguren der Langhauswände den Farben der Rokokozeit<br />

an. Weilheim - Renovation des Innern der Kirche,<br />

die durch Brand des Beichtstuhles verdorben war. Bad<br />

I m n a u • Erneuerung des Innern, nachdem vor einigen Jahren<br />

ein echter Barockaltar beschafft worden. Langhausfenster<br />

mit weißem Antikglas. Steinhilben : die um 1938 verlängerte<br />

Kirche erhielt aus Mühlheim a. D. einen Stuckmarmor-Altar,<br />

in den das alte Hochaltarbild (Kreuzigung)<br />

sich gut einfügt. Stuckaufteilung der Decke mit 3 Gemälden<br />

von Josef Lorch-Sigmaringen und seinem gleichnamigen<br />

Neffen aus Füssen. Kappel: Die Kapelle erhielt neue<br />

stilgerechte Farbigkeit (noch ohne den Altar). Doberatsweiler:<br />

Kapelle wurde von Lang-Lechbruck neu ausgemalt.<br />

Neues Deckenbild von Kunstmaler Andreas Dasser aus<br />

Pfronten-Weißbach. Schloß Hohenfels: Stuckergänzung<br />

in der Kapelle durch Hagen von Oheimb-München.<br />

Melchingen: Wiederaufstellung der alten, bisher in der<br />

Kapelle verwendeten Seitenaltäre durch Lorch.<br />

Außeninstandsetzungen in Kellenputz: Kirche in Dietershofen,<br />

Nötenwangkapelle in Inneringen (farbig<br />

in alter Form behandelt von Fidel Marmon). Das Innere<br />

war schon vor Jahrer von Andr. Knupfer erneuert<br />

Die Schlösser zu Trochtelfingen und Langenens-<br />

1 i n g e n. An ersterem Oeffnung des alten Fußgängertors, an<br />

letzterem Abänderung eines Teils der Fenster. Davor Kriegerdenkmal<br />

mit kleinen Kreuzen und Pieta von Franz Lorch-<br />

München, dem Bruder obigen Malers. Pfarrhaus Weilheim<br />

durch Herrn. Seli", - Hechingen. Pfarrhaus Sigmaringen,<br />

wo Lorch das Madonnenbild von Gust. Bregenzer<br />

wieder herrichtete. Freilegung alter Fachwerke:<br />

Empfingen, Dettensee und Trochtelfingen, in Haigerloch eine<br />

Fassadenmalerei (Putto unter Palmbaum), wohl von M. von<br />

Aw. Hechingen: Stadtturm an der Grabengasse gesichert.<br />

Wirtshausschild zur „Krone" restauriert. Gammertinge<br />

n : Instandsetzung des Rathauses und Treppenbilds von<br />

Anton Reiser durch Lorch, Einrichtung eines Heimatmuseums<br />

mit Werken von verst. Herrn. Bantle-Straßberg. Kloster<br />

Wald; Ausbau des Innenbaus und Querflügels für die<br />

Heimschule nach Ideen der Leiterin Sr. Sophia Kotschoubeg-<br />

Beauharnais OSB. Hechingen: Neufassung des romanischen<br />

Kruzifixes der protest. Kirche durch Eberh. Köster-<br />

Sigmaringen.<br />

Orgelwerke: Pfarrkirche Wald: Erweiterung des Pedals<br />

des Aichgasserwerkes durcl- Mönch-Ueherlinger L a i z :<br />

Beide Orgeln durch Späth - Ennetach wieder spieibar gemacht<br />

mit neuem Schweilwerk nach Dispos. von Dr Joh.<br />

Maier-Sigmaringen. Zuschüsse zu den Arbeiten gaoen der<br />

Kommunalverband, das Staatl. Amt für Denkmalspflege lA<br />

Tübingen und der Staat. Kr.<br />

An das<br />

in<br />

<strong>Postamt</strong>


32<br />

Eine Doktorarbeit über Michael Heiding<br />

Repetent Erich Feifei am Wilhelmsstift in Tübingen ist auf<br />

Grund einer Dissertation über „Die Grundzüge einer Theologie<br />

des Gottesdienstes bei Michael Heiding (1506—1564)"<br />

vor der kath. theol. Fakultät der Universität Tübingen die<br />

Doktorwürde verliehen worden. Es ist sehr erfreulich, daß<br />

hier der aus Langenenslingen gebürtige Bischof Michael Heiding<br />

eine Würdigung erfährt. Er war ein glaubenstreuer<br />

Bischof, der in den Wirren der religiösen Kämpfe durch seine<br />

Teilnahme am Augsburger Reichstag eine bedeutende Rolle<br />

spielte, wo er durch Entgegenkommen gegenüber Neugläubigen<br />

den Weg zum Frieden suchte. Bedeutsam wirkte er<br />

1557 am Wormser Religionsgespräch und an der Abfassung<br />

des „Interim". Als erster Bischof aus Deutschland war er beim<br />

Konzil von Trient. In dem zumeist schon protestantischen<br />

Hochstift Merseburg warb er durch seine Predigten und seine<br />

Wohltätigkeit für den katholischen Glauben als letzter Bischof<br />

von Merseburg. 1561 wurde er Vorsitzender des kirchlichen<br />

Reichshofrates in Wien, starb aber noch im gleichen<br />

Jahre und fand sein Grab im Stefansdom.<br />

Rangendingen verpfändet. Graf Eitelfriedrich von Zollern<br />

als Selbstschuldner und mit ihm Melchior von Thierberg<br />

und Jörg von Ow zu Hurningen (Hirrlingen) als Mitschuldner,<br />

sind der Witwe Anna von Stain von Staineck, geborener von<br />

Werdnau, 1100 rh. fl schuldig. Sie sind zu Reutlingen, Rottenburg<br />

oder Rottweil an der geschworenen Goldwaage zurückzuzahlen.<br />

Der Zins beträgt jährlich auf Mariä Geburt 55<br />

rh. fl. Pfand ist das Dorf Rangendingen mit Leuten und<br />

Gütern, das dem Jakob von Neuneck schon von denselben<br />

um 40 fl verschrieben ist. Es siegeln am 8. September 1494<br />

die drei Schuldner und für die Gemeinde, die kein Siegel<br />

hat, Junker Wendel von Halfingen und Junker Heinrich<br />

von Giltlingen. Von den 5 Siegeln an der Biesenurkunde<br />

fehlt das vierte, das zweite ist Hailfingen, die andern sind<br />

eingenäht und daher unsichtbar. (GLA Karlsruhe unter Kloster<br />

Lichtental, 35/31b). Die Schuldurkunde scheint später<br />

ans Kloster Lichtental gelangt zu sein. J. A. Kraus.<br />

Die „Lütkirche ze Gammertingen" wird in einer Urkunde<br />

des Generallandesarchivs Karlsruhe (4/379) vom 11. Oktober<br />

1351 erwähnt. Das am Zinstag vor St. Gallentag zu Gammertingen<br />

ausgestellte Pergamentschriftstück berichtet:<br />

Ulrich Nelle, Schultheiß zu Gammertingen und seine<br />

Gattin Adelheid geben dem Abt von Salmannsweiler (Salem)<br />

das Patronatsrecht des Altars St. Mariä, St. Katharinä<br />

und St. Nikolaus in der Leutkirch zu Gammertingen. Innerhalb<br />

eines Monats ist die Stelle mit einem Geistlichen zu<br />

besetzen. Sie erbitten zum Siegeln den Grafen Heinrich<br />

von Veringen, da sie selbst kein Siegel haben. (Siegel<br />

sehr schön: drei Hirschstangen übereinander mit der Umschrift<br />

: *S COMTTIS HAINR1CI DE ... RINGEN. Locher<br />

kennt die Urkunde in seinen Veringer Regesten (Mitt Hohz.<br />

4, 44) nicht, und dieses Siegel erst seit 1353. Krs.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzolleriscnen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab solort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

H O H E N a O L L E R I S C H E H E I M A T<br />

Jahrgang 1958<br />

Rangendingen. Am 5. Februar 1800 hat sich Bonaventura<br />

B e i t e r aus Rangendingen b. Hechingen, 18 Jahre alt,<br />

für Gebhard Vogler von Herdwangen für die Dauer des<br />

Krieges unter das herwärtige (Petershauser) Kontingent gegen<br />

Zahlung von 200 Gulden engagieren lassen. Beim Eintritt<br />

erhält er bar 30 fl, das übrige auf Zins, sofort 1 Paar<br />

Schuhe und 2 Hemmder, dazu monatlich 1 fl und jährlich 1<br />

Hemd. (GLA Karlsruhe 1/151).<br />

Abt von Petershausen wird Sigmaringer Bürger. Eine Pergamenturkunde<br />

im Gen. Landesarchiv Karlsruhe (1/125) meldet:<br />

An Sonntag nach Jakobi, das war am 27. Juli 1376, nahmen<br />

Schultheiß und Rat der Stadt Sigmaringen den Abt<br />

Burkart von Petershausen bei Konstanz in ihres Herrn von<br />

Wirtemberg Schirm und zu ihrem Burger an, so daß er oder<br />

seine Gotteshausamtleute ihnen jährlich als Steuer 3 Pfund<br />

Pfennige Konstanzer Münz zahlen sollen. Das Stadtsiegel<br />

fehlt. — Offenbar hat der Abt seine Gründe gehabt, als er<br />

sich unter die Bürger Sigmaringens und damit in den<br />

Schutz des württembergischen Grafen begab!<br />

Krs.<br />

Am 30. Januar 1430 haben im Streit zwischen Abt Petrus<br />

von Salem und Hans Rüttin, Bürger zu Sigmaringen,<br />

wegen des Erbes von Rüttis Bruderssohns der Truchseß Hans<br />

zu Bichishausen und Schultheiß und Rat zu Sigmaringen und<br />

Heinz Heris, Stadtammann zu Pf Ullendorf vermittelt: Der<br />

Abt zahlt 20 Pfund und 10 Schilling Heller. Siegel der Stadt<br />

Sigmaringen: Hirsch und Stern; außerhalb des Schildes drei<br />

zugewandte Halbmonde: S. CIVITATIS DE SIGM .. GEN f.<br />

(GLA Karlsruhe 4/412.)<br />

An Trochtelfinger Akten, die noch 1824 im Städtchen lagerten,<br />

aber seitdem verschollen zu sein scheinen, nennt Pfr.<br />

Roman Hohl, von dem wir an dieser Stelle 1956 S. 11 berichteten,<br />

in seinen dortigen Notizen: (u. a.) 188) Zwei libella<br />

oder Beschreibungen der Herrschaft Trochtelfingen. 201) Hinrichtungen<br />

im Jahre 1623. 217) Wochenmarktsordnung zu<br />

Trochtelfingen 1549. 233) Alte Ordnung des Amts Trochtelf.<br />

236) Neue Ordnung des Fleckens Meldungen vom 4. Febr.<br />

1656. 240) Urfehden aus den Jahren 1448—1625. 279) Pfr.<br />

Mayer zu Meldungen. 282) Peinlicher Halsgerichtsprozeß der<br />

Stadt Trochtelfingen Div. XVIII, fasc. 1, Cist b, Lad 5 292)<br />

Hinrichtung 1503. 298—299) Alte Gebots- und Verbots-Protokolle.<br />

Sollten diese wertvollen Stücke nachher ins Staatsarchiv<br />

Sigmaringen gekommen, oder gar, wie andere Donaueschinger<br />

Gerichtsprotokolle um Mitte des vorigen Jahrhunderts<br />

vernichtet worden sein? Krs.<br />

Wannenmacher zu Haigerloch. Schultheiß, Bürgermeister<br />

und Rat der Stadt Haigerloch urkunden am 23. April 1605,<br />

daß der Küfer Georg Wannenmacher von da sich außerhalb<br />

niederlassen wolle. Sie steilen ihm daher ein „Mannrecht"<br />

E us: Er sei ehelicher Geburt, sein Vater Michael W und die<br />

Mutter Anna Kettenackerin wohnen noch dahier. Georg sei<br />

von Jakob Hilbrand und Margaretha Fuxschwanzin aus der<br />

hl. Taufe gehoben worden, habe sich fromm, ehrbar und<br />

aufrecht und redlich gehalten und sei niemand leibeigen. Das<br />

Siegel fehlt heute an der Pergamenturkunde. (GLa. Karlsruhe<br />

5/665 Konstanz.) Krs.<br />

Die Familie Gfrörer, die Hodler zum Jahre 1575 mit Hans<br />

und Jörg und Anna Gfrör zu Empfingen anführt, hatte<br />

schon im Jahre 1560 zu Eckenweiler (OA. Rottenburg) mit<br />

Berchtold Gfrör einen Vertreter (Mskr. 70, S. 487 des<br />

btadtarchivs Ueberlingen). Ebenda S. 535 findet sich ein Veit<br />

Hellstern 1505 als Bürger zu Horb a. N., und (S. 527) ein<br />

Benz 'I ü 1 b e r genannt Gut 1467 als Schultheiß zu Horb<br />

a. N. Die Hülben scheinen ein Zweig der Herren von Steinhilben<br />

zu sein. In den Jahren 1406 und 1460 erscheinen die<br />

Salzquellen („H alle n") zu Sulz a. N. (Mskr. 68, S.<br />

407 ff; und dann S. 431). „Wir Bronnenmeister auch Gemeine<br />

und Teilhaber des Salzgesödes zu Sulz 1580". Krs.<br />

Die ganze Reihe der „Mitteilungen des Vereins für Geschichte<br />

und Alterthumskunde in Hohenzollern" hat käuflich<br />

abzugeben M. Schaitel, Sigmaringen, Lanöeshausstr. 1.<br />

Berichtigung: In Nr. 1 1958 S. 14 rechts: Da unser Frowe<br />

(Muttergottes) gnädig ist. S. 15 links: Bletz gegessen (Freiburger<br />

Urkundenbuch von Hefele). S. 16 statt Geislingen ist<br />

natürlich „G e i s i n g e n" bei Donaueschingen zu setzen.<br />

Herr Landrat Dr. Speidel-Hechingen stellte die Druckstöcke der Bilder<br />

Seite 22, 24 und 30, die Landeskommunalverwaltung-Sigmaringen den Druck-<br />

stock des Bildes Seite 29 unentgeltlich zur Verfügung. Herzlichen Dank!


Hohenzollerlsche Heimat<br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Nummer 3 Gammertingen, Juli 1958<br />

/. Teil Die Sage vom Hirschgulden<br />

von Wilhelm Hauff<br />

± 1.<br />

In Oberschwaben stehen noch heutzutage die Mauern einer<br />

Burg, die einst die stattlichste der Gegend war, Hohenzollern.<br />

Sie erhebt sich auf einem runden, steilen Berg, und von ihrer<br />

schroffen Höhe sieht man weit und frei ins Land. So weit<br />

und noch viel weiter, als man diese Burg im Land umher<br />

sehen kann, ward das tapfere Geschlecht der Zollern gefürchtet,<br />

und ihren Namen kannte und ehrte man in allen<br />

deutschen Landen.<br />

Nun lebte vor mehreren hundert Jahren, ich glaube, das<br />

Schießpulver war kaum erfunden, auf dieser Feste ein Zoller,<br />

der von Natur ein sonderbarer Mensch war. Man konnte<br />

nicht sagen, daß er seine Untertanen hart gedrückt oder mit<br />

seinen Nachbarn in Fehde gelebt hätte: aber dennoch traute<br />

ihm niemand über den Weg ob seinem finstern Auge, seiner<br />

krausen Stirne und seinem einsilbigen, mürrischen Wesen.<br />

Es gab wenige Leute außer dem Schloßgesinde, die ihn je<br />

hatten ordentlich sprechen hören wie andere Menschen; denn<br />

wenn er durch das Tal ritt, einer ihm begegnete und schnell<br />

die Mütze abnahm, sich hinstellte und sagte: „Guten Abend,<br />

Herr Graf, heute ist es schönes Wetter", so antwortete er:<br />

„Dummes Zeug!" oder: „Weiß schon!"<br />

Hatte aber einer etwas nicht recht gemacht, für ihn oder<br />

seine Rosse, begegnete ihm ein Bauer im Hohlweg mit dem<br />

Karren, daß er auf seinem Rappen nicht schnell genug vorüber<br />

kommen konnte, so entlud sich sein Ingrimm in einem<br />

Donner von Flüchen; doch hat man nie gehört, daß er bei<br />

solchen Gelegenheiten einen Bauern geschlagen hätte. In der<br />

Gegend aber hieß man ihn „das böse Wetter von Zollern."<br />

Das böse Wetter von Zollern hatte eine Frau, diie das Gegenteil<br />

von ihm und so mild und freundlich war wie ein Maitag.<br />

Oft hat sie Leute, die ihr Eheherr durch harte Reden<br />

beleidigt hatte, durch freundliche Worte wieder mit ihm ausgesöhnt;<br />

den Armen aber tat sie Gutes, wo sie konnte, und<br />

ließ es sich nicht verdrießen, sogar im heißen Sommer oder<br />

im schrecklichen Schneegestöber den steilen Berg herabzugehen,<br />

um arme Leute oder kranke Kinder zu besuchen. Begegnete<br />

ihr auf solchen Wegen der Graf, so sagte er mürrisch:<br />

„Weiß schon, dummes Zeug" und ritt weiter.<br />

Manch andere Frau hätte dieses mürrische. Wesen abgeschreckt<br />

oaer eingeschüchtert; die eine hätte gedacht: was<br />

gehen mich die armen Leute an, wenn mein Herr sie für<br />

dummes Zeug hält; die andere hätte vielleicht aus Stolz oder<br />

Unmut diie Liebe gegen einen so mürrischen Gemahl erkalten<br />

lassen. Doch nicht also Frau Hedwig von Zollern; sie liebte<br />

ihn nach wie vor, suchte mit ihrer schönen weißen Hand die<br />

Falten von seiner braunen Stirne zu streichen und liebte und<br />

ehrte ihn. Als aber nach Jahr und Tag der Himmel ein junges<br />

Gräflein zum Angebinde bescherte, liebte sie ihren Gatten<br />

nicnt minder, indem sie ihrem Söhnlein dennoch alle Pflichten<br />

einer zärtlichen Mutter erzeigte.<br />

Drei Jahre vergingen, und der Graf von Zollern sah seinen<br />

Sohn nur alle Sonntage nach Tische, wo er ihm von der<br />

Amme dargereicht wurde. Er blickte ihn dann unverwandt<br />

an, brummte dann etwas in den Bart und gab ihn der Amme<br />

zurück. Als der Kleine Vater sagen konnte, schenkte der Graf<br />

der Amme einen Gulden — dem Kind machte er kein fröhlicheres<br />

Gesicht.<br />

An seinem dritten Geburtstag aber ließ der Graf seinem<br />

Sohn die ersten Höslein anziehen und kleidete ihn prächtig<br />

in Samt und Seide; dann befahl er, seinen Rappen und ein<br />

schönes Roß vorzuführen, nahm den Kleinen auf den Arm<br />

und fing an, mit klirrenden Sporen die Wendeltreppe hinab-<br />

Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S.Acker, Gammertingen<br />

Postverlagsort Gammertingen<br />

I 8. Jahrgang<br />

zusteigen. Frau Hedwig erstaunte, als sie dies sah. Sie war<br />

sonst gewohnt, nicht zu fragen, wo aus und wann heim? wenn<br />

er ausritt, aber diesmal öffnete die Sorge um ihr Kind ihre<br />

Lippen. „Wollet Ihr ausreiten, Herr Graf?" sprach sie; er gab<br />

keine Antwort. „Wozu denn den Kleinen?" fragte sie weiter;<br />

„Kuno wird mit mir spazieren gehen."<br />

„Weiß schon", entgegnete das böse Wetter von Zollern und<br />

ging weiter; und als er im Hofe stand, nahm er den Knaben<br />

bei einem Füßlein, hob ihn schnell in den Sattel, band ihn<br />

mit einem Tuch fest, schwang sich selbst auf den Rappen<br />

und trabte zum Burgtor hinaus, indem er den Zügel vom<br />

Rosse seines Söhnleins in die Hand nahm.<br />

Dem Kleinen schien es anfangs großes Vergnügen zu gewähren,<br />

mit dem Vater den Berg hinabzureiten. Er klopfte<br />

in die Hände, er lachte und schüttelte seiin Rößlein an den<br />

Mähnen, damit es schneller laufen sollte, und der Graf hatte<br />

seine Freude daran, rief auch einigemal: „Kannst ein wackerer<br />

Bursche werden."<br />

Als sie aber in der Ebene angekommen waren und der<br />

Graf statt Schritt Trab anschlug, da vergingen dem Kleinen<br />

die Sinne; er bat anfangs ganz bescheiden, sein Vater möchte<br />

langsamer reiten, als es aber immer schneller ging, und der<br />

heftige Wind dem armen Kuno beinahe den Atem nahm, da<br />

fing er an, still zu weinen, wurde immer ungeduldiger und<br />

schrie am Ende aus Leibeskräften.<br />

„Weiß schon, dummes Zeug!" fing jetzt sein Vater an.<br />

„Heult der Junge beim ersten Ritt; schweig oder "<br />

Doch den Augenblick, als er mit einem Fluche sein SöhnMn<br />

aufmuntern wollte, bäumte sich sein Roß; der Zügel des<br />

andern entfiel seiner Hand, er arbeitete sich ab, Meister seiner<br />

Tieres zu werden, und als er es zur Ruhe gebracht hatte<br />

und sich ängstlich nach seinerr Kinde umsah, erblickte er<br />

dessen Pferd, wie es ledig und ohne dein kleinen Reiter der<br />

Burg zulief.<br />

So ein harter, finsterer Mann der Graf von Zolltrn sonst<br />

war, so überwand doch dieser Anblick sein Herz; er glauote<br />

nicht anders, als sein Kind hege zerschmettert am Weg; er<br />

raufte sich den Bart und jammerte Aber nirgends, so weit<br />

er zurückritt, sah er eine Spur von dem Knaben; schon stellte<br />

er sich vor, das scheugewordene Roß habe ihn in einen Wassergraben<br />

geschleudert, der neben dem Weg lag.<br />

Da hörte er von einer Kinderstimme hinter sich seinen<br />

Namen rufen ind als er jich flugs umwandte — sieh! da<br />

saß ein altes Weib unweit der Straße unter einem Baum und<br />

wiegte den Kleinen auf ihren Knien.<br />

„Wie kommst du zu dem Knaben, alte Hexe?" schrie der<br />

Graf m großem Zorn „sogleich bringe ihn heran zu mir."<br />

„Nicht so rasch, nicht so rasch, Euer Gnaden!" lacnte die<br />

alte, häßliche Frau, „kö"ntet sonst auch ein Unglück nehmen<br />

auf Eurem stolzen Roß! Wie ich zu dem Junkerlein kam,<br />

fraget Ihr? Nun sein Pferd ging durch, und er hing nur noch<br />

mit einem Füßchen angebunden und das Haar streifte fast<br />

am Boden, da habe ich ihn aufgefangen in meiner Schürze."<br />

„Weiß schon!" rief der Herr von Zollern unmutig, „gib ihn<br />

jetzt her; ich kann nicht wohl absteigen, das Roß ist wild<br />

und könnte ihn schlagen".<br />

„Schenkt mir einen Hirschguiden!" erwiderte die Frau<br />

demütig bittend.<br />

„Dummes Zeug!" schrie der Graf und warf ihr einige Pfennige<br />

unter den Baum.<br />

„Nein, einen Hirschguiden könnte ich gut brauchen", fuhr<br />

sie fort.


34 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT ahrfians 1 958<br />

„Was, Hirschguiden!, bist selbst keinen Hirschguiden wert!"<br />

eiferte der Graf. „Schnell das Kind her, oder ich hetze die<br />

Hunde auf dich."<br />

„So, bin ich keinen Hirschguiden wert?" antwortete jene<br />

mit höhnischem Lächeln. „Na, man wird ja sehen, was von<br />

Eurem Erbe einen Hirschguiden wert ist; aber da, die Pfennige<br />

behaltet für Euch". Indem sie dies sagte, warf sie die<br />

drei kleinen Kupferstücke dem Grafen zu, und so gut konnte<br />

die Alte werfen, daß alle drei ganz gerade in den kleinen<br />

Lederbeutel fielen, den der Graf noch in der Hand hielt.<br />

Der Graf wußte einige Minuten vor Staunen über diese<br />

wunderbare Geschicklichkeit kein Wort hervorzubringen,<br />

endlich aber löste sich sein Staunen in Wut auf. Er faßte<br />

seine Büchse, spannte den Hahn und zielte dann auf die Alte.<br />

Diese herzte und küßte ganz ruhig den kleinen Grafen, indem<br />

sie ihn so vor sich hinhielt, daß ihn die Kugel zuerst<br />

hätte treffen müssen. „Bist ein guter, frommer Junge", sprach<br />

sie, „bleibe nur so, und es wird dir nichts fehlen." Dann ließ<br />

sie ihn los, dräute dem Grafen mit dem Finger: „Zollern,<br />

Zollern, den Hirschguiden bleibt Ihr mir noch schuldig", rief<br />

sie und schlich, unbekümmert um die Schimpfworte des Grafen,<br />

an einem Buchsbaumstäbchen in den Wald. Konrad, der<br />

Knappe, aber stieg zitternd von seinem Roß, hob das Herrlein<br />

in den Sattel, schwang sich hinter ihm auf und ritt seinem<br />

Gebieter nach, den Schloßberg hinauf.<br />

Es war dies das erste und letzte Mal gewesen, daß das<br />

böse Wetter von Zollern sein Söhnlein mitnahm zum Spazierenreiten;<br />

denn er hielt ihn, weil er geweint und geschrien,<br />

als die Pferde im Trab gingen, für einen weichlichen Jungen,<br />

aus dem nicht viel Gutes zu machen sei, sah ihn aber nur<br />

mit Unlust an, und so oft der Knabe, der seinen Vater herzlich<br />

liebte, schmeichelnd und freundlich zu seinen Knien<br />

kam,, winkte er ihm fortzugehen und rief: „Weiß schon!,<br />

dummes Zeug."<br />

Frau Hedwig hatte alle bösen Launen ihres Gemahls gern<br />

getragen, aber dieses unfreundliche Benehmen gegen das<br />

unschuldige Kind kränkte sie tief: sie erkrankte mehreremal<br />

aus Schrecken, wenn der finstere Graf den Kleinen wegen<br />

irgendeines geringen Fehlers hart abgestraft hatte, und starb<br />

endlich in ihren besten Jahren, von ihrem Gesinde und der<br />

ganzen Umgebung, am schmerzlichsten aber von ihrem Sohne<br />

beweint.<br />

Von jetzt an wandte sich der Sinn des Grafen nur noch<br />

mehr von dem Kleinen ab: er gab ihn seiner Amme und<br />

dem Hauskaplan zur Erziehung und sah nicht viel nach ihm<br />

um besonders da er bald darauf wieder ein reiches Fräulein<br />

heiratete, das ihm nach Jahresfrist Zwillinge, zwei junge<br />

Gräflein, schenkte.<br />

Kunos lieoster Spaziergang war zu dem alten Weiblein,<br />

das ihrr- einst das Leoen gerettet hatte. Es erzählte ihm immer<br />

vieles von seiner verstürbe. en Mutter und wieviel Gutes<br />

diese- an ihr ,?" sprach die Frau Gräfin verwundert.<br />

„Ei, der wird uns die Ehre ^ntun, tia zu sich einzuladen,<br />

und die schöne Sänfte hat er für mich mitgebracht, um mich<br />

abzuholen nach Hirschberig; nein, so viel Güte und Lebens,art<br />

hätte ich meinem Herrn Sohn, dem dummen Kuno, nicht<br />

zugetraut; eine Höflichkeit ist die andere wert, lasset uns<br />

hinabsteigen an das Schloßtor, ihn zu empfangen; macht auch<br />

freundliche Gesichter, vielleicht schenkt er uns in Hirschberg<br />

etwas, dir ein P.erd und dir einen Harnisch, und den<br />

Schmuck seiner Mutter hätte ich schon lang gern gehabt."


Jah 'aus 19E." H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 35<br />

„Geschenkt mag ich nichts von dem dummen Kuno", antwortete<br />

Wolf, „und ein gutes Gesicht mach ich ihm auch<br />

nicht. Aber unserem seligen Herrn Vater könnte er meinetwegen<br />

bald folgen, dann würden wir Hirschberg erben und<br />

alles, und Euch, Frau Mutter, wollten wir den Schmuck um<br />

billigen Preis ablassen." „So, du Range!" eiferte die Mutter,<br />

„abkaufen soll ich euch den Schmuck? Ist das der Dank dafür,<br />

daß ich euch Zollern verschafft habe? Kleiner Schalk,<br />

nicht wahr, ich soll den Schmuck umsonst haben?" „Umsonst<br />

ist der Tod, Frau Mutter!" erwiderte der Sohn lachend,<br />

„und wenn es wahr ist, daß der Schmuck so viel wert ist<br />

wie manches Schloß, so werden wir wohl nicht die Toren<br />

sein, ihn Euch um den Hals zu hängen. Sobald Kuno die<br />

Augen schließt, reiten wir hinunter, teilen ab, und meinen<br />

Teil am Schmuck verkaufe ich. Gebt ihr dann mehr als der<br />

Jude, Frau Mutter, so sollt Ihr ihn haben."<br />

Sie waren unter diesem Gespräch bis an das Schloßtor gekommen,<br />

und mit Mühe zwang sich die Frau Gräfin, ihren<br />

Grimm über den Schmuck zu unterdrücken, denn soeben ritt<br />

Kuno über die Zugbrücke. Als er seiner Stiefmutter und seiner<br />

Brüder ansichtig wurde, hielt er sein Pferd an, stieg ab<br />

und grüßte sie höflich. Denn obgleich sie ihm viel Leids angetan,<br />

bedachte er doch, daß es seine Brüder seien, und daß<br />

diese böse Frau sein Vater geliebt hatte. „Ei, das ist ja schön,<br />

daß der Herr Sohn uns auch besucht", sagte die Frau Gräfin<br />

mit süßer Stimme und huldreichem Lächeln. „Wie geht es<br />

denn auf Hirschberg? Kann man sich dort eingewöhnen?<br />

Und gar eine Sänfte hat man sich angeschafft? Ei, und wie<br />

prächtig, es dürfte sich keine Kaiserin daran schämen; nun<br />

wird wohl auch die Hausfrau nicht mehr lange fehlen, daß<br />

sie darin im Lande umherreist." „Habe bis jetzt noch nicht<br />

daran gedacht, gnädige Frau Mutter", erwiderte Kuno, „will<br />

Burg Hohenzollern Aufnahme von Christian Maute


36 HOHEN 7. OL E (SCHE HEIMAT JahrEanp 'Ho8<br />

mir deswegen andere Gesellschaft zur Unterhaltung ins Haus<br />

nehmen und bin deswegen mit der Sänfte hierher gereist."<br />

„Ei, Ihr seid gar gütig und besorgt", unterbrach ihn die<br />

Dame, indem sie sich verneigte und lächelte. „Denn er<br />

kommt doch nicht mehr gut zu Pferde fort", sprach Kuno<br />

ganz ruhig weiter, „der Pater Joseph nämlich, der alte<br />

Schloßkaplan. Ich will ihn zu mir nehmen, er ist mein alter<br />

Lehrer, und wir haben es so abgemacht, als ich Zollern verließ.<br />

Will auch unten am Berg die alte Frau Feldheimerin<br />

mitnehmen. Lieber Gott! sie ist jetzt steinalt und hat mir<br />

einst das Leben gerettet, als ich zum erstenmal ausritt mit<br />

meinem seligen Vater; habe ja Zimmer genug in Hirschberg,<br />

und dort soll sie absterben." Er sprach es und ging durch den<br />

Hof, um den Pater Schloßkaplan zu holen. Aber der Junker<br />

Wolf biß vor Grimm die Lippen zusammen, die Frau Gräfin<br />

wurde gelb vor Aerger, und der kleine Schalk lachte laut<br />

auf: „Was gebt ihr mir für meinen Gaul, den ich von ihm<br />

geschenkt kriege?" sagte er; „Bruder Wolf, gib mir deinen<br />

Harnisch, den er dir gegeben, dafür. Ha! ha! ha! den Pater<br />

und die alte Hexe will er zu sich nehmen? Das ist ein schönes<br />

Paar, da kann er nun vormittags Griechisch lernen beim<br />

Kaplan und nachmittags Unterricht im Hexen nehmen bei<br />

der Frau Feldheimerin. Ei! was macht doch der dumme<br />

Kuno für Streiche." „Er ist ein ganz gemeiner Mensch!" erwiderte<br />

die Frau Gräfin, „und du solltest nicht darüber<br />

lachen, kleiner Schalk; das ist eine Schande für die ganze<br />

Familie, und man muß sich ja schämen vor der ganzen Umgegend,<br />

wenn es heißt, der Graf von Zollern hat die alte<br />

Hexe, die Feldheimerin, abgeholt in einer prachtvollen Sänfte<br />

und Maulesel dabei, und läßt sie bei sich wohnen. Das hat<br />

er von seiner Mutter, die war auch immer so gemein mit<br />

Kranken und schlechtem Gesindel! Ach, sein Vater würde<br />

sich im Sarg wenden, wüßte er es," „Ja", setzte der kleine<br />

Schalk hinzu, „der Vater würde, noch in der Gruft sagen:<br />

Weiß schon, dummes Zeug!" „Wahrhaftig! da kommt er mit<br />

dem alten Mann und schämt sich nicht, ihn selber unter dem<br />

Arm zu führen", rief die Frau Gräfin mit Entsetzen, „kommt,<br />

ich will ihm nicht mehr begegnen." Sie entfernten sich, und<br />

Kuno geleitete seinen alten Lehrer bis an die Brücke und<br />

half ihm selbst in die Sänfte; unten aber am Berg hielt er<br />

vor der Hütte der Frau Feldheimerin und fand sie schon<br />

fertig, mit einem Bündel voll Gläschen und Töpfchen und<br />

Tränklein und anderem Gerät nebst ihrem Buchsbaumstöcklein<br />

einzusteigen. Es kam übrigens nicht also, wie die Frau<br />

Gräfin von Zollern in ihrem bösen Sinne hatte voraussehen<br />

wollen. In der ganzen Umgegend wunderte man sich nicht<br />

über den Ritter Kuno. Man fand es schön und löblich, daß<br />

er die letzten Tage der alten Frau Feldheimerin aufhe' ern<br />

wollte, man pries ihn als einen frommen Herrn, weil er den<br />

Pater Joseph in sein Schloß aufgenommen hatte. Die einzigen,<br />

die ihm eram waren und auf ihn schmähten, waren<br />

• eine Brüaer und die Gräfin. Aber nur zu ihrem Schaden,<br />

denn lan nahm allgemein ein Aergernis. an so unnatürlichen<br />

I il udern, und zur Wiederve rgeltung ging die Sage, daß sie mit<br />

ihrer Mutter schlecht und in beständigem Hader leben und<br />

unter sich selbst e ander alles Mögliche zuleide tun. Graf<br />

Kuno von Zollcin-Hirsc^berg machte mehrere Versuche, seine<br />

Brüder mit sich auszusöhnen; denn es war ihm unerträglich<br />

wenn sie oft an seiner Fe' e vorbeiritten,- aber nie einbrachen,<br />

wenn sie ihm in Wald und Feld begegneten und<br />

ihn kä er t igrüßter als emen Landfremden. Aber seine<br />

Versuche schlugen fehl, und er wurde noch überdies von<br />

ihnen verhöhnt.<br />

Eines Tages fiel ihm noch ein Mittel ein, wie er vielleicht<br />

inre Herzen gewltffieji könnte, denn er wußte, sie waren<br />

geizig und habgierig. Es lag «in Teich zwischen den drei<br />

Schlossern bänahe in der Mitte, jedoch so, daß er noch in-<br />

Kunos nevier gehörte. I diesem Teich befanden sich aber<br />

die besten, Hechte und Karpfen der ganzen Umgegend, und<br />

es war für die rsrüder. die ger n fischten ein nicht geringer<br />

Verar ß, daß ihr Vater vergessen hatte, den Teich auf ihr<br />

r - e ' 1 zu schreiben. Sie waren zu stolz, um ohne Vorwissen<br />

ihres Bruders dort zu fischen, und doch mochten sie ihm<br />

aucn kern gutes Wort geb'en, daß er es ihnen erlauben<br />

ir «-rite. Nun kannte er abr?r seine Brüder, daß ihnen der<br />

Teich am Herzen liegen er lud sie daher eines Tages ein,<br />

mit ihm dort zusammenzukommen. Es war ein schöner Früh-<br />

-ngsmorgen, als beinahe in demselben Augenblick die drei<br />

Brüder 'on den drei Bu'rgen dort zusammenkamen. „Ei! sieh<br />

da", rief der kleine Schalk, „das trifft sich ordentlich! Ich<br />

bin mit, Schlag sieben Uhr von Schalksberg weggeritten."<br />

„Ich auch" — „und ich", antworteten die Brüder vom<br />

Hirschberg und von Zollern. „Nun, da muß der Teich hier<br />

gerade in der Mitte liegen", fuhr der Kleine fort. „Es ist<br />

ein schönes Wasser." „Ja, und eben darum habe ich euch<br />

hierher beschieden. Ich weiß, ihr seid beide große Freunde<br />

vom Fischen, und ob ich gleich auch zuweilen gern die<br />

Angel auswerfe, so hat doch der Weiher Fische genug für<br />

drei Schlösser, und an seinen Ufern ist Platz genug für unserer<br />

drei, selbst wenn wir alle auf einmal zu angeln kämen.<br />

Darum will ich von heute an, daß dieses Wasser Gemeingut<br />

für uns sei, und jeder von euch soll gleiche Rechte daran<br />

haben wie ich." „Ei, der Herr Bruder ist ja gewaltig gnädig<br />

gesinnt", sprach der kleine Schalk mit höhnischem Lächeln,<br />

„gibt uns wahrhaft sechs Morgen Wasser und ein paar hundert<br />

Fischlein! Nun — was werden wir dagegen geben<br />

müssen? Denn umsonst ist der Tod!" „Umsonst sollt ihr ihn<br />

haben", sagte Kuno, „ach! ich möchte ja euch nur zuweilen<br />

an diesem Teich sehen und sprechen. Sind ir doch eines<br />

Vaters Söhne." „Nein!" erwiderte der von Schalksburg, „das<br />

ginge schon nicht, denn es ist nichts Einfältigeres, als in Gesellschaft<br />

zu fischen, es verjagt immer einer dem andern die<br />

Fische. Wollen wir aber Tage ausmachen, etwa Montag und<br />

Donnerstag du, Kuno, Dienstag und Freitag Wolf, Mittwoch<br />

und Sonnabend ich — so ist es mir recht." „Mir nicht einmal<br />

dann", rief der finstere Wolf. „Geschenkt will ich nichts<br />

haben und will auch mit niemand teilen. Du hast recht,<br />

Kuno, daß du uns den Weiher anbietest, denn wir haben<br />

eigentlich alle drei gleichen Anteil daran, aber lasset uns<br />

darum würfeln, wer ihn in Zukunft besitzen soll; werde ich<br />

glücklicher sein als ihr, so könnt ihr immer bei mir anfragen,<br />

ob ihr fischen dürfet." „Ich würfle nie", entgegnete Kuno,<br />

traurig über die Verstocktheit seiner Brüder. „Ja freilich",<br />

lachte der kleine Schalk, „er ist ja gar fromm und gottesfürchtig,<br />

der Herr Bruder, und hält das Würfelspiel für eine<br />

Todsünde. Aber ich will euch was anderes vorschlagen, woran<br />

sich der frömmste Klausner nicht schämen dürfte. Wir wollen<br />

uns Angelschnüre und Haken holen, und wer diesen<br />

Morgen, bis die Glocke in Zollern zwölf Uhr schlägt, die<br />

meisten Fische angelt, soll den Weiher eigen haben." „Ich bin<br />

eigentlich ein Tor", sprach Kuno, „um das noch zu kämpfen,<br />

was mir mit Recht als Erbe zugehört. Aber damit ihr sehet,<br />

daß es mir mit der Teilung ernst war, will ich mein Fischgerät<br />

holen."<br />

Sie ritten heim, jeder nach seinem Schloß. Die Zwillinge<br />

schickten in aller Eile ihre Diener aus, ließen alle alten<br />

Steine aufheben, um Würmer zur Lockspeise für die Fische<br />

im Teich zu finden, Kuno aber nahm sein gewöhnliches Angielzeug<br />

und die Speise, die ihn einst Frau Feldheimerin zubereiten<br />

gelehrt, und war der erste, der wieder auf dem<br />

Platz erschien. Er ließ, als die beiden Zwillinge kamen, diese<br />

die besten und bequemsten Stellen auswählen und warf dann<br />

selbst seine Angel in den Teich aus. Da war es, als ob die<br />

Fische in ihm den Herrn dieses Teiches erkannt hätten.<br />

Ganze Züge von Karpfen und Hechten zogen heran und<br />

wimmelten um seine Angeln. Die ältesten und größten drängten<br />

die kleinen weg, jeden Augenblick -og er einen heraus,<br />

und wenn er die Angein wieder ins Wasser warf, sperrten<br />

schon zwanzig, dreißig die Mäuler auf, um an den spitzigen<br />

Haken anzubeißen. Es hatte noch nicht zw


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 37<br />

weit man von der Zinne von Zollern sehen kann! Geh, geh,<br />

Frau Feldheimerin ist nichts als ein törichtes, altes Weib und<br />

du der dumme Kuno." Nach diesen Worten entfernte sich der<br />

Kleine eilig, denn er fürchtete den starken Arm seines Bruders,<br />

und Wolf folgte ihm, indem er alle Flüche hersagte, die<br />

er von seinem Vater gelernt hatte. In tiefster Seele betrübt<br />

ging Kuno nach Hause, denn er sah jetzt deutlich, daß seine<br />

Brüder nie mehr mit ihm sich vertragen wollten. Er nahm<br />

sich auch ihre harten Worte so sehr zu Herzen, daß er des<br />

andern Tages sehr krank wurde, und nur der Trost des<br />

würdigen Pater Joseph und die kräftigen Tränklein der Frau<br />

Feldheimerin retteten ihn vom Tode.<br />

4.<br />

Als aber seine Brüder erfuhren, daß ihr Bruder Kuno<br />

schwer darniederliege, hielten sie ein fröhliches Bankett, und<br />

im Weinmut sagten sie sich zu, wenn der dumme Kuno<br />

sterbe, so solle der, welcher es zuerst erfahre, alle Kanonen<br />

lösen, um es dem andern anzuzeigen, und wer zuerst schieße,<br />

solle das beste Faß Wein aus Kunos Keller vorweg nehmen<br />

dürfen. Wolf ließ von da an immer einen Diener in der Nähe<br />

von Hirschberg Wache halten, und der kleine Schalk bestach<br />

sogar einen Diener Kunos mit vielem Geld, damit er es ihm<br />

schnell anzeige, wenn sein Herr in den letzten Zügen liege.<br />

Dieser Knecht aber war seinem milden und frommen Herrn<br />

mehr zugetan als dem bösen Grafen von Schalksburg. Er<br />

fragte also eines Abends Frau Feldheimerin teilnehmend<br />

nach dem Befinden seines Herrn, und als diese sagte, daß es<br />

ganz gut mit ihm stehe, erzählte er ihr den Anschlag der<br />

beiden Brüder, und daß sie Freudenschüsse tun wollten auf<br />

des Grafen Kunos Tod. Darüber ergrimmte die Alte sehr. Sie<br />

erzählte es flugs wieder dem Grafen, und als dieser an eine<br />

Zollernschloß in Balingen Aufnahme von Christian Maute


38 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

so große Lieblosigkeit der Brüder nicht glauben wollte, so<br />

riet sie ihm, er solle die Probe machen und aussprengen<br />

lassen, er sei tot, so werde man bald hören, ob sie kanonieren,<br />

ob nicht. Der Graf ließ den Diener, den sein Bruder<br />

bestochen, vor sich kommen, befragte ihn nochmals und befahl<br />

ihm, nach Schalksburg zu reiten und sein nahes Ende<br />

zu verkünden. Als nun der Knecht eilends den Hirschberg<br />

herabritt, sah ihn der Diener des Grafen von Zollern, hielt<br />

ihn an und fragte, wohin er so eilends zu reiten willens sei.<br />

„Ach", sagte dieser, „mein armer Herr wird diesen Abend<br />

nicht überleben, sie haben ihn alle aufgegeben." „So? Ist's<br />

um diese Zeit?" rief jener, lief nach seinem Pferd, schwang<br />

sich auf und jagte so eilends nach Zollern und den Schloßberg<br />

hinan, daß sein Pferd am Tore niederfiel, und er selbst<br />

nur noch „Graf Kuno stirbt!" rufen konnte, ehe er ohnmächtig<br />

wurde. Da donnerten die Kanonen von Hohenzollern<br />

herab, Graf Wolf freute sich mit seiner Mutter über das<br />

gute Faß Wein und das Erbe, den Teich, über dien Schmuck<br />

und den starken Widerhall, den seine Kanonen gaben. Aber<br />

was er für Widerhall gehalten, waren die Kanonen von<br />

Schalksberg, und Wolf sagte lächelnd zu seiner Mutter: „So<br />

hat der Kleine auch einen Spion gehabt, und wir müssen<br />

auch den Wein gleich teilen wie das übrige Erbe." Dann aber<br />

saß er zu Pferd, denn er argwohnte, der kleine Schalk möchte<br />

ihm zuvorkommen und vielleicht einige Kostbarkeiten des<br />

Verstorbenen wegnehmen, ehe er käme. Aber am Fischteich<br />

begegneten sich die beiden Brüder, und jeder errötete vor<br />

dem andern, weil beide zuerst nach Hirschberg hatten kommen<br />

wollen. Von Kuno sprachen sie kein Wort, als sie zusammen<br />

ihren Weg fortsetzten, sondern sie berieten sich brüderlich,<br />

wie man es in Zukunft halten wolle, und wem der<br />

Hirschberg gehören solle. Wie sie aber über die Zugbrücke<br />

und in den Schloßhof ritten, da schaute ihr Bruder wohlbehalten<br />

und gesund zum Fenster heraus; aber Zorn und Unmut<br />

sprühten aus seinen Blicken. Die Brüder erschraken<br />

sehr, als sie ihn sahen, hielten ihn anfänglich für ein Gespenst<br />

und bekreuzten sich; als sie aber sahen, daß er noch<br />

Fleisch und Blut habe, rief Wolf: „Ei, so wollt' ich doch!<br />

Dummes Zeuig, ich glaubte, du wärest gestorben." „Nun, aufgeschoben<br />

ist nicht aufgehoben", sagte der Kleine, der mit<br />

giftigen Blicken nach seinem Bruder hinaufschaute. Dieser<br />

aber sprach mit donnernder Stimme: „Von dieser Stunde<br />

an sind alle Bande der Verwandtschaft zwischen uns los und<br />

ledig. Ich habe eure Freudenschüsse wohl vernommen; aber<br />

sehet zu, auch ich habe fünf Feldschlangen hier auf dem<br />

Hof stehen und habe sie euch zu Ehren scharf laden lassen.<br />

Machet, daß ihr aus dem Bereich meiner Kugeln kommt, ihr<br />

erfahret sonst, wie man auf Hirschberg schießt." Sie ließen<br />

es sich nicht zweimal sagen, denn sie sahen ihm an, wie<br />

ernst es ihm war; sie gaben also ihren Pferden die Sporen<br />

und hielten einen Wettlauf den Berg hinunter, und ihr Bruder<br />

schoß eine Stückkugel hinter ihnen her, die über ihren<br />

Köpfen wegsauste, daß sie beide zugleich eine tiefe und höfliche<br />

Verbeugung machten; er wollte sie aber nur schrecken<br />

und nicht verwunden. „Warum hast du denn geschossen?"<br />

fragte der kleine Schalk unmutig „Du Tor, ich schoß nur:<br />

weil ich dich hörte:* „Im Gegenteil, frag' nur die Mutter!"<br />

erwiderte Wolf. „Du hast zuerst geschossen, und nasi die<br />

Schande übe 1 " uns gebracht, kleiner Dachs." Der Kleine blieb<br />

ihm keinen Ehrentitel schuldig, und als sie am Fischteich<br />

angekommen waren, gaben sie sich gegenseitig noch die vom<br />

alten Wetter vo Zoliern geerbten Flüche zum besten und<br />

trennten sich in Haß und Unlust.<br />

Tags darauf aber machte Kuno sein Testament, und Frau<br />

Feidneimerin sagte zum Pater: „Ich wollte was wetten, er<br />

hat keinen guten Brief für die Schützen geschrieben." Aber<br />

so neugierig sie war, und so oft sie in ihren Liebling drang,<br />

er sagte ihr nicht, was im Testament stehe, und sie erfuhr<br />

es auch nimmer, denn ein Jahr nachher verschied die gute<br />

Frau, und ihre Salben und Tränklem halfen ihr nichts; denn<br />

sie str :b an keiner Krankheit, sondern am achtundneunzigsten<br />

Jahr, las auch einen ganz gesunden Menschen unter<br />

den Boden bringen kann. Graf Kuno ließ sie bestatten, als<br />

ob sie nicht eine arme Frau, sondern seine Mutter gewesen<br />

w?re, uni' eis kam ihm nachher noch viel einsamer vor auf<br />

seinem Schloß, besonders da der Pater Joseph der Frau Feidheimerin<br />

bald folgte. Doch diese Einsamkeit fühlte er nicht<br />

sehr lang;e; der gute Kuno starb schon m seinem achtundzwanzigsten<br />

Jahr, ur>^ böse Leute behaupten an Gift, das<br />

ihm der kleine Schalk beigebracht hatte.<br />

5.<br />

Wie dem aber auch sei, einige Stunden nach seinem Tod<br />

vernahm TTiaTi wieder den Donner der Kanonen, und in Zollern<br />

und Schalksberg tat man fünfundzwanzig Schüsse.<br />

„Diesmal hat er aoen daran glauoen müssen", sagte der<br />

Schalk, als sie unterwegs zusammentrafen<br />

„Ja", antwortete Wolf, „und wenn er noch einmal aufersteht<br />

und zum Fenster herausschimpft wie damals, so hao'<br />

ich eine Büchse bei mir, die ihn höflich und stumm machen<br />

soll."<br />

Als sie den Schloßberg hinanritten, gesellte sich ein Reiter<br />

mit Gefolge zu ihnen, den sie nicht kannten. Sie glaubten,<br />

er sei vielleicht ein Freund ihres Bruders und komme, um<br />

ihn beisetzen zu helfen. Daher gebärdeten sie sich kläglich,<br />

priesen vor ihm den Verstorbenen, beklagten sein frühes<br />

Hinscheiden, und der kleine Schalk preßte sich sogar einige<br />

Krokodiltränen aus.<br />

Der Ritter antwortete ihnen aber nicht, sondern ritt still<br />

und stumm an ihrer Seite den Hirschberg hinauf „So, jetzt<br />

wollen wir es uns bequem machen, und Wein herbei, Kellermeister,<br />

vom besten!" rief Wolf, als er abstieg.<br />

Sie gingen die Wendeltreppen hinauf und in den Saal, auch<br />

dahin folgte ihnen der stumme Reiter, und als sich die Zwillinge<br />

ganz breit an den Tisch gesetzt hatten, zog jener ein<br />

Silberstück aus dem Wams, warf es auf den Schiefertisch,<br />

daß es umherrollte und klingelte, und sprach:'„So, und da<br />

habt ihr jetzt euer Erbe, und es wird just recht sein, ein<br />

Hirsch gülden."<br />

Da sahen sich die Brüder verwundert an, lachten und fragten<br />

ihn, was er damit sagen wolle.<br />

Der Ritter aber zog ein Pergament hervor, mit hinlänglichen<br />

Siegeln; darin hatte der dumme Kuno alle Feindseligkeiten<br />

aufgezeichnet, die ihm die Brüder bei Lebzeiten bewiesen,<br />

und am Ende hatte er verordnet und bekannt, daß<br />

sein ganzes Erbe, Hab und Gut, außer dem Schmuck seiner<br />

seligen Frau Mutter, auf den Fall seines Todes an Württemberg<br />

verkauft sei, und zwar um einen elenden Hirschgulden!<br />

Um dien Schmuck aber solle man in der Stadt Balingen ein<br />

Armenhaus erbauen.<br />

Da erstaunten nun die Brüder abermals, lachten aber nicht<br />

dazu, sondern bissen die Zähne zusammen, denn sie konnten<br />

gegen Württemberg nichts ausrichten, und so hatten sie das<br />

schöne Gut, Wald, Feld, die Stadt Balingen und selbst — den<br />

Fischteich verloren und nichts geerbt als einen schlechten<br />

Hirschgulden. Den steckte Wolf trotzig in sein Wams, sagte<br />

nicht ja und nicht nein, warf sein Barett auf den Kopf und<br />

ging trotzig und ohne Gruß an dem württembergischen Kommissär<br />

vorbei, schwang sich auf sein Roß und ritt nach Zollern.<br />

Als ihn am anderen Morgen seine Mutter mit Vorwürfen<br />

plagte, daß sie Gut und Schmuck verscherzt hätten, ritt er<br />

hinüber zum Schalk auf der Schalksburg: „Wollen wir unser<br />

Erbe verspielen oder vertrinken?" fragte er ihn.<br />

„Vertrinken ist besser", sagte der Schalk, „dann haben wir<br />

beide gewonnen. Wir wollen nach Balingen reiten und uns<br />

den Le iten zum Trotz dort sehen lassen, wenn wir auch<br />

gleich das Städtlein schmählich verloren."<br />

„Und im Lamm schenkt man Roten, der Kaiser trinkt ihn<br />

nicht besser", setzte Wolf hinzu.<br />

So ritten sie miteinander nach Balingen ins Lamm u ri i<br />

fragten, was die Maß vom Roten koste, und tra ken sich<br />

zu, bis der Guiden voll war. Dann 'tand Wolf auf, zo? das<br />

Silberstück mit dem springenden Hirscl aus ^em Waris,<br />

warf es auf den Tisch und sprach: „Da habt ihr Euren Gulden,<br />

so wird's richtig sein." Der Wirt aber nahm de-i Gulden,<br />

besah ihn links, besah ihn rechts und sagte lächeLid: „Ja,<br />

wenn es kein Hirschgulden wär', aber gestern nacht kam der<br />

Bote von Stuttgart, und heute früh hat man ausgetrommelt<br />

im Namen 3es Grafen von /urttemberg, dem jetzt das<br />

Städtlein eigen; die sind außer Kurs, und gebt mi. htir inderes<br />

Geld." Da sahen sich die beiden Brüder erbleichend<br />

an. „Zahl' aus", sagte der eine. „Hast du keine Münze?"<br />

fragte der andere, und kurz, sie mußten den Gulden schuldig<br />

bleiben im Lamm in Baiingen. Sie zogen schweigend und<br />

nachdenkend ihren Weg. Als sie aber an den Kreuzweg<br />

Kamen ,wo es rechts nach Zollern und links nach Schalksoerg<br />

ging, da sagte der Schalk: „Wie mm? Jetzt haben wir<br />

sogar weniger geerbt als gar nichts, und der Wein war überdies<br />

schlecht." „Jawohl", erwiderte sein ferudBr. „.-bei- was<br />

die Feidneimerin sagte, ist doch eingetroffen: Seht zu, wieviel<br />

von seinem Erbe übrig bleiben wird um einen Hirschgulden!<br />

Jetzt haben wir nicht einmal ein Maß Wein dafür<br />

kaufen können."<br />

„Weiß schon!" antwortete der von der Schalksburg.<br />

„Dummes Zeug!" sagte der Zollern und ritt zerfallen mit<br />

sich und der Welt seinem Schloß zu.


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 39<br />

Am 19. April 1958 starb in Rangendingen im 82. Lebensjahr<br />

Herr Regierungsdirektor i. R. Michael Walter.<br />

Seine zahlreichen, unentgeltlichen Beiträge für die „Hohenzollerische<br />

Heimat", besonders die geologischen Abhandlungen, bleiben ein dau-<br />

erndes Denkmal des erfolgreichen Heimatforschers mit seinem um-<br />

fassenden Wissen.<br />

„Der ist in tiefster Seele treu,<br />

der die Heimat liebt wie Du!"<br />

Verlag und Schriftleitung.<br />

n^Teü_ Wessenberg-Briefe im Pfarrarchiv zu Gruol<br />

— 1 —<br />

Wer ist Wessenberg? Er ist der Generalvikar des Fürstbischofs<br />

Karl von Dalberg und später der Bistumsverweser<br />

der sterbenden Diözese Konstanz. Ohne im Besitz der erforderlichen<br />

geistigen und geistlichen Vorbildung zu sein, wird<br />

ihm (28jährig) 1802 das verantwortungsvolle Amt angeboten<br />

und übertragen; zehn Jahre später (erst 1812) läßt er sich die<br />

Priesterweihe geben. Die Luft, die er in der ersten Lebenshälfte<br />

einatmet, ist geschwängert und geladen von den Miasmen<br />

und Bazillen der Aufklärung, die Sturm und Drang bedeutet<br />

für das bürgerliche und religiöse Leben, die mit den<br />

bisherigen Weltanschauungsmaximen brechen, alle Welträtsel<br />

durch Verstand und Vernunft meistern und erklären und die<br />

Menschen einem blühenden Geistesfrühling entgegenführen<br />

will. Wer kann sich wundern, wenn der feurige Wessenberg<br />

mit Herz und Hand nach den neuen Ideen der Aufklärungszeit<br />

greift, die etwa von 1780 an das Land durchzittert und<br />

um 1840 noch nicht ganz überwunden ist.<br />

Sicherlich hat diese Zeit neben vielen Schäden auch gute<br />

Früchte zur Reife gebracht, hat faule und morsche Aepfel<br />

abgeworfen und neue Wege gewiesen und eine Brücke geschlagen<br />

zu den Anschauungen und dem Leben von heute.<br />

Bei allem freiheitlichen Streben will der Generalvikar jedoch<br />

nicht: wissen von einer gänzlichen, schismatischen Trennung<br />

vom Papste, höchstens von einer Erweiterung der bischöflichen<br />

Machtbefugnisse, und landesgemäßem Zusammenschlüsse<br />

unter einem Primas und von weitgehender Toleranz<br />

gegen alle Konfessionen. Als dann nach einem Bestehen von<br />

mehr als 1500 Jahren der Bischofsthron in Konstanz 1827 zusammenbrach,<br />

gelang es dem Herrn von Wessenberg nicht,<br />

wunschgemäß erster Oberhirte in Freiburg zu werden. Unermüdlich<br />

hat er gearbeitet und Kraft und Fähigkeiten vertan,<br />

ohne dabei, selbst mit bestem Willen, zum erhofften Ziel<br />

zu kommen.<br />

Tatenlos weiter zu leben, ist ihm zuwider; er fängt an,<br />

Werke der Caritas und der Dichtkunst zu schaffen und die<br />

Rolle eines Kunstmäzens zu spielen. Freundschaftliche Beziehungen<br />

unterhält er mit Canova und Thorwaldsen in Rom,<br />

mit Overbeck und Cornelius, besonders aber mit der Konstanzer<br />

Malerin Marie Elienrieder, die 1818 auch ein Bild von<br />

ihm geschaffen hat. - Auch einen „Freund der Dichter" darf<br />

man Wessenberg nennen, der nicht nur selber der Welt poetische<br />

Herzensergüsse präsentiert, sondern auch im regen Verkehr<br />

mit den zeitgenössischen Dichtern steht. Mit Goethe und<br />

Schiller hat er allerdings keine unmittelbare Berührung,<br />

wohl aber mit Heinrich Voß. mit Peter Hebel, mit Christoph<br />

Schmid, mit dem Schweizer .Johann Gaudenz von Salis-Seewies,<br />

mit Heinrich Zschokke, mit Gustav Schwab und Annette<br />

von Droste-Hülshoff. Durch seinen Briefwechsel mit Clemens<br />

Brentano entpuppte er sich auch als Mitarbeiter an der Liedersammlung<br />

„Des Knaben Wunderhorn". Seinem Lebensherbst<br />

macht 1860 der Tod ein Ende im 86igsten Jahre. Und<br />

sie senkten seinen Sarg ir Schiff der Münsterkirche zu Konstanz<br />

in die Gruft, wo die Grabplatte heute noch vorhanden<br />

ist.<br />

— 2 —<br />

Dank seinem angeborenen guten Gespür weiß Herr von<br />

Wessenberg als Generalvikar unter dem Klerus recht bald<br />

seine Gesinnungsfreunde ausfindig und seinen Ideen dienstlich<br />

zu machen; er findet auch Wilhelm Mercy, den<br />

Pfarrer von Gruol. 1753 in Ueberlingen geboren; 1770 erfolgt<br />

sein Eintritt in das Prämonstratenserkloster Rot; 1777<br />

ist in Konstanz seine Priesterweihe. Die ersten zehn Priesterjahre<br />

verbringt der talentvolle Mönch im Dienste seines Klosters<br />

als gefeierter Kanzelredner und Wallfahrtspriester und<br />

wirft sich mit Feuereifer auf das zeitgenössische theologische<br />

und philosophische Schrifttum. Da fängt es an, zu gären und<br />

zu brodeln in seiner Seele; es ist nicht mehr gut bestellt um<br />

seinen inneren Frieden und seine Ruhe, Er schreibt später:<br />

„Im Anfang war ich selig; man kann von dem süßen Gefühl<br />

der Andacht sagen, was man von der Liebe sagt: ein glücklicher<br />

ätherischer Zustand, wenn er nur dauerhaft wäre."<br />

Wie mit eisernen Banden fühlt er die Bibel an sein Herz geschmiedet;<br />

sie bleibt sein „geliebtestes und teuerstes Büch."<br />

Er besorgt sich in dieser Zeit mit eigener Hand von den vier<br />

Evangelien eine Abschrift und äußert vor seinem Ende, daß<br />

•r<br />

Generalvikar v. Wessenberg - Gemalt von Marie Elienrieder


40 HOHENZOL E 1SCH EIMAT Jahrgang<br />

er einst, dieses Manuskript als ein Denkmal seiner Verehrung<br />

gegen Gottes Wort auf sein erblaßtes Herz gelegt, im Sarge<br />

zu ruhen wünsche.<br />

Ein tiefer Einschnitt im Lebensgang Mercy's bedeutet seine<br />

Predigeranstellung bei dem katholischen Herzog Karl Eugen<br />

in Stuttgart 1787, an dessen Hof die religiöse Aufklärung<br />

eine hervorragende Heimstätte hatte, ja durch den Herzog<br />

selber in jeder Art und Weise gefördert wurde. Im ersten<br />

Jahr trägt er noch das weiße Ordenskleid; dann wird für<br />

ihn, wie es schon für andere Hofprediger geschehen ist, die<br />

Säkularisation in Rom erwirkt, und zwei Jahre später wird<br />

er vom Bischof in Konstanz in den Weltklerus aufgenommen<br />

mit der Berechtigung, sich um eine Pfarrstelle bewerben zu<br />

können. Einige seiner Mitarbeiter seien erwähnt: Benedikt<br />

Werkmeister, früher Benediktiner in Neresheim,<br />

Eulogius Schneider, einst Franziskaner in Bamberg<br />

(er bleibt nur 2 Jahre am Hofe, jagt dann unstet allen Irrlichtern<br />

nach und findet in Paris ein trauriges Ende), weiterhin<br />

Gorgoni Frey, einst Kapuziner in Biberach, und<br />

U1 r i ch Mayer, ehemals Zisterzienser in Kaisheim. Sie<br />

alle sind hellklingende Namen von Männern, die versammelt<br />

sind in Stuttgart unter den schützenden Fittichen des reformfreudigen<br />

Herzogs und nun nach Lust und Laune wühlen<br />

können im bisher wohlgepflegten Garten der kirchlichen<br />

Satzungen und des kirchlichen Brauchtums. Unter ihnen ist<br />

nun auch Mercy, der jetzt die vielfältigen Bestrebungen seines<br />

Geistes zu verwirklichen und als glänzender Stern am<br />

Aufklärungshimmel zu leuchten imstande ist. — Was ist zu<br />

halten von seiner Tätigkeit? Eine Stimme sagt: „Auf der<br />

Kanzel entwickelte er ein überragendes Talent; er riß seine<br />

Zuhörer im Strome einer beredten Darstellung mit sich fort."<br />

Und Staatsminister von Reischach schreibt ihm: „Ihre salbungsvollen<br />

Worte dringen zu Herzen und befruchten wie<br />

Himmelstau ein dürres Erdreich."<br />

Als die Lebenstage des Herzogs sichtlich dem Ende zugingen,<br />

sieht sich Mercy um eine anderweitige Stellung um.<br />

1794 wird er auf seine Bitten hin aus dem Hofamte entlassen;<br />

dann übt er noch eine Zeitlang die Seelsorge in Stuttgart<br />

aus und verbringt mehr als ein Jahr in seiner Heimat Ueberlingen.<br />

1798 erhält er von Fürst Anton Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen<br />

die Pfarrei Gruol, den er in Krauchenwies<br />

kennen gelernt hatte. Hier lebte und wirkte er inmitten<br />

seiner Pfarrkinder bis zum Eintritt in den Ruhestand im<br />

Jahre 1819. Im dortigen Frauenkloster stirbt er als Pensionär<br />

1825. Seinen Grabplatz hat er sich selber ausgewählt; nur<br />

ein bescheidenes Holzkreuz soll seine Ruhestätte bezeichnen.<br />

Beim Kirchenneubau 1848/50 sind Grab und Kreuz verschwunden.<br />

In kirchlicher Beziehung erhoffte er alles Heil von der<br />

Aufklärung; den Gottesdienst will er von allen Ueberladungen<br />

reinigen und alle Nebenandachten verschwinden lassen.<br />

Wilhelm Mercy<br />

In sozialer Hinsicht ist er äußerst rührig und tätig, besonders<br />

auf dem Gebiet des Armen- und Schulwesens.<br />

— 3 —<br />

Im Pfarrarchiv zu Gruol finden sich noch 59 Briefe, die<br />

einstmals Generalvikar Wessenberg seinem Gesinnungsfreunde<br />

Pfarrer Mercy schrieb, dem er in allen Amtsfragen<br />

sein volles Vertrauen schenkt und den er in allen Lebenslagen<br />

um einen guten Rat angeht. Er zählt ihm eine ganze<br />

Reihe von Gegenständen auf, die er im „Archiv für Pastoralconferenzen"<br />

behandeln sollte: „Ueber die Mittel, Klöster<br />

nützlich zu machen", „über die Mängel unseres Katechismus",<br />

„über die Liturgie nach dem Geiste des Apostels Paulus",<br />

„über Wallfahrten und Prozessionen" (1803). — Im November<br />

desselben Jahres schreibt er ihm: „Ihr Aufsatz über<br />

Priesterbildung enthält viele geistreiche Bemerkungen; vielleicht<br />

wird man hie und da in die Notwendigkeit versetzt<br />

werden, zur Privatbildung seine Zuflucht zu nehmen. Diese<br />

wäre sehr erwünscht, wenn es viele Seelsorger gäbe wie<br />

Pfarrer Mercy." — Sehr verübelt hat er dem Pfarrer von<br />

Gruol, daß er an Veitstag 1804 den bisher üblichen Gottesdienst<br />

bei der Friedhofskapelle hielt. Und er schreibt ihm:<br />

„Folgende Nachricht hat mich sehr befremdet. Man schreibt<br />

mir: Euer Hochwürden hat das Patrozinium des hl. Vitus<br />

am Tage selbst mit feierlichem Gottesdienst und Predigt begangen.<br />

Dieser Vorgang, der geradezu der bischöflichen Anordnung<br />

widerstreitet, hat in der Nachbarschaft die lauteste<br />

Sensation verursacht, muntert die einen zur Uebertretung<br />

auf und schlägt den Mut der anderen nieder; mich aber<br />

hat er ausnehmend betrübt und ohne die Hochachtung und<br />

Freundschaft, welche ich Ihnen wegen Ihrem Geist, Ihrem<br />

Eifer und Ihren Ansichten gewidmet habe, würde ich Ihnen<br />

nicht einen freundschaftlichen Brief schreiben. Aber bei der<br />

guten Sache rufe ich Sie auf, alles anzuwenden, um das<br />

Geschehene wieder gut zu machen und der bischöflichen Verordnung<br />

das entzogene Ansehen in Ihrer Gegend wieder zu<br />

verschaffen" (9. Juli 1804). — Ein großer Stein des Anstoßes<br />

waren für den aufgeklärten Kirchenführer in Konstanz die<br />

Feld-, Weg- und Wallfahrtskapellen. Darum braucht man<br />

sich nicht zu wundern, wenn in der Zeit von 1800—1830 zahlreiche<br />

kleine Heiligtümer (auch in Hohenzollern einem Vernichtungsfeldzug<br />

zum Opfer gefallen sind; ja, es wäre noch<br />

eine größere Zahl verschwunden, wenn nicht die Bürger und<br />

Dorfgemeinden sich ihrer angenommen und in unsere Zeit<br />

gerettet hätten.<br />

Ein Dorn im Auge ist dem Herrn Bistumsverweser Clemens<br />

Hofbauer und seine Genossenschaft, die Redemptoristen-Congregation,<br />

wogegen er mehr als einmal seinen Unwillen<br />

äußert: „Des Herrn Stelzers Predigt habe ich gut gefunden.<br />

Es ist mir schon daran gelegen, daß die jungen Geistlichen<br />

zu Tryberg durch exemplarische Aufführung ihren<br />

Lehrern und ihrem Stande Ehre machen. Dies ist das beste<br />

Mittel, den fatalen Eindruck, den die fanatischen Mönche<br />

aus Polen dort gemacht haben, zu vertilgen. Warum der weltliche<br />

Arm diese Schwärmer, die vom Bischof suspendiert sind,<br />

nicht fortweist, weiß ich nicht. (25. Juni 1806). Kaum war<br />

Hofbauer mit seinen Genossen 14 Tage an der Wallfahrtskirche<br />

zu Triberg tätig, da erweckte er schon den Neid und<br />

Zorn aufklärungstüchtiger Priester, die ihm den Aufenthalt<br />

und das Wirken unmöglich machten. — Auch anderen Orden<br />

war Wessenberg nicht gewogen. So schreibt er an Mercy im<br />

August 1808: „Die Franziskaner in Hechingen bedürfen wesentlich<br />

der Reform, Es scheint, die Mönche des 19. Jahrhunderts<br />

haben das Gelübde des Gehorsams vergessen Sie<br />

werden mir. liebster Freund, nicht verübeln, wenn ich dem<br />

Eigensinn der Mönche Standhaftigkeit entgegensetze. Sind<br />

einmal die bösen Geister mit Emst ausgetrieben, so werde<br />

ich mit wahrem Vergnügen als Genius der Liebe in dem<br />

Kloster einkehren." — Auch an den Frauenklöstern findet er<br />

Unvollkommenheiten: „An den Eigensinn der Nonnen solle<br />

man sich bei der Einführung des deutschen Breviers nicht<br />

kehren. Sie schmähen, was sie nicht kennen" (1805),<br />

„Ich fühle das Bedürfnis, daß unser Vclk nach und nach<br />

immer mehr mit der hl. Schrift bekannt gemacht werde. Ich<br />

ersuche Sie dringend, mir in Kürze anzuzeigen, welche<br />

Bruchstücke des Evangeliums Sie für die Fastenzeit passend<br />

finden." (1806V — Jahr für Jahr bekommt Mercy den Entwurf<br />

des künftigen Fastenhirtenbriefes zur Korrektur zugesandt;<br />

und jedesmal mit ungefähr denselben Worten: „Im<br />

Vertrauen teile ich Ihnen, mein wertester Freund, den Entwurf<br />

des Fastendekretes mit und ersuche Sie, Sie möchten<br />

mir recht offen und freimutig eröffnen, was Sie daran geändert,<br />

hinzugesetzt und verbessert wünschen" (1806). —<br />

„Was die Holzweihe am Charsamstag betrifft, die nur geeignet<br />

ist, schiefe Begriffe zu unterhalten, glaube *ch, daß es unbedenklich<br />

wäre, sie durch ein schriftliches Zirkular einzu-


Jahrgang 1 9V HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 4.1<br />

stellen; gut wäre es, die weltliche Regierung würde diese<br />

Einstellung vom Bischof verlangen" (1806). — „Verdiente und<br />

eifrige Pfarrer berichten mir, daß die Regierung zu Sigmaringen<br />

jede liturgische Verbesserung mit dem weltlichen<br />

Bann belegen wolle und sogar die deutschen Evangelien bereits<br />

eingeboten habe. Ich bitte Sie, die H. H. Regierungsräte<br />

zu Sigmaringen auf bessere Gesinnung zu bringen. Wenn die<br />

weltliche Behörde die eifrigen und gutgesinnten Seelsorger<br />

Jakob<br />

Jakob Barth wurde in Gammertingen als ältester Sohn des<br />

Webers Josef Barth und seiner Ehefrau Crescentia geb. Reiser<br />

am 23. 7. 1825 geboren. Er wollte Lehrer werden. Nach<br />

der Entlassung aus der Volksschule 1839 erhielt er Unterricht<br />

bei Lehrer Reiser, einem Verwandten der Mutter. Von 1843<br />

bis 1845 besuchte er das Lehrerseminar in Habsthal (von<br />

Patres geführt) mit gutem Erfolg. Hierbei erwarb er sich besonders<br />

gute Kenntnisse in der Musik und spielte schon als<br />

junger Mann hervorragend Klavier und Orgel. Seine erste<br />

Anstellung erhielt der junge Lehrer an der einklassigen<br />

Schule in Thiergarten im Donautal. Dort gefiel es ihm gut,<br />

und er fing an, sich mit der Geschichte der engeren Heimat<br />

zu befassen. In den Schulferien wanderte er zu Fuß von<br />

Dorf zu Dorf und besuchte die Rathäuser, um in die alten<br />

Akten und Urkunden Einsicht zu nehmen. Im Jahre 1860<br />

verheiratete er sich mit Magdalena Schönbucher, einer reichen<br />

Müllerstochter aus Gutenstein. Diese schenkte ihm im<br />

folgenden Jahre eine Tochter, die aber schon nach zwei<br />

Jahren wieder starb (1863). Seine Frau, schon schwer nervenleidend,<br />

traf der frühe Tod des einzigen Kindes schwer.<br />

Sie kränkelte jahrelang und bedurfte ständiger Pflege Im<br />

Jahre 1870 starb sie, erst 27jährig. Jakob Barth war durch<br />

die lange Krankheit seiner Frau schwer belastet und behindert<br />

in seiner Arbeit. Es waren, wie er später schrieb,<br />

schwere Jahre für ihn.<br />

Trotz dieser starken Inanspruchnahme in der Familie<br />

konnte Barth im Dezember 1862 seine 582 Druckseiten umfassende<br />

„Geschichte und Sage der hohenzollerischen Lande"<br />

im Verlag Tappen in Sigmaringen veröffentlichen.<br />

In Thiergarten blieb Barth bis zum Herbst 1864, also 19<br />

Jahre. Am 25. Oktober wurde ihm durch ein besonderes<br />

Uebereinkommen mit der Fürstlich-Fürstenbergischen Domäne-Kanzlei<br />

in Donaueschingen die Lehrerstelle in Ringingen<br />

übertragen. Auch den Organistendienst und die Mesnerei<br />

übernahm er. Vom Fürsten zu Fürstenberg erhielt er jährlich<br />

100 fl als Ergänzung zu seiner Besoldung und 25 fl für<br />

die Mesnerei. Trotz dieser Besserstellung blieb er nicht in<br />

Ringingen. Schon 1869 nahm er Verbindung auf mit badischen<br />

Schulstellen und schied mit Genehmigung der Königl.<br />

Preußischen Regierung in Sigmaringen aus dem hohenzollerischen<br />

Schuldienst aus, um in Baden einzutreten. Er kam<br />

Ein Bild aus der<br />

Von F.<br />

Ein alter (lateinischer) Spruchvers lautet: Die Zeiten ändern<br />

sich, und wir ändern uns in ihnen, und ein neuerer<br />

Dichter sagte: andere Zeiten, andere Menschen, andere Menschen,<br />

andere Götter. Diese anderen früheren Zeiten mit<br />

ihren anderen Menschen legen dann auch einen Vergleich<br />

nahe mit der Gegenwart. Da zeigt sich dann in der Tat, daß<br />

gar vieles jetzt anders geworden ist, manches besser, anderes<br />

weniger gut.<br />

Ein interessantes Bild aus der guten alten Zeit vor 200<br />

Jahren haben wir an dem früheren Obervogt Georg Adam<br />

W o ch e r in der ehemaligen Herrschaft Achberg. Diese Herrschaft<br />

umfaßte die jetzige Bürgermeisterei Achberg mit den<br />

beiden Pfarreien Esseratsweiler und Siberatsweiler und war<br />

1691 an den Deutschorden gekommen, der sie von Johann<br />

Franz Ferdinand von Sürgenstein um 65 000 fl. gekauft hatte.<br />

Sie gehörte dann zur Deutschordens-Kommende Altshausen<br />

(OA. Saulgau), wo auch der Landkomtur der Bailei Elsaß<br />

und Burgund seinen Sitz hatte.<br />

G. A. Wocher, Licentiat beider Rechte, wurde am 15. Oktober<br />

1700 als Obervogt angestellt und stand nun über ein<br />

halbes Jahrhundert der Herrschaft Achberg vor. Später erhielt<br />

er den Titel Balleirat. Seine Wohnung befand sich im<br />

Vogthaus neben dem Schloß Achberg. Als Besoldung erhielt<br />

er 100 fl Geld, 30 Schffl. Vesen, 3 Malter Roggen, 40 Schffl<br />

Haber fürs Pferd, V» Ztr. Karpfen, von den Geldstrafen die<br />

Hälfte, von Briefen die halbe Schreibtaxe; für das Pferd und<br />

die 4 Milchkühe das nötige Heu und Stroh; Holz nach Beaürf-<br />

am Bessern hindert, was läßt sich vom gemeinen Haufen erwarten?<br />

Soll denn der gesunde Verstand ganz auswandern?"<br />

1806.<br />

Eine kleine Blütenlese aus den Gruoler Wessenbergbriefen<br />

ist nun geboten. Die Zeiten sind anders geworden. Aber auch<br />

bei geänderten Zeiten darf an Namen erinnert werden, die<br />

einst einen guten Klang hatten in der Bodenseegegend und<br />

in unserem Lande Hohenzollern. Wal denspul.<br />

Barth<br />

zunächst nach Deggendorf (oder Deggenhof?), einem kleinen<br />

Ort bei Tengen im Amt Engen. Nach einigen Jahren wurde<br />

er nach Hohentengen im Amt Waldshut versetzt. Im Jahre<br />

1874 verheiratete er sich nochmals mit Maria Eisele, einer<br />

Tochter des Lehrers Eisele in Hettingen. Eine Tochter entstammt<br />

dieser Ehe.<br />

Inzwischen war Barth in ein reiferes Alter eingetreten; die<br />

Schulbehörde erkannte in ihm einen tüchtigen Lehrer und<br />

versetzte ihn im Jahre 1867 als 1. Hauptlehrer nach Geisingen<br />

bei Donaueschingen, einem ansehnlichen Städtchen in<br />

der Baar. Dort gefiel es ihm sehr gut. Er schrieb dort die<br />

meisten seiner Büchsr (auch eine Geschichte der Stadt Geisingen).<br />

Hierbei kam ihm zugut, daß er mit dem Archivar<br />

des Fürsten zu Fürstenberg bekannt wurde und er jederzeit<br />

Zugang zum Archiv hatte.<br />

Folgenden Brief mit verfaßten Schriften schickte Barth an<br />

seine Heimatgemeinde:<br />

Verehrliches Bürgermeisteramt!<br />

Hiermit erlaube ich mir, folgende von mir verfaßten<br />

Schriften einzusenden:<br />

Geschichte der Stadt Geisingen<br />

Geschichte der Stadt Engen<br />

Geschichte der Stadt Stockach<br />

Vor dreihundert Jahren.<br />

Damit möchte ich meiner Vaterstadt ein kleines Andenken<br />

stiften. Ich darf wohl hoffen, die Gemeinde werde diese<br />

Bücher des Lesens und Aufbewahrens für würdig erachten.<br />

Ich schrieb noch einige andere Werke; von diesen besitze ich<br />

aber keine verfügbaren Exemplare mehr, sonst würden sie<br />

ebenfalls beiliegen.<br />

Bei dieser Gelegenheit wünsche ich meiner Vaterstadt des<br />

Himmels besten Segen.<br />

Mit freundschaftl. Begrüßung<br />

Geisingen, den 25. Februar 1895<br />

J. Barth, Hauptlehrer.<br />

(Von den geschenkten Büchern ist keines mehr vorhanden!)<br />

Am 11. 6. 1895, am Vorabend des Fronleichnamsfestes,<br />

starb er 70jährig an einem Schlaganfall. Barth liegt in Geisingen<br />

begraben und steht noch heute dort in gutem Andenken.<br />

Sein Grab wird von Gemeindeangehörigen liebevoll<br />

gepflegt. Barth, Oberpostmeister.<br />

guten alten Zeit<br />

Eisele t<br />

nis, jedoch mußte er es auf seine Kosten machen lassen, dagegen<br />

wurde dasselbe unentgeltlich geführt; 1 Fuder Wein,<br />

6 Vtl. zum Ansäen, 1 Krautgarten und den inneren Lustgarten;<br />

aus letzterem hatte er aber bei der Anwesenheit des Landkomturs<br />

das Gemüse zu stellen. An Dienstboten hatte Wocher<br />

einen jüngeren und einen Reitknecht, ein „Stubenmensch",<br />

eine Köchin und ein „Viehmensch". Wocher war mit<br />

Maria Franziska Claudia von Leuer verheiratet; die Ehe<br />

blieb kinderlos. Er starb den 30. Mai 1753, 75 Jahre alt und<br />

wurde in der Pfarrkirche in Siberatsweiler beerdigt, wo noch<br />

sein Grabdenkmal vorhanden ist. Seme Frau starb 1766;<br />

auch deren Grabstein befindet sich noch in der Kirche.<br />

Als Obervogt oblag ihm die Verwaltung der Herrschaft.<br />

Insbesondere hatte er die Einkünfte derselben zu besorgen;<br />

er mußte die Zinsen, Gülten, Erschätze, Todesfälle, Leibledigungen<br />

und Abzugsgelder einziehen und jedes Jahr über die<br />

Einnahmen und Ausgaben Rechnung stellen und den Überschuß<br />

nach Altshausen schicken. Er hatte auch die niedere<br />

Gerichtsbarkeit, zu der die bürgerlichen Streitigkeiten, leichtere<br />

Straffälle und freiwillige Rechtsgeschäfte (Kauf, Verkauf,<br />

Testamente) gehörten, auszuüben.<br />

Wocher war in seinem Amte eine energische Natur und<br />

führte in seinen Berichten nach Altshausen eine kräftige<br />

Sprache. Wer ihm entgegentrat und nicht nach seiner Pfeife<br />

tanzte oder gar seine oder der Herrschaft, wenn auch nur<br />

vermeintlichen, Rechte antastete, den verdammte er in die<br />

Hölle. Mit den Pfarrern von Esseratsweiler hatte er mehr-


42 HOHEN OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1058<br />

mals Streitigkeiten,weniger mit denen von Siberatsweiler.<br />

Bei diesen Anlässen führte er gegen diese wie auch gegen<br />

die bischöfliche Behörde in Konstanz eine Sprache, die an<br />

Derbheit nichts übrig ließ und seine eigene Unfehlbarkeit<br />

beweisen würde, wenn Grobheit und Rechthaben identisch<br />

wären. Hier seien einige Proben der Schreibweise Wochers<br />

angeführt: der erzgrobe Landslümmel — ein Lümmel über<br />

alle Lümmel ist — diese siebenschrötige Kerl — einer de<br />

gante non sancta — bis sie mit Samsons Schwert, so ein<br />

Eselskinnbacken gewesen ist, gezüchtigt werden — die gleich<br />

einem schwäbischen Dudelsack aufgeblasenen Republikaner<br />

in Lindau — der grobianisierende Bürgermeister (von Lindau)<br />

— der Bauer ganz unwahrhaftig ist, voller Betrug und<br />

Arglist — daß Gottes Barmherzigkeit und der Bauern Schalkheit<br />

unergründlich ist, ist so richtig als jeder Text im neuen<br />

und alten Testament — dieser verliebte Teufelsmartyrer —<br />

an dergleichen bei dem Belial in praxi gestandenen Weibern<br />

hat der hone Orden noch keinen Abgang, sondern hat, noch<br />

anderen Herrschaften mitzuteilen, eine gute Anzahl in Reserve.<br />

— Der Obervogt war bemüht, daß die Eltern die zu<br />

Hause nicht nötigenKinder in einen Dienst oder in die Lehre<br />

geben möchten, was aber nicht in allweg geschah. Er berichtete<br />

nun nach Altshausen: „Die mehr Kinder denn Fenster<br />

und Gucköhren im Hause haben und im Vorbeifahren<br />

zu jeder Oeffnung ein verzauster, dreiköpfiger Cerberus hinausschauen<br />

tut. Die Berichte mögen manchmal dem Landkomtur<br />

Lächeln verursacht haben. Wocher zeigte aber bei<br />

anderer Gelegenheit auch mitleidsvolle Teilnahme. 1740 befürwortete<br />

er die Genehmigung einer beabsichtigten Heirat<br />

(die Braut war unschön) und die Verleihung eines Lehens an<br />

die Betreffenden und den gewöhnlichen Erschatz, „weilen sie<br />

mehr einem geströhlten Fuchs,, denn einem nach dem Ebenbild<br />

Gottes erschaffenen Menschen gleicn sehen tut". Die<br />

Begründung hatte in Altshausen Erfolg. Auch seine Urteile<br />

waren mitunter originell; hier ein Beispiel: 1710 hatte ein<br />

Meister, Jör^ Pregen in Duznau, eine Magd bis Jakobi eingestellt,<br />

schickte sie aber vor Ablauf des Termines weg.<br />

Nun klagte die Magd Maria Dembin, daß der Dienstherr sie<br />

behalte bis Jakobi oder ihr den Lohn bis dahin ausbezahle,<br />

da sie zur Zeit keine Stelle finde. Darauf folgte nun der Bescheid<br />

: „Weilen der Meister und die Magd ein Narr, die<br />

Meisterin und Kinder aber im Haus bekanntich leider nicht<br />

gescheit, sondern übel geschaffen, als sei die ganze Orgel<br />

übel verstimmt und wolle man die große Pfeiff, den Meister,<br />

zu korrigieren suchen und auf nächst einkommende<br />

wahrhafte Klag seines Fluchens wegen hart einstocken lassen<br />

(die Magid hatte ihn nämlich dessen bezichtigt); das<br />

Mensch, die Magd, hingegen soll er bis Jakobi behalten oder<br />

auf dolch Tag bar auszahlen". — Wocher wachte auch eifersüchtig<br />

über die Rechte der Herrschaft und kam dadurch bei<br />

Lappalien in manche Differenzen mit den angrenzenden<br />

Herren. Freilich kam solches in jener Zeit infolge der Kleinstaaterei<br />

auch an anderen Orten gar häufig vor.<br />

Die Strafen der niederen Gerichtsbarkeit, die der Obervogt<br />

verhängen konnte, waren im 16., 17. und 18. Jahrhundert<br />

soweit noch Protokollbücher vorhanden sind, in der Herrschaft<br />

Achberg nicht allzu hart Körperliche Züchtigungen<br />

mit Rutenhieberr dürften in jener Zeit selten vorgekommen<br />

sein, während solche an anderen Orten damals häufig waren.<br />

Die Türmstrafen waren nicht selten nur kurz, indem die<br />

Malefikanten oft schon nach einigen Stunden „auf starke<br />

Fürbitte hin" wieder entlassen wurden. Auch die Geige kam<br />

nicht allzu oft in Anwendung. Die Geldstrafen waren im<br />

allgemeinen, selbst bei Berücksichtigung des damaligen höheren<br />

Geldwertes, niedrig bemessen, häufig betrug sie nur<br />

5 Schilling (= 10 Kr. = 29 Pf.). Die Uebertretung der Gebote<br />

und Verbote wurde mit 1 Pfd. (= 40 Kr.) gebüßt; eine Strafe<br />

von 5 Pfd. findet sich selten. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts<br />

und auch am Ende desselben gestalteten sich die Strafen<br />

etwas schärfer; doch ging es in dieser Zeit mitunter bei<br />

Vergehen mit einer bloßen Verwarnung ab; einigemale wurde<br />

als Buße die Beicht oder das Beten des Rosenkranzes<br />

auferlegt. 1709 h-.tte einer Gott gelästert und über die Herrschaft<br />

geschimpft. Der Bescheid Wochers lautete: er soll in<br />

dieser hl. Zeit (Weihnachtszeit) reumütig beichten und dann<br />

Staatsgewalt<br />

(Zum Hechinger<br />

Um es gleich zu sagen: es handelte sich nur um ein lächerliches<br />

Ländchen rings um den Zoller herum, nicht um ein<br />

gewaltiges Staatsgebilde, von dem hier die Rede ist. Um<br />

seine \usdehnung zu ermessen, genügt es, darauf hinzuweisen,<br />

daß die Entfernung von einer Staatsgrenze am Zeller<br />

nochmals an Hl. Dreikönig und an den vier Feiertagen je<br />

einen Psalter beten für jene Seelen welche wegen Gotteslästerung<br />

noch gequält werden. Strafbar war auch eine uneheliche<br />

Schwängerung. 1699 (das Jahr, ehe Wocher Obervogt<br />

wurde) mußten zwei Schuldige, da sie nicht bezahlen konnten,<br />

um den Altar zu Opfer gehen, wobei der Bursche einen<br />

Strohdegen trug und das Mädchen einen Strohkranz. 1710<br />

strafte Wocher zugleich den Vater der Gefallenen um zwei<br />

Pfd. weil er auf die Tochter nicht achtgehabt hatte. Im gleichen<br />

Jahre verbot der Obervogt den Mädchen den Wirtshausbesuch<br />

nach Betzeit, und 1711 bei Turm- und Geigenstrafe<br />

das Mitnehmen der Kinder zum Wucherstier, wie auch daß<br />

Kinder selber das Vieh dahin rührten. Das Ausstellen in der<br />

Geige geschah vor dem Schloß oder häufiger vor der Kirche.<br />

Unerlaubt war auch der Fleischgenuß im Wirtshaus an den<br />

verbotenen Tagen und der Besuch des Wirtshauses an den<br />

Sonn- und Feiertagen mit Versäumung der hi. Messe. Er<br />

kämpfte auch gegen die Kleiderhoffart der Mädchen und<br />

der Burschen, 1746 verweigerte aber der Landkomtur den<br />

Erlaß eines Verbotes.<br />

Bei aller Strenge war Wocner eine religiös-gläubige Natur.<br />

In seinen letzten Monaten, da er die Kirche in Siberatsweiler<br />

nicht mehr besuchen konnte, ließ er in der Schloßkapelle<br />

an den Sonntagen vom Pfarrer von Siberatsweiler eine hl.<br />

Messe lesen; dieser mußte also binieren. 1709 wurde einer<br />

eingesperrt, weil er seinen Schwager hatte unversehen wegsterben<br />

lassen. In seinem Testament von 1745/48 ordnete<br />

Wocher eine Reihe von Jahrtagen an, die teils in Klöstern<br />

(Weingarten, Isny und Langnau), teils in der Eichkapelle und<br />

in der Pfarrkirche in Siberatsweiler gehalten werden sollten.<br />

Jedoch kamen nicht alle Anniversarien zur Ausführung, wie<br />

z. B. die Stiftung einer Wochenmesse in der Pfarrkirche in<br />

Siberatsweiler und einer solchen in der Schloßkapelle in<br />

Achberg. Der Grund der Nichtausführung ist unbekannt.<br />

Der überlebende Teil hatte das Recht, am Testament Abänderungen<br />

vorzunehmen. Dem angebrachten Wappen nach<br />

zu schließen, dürfte von Wocher die Monstranz in der Kirche<br />

in Siberatsweiler stammen. Testamentarisch vermachte er<br />

der Kirche „in der er und seine Frau beerdigt würden" das<br />

massiv von Silber gegossene große Kruzifix mit den dazugehörenden<br />

Bildnissen der MutterGottes und des hl. Johannes.<br />

Indes findet sich dieses Vermächtnis nicht mehr vor. Wocher<br />

ist auch der Erbauer der Eichkapelle in Esseratsweiler, die von<br />

seiner Frau mit den nötigen Paramenten ausgestattet wurde.<br />

1746 hatte der Bischof von Konstanz die Erlaubnis zum Bau<br />

der Kapelle (gegeben, der dann 1748 ausgeführt wurde. Die<br />

Kapelle ist ein ehrenvolles, bleibendes Denkmal des Obervogts.<br />

Er machte dann noch andere Stiftungen. In seinem Testament<br />

bestimmte er 150 fl. für die Schule. Der Zins sollte<br />

als Schulgeld für arme Kinder verwendet werden. Den Hausarmen<br />

in Achberg vermachte er 400 fl. Der Zins einer dritten<br />

Stiftung von 1500 fl. sollte abwechslungsweise einem<br />

Knaben zur Erlernung eines Handwerkes und einem braven<br />

armen „Madel" zur Aussteuer zukommen. Wocher und seine<br />

Frau stifteten sonach 2050 fl. zu den vorbezeichneten Zwekken.<br />

Nach dem Tode der Obervögtin wurden aus Versehen<br />

50 fl. bar den Armen ausgeteilt; es blieben also nur noch<br />

2000 fl. Kapital. Dagegen hatte die Wochersche Stiftung noch<br />

auf ein anderes Kapital von 300 fl, Anspruch, das dann dieselbe<br />

auch wirklich erhielt. Damit betrug das Gesamtkapital<br />

dieser Stiftungen 2300 fl. Sie sind zugleich ein Zeichen,<br />

wie Wocher trotz seiner Strenge gleichwohl eine teilnehmende,<br />

mitleidsvolle Gesinnung gegen die ihm Anvertrauten<br />

hegte.<br />

Könnte er wiederkommen und das Bild der neuen Verhältnisse<br />

schauen, wie so vieles jetzt anders geworden ist,<br />

dann würde er ohne Zweifel staunend mit dem Dichter ausrufen:<br />

Andere Zeiten, andere Menscnen,<br />

andere Menschen, andere Götter;<br />

und<br />

Tempora mutantur nos et mutamur in illis<br />

Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen<br />

gegen Pfarrer<br />

Untertanenstreit)<br />

Horn bis zur anderen am Dreifürstenstein in der Luftlinie<br />

sage und schreibe neun Kilometer beträgt! Da hat sich nun<br />

im Jahre 1731, als das ganze Ländchen durch der bekannten<br />

Untertanenstreit erschüttert wurde und die politischen Wogen<br />

hoch gingen, auch der hochwürdige Pfarrherr von Boll


1 hrjgang 19f • H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 43<br />

am Zoller, Wilhelm i^eonhardt, zu einer Aeußerung gegen<br />

die hechingische Regierung und den Erbprinzen hinreißen<br />

lassen. Er wurde denn auch alsbald verhaftet und (militari<br />

manu) durch einige Militärs nach Hechingen geschleppt, wo<br />

er 21 Tage eingesperrt blieb. Alsbald ging die Meldung<br />

davon durch die Nachbargeistlichen nach Konstanz an die<br />

bischöfliche Behörde. Am 19. September beschloß der Geistliche<br />

Rat daselbst, sofort ein Strafmandat gegen die zollerischen<br />

Räte auszufertigen, der Personalarrest müsse aufgehoben<br />

werden. Der Kanzler zu Hechingen suchte die getroffene<br />

Maßnahme gegen den Pfarrer durch ein weitläufiges Schreiben<br />

zu begründen. Am 26. Oktober beschlossen daher die<br />

Ratgeber des Bischofs, die Sache Seinen bischöflichen Gnaden<br />

persönlich vorzulegen mit der Bitte, ohne Rücksicht auf<br />

die irrtümlich vorgeschützten Gründe der Regierung mit dem<br />

kirchlichen Prozeß (declaratoria facti) fortzufahren. Gegen<br />

Ende des Jahres ersuchten die zollerischen Beamten um eine<br />

Abschrift der in Konstanz aufgelaufenen Akten, worauf der<br />

Geistliche Rat verlangte, daß zunächst das hechingische<br />

Appellationsinstrument an den Richter durch Notar und<br />

Zeugen nach Prozeßrecht ausgefertigt würden. Dies war<br />

jedoch Ende Januar 1732 noch nicht geschehen.<br />

Am 25. Juni berichtete dann der Dekan des Kapitels Hechingen,<br />

Johann Martin Fischer nach Konstanz, er habe die<br />

über die Beamten von Hechingen verhängte Exkommunikation<br />

durch den Kammerer Kohler und Vikar Konrad Vitalowiz<br />

den Betroffenen überreichen lassen, deren Veröffentlichung<br />

und Ausführung aber wegen der vom zollerischen<br />

Fürsten ihm angedrohten Strafe und wegen dier von den<br />

dortigen Untertanen zu befürchten de n Tumulten<br />

noch nicht vornehmen lassen. Gleichzeitig bat er,<br />

ihm diese leidige Sache abzunehmen und einen anderen<br />

Geistlichen aus dem Kapitel damit zu beauftragen. Da kam<br />

er jedoch in Konstanz schlecht an. Sofort erfolgte von dort<br />

der schriftliche Befehl, und zwar unter Strafe der Suspension,<br />

der Dekan müsse die Exkommunikation öffentlich verkünden<br />

lassen. Auch die Reisekosten des Ueberbringers des Dekrets<br />

hatte der Dekan zu tragen, da er selbst durch seine Saumseligkeit<br />

die Verzögerung verursacht habe, Bereits am 9. Juli<br />

lag eine Anfrage des Fürsten zu Konstanz vor, ob nicht eine<br />

gewisse Zurückhaltung oder Ermäßigung der Strafe in Betracht<br />

kommen könne. Doch wurde ihm brüsk bedeutet: Es<br />

könne nichts anderes Platz greifen, als daß der fürstliche<br />

Kanzler und seine Räte sich der christkatholischen Kirche<br />

und ihren geistlichen Obern behörig unterwürfen, den in die<br />

bischöfliche Jurisdiktion gewagten Eingriff und die gegen<br />

den Pfarrer von Boll verübte Schuld pflichtschuldig abbitten<br />

und die Aufhebung des Kirchenbannes mit entsprechender<br />

Unterwerfung erflehen zu solle.n<br />

Jedoch am 23. Juli 1732 mußte der Dekan unter Beipflichtung<br />

des Pfarrers von Boll melden, die zollerischen Räte verachteten<br />

nicht nur spöttisch den gegen sie ergangenen Kirchenbann,<br />

sodern hätten sich von neuem wiec'.er unterfangen,<br />

dem besagten Pfarrer sein Einkommen völlig zu beschlagnahmen.<br />

Der geistliche Rat beschloß darauf, den Bischof selbst zu<br />

informieren und ihn zu bitten, dem Erbprinzen zu Hechingen<br />

dieses höchst ärgerliche Verfahren seiner Räte durch ein<br />

nachdrückliches Schreiben zu Gemüte zu führen, und wenn<br />

dies keinen Erfolg haben sollte, die Exkommunikation aggra-<br />

viert bei allen Pfarreien des Hechingischen Landes zu verkünden,<br />

die kaiserliche Majestät über den wahren Sachverhalt<br />

zu informieren und diesen als höchsten Beschützer und<br />

Protektor der Kirche um seinen Beistand alleruntertänigst<br />

anzuflehen. Am 4. Dezember lief dann in Konstanz ein weitschweifiges<br />

Schreiben der Hechinger Beamten ein, worin sie<br />

ihr Vorgehen zu rechtfertigen suchten. Man beschloß darauf,<br />

alle diesseitigen Gründe zusammenzutragen, um damit das<br />

zollerische Schreiben, das auf üblen ketzerischen Prinzipien<br />

aufgebaut sei, über den Haufen zu werfen.<br />

Als dann am 11. März 1733 bekannt wurde, daß nächstens<br />

ein bischöflicher Kommissär von Meersburg nach Hechingen<br />

abgehen solle, hielt der Geistl. Rat für dringend, den Kirchenfürsten<br />

darauf aufmerksam zu machen, was für ein entsetzliches<br />

Aergemis bei Katholiken und Andersgläubigen der<br />

Umgang der Konstanzer Gesandtschaft mit den exkommunizierten<br />

Räten nach sich ziehen müsse. Es stehe sogar zu<br />

fürchten, daß der Bischof samt seiner Gesandtschaft sich in<br />

die Gefahr der minderen Exkommunikation setzen werde,<br />

wenn er mit öffentlich Gebannten verkehre. Der Bischof möge<br />

daher durch ein nachdrückliches Schreiben an den Erzbischof<br />

von Mainz die Geschehnisse ausführlich schildern, damit dieser<br />

die zollerischen Räte zu schuldigem Gehorsam gegen die<br />

Kirche und ihre geistlichen Obern anweisen würde, sie sich<br />

vom Banne lösen ließen, ansonsten ihro hochfürstliche Gnaden<br />

an der schleunigen Vornahme der vom Kaiser ihr aufgetragenen<br />

Kommission in der Sache des Prinzen von Zollern-Hechingen<br />

und dessen aufsässige Untertanen<br />

nicht wenig gehindert sehen müßten.<br />

Aber eilig hatte es der Amtsschimmel keineswegs. Erst am<br />

29. April wurde in Konstanz bekannt, der Pfarrer Leonhard<br />

Wilhelm von Boll habe ein sehr lamentables Schreiben geschickt<br />

mit der Bitte, der Oberhirte möge durch seinen im<br />

Hechinger Gebiet tätigen Kommissär beirr? Erbprinzen und<br />

dessen Räten wegen des unverantwortlichen Vorgehens gegen<br />

ihn vorstellig werden. Und was geschah? Am 22. Oktober<br />

berichtet der Bischof seinem Geistlichen Rat von einem Brief<br />

des Weihbischofs an ihn und ersuchte zur Beantwortung um<br />

ein Gutachten. Der Rat meinte, vor allem müsse der Pfarrer<br />

von Boll vollkommen schadlos gehalten werden. Habe aber<br />

das Hechinger Amt erhebliche Klagen gegen ihn, so soll es<br />

sie an zuständiger Stelle vorbringen. Die bisherigen Unkosten<br />

des Ordinariats müßten die Zollerischen tragen, weil sie sie<br />

auch mutwillig verursacht hätten. Eine simple Entschuldigung<br />

könne der Bischof von den Räten nicht annehmen, sondern<br />

sie müßten ihren gröblich begangenen Mißgriff in aller Form<br />

abbitten und um die Lossprechung untertänigst einkommen.<br />

Das Protokoll meldet dann unterm 20. Juni 1735: Da sich<br />

die zollerischen Kanzler und Räte endlich der Kirche unterworfen<br />

und um Lösung des Kirchenbannes gebeten haben,<br />

bestehe wegen der Absolution kein Anstand mehr, ungeachtet<br />

sich die Exkommunizierten zur Ersetzung der ihretwegen<br />

gehabten namhaften Unkosten nicht verstehen wollen. Hierwegen<br />

soll jedoch noch die Einwilligung des Bischofs eingeholt<br />

werden. Nochmal im Juli wurden die Räte zu Hechingen<br />

zum Ersatz der ihretwegen gehabten Barauslagen erinnert.<br />

Dann aber schweigen die konstanzischen Akten. (Erzbisch.<br />

Archiv, Freiburg, Ha 225, 226). Man vergleiche hierzu das 19.<br />

und 20. Kapitel in J. Cramers Buch ,,Die Grafschaft Hohenzollern'<br />

1873 S. 357 ff.<br />

Familiennamen im Jahre 1519<br />

in einigen Gemeinden des heutigen Kreises Hechingen<br />

Das Dominikanerinnen-Kloster Kirchberg, das einstmals<br />

kirchlich zum Kapitel Haigerloch und politisch zur<br />

Herrschaft Haigerloch gehövte, kam 1805 im Preßburger<br />

Frieden zu Württemberg und wurde der Gemeinde Renfrizhausen<br />

am Mühlbach, heute Kr. Horb a. N., zugeteilt. Das<br />

Kloster wurde aufgehoben, eine Ackerbauschule errichtet<br />

und Aecker, Wiesen und Waldungen zu einer Staatsdomäne<br />

zusammengefaßt.<br />

Durch die Aufnanme voi Töchtern adeliger und vornehmer<br />

Familien gelangte das Kloster am Ende des Mittelalters<br />

zu einem ansehnlichen Grundbesitz in der näheren und weiteren<br />

Umgebung, so auf den angrenzenden Gemarkungen<br />

der hohenzollerischen Gemeinden Heiligenzimmern, Gruol,<br />

Weildorf und Empfingen. Aber auch in weiter entfernt liegenden<br />

Ortschaften, wie Grosselfingen und Rangendingen,<br />

besaßen diie Kirchberger Klosterfrauen bedeutenden Besitz<br />

an Grund und Boden. Dieser war, wie üblich, gegen die Ablieferung<br />

einer bestimmten Menge Getreides oder anderer<br />

Erträgnisse der Wirtschaft lehensweise an Bauern ausgege-<br />

ben Diese festgesetzten Leistungen in Naturalien oder Geld,<br />

auch Gült genannt, wurden in sogenannten Lagerbüchern<br />

oder Urbaren niedergelegt, die je nach der Reichhaltigkeit<br />

ihrer Aufzeichnungen vor allem für die Wirtschaftsgeschichte,<br />

die Flurnamen- und Familienforschung und für die Siedlungskunde<br />

wichtiges Material liefern.<br />

Eines der Kirchberger Urbare — es gibt solche aus den<br />

Jahren 1519, 1560/62, 1686 und 1781 — wird im Fürstl. Hohenz.<br />

Haus- und Domänenarchiv in Sigmaringen aufbewahrt<br />

und führt den Titel: „Vrbar vnü Legerbuch des Gotzhuß<br />

Kilperg Ao 1519". Da bekanntlich der ein Jahrhundert später<br />

ausbrechende 30jährige Krieg, diie Bevölkerung auch<br />

unserer engeren Heimat durch Hunger u. Seuchen, wie durcl.<br />

Gewalttaten einer verrohten Soldateska stark dezimierte, ist<br />

es für die Familienkunde wertvoll zu wissen, welche Geschlechter<br />

Deutschlands schwerste Zeiten überstanden haben. So finden<br />

wir schon 1519, um einige Beispiele herauszunehmen, in Bietenhausen<br />

die Beiter und Eberhart, in Empfingen die Gfrürer<br />

und Kost, in Grosselfingen die Haigis, in Gruol die Flaiz,


44 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Lock und Schneider, in Hart die Klingler, in Höfendorf die<br />

Beiter, in Imnau die Haid, in Rangendingen die Dderinger,<br />

Widmayer und von Staufenberg und in Trillfingen die<br />

Rapp und Stelzer. Aus dem genannten Lagerbuch wurden<br />

die hohenzollerischen Orte ausgezogen und samt den Familiennamen<br />

alphabetisch geordnet:<br />

Betra: Eyseler Conrad, Ganser Ludwig, Junker Ulrich von<br />

Lichtenstein, Maier Theiß, Prendle Hans und Theiß,<br />

Schwaiger Dieterle, Seger Jakob und Peter.<br />

Bietenhausen: Byter Conrad, Eberhart Bartie und Hans,<br />

Sayle Oswald, Urhan Hans.<br />

Dettensee: Braun Jakob, Hertkorn Jörg, Noll Kaspar, Scheffer<br />

Michel, Weißhaar Michel, Wingartner Wolf.<br />

Empfingen: Becker Balthas, Eyseler Hans, Feyssel Bastian,<br />

Gfreer Jerg und Sixt, Hoheneck Peter, Hohenecker Franciscus<br />

derzeit Schultheiß, Hegner Hans, Hertter Hans,<br />

Keyl Diepold, Keüttle Dietsch, Kost Hans, Kunner Bartie,<br />

Mor Jakob, Peyter Thoman, Newenmayer Veit, Pfister<br />

Paule, Riester Jakob, Ryekher Balthas und Kaspar,<br />

Schäffer Heinrich, Schneble Hans, Schwaiger Dieterle<br />

und Gall, Volmar Hans, Vischer Hans, Weckerle Calixt,<br />

Werstein Martin.<br />

Fischingen: Marquard Adam, Peyrlin Hans, Schmid Hans.<br />

Grosselfingen: Clarer Martin, Haintz Wolfgang, Haygis Martin<br />

und Jörg, Cunrat Im Hof, Junker Hans Heinrich,<br />

Kyss Cunrat, Kyess Hans, Keling Lude derzeit Vogt,<br />

Kyebler Hannsle, Kenzel Claus, Linsenmann Balthes,<br />

Marx Cunrat, Murer Paule, Pflanzer Kaspar, Newmaier<br />

Hans, Schauver Jörg, Scherer Wolf, Schmid Jakob,<br />

Schneider Peter, Schnellinger Cunlin, Senf Bernhart,<br />

Singer Hans, Staimer Cunrats Kinder, Underhans Wem,<br />

Volm Hans.<br />

Gruol: Bayer Hans, Bischof Michel und Peter, Beck Martin,<br />

Buckenmayer Auberlin, Binder Hensle, Edelin Michel,<br />

Egk Mathis, Held Michel, Hendner Aberlin, Claus von<br />

Rottweil gen. Holhart, Flaitz Hans und Wolf, Fuchs Hans,<br />

Hurm Hans, Kayser Galle, Kyene Peter, Kyenlin Jos,<br />

Klenk Lentze, Kurtz Hans, Keysser Michel, Lock Jörg<br />

Jakob und Paul, Koler Andris, Landher Hans, Leibfrid<br />

Bartlin, Mader Peter und Paul, Müller Andris und Peter,<br />

Neye Ludwig, Ott Peter, Pfeffer Thoma, Pfefferlin Hans,<br />

Saylin Hans, Seger Peter und Wolf, Sommer Martin,<br />

Syffrit Wölflin, Saytz Wolf, Schneider Michel und Hans,<br />

Schick Hans, Scheffer Thoma, Schweycker Georg, Schertzinger,<br />

Wannenmacher Henslin, Thyringer Conrat, Wirtemberger<br />

Michel, von Will Michel, Werner Hans, Stehelin<br />

Hans derzeit Vogt.<br />

Hart: Baiinger Heinrich, Felaberlin Lude, Hipp Hans, Mettel<br />

Hans, Viten Hans derzeit Vogt, Klingler Hans, Kessler<br />

Bernhard, Kopp Conrad, Nye Conrad, Rapp Andris und<br />

Hans, Seil Jakob.<br />

Höfendorf: Byter Steffan, Felaberlin Hensle und Bastian,<br />

Henlin Martin, Rock Hans und Viten, Wiest Hans.<br />

Haigerloch: Bader Claus, Bayer Lienhart, Beck Lentze, Boltz<br />

Hans, F'ess Hans der Schinder, Gütelin Lude, Haffner<br />

Melch, Kettenacker Hans derzeit Bürgermeister, Kopp<br />

Kaspar, Koler Eberlin, Lemelin Fritz, Leibfrid Hans,<br />

Lux Hans, Nye Bernhard, Pfluger Bastian und Michel,<br />

Roßback Konrad, Schuhmacher Sixt, Schundt Balthis,<br />

Schwartz Barthlin und Hensle, Stehelin Bastion derzeit<br />

Schultheiß.<br />

Heiligenimmern: Belsan Hans und Henslis, Decker Hans,<br />

Besel Gall, Bruschlin Michel, Giltgleich Hans derzeit<br />

Vogt, Giltgleich Jerg, Groß Michel, Klenck Jörg u. Hans,<br />

Georg Klenck, Hofbauer, Klegler Bastian, Koler Thoman,<br />

Lang Hanns, Leibfrid Michel, Leblin Hans, Linder Heinrich,<br />

Mayer Jakob, Schnabel Hans, Schwarz Heinrich,<br />

Vogel Hans, Vössler Jakob, Wadel Hans, Wissler Jakob.<br />

Imnau: Byter Erhard und Kleinmann, Buweir Hans und<br />

Jakob, Fischer Hans, Fuchs Lude, Glare Peter, Hayd Bläsin,<br />

Hochwernher Diepolt, Henlin Hans, Lemelin Auberlin,<br />

derzeit Vogt, Seyber Heinrich, Sebolt Heinrich,<br />

Scheffer Michel, Schinder Hans.<br />

Rangendingen: Anstell Kunle, Beck Konrad, Bieble Bernhard,<br />

Dieringer Balthas, Engel Hans, Flach Michel, Feel (Fäll)<br />

Jörg, Fuchsjäiger Veit, Hermann Michel, derzeit Vogt, Hipp<br />

Hans und 1 Bastian, Maier Heinrich, Metzger Hans, Maurer<br />

Jakob, Motz Hans, Nerz Peter, Mebolt Marx, Pfeiffer Hans<br />

Pfella Kaspar, Preyning Conrad, Putz Hans, Sayle Hans,<br />

Saur Hans, Schenk Jacle, Strobel Kaspar, von Staufenberg,<br />

Schueler Hans, Ryegger Jakob, Uetz Michel, Wagner<br />

Lentze und Peter, Weinstein Martin, Widmayer<br />

Kunle, Weyß Hans, Zopp Claus und Balthas.<br />

Trillfingen: Bayer Hans, Bayer Jakob von Cremensee, Butz<br />

Hans, Ehen Conrad, Haym Hans und Michel, Hicke<br />

Hans, Katz Martin, Kessler Bartlin, Numayer Conrat,<br />

Nye Conrad, Riber Kaspar, Schäfer Jörg, Rapp Hans,<br />

Schaffner Conrad, Schneider Hans, Schuhmacher Heinrich<br />

und Ulrich, Spät Hans, Stelzer, Striegel Jörg, Weckler<br />

Melchior dlerzeit Vogt, Wollensack Hans.<br />

Weildorf: Algewer Ulrich, Bumay Wolf, Cun Hans, Glare<br />

Konrad, Leibfrid Jakob derzeit Vogt, Schnell Hans, Seger<br />

Hans, Stefan Hans, Pfaff Mayenregen. M. Sch.<br />

Aus dem Pfarrarchiv Rangendingen<br />

Im Jahre 1856, den 23. November, wurde Pfarrverweser<br />

Bernhard Pfeffer zu Krauchenwies, geb. 1816 den 16. April<br />

zu Rottweil, 1844 den 29. März zu Dillingen, Diözese Augsburg<br />

zum Priester geweiht, von Sr. Hoheit dem Fürsten Carl<br />

Anton zu Hohenzollern-Sigmaringen auf die Pfarrei Rangendingen<br />

gnädigst präsentiert. Am Quatember-Freitag der 19.<br />

Dezember eiusdem anni wurde er von Sr. Exzellenz dem<br />

Hochwürdigsten Erzbischof von Freiburg im Breisgau Hermann<br />

von Vicari auf hiesige Pfründe bestätiget.<br />

Donnerstag den 5. Februar 1857, Mittags 2 Uhr ist er hier<br />

aufgezogen und Sonntag den 15. Februar hielt er seine Antrittsrede<br />

und Donnerstag den 19. Februar wurde er durch<br />

S. Hochwürden den Herrn Stadtpfarrer Geistlichen Rath und<br />

Dekan Hemann Friedrich Bulach zu Hechingen kirchlich investiert.<br />

Bei dieser Feier waren gegenwärtig: Herr Pfarrer<br />

Paul Koler, Kammerer zu Grosselfingen, dessen Bruder Laurenz<br />

Koler, Pfarrer zu Steinhofen, Herr Pfarrer Conrad Volm<br />

zu Weilheim, Herr Pfarrer und Definitor Friedrich Sauter zu<br />

Boll und H. Pfarrer und Dekanatsverwalter Joh. Baptist Göggel<br />

zu Stetten b. Haigerloch. Pfarrer Pfeffer.<br />

1857<br />

Freitag den 1. Mai morgens IOV4 Uhr ist an Halsentzündung<br />

nach einem nur eintägigen Krankenlager, versehen mit den<br />

Hl. Sterbesakramenten durch Hochw. Herrn Friedrich Sauter<br />

Pfarrer und Definitor zu Boll, gottselig im Herrn entschlafen<br />

der Hochw. Stadtpfarrer und Dekan der allerverehrteste<br />

Geistl. Rath Hermann Friedrich Bulach, geb. zu Hechingen<br />

den 8. Sept. 1801, angestellt vom 2. Nov. 1830. Er wurde beerdigt<br />

durch H. Kammerer Koler in Grosselfingen den 3. Mai<br />

mittags 3 Uhr. Der Geistliche Rath und Stadtpfarrer Lampenscherpff<br />

zu Sigmaringen hielt eine halbstündige Leichenrede.<br />

Der Regierungspräsident der wirkliche Geheime Rath<br />

von Sydow war bei der Leiche und dem 1. Trauergottesdienst<br />

von Fritz Staudacher (Schluß)<br />

anwesend. Eine unabsehbare Menge Leute von Stadt und<br />

Land war zur Leiche des Hochverehrten zusammengeströmt.<br />

Zahlreiche und schmerzliche Thränen der Trauer sind um den<br />

Verblichenen geflossen. 8 Tage zuvor Freitag den 24. April<br />

nachmittags machte der Selige dem Pfarrer Pfeffer dahier<br />

einen Besuch, wobei er die Hl. Beichte ablegte und öftere<br />

Besuche zusagte. Dies war sein letzter Gang über die Stadtmauern<br />

hinaus. R. I. P. Pfarrer Pfeffer.<br />

Im Jahre 1859 vom 8. bis 16. September, somit von Mariä-<br />

Geburt bis Octav. Nativ. B. M. V. wurde in Rangendingen<br />

eine H. Mission abgehalten durch die Hochw. PP. Jesuiten<br />

aus Gorheim bei Sigmaringen, nämlich P. Georg Waldburg de<br />

Zeil, Superior, Bruder des dermaligen Fürsten Constantin<br />

Waldburg Zeil, P. Ketterer Laurenz, ein geb. Badenser (Bezirksamt<br />

Neustadt), P. Josef Leiprecht aus Württemberg OA.<br />

Waldsee. Nach den Missionen in Hechingen, Sigmaringen und<br />

Haigerloch war die hiesige die bestbesuchte in Hohenzollern.<br />

Beim Anfang mögen 5000, beim Schluß 6000 Personen zugegen<br />

gewesen sein. Von den Parochianen wurden die Predigten,<br />

welche meistens im Freien gehalten wurden (die Kanzel war<br />

am südöstlichen Chor der Klosterkirche angebracht), sowie<br />

der Beichtstuhl sehr fleißig besucht. Generalbeichten wurden<br />

sehr viele abgelegt, die allermeisten Pfarrkinder Rangendingens<br />

haben zu Ostern 1857 im Jubiläum 1858 und bei der<br />

Mission 1859 solche gemacht. Während der Letzteren sind wenigstens<br />

1200 Communionen ausgetheilt worden. Von Geistlichen<br />

waren zugegen: 1. H. Dr. Dieringer von hier, Professor<br />

zu Bonn, 2. Professor Hafner aus Rottenburg in Mainz, 3. Dekan<br />

Göggel zu Stetten bei Haigerloch, 4. Dekan Koler in<br />

Owingen, 5. Kammerer Schiebel von Hirrlingen, 6. Kaplan<br />

Seybold ebendaher, 7. Pfarrverweser Winter von Grosselflngen,<br />

8. Cooperator Heyse von Hechingen, 9. Beneflziat Braun<br />

von Zimmern bei Hechingen, 10. Pfarrer L. Koler von Stein-


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 45<br />

hofen, 11. Pfarrer Stehle von Bietenhausen, 12. Pfarrer Buhmüller<br />

von Dettensee, 13. Pfarrer Kotz von Dettingen OA.<br />

Haigerloch, 14. Pfarrer Lanz von Empfingen, 15. Pfarrer Gsell<br />

von Fischingen, 16. Pfarrer Brandhuber von Gruol, 18. Pfarrer<br />

Peiffer von Hart, 19. Vikar Gluns ebenda (Rottweiler),<br />

20. Kammerer Schnell von Heiligenzimmern, 21. Pfarrer Hieber<br />

von Höfendorf, 22. Vikar Mayer von Trillfingen, Neupriester,<br />

23. Pfarrer Keller in Weildorf, 24. Pfarrverweser Knoll<br />

in Binzdorf, 25. Pfarrer Bock von Wachendorf, 26. Exkammerer<br />

Frey von Bierlingen, 27. Pfarrer Zimmermann von<br />

Bieringen, 28. Pfarrverweser Seifert von Dettingen bei Rottenburg.<br />

Die sub 25, 19 und 6 genannten Geistlichen waren<br />

weitaus die fleißigsten im Beichtstuhl. Die Laien stellten sich<br />

am fleißigsten ein aus dem benachbarten Württemberg, dann<br />

aus dem Dekanat Haigerloch, aus dem Hechingischen kamen<br />

nur Wenige. Die Gemeinde schaffte das Missionskreuz an<br />

und ließ die Kanzel aufstellen, letztere mußte nachträglich<br />

Parochus loci bezahlen. Wachs und Meßwein und einige Kleinigkeiten<br />

bestritt die Heiligenpflege. Professor Dr. Dieringer<br />

gab nebst dem Pfarrer den Herrn Missionären eine Remuneration.<br />

Alle übrigen Kosten übernahm Pfarrer Bernhard<br />

Pfeffer. Aus Veranlassung der H. Mission ist die Klosterkirche<br />

größtenteils restauriert worden, theils aus bescheidenen<br />

milden Beiträgen, theils durch Meßstipendien, welche<br />

benachbarte Geistliche theils gratis, theils um weniges Geld<br />

übernommen haben. Die meisten Unkosten bei dieser Restauration<br />

übernahm Parochus Loci. „Sehr bescheiden!" (besonders<br />

weil nicht wahr).<br />

In der Klosterkirche sind folgende Heilige aus dem Jesuitenorden:<br />

1. der Hl. Aloysius und 2. der Hl. Stanislaus<br />

Koska, aus dem Dominikanerorden: auf dem Nebenaltar der<br />

Evangelienseite: 1. der Hl. Vater Dominikus, 2. die Hl. Katharina<br />

von Siena, 3. der Hl. Petrus, Märtyrer (oben), auf<br />

dem Nebenaltar der Epistelseite: 1. der Hl. Thomas v. Aquin,<br />

2. der H. Vinzenz Ferrerius (oben), ober der Sakristeithüre<br />

der Evangelienseite: der selige Heinrich Suso, ober der Sakristeithüre<br />

der Epistelseite: der H. Peter Consalez, im Schiff:<br />

a) der H. Papst Pius V., b) der selige Papst Benedikt XI.<br />

1867<br />

9. Juni nachts I2V2 Uhr hat es in den Kirchthurm geschlagen,<br />

der Messner Gallus Strobel läutete gerade gegen das<br />

schwere und gefahrdrohende Gewitter und wurde von seiner<br />

Frau im Glockenhaus bewußtlos, an Händen und Füßen wie<br />

gelähmt, gefunden.<br />

Am 4. Sonntag nach Pfingsten, den 7. Juli nachmittags von<br />

2 bis Vä4 Uhr (damals fiel auf den besagten Sonntag das Fest<br />

vom Kostbarsten Blute Jesu Christi), wurde das steinerne<br />

Zollerisches aus dem<br />

verdanken wir erneut Herrn Oberstudiendirektor<br />

1.) 1584 3. März: Schultheiß und Rat der Stadt Sigmaringen<br />

stellen dem Barbier Ulrich S i e s s von dort<br />

ein Zeugnis aus: Er habe sich eine gute Zeit an ausländischen<br />

Orten aufgehalten und sein Handwerk ausgeübt, sei der<br />

eheliche Sohn des Melchior Sieß selig und der verstorbenen<br />

Anna Ecühart, die in Sigmaringen miteinander zu Kirche und<br />

Straße gegangen sind. Sieß ist keinem Herrn mit Leibeigenschaft<br />

verbunden. (Siegel in Holzkapsel). Pergament.<br />

2.) 1585 11. Juni: Bürgermeister und Rat der Stadt Hechi<br />

n g e n stellen dem Schreiner Martin R e n t z einen Mannrech<br />

tbrief aus: Er sei ehelicher Sohn des Martin Rentz und<br />

der Anna Bebler selig, die in Hechingen öffentlich zu Kirche<br />

und Straße gegangen sind. Er ist von hier gebürtig und<br />

niemand mit Leibeigenschaft verbunden, und will sich auswärts<br />

niederlassen (offenbar in Reutlingen, wie auch die<br />

obige). Unterschrift: Carlin Weinmann, Schultheiß zu Hechingen<br />

(Siegel der Stadt in Holzkapsel, Pergament).<br />

3.) 1586 20. Februar: Schulthaiß Hans Bausch und die<br />

Richter des Fleckens Steinhilben urkunden: Caspar<br />

Schilling, Bürger und Büchsenschmied zu Reutlingen, bittet<br />

für seine Frau Catharina Vetter aus Steinhilben um eine<br />

Geburtsurkunde. Sie bezeugen, daß sie die eheliche Tochter<br />

des Jakob Vetter und der Barbara Khuein ist, die beide<br />

verstorben sind. Siegler: Conrad Wild, Untervogt der Herrschaft<br />

Trochtelfingen. Papiersiegel auf Papier.<br />

4.) 1586 23. März: Graf Joachim zu Fürstenberg urkundet<br />

zu Heiligenberg: Catharina Vetter von Steinhilb, die ihm<br />

bisher leibeigen war, hat sich losgekauft und wird anmit<br />

entlassen. Falls sie jedoch wieder in die Herrschaft des Grafen<br />

ziehen sollte, wird sie wie andere Einwohner und Hintersassen<br />

gehalten. Unterschrift und Siegel des Grafen, dieses<br />

in Holzkapsel. Pergament.<br />

5.) 1599 14. Juni: Schultheiß unc Gericht zu Steinhil-<br />

Kreuz bei der Mühle, das circa 160 fl kostete, von Pfarrer<br />

Bernh. Pfeffer feierlich eingesegnet. Man ging in Prozession,<br />

i. e. mit Kreuz, Fahnen und Laternen an den betreffenden<br />

Ort und ebenso in die Parrkirche zurück. Es war ein großer<br />

und erhebender Zug. Fast alle Parochianen waren zugegen,<br />

die Witterung begünstigte auf das Beste diese kirchliche<br />

Feier. Bei dem einzusegnenden Kreuze angekommen, wurde<br />

zuerst die Allerheiligen-Lytanei mit den drei Orationen laut<br />

vorgebetet, darauf folgte ein passendes Lied, dann der eigentliche<br />

Einweihungsakt, hierauf eine Predigt über das Hl. Kreuz<br />

(Inhalt: Glaubst du an das Kreuz Christi, liebst du das Kreuz<br />

Christi, vertraust du auf das Kreuz Christi?). Den Schluß<br />

bildete ein Lied vom Leiden Jesu Christi.<br />

Am 17. September abends ging Herr Pfarrer Pfeffer mit<br />

Absenzbewilligung nach Siberatsweiler ab. Am 19. September<br />

nachmittags folgte ihm der bisherige Cooperator von Hechingen<br />

Eugen Brucker als Pfarrverweser.<br />

Am 20. Oktober wurde das von Herrn Pfarrer Pfeffer errichtete<br />

Feldkreuz am Wege nach Hirrlingen durch Pfarrverweser<br />

Brucker feierlich benediciert.<br />

1868<br />

Am 3. Februar wurde der Abbruch der alten Kirche in<br />

Angriff genommen, vid. Pfarrchronik. Wo ist denn diese<br />

Pfarrchronik. Nicht ein Buchstabe ist von einer Pfarrchronik<br />

zu finden. Herr Brucker scheint in dieser Beziehung seinen<br />

Vorgänger, den er in vielfacher Weise durch Bemerkungen<br />

in den Pfarrbiichern getadelt, zum Vorbild genommen zu<br />

haben. Rangendingen März 1887. Pfarrer Mayer.<br />

1894<br />

Nach vielen Schwierigkeiten konnte der Hofraum beim<br />

Pfarrhaus eingezäunt werden. Der Gottesacker wurde erweitert,<br />

eigenmächtig von Vogt Dieringer Aegidius das Missionskreuz<br />

entfernt. Das steinerne Kreuz vor dem Orte an der<br />

Straße nach Hechingen zwischen zwei Linden wurde von<br />

Elias Schmid und dessen verstorbener Frau Paulina gestiftet<br />

und am Sonntag Dom. VIII. post Pent. 8. Juli feierlich eingeweiht<br />

vom Ortspfarrer. Die Prozession unter Rosenkranzgebet<br />

bewegte sich von der Kirche zum Kreuze und nach der<br />

Feier wieder zurück in die Pfarrkirche. Die Aufstellung des<br />

Kreuzes machte dem E. Schmid große Schwierigkeiten, der<br />

Mann wollte das Kreuz auf den erweiterten Gottesacker<br />

stellen lassen, Vogt Dieringer ließ dies nicht zu, obgleich es<br />

der Ortspfarrer wünschte und erlaubte; einen anderen Platz<br />

auf Eigentum der Gemeinde wurde vom Bürgercollegium<br />

dem Schmid zur Aufstellung des Kreuzes nicht gewehrt. Das<br />

Königl. Landesbauamt gewährte dann auf ein Bittgesuch den<br />

Platz, wo es jetzt steht.<br />

Reutlinger Stadtarchiv<br />

Dr. H. Kaichreuter daselbst, der das Archiv verwaltet.<br />

b e n in der fürstenbergischen Herrschaft Trochtelfingen, bezeugen,<br />

daß Anna Pfeiffer als eheliche Tochter des<br />

Michael Pfeiffer selig und der Ursula Rieder selig zu Steinhilben<br />

geboren wurde, und der Leibeigenschaft frei ist. Es<br />

siegelt für den Grafen Friedrich von Fürstenberg sein Obervogt<br />

zu Trochtelfingen Johann Christoph Fischer (Pergament).<br />

Auf der Rückseite steht: „Eingelegt am 1. März 1609."<br />

6.) 1600 8. Juli: Vogt und Gericht zu Rangendingen,<br />

dem Grafen Eitelfriedrich von Hohenzollern zugehörig, bekennen:<br />

Maria W i d m a y e r von Rangendingen ist<br />

die eheliche Tochter des Paulin Widmayer selig und der<br />

Margaretha Zimmermann selig. Siegler: Graf Eitelfriedrich.<br />

Papiersiegel und Unterschrift „Zollern". Rückseite: „Eingelegt<br />

den 19. Juli 1600."<br />

7.) 1600 8. Juli: Daß Maria Widmayer die eben genannte)<br />

der Herrschaft Zollern mit Leibeigenschaft in<br />

nichts verbunden ist, hat sich der Obervogt zu Hechingen<br />

Raimund H u e b e r, der Rechten Doktor, eigenhändig unterschrieben.<br />

Papieroriginal, kein Siegel.<br />

8.) 1603 11. Oktober: Vogt und Gericht zu Grosselfingen,<br />

dem Grafen Eitelfriedrich von Hohenzollern zugehörig,<br />

urkunden: Wendel Straif von Echt er dingen auf den<br />

Fildern teilt mit, daß er während seines Dienstes in der<br />

Schäferei des Grafen zu Haimburg bei ungefähr 20 Jahren<br />

mit seiner Ehefrau Elisabeth Weber einen Sohn Hans<br />

erzeugt habe, dessen eheliche Geburt anmit versichert wird.<br />

Kanzleisiegel und Unterschrift „Zollern". Rückseite: Eingelegt<br />

den 18. September 1611.<br />

9.) 1610 9. Januar: Vogt und Gericht zu Hörschwag,<br />

dem Grafen Johann Georg von Hohenzollern zugehörig, bekennen<br />

: Margaretha Randecker von da ist die eheliche<br />

Tochter des Hans Randecker und der Lucia Eyselin in Hörschwag.<br />

Papiersiegel der gräflichen Kanzlei.


46 HOHEN OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1058<br />

10.) 1610 6. März: Graf Johann Georg von Honenzoilern<br />

urkundet: Margaretha Randecker von Hörschwag habe<br />

um Erlaubnis gebeten, sich außerhalb der Grafschaft Zollern<br />

niederzulassen. Ueber ihre Leibeigenschaft ist in den gräflichen<br />

Büchern nichts gefunden worden, daß er an<br />

sie und ihre Erben einen Anspruch hätte. Papiersiegel der<br />

Kanzlei. Rückseite: Eingelegt den 11. August 1610.<br />

11.) 1612 4. Februar: Vogt und Gericht zu Beuren bei<br />

Hechingen bekennen: Anna Rebstock von da ist eheliche<br />

Tochter des verstorbenen Martin R. und Anna Kanz. Von<br />

der Herrschaft Zollern hat sie sich aus der Leibeigenschaft<br />

losgekauft. Kanzleisiegel und Unterschrift „Zollern". Eingelegt<br />

den 5. Februar 1612.<br />

12.) 1614 23. August: Vogt und Gericht des Fleckens Hörschwag,<br />

dem Grafen Johann Georg zu Hohenzollern gehörig,<br />

beurkunden der Maria Randecker, Töcher des<br />

Hans R. und der Lucia Eiselin, ihre eheliche Geburt und<br />

Freiheit von der Leibeigenschaft. Gräfliches Kanzeisiegel in<br />

Holzkapsel. Auf der Rückseite des Pergaments: „Gelesen im<br />

Senat den 20. August 1614 (wohl alten Stils!).<br />

13.) 1650 24. November: Vogt und Gericht des Fleckens<br />

T r i 11 f i n g e n, Herrschaft Haigerloch, urkunden: Christoph<br />

Höfendorfer<br />

Zum Kaplaneihausbau zu Höfendorf sollten im Jahre 1731<br />

alle Teilhaber des Zehnten beitragen, also auch Württemberg.<br />

Nun beschwerte sich ein herzoglicher Beamter beim<br />

bischöflichen Geistlichen Rat in Konstanz (14. November),<br />

daß der Kammerer Müetinger zu Ergenzingen auch seinen<br />

Alpirsbacher Pfleger zu Haigerloch (bzw. Leidringen) auf den<br />

4. d. M. ins Wirtshaus zu Höfendorf zitiert habe, um mit<br />

den übrigen Teilhabern des Zehnten die erforderlichen Baukosten<br />

zu vergleichen und auszuteilen. Er behauptete, diese<br />

durch den Meßpriester zu Ergenzingen praktizierte Zitation<br />

seines Beamten laufe dem westfälischen Friedensschluß<br />

(1648) stracks zuwider und bedeute für einen protestantischen<br />

Reichsfürsten ein ungewohntes Ansinnen. Der Geistliche Rat<br />

beschloß zunächst vom Kammerer den Wortlaut der Einladung<br />

mit Beibericht anzufordern, um sich informieren zu<br />

lassen. Der Bericht kam, samt dem ausdrücklichen Hinweis,<br />

die beanstandete Einladung oder Zitation sei schon immer in<br />

der gleichen Form üblich gewesen, ohne daß bisher weder ein<br />

katholischer noch protestantischer Reichsstand sich im mindesten<br />

widersetzte. Die Baupflicht klebe nämlich am Zehntbezug<br />

unwidersprechlich an, ohne Rücksicht auf die Person<br />

des Beziehers. Das württembergiscne Protestschreiben gebrauche<br />

zudem gegen den katholischen Klerus verächtliche<br />

Anzüglichkeiten, indem es öfter das Wort Meßpriester wiederhole.<br />

Nicht weniger sei die verbitterte und von einem<br />

württembergischen Bauernvogt ganz unanständige Schreibart<br />

zu rügen, der ein oder anderes Paar (salva reverentia —<br />

mit Verlaub zu sagen) Hosen auf der Rechnungsbank verrutschte<br />

und nun solche Ausdrücke gebrauche gegen einen<br />

katholischen Pfarrherrn, der zumal den Charakter eines<br />

bischöflichen Kommissärs bekleide. Man dulde württembergerseits<br />

ja nicht einmal, daß ihre Pastoren als Prädikanten<br />

tituliert würden.<br />

Am 20. März 1732 wurde vor dem Geistl. Rat wieder ein<br />

Schreiben seiner Durchlaucht des Herzogs vom 26. Februar<br />

verlesen, wonach der Herzog als Mitzehnt-Bezieher zu Höfendorf<br />

zur Wiedererbauung der Pfründegebäude auf keinerlei<br />

Weise mithelfen wolle. Dies geschah unter dem Vorwand:<br />

als protestantischer Reichsstand sei er nicht an die Bestimmungen<br />

des kanonischen Rechts gebunden. Wegen der Zitation<br />

aber verlange er SatisfaKtion. Denn nach den son-<br />

Das Rittergut Feldhausen,<br />

Hans Christoph Speth zu Oammertingen hinterließ bei seinem<br />

Tode (1641) seinen drei Söhnen Ulrich, Hans Dietrich, Rudolf<br />

Jakob und seinen zwei Töchtern Margaretha Ursula und<br />

Margaretha Anna das Rittergut Gammertingen mit den Dörfern<br />

Neufra, Harthausen, Feldhausen und Bronnen. Bei dem<br />

Tode des Junkers waren die Kinder noch minderjährig, eine<br />

Vormundschaft verwaltete das gesamte Rittergut bis zum<br />

Jahre 1658. Bei der in diesem Jahre vorgenommenen Teilung<br />

erhielt Rudolf Jakob den dritten Hauptteil: das Rittergut<br />

Bronnen, Feldhausen und Harthausen.<br />

Das Teilungsschriftstück bestimmt u. a.:<br />

Der Inhaber dieses Rittergutes besitzt die ganze Gerichtsbarkeit<br />

(mit Ausnahme des Blutlehens) in Bronnen, Feld-<br />

Vollmer, ehelicher Sohn des Jerg Vollmer, verstorbenen<br />

hies. Bürgers, hat vom Schultheiß und Gericht des österreichischen<br />

Fleckens Wendelsheim bei Rottenburg eine<br />

Urkunde vorgelegt, daß er in gesagtem Wendelsheim ehelich<br />

geboren sei! Es wird ihm bestätigt, daß Jerg Vollmer und<br />

seine Gattin Cleophe D r a u 11 sich in Trillfingen ganz einwandfrei<br />

verhalten haben bis zu ihrem Abscheiden aus dem<br />

Flecken, das bei leidig eingefallenem Kriegswesen aus<br />

großer Hungersnot geschah. Christoph Vollmer<br />

ist als ihr ehelicher Sohn geboren, und ist nicht mit Leibeigenschaft<br />

beschwert. Michael Stehling und Stephan Horn<br />

als Abgeordnete des Gerichts zu Tr. haben um Besiegelung<br />

gebeten. Papiersiegel der fürst. Kanzlei und Unterschrift<br />

des Kastenvogts Andreas Volk. Rückseite: „Vorgelegt im<br />

Senat den 14. lezember 1650."<br />

14.) 1653 7. März. Schultheiß, Bürgermeister und Gericht<br />

der Stadt Hechingen bekennen: Agatha von Ow ist die<br />

eheliche Tochter des Michael von Ow, der noch lebt und der<br />

Maria Schoy selig zu Hechingen und von Simon Rausch des<br />

Rats und Maria Dräher als Gevattersleuten aus der hl.<br />

Tauf gehoben worden. Sie hat sich von der Herrschaft aus<br />

der Leibeigenschaft losgekauft. Papiersiegel der Kanzlei und<br />

der Stadt. Rückseite: Vorgelegt den 19. März 1653.<br />

Baupflicht<br />

nenklaren Bestimmungen des obigen Friedensvertrages seien<br />

die kirchliche Jurisdiktion und das Diözesanrecht in protestantischen<br />

Ländern gänzlich aufgehoben, so daß Württemberg<br />

die lediglich aus dem kanonischen Recht hergeleitete<br />

Baupflicht niemals anerkennen könne, sondern sich nur nach<br />

den Reichsgesetzen und dem westfälischen Friedensschluß zu<br />

richten habe. Auch könne mit gehäuften Gründen und Entscheidungen<br />

der höchsten Reichsgerichte erweislich gemacht<br />

werden, daß die Zehnten nur solange der Baupflicht unterworfen<br />

seien, als sie wirkliche Kircheneinkünfte seien.<br />

Ueber diese „gefährlichen Einwände" Württembergs sollte<br />

nun auf Befehl des Bischofs der Geistliche Rat reiflich beraten,<br />

was denn auch am 16. April 1732 geschah. Zunächst<br />

wurde anhand älterer Akten festgestellt daß das Vorgehen<br />

des Kammerers bei Einladung der Zehntbezieher nicht<br />

außergewöhnlich war, da Württemberg selbst schon verschiedene<br />

Male zur Reparierung teistlicher Benefiziatenhäuser<br />

beitrug an Orten, wo der Herzog am Zehntbezug teil<br />

hatte. Weiter wurde nachgewiesen, die geistliche Jurisdiktion<br />

sei gegenüber den Augsburger C.onfessionsverwandten nur<br />

insofern aufgehoben, als Renten, Zinsen, Zehnten und Pensionen<br />

in den Gebieten, wo die Katholiken anno 1624 wissentlich<br />

in Possession waren, oder tatsächlich die Jurisdiktion<br />

ausübten, sie auch fernerhin behalten sollten. Umsomehr<br />

aber wird der Bischof sein Diözesanrecht in Höfendorf anwenden<br />

dürfen, wo die katholische Religion nicht erst seit<br />

obigem Normaljahr, sondern wohl ein Jahrtausend her aufrecht<br />

geblieben ist. Endlich seien die Zehnten nach der Hl.<br />

Schrift für Gott zur Anerkennung seiner universalen Herrschaft<br />

und zum Unterhalt der Kirche bestimmt, und auch<br />

bei Teilung der Zehnten als Last für die Kirchenzubehörden<br />

und Kirchendiener bestimmt gebheben, woran auch der<br />

Uebergang in weltliche Hände nichts änderte. Die katholischen<br />

Zehntherren müßten ja auch an nie' katholischen<br />

Orten zur Reparierung der Pfarrhäuser mithelfen nach der<br />

Rate ihres Zehntbezugs. Weiteres ist leider nicht zu ersehen.<br />

(Erzb. Arch. Freiburg Ha 225, S. 158 ff.) Hodler weiß in<br />

seiner Geschichte des Oberamts Haigerlocn nichts von<br />

einem württembergischen Zehnten zu Höfendorf, ein Hinweis,<br />

daß die Forschung mit seinem sonst guten Werk nicht<br />

abgeschlossen sein dürfte. Krs.<br />

Harthausen und Bronnen<br />

und Harthausen, innerhalb und außerhalb des Etters, im Wald<br />

und auf dem Feld, soweit sich der Zwing und Bann erstreckt,<br />

die Kastenvogtei über das Gotteshaus Berg Mariaberg). Der<br />

Ritter ist verpflichtet, bei jeder Gefahr das Gotteshaus v u beschützen<br />

und zu beschirmen und erhält hierfür von Mariaberg<br />

jährlich drei Malter Vesen und drei Malter Haber.<br />

Jährlich muß das Kloster seinem Schirmherr einen "»'=igen<br />

mit Wein aus dem Uracher Tal (gegen Lieferung von Nägel:<br />

und Hufeisen) holen. Der Vogtherr ist berechtigt, jährlich<br />

allein oder mit zwölf Personen nach Du'chführung einer<br />

Jagd einen Imbiß oder ein Nachtmahl im Kloster .inzunehmen.<br />

Das Patronatsrecht in Feldhausen steht üm Ritter ungeschmälert<br />

zu. Dem Inhaber der Ritterschaft Bronnen ge-


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 47<br />

hört in Bronnen, Feld- und Harthausen der gesamte Ertrag<br />

des Großzehnten. Hiervon muß er dem Pfarrer in Feldhausen<br />

jährlich zwanzig Malter Vesen, 8 Malter Haber, ein Malter<br />

Gerste, ein Malter Roggen, 2 Fuder Stroh und 10 Gulden 40<br />

Kreuzer reichen. Im Jahre 1579 verpfändete Philipp Dietrich<br />

Speth seinem Vetter und Schwager Georg Schenk von Staufenberg<br />

den Flecken Bronnen. Letzterer errichtete daselbst<br />

einen adeligen Sitz und einen Schloßneubau. Die Priorin von<br />

Mariaberg protestierte alsbald dagegen und erhielt nach 22jährigem<br />

Prozeß vor dem Reichskammergericht zu Speyer<br />

am 25. Januar 1602 ein Urteil, wonach der Platz, Grund und<br />

Boden zu Bronnen,.auf dem das Schloß erbaut wurde, dem<br />

Kloster eigentümlich zustehen und Stauffenberg den Schloßbau<br />

dem Kloster einzuräumen und abzutreten, auch den<br />

Schaden und die Gerichtskosten zu ersetzen habe. Aus diesem<br />

Grunde faßte die Familie Speth den Plan, das neuerbaute<br />

Schloß wieder abzubrechen. Es unterblieb deshalb bei<br />

der Erbteilung im Jahre 1658 eine Bewertung des Schlosses.<br />

Zu demselben gehörten 9'/L> Mannsmahd Wiesen, darunter der<br />

4 Mannsmahd zählende Kirchgarten, mit einem Gesamtkapitalwert<br />

von 1425 Gulden. Die weiter dazugehörigen siebenviertel<br />

Hanfgarten in der Hettinger Gasse müssen bis an<br />

die Hechel verfront werden und stellten 347 Gulden 5 Kreuzer<br />

Kapitalwert dar. 14 Jauchert Ackerland sind mit 84 Gulden<br />

bewertet. 99'/J Jauchert Holzmarkungen sind mit 1985<br />

Gulden angeschlagen. Zur Ritterschaft gehört weiter das<br />

Fischwasser an der Lauchert von Kloster Mariaberg abwärts<br />

bis an die Gammertinger Grenze zum Hintertal; der Ertrag<br />

ist mit 1250 Gulden in das Hauptgut eingesetzt. Als Umgeld<br />

erhält die Herrschaft von jedem, der Bier, Wein oder andere<br />

Getränke ausschenkt, das 13. Maß. Diese Einnahmen hatten<br />

einen Kapitalwert von 477 Gulden, 30 Kreuzern und viereinhalb<br />

Hellern. Strafen und Bußen stellten einen Kapitalwert<br />

von 644 Gulden 10 Kreuzern und 2 Hellern dar. An<br />

Abzug und Nachsteuer wurden jährlich 20 Gulden 43 Kreuzer<br />

7 Heller vereinnahmt, was einem Kapitalwert von 517 Gulden<br />

55 Kreuzer und 7 Hellern entspricht. Die Untertanen<br />

haben die Frondienste in guter Uebung. Herbststeuer, Ackerund<br />

Birkengeld erbrachten jährlich in Bronnen 7 Gulden 18<br />

Kreuzer 1 Heller und ergaben ein Kapital von 182 Gulden<br />

30 Kreuzer und 1 Heller. Die Gemeinde Feldhausen muß als<br />

Weidgeld, Maien- und Herbststeuer jährlich 33 Gulden 40<br />

Kreuzer reichen, ergeben ein Kapital von 841 Gulden 40<br />

Kreuzer. In Harthausen betrug diese Steuer jährlich 8 Gulden,<br />

gleich 200 Gulden Kapitalwert. Das Wiesenfrongeld,<br />

Ackergeld, die Karren- und Fleischsteuer zu Feldhausen bringen<br />

jährlich 24 Guld. 23 Kreuz, und stellen 609 Guld. 25<br />

Kreuz. Kapitalwert dar. In Harthausen betrug der Kapitalwert<br />

dieser Steuern 315 Guld. 25 Kreuzer. Feldhausen mußte<br />

jährlich 44 Leib- und Fastnachtshennen, 106 junge Hühner<br />

und 6 Vierte] Eier abliefern. Harthausen reichte jedes Jahr<br />

17 Leib- und Fastnachtshennen, 32 junge Hühner und 2<br />

Viertel Eier. Bronner 1 lieferte jährlich 10 Hennen. Der Kapitalwert<br />

dieser Abgaben belief sich auf 601 Gulden 15 Kreuzer.<br />

(Eine Fastnachtshenne 8 Kreuzer, ein junges Huhn = 4<br />

Kreuzer, 1 Viertel Eier — 40 Kreuzer)<br />

Der Kapitalwert der Schirmfrucht des Klosters Maria Berg<br />

betrug 412 Gulden 30 Kreuzer. Die GültaDgaben (Naturaiab<br />

gaben der Lehengüter) und der Vogthaber zu Feld- und<br />

Harthausen stellten ein Kapital von 2 933 Gulden 2 Heller<br />

dar. Der Großzehnte ergab in den drei Gemeinden jährlich<br />

112 Malter, 6 Viertel und 1,5 Imi Vesen. Hiervon erhielt der<br />

Pfarrer 20 Malter (1 Malter 3 Gulden). Der Schwachvesenertrag<br />

war 24 Malter 13 Viertel 3,5 Imi. (1 Malter 1 Gulden<br />

30 Kr.) Der Roggenzehnte ergab 22 Malter 5 Viertel 2 Imi.<br />

(1 Malter 2 Gulden 40 Kr.) Hiervon erhielt de^ Geistliche 1<br />

Malter. Auf 18 Malter 6 Viertel belief sich der Gerstenzehntertrag,<br />

wovon an den Pfarrer 17 Malter zu liefern waren.<br />

(1 Mi'Her 2 Gulden.) Der Haberzehnte warf jährlich 57 Malter<br />

7 Viertel ab. Dem Geistlichen gebührten davon jährlich 8<br />

Malter. (1 Malter 2 Gulden 30 Kreuzer.) Der Erbsenzehnte<br />

erbrachte 2 Viertel 'fe Imi, der Weizengroßzehnt 3 Viertel.<br />

(Der Weizenanbau war demnach noch recht gering.) Trefzgen<br />

und Schwachgerste aus dem Zehnten brachten etwa 25 Scheffel.<br />

Der gesamte Kapitalwert des Großzenntertrages und der<br />

Landgarbe in den drei Gemeinden war mit 12 755 Gulden<br />

angeschlagen, da lic .Tahreswerte dieser Einnahmen auf<br />

etwa 510 Gulden jährlich sich beliefen.<br />

In Bronnen lebten damals 22, zu Feldhausen 68 und zu<br />

Harthausen 31 verheiratete Personen. Da dieselben den<br />

Hauptfall geben mußten, sind sie im Teilungsbetrag mit je<br />

4 Gulden bewertet. Ledige Personen in Bronnen 37, in Feldhausen<br />

'03 und zu Harthausen 36 waren je mit 2 Gulden in<br />

das Teiiungsiibeli eingesetzt. Der gesamte Kapitalwert des<br />

Rittergutes Bronnen, Feld- und Harthausen belief sich auf<br />

26 576 Gulaen 17 Kreuzer und 4'/2 Heller. Demgegenüber<br />

ruhten auf diesem Rittergut eine Schuldenlast von 23 654<br />

Gulden 3 Kreuzer 2,5 Heller. Diese verteilten sich wie folgt:<br />

1 000 Gulden, welche Ritter Dietrich Speth im Jahre 1530 bei<br />

Jakob Freyburger in Villingen aufgenommen hatte. 1800<br />

Gulden, die Philipp Dietrich Speth im Jahre 1578 von Dr.<br />

Johann Gerlach in Tübingen geliehen hatte. 5 000 Gulden<br />

an das Domkapitel des Stiftes Ellwangen, die Caspar Bernhard<br />

Speth und Albrecht Speth im Jahre 1607 entlehnten.<br />

Ebenfalls 2 000 Gulden dem gleichen Domkapitel, die Caspar<br />

Bernhard Speth im Jahre 1613 geliehen hatte. 1 000 Gulden<br />

an das Domkapitel Ellwangen, die Ritter Georg Wolf Speth<br />

im Jahre 1628 entlehnte. Von Jakob Bauer in Ebingen lieh<br />

Caspar Bernhard 1617 — 500 Gulden. Den Westerstettischen<br />

Erben waren für eingebrachtes Heiratsgut der Frau Ursula<br />

Speth 6 000 Gulden zu erstatten. Frau Maria Salomon in Skt.<br />

Johann im Elsaß hatte 100 Gulden zu erhalten, Frau Anna<br />

Speth geb. Laubenberger 666 Gulden 40 Kreuzer. Für einen<br />

von Caspar Bernhard in Feldhausen gestifteten Jahrtag<br />

waren 100 Gulden zu bezahlen. Den Pfarrkirchen zu Gammertingen<br />

und Neufra „wegen hergegebenen Kürchenzüraden<br />

und ornaten von Silber, welches Herr Hans Christof Speth<br />

von Zwyfalten im Jahre 1643 nach Skt. Gallen versetzt, selbiger<br />

aber nach der Zeit angegriffen und dißtrahiert worden",<br />

waren 280 Gulden 44 Kreuzer zu erstatten. Es waren<br />

weiter zurückzuzahlen 2000 Gulden an die Pfarrkirche zu<br />

Gammertingen, 314 Gulden an Oberamtmann Abraham Wolf<br />

in Hornberg, 1400 Gulden an Urban Seiz zu Munderkingen,<br />

dem Spital zu Ebingen 200 Gulden, nach Neufra 350 Gulden.<br />

Es folgten dann im Teilungsvertrag noch eine größere Anzahl<br />

kleiner Schuldposten. Die gesamte Schuldsumme aber zeigt,<br />

daß die Ritterfamilie Speth in der damaligen Zeit über und<br />

über verschuldet war.<br />

Kurznachrichten<br />

1503 25. September. Ritter Hans Kaspar von Bubenhofen,<br />

Hauptmann, an den Bischof Hugo von Konstanz: Mit Dank<br />

gegen Gott, zu seinem Seelenheil und in anerkennender Hochschätzung<br />

der hl Messe stiftete er zu Gottes und der gesegneten<br />

Jungfrau Maria und aller Heiligen Lob und zum Trost<br />

der armen Seelen seiner Angehörigen (Frau, Eltern, Geschwister,<br />

Vorfahren, Nachkommen) eine ewige Messe und<br />

Pfründe in die Stiftskirche zu Hettingen, und zwar i n d i e<br />

von ihm erbaute Kapelle, deren vorderer Altar geweiht<br />

ist zur Ehre der beiden hl. Johannes, Anna, Maria,<br />

Maria Magdalena, Cleopha, Salome, Margareta und Veronika<br />

Martha. Die Lehenschaft oder das Patronatsrecht soll<br />

dem Stifter und seinen Erben reserviert sein. Ein ehrbarer<br />

Priester guten Leumunds und stillen Lebenswandels soll<br />

dem Bischof präsentiert werden, der dann am Ort wohnen<br />

und den Altar versehen soll laut der Statuten der genannten<br />

Kirche, und in der Kapelle täglich Messe lesen für des<br />

Stifters Vorfahren. Der Priester soll dem Dekan und den<br />

All das<br />

in<br />

<strong>Postamt</strong>


48<br />

Chorherren dieser Stiftskirche beim üblichen Gottesdienst<br />

helfen laut der Statuten, und die Pfründe ohne des Lehensherrn<br />

Willen nicht verlassen, bei Strafe der Absetzung. Dazu<br />

stiftet der Ritter: 9 fl. jährl. Zins auf Jörgentag, die laut<br />

Schuldbriefs der Graf Eitelfriedrich von Zollern zu zahlen<br />

hat. Ferner 10 fl. zahlt die Vehingerin zu Stuttgart aus etlichen<br />

Gütern. Ferner 10 Mit. Vesen, 2 Mit. Haber, 1 Mit.<br />

Gerste aus meiner Landgarbe zu Hettingen, 5 Ohm Vorlaß-<br />

Wein gibt jährl. der Schweizer zu Poltringen. Auf diese<br />

Pfründe präsentiert Hans Kaspar v. Bubennofen anmit den<br />

würdigen Meister Hangen S c h ö n s t e in, und bittet um<br />

bischöfliche Bestätigung.<br />

1503 28. September. Der Generalvikar von Konstanz des<br />

Bischofs Hugo bestätigt diese Stiftung. (Pfarramt Hettingen).<br />

Figurendiebstahl. Nachdem letzten Winter die Madonna<br />

aus der Kornbühlkapelle bei Salmendingen von gewissenlosen<br />

Räubern entführt worden, sind jetzt um den 7. Januar<br />

1958 nach einem Einbruch in die Kapelle zu Kalkofen bei<br />

Liggersdorf zwei Statuen St. Josef und Pieta verschwunden,<br />

die in Kunstdenkmäler Bd. II, 201 ff beschrieben und abgebildet<br />

sind. Kr.<br />

Eine Papiermühle Bärental erwähnt die ZOLLERHEIMAT<br />

Nr. 5, Jahrgang 1939, und setzt dabei stillschweigend voraus,<br />

daß es sich um die hohenzollerische Gemeinde Bärental<br />

handle. Doch dem ist nicht so, in unserer Ortschaft Bärental<br />

gab es zu keiner Zeit eine Papiermühle. Dagep^n liegt talaufwärts,<br />

auf der angrenzenden Gemarkung d' "vürtt. Gemeinde<br />

Egesheim, hart an der Gemarkungs^ d Landesgrenze<br />

die Parzelle Bärental, heute auf den meisten Karten<br />

als „Hammer" oder „Pumpstation Bärental" bezeichnet. Nicht<br />

weit von hier vereinen sich die beiden Quell-Bäche<br />

Obere- und Untere Bära zur eigentlichen Bära. Der Ort<br />

Egesheim gehörte zur Oberen Herrschaft Hohenberg, zu Vorder-Oesterreich,<br />

und kam 1805 zu Württemberg. Nach 1700<br />

wurde auf der Parzelle Bärental, Gemeinde Egesheim, eine<br />

Hammerschmiede errichtet, die bis 1822 in Betrieb war. Das<br />

Anwesen wurde von Joseph Anton Frhr. von Ulm zu Erbach<br />

käuflich erworben und eine Papiermühle eingebaut. Ob aus<br />

der Bütte geschöpft wurde oder eine Papiermaschine aufgestellt<br />

war, muß noch erforscht werden. Im Jahre 1836 kam<br />

das Anwesen erneut zum Verkauf. Nunmehr wurde eine<br />

Mahlmühle eingerichtet, die in den kommenden Jahren wiederholt<br />

den Besitzer wechselte. 1886 schlössen sich 17 Gemeinden<br />

zusammen und errichteten auf der Parzelle Bärental<br />

eine Pumpstation. 20 Jahre später kam auch die Mühle zum<br />

Erliegen und wurde von der Heuberg-Wasserversorgung aufgekauft.<br />

— Im Bereiche des heutigen Hohenzollernlandes<br />

sind bis jetzt die Papiermühlen zu Gammertingen, Kaiserin -<br />

gen und Weilheim bei Hechingen nachgewiesen; die Papiermühle<br />

Bärental kann nicht für uns in Anspruch genommen<br />

werden. M. Sch.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Veriags-<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Kirchenschatz versetzt. Der Geistl. Rat zu Konstanz erlaubte<br />

der Stadt Trochtelfingen am 12. Okt. 1707<br />

den Kirchenschatz zu versetzen, doch soll darauf geachtet<br />

werden, daß genügend Caution gestellt wird. Die Stadt wollte<br />

damit die Kriegsumlagen bezahlen. Krs.<br />

Das Gotteshaus Kircnberg bei Haigerloch ist dem Gotteshaus<br />

Reichenau jährlich 2 Pfund Wachs zu Zinsen schuldig,<br />

aber dieser Zins wurde seit 1513 bis auf Untervogt Sartorius<br />

nicht eingefordert, und dann wurde verhandelt, die veifallenen<br />

Zinsen mit 40 Gulden abzulösen, worauf die 2 Pfund<br />

wiederum weiter zu geben waren. Als aber im Auftrag des<br />

Provinzials des Predigerordens der Prior von Konstanz diese<br />

60 fl zahlen wollte, habe man ihm 80 abverlangt. Man beschloß,<br />

am 29. 12. 1615 die Amtleute sollten versuchen, 70 fl<br />

zu bekommen, andernfalls aber mit den 60 zufrieden sein,<br />

damit man endlich Ruhe bekomme. (Ebda 328).<br />

Zu den freiwilligen Leibeigenen (Hohz. Heimat 1958, 12)<br />

teilt uns ein eifriger Leser unserer Zeitschrift Studienrat<br />

Dr. Rommel-Freudenstadt, mit, daß vielfach Leibeigene ein<br />

Lehen oder andere Vorteile erhielten und verweist auf Theoa.<br />

Knapp, Neue Beiträge zur Rechtsgeschichte des württembergischen<br />

Bauernstandes 1919, S. 128 ff.<br />

Die Christus-Johannes-Gruppe um 1350, die sich heute als<br />

Leihgabe der Pfarrei Grüningen b. Donaueschingen im Diözesan-<br />

bzw. Augustinermuseum in Freiburg befindet, Kam<br />

nach Ausweis der Akten nach Grüningen durch Herrn Pfarrer<br />

Joh. Kohler, einen großen Kunstliebhaber und Maler, der<br />

aus Haigerloch gebürtig, 1867 Pfv. in Dießen, 1868 in Bittelbronn,<br />

1872 in Owingen, 1873 Pfarrer in Klosterwald, 1886<br />

in Stetten b. Haig. war und dann nach einigen badischen<br />

Stellen 1899 Pfarrer in Grüningen wurde, wo er 1901 starb.<br />

Es wäre eine lohnende Aufgabe der hohenzoll. Forscher, Herauszubringen,<br />

wo obige Statue herstammte. Angeblich komme<br />

sie aus Klosterwald. Kr.<br />

Der Reclam-Verlag Stuttgart hat in seinem Kunstführer<br />

durch Bayern einen II. Band „Baden-Württemberg, Pfalz-<br />

Saarland" folgen lassen, der 55 Abbildungen im Text und<br />

64 Bildtafeln enthält. Unter den letzteren finden wir Haigerloch,<br />

Blick auf Schloß und Schloßkirche, Hechingen,<br />

Stiftskirche von Südwesten, und Sigmaringen mit der<br />

Marienkapelle in der Hedinger Kirche Im Gegensi'z zu<br />

Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, das so<br />

viele Ungenauigkeiten und so viel Falsches in seinem Hohenzollern<br />

betreffenden Teil aufweist, ist Reclams Kunstführer<br />

beispielgebend. Der zuständige Fachmann, Lar~eskonservator<br />

W. Genzmer, hat den hohenzollerischen Teil<br />

bearbeitet. Das gefällige Bändchen in Taschenbüchformat<br />

wird sicherlich viele Freunde finden. M. Sch.<br />

Karl Weller, Württembergische Geschichte, 4. Aufl. vom<br />

Sohn Arnold Weller, 1957, 252 S„ Halbleinen P.80 DM, Silberburg-Verlag<br />

Stuttgart. Wer frühere Auflagen dieser<br />

grundlegende!). Darstellung der württbg. Geschichte kennt,<br />

wird mit Freude diese wesentliche und bis zur Gegenwart<br />

fortgeführte Ausgabe ebenso begrüßen, als wer Wellers<br />

Büchlein erstmals zur Hand nimmt. Der Verfasser iiat bis<br />

zu seinem Tod 1943 in vielen GeschichtswerKen die Vergangenheit<br />

seines Landes in echter Wissenschaftlichkeit erforscht<br />

und dargestellt, hier aber auf knappem Raum eine ausgezeichnete,<br />

jedem verständliche Darstellung der historischen<br />

Entwicklung von der Frühzeit bis zum 2. Weltkrieg gegeben,<br />

die sein Sohn bis zur Gegenwart weiterführte uno auch die<br />

inzwischen gewonnenen neuen Erkenntnisse glücklich einbaute.<br />

Natürlich muß sich diese Geschichte in Anführung der<br />

Einzelheiten auf das Notwendigste beschränken, gibt jedoch<br />

deutlich die allgemeinen Grundzüge, das Wesentliche und<br />

historisch Wirksame. Ansprechend findet der Geschichtsfreund,<br />

daß bis 1806 die alte Bezeichnung Wirtemberg benutzt<br />

wird, die ja damals eine Laune des Königs Friedrich,<br />

der über eine falsche Ableitung (Wirt arr Berg) verärgert<br />

war, leider in Württemberg umänderte. Die Namen der Berge<br />

Twiel und Zollern werden wohl mit Recht als keltisch gedeutet.<br />

Ein Druckfehler dürfte S. 125 stehen geblieben sein,<br />

wo die Herren von Zimmern von Hohen- statt von H< .'renzimmern<br />

abgeleitet werden. Zeittafel, Register und drei<br />

Stammtafeln vervollständigen das empfehlenswerte Buch. Kr.<br />

Zu den Bildern: Die Druckstöcke wurden zur Verfügung<br />

gestellt: Seite 35 und 37 von Herrn Fabrikant Christian Maute<br />

in Bisingen; Seite 39 (oben) von Herrn Schriftleitei *-etzi in<br />

Hechingen; Seite 39 (unten) von H. H. Pfarrer Waldenspul<br />

in Melchingten; Seite 40 (von Herrn Landrat Dr. Speidel in<br />

Hechingen. Besten Dank!


Hohenzollerlsehe Heimat<br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />

Postverlagsort Gammertingen<br />

Nummer 4 Gammertingen, Oktober 1958 I 8. Jahrgang<br />

I. Teil Sonntagsglocken<br />

Die Glocken läuten den Sonntag ein. Wie sie klingen hoch<br />

vom Turm, lieblich und ernst zugleich, weich wie Mutterworte,<br />

hell wie Engelgesang:! Auf starken Flügeln schweben<br />

die goldenen Klänge weit über die Dächer hinaus, weit über<br />

Feld und Flur, und grüßen den arbeitsmüden Menschen, der<br />

sich aufrichtet bei diesem Gruße und sich erinnert, daß er<br />

kein Knecht ist, sondern ein freies Gotteskind.<br />

Verstehst du es wohl, was die Glocken mit ehernem Mund<br />

laut und jubelnd hinausrufen in die dämmernde Welt?<br />

„Morgen ist Sonntag — gedenke des Herrn! Morgen ist<br />

Sonntag — suche dein Heil! Morgen ist Sonntag — freue dich,<br />

Mensch!"<br />

Ein Gottestag ist der Sonntag, dem Herrn geweiht und<br />

heilig zu halten; ein Gnadentag ist der Sonntag, der unserer<br />

Seele Segen bringen will, und ein Freudentag ist der Sonntag.<br />

Freude läuten seine Glocken, und diesem Freudensange<br />

wollen wir lauschen — nur so lange, bis der letzte<br />

Klang der frohlockenden Glocken fern im horchenden Walde<br />

sich verloren hat.<br />

Sonntag! Du liebes Wort, du trauter Name mit dem<br />

warmen, wonnigen Klange, von der Sonne entlehnt, der<br />

gfoßen Lebenspenderin und Freudenbringerin. Wieviel sagt<br />

schon der Name!<br />

Eine goldene Welle zieht der Sonntag durch das Menschenleben,<br />

immer wieder nimmt er das harte Joch von der müden<br />

Holzbrücke bei Beuron<br />

Schulter, bringt Ruhe in den Lärm und sonnige Freude in<br />

die Seele. Wenn seine Glocken läuten, schweigen die pochenden<br />

Hämmer, die rasselnden Räder und alle Werkzeuge der<br />

Arbeit mit ihrer rauhen, scharfen Stimme, und heilige Stille<br />

zieht ein. Der Mensch geht heim und spült den Staub von<br />

seinen Gliedern, die festlichen Kleider werden hervorgeholt,<br />

und das Haus schmückt sich mit dem Glanz der Ordnung und<br />

Reinlichkeit. Morgen ist Sonntag, da geben wir Gott dem<br />

Herrn die Ehre und gönnen uns einen frohen Tag.<br />

Wohin wird die selige Freiheit uns locken? Machen wir<br />

einen Gang durch die Felder, oder ruhen wir in der blühenden<br />

Laube des Gartens, oder klopfen wir an eine befreundete<br />

Tür, oder wird eine festliche Feier uns in die fröhlichen<br />

Reihen aufnehmen? Morgen ist Sonntag, da soll der Leib<br />

seine Ruhe haben und das Herz seine Freude.<br />

Wenn ich morgen die Augen öffne, dann steht der Gedanke,<br />

daß Sonntag ist, wie ein lichter Engel vor meinem<br />

Bette, der mich mit freundlichem Gruße geweckt hat. Dann<br />

scheint die Sonne heller als sonst, und die Tautropfen blitzen<br />

köstlicher, und wenn es regnen sollte, dann werden die fallenden<br />

Tropfen nicht mürrisch murmeln wie sonst, sondern<br />

mit leisem, glucksendem Lachen zu Boden springen — weil es<br />

Sonntag ist.<br />

Ach, da läuten die Glocken aus, leise und immer leiser<br />

kommen die letzten Töne. Danke dem Herrn für den Sonntag<br />

und laß ihn dir nie nehmen! Augustin Wibbelt.


50 HOHEN OLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1058<br />

Das verzauberte Roß des Grafen von Zollern<br />

Als Graf Friedrich von Zollern, der als gottesfürchtiger<br />

Mann bekannt war, einst in fernen Landen gegen die Ungläubigen<br />

kämpfte, kam eines Tages ein Unbekannter zu ihm<br />

und bot ihm ein Pferd zum Geschenk an. Solch ein Pferd<br />

habe der Graf noch nie besessen, und er solle sein Leben lang<br />

seine Freude daran haben. Es bedürfe nur einiger geheimer<br />

Abmachungen, von denen aber niemand etwas erfahren<br />

dürfe. Ueberdies müsse das Pferd immer so gestellt werden,<br />

daß sein Kopf nach Westen schaue. Obwohl der Graf ahnte,<br />

daß hier nicht alles mit rechten Dingen zuging, willigte er<br />

in den Handel ein. Und siehe, das Tier, das ihm dankbar anhing<br />

und ihn beinahe mit menschlichen Augen ansah, war<br />

von nun an sei treuester Gefährte. Nie schlug der Graf das<br />

edle Roß, nie brauchte er ihm die Sporen zu geben. Dafür<br />

rettete es ihn aus manchem Hinterhalt durch seine Schnelligkeit,<br />

trug ihn wohlbehalten aus dem dichtesten Schlachtgetümmel,<br />

durch finstere Wälder und reißende Flüsse und<br />

führte ihn endlich nach vielen Jahren des Kampfes wohlbehalten<br />

wieder auf seine Burg im Schwabenlande zurück. Bevor<br />

noch der Graf sein Weib und seine Kinder umarmte,<br />

übergab er das treue Roß den Knechten mit der Weisung, es<br />

ja gut zu behandeln und ihm vom besten Hafer zu geben.<br />

Dann erst band er den Helm ab und trank den Becher roten<br />

Weines, den man ihm zum Willkomm bot.<br />

Nur eines hatte der Graf über all der Wiedersehensfreude<br />

vergessen, seinen Knechten zu sagen, daß sie das Pferd immer<br />

nach Westen schauen lassen sollten. Als der Heimgekehrte<br />

endlich im hohen Rittersaal beim festlichen Mahle<br />

saß, stürmte einer der Knechte herein. Völlig verstört meldete<br />

er dem Grafen, das Pferd sei spurlos verschwunden. Er<br />

habe es selber im Stalle festgebunden, habe es gestriegelt<br />

und gefüttert, und nun sei es fort, als habe der Wind es weggeblasen.<br />

Da fiel dem Grafen der geheimnisvolle Pakt ein,<br />

den er vor langen Jahren mit dem Unbekannten wegen des<br />

Pferdes geschlossen hatte. Aber so sehr es ihn auch schmerzte,<br />

seinen treuen Gefährten verloren zu haben, sagte er ergeben:<br />

„Ich habe- keine Macht, das alles zu ändern, so geschehe<br />

Gottes Wille!" Kaum war dies Wort verklungen, öffnete sich<br />

die Pforte des hohen Saales, und drei weißgekleidete Jungfrauen<br />

von überirdischer Schönheit traten herein. Sie schritten<br />

auf den Grafen zu, verneigten sich vor ihm,, und eine von<br />

ihnen hub an: „Wisset, hoher Herr, ein böser Zauberer hat<br />

uns einst in jenes Pferd verwandelt, das Ihr jahrelang besessen<br />

habt. Nie habt Ihr das Tier geschlagen und ihm nie<br />

ein böses Wort gegeben. Ihr habt es wie einen Freund! behandelt.<br />

Dafür hat es Euch durch treue Dienste gedankt. Als<br />

jetzt durch Euer Versehen die Knechte das Pferd gen Osten<br />

schauen ließen und somit der alte Zauber gebrochen war,<br />

habt Ihr den Verlust des edlen Pferdes gottergeben hingenommen<br />

und habt weder geflucht noch gelästert. Dadurch<br />

sind wir endlich erlöst worden. Gott aber wird Euch, edler<br />

Graf, dafür Dank wissen. Euer Geschlecht soll blühen und<br />

gedeihen, und Ihr selbst sollt in der Heimat an der Seite<br />

Eures Weibes noch viele glückliche Jahre erleben," Nach diesen<br />

Worten waren die drei Jungfrauen plötzlich verschwunden.<br />

Mit Genehmigung des Verlags Stähle u. Friedel-Stuttgart haben<br />

wir diese Sage dem Buche: „Die vergessene Rose" von Max Rieple<br />

entnommen. Die sprachliche Gestaltung der 117 Sagen aus Baden-<br />

Württemberg durch den Dichter Rieple hebt das Buch aus : 2m Gelegenheitsschrifttum<br />

in die Literatur empor. Für Schülerbüchereien<br />

besonders wertvoll. (Preis 9.80 DM.)<br />

Prinzessin Maria von Hohenzollern-Hechingen,<br />

die Letzte ihres Geschlechtes und Namens<br />

Die Vorsehung hat es gefügt, daß die Hechinger Linie des<br />

Hohenzollerischen Fürstenhauses in zwei Frauencharakteren<br />

von lauterster Prägung verklang. Diese beiden Frauencharakter<br />

werfen einen versöhnenden Schimmer auf das Erlöschen<br />

des uralten Geschlechts. Die Heimat weiß freilich<br />

nur von der letzten Hechinger Fürstin Eugenie und ihrem<br />

herrlichen Beispiel auf dem Gebiet der Nächstenliebe. Daß<br />

neben dem Namen Eugenie der Name Maria aufleuchtet, daß<br />

der letzten Fürstin noch eine letzte Hechinger Prinzessin ins<br />

Grab folgte. Maria von Hohenzollern-Hechingen, das wissen<br />

in der Heimat nur wenige.<br />

Das ist begreiflich, denn das Leben Marias von Hohenzollern<br />

spielte sich fern den Hechinger Gefilden ab: im<br />

Norden Deutschlands, in Danzig und • Oliva. Allein da im<br />

laufenden Jahre 1958 gerade 70 Jahre seit ihrem Tode verflossen<br />

sind, darf im folgenden kurz gesagt werden vom Segen,<br />

der sich an den Namen Marias von Hohenzollern-<br />

Hechingen knüpft. Da soll ihr Bild in der Heimat aufleuchten<br />

als dasjenige eines Engels der Barmherzigkeit, allen denjenigen<br />

zum Tröste, die auch in des Lebens Sorge und<br />

Schatten stehen. Denn vom wahrhaft gottstrebenden Menschen<br />

geht eine Kraft aus auch nach dem Tode, eine stärkende,<br />

befeuernde, aufrichtende, tröstende Kraft, gleichsam<br />

die Gottesspur seines Lebens als Beispiel.<br />

Maria von Hohenzollern-Hechingen ist geboren im Gutshause<br />

zu Klötzen, Kreis Marienwerder, Westpreußen, am 29.<br />

Juni >808 als Tochter des Prinzen Hermann von Hohenzollern-Hechingen<br />

und seiner Gemahlin Karoline geborene<br />

Freiin von Weiher. Diese letztere stammte aus protestantischem<br />

Geschlechte. Maria erhielt gleichwoh] getreu den<br />

Traditionen des Hauses, eine sorgfältige katholische Erziehung.<br />

Die Jugend dieses Hechinger Prinzeßleins war umdüstert<br />

von Preußens Not, da dieses unter den Schlägen Napoleons<br />

fast vernichtet am Boden lag. Ach wie arm ging es da auch<br />

im Gutshause zu Klötzen her. Wie sehr die Not auf das<br />

Königshaus selbst drückte, erhellt auch aus dem Patenbriefe<br />

der Königin Luise an den Vater Marias. Königin Luise war<br />

nämlich Taufpatin der kleinen Prinzeß geworden. Mutter<br />

und Tochter verband ,ingeachtet der Giauoensversc'niedenneit<br />

ein rührendes Verhältnis der Liebe und Treue, und dieses<br />

Vermächtnis vertiefte sieb nur, als der Gatte und Vater,<br />

Prinz Hermann am 7. November 1827 starb.<br />

Von A. Pfeffer, Weilheim<br />

Der Vater Prinz Hermann war ein Soldat vom Scheitel bis<br />

zur Sohle, tapfer bis zur Todesverachtung. Als General in<br />

preußischen Diensten hatte er ruhmvoll gegen Napoleon gefochten;<br />

er besuchte als besonderer Vertrauter seines Souverains<br />

auch den Friedenskongreß zu Wien, hatte aber nach<br />

Kriegsende zeitlebens an einer Kopfwunde zu leiden, die er<br />

sich im Kampfe geholt und die als Nasenschuß das, Gesicht<br />

nicht wenig verunstaltete.<br />

Nach dem Tode des Vaters zogen Witwe und Tochter nach<br />

Danzig in ein Hat..-, das ihnen r^er Oheim der Prinzessin, der<br />

Fürstbischof von Ermland, Prinz Joseph von Hohenzollern-<br />

Hechingen, überlassen hatte. Dieser Oheim war seiner Nichte<br />

in rührender Liebe zugetan: hören wir als Probe nur eine<br />

Stelle aus dem Giückwunschbrieflein vom 29. Juni 1831 zum<br />

Geburtstage der Prinzessin.<br />

„Einzig geliebte Marie! Du begehst heute Dein Wiegenfest!<br />

Was die zärtlichste, die lieben dste der Mütter, was ich<br />

für Dich empfinde, was heute mein Herz bewegt, das mag<br />

Dein eigen Herz Dir sagen . . . ."<br />

In Danzig nun vollzog sich der erste große Lebensabschnitt<br />

der Prinzessin, so ganz auf ein hohes Ziel gerichtet. Die<br />

äußere Lebensweise war einfach, mehr zurückgezogen, das<br />

.uge und Herz auf jene gerichtet, deren Seele wund und<br />

:'eren Körper siech war. Wiederum war es kein wahlloses<br />

Geben und Schenken. Maria von Hohenzollern sah und<br />

strebte tiefer. In einem ihrer Gespräche tat sie den Ausspruch,<br />

den man Tag für Tag der Welt von heute vor '.ugen<br />

halten, ii• Flammenschrift in jedes Herz schreiben sollte, da<br />

er wie ein Prophetenwort erscheint: „Heute genügt nicht<br />

mehr die gewöhnliche Nächstenliebe. Heute ist die Armut<br />

nicht bloß arm an Geld, sondern auch arm an Unschuld<br />

und Gesittung, arm an Familienglück, an Glauben; sie darbt<br />

nicht bloß, sondern sie weint, flucht, sündigt, gibt sich auf,<br />

sie schleudert den entsetzlichen Fluch zum Himmel, ob sie<br />

dieser nicht höic; und dann verstummt sie in namenloser<br />

Verzweiflung, weil sie keinen Glauben, keine Hoffnung mehr<br />

hat. Einer solchen Not ist nicht nur mit Geld aufzuhelfen.<br />

Die Caritas, die Nächstenliebe, fordert heute mehr! Sie<br />

fordert das :i.ngenium caritatis", sie fordert den wahren<br />

Geist der Nächstenliebe!"<br />

So war Maria von Hohenzollern mit aller Kraft bedacht,<br />

den Armen nicht nur leibliche, sondern auch das geistige<br />

Brot zu reichen. Manch roher Ehegatte, manch herzloser


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 51<br />

Sohn, manch lieblose Tochter wurden von ihr unter vier<br />

Augen ins Gebet genommen, aber mit herzlichster Liebe in<br />

Auge und Herz, und manch einer hat nach solchen, im Tone<br />

der hingebenden Mutter ohne Beisein Dritter gesprochenen<br />

Ermahnungen den Weg zu dem zurückgefunden, der allein<br />

den Frieden zu geben vermag, den die Welt nicht geben kann.<br />

So glauben wir ihrem Biographen Franz Splett, daß die<br />

Prinzessin aufrichtig war ohne Verstellung, getragen von<br />

unerschütterlichem Gottvertrauen, von unbedingter Hingabe<br />

an Gott, in ihrem Gemüte heiter, liebenswürdig, von natürlichem<br />

Herzenstakte getragen und geleitet. Lieblosigkeit war<br />

undenkbar bei ihr.<br />

Was sie so geleistet, ist von der Nachwelt nur zu ahnen,<br />

nicht zu ermessen. Ein großes Werk aber trägt ihren Namen<br />

weiter durch die Zeiten: das große Danziger Marienkrankenhaus.<br />

Der Name Marias von Hohenzollern steht an der<br />

Spitze jenes Aufrufs vom 20. Mai 1850 zur Gründung eines<br />

von Barmherzigen Schwestern geleiteten Krankenhauses, Bis<br />

dahin entbehrte auch Danzig der Barmherzigen Schwestern.<br />

Der Aufruf verweist darauf, daß bezahlte Wärterinnen niemals<br />

das leisten, was Schwestern, weil sie jenes Mitgefühl<br />

nicht kennen, „nach welcher der Kranke sich sehnt wie das<br />

Kind nach der Mutter." Merken wir uns wieder gerade dieses<br />

Wort, nachdem die öffentliche Fürsorge in unseren großen<br />

Städten darnach strebt, der freien Liebestätigkeit Licht und<br />

Luft zu beeinträchtigen.<br />

Zeitlebens blieb die Prinzessin eine Wohltäterin des Danziger<br />

Marienkrankenhauses, dem sie auch testamentarisch<br />

noch 5000 Taler vermachte. 5000 weitere Taler wandte sie<br />

dem Waisenhause zu, das dem Krankenhause angegliedert<br />

war. Als dann der Kulturkampf dem Waisenhaus ein Ende<br />

machte, wandte sie auch diese Summe dem Krankenhause<br />

zu. 14 000 Taler vermachte die Prinzessin dem Bonifatiusverein<br />

zu Händen des Bischofs von Kulm. Die Zinsen sollten<br />

ihrer Gesellschafterin Jeanette Fröhlich zukommen, so lange<br />

diese lebte.<br />

In dieser Weise erfüllte Maria von Hohenzollern-Hechingen<br />

ihren Lebenswahlspruch: „Gegen Gott das Herz eines<br />

Kindes, gegen den Nächsten das Herz einer Mutter, gegen<br />

sich selbst das Herz eines strengen Richters."<br />

Nach dem Tode des Oheims siedelte die Prinzessin nach<br />

Schloß Olivia über, das ihr Oheim Jahrzehnte lang bewohnte,<br />

und dort beschloß sie auch ihre Tage. Ihr Tod wurde als<br />

öffentliches Unglück empfunden, soweit es in der Diözese<br />

Bedrängte und Kranke gab. Aber auch die Spitzen der Behörden<br />

in Welt und Kirche ehrten die Tote, als sie am 12.<br />

Mai 1888 die Augen geschlossen hatte, 80 Jahre alt geworden.<br />

Eine zahllose Menge war aus Danzig, aus Oliva, Zoppot und<br />

anderen Orten herbeigeeilt. Bis zur Kirchentüre ging das<br />

Spalier der Leidtragenden. Abermals bewährte sich das<br />

Wort: „Der Tod offenbart, was wir im Leben gewesen. Der<br />

Tod ist der unbestechlichste Biograph, der unbestechlichste<br />

Künder einer Persönlichkeit. Sobald der Tod seine Hand<br />

auf sein Modell gelegt hat, verschwinden die Zufälligkeiten<br />

des Lebens und das Wesentliche und Kennzeichnende tritt<br />

in Erscheinung ....<br />

So auch hier. Tausende sandten der edlen Toten herzenswehen,<br />

aber auch herzenstreuen Gruß der Fürbitte ins<br />

Grab. Bischof Dr. Redner von Kulm zelebrierte das Requiem<br />

für die Verstorbene. Pfarrer Kryn hielt die Trauerrede<br />

im Anschluß an das Wort aus dem Jakobusbriefe: „Ein<br />

reiner und unbefleckter Dienst vor Gott und dem Vater ist<br />

dieser: Waisen und Witwen in ihrer Trübsal zu Hilfe zu<br />

kommen und sich unbefleckt vor der Welt zu bewahren."<br />

Unter den Klängen des Hymnus: „In paradisum te deducant<br />

angeli" — „Ins Paradies mögen dich die Engel begleiten",<br />

gesungen von den erschienenen Geistlichen und<br />

Lehrern, wurde der Sarg in die Gruft gesenkt, wohin der<br />

Oheim vor Jahren schon vorausgegangen.<br />

Aus: Hohenz. Kalender 1928. Abdruck mit freundl. Genehmigung<br />

des Verlags Liehnersche Hofbuchdruckerei Sigmaringen.<br />

Vom ehrsamen Narrengericht in Grosselfingen<br />

Wer von Bisingen nordwärts gegen Grosselfingen wandert,<br />

der kann dort, wo er die erste Stufe des Voralbgebietes verläßt,<br />

und die Geradeausstraße von der Heerstraße durchschnitten<br />

wird, linkerhand ein steinernes Feldkreuz nicht<br />

übersehen, worauf die Worte stehen: Errichtet vom ehrsamen<br />

Narrengericht Grosselfingen." Der Fremdling wird<br />

wohl diese Worte, wie es schon manchem ergangen ist, mit<br />

sonderbaren Gefühlen lesen, und schon mancher hat diesem<br />

Gefühl auch drastischen Ausdruck gegeben; denn Narren und<br />

Kreuz und dazu noch ehrbare Narren kann er nicht zusammenleimen.<br />

Geht er aber ins Dorf hinunter, um nach diesen<br />

sonderbaren Zusammenhängen zu forschen, so muß sein<br />

Staunen wachsen, wenn man ihm sagt, daß drüben an dem<br />

Paß, der sich zwischen dem „Alten Berg" und der Hohenngart<br />

hinzieht, ein zweites Steinkreuz steht, das im Volk<br />

allgemein das „Narrenkreuz" genannt wird. Da muß er sagen:<br />

„Ueberau findet man Sühne-, Pest- und andere Kreuze!<br />

aber Narrenkreuze? Nein, das kann nicht mit rechten Dingen<br />

zugehen, und Menschen, die so etwas errichten oder tun.<br />

die müssen doch rechte Narren sein."<br />

Das sind sie auch, die Grosselfinger, und sie sind sogar<br />

stolz darauf; denn wenn an anderen Orten die Narren Larven<br />

und Fratzen über das Gesicht ziehen, um andere Leute<br />

ungenierter necken, verspotten und mitunter auch beleidigen<br />

zu können, so feiern die Grosselfinger eben ihr Narrengericht<br />

so ehrbar, wie sie sind und in mancher Hinsicht hochehrbar;<br />

denn sie verwenden in materieller Hinsicht alle<br />

Gewinne zu ehrbaren, ja heiligen Zwecken. Aber bei der<br />

Narrenfeier, die alle drei Jahre am „schmotzigen Dauschtig"<br />

stattfindet, sind nur einige Hüter und Wächter vermummt.<br />

Der überwiegende Teil der Teilnehmer spielt seine<br />

Rolle offen und frei wie in einm richtigen Schauspiel. Auch<br />

die Tendenz des Grosselfinger Narrenspiels ist -eine andere,<br />

wie bei vielen derartiger Narrengerichte und -feste. Im<br />

Grosselfinger Narrengericht lebt das tiefste Sehnen des Menschen,<br />

das Sehnen naci einem paradiesisch-idealen Seil<br />

zugrunde und innerhalb dieses Sehnens der Kampf mit den<br />

Mächten, die diesem idealen Sein wehren und es vernichten<br />

wollen.<br />

Es sind die uralten Sehnsüchte, wie sie in dem Land<br />

Schlaraffia d äs Hans Sachs zutage treten oder dem sagenhaften<br />

Wunderland Indiens, wo die Ströme voll süßschwellenen<br />

Honigs sind oder den Gärten der Hesperiden, wo die<br />

Tochter der Nachl die goldenen Aepfel hüten oder wo in<br />

orientalischer Pracht die Götterburg Rama.iana steht. In ein<br />

solches oder ähnliches Land denkt sich auch das Grosselfinger<br />

Narrengericht versetzt, wenn es am „schmotzigen Dauschtig"<br />

Grosselfingen zum Land Venedig erklärt, damit alle<br />

Narrheit besiegt und nur der Traum des ewigen Friedens<br />

getätigt wird. Das muß auch so sein; diese Narrheit liegt den<br />

Grosseifingern im Blut; denn sie bringt nicht, wie anderwärts<br />

der Storch Adebar, sondern die Hebamme holt sie vom<br />

tiefen Quell Ygdrasil im Harrenbach.<br />

Das Grosselfinger Narrengericht muß uralt sein. Zwar erzählt<br />

eine halbe sagenhafte Geschichte, daß es ein Grosselfinger<br />

Dorfherr, Hans Heinrich von Bubenhofen, der um das<br />

Jahr 1500 lebte, gegründet habe. Es mag sein, daß jener<br />

Dorfherr von seinen vielen Reisen und Erlebnissen manches,<br />

z. B. die Figuren von Husaren, Panduren, Landsknechten<br />

u. a. mitheimgebracht hat, womit er einem alten Heimat iuiei<br />

einen neuen Impuls und auch den äußeren Pomp gegeben<br />

hat, der dieses Spiel noch heute auszeichnet, so daß es wie<br />

eine Neugründung aussah.<br />

Gegen eine Neugründung aber sprechen die vielen alten<br />

Sehnsuchts- und Gesundungsmotive, vor allen das Spiel um<br />

den Sommervogel, die Tyroler Kräuterhändler, die Wegräumer<br />

und der Krauthafen mit Speck, der im Pfarrhaus zubereitet<br />

wird.<br />

Nach der Sage soll der genannte Dorfherr während einer<br />

furchtbaren Pest sein Dorf verlassen und sich nach Venedig<br />

verzogen haben. Als er nach dei Pestzeit wieder heimgekommen<br />

sei, soll er die wenigen Ueberlebenden in großer<br />

Betrübnis angetroffen haben. Um diese wieder etwas aufzuheitern,<br />

soll er das genannte Spiel durch einen Stiftungsbrief<br />

ins Leben gerufen haben. So die Sage.<br />

Richtig ist, daß im 14. Jahrhundert die Pest in Grosselfingen<br />

und Umgebung furchtbar gewütet hat, so daß ganze<br />

Siedlungen, wie das benachbarte Anhausen — heute alte<br />

Mühle - vollständig menschenleer waren und verödeten.<br />

Richtig ist, daß auch der Dorfherr Hans Heinrich von Bubenhofen<br />

oft lange Zeit ortsabwesend war Ahe- er war nicht<br />

geflohen, sondern begleitete als reichstreuer Ritter der Kaiser<br />

Maximilian auf seinen vielen Kriegszügen, So nahm er<br />

1495 und 1508 mit einer Gleve (vom franz. glaive oder lat.<br />

gladus das Schwert), das heißt als Ritter mil 5 berittenen<br />

Knechten an dem Feldzug gegen Venedig teil, wah scheinlich<br />

auch 1499 gegen die Eidgenossen, dann in Lothringen<br />

gegen die Franzosen und daran anschließend an den wechselvollen<br />

Kämpfen des Kaisers gegen die Niederlande. Daß<br />

er sich auf all diesen Zügen bewährt hat, geht daraus hervor.


52 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

daß der Kaiser Maximilian „seinen lieben und getreuen<br />

Hans Heinrich von Bubenhofen" am 25. Juli 1505 in Köln<br />

mit den höchsten politischen und administrativen Ehrungen<br />

auszeichnete, nämlich mit dem Marktrecht in Grosselfingen<br />

und 4 Tage später mit dem hohen Hals-, Stock und Galgengericht.<br />

Kaiser Karl V. hat am 7. März 1521 diese Ehrung<br />

erneuert, und merkwürdig ist, daß nur das letztere Datum in<br />

die Geschichtsbücher eingegangen ist und sich auch dort erhalten<br />

hat, obwohl die richtigen Daten schon lange veröffentlicht<br />

worden sind.<br />

Auf seinen weiten Reisen hat sich Hans Heinrich von Bubenhofen<br />

wohl auch tüchtig umgesehen und sich an den närrischen<br />

und fröhlichen Umtrieben in Venedig, Köln, Mainz<br />

und Koblenz erfreut und, was er dort gesehen hat, dem<br />

Grosselfinger Spiel eingefügt. Aber ein derartiges Narrengericht,<br />

wie es in Grosselfingen alle drei Jahre gefeiert wird,<br />

kann gar nicht aufgführt werden, wenn dafür nicht ganz<br />

natürliche Voraussetzungen vorhanden sind; sie müssen im<br />

Blut liegen, sonst könnnte es nicht Jahrhunderte bestehen.<br />

Das Fundament des Grosselfinger Narrengerichts bilden<br />

das Bäderspiel, der Hohe Venedische Gerichtshof und das<br />

Spiel um den Sommervogel. Werden im Bäderspiel und dem<br />

Venedischen Gerichtshof alle Tor- und Krummheiten, die<br />

sich im Reigen des Alltags abgespielt haben, nach närrischem<br />

Recht an den Pranger gestellt, abgeurteilt und wieder gerade<br />

gestellt, so steht im Endteil des hochdramatischen Spiels im<br />

Mittelpunkt der Sommervogel als Spiel des uralten Kampfes<br />

des Frühlings mit dem Winter. Aus weiter Ferne kam dieser<br />

seltsame und unbekannte Gast in dem Land Venedig an.<br />

Bürgermeister, Narrenvogt und Volk betrachten das liebliche<br />

Wesen mit äußerster Neugier; es werden allerlei Vermutungen<br />

geäußert, und bald entspinnt sich zwischen Bürgermeister<br />

und Narrenvogt ein reizender Dialog um das Wesen des<br />

Ankömmlings, bis zuletzt festgestellt wird, daß es sich um<br />

den glückbringenden Sommervogel, also den Bringer des<br />

Frühlings handelt, worauf die Menge in eine unbeschreib-<br />

liche Begeisterung ausbricht, an der sich selbst das älteste<br />

Weiblein beteiligt, weil auch es das sehnlichst erwartete<br />

paradiesische Zeitalter noch erleben durfte. Im nahen Tann<br />

wird dann dem lieben Gast ein wunderbares Nest bereitet<br />

und streng bewacht. Dennoch gelingt es den heimtückischfinsteren<br />

Mächten (es sind die Urkräfte des lebentötenden<br />

Winters), in Gestalt vermummter Gesellen den Vogel zu<br />

rauben und mit ihm zu entfliehen. Wehklagend vernimmt die<br />

friedliche Gemeinde diese ruchlose Tat. Doch nicht lange;<br />

denn schon sind alle Kräfte eingesetzt, um die Missetäter<br />

einzufangen. Das gelingt auch; denn „dräut der Winter noch<br />

so sehr mit trotzigen Gebärden und streut er Eis und Schnee<br />

umher; es muß doch Frühling werden."<br />

Die Missetäter werden vor den Hohen Gerichtshof gestellt<br />

und von ihm, weil in flagranti ertappt, zum Wassertod verurteilt.<br />

Aber das Hohe Gericht ist nicht nur ehrbar und<br />

rechtschaffen, sondern auch human. Daher wird das eiskalte<br />

Wasser, in dem die Räuber ertränkt werden sollen, mit<br />

einem Strohwisch erwärmt. So können die Uebeltäter nun<br />

mit lebendigem Leib in das unergründliche Nirwana fahren.<br />

Venedig ist gerettet und damit der glückliche Urzustand wieder<br />

hergestellt.<br />

Auch die Schlußszene hat symbolhaften Charakter. Das<br />

Wasser zu dem Brunnen, in dem die Räuber ertränkt werden,<br />

kommt vom „Bildiisbrunnen", der Wasser in unerschöpflicher<br />

Menge liefert. Der „Bildiisbrunnen" entspringt neben dem<br />

„Bilderhäusle", ehemals „unserer lieben Frau" und liefert<br />

ein gesundes, ja heiliges Wasser. Durch Ertränken in den<br />

Wassern dieses Brunnens sollen die Bösewichter zwar den<br />

leiblichen Tod erleiden, aber das heilige und heilende Wasser<br />

soll die Schandtat von ihrer Seele abwaschen, damit auch sie<br />

trotz ihres irdischen Frevels das ewige Glück im Elysium<br />

genießen. So ist das Narrengericht auch deswegen schon ein<br />

ehrsames Gericht, weil es nichts unterläßt, auch frevelnden<br />

und unehrenhaft gewordenen Menschen wieder Ehre zu<br />

geben. Josef Strobel.<br />

Von der ehemaligen Burg Schatzberg<br />

Die Burg Schatzberg war nebst Bittelschieß und Hertenstein<br />

die dritte Burg in unmittelbarer Nähe der Stammburg<br />

Hornstein, auf der gleichzeitig Nebenzweige des Geschlechtes<br />

der Herren von Hornstein saßen.<br />

Die Burg Schatzberg stand einige Kilometer außerhalb des<br />

Dorfes Bingen in nordöstlicher Richtung auf einer rings von<br />

Wäldern umgebenen Anhöhe. Die Erbauung der Burg läßt<br />

sich urkundlich nicht mehr feststellen, doch bereits 1250 wird<br />

Ritter Konrad von Hornstein zu Schatzberg als erster urkundlich<br />

genannt.<br />

Die Herren von Hornstein zu Schatzberg nannten sich auch<br />

von Wülflingen, da das Dorf Wüflingen nebst Burg (unweit<br />

des Schatzberg gelegen) zu Schatzberg gehörte. Entgegen der<br />

andern Hornsteiner war die Schatzberger Linie ziemlich<br />

fehdelustig.<br />

Linie der Hornstein zu Schatzberg<br />

Ritter Konrad von Schatzberg (ob er schon ein Herr von<br />

Hornstein war, ist unsicher!) 1250—1267, war Lehensmann<br />

des Grafen Hartmann zu Grüningen. Johannes, Ritter zu<br />

Schatzberg, 1282—1323, genannt von Wülflingen, war Urteilssprecher<br />

über die Heiligenberger Grafenrechte, hatte<br />

1313 Schatzberg als österreichisches Lehen.<br />

Peter von Hornstein (Bruder des Johannes), Ritter, 1286 bis<br />

1315. Er war begütert zu Altheim, Andelfingen und Hitzkofen.<br />

Hermann von Hornstein, Bruder der beiden vorgenannten,<br />

1293—1333, Kirchherr zu Blochingen, Seekirch, begütert<br />

in Riedlingen, Grüningen, Altheim und Heudorf.<br />

Heinrich von Hornstein zu Wifiingen, 1327—1350, vermutlich<br />

Besitzer von Schatzberg, Sein Sohn, Hans III. von Hornstein<br />

zu Schatzberg, 1339—1412, hat auch Anteil an der Burg<br />

Hornstein. Verkauft Hasenweiler und Ilmensee, wird Bürger<br />

der Stadt Rottweil. Seine Fehden mit den Geroldseckern,<br />

die nach der Zimmer'schen Chronik ein ganz unruhiges Geschlecht<br />

waren, mochten nicht ungünstig auf seine Vermögensverhältnisse<br />

gewirkt haben.<br />

1385 wird Hans zu Schatzberg auf 5 Jahre Bürger der<br />

Stadt Rottweil gegen 2 Pfd. Heller Steuer auf Martini<br />

und hat die Verpflichtung zur Hilfeleistung, ausgenommen<br />

gegen seinen Lehensherm. Hans Öffnete seine Festung Schatzberg<br />

und gibt als Bürgen den Heinrich Kanzler, Bürgermeister<br />

zu Rottweil. 1394 wohnte er in Wilflingen.<br />

Im. Jahre 1400 am 21. September. Ennisheim: Herzog Leopold<br />

von Oesterreich an Hans zu Schatzberg, weil er von<br />

dem Lehen zu Rottweil abgetreten, sollen er oder seine<br />

Söhne alsdann zu der Kirchen zu Büngen (= Bingen), wenn<br />

sie fällig wird einmal zu vergeben, seinen Zugang haben,<br />

die jetzt Graf Wilhelm von Montfort inne hat.<br />

Hans von Schatzberg war vermählt mit Agnes von Neuneck,<br />

Tochter des Volz zu Neuneck zu Nekarburg.<br />

1399—1440 Hans IV, von Hornstein zu Schatzberg (Sohn<br />

Hans III.).<br />

Heinrich v. Hornstein, Hansens III. Sohn, saß zu Hornstein,<br />

kaufte auch den Turm zu Hornstein und war vermählt mit<br />

Agnes von S Ockendorf.<br />

Jos von Hornstein zu Schatzberg, 1438—1485, war ein Sohn<br />

Hans IV. und der letzte Ritter auf der Burg Schatzberg.<br />

Gleichzeitig mit der Burg Schatzberg hatte Jos noch die bedeutende<br />

Pfandherrschaft der Burg Hohenberg bei Spaichingen<br />

inne. Jos erbte den nach dem Verkauf von Wüfüngen<br />

und Emerfeld noch übrig gebliebenen väterlichen Besitz der<br />

Feste Schatzberg mit Egelfingen und die Güter zu Langenenslingen.<br />

Die Schatzberger dienten mit ihrer Feste den Herzögen<br />

von Oesterreich.<br />

Das Leben des Ritters Jos zu Schalksberg, der mit Anna<br />

von Rechberg vermählt war, bewegte sich meistens in Fehden;<br />

immer suchte er mit dem Schwerte sich und andern<br />

Recht zu verschaffen.<br />

Mit Konrad Scharpf von Freudenberg griff Jos mit einigen<br />

andern Rittern "den Bischof von Augsburg an, veranlaßt<br />

durch Klaus Schwarzschneider, der sich an dem. Bischof<br />

rächen wollte. Der Bischof fand Hilfe beim Kaiser, der die<br />

Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg beauftragte,<br />

sich des Bischofs anzunehmen, welche sodann die Feste<br />

Schatzberg aus welcher der Angriff geschehen war, durch<br />

Graf Friedrich von Helfenstein niederbrennen ließen. Eine<br />

Belagerung bzw. eine Verteidigung der Feste scheint nicht<br />

stattgefunden zu haben, da Konrad von Hornstein, ein Vetter<br />

Jos Klage führt, daß die Burg niedergebrannt wurde, als<br />

Jos wehrlos dagestanden sei.<br />

1448 wurde Jos zu Schatzberg vom Herzog Albrecht von<br />

Oesterreich aufgefordert, die Burg Hohenberg abzutreten.<br />

Jos sträubte sich, da der Herzog ihm vor Fürsten und Grafen<br />

und Herrn versprochen habe, ihn bei der Pfandherrschaft<br />

zu belassen. Jos leistete den vom Herzog wiederholten Zitierungen<br />

nach Rottweil und Freiburg (auslösungshalber zu<br />

kommen) zunächst keine Folge. Er verlangte ein unparteiisches<br />

Schiedsgericht vor den Fürsten oder den Städten.<br />

Mitte Juni ritt Jos nach Freiburg zum Herzog, der ihn aber<br />

ungnädig empfing. Jos erinnerte ihn alier Dienste seiner<br />

Vorfahren, die Gut und Blut für Oesterreich eingesetzt, wie


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 53<br />

sechs von Hornstein in der Schlacht bei Sempach erschlagen<br />

wurden, einer davon, der das österreichische Banner<br />

trug; ferner wie sein Vater an dem Herzog Friedrich<br />

IV. selig „beharret, als ihn der Kaiser vertreiben wollte,<br />

da lützel (wenig) Leut an ihm blieben, denn sein Vater selig<br />

bis an sein Todt", und wie er auch ihm dem Herzoge — wie<br />

er wohl wisse — in seinem letzten Kriege getreulich gedient<br />

habe. Wenn er ihn bei dem Schlosse nicht belassen könne,<br />

bat er, so möge er ihm wenigstens durch den Herzog Sigmund<br />

sein Recht erkennnen lassen. Alles dies und auch die<br />

Verhandlungen mit dem Herzog Ludwig von Württemberg<br />

und die Fürbitte Herzog Sigmunds, dem Sohne Herzog Friedrichs,<br />

hatten keinen Erfolg. Jos schrieb an die österreichischen<br />

Räte: „Ich will Hohenberg nitt geben denn mit Recht und<br />

nimpts mir lieber mit Gewalt". So wurde dann auf beiden<br />

Seiten gerüstet und die Fehdebriefe ausgetauscht.<br />

An den Herzog schrieb Joos, wie ungern er ein Feind<br />

Oesterreichs werde, „niemals sei ein Hornstein vom Hause<br />

Oesterreich gewichen, nur der große Drang und die Gewalt<br />

die an mir geschieht, da ich keinerlei Recht erhalten mag,<br />

das klag ich Gott dem Herrn, den will ich zu Hilfe nehmen<br />

und die lieben Ritter St. Jörg und St. Wilhelm und will die<br />

Klageschrift und Beweise aller meiner Rechte allen Fürsten,<br />

Grafen, Freygen, Herren, Ritter, Städten edel und<br />

unedel klagen und schreiben und will ich, Jos von Hornstein<br />

zu Schatzberg euer Feygend (Feind) sein und aller Prälaten,<br />

Aebte, Räte, Land und Lüten und Vögte, die zu Euch gehören,<br />

wie sich die Feygenschaft (Feindschaft) machte, es<br />

wäre mit nam prand und dotschlag."<br />

Großes Vertrauen hatte Jos auf die Stadt Rottweil gesetzt,<br />

deren Bürger er war und deren Hilfe er beanspruchen<br />

konnte, da dies gegenseitig vereinbart war, aber die Stadtväter<br />

von Rottweil speisten Jos mit schönen Worten ab.<br />

Der nun begonnene Kampf fand in den der Burg Hohenberg<br />

nächstgelegenen österreichischen Ortschaften statt,,<br />

wobei die mit Mauern umgebenen Kirchhöfe als Stützpunkte<br />

dienten. Vier Kirchhöfe seien eingenommen worden, schreibt<br />

Jos, und der Feind habe die Kirchen nicht geschont, sondern<br />

die Seinigen darin verwundet und aus den Kirchen Pferdeställe<br />

gemacht. Der Kampf blieb unentschieden. Für den<br />

Herzog mochte es jetzt leichter sein, den berechtigten Forderungen<br />

Josens entgegen zu kommen, als sein Land einer<br />

längeren Verwünstung preiszugeben. So machte e 1- mit Jos<br />

seinen Frieden. Die Verhandlungen wurden zu Villingen<br />

durch den Bischof Peter von Mörsburg und Hans von Knöringen,<br />

Landvogt zu Burgau geführt. Die Bedingungen waren:<br />

Es soll Jos von Hornstein von vorberührter Sach wegen<br />

zu Recht kommen vor dem Herzog Sigmund von Oesterreich<br />

und seinen Vätern. Herzog Albrecht soll den Sachen Jos auch<br />

gerecht werden. Herzog Albrecht soll alle Dörfer, Leut und<br />

Gut, die zu Schloß Hohenberg gehören, dem Herzog Sigmunden<br />

überantworten. Die Gefangenen sollen auf beiden Seiten<br />

gegen gewöhnliche Urfehde ledig gelassen und darauf beide<br />

Parteien ihren Unwillen und nichts gerochen werden." Her-<br />

Jangingen, St. Annakapelle<br />

zog Albrecht verspricht bei seiner fürstlichen Würde und<br />

Jos bei seinem geschworenen Eid, den Vertrag zu halten,<br />

der von beiden Seiten besiegelt wird. Der Vertrag war noch<br />

nicht vollzogen, als sich Jos 1449 in eine neue Fehde stürzte.<br />

Veranlassung gab der Krieg des Grafen Ulrich von Württemberg!<br />

gegen: die Reichsstädte, denen sich auch Rottweil<br />

angeschlossen hatte. Verärgert über die Stadt Rottweil, die<br />

ihn im Stich ließ, obwohl gegenseitige Hilfe vereinbart war,<br />

als er gegen den Herzog Albrecht zog, griff er die Stadt<br />

Rottweil an. Von denselben auch angegriffen, zog er sich<br />

auf die Feste Hohenberg zurück. Die Rottweiler belagerten<br />

die Feste, sie führten eine große Kanone mit (benannt „die<br />

Hohenberger Liesel") und bauten einen auf Rädern gestellten<br />

hölzernen Turm, mittels dessen sie Feuer in die Burg warfen,<br />

eroberten nach 16stündiger Beschießung am 21. September<br />

die Burg und brannten sie tags darauf nieder und zerstörten<br />

sie von Grund aus. In der Burg befanden sich die Gemahlin<br />

Josens mit ihren Jungfrauen und die aus 18 Mann bestehende<br />

Besatzung. Letztere warfen sie lebend über die<br />

Felsen und Mauern, wobei im Kampfe ein Rottweiler mit in<br />

den Abgrund gerissen wurde. Jos — heißt es — habe-, obgleich<br />

verwundet, noch entkommen können.<br />

Von da an führte Jos ein ganz unstetes Leben. Er verkaufte<br />

die Reste seines Besitzes (Burgstall Schatzberg) an<br />

seinen Vetter Konrad von Hornstein.<br />

1455 kam Jos in die Reichsacht und war 1461 noch darin.<br />

Jos von Hornstein zu Schatzberg war ein tapferer, unerschrockener<br />

Ritter, stets suchte er mit dem Schwerte sich<br />

und anderen Recht zu verschaffen. 1458 hatten die Klosterfrauen<br />

zu Sonnenberg in Tirol Jos um Hilfe angerufen, die<br />

sich bedrängt fühlten. Dabei wurde Jos von Cardinal Quasas<br />

Amtmann gefangen genommen. Wieder in Freiheit, folgte<br />

Jos dem Ruf seines Vetters Hug, welcher mit Berthold von<br />

Stain in Fehde gekommen war. Jos, der sich in den letzten<br />

Jahren seines Lebens meistens in der Schweiz aufhielt, verunglückte<br />

bei einer Fehde gegen die Grafen von Werdenberg<br />

und Heiligenberg und fand dabei auf der Dominikanerinsel<br />

bei Konstanz den Tod. Ob er durch Mord oder Kampf<br />

umkam, läßt sich nicht feststellen. Jos hatte mit seinem<br />

Sohne Wendel die Bodenseegegend beunruhigt, was der<br />

Stadt Konstanz sehr unlieb war und wegen Jos einen Schriftwechsel<br />

mit der Stadt Zürich führte. Jos von Hornstein fand<br />

im Kloster Magdenau bei St. Gallen seine Ruhestätte.<br />

Jos war verheiratet mit Anna von Rechberg. 1453 urkundet<br />

sie das letzte Mal.<br />

So ist die Linie Schatzberg mit Wendel, dem Sohne Jos,<br />

erloschen. (Aus „Die Grafen von Hornstein" S. 159 ff.)<br />

Die Sage von „Hans Hodiö" geht wohl auf Hans III. 1393<br />

bis 1412 zurück, der durch seine Fehden mit den Geroldsekern<br />

bekannt war. Sie erzählt, daß die Schatzburg eine<br />

Fülle erbeuteter Schätze in ihren Gewölben und Kellern<br />

barg. Nach der Chronik dagegen sollen die ständigen Fehden<br />

des letzten Ritters Jos zu Schatzberg den Ruin der Linie<br />

Schatzberg verursacht haben. Josef Härle.


54 HOHENZOLLEB1SCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Zum Abschluß der Renovation der Haigerlocher Unterstadtkirche<br />

H- Teil von M. Guide<br />

Die Katholische Kirchengemeinde Haigerloch verfügt über<br />

einen außergewöhnlich großen Reichtum an wertvollen alten<br />

Kirchen und einmaligen Kunstdenkmälern. Diesen unvergleichlichen<br />

Reichtum an sakralen Kunst- und Kulturgütern<br />

kommenden Generationen zu erhalten, muß das Bestreben<br />

aller verantwortungsbewußten Instanzen sein.<br />

Von diesem Streben geleitet, war die Katholische Kirchengemeinde<br />

gezwungen, in den vergangenen sechs Jahren alle<br />

drei höchst wertvollen Kirchen mit überlokaler Bedeutung<br />

instandzusetzen, um sie vor dem Zerfall zu bewahren.<br />

1. Die St. Anna- Wallfahrtskirche<br />

aus der<br />

Mitte des 18. Jahrhunderts,<br />

die bedeutendste<br />

und wertvollste<br />

Kirche Hohenzollerns<br />

und weit darüber hinaus.<br />

2. Die Schloßkirche, erbaut<br />

in den Jahren<br />

1584 bis 1604, nach<br />

dem Urteil des zuständigen<br />

Herrn Landeskonservators<br />

Walther<br />

Genzmer „eine der<br />

schönsten Kirchen von<br />

ganz Süddeutschland."<br />

3. Die Unterstadtkirche<br />

aus dem 12. Jahrhundert,<br />

eine Kirche mit<br />

großer historischer<br />

Vergangenheit und als<br />

Pfarrkirche Jahrhunderte<br />

lang die einzige<br />

Kirche der Stadt Haigerloch.<br />

Die beiden erstbenannten<br />

Kirchen wurden in<br />

den vergangenen Jahren<br />

instandgesetzt. Die Renovation<br />

der Unterstadtkirche<br />

wurde erst vor<br />

kurzer Zeit beendet.<br />

Die um 1200 erbaute<br />

hiesige Unterstadtkirche<br />

zeigte seit Jahren eine<br />

höchst bedenkliche<br />

Feuchtigkeit in ihrem<br />

Mauerwerk. Um dieses<br />

wertvolle älteste kirchliche<br />

Bauwerk der Stadt<br />

zu erhalten, verlangte<br />

das zuständige Erzbischöfliche<br />

Bauamt in<br />

Konstanz eine sofortige<br />

Entfeuchtung des Mauer-<br />

werks und gleichzeitig<br />

einfe Neuanlage der bisherigen<br />

unzulänglichen<br />

Regenwasserableitung. Landeskonservator Walther Genzmer<br />

in Sigmaringen hielt im Zusammenhang mit diesen dringendet<br />

Arbeiten eine denkmalspflegerische Erneuerung der Unstadtkirche<br />

für notwendig und wünschenswert.<br />

äei der Fülle der hiesigen Kirchen und Kunstdenkmäler<br />

wäre man vielleicht geneigt, die Unterstadtkirche für weniger<br />

bedeutend zu erachten, was aber der realen Wirklichkeit<br />

absolut nicht entspricht. Die Unterstadtkirche ist die älteste<br />

Kirche von Haigerioch inmitten des alten Friedhofs und in<br />

der Nähe des Marktplatzes. Sie hat eine große geschichtliche<br />

Vergangenheit und war lange Jahrhunderte als Pfarrkirche<br />

die einzige Kirche der Stadt Haigerloch. Außerdem hat sie<br />

eine hohe kunsthistorische Bedeutung, da sie zu den wenigen<br />

gotischen Kirchen des ganzen Landes gehört.<br />

l eider wurde die Unterstadtkirche vor ca. 40 Jahren sehr<br />

unglücklich restauriert. Durch die jetzige Instandsetzung<br />

wurden die Fehler jener Zeit korrigiert. Im Sinne des gotischen<br />

Raumideals wurde dieser Kirche die echte monumentale<br />

Fassung und Stimmung wieder zurückgegeben: der<br />

Chorraum mit dem sehr wertvollen gotischen Rippennetzgewölbe<br />

aus dem 14. Jahrhundert ist im Sinne der Entstehungszeit<br />

wiederhergestellt; verschiedene alte Malereien<br />

bzw. gotische farbige Ornamente wurden aufgdeckt, restau-<br />

riert und ergänzt, sowie neue Chorfenster eingesetzt. Im<br />

Langhaus ist eine sehr eindrucksvolle neue Kassettendecke<br />

aus Lärchenholz eingebaut, und gerade sie bedeutet eine ganz<br />

wesentliche Steigerung der sakralen Schönheit des ganzen<br />

Kirchenraumes. Mit dieser glücklichen, von jedem Zeitgeschmack<br />

unabhängigen Lösung konnte man das in jeder Hinsicht<br />

wertlose Deckenbild verschwinden lassen. Diese Kassettendecke<br />

gibt nun dem ganzen Langhaus der Kirche einen<br />

wunderbaren festlichen Akzent und bildet einen harmonischen<br />

Übergang zum Chorraum als dem sakralen und künstlerischen<br />

Höhepunkt der<br />

ganzen Kirche.<br />

Der gesamte Verputz<br />

wurde erneuert, die<br />

Mauern entfeuchtet und<br />

eine neue, sehr gut passende<br />

und wirkungsvolle<br />

Beleuchtung eingebaut.<br />

Die Innen-Ausstattung:<br />

Altäre, Kanzel, Orgel<br />

usw. wurde neu gefaßt<br />

und auf den Gesamtraum<br />

harmonisch abgestimmt.<br />

Diese neugotischen<br />

Werke, die auch<br />

nach amtlicher Begutachtung<br />

von brauchbarer<br />

Qualität sind, wurden<br />

also belassen und nicht<br />

einfach beseitigt. Eine<br />

leere Halle ohne Schmuck,<br />

ohne Bilder und Statuen<br />

entspricht nicht dem<br />

Ideal der katholischen<br />

Kirchenraumgestaltung.<br />

Alle sakralen Künste:<br />

Architektur, Plastik, Malerei<br />

und Musik sollen<br />

im geweihten Gotteshaus<br />

den Allerhöchsten<br />

verherrlichen und den<br />

gläubigen Menschen seelisch<br />

erheben und zu<br />

Gott führen. Eine Renovation<br />

u. sakrale Raumgestaltung<br />

im Sinne einer<br />

neuzeitlichen fragwürdigen<br />

Theorie von der sogenannten<br />

„Schönheit der<br />

leeren Wand" kann dieser<br />

Auffassung und diesem<br />

Ideal niemals gerecht<br />

werden. Man darf<br />

neugotische Ausstattungsstücke<br />

allerdings<br />

nicht einfach bloß rot anstreichen,<br />

wie dies bisher<br />

Chorraum der Haiaerlocher Unterstadtkirche<br />

meistens unverständlicherweise<br />

geschah, sondern<br />

man muß ihnen eine hervorragende, farbige leber 'ige<br />

und dezente echt gotische Fassung geben, wie dies in der Unterstadtkirche<br />

durch Kirchenmaler Jos. Lorch aus Sigmaringen<br />

m meisterhafter Weise geschah. Denn auch hier gilt<br />

— mutatis mutandis — das Wort: „Kieider machen Leute "<br />

Mit solch künstlerischer Behandlung werden qualitativ gu'-e<br />

neugotische Altäre auch heute noch durchaus brauchbar, wie<br />

ja auch die neugotische Architektur überall belassen und<br />

nicht einfach abgebrochen wird. Mit vollem Recht werden<br />

darum seit jüngster Zeit in verschiedenen deutschen Ländern<br />

gute holzgeschnitzte Werke unter Denkmalschutz gestellt und<br />

dürfen auf keinen Fall vernichtet werden. Bei der Unterstadtkirche<br />

hat auf diese Weise der Auftraggeber in harmonischer<br />

Zusammenarbeit mit dem kunstverständigen Res taurator<br />

einen Weg beschritten, der nach allgem^ner Auffassung<br />

zu einem sehr guten Erfolg und Ziele geführt hat.<br />

Somit gilt auch diese Renovation in jeder Hinsicht als<br />

wohlgelungen, so daß nun die renovierte Unterstadtkirche<br />

neben der prachtvollen Schloß- und St. Anna-Kirche eine<br />

dritte durchaus sehenswerte Kirche darstellt. Ein Blick in<br />

den neuen, stimmungsvollen und erhebenden Raum mit seiner<br />

sakralen Feierlichkeit und edlen, geschlossenen Harmonie<br />

beweist jederzeit die Richtigkeit dieser Auffassung.


Jahrgang 1958 HÖHENZOLL ISCHE HEIMAT 55<br />

Bis zur napoleonischen Flurbereinigung umschloß der Begriff<br />

„Oberschwaben" das ganze Stammesgebiet der Schwaben südlich<br />

der Donau. Heute umgreift diese Bezeichnung den Raum zwischen<br />

Bodensee und Donau, Illcr -ind Alb; naturräumlich betrachtet ist es<br />

das „Alpenvorland des Rheingietschers". Wir unterscheiden landschaftlich<br />

im heutigen Oberschwaben:<br />

1. Das würmeiszeitliche Stammbecken des Bodensees mit seinen<br />

Zungenbeckf : Untersee, Überlingersee, verlandetes S. ssenbecken.<br />

Die geringe Höhenlage (395 m), eine große Seefläche, die schatzende<br />

Mauer der nördlichen Randhöhen und die erwärmende Eigenschaft<br />

des Föhns haben einen klimabegünstigten Teilraum mit allen Möglichkeiten<br />

zu intensiver Bodennutzung zur Verfügung gestellt. Die<br />

Bodenseelandschaft macht ein Drittel Oberschwabens aus.<br />

2. Das zweite Drittel bildet die Jungmoränenlandschaft. Sie<br />

grenzt im W an die Beckenlandschaft des Hegau und im O an die<br />

gefalteten Molasserücken des Pfändermassivs. Der W-Flügel der<br />

Jungmoränenlandschaft liegt im Mittel zwischen 700 und 800 m (Höchster<br />

833 m). Der O-Flügel ist etwas niedriger, während das in der<br />

Mitte liegende Schussenbecken eine natürliche Durchgangszone bildet.<br />

Die ansehnliche Höhenlage, das unruhige Hügelrelief der inneren<br />

und äußeren Moränenkränze, der Reichtum an vermoorten<br />

Niederungen und die zum Bodensee hinabgreifenden Tobel machen<br />

es zum benachteiligten Teilraum, zum natürlichen Waldland. Im<br />

regenfeuchten O-Flügel sind die nadelholzreichen Bergwaldgesellschaften<br />

ursprüi £lich vorhanden. Sie wurden im Gang der Kolonisation<br />

überall sj "ter als der Laubwald gerodet.<br />

3. Es schließt sich das nördliche Drittel an, das aus dem Altmoränenland<br />

und den vorgelagerten Schotterplatten und Molassehügeln<br />

besteht. Die flachen, nur von breiten Schmelzwasserrinnen<br />

zerschnittenen Platten des Altmcränenlandes dachen sich im W zum<br />

breiten Donaubecken von Riedlingen ab und liegen zwischen 70 r und<br />

800 m. Der durch das Risstal abgegliederte O-Flügel ist dabei höher,<br />

relief- und regenreicher und gehört deshalb im S -^och zum ursprünglichen<br />

Mi&chwaldgebiet. Sonst war im Altmöränenland weithin<br />

der Laubwald vorherrschend. Die lößbedeckten Ränder des<br />

Riedlinger Beckens und die breiten Schmelzwasserrinnen boten<br />

natürliche Ackerbauräume, die zu allen Zeiten geschätzt und besetzt<br />

waren.<br />

Eine ähnliche Gunst zeigt die Landschaft der eiszeitlichen Schottermassen<br />

zwischen Riss und liier. Nur die ausgelaugten Lehme der<br />

höheren Deckenschotterriedel in den „Holzstöcken" und das vielzertalte<br />

Molasseland rings um den Bussen sind hier natürliches Waldland.<br />

Vorzugsräume für die Nutzung sind die peripheren Teile. Ungünstig<br />

ist der mittlere Ring mit Waldhügeln u. vermoorteil N.. .derungen.<br />

Eine Milderung bringt die Schussen-Riß-Furche. Der W-Flügel<br />

hat ein ausgeglichenes Relief, geringere Niederschläge und größere<br />

Durchgängigkeit als der O-Flügel, der durch unruhigere Landformen,<br />

höhere Niederschläge und geringere Verkehrsgunst benachteiligt ist.<br />

4. Das bayerische Schwaben ist ein reliefstarkes Jungmoränenland.<br />

Die Kernräume liegen auch hier peripher.<br />

Die bevorzugten Räume wurden natürlich bei der ersten bäuerlichen<br />

Landnahme (bevorzugt) ausgesucht, daher tragen sie den<br />

stärksten Bevölkerungsdruck. Bis in die Jungsteinzeit sind der<br />

Hegau und das westliche Seeufer Schwerpunkte für die menschliche<br />

Besiedlung, während das eigentliche Oberschwaben außer dem Donautal<br />

und dem wildreichen Land am Federsee weitgehend menschenleer<br />

bleibt. Da Oberschwaben zur Zeit der Römer weniger Siedlungsland,<br />

die Hauptverkehrsstraßen ausgenommen, als vielmehr<br />

Durchgangsland hin zur bevölkerten Donaulinie war, dürfen wir als<br />

Wurzel der Siedlung die alemannische Landnahme<br />

(3. Jahrh.) annehmen. Die Flügel westlich und östlich<br />

der Schüssen waren siedlungsleer, deshalb können wir hier auf<br />

ein geschlossenes Waldland schließen. Von den Kernräumen aus<br />

drang in vorkarolingischer und karolingischer Zeit die Kolonisation<br />

in die Waldräume vor. Eine große Ausdehnung fanden die 'Auibauräume<br />

des Westens, besonders die Talgassen. Der ganze Ausbau ist<br />

dabei eine Rodekolonisation in den durch Weidgang gelichteten<br />

Hardt- und Laubwäldern des westlichen Oberschwaben. Gründer der<br />

Ausbausiedlungen waren durchweg noch die freien alemannischen<br />

Bauern. Die Ausbausiedlungen schließen sich meist in ihrem Aussehen<br />

und in ihrer Struktur eng an die Altlandsiedlungen an. Es<br />

sind fast immer geschlossene Dorfgebiete im Laubwald. Die eigentliche<br />

Rodung hingegen schafft nur Weiler und Einzelhofgebiete mit<br />

kleinen Parzellen in zentralen Waldgebieten. Die Rodung ging bis<br />

in die staufische Zeit. Sie fand ihren Abschluß in der Ansetzung der<br />

freier: •Säuern oder auch Klöster auf Königsland, d. h. der Schenkung<br />

eines noch ungenutzten Waldgebietes sollte ein Anreiz folgen<br />

für die Übernahme der schweren Waldrodung.<br />

Einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Rodung<br />

und Besiedlung hatten neben den Bauern die geistlichen<br />

Herrschalten, nie t das Bistum Konstanz, sondern die<br />

Klöster und Abteien, die nach dem 8. Jahrhundert in erstaunlich<br />

großer Zahl aufgeblüht waren. Die Frühklöster Oberschwabens<br />

wurden mit den Abteien St. Gallen und Reichenau<br />

eröffnet. Quelle für das oberschwäbische Mönchtum wurden<br />

die Iroschotten. Wir müssen uns von vorne herein<br />

klar darüber werden, daß die Christianisierung nicht in der<br />

Absicht der iroschottischen Wandermissionare lag, eis sie in<br />

einem angeborenen Wander- und Erlebnistrieb ihre heimatliche<br />

Insel verließen. Neben ihre zum Wandern geneigte Natur<br />

trat der Wille, Gott das Opfer der Heimat zu bringen, um<br />

ihm in einem fremden Lande zu dienen. Also war das Ziel<br />

persönliche, aszetische Vollendung und nicht die Ausbreitung<br />

des Glaubens. Der Plan einer Christianisierung dieser Völker<br />

lag im Sinne König Theudebert II.<br />

Die Klöster Oberschwabens<br />

(7. bis 15. Jahrh.)<br />

von Sr. M. Benedicta O.S.F.<br />

Als Columban mit noch 12 Gefährten um 6 0 0 auf<br />

das Festland kam, übergao der König inm und seinen Brüdern<br />

das Bodenseegebiet mit der Aufgabe, den christlichen<br />

Glauben zu festigen und zu vertiefen, um dadurch eine gesicherte<br />

politische Einigung der Franken und Alemannen zu<br />

erzielen. Gesetzlich war die Kirche bei den Alemannen schon<br />

seit dem 6. Jahrh. durch die „lex alamannorum" eingeführt.<br />

Beweis für die Christianisierung von oben her ist däs Fehlen<br />

der Märtyrer in Oberschwaben. St. Columban baute zuerst<br />

ein Kloster in Bregenz. Die politisch gefärbte Missionierung<br />

und der Gegensatz zum neuen Herrscher zwangen ihn<br />

bald, das Land zu verlassen.Verärgert ließ er den kranken<br />

Gallus zurück in Arbon. St. Columban starb bald darauf.<br />

Nach seiner Gesundung zog Gallus in den Arboner Forst<br />

hinein (6121 und wählte sich im Hochtal der Steinach den Ort<br />

für die geplante Niederlassung. Es schlössen sich ihm junge<br />

Männer aus der Umgebung an, die ihm halfen, ein Kloster<br />

aufzubauen. Gebet, Rodung des Waldes, Bestellung der Felder<br />

wechselten sich im Leben dieser Menschen ab. Das Kloster<br />

sollte von Anfang an eine sich selbst versorgende Wirtschaftsgemeinschaft<br />

sein Mit der Heilung der Tochter Cunzos,<br />

des Herzogs v. Uberlingen, trat Gallus in Beziehung zum<br />

merowingischen Hof. Es wurde ihm der Bischofsstuhl von<br />

Konstanz angeboten, den er jedoch ablehnte. Er erhielt noch<br />

einen Schutzbrief und die Grundschenkung für seinen Konvent.<br />

Gallus kannte die alemannische Sprache und den Charakter<br />

des Volkes. Sein Verständnis ihm gegenüber erwarben<br />

ihm schon zu Lebzeiten eine tiefe Verehrung, und nach seinem<br />

Tode wurde die Galluszelle Stätte und Ziel vieler Pilgerfahrten.<br />

Rund 100 Jahre später beauftragte Karl<br />

Martell Pirmin, einen Westgoten, eine staatskirchliche<br />

Reform im alemannischen Raum<br />

aufzugreifen. Er konnte das tun, denn die Fürsten und<br />

Könige waren Eigenkirchenherren, d. h. sie besaßen das<br />

Recht, sien inre Geistlichen selbst zu wählen, ein- und abzusetzen.<br />

Zur selben Zeit wurde Bonifatius zu den Hessen<br />

entsandt. Pirmin richtete in den S-Vogesen Murbach ein, das<br />

von Graf Eberhard auf seinem Eigengut erstellt worden war.<br />

Doch da Pirmin einen sehr harten und eigenwilligen Sinn<br />

hatte, vertrug er sich nicht lange mit den Grafen, zog sich<br />

zurück, und sein Gönner schenkte ihm nebst Schutz und Einweisungsbrief<br />

die Insel Sintleozan (Reichenau) mit den Orten:<br />

Markelf ingen, Allensbach, Kaltbrunn, Wollmatingen,<br />

Ermatingn und Allmannsdorf. Die Reichenau galt als fränkischer<br />

Stützpunkt gegen das alemannische und noch herzogstreue<br />

Konstanz. Die laufenden Einnahmen erhielt die Neugründung<br />

aus dem geschenkten Krongut der Bodenseeorte.<br />

Der Beginn der Reichenau fällt in die Zeit von 722. Noch<br />

nicht 10 Jahre später entstand von der Reichenau aus Pfäfers<br />

in Graubünden und 741 Nieder-Alteich in Bayern und um<br />

900 Einsiedeln. Später wandte sich der Abt wieder westwärts<br />

und gründete nacheinander: Schuttern, Gengenbach, Schwarzach,<br />

Neuweiler im Elsaß und als letzte Gründung Hornbach<br />

bei Pirmasens, wo er 753 starb.<br />

Karl Martell war im Grunde genommen der eigentliche<br />

Erbauer von St. Gallen, denn er ließ an der Stelle der<br />

beinahe verwaisten Einsiedlerzelle des Hl. Gallus ein Ordiensnaus<br />

erstellen und übertrug dem alemannischen Abt Otmar<br />

die Abtswürde, der eine Schule, em Spital und ein Leprosenheim<br />

einrichtete. Karlmann übergab der Brüdergemeinde die<br />

Regel Benedikts. Dazu erhielt St. Gallen reiche Schenkungen<br />

im Thurgau, um Arbon, in Oberschwaben und im Breisgau.<br />

Der Convent wuchs so rasch an, daß schon um 730 einige<br />

Mönche in das benachbarte Allgäu entsandt werden konnten,<br />

unter ihnen St. Magnus und St Theodor. Theodor blieb in<br />

Kempten, kehrte bald zurück, doch wurde 752 seine Zelle von<br />

Mönch Audegar in ein Benediktinerkloster ausgebaut, das<br />

von Königin Hildgard (Gemahlin Karls des Großen) reich beschenkt<br />

und zur Fürstabtei ernoben wurde, Magnus wanderte<br />

weiter und baute in Füssen eine Zelle, die von König<br />

Pippin ausgedehnte Besitzungen erhielt. St. Magnus wurde<br />

und wird noch als Landesheiliger verehrt.<br />

Während es der Reichenau gelang, im karolingischen<br />

Jahrhundert zu abendländischer Bedeutung emporzusteigen,<br />

blieb St. Gallen noch stark Im Hintergrund. Abt Otmar,<br />

der in Streitigkeiten mit dem Bischof "on Konstanz geraten<br />

war, dem Abt der Reichenau und den fränkischen Herzögen,


56 HOHENZOL E ISCHE Jahrgang 1958<br />

die Besitzansprüche geltend machten, war der Anlaß, daß<br />

nach seinem Tode für St. Gallen ein Mönch der Reichenau<br />

als Abt gewählt wurde, der sich sofort unterwarf und die<br />

jährlichen Abgaben entrichtete. St. Gallen stand also im<br />

Schatten der Reichenau, deren Äbte seit 736 gleichzeitig auch<br />

Bischöfe v. Konstanz waren; daneben ließen die Besitzungen<br />

der Reichenau im Altsiedlungsland eine bereits voll ausgebaute<br />

grundherrschaftliche Wirtschaft zu. Das Inselkloster<br />

wurde bald zum Mittelpunkt klösterlicher Bildung im<br />

Frankenreich. Mit AbtWaldo, dem Erbauer von Niederzell,<br />

(786—806) brach das „goldene Zeitalter" für<br />

sie an. Er rief die Gelehrtenschule und Bibliothek ins Leben,<br />

bekam den Bischofsstuhl in Pavia und wurde zuletzt als Abt<br />

nach St. Denis berufen, der Grabstätte der Merowingerkönige.<br />

Sein Nachfolger Heito vereinigt mit dem Abtsstab<br />

noch die Bischofswürde von Basel, führte eine notwendig<br />

gewordene Reform durch und war sich trotz der glänzenden<br />

politischen und diplomatischen Laufbahn, die sich ihm auftat,<br />

ganz seiner Berufung und Verpflichtung als Abt bewußt.<br />

Das Querhaus des Reichenauer Münsters (Mittelzell)<br />

geht noch auf ihn zurück. Von Kaiser Ludwig d. Frommen<br />

ließ er sich die freie Abtswahl und die Lösung vom Grafengericht<br />

bestätigen. Unter Abt. Erlebald, dem Asket,<br />

lebte der Dichter, theol. Schriftsteller und Hagiograph:<br />

Walafrid Strabo. Im 9. Jahrh. erlebte die „augia<br />

maior" eine kurze Spanne unerhörter Blüte. Es war die Pe-<br />

Haigerloch, Unterstadtkirche, Außenansicht<br />

Klichee: Badische Volkszeitung<br />

riode ihres höchsten Reichtums. Die Besitzungen reichten<br />

vom rätischen Chur bis in die Gegend von Pforzheim, waren<br />

bes. zahlreich im Donautal, von Dillingen bis Ulm und<br />

bis zur Baar. Leider mußte die Reichenau ihre beispiellose<br />

kulturelle Leistung mit jahrhundertelangem Siechtum und<br />

unrühmlichen Ende bezahlen; wenn St. Gallen einen weit<br />

längeren Bestand aufwies, dürfen wir ohne weiteres den<br />

Grund dafür in der, mit wenigen Ausnahmen, mehr auf die<br />

Politik und weltliche Macht eingestellten Haltung vieler<br />

Reichenauer Äbte wie Mönche sehen. Z. B. ist es klar, daß<br />

es für Äbte, wie etwa, Hatto II (888—913), um nochmal eine<br />

markante Gestalt herauszugreifen, nicht leicht war Abt,<br />

Bischof von Mainz, Reichskanzler und gleichzeitig einfacher<br />

Ordensmann zu sein, der nicht die Zucht auf Kosten weltlicher<br />

Ehre preisgab. Wie ein Symbol des damals herrschenden<br />

Geistes sind uns die in romanischem Stil erbauten<br />

Kirchen erhalten. Sie sind uns weniger Künder einer ganz<br />

auf das Jenseits gerichteten Geistigkeit, wie es später die<br />

Gotik wurde, sondern eines Zeitalters, das die Werte des<br />

Diesseits schätzte und Natur, Schönheit, Ehre und Rang in<br />

Gott bejahte. Der Massenbau der romanischen Kirche spricht<br />

uns von einer kirchlichen Art, die gewillt war, Weltzugewandtheit<br />

und dies besonders im Staatlichen zu verwirklichen,<br />

wie es die Haltung vieler Kleriker bewies. Ein Verhängnis<br />

wurde es für die Reichenau, daß beinahe nur Söhne<br />

des Hochadels Einlaß fanden, denn mit dem Rückgang des


Jahi 1958 H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 57<br />

Adels blieb auch der Nachwuchs aus, und der rasche Abstieg<br />

war nicht mehr aufzuhalten. Die Kunstschule sah keine<br />

Schüler mehr, und die Lehrstühle der einst glänzenden Professoren<br />

blieben unbesetzt. 200 Jahre später steht Hermann<br />

der Lahme (geb. 1013 als Sohn des Grafen Wolferats<br />

II. von Altshausen) Dichter des noch heute beliebten<br />

„Salve regina" und „Alma redemptoris mater" als einsame<br />

Leuchte in einem unproduktiven Konvent. 1402 war das<br />

Kloster bettelarm, es besaß nur noch zwei Konventualen und<br />

mußte nach einem nochmaligen kurzen Aufschwung 1540 dem<br />

Bistum Konstanz einverleibt werden.<br />

Das Königskloster St. Gallen war nicht gezwungen, auf<br />

einen solch tiefen Niedergang zu blicken wie die ihm befreundete<br />

Abtei. Obwohl das Kloster noch reichere Güter<br />

als die Reichenau besaß, es nannte Besitzungen im Thurgau,<br />

Breisgau, Rätien sein eigen und im Elsaß, (160 000 Morgen)<br />

gelangte es nicht ganz zu derselben Bedeutung. Schon im 10.<br />

Jahrh. begannen die herzlichen Beziehungen kühler zu werden,<br />

denn die [geistige Entwicklung beider Abteien war mehr<br />

und mehr auseinandergelaufen. Die Reichenauer Mönche hatten<br />

den folgenschweren Sprung hinein und zurück in die<br />

Welt, die Politik, das höfische Leben gewagt, vor dem sich<br />

die in St. Gallen scheuten und darum etwas länger ihre innere<br />

Zucht und Geschlossenheit bewahren konnten, abgesehen von<br />

erheblichen Gebietsverlusten, bis zur gänzlichen Säkularisation<br />

im Jahre 1805. St. Gallen und die Reichenau waren die<br />

Keimzelle mönchischen Lebens im oberschwäbischen Raum.<br />

Es folgten bis zum Jahre 1000:<br />

750 Füssen.<br />

752 Kempten.<br />

776 Ober-Marchtal von St. Gallen aus, mit ältester Barockkirche.<br />

777 Augustinerstift Beui n. Fiel 1802 an Sigmaringer.-Hohenz.<br />

1862 Neugründung durch Erzabt Wolter u. Kath. v. Hohenzollern.<br />

764 Benediktinerabtei Ottobeuren von Graf Silaeh (Alemanne).<br />

778 Rheinau von einem Weifen (heute Irrenanstalt).<br />

um 800 das adelige Damenstift Buchau, das eine Schenkung König<br />

Ludwig des Frommen an seine Tochter Irmingard war.<br />

Äbt. Maximiiiana legte im 18. Jahrh. mehrere Sümpfe in der<br />

Dorfnähe trocken und fällte zweimal den Seespiegel. 1803<br />

kam das Anwesen an Thurn und Taxis und findet jetzt als<br />

Kinderheim Verwendung.<br />

801 Schienen.<br />

810 das adelige Damenstift zu Lindau,<br />

um 900 Benediktinerabtei Einsiedeln.<br />

950 Kreuzlingen/1848 säkularisiert, jetzt Lehrerseminar,<br />

um 950 Twiel von der Fürstin Hadwig.<br />

um 970 Stein am Rhein.<br />

983 durch den Bischof von Konstanz Petershausen.<br />

940 Frauenkloster Altdorf bei vVeingarten, durch einen Weifen,<br />

1056 wechselten die Benediktiner von Altomünster mit den<br />

Nonnen das Kloster, da zwei Frauen aus dem Geschlechte<br />

der Weifen in Altomünster begraben sein wollten, r s Abtei<br />

erfreut sich der größten und großartigsten Barockkirche des<br />

Raumes. 1802 säkularisiert kam an den Fürsten von Nassau-<br />

Dillenberg.<br />

Diesen Gründungen folgten von 1000 bis 1100:<br />

1089 Die Benediktinerabtei Zwiefalten mit der reichsten<br />

Barockkirche. Im 12. Jahrhundert war sie das bedeutendste<br />

Kloster Oberschwabens, das bis Böhme" und Polen<br />

hinein eine segensreiche Tätigkeit im Getreide-,<br />

Obst- und Weinbau, durch die Pflege von Kunst und<br />

Wissenschaft und bes. durch seine strenge Klosterzucht<br />

entfaltete. Bei der Säkularisation 1802 erwarb sich das<br />

in den Kurfürstenstand erhobene Württemberg die<br />

reichen Güter (2'/» Quadratmeilen).,<br />

1093 wurde die ehemalige Benediktinerabtei Wiblingen<br />

von den Grafen Hartmann und Otto von Kirchberg gestiftet.<br />

Die 1. Mönche gab St. Blasien. Schon unter seinem<br />

1. Abt wurden die Sümpfe und zum Teil auch<br />

Waldländer um das Kloster in schöne und fruchtbare<br />

Gefilde verwandelt.<br />

Im 16. Jahrhundert darf es seine Blüte erleben, viele Klöster und<br />

Schulen suchten damals hier ihre Gelehrten. 1806 fielen die Besitzungen<br />

an Württemberg. Es kl I in Wiblingen noch heute die prächtige<br />

Bibliothek aus de- 18. Jahrh. gezeigt werden.<br />

1097—1806 war die Zeit der vom Grafen Ulrich v. Bregenz<br />

und seiner Gemahlin Berta gegründeten Benediktinerabtei<br />

Mehrerau.<br />

1854 kauften die aus Wettingen vertriebenen Zisterzienser das Konventsgebäud<br />

und richteten ein vollständiges humanistisches Gymnasium,<br />

eine 2 kl. Handelsschule und eine landwirtschaftliche Winterschule<br />

ein.<br />

1099 wurde die von 1495 an reichsunmittelbare Benediktinerabtei<br />

Ochsenhausen von einem Ministerialen der<br />

Weifen ins Leben gerufen, auf der Anhöhe des von den<br />

Ungarn 955 zerstörten Benediktinerinnenkonventes. Die<br />

fliehenden Nonnen sollen das Kirchengut in einer Kiste<br />

vergraben haben, auf die ca. 100 Jahre später, nach der<br />

Tradition, beim Pflügen ein Ochse gestoßen ist, der<br />

Markt und Kloster den Namen gegeben haben soll.<br />

Ochsenhausen war bis 1392 Priorat von St. Blasien. Hier<br />

dürfen wir mit Rodungen in dem von den Weifen, den<br />

Grafen von Kirchbcrg und den Grafen von Montfort ge-<br />

schenkten Gebiet rechnen. Die Besitzungen fielen 1803<br />

dem Reichsgrafen Franz Georg Metternich-Winneberg<br />

zu und 1825 Württemberg. Heute ist in Ochsenhausen<br />

ein staatl. Aufbaugymnasium.<br />

1127 Schon in -die Entstehungszeit der Reformklöster fällt<br />

die Gründung des Benediktinerinnenklosters Urspring<br />

bei Schelklingen, das 1806 aufgehoben, in eine Baumwollspinnerei<br />

und gegenwärtig in ein ev. Landerziehungsheim<br />

umgewandelt wurde. Kirche und Klausurgebäude<br />

blieben zum Teil erhalten.<br />

Mit dem 11. Jahrh. schließt die Periode der großen<br />

Benediktinergründungen ab, und es folgen die der<br />

2. Periode angehörenden Zisterzienserund<br />

Prämonstratenserorden, -die für die Rodung<br />

und Urbarmachung des Landes noch bedeutender<br />

waren, weil die Ordensregel des Zisterziensers das<br />

Hauptgewicht auf die Handarbeit legt. Benedikt war<br />

der erste, der neben das Bete auch das Arbeite stellte.<br />

Er wich damit vom Weg des schon vor Christi Geburt<br />

bestehenden Mönchtums ab, -der die Handarbeit ganz<br />

ablehnte, um nur der Beschauung zu leben. Nur auf<br />

diese Weise war es möglich, daß die Mönche neben der<br />

Verbreitung der Religion, Pioniere für die Ausbreitung<br />

der griechisch-römischen Kultur werden konnten. Als<br />

Voraussetzung brachten sie den Bauern mehr Kenntnisse<br />

im Ackerbau und hauptsächlich im Obstbau, den<br />

sie zum Teil neu einführten, der Viehzucht und dem<br />

Handwerk bei, um sie so aufgeschlossener zu machen<br />

für das geistige Erbe, -das sie ihnen bieten konnten. Die<br />

Mönche rodeten und planierten nicht nur den Boden,<br />

sondern versuchten, ihn auch bei entsprechender Qualität<br />

zu veredeln. Um die Klöster legten sie Obsthöfe,<br />

Gemüse-, Blumengärten und Weinberge an und bemühten<br />

sich, zahlreiche Kulturpflanzen an das nordische<br />

Klima anzugewöhnen. Durch das Vorbild der Mönche<br />

kamen die Germanen mehr und mehr von der Verachtung<br />

der Handarbeit ab, so daß auch sie sich daran wagten,<br />

den Pflug zu führen. Eine weitere Wandlung erfuhr<br />

das Siedlungsbild. Durch die steinernen Klosterbauten<br />

angeregt, wurden die Holzbauten mehr und mehr verdrängt.<br />

Übertroffen aber wurden die wirtschaftlichen<br />

und kulturellen Belange durch ihre Leistungen auf<br />

den Gebieten der Wissenschaft, Kunst und Religion.<br />

Mit dem Niedergang der gefeierten Benediktinerabteien<br />

bildete sich unter der Leitung des hl. Robert v. C i t ea<br />

u x 1 0 9 8 die Neugründung Zisterzium heraus (in dter unwirtlichen<br />

Ebene Burgunds), in der die Regel des hl. Benedikt<br />

im Geiste strengster Aszese beobachtet wurde. Bald<br />

wurden für dieses Kloster bes. Statuten herausgegeben, die<br />

unter Abt Bernhard von Clairvaux noch weiter ausgebaut<br />

wurden, und so war, ohne erste Beabsichtigung, neben dem<br />

Benediktinerorden eine neue Gemeinschaft entstanden. Die<br />

Zist. Verfassung schrieb vor, -daß ein Kloster wenigstens<br />

hundert Meilen vom andern entfernt sein müsse und wenigstens<br />

60 Mönche zur Neugrüdung bereit sein sollten. Weil sie<br />

sich ihren Lebensunterhalt nur durch die Landwirtschaft beschaffen<br />

durften, wählten sie sich zur Ansiedlung möglichst<br />

geschützte Täler, nicht wie die Benediktiner, die ihre Klöster<br />

bevorzugt auf Berge, in enge Tälschluchten oder gar auf Inseln<br />

bauten. Ein bedeutender Unterschied in der landwirtschaftlichen<br />

Nutzung der Güter beider Orden war ebenso<br />

vorhanden. Während die Benediktiner vielfach dazu übergegangen<br />

waren, ihr Land zu parzellieren und zu verpachten,<br />

um fich durch Einnahme des Zehnten den Lebensunterh<br />

zu sichern, trieben die Zisterzienser nur Eigenwirtschaft. Sie<br />

arrondierten ihren Besitz und gründeten als Stützpunkt die<br />

sogen. „Grangien", das sind Kornspeicher, Ackerhöfe, die von<br />

Laienbrüdern oder Konversen betrieben wurden. Die Konveisen<br />

waren Ordensbrüder, die, nicht wie die eigentlichen<br />

Mönche Priester und Lehrer werden konnten, auch nicht<br />

am vollen Chorgebet teilnahmen, sondern die Wirtschaft<br />

besorgten. Sie waren durchschnittlich Söhne der Lauern der<br />

Umgebung. Früher waren es meist bedeutend mehr Konversen<br />

als Patres in einem Convent. Über dem Abte einer jedei<br />

Abtei stand der visitierende Abt des Mutterklosters, i 5 daß<br />

die Finanzverwaltung streng geordnet war. Es war nicht so<br />

leicht eine Verwirtschaftung des Klostergutes möglich, die so<br />

manche Benediktinerabtei an den Rand des wirtschaftlichen<br />

Verfalls gebracht hatte. Ihr Eifer und Geschick erlangte den<br />

Zisterziensern bald die Führung auf allen Gebieten der<br />

Landwirtschaft, des Getreide-, Wein-, Obstbaus, der Pferde-,<br />

Rindvieh-, Schaf- und Bienenzucht, in der Anlage -on Bäckereien,<br />

Mahl-, Walkmühlen usw. Die Okonomiehöfe der Zisterzienser<br />

waren die Ackerbauschulen der damaligen Zeit,<br />

und geistl. und weltliche Fürsten bemühten sich, „graue


58 HOHENZOL E SC HE HEIMAT Jahrgang JH58<br />

Mönche" als Leiter und Verwalter ihrer Hospitäler und Güter<br />

zu gewinnen. Das Hauptwirkungsfeld war der deutsche<br />

Osten, aber auch in Süddeutschland blühte ein Zist.-Kloster<br />

auf:<br />

Salem. Es wurde 1134 von Ritter Guntram von Adelsreute<br />

bei Ravensburg angeregt, der sich in L ü z e 1 Mönche erbat<br />

und ihnen einen großen Teil seiner Güter im Linzgau überließ.<br />

In den folgenden Jahrhunderten gelang es Salem, zu dem geschenkten<br />

Besitz noch vieles hinzuzukaufen, auf Grund dessen<br />

wurde die Abtei bald zum Lehensherrn. Sie ist eine der wenigen<br />

Abteien jüngeren Datums und mit der Zisterz. Regel ausgestattet,<br />

die wie die früheren Gründungen einen ausgesprochenen Streubesitz<br />

hatte, statt eines geschlossenen Territoriums. Bei Ottobeuren und<br />

Kempten war es gerade umgekehrt. Der Konvent unterstand in<br />

weltlichen Dingen direkt dem Kaiser, dem er in Kriegszeiten Soldaten<br />

und Abgaben liefern mußte. Dem Bischof gegenüber bestand<br />

beinahe volle Unabhängigkeit.<br />

Die Zisterzienser brachten auch einen neuen Baustil. Ein<br />

typisches Beispiel dafür ist die noch erhaltene Klosterkirche<br />

Salems: Übergang von der Romantik zur Gotik, noch stark<br />

gezügeltes nach Oben-Streben, mit dem, aus Einfachheitsgründen<br />

vorgeschriebenen Dachreiter, statt eines Turmes. Die<br />

Innenausstattung allerdings stammt aus einer viel späteren<br />

Periode und ist der Art des Ordens total entgegengesetzt. Sie<br />

stellt eine Mustersammlung klassizistischer Motive und Bildungen<br />

dar, wie keine 2. in Deutschland entstand. Salem<br />

kann kein Rodungskloster genannt werden, hier haben die<br />

Mönche Sümpfe trocken gelegt. Die tiefe Lage des Gebäudes,<br />

gegenüber den höher gelegenen Nachbardörfern, weist darauf<br />

hin. In der Reihe der Zisterz. Männergründungen am Bodensee<br />

blieb Salem allein, weil sich die Mönche während der<br />

Auseinandersetzungen Kaiser-Papst auf die Seite des Papstets<br />

stellten. Der Kaiser (Friedrich II) bewilligte deshalb<br />

später einfach keine Grundstücke mehr.<br />

Priorat von Salem war Maurach oder Birnau, ein<br />

Geschenk von Heinrich dem Löwen, mit seiner 1747—50 von<br />

Peter Thumb erbauten herrlichen Rokoko-Kirche. 1808 säkularisiert.<br />

Salem unterstellt waren die Frauenabteien:<br />

Heggbach (1134—1803), Bassenheim und Plettenberg-Rhein. Adel<br />

erhielt Besitzungen.<br />

Heiligkreuzthal (1140—1806), die Güter fielen an Württemberg.<br />

Wald (1200—1806), Besitz kam an Hohenzollern.<br />

Gutenzell (1237—1803), den Grafen Törring zugewiesen, heute<br />

Rentamt.<br />

Baindt (1238—1803) heute Heim für verwahrloste Kinder fiel<br />

an Graf Aspermont-Linden.<br />

Reichsunmittelbare Zisterzienserinnenabteien waren in<br />

Oberschwaben nur: Gutenzell, Heggbach und Baindt.<br />

Neben den Zisterziensern setzten sich fast um dieselbe<br />

Zeit die Prämonstratenser in Schwaben fest. Es war<br />

eine unter dem hl. Norbert entstandene Reformbewegung des<br />

Weltklerus, Der Name rührt von der Erstgründung im Waldtal<br />

von Premontre her, wo 40 Kleriker 1121 zum, 1. Mal die<br />

Gelübde ablegten. Den engen Zusammenschluß mit dem Mutterkloster,<br />

wie dem wirtschaftlichen Eigenbetrieb, übernahmen<br />

sie vom Zisterzienserorden<br />

Das erste noch vom hl. Norbert selbst gegründete Kloster<br />

in Schwaben war „Rot oder früher „M ö n c h s r o t' 1<br />

an der Rot. 1126—1803. Hier dürfte es sich um ein Rodungskloster<br />

handeln.<br />

Rot war viele Jahrhunderte als erstes Prämonstratenserkloster in<br />

Württemberg geistig und religiös führend. Bei der Säkularisation<br />

ging es • n Graf Ludwig von Wartenberg über. Von Rot gingen die<br />

Tochterniederlassungen:<br />

Weißenau (1145—1803) und Ober-Marchtal aus<br />

Die Herren von Thum und Taxis wurden mit Ober-Marchtai<br />

entschädigt. Während es sich bei Ober-Marchtal weder um<br />

Ausbau- noch Rodungssiedlung handeln kann, ist dies für<br />

Weißenau gewiß, Den Urkunden gemäß siedelten sich in<br />

diesem Gelände die Mönche zuerst an, legten die Sümpfe<br />

trocken und rodeten den Wald.<br />

Bis zur Aufhebung 180L Destand hier nur die ' ilostersiedlung. Es<br />

gehörten damals 137 Dörfer, Weiler und . löfe hinzu. Das Gebiet<br />

wurde erst den Grafen Sternberg-Mandersi' eic igetei t und später<br />

Württ ftberg. Neuerdings ist es psychiatrisches Landeskrankenhaus,<br />

/or Weißenau ging 1 -8 die 4. oberschwäbische Prämonstratensersiedlung<br />

aus:<br />

Schussenried. Bei Schussenriea muß es sich um eine<br />

Gemeinschaft handeln, die sich neben Rodung besonders um<br />

die Trockenlegung von Sümpfen kümmerte.<br />

Bedeutsam ist der Bau der Steinhauser Pfarrkirche von Schussenried<br />

aus. Baurai ..ter war Dor-"nlkus 'irrmermann, und Bausteine<br />

versprach die Priorin von Sie'm zu 'lefern aus dem klostereigenen<br />

Steinbruch. Allerdings beliefen sich die Kosten der Kirche<br />

trotzdem noch auf 40 000 Guldtn, mehr als man zuvor bs -echnete,<br />

und weil der Konvent diese "Cht be'.illigte, mußte der damalige<br />

Abt abdanken. '803 wurde Sc* issenried aufgehoben uni xam wie<br />

Weissenau ii den Besitz des Grafen Sternberg-Manderscheid.<br />

Im 13. Jahrhundert setzt für Oberschwaben<br />

die 3. und letzte Klostergründungsperiode<br />

ein, die nicht mit der Landerschlie-<br />

ßung, sondern mit dem Aufblühen der Städte<br />

in Beziehung steht: Die Bettelorden des hl.<br />

Franziskus und Dominikus. Sie waren erwachsen<br />

aus dem Bestreben, dem auch in der Kirche, den Klöstern<br />

und Stiftern eingezogenen Reichtum und Luxus gegenüber,<br />

das Leben des armen Christus und die Einfachheit der apostolischen<br />

Frühzeit zu erneuern. Als Feinde jeglichen Grundbesitzes<br />

erwarteten sie ihren Unterhalt nicht von Pachtgeldern,<br />

Zehnten und Renten, sondern nur von geleisteter Arbeit<br />

und den milden Gaben der Gläubigen, um die in der<br />

demütigsten Weise des Betteins angegangen werden sollte.<br />

Waren die alten Benediktinerabteien die Stätten für die<br />

feudalen Stände der Hochedlen, die Zisterzienser und ähnliche<br />

Orden Lieblinge der ritterlichen Klassen, so wurden<br />

diese armen Brüder Christi die gegebenen Prediger und Seelsorger<br />

für das einfache Bürgervolk. Sie waren schon durch<br />

ihr Dasein eine stete Predigt für den reichgewordenen Klerus,<br />

die Händler und Krämer. In gleicher Weise aber auch<br />

waren sie ein Rückhalt in moralischer Hinsicht für die<br />

Armen und Elenden, deren Abstand von den Reichen die<br />

Geldwirtschaft viel krasser offenbarte. Eine größere oder<br />

kleinere Franziskanergründung treffen wir heute beinahe in<br />

jeder Stadt und Kleinstadt an, darum ist es nicht möglich, sie<br />

alle zu erwähnen. 1229 betraten die ersten Minoriten Ülm.<br />

Im selben Jahr entstand in Söflingen ein Klarissinnenkloster.<br />

Es folgten:<br />

1259 die Dominikanerinnen von Habsthal. (1806 zjg Sigm.-Hohenzollern<br />

das Kloster an sich, seit 1892 erneut Benediktinerinnenabtei).<br />

1251 Sießen, das Eigentum der Herren von Thum und Taxis wurde.<br />

(1803) 1860 erwarben es die Schulschwestern des hl. Franziskus<br />

von Oggelsbeuren, die ein Lehrerinnenseminar mit Handelsschule<br />

und Haushaltungsschule unterhalten. Eine weitere Gründung<br />

war um:<br />

1340 Hedingen, die wegen mangelnder Zucht nicht lange bestehen<br />

konnte.<br />

1303 Franziskanerkloster Gorheim.<br />

1354 Das Frauenkloster Inzigkofen, das wegen seiner außergewöhnlich<br />

hohen Zucht nie einer Reform bedurfte.<br />

1406 Reute.<br />

Alle drei wurden 1782 von Josef II aufgehoben.<br />

Einen noch recht ansehnlichen Teil am oberschwäbischen Boden<br />

besaß zu dieser Zeit der Deutschritterorden, und zwar die<br />

Kommende Altshausen mit Ländereien im Hegau (seit 1268) und die<br />

Insel Mainau (seit 1272). 1806 nahm Württemberg den gesamten<br />

Güterkomplex in Besitz.<br />

Noch zu erwähnen wären die Spitäler und S p i t a 1 o r d en,<br />

die in den Städten entstanden waren und denen z. T. auch Güter<br />

zur Verfügung standen. Uberlingen und Pfullendorf<br />

waren sehr reich, doch trugen sie nur örtliche Bedeutung.<br />

Im SO zwischen Argen und Iiier ist das Zurücktreten des klösterlichen<br />

Besitzes sehr auffällig. Es dehnte sich hier das selbständige<br />

Territorium der Truchsesse von Waldburg aus. Andere Territorien<br />

am Obersee und Schussenbecken gehörten den Grafen von Montfort<br />

und einzelne Streubesitzungen im Westen waren Eigentum der<br />

Fürstenberger.<br />

Zusammenfassend stellen wir fest., daß die kulturlandschaftliche<br />

Bedeutung des Klosterbesitzes auch darin lag, laß<br />

bei ihm darauf geachtet wurde, die Bauernieher nicht zu<br />

teilen, um eine vollbäuerliche Struktur zu erzielen. Es konnte<br />

sich ein lebensfähiges, selbstbewußtes Bauerntum mit marktgünstigem<br />

Wirtschaftssystem herausbilden. Eine Ausnahme<br />

machte die vielfache Peuplierungspolitik der Ritterorden. Dazu<br />

kam noch der kultureile Einfluß, der durch die habsburgische<br />

Landvogtei in Weingarten, Oberschwaben zu einem<br />

konservativ kath. Land stempelte. Im Mittelalter waren die<br />

Klöster Vortrupp der Kolonisation trotz aller Wirren und<br />

Unruhen, denen sie während der verschiedenen Kriege<br />

(Bauernkrieg, Ungarneinfäile, Reformation, 30 jähr. Krieg,<br />

Schwedenkämpfe, Span. Erbfolgekrieg) ausgesetzt w=ren;<br />

manche mußten im Laufe der Zeit mehr als einmal fliehen,<br />

erholten sie sich zu neuer Blüte. Im Barock wur'en J; e<br />

Klöster Oberschwabens Brennpunkt einer neuen Religiosität<br />

und einer neuen künstlerischen Kultur. Das Barock, in dem<br />

der Körperstil der Romantik, der Unendlichkeitscharakter<br />

der deutschen Gotik und das Übermaß an Schmuck der<br />

Renaissance ihre Höhe und Vollendung finden, entfaltete<br />

seine großartigste Pracht in Oberschwaben. Barock ist die<br />

stolze und zugleich frohe Miteinbeziehung der Natur in das<br />

Reich der Religion. Nichts wird getrennt. Das ganze übersprudelnde<br />

Leben quiiit hier hinein in das Leben Gottes und<br />

dies alles gleichsam als Spiegel einer Landschaft, in der och<br />

heute Bauernhof, Kirche, Kloster und Schloß in enger Verknüpfung<br />

nebeneinander stehen.<br />

Bitte empfehlen Sie die<br />

„Hohenzollerische Heimat" in Ihrem Bekannten-<br />

kreis. Alle Postanstalten nehmen Bestellungen<br />

entgegen. Ein Heft kostet 40 Pfg.


Jahrgang' 1958 HOHENZOLLERISCHE HF. 1MAT 59<br />

Ein bedeutender Brief des Fürsten Josef Friedrich<br />

Als ich in den Hohz. Jahresheften, Jahrgang 1950, meinen<br />

Aufsatz über „Charakteristische Profile der Grafen und<br />

Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen" veröffentlichte,<br />

hatte ich von den besonderen Verdiensten des Fürsten Josef<br />

Friedrich als Auftraggeber der schönsten Barockbau-Kunstdenkmäler<br />

in Hohenzollern gesprochen. Ich nannte ihn damals<br />

den Barockbaumeister Hohenzollerns.<br />

Bei späteren Nachforschungen über seinen Sohn, den Erbprinzen<br />

Karl Friedrich, fand ich im Hausarchiv Sigmaringen:<br />

Kasten 20, Fach 12, Fase. 10 nachfolgenden bedeutenden<br />

Brief, welchen Fürst Josef Friedrich zum 20. Geburtstag<br />

an seinen Sohn, den Erbprinzen geschrieben hat. Der Brief<br />

will dem Sohne Lebensgrundsätze an die Hand geben. Der<br />

Vater tut dies mit allem väterlichen Ernst und hatte vielleicht<br />

auch Anlaß dazu. Wie aus anderen Quellen des Fürstl.<br />

Archivs ersichtlich ist, war Erbprinz Karl Friedrich, der in<br />

Dillingen bei den Jesuiten studierte, ein musikalischer Schöngeist<br />

und auch manchmal vielleicht etwas zu einer leichteren<br />

Lebensauffassung geneigt. Erbprinz Karl Friedrich war<br />

selbst ausübender Organist und hat der Sigmaringer Stadtpfarrkirche<br />

die noch heute stehende, allerdings stumme Chororgel<br />

zum Geschenk gemacht. Aus den väterlichen Ratschlägen<br />

zum 20. Geburtstag des Erbprinzen spricht ein hohes<br />

Ethos, ein tiefer sittlicher Ernst und eine Gesinnung, die im<br />

letzten Sinne als wirklich adelig anzusprechen ist.<br />

Wenn die Lektüre des Briefes im Originaltext zunächst<br />

vielleicht auch etwas Schwierigkeiten bereitet, so mußte die<br />

originale Wortgestalt und Schreibweise des 18. Jahrhunderts<br />

beibehalten werden. Im übrigen kann sich niemand dem<br />

bedeutsamen Inhalt dieses Briefes aus dem Jahre 1744 verschließen.<br />

Der Brief lautet:<br />

„Mein Sohn: nachdteme dir undter heutigem dato zu<br />

deinem Geburtstag meinen vätterlichen wollmainendten<br />

Wunsch abgeleget, anbey dir durch freywillige Abtrettung<br />

des Craiss-Cavallerie regiments/: dessen Ich sonsten Vermög<br />

eines Exespectanz Decret, undt Conclusi Circuli der recht<br />

massige Innhaber gewesen wäre:/ ein solches Present gemachet,<br />

vermög welchem Du dich gegen einer so vätterlichen<br />

Dettensee, Pfarrkirche von Süden<br />

mitgeteilt von Archivrat Dr. Johs. M a i e r<br />

obsorg/: die nit nur auff gegenwärtige, sondtern auch auff<br />

zuekünftige Zeitten hinausgehet:/ lebenlänglich so wohl der<br />

Büllichkeit, als deiner kündtlichen Schuldigkeit gemäs högst<br />

verbündten zuerkennen hast, als lebe ich der gäntzlichen<br />

Hoffnung, Solches in das Zuekünftige in der Thatt zu erfahren.<br />

Gleichwie aber meinen mündtlichen Glückwunsch so weitläuffig<br />

nit habe machen können, noch wollen, das dir in<br />

dessen Begriff hätte darthuen können, wie Du die gnadten<br />

Deines Vatters in Zuekunfft durch eine gute, und deiner<br />

geburt gemäss-ahnständige Auffiehrung abzuverdienen dich<br />

befleissen sollest, so hindterlasse ich dir durch gegenwärtige<br />

schrüfftliche Verfassung zu einem ewigen undt deinem Seelundt<br />

leibs nutzen abziehlenden ahngedenkhen folgendte<br />

Lehrstukh: als<br />

Vor allem liebe, und förchte Gott, dem zugeschweigen, das<br />

dich dein alleinig seeligmachender Glaube dahin anhaltet. So<br />

ist nur gar zu gewis, das Gott nit die geringste deiner<br />

undternemmungen segnen württ, so du ihne verlassest. Halte<br />

dich unzertrennlich ahn deinem glauben, undt mache bey<br />

Dir den vösten, gottgefälligen schluss, lieber zu sterben, als<br />

solchen durch beygebrachte, odter anoch beybringendte, falsche<br />

teufflische lehren zubemackhlen, worundter jene nit die geringste,<br />

welche dermahlen bey denen Frantzosen allerdtings<br />

gemein, die da sagen, quon peut etre Honet Home sans Religion<br />

c. c. Ich aber halte es in disem undt mehreren stuckchen<br />

mit den Teutschen, undt sage, das man ohne glauben kein<br />

Mensch seye: nach Gott solle dir nichts lieber seyn, als dein<br />

Ehr undt guter namen, disen bewahre sorgfältigst auff alle<br />

artt und weis, dan dessen Verlust ist unersetzlich. Erinnere<br />

dich jedterzeit, undt in allen Vorfallenheiten deines<br />

stands, und geburt, nit aber umb dich dadurch gross<br />

zu machen durch Undtertruckhung oder Verachtung deren<br />

jenigen, die Gott eintwedters zu hayl ihrer Seelen, odter aus<br />

einem andteren unerforschlichen absehen ernidtriget, sondtern<br />

schätze dich alleinig groß, das du aus purer Barmherzigkeit<br />

Gottes in einem solchen standt bist, in welchem<br />

Du Deinen Nebenmenschen guttes thuen,'. und denen bedürfftigen<br />

undter die arm greiffen könnest, wie es dir dann<br />

bey Antrettung, undt Fortsetzung deiner Regierung ahn<br />

solchen vergnieglich, undt verdienstlichen gelegenheiten niemahls<br />

ermanglen württ.<br />

Gleichwie du nun Innhaber eines regiments bist/ jedtoch<br />

also, das Ich mir auff eine gewihse Zeitt die freye Disposition<br />

über dessen Emolumenten undt Prorogativen Vorbehalte:/<br />

so lasse dir nur nit beyfallen, das d,u nun hierdurch<br />

dein vollkommener Herr wordten, undt nach nierr ndt mehr<br />

zu fragen habest, keineswegs, dan so lang Gott deinen<br />

Eltern das leben lassen württ, so lang bist du auch vor Gott<br />

schuldtig Ihnen mit kündtlichei Pflicht undt schuldigen Gehorsamb<br />

beyget'nan zuseyn: Z" deme/: Soldatt seyn/: ist<br />

das allergeringste, unnothwenaigste stuckh, so von einem<br />

grossen Herren, der mit der Zeit landt, undt Leuth zu regieren<br />

hat, erforderet württ, es werdten als standhafftere<br />

Eigenschaften von einem vollkommenen Regenten, cTer da<br />

Sich Selbsten, undt Seine Undterthanen glückseelig zu<br />

machen verlanget, begehret, wo dan das Soldatten leben,<br />

dessen hoche charges, und Dignitäten nur vor was Zuefälliges,<br />

nit aber nothwendiges mus angesehen wprdten. Damit<br />

aber ahn dir in das Zukünftige erfüllet werdte, was man<br />

anietzo nur noch winschet, undt hoffet, so ..eruhet das<br />

mehriste auff dir Selbsten, nemblich ein kräftiger Willen,<br />

und Verlangen dich zu allem deme tüchtig zu maenen, vi rzue<br />

ich Dir vermög meiner vätterlichen Obliegenheit alle<br />

gelegenheit nach meinen kräften ahn die handt gehen<br />

werdte, wie dan bereits besorgt bin, dir einen solchen Mann<br />

zuezugeben, durch dessen müeh, undt deinem aigenen<br />

Eyfer zu seiner Zeitt ein gantzer Mann aus dir werdte,<br />

welche zwey wortt vill sagen wollen: Ich nimme die Jenige<br />

aus, die pur von dem soldatenleben Profession mache<br />

müssen, ansonsten, will es' bey einem grossen Herren nit<br />

vill sagen, der zugleich auch Regent solle werdten, wan die<br />

weit von Ihme redtet, er seye ein grosser General, darbey<br />

aber ein harter Regent, oder ein guter Musicus, in andteren<br />

Sachen aber ein schwacher kleiner Herr etc. Wann aber das<br />

erstere mit der gnadt Gottes ahn dir württ wahr werdten<br />

nebst beysetzung eines allgemeinen lobs, so ein 'iuter, gerechter,<br />

fridtliebendter, mithin großer Regen, verdien ;t, das<br />

andtere aber andterst nit, als zu einer lobwürdtigen Unterhaltung/:<br />

ohne das notwendigere ahn den nage", zuhenckhen:/<br />

gebrauchet württ, so ist mein wünsch erfüllet, nemblich<br />

meine noch übrige, undt von Gott gesetzte Jahr desto ver-


60 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

gniegter vollbringen zu können, als bey mir Selbsten den<br />

schluss werdte können machen, es durch meine müeh, obsorg<br />

undt was einem rechtschaffenen Vatter zuestehet, dahin gebracht<br />

zu haben, folglich auch desto ruhiger sterben zu<br />

können, als nach erfilter meiner vätterlichen schuldtigkeit<br />

dir durch meinen todt dasjenige abtritte, wohin dich Gott<br />

als rechtmähsiger Erbfolger ausersehen, wo dan der bishero<br />

gegen dir güettigste, undt barmherzigste Vatter, zu seiner<br />

Zeitt aber strengiste richter von dir deiner obgelegenen<br />

schuldigkaitten halber die genauiste Rechenschaft<br />

fordtern württ: fliehe die Zeit deines Lebens alle böse gesellschaften<br />

undt die Jenige Personen, die eins bekanntten üblen<br />

wandtels seyndt, wo bey einem solchen gefährlichen Umgang<br />

noch das allerwenigste Uebel wäre, das dieser dir zu grösster<br />

Unehr geraichette: Ferners hast zu meidten, den vor Gott<br />

und der weltt högststrafbaren müessigang, welcher bey<br />

großen Herren um so sträflicher, als Ihnen ahn nothwendtigen<br />

geschafften, undt nutzlichen undterhaltungen niemals<br />

ermanglet, worundter auch Verstandten haben will, ahnständige,<br />

gescheidte Büecher zu lesen, undt die stundten des<br />

Tages also nützlich aufzuteilen, das man nit Selbsten anlass<br />

gebe, das die Zeitt lang werdte, dan gemeiniglich solche nur<br />

denen lang vorkommet, die sich dem müessigang ergeben,<br />

undt Ihre Regierungsgeschäfte, denen Beambten gar zu vollkomentlich<br />

überlassen.<br />

Deine von Gott dir mitgeteilte Talente wendte niemahls<br />

andterst ahn, als zur Ehre Gottes, undt deines Hauses, beeyffere<br />

dich jedterzeit die gerechtigkeit zu befördteren, belohne<br />

diejenige, die dir getreyh, undt mit nutzen dienen<br />

werdten, hingegen bestrafe das üble,/: jedoch alle zeit mit<br />

maass und zihl:/.<br />

Wiewohlen dise meine schrüftliche Verfassung kurtz, undt<br />

gering, so enthaltet sie doch meines Erachtens so viel in sich,<br />

daß Ich hoffe, du werdtest solche nit auff die Seiten legen,<br />

sondtern dan und wan hervornemmen, undt überlesen, anbey<br />

mir in meinem leben das vergnügen machen, solcher<br />

genauist nachzukommen, nach meinem Todt aber dich als<br />

ein getreues Kindt jedtesmahl darbey desjenigen erinnern,<br />

von deme du nach Gott das leben bekommen, undt der dir<br />

hiermit seine fernere vätterliche gnadt in so lang versprichet,<br />

als du dich solcher durch eine gute Aufflehrung, und tugentlichen<br />

Christlichen lebens-wandtl würdtig machen wirst.<br />

Sigmaringen, den 9. ten Jan: 1744<br />

J(oseph) F(riedrich) Fürst zu Zollern.<br />

Gärtner im Weinberge des Herrn und im Garten der Natur<br />

Zum 70. Geburtstag des Pfarrers Theodor Bürkle in Heiligenzimmern am 9. November<br />

Es ist ein Akt dankbarer Pietät, daß unsere Heimatzeitschrift<br />

heute einer Persönlichkeit gedenkt, die jahrzehntelang<br />

ihre Kraft in den Dienst der Heimatkunde stellte und schon<br />

seit langer Zeit auch dem Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong> angehört.<br />

Pfarrer Theodor Bürkle in Heiligenzimmern, der am 9. November<br />

seinen 70. Geburtstag feiern kann, hat sich auf<br />

heimatkundlichem Gebiete reiche Verdienste erworben. Als<br />

Stadtpfarrer von Veringenstadt betätigte er sich schriftstellerisch<br />

außerordentlich viel auf heimatkundlichem Gebiete<br />

und brachte seine Forschungsergebnisse der Allgemeinheit<br />

zur Kenntnis. Durch diese Tätigkeit kam es nicht von ungefähr,<br />

daß auch die staatlichen und kirchlichen Stellen auf<br />

ihn aufmerksam wurden und ihn zum staatlichen und kirchlichen<br />

Archivpfleger ernannten. In dieser Eigenschaft entwickelte<br />

er ein segensreiches Wirken und hat einen großen<br />

Anteil daran, daß viel heimatliches Archivmaterial bei Kirchen<br />

und Gemeindeämtern erhalten geblieben ist. Pfarrer<br />

Bürkle, der auch als Stadtpfarrer von Veringenstadt und<br />

Wallfahrtspriester von Maria Deutstetten ein fruchtbares<br />

Wirken entfaltete, ist ein Sohn unserer hohenz. Heimat. Im<br />

stillen Höfendorf hat seine Wiege gestanden. Hier wurde<br />

von frommen Eltern die Neigung zum Priesterberuf geweckt,<br />

und er, der treue Sohn unserer hohenz. Heimat,<br />

fand gerade auf ihrem Boden, wo er einst Wurzeln geschlagen,<br />

sein dankbarstes Betätigungsfeld. War er doch dadurch<br />

mit seinem eigenständigen Menschenschlag, seinen<br />

Sitten und Brauchtumsformen besonders verwachsen. So<br />

sind ihm auch die seelsorgerlichen Erfolge in keiner seiner<br />

Pfarreien versagt geblieben. Schon in Veringenstadt belebte<br />

er die Jugendtätigkeit, war Piäses des Gesellenvereins und<br />

wußte auch die Wallfahrtsgottesdienste in Maria Deutstetten<br />

erhebend und feierlich zu gestalten. Ein ebenso segensreiches<br />

Wirken entfaltete er auch in seiner jetzigen Gemeinde Heiligenzimmern,<br />

wo er bereits das 20jährige Ortsjubiläum<br />

feiern konnte. Auch hier bot sich dem Heimat- und Naturfreund<br />

ein dankbares Wirkungsfeld. Hier ist er zum echten<br />

Vater seiner Gemeinde geworden. In allen Anliegen dürfen<br />

seine Pfarrkinder zu ihm kommen und sich bei ihm Rat und<br />

Hilfe holen. Durch seine außerordentlich reichen Kenntnisse<br />

auf dem Gebiete des Obstbaues und der Bienenzucht, die er<br />

als Praktiker selbst betreibt, belebt und bereichert er auch<br />

die Fachorganisationen seiner Gemeinde mit Vorträgen. Mit<br />

der Natur ist er durch seine Abstammung als Bauernsohn<br />

besonders verbunden. Das kommt am trefflichsten d^rii<br />

zum Ausdruck, daß man ihn ' fast während seiner ganzen<br />

Freizeit im Garten werken sieht. So ist der Pfarrgarten von<br />

Heiligenzimmern zu einem Stück Sonntag am Wege geworden.<br />

Doch trotz dieser Lieblingsbeschäftigung hat er nie den<br />

Blick für die seelsorgerlichen Belange und Notwendigkeiten<br />

verloren. Er hat hier eine lebendige Jugendbewegung aufgebaut<br />

und zu einem festen Bestandteil im religiösen Leben<br />

der Gemeinde gemacht, er hat viele Baumaßnahmsn durchgeführt.<br />

Nach dem 2. Weltkrieg war das stark beschädigte<br />

Gotteshaus zu reparieren. 2 neue Glocken mußten beschafft<br />

werden, ein neues Orgelwerk wurde aufgestellt und ein<br />

elektrisches Turmgeläute zugelegt. Darüber hinaus hat sich<br />

Von Josef Schneider<br />

Pfarrer Bürkle auch hier als Wallfahrtsprediger einen Namen<br />

gemacht. Seine Marienpredigten auf Loretto vermögen auch<br />

den Letzten anzusprechen und zu fesseln und es ist bezeichnend,<br />

daß immer dann die Wallfahrt zur Lorettokapelle am<br />

stärksten besucht wird, wenn Pfarrer Bürkle als Prediger<br />

angesagt ist.<br />

Durch sein vielseitiges Interessse und Wirken erklärt sich<br />

auch seine aufgeschlossene Einstellung gegenüber Schrifttum<br />

und Presse. Wie oft schon hat der Verfasser dieser Zeilen<br />

im Pfarrhaus zu Heiligenzimmern, das immer wieder Treffpunkt<br />

von Heimatkundlern ist, Gastrecht genießen und das<br />

Erlebnis seiner weltaufgeschlossenen und doch so volksverbundenen<br />

Persönlichkeit mitnehmen dürfen. Leider ist die<br />

Gesundheit unseres Jubilars in den letzten Jahren durch ein<br />

schleichendes Leiden geschwächt worden, und wir dürfen ihm<br />

gerne wünschen, daß ihm noch viele Jahre der Gesundheit<br />

vergönnt sein mögen.<br />

Pfarrer Bürkle<br />

(Klichee: Schwarzwälder Bote, Oberndorf)


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 61<br />

Die Frongeldliste für Heiligenzimmern aus dem Jahre 1549<br />

Zu den drückendsten Lasten des Bauernstandes gehörten<br />

bis in das 19. Jahrhundert hinein ohne Zweifel die Fronen,<br />

d. h. meist unentgeltliche Dienste und Leistungen für den<br />

Landes- oder Gerichtsherrn. Wer eine Mene, ein Pferdegespann,<br />

besaß, hatte Fuhrfronen oder Spanndienste auszuführen,<br />

während die kleinen Leute, die nur ein Haus, aber<br />

kein oder nur wenig Feld bebauten, Handfronen zu leisten<br />

hatten. Wie lästig mußte der Frondienst werden und welcher<br />

Schaden mußte dem Verpflichteten erwachsen, wenn er z. B.<br />

an den schönen Sommertagen zuerst die Feldarbeiten des<br />

Fronherrn besorgen mußte und erst nach deren Erledigung<br />

die eigenen verrichten konnte! So waren die Fronen, die<br />

ursprünglich ungemessen waren, ein ständiger Anlaß zur Unzufriedenheit,<br />

zu Streit und Hader zwischen der Bevölkerung<br />

und der Herrschaft. Es bedeutete daher sicherlich eine große<br />

Erleichterung, als Graf Jos Niklas II. von Zollern im Jahre<br />

1538 mit den Ämtern seines Landes einen Vertrag schloß und<br />

die ungemessenen Fronen durch ein jährlich auf den Gallustag<br />

(16. X.) zu zahlendes Frongeld ablöste und nur noch gewisse,<br />

genau bestimmte Fronen bestehen ließ.<br />

Die Frongeldliste für den Ort Heiligenzimmern aus dem<br />

Jahre 1549 lagert im Staatsarchiv Sigmaringen. Die Aufzeichnung<br />

ist in mehr als einer Hinsicht von geschichtlichem Interesse<br />

für den genannten Flecken. Wir sehen, daß das Frongeld<br />

in 4 verschiedenen Sätzen erhoben wurde, und demgemäß<br />

sind die Familien auch in 4 Klassen eingeteilt.<br />

Die Besitzer von Wagen, Bauern mit Pferdegespannen,<br />

haben 14 Batzen = 56 Kreuzer Frongeld zu zahlen, die<br />

Karrenbauern entrichten die Hälfte, 7 Batzen = 28<br />

Kreuzer und die Taglöhner 18 Kreuzer 3 Heier. Zur IV.<br />

Klasse zählen die Witwen, die 9 Kreuzer zu zahlen haben.<br />

Zu den Pferdebauern gehören: Theis im Hof (gen. Klenk),<br />

Hans Gültgleich, Jakob Schmid, Hans Alber und Hans Leiibfried.<br />

Sechs andere Bauern besitzen nur Karren. Es sind dies:<br />

Endris Gerber, Kaspar Decker, Michel Pfaff, Jerg Schumacher,<br />

Cyriak Leibfried und Gall Benfell. Als Taglöhner<br />

werden aufgeführt: Veitin Gack, Marx Karrer, Simon Stingle,<br />

Karl Knittel, Hans Wolff, Hans Paur, Conrad Schweizer,<br />

Michel Flauz, Hans Gack, Peter Leibfried der alt, Peter Leibfried<br />

der jung, Hans Stingle, Jerg Schumacher von Brixen,<br />

Jos Linder, Hans Gaunts, Jakob Mayer und Egid Seifert.<br />

Es folgen die Witwen: Ursula Scherzingerin, Margit Herrschlin,<br />

Margit Mäurerin und Anna Kiefer. Im Jahre 1549 zählte<br />

demnach Heiligenzimmern 33 Familien, das sind zwei weniger<br />

als das zollerische Leibeigenen-Verzeichnis von 1548 ausweist,<br />

das KRAUS im Hohenz. Jahresheft 1935 veröffentlicht<br />

hat. Es muß auffallen, daß unsere Landgemeinde nur<br />

6 Wagen- und 6 Karren-Bauern hatte, während Taglöhnerfamilien<br />

gleich 17 aufgeführt werden! Die Erklärung hierfür<br />

ist in der Tatsache zu sehen, daß der größte Teil der an sich<br />

kleinen Gemarkung — von 696 ha entfallen auf Äcker und<br />

Gärten 195 ha und 125 ha auf Wiesen — dem nahen Dominikanerinnen-Kloster<br />

Kirchberg gehörte. Kirchberg, das im<br />

Mittelalter nur Mitglieder adliger und vornehmer Bürgerfamilien<br />

aufnahm, hatte in der Umgebung der Klosteranlage<br />

einen großen landwirtschaftlichen Betrieb, der heute Staatsdomäne<br />

ist. In Heiligenzimmern hatte es einen Fronhof mit<br />

einer Größe von rd. 50 ha Feld. Daneben gehörten die Wiesen<br />

nördlich des Dorfes ganz und die südlich gelegenen zum<br />

größten Teil dem Kloster. Die Taglöhnerfamilien standen<br />

also im Dienste des Klosters und hatten sicherlich ihr gutes<br />

Auskommen. Der Spruch: Unter dem Krummstab ist gut<br />

leben, dürfte sich auch in unserem Fall bewahrheitet haben.<br />

Es braucht uns daher nicht zu wundern, wenn nach dler Aufhebung<br />

des Klosters 1806 ein großer Teil der Einwohner von<br />

Heiligenzimmern Arbeit und Brot verlor. Die Not unter der<br />

Bevölkerung stieg in einem Maße an, daß behördlicherseits<br />

im Dorfe eine Suppenküche eingerichtet werden mußte, wo<br />

die ärmeren Leute ein unentgeltliches Essen erhielten.<br />

Von den in der Frongeld-Liste aufgeführten Familiennamen<br />

finden sich 100 Jahre später, nach Beendigung des<br />

30jährigen Krieges — 1646 beginnen die Kirchenbücher in<br />

Heiligenzimmern — nur noch vier: Flau (Flaiz), Leibfried,<br />

Stingle (Stengle) und Scherzinger. Der verderbliche Krieg<br />

und in seinem Gefolge Hunger und Seuchen haben auch in<br />

unserem Flecken grausam gewütet. Heute sind nur noch die<br />

Flaiz und Scherzinger in Heiligenzimmern vertreten,<br />

die mit den B e 1 s e r - Familien,deren erste 1552 das Maieramt<br />

im Fronhofe antrat, somit die ältesten Geschlechter des<br />

Dorfes sind. M. Schaitel<br />

Die Klause von Heiligenzimmern<br />

Schon im Hochmittelalter finden wir fast in jeder Stadt<br />

eine, wenn nicht mehrere Niederlassungen, in denen Jungfrauen<br />

und Witwen ohne feste Regel ein halbklösterliches<br />

Leben führten. Die Heime nannte man in Süddeutschland<br />

meist Klausen oder Sammlungen und deren Insaßen Klausnerinnen,<br />

Klausenschwestern oder Sammlungsfrauen und mit<br />

einem Sammelnamen Beginen. Für die Dauer des Aufenthaltes<br />

in der Klause legten die Mitglieder zu Händen der<br />

Vorsteherin, auch Meisterin genannt, die Gelübde der Keuschheit<br />

und des Gehorsams ab und trugen einheitliche Kleidung.<br />

Ihren Unterhalt verdienten sich die Frauen mit ihrer Hände<br />

Arbeit durch Spinnen, Stricken und Nähen, teilweise auch<br />

durch Umtrieb einer eigenen Landwirtschaft. Neben der<br />

Teilnahme am Pfarrgottesdienst und der Verrichtung besonderer<br />

Andachtsübungen widmeten sie sich vor allem den<br />

Werken der Barmherzigkeit und christlichen Nächstenliebe,<br />

wie Pflege der Kranken, Erziehung und Unterricht der Jugend<br />

usw. Wenn der Hauptgrund für diese Art des gemeinsamen<br />

Lebens vor allem in der religiösen Anschauung und<br />

Einstellung des mittelalterlichen Menschen zu suchen ist, so<br />

kann nicht außer acht gelassen werden, daß auch ein soziales<br />

Bedürfnis vorlag. Bei dem starken Frauenüberschuß konnten<br />

nicht alle Mädchen zum Heiraten kommen und eine<br />

Familie gründen. Zur Abwendung von Mißbräuchen drang<br />

die Kirche im Laufe der Jahrhunderte immer mehr darauf,<br />

daß die Klausnerinnen eine Ordensregel annahmen, etwa die<br />

des III. Ordens des hl. Dominicus oder Franziskus. Im Wandel<br />

der Zeiten sind aus manchen Klausen Frauenklöster<br />

entstanden, anderswo haben die Klausnerinnnen aus den<br />

verschiedensten Gründen ihre Niederlassung aufgegeben und<br />

sind in ein nahes Kloster übergesiedelt.<br />

Soweit sich übersehen läßt, wird uns erstmals Kunde über<br />

die Klause zu Heiligenzimmern gelegentlich der Erwerbung<br />

einer Wiese auf Gemarkung Heiligenzimmern im Gewann<br />

Seltenbach — heute Selbbach — im Jahre 1436 1 ), Das Do-<br />

von M. Schaitel<br />

minikanerinnen-Kloster Kirchberg gibt den Klausnerinnen<br />

lehensweise eine Wiese, die zwischen dem Walde und dem<br />

Hofacker liegt und für die jährlich auf Martini 7 Schilling<br />

Haller, Haigerlocher Währung, Gült zu entrichten ist. Der<br />

Lehensbrief ist an Walburgistag des genannte) Jahres ausgestellt<br />

und 1 von Junker Heinrich von Ow von Zimmern 2 ) gesiegelt.<br />

Vier Jahre später hören wir wieder von einer Wiesenerwerbung<br />

vom Kloster Kirchberg im „Zimrer tal in dem<br />

Rin — heute „Im Rein" — an der stunze, genanni. des caplans<br />

wiese." Die Gült für die 2 Mannsmahd große Wiese wird<br />

auf 3V2 Pfund und 5 Schilling Haller, Haigerlocher Währung,<br />

festgesetzt und die Klausnerinnen werden verpflichtet, die<br />

Wiese alljährlich mit 10 Karren Mist zu düngen 3 ). Aus einer<br />

Urkunde von 1477 J ) erfahren wir die Lage der Klause. Zwischen<br />

dem Pfarrherrn Oswald Herli von Heiligenzimmern<br />

und dem Kloster Kirchberg als Patronatsherrn einerseits<br />

und den Klausnerinnen anderseits war es wegen eines Kellers,<br />

der zwischen Pfarrhof und Klause lag, zu Miß'neiligkeiten<br />

und Streit gekommen. So schütteten die Klausenschwestern<br />

ihr ganzes Abwasser über das Kellerdach, dessen<br />

Gefälle zum Pfarrhaus ging, so daß dessen Gemäuer stark<br />

geschädigt wurde. Aus der Ortsbeschreibung: „zwischen<br />

Pfarrhof und Klause" ergibt sich eindeutig, daß die Klause<br />

neben dem Pfarrhof und der alten Kirche stand, also auf der<br />

„Bruck" an der Stelle, wo heute das Anwesen des Matthäus<br />

Schäfer steht. Von Interesse sind auch die Namen der Schiedsmänner,<br />

auf die sich die Parteien zur Schlichtung des Streites<br />

geeinigt hatten: Junker Kraft von Hailfingen, Vogt zu<br />

Haigerloch, Ritter Duman von Wehingen zu Haigerloch, Meister<br />

Michel, Pfarrer zu Binsdorf, Pfaff Jörg Joss, Kaplan in<br />

Bernstein, und Hans Butz, Vogt zu Zimmern. Aus dem Jahre<br />

1487 5 ) ist uns wieder eine Nachricht über die Klause überliefert.<br />

Beim Jahrgericht, das am Tage nach Mariä Lichtmeß<br />

unter dem Vorsitz des Peter Käppier, Vogts zu Haigerloch<br />

und im Beisein des Ulrich Klenk, Vogts zu „Zymern, genant


62 HOHEN Ol, I, ERISCHE HEIMAT Jahrgang 1958<br />

Hailgenzymern" 6 ) stattfand, führten die „Closenschwestern"<br />

und die. Kirchberger Klosterfrauen lebhaft Klage darüber,<br />

daß die Bewohner von Heiligenzimmern durch ihre Wiesen<br />

im oberen Tal widerrechtlich einen Fahrweg machten und<br />

ihnen damit schweren Schaden zufügten. Die Rechte der<br />

Klausnerinnen vertrat der Bernsteiner Kaplan Joos, während<br />

für Kloster Kirchberg dessen Hofmeister und Schreiber<br />

Heinrich Hug das Wort führte. Da die Dorfrichter und Dorfältesten<br />

bezeugen konnten, daß schon, immer ein Fußweg<br />

durch die Wiesen geführt habe, kam es zu folgendem Beschluß<br />

: Die Einwohner von Heiligenzimmern dürfen den Pfad<br />

durch die Wiesen zum Gehen. weiter benützen, das Reiten<br />

und das Fahren mit Karren und Wagen aber wird untersagt<br />

und verboten. — Unsere Klause ist übrigens auch in<br />

einer kirchlichen Statistik „Registrum ecclesiarum et beneficiorum<br />

in districtu decanatus Haigerloch consistentium"<br />

vom 9. Juli 1468 aufgeführt. Dieses Register hat der damalige<br />

Dekan im Auftrage des Bischofs Hermann zu Konstanz<br />

aufgestellt Wenn nach Hodler 7 ) das Reclusorium Zummern<br />

nach dem genannten Register „4 Pfund und 7 Pfund<br />

müntz" zahlte, so muß diese Abgabe wohl ein Irrtum sein,<br />

denn kaum das ganze Einkommen der Klause könnte so groß<br />

gewesen sein!<br />

Im Jahre 1554 wurde die Klause durch eine Feuersbrunst<br />

zerstört. Fast das gesamte Inventar und die Lade mit den<br />

Briefen, d. h. Urkunden über Grundbesitz und Verträgen<br />

aller Art, wurden ein Raub der Flammen. Da den Klausnerinnen<br />

offenbar nicht die entsprechenden Mittel für die<br />

Erstellung und Einrichtung eines neuen Gebäudes zur Verfügug<br />

standen, zogen sie nach dem nahen Gruol, dessen<br />

Klause bereits im Jahre 1477 zu einem förmlichen Dominikanerinnen-Kloster<br />

mit einer Priorin als Vorsteherin erhoben<br />

worden war 8 ). Mit dem Uebertritt der Klausenschwestern<br />

fiel auch deren Grundbesitz an das Kloster Gruol. Das<br />

Jahr 1554 ist uns aus zwei Gültverschreibungen überliefert.<br />

Die eine dadiert vom 6. 6. 1555 und besagt, daß im Vorjahr<br />

die Klause zu Zimmern durch Feuer zerstört wurde<br />

und daß der Bodenzins aus 8 Jauchert Acker im Donnertal<br />

— Flurname wie heute — nunmehr dem Kloster Gruol zukämen<br />

9 ). In einer weiteren Urkunde vom 27. 11. 1556 bestätigten<br />

die Vorsteher der Stadt Haigerloch dem Kloster<br />

Gruol eine frühere der Klause zu Heiligenzimmern zustehende<br />

Gült aus einer Wiese in der Au — heute in der<br />

Wer sich mit alten Schriften beschäftigt, trifft immer wieder<br />

auf Wörter, die im Laufe der Zeit außer Gebrauch gekommen<br />

sind und nicht mehr ohne weiteres verstanden werden.<br />

Man muß dann zum Wörterbuch greifen, etwa zu H.<br />

Schwäbisches<br />

„Naube". — Hier wird gesagt, daß vor z w e i.i, Jahren die<br />

Klause Zimmern mit „schwärlicher brunst vnd fewersnot"<br />

vernichtet wurde 10 ). Im alten Pfarrbuch von Gruo" ist etwa<br />

aus dem Jahre 1630 ein Vermerk: „So gedenket am Gottes<br />

Willen Elisabeth Rottwilerna und Anna Baierin, beide zu<br />

Zimmern gewesen und aller deren Mitschwestern, Vater und<br />

Mutter, Vorder- und Nachkommen, so aus den Gotteshäusern<br />

(Klausen, Sammlungen) Zimmern, Gruol und Haigerloch<br />

verschieden sind" 11 ).<br />

Nach einem Bestand von etwa 150—200 Jahren ist die<br />

Klause zu Heiligenzimmern infolge Einäscherung des Gebäudes<br />

und Wegzug der Schwestern zur Auflösung gelangt.<br />

Die Niederlassung war kein eigentliches Kloster, sondern eine<br />

Sammlung von Beginen, die später Mitglieder des III. Ordens<br />

des hl. Dominikus wurden, d. h. Tertiarerinnen. Die<br />

Zahl der Insaßen war nie groß und dürfte das halbe Dutzend<br />

wohl kaum einmal überschritten haben. Die Erinnerung an<br />

die Klause in Heiligenzimmern ist bei den Einwohnern erloschen.<br />

Das nahe Kloster Kirchberg mit seinem mächtigen<br />

Gebäudekomplex und als größter Grundbesitzer und Arbeitgeber<br />

in Heiligenzimmern mußte das Andenken an unsere<br />

Klause, die keinerlei wirtschaftlichen Einfluß ausgeübt hatte,<br />

bald vergessen lassen.<br />

Anmerkungen :<br />

Kopialbuch des Klosters Kirchberg.<br />

2 ) Zimmern, hier Marschalkenzimmern, s. Schön: Geschichte<br />

der Familie von Ow, München 1910.<br />

3 ) s. Anmerkung 1.<br />

4 ) Kirchberger Archivalien im Filial-Staatsarchiv Ludwigs-<br />

burg.<br />

5 ) s. Anmerkung 4.<br />

6 ) Demnach war schon am Ende des 15. Jahrhunderts der<br />

Name Horgenzimmern zu Hailgenzymern verschlechtert.<br />

Doch schrieben noch im 18: Jahrhundert Ortspfarrer und<br />

Vögte richtig Horgenzimmern.<br />

7 ) Hodler, Gesch. des Oberamts Haigerloch, Hechingen 1928.<br />

B ) Mitt. XX. Jahrg. Pfeiffer: Das Dominikanerkloster in<br />

Gruol.<br />

9 ) wie bei Anmerkung 7.<br />

10 ) Original-Pergament-Urkunde im F.H.D.A. Sigmaringen:<br />

R. 56, K. 27, Nr. 74.<br />

u ) wie bei Anmerkung 8.<br />

Fischers vielbändigem Schwäbischem Wörterbuch, oder zu<br />

dem des Christoph von Schmid (1831), oder M. Lexers Mittelhochdeutschem<br />

Handwörterbuch, Kluges Ethymologischem<br />

WB. der deutschen Sprache u. a. Wer sich dabei in der<br />

Straßberg


Jahr sang 1958 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 63<br />

schwäbischen Mundart auskennt, wird in den meisten Fällen<br />

gegenüber anderen Volksgenossen in wesentlichem Vorteil<br />

sein! Denn der Zusammenhang zwischen dem Mittelhochdeutschen<br />

bis zum Jahre 1500 (abgekürzt mhd.) und dem<br />

Schwäbischen ist sehr eng. Man braucht sich also seiner<br />

Mundart keineswegs schämen. Wer über sie lästert oder sie<br />

verlacht, stellt sich selbst das Zeugnis der Unwissenheit aus.<br />

Das Schwäbische ist organisch gewachsen und nicht künstlich<br />

erfunden, wie etwa die sogenannte Bühnensprache, die von<br />

Saitenstechen und Menschenlaib redet, auch wenn sie Seitenstechen<br />

und Menschenleib meint.<br />

1.) Was für ein köstliches Wort ist unser Eigenschaftswort<br />

„aber"! Zwar muß man es reinlich scheiden vom „Näaber",<br />

dem Eber, oder Nepper, dem Bohrer. Im Frühling,<br />

wenn Sonne und Regen die Schneedecke weggenommen haben,<br />

ist die Flur bzw. ist es ä b e r. Schon im Parzivalgedicht<br />

(Vers 3563) heißt es: „Es wäre äber oder Snee. ..", wobei<br />

äber nicht, wie unser Deutschlehrer Steiner gemeint hat, als<br />

Hauptwort aufzufassen ist. Das Wort wird auch gebraucht,<br />

wenn das geschüttelte Obst aufgelesen oder die Feldfrüchte<br />

abgeräumt sind. In Bayern und der Schweiz lautet es aper<br />

(so auch im Duden!) oder aber, und hängt zweifellos mit<br />

aperire = öffnen und April zusammen!<br />

2.) In Ringinger und Salmendinger Urkunden des 16. Jahrhunderts<br />

steht die Rechtsbestimmung, das am gebannten<br />

oder verbotenen Wald gestohlene Holz sei zu „riegen bis<br />

uf die äse m". Riegen bedeutet rügen, anzeigen, aber<br />

äsem scheint ganz ausgestorben zu sein, äse oder äsel bezeichnete<br />

im mhd. ein Gestell vor dem Ofen zum Auflegen<br />

des Brennholzes. Das m am Ende erinnert an Besemreis und<br />

Kettem Kette. Gestohlenes Holz konnte damals also noch<br />

vor dem Ofenloch dem Dieb zum Verhängnis werden.)<br />

3.) E h e h ä f t e, auch ehehafte Wege, Zäune usw. finden<br />

sich in vielen alten Dorf- und Stadtordnungen. Es handelt<br />

sich um Rechte, bzw. rechtmäßige Wege, Zäune usw. Im<br />

ersten Teil steckt das alte Wort ewa = Gesetz, das noch in<br />

Ehegatten oder dem aussterbenden schönen Wort Ehehalten<br />

Dienstboten erhalten ist.<br />

4.) G r i s e 1 e nennt man in Ringingen die Sommersprossen<br />

und die kleinen Butterklümpchen im Butterfaß. Im Elsaß<br />

und anderwärts sagt man dafür Risele. Das vorgesetzte G<br />

bezeichnet einen Sammelbegriff: Hirn = Gehirn, Horn Gehörn,<br />

Holz Gehölz.<br />

5.) Der Flurname Kay oder Koi gehört ebenfalls hierher.<br />

Schon im Jahre 1293 berichten die Mon. Hohbg. (Nr. 142) von<br />

Wäldern, die man G e h a e nannte, wobei a und e getrennt<br />

zu sprechen sind, also nicht ä! Eine Heie oder Hei (gesprochen<br />

Hai!) bezeichnete eine Hegung, einen gehegten,<br />

eingemachten Wald. Der Esch-Hay war-der Feldhüter, und<br />

heien (sprich haien!) bedeutet „pflanzen, hegen, schützen,<br />

pflegen". Daß hegen zu haien werden konnte, nimmt den<br />

Schwaben gar nicht Wunder, sagt er doch auch für „er legt:<br />

e r 1 a i t ' Alte ai, die jedoch ei geschrieben wurden, sind<br />

im Lauf der Zeit zu oe, oi geworden, daher Koi, Koy!<br />

6.) Eine merkwürdige Bestimmung findet sich in einer<br />

Rechtssatzung von Siraßberg vom Jahre 1548: „Weiches Jahr<br />

Ecker oder Keyß geraten, soll jedermann es dem Amtmann<br />

anzeigen, der es h a y e n und verpieten mag lassen."<br />

Ecker bezeichnet den Eckerich: Bucheckern und Eicheln. Was<br />

aber soll Keyß? Fischer berichtet im Band 4, 350 von<br />

K ä s s das dem Zusammenhang nach das Gleiche bezeichnen<br />

muß Es ist wieder ein Sammelbegriff für alles Eßbare<br />

im Wald: G e - ä ß, Käss, Keyß, vermutlich auch Hagebutten<br />

und Schlehen samt Wildobst.<br />

7.) Die Schreibung des Schwäbischen nach dem Gehör ist<br />

nicht immer leicht, weil uns völlig ungewohnt! So konnte<br />

man sich wundern, daß (nach Hohenz. Heimat 1958 S. 5—6)<br />

in Jungingen in nerzigen Kinderliedlein und Sprüchen, die<br />

auch anderwärts bekannt sind, man „liaba" sage, statt läaba<br />

= leben, winn statt wenn, schniall statt schneall, Hiad statt<br />

Häat = Herde, diar statt dear usf. Man mag tatsächlich<br />

manchmal über die richtige Schreibung im Zweifel sein. Aber<br />

das ist ja nicht die Hauptsache! Wichtiger scheint, wie es C.<br />

Bumiller ja getan, die jetzige letzte Gelegenheit zu benützen,<br />

um die alten aber in unserer Zeit des Radios, Fernsehens<br />

und der Flut von Dr .ckerzeugnissen unrettbar untergehenden<br />

Kniderreime und Volksüberlieferungen zu sammeln! Damit<br />

auch ein Fremder den Sinn erfaßt, wäre zu empfehlen,<br />

daß man sich in der Schreibung nicht zuweit vom Hochdeutschen<br />

entfernt.<br />

8.) bräffla bedeutet tadeln, nach dem mhd. reffen, das<br />

die gleiche Bedeutung hatte. Dieses vorgeschlagene B findet<br />

sich auch in brupf a, und in Burladingen beim „Beicht<br />

bhaira!"<br />

9.) Lange e und ö sind bekanntlich (wie im Gotischen) zu<br />

ai oder ae geworden: Schnae, Arme Saela, Rairle, haera oder<br />

haira. Daher wurde auch Rötel (Rotstift) zu Raidel, der<br />

gelegentlich auch für andere Farbstifte eintritt. Dagegen existiert<br />

noch ein anderes ähnliches Wort, das schon in alter<br />

Zeit ein echtes ei (gesprochen ai!) besaß: der Reitel =<br />

Holzprügel, Bäumchen. Dieses alte ai wurde aber konsequent<br />

zu oe bzw. oi, also R o i d e 1, der genau vom Raidel<br />

zu scheiden ist! In Ringingen gibts beim Holzmachen: Reis,<br />

Scheiter und R o i d e 1 oder Prügel (Brigel). Einst ließ man<br />

beim Abholzen einige „B a n n r e i t e 1" stehen, die aber<br />

schwerlich mit einem Rotstift (Rötel), sondern wahrscheinlich<br />

mit einem weithin sichtbaren Strohwisch bezeichnet<br />

wurden zum Bannen des betr. Waldstückes, das somit für die<br />

Viehherden verboten blieb. Hohnerlein rechnet in seinem<br />

„Deutschen Sprachschatz" Reitel zu dem Wortstamm, der<br />

drehen oder zusammenwinden bedeutet. Nach Schmid<br />

heißt man so auch das junge Holz zu Reifstangen, nicht nur<br />

junge Bäume, die beim Holzschlag als die schönsten zum<br />

Samenwurf verschont wurden.<br />

10.) Die Wagenbremse, die bei uns die Micke heißt,<br />

wird im Elsaß Mechanik genannt. Sollte ersteres nur eine<br />

zusammengezogene Form des gleichen Wortes sein? Wer<br />

kennt urkundliche Formen und wie alt sind sie?<br />

11.) Wer vom Kloster Stein am Rhein zu Straßberg<br />

ein Gut als Leibeigener bewirtschaftete, durfte nur ein Mädchen<br />

heiraten, das seine Genossin (und nicht „Ungenossin")<br />

war, also ebenfalls dem Kloster gehörte. Damit sollte verhindert<br />

werden, daß durch die kommenden Kinder das Gut<br />

dem Kloster verloren gehe. Uebertrat nun einer obiges Gebot,<br />

so mußte er zu jedem der drei Gerichtstage im Jahr<br />

eine Buße zahlen und weiterhin einen „r i s e n d e n (Geld-)<br />

Seckel" haben, bis er die Huld des Abtes erlangte. Wir<br />

kennen das Wort rieseln herabfallen. L a u b r i s bedeutete<br />

einst Laubfall im Herbst. Der Leibeigene mußte also<br />

vermutlich seinen Geldbeutel immer offen halten und weiterhin<br />

zahlen, bis der Abt zufrieden war.<br />

12.) Im gräflich zollerischen Schloß zu Buriadingen fanden<br />

sich 1512 unter anderem Hausrat auch vor: eine stürzene<br />

Laterne und eine Brunzkachel aus Sturz. Gemeint ist<br />

Eisenblech, wie Schmid zu sagen weiß.<br />

13.) Maria S c h r a y heißt eine Kapelle bei Pfullendorf,<br />

1796 noch Maria Schräg, Schraye heißt eine Flur bei Weilheim/Hechingen.<br />

Schon 1351 erwähnen die Mon. Hohenbg. Nr.<br />

492 einen Acker b y der S c h r a y. Es ist dieselbe Wortbildung,<br />

wie sie schon oben bei Nr. 5 gezeigt wurde, Remig<br />

Vollmann bringt in seinem Flurnamenbüchlein einige ähnliche<br />

Beispiele: Geschray, die Schraie, Schrei. Es war nur<br />

eine Volkslegende, wenn man bei Pfullendorf erzählte, das<br />

Marienbild der Kapelle habe im Schwedenkrieg einen<br />

Schrei ausgestoßen, der namengebend gewesen sei.<br />

In Wirklichkeit handelt es sich um iine Schräge, Geschräg,<br />

d. h. einen Weidezaun aus schrägliegenden Stangen,<br />

wie man sie im Schwarzwaid vor 3 Jahrzehnten noch vielfach<br />

finden konnte.<br />

14.) T ä d i n g e n, teidingen entstand aus tagedingen und<br />

bedeutet: einen Gerichtstag festsetzen, gerichtlich ver-<br />

An das<br />

in<br />

<strong>Postamt</strong>


64 H O H E N O L L E R I S C H E HEIMAT Jahrgang1958<br />

handeln, jemandes Sache auf dem Tag-Ding verfechten und<br />

entscheiden. Daher rührt noch unser „verteidigen"<br />

vor Gericht vertreten. Ding oder Thing ist altes Wort für<br />

Gericht.<br />

15.) Der Übersauf stellt keinen Druckfehler dar, wie<br />

ich erst meinte, sondern bezeichnet nach Schmid eine Abgabe<br />

oder Steuer von entlehntem Getreide.<br />

16.) Das Zeitstück meint eine zweijährige, zur Zucht<br />

geeignete Kalbin.<br />

17.) Den Namen Wucherrind trug in alter Zeit unser<br />

Farren oder Hagen oder Zuchtstier. Die Bezeichnung verliert<br />

ihre Merkwürdigkeit, sobald man weiß, daß Wucher von<br />

wachsen kommt und in der Grundbedeutung soviel wie<br />

Zuwachs, Fortpflanzung, Nachkommenschaft bedeutet;<br />

erst später bezeichnete man damit den Zins u. endlich<br />

bekam das Wort Wucher die böse Bedeutung von ungerechtem<br />

Zins. Das Wucherrind sorgte für Nachkommenschaft.<br />

18.) Zu dem in Stetten bei Hechingen geübten Brauch des<br />

Johannisfeuers bzw. dem Sammeln des Holzes mag angefügt<br />

werden, was Chr. v. Schmid in seinem Schwäbischen Wörterbuch<br />

1831 S. 168 aus der Gegend um Ulm berichtet. Dort<br />

Anwander I!<br />

Bärental-Papiermühle 41 i<br />

Barth Jakob 16 u. • i<br />

Beuron, Monographie<br />

I i<br />

Burg Schatzberg<br />

5! 2<br />

Burkart v. Petershausen-Abt<br />

3! 2<br />

Bürkle, Pfarrer-Heiligenzimmern<br />

6( 0<br />

Christus-Johannesgruppe<br />

41 1<br />

Denkmalspflege-Hohenz. 1957<br />

31 1<br />

Deutwang-Begräbnisstätten<br />

t 4<br />

Deutwanger Veitle<br />

2; 2<br />

Doppellaut „ei" (schwäbisch)<br />

ii 7<br />

Eichendorff-Prinz Josef<br />

i'i !<br />

Empfingen-Reichenau<br />

2! t<br />

Familiennamen 1519; Kreis Hechingen 4; 1<br />

Fastnachtsbletz<br />

1;<br />

5<br />

Feldhausen, Harthausen, Bronnen-Rittergut 4» 6<br />

Figurendiebstahl-Kalkofen ii 8<br />

Fürst Josef Friedrich-Brief 5! 9<br />

Gammertingen-Grabfunde I 1<br />

Gammertingen, Enzian l; 1<br />

Gammertingen-Hügelgräber 1 1<br />

Gammertingen-Lütkirche 3: l<br />

Gammertingen-Stiftungen<br />

i<br />

Gammertingen-Sonntagsheiligung 2J 2<br />

Geiselhart-Waisenvater 6 u. 2! 3<br />

Erzofen bei Verfolgen. Am 19. Juli 1730 wurde beim Geistl.<br />

Rat in Konstanz verhandelt: Der Fürst von Sigmaringen hat<br />

gebeten, die Feiertage für die Arbeiter im Eisenwerk (in<br />

furno aeneo) bei Veringenstadt zu reduzieren. Man<br />

beschloß: Es könne dahin dispensiert werden, daß nämlich<br />

die Arbeiter (Laboranten) die von der Gemeinde zu Veringen<br />

d o r f angenommen, nit die von der kath. Kirche und<br />

statutis synodalibus vorgeschriebenen und spezifizierten Feier-<br />

BESTELL-SCHEIX<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

Sachregister des Jahrganges 1958<br />

Gfrörer-in Eckenweiler 32<br />

Glatt-Bibliothek 64<br />

Grabhügel-links der Lauchert 20<br />

Grosselfingen Narrengericht 51<br />

Haigerloch Unterstadtkirche 54<br />

Haigerloch-Wannenmacher 32<br />

Hanfertal-Wasenried 4<br />

Hechinger Untertanenstreit ^2<br />

Heiligenzimmern-Frongeldliste 61<br />

Heiligenzimmern-Klause 61<br />

Heiding, Bischof-Dissertation 32<br />

Höfendorfer Baupflicht 46<br />

Hundertschaft 15<br />

InnerIngen-Ritter v. Rischach 14<br />

Josefslust-Wildpark 21<br />

Kindersprüche-Killertal 5<br />

Kirchenbücher-Baden v. Hermann Franz 16<br />

Kirchberg bei Haigerloch 48<br />

Klöster Oberschwabens 55<br />

Kunstdenkmäler-Buch v. Dehio 16<br />

Kunstführer-Reclam 48<br />

Leibeigenschaft, freiwillige 12 u. 48<br />

Lichtenstein-Neufra 25<br />

Maigingen bei Burladingen 9<br />

Maria, Prinzessin v. Hohenz.-Hechingen 50<br />

Mengen-Heimatbuch 64<br />

sagten die Burschen beim Sammeln einen Vers, dessen erste<br />

Zeile Schmid selber nicht verstand:<br />

Am Pfeit, am Pfeit am Gloria<br />

Giend ens au a Stuirie<br />

Zuo unsers Hergets Fuirle.<br />

Scheitle raus, Scheitle raus!<br />

Geit a guotes Glick ins Haus.<br />

Ebenso unklar ist die erste Zeile des in Ringingen vor einem<br />

Menschenalter üblich gewesenen Kinderverse um Neujahr:<br />

Hairies Tregles klepfa,<br />

Geand mr au Bonussa und Epfel!<br />

Zahlet me au bald aus,<br />

Noch ka-n-i wieder in a anaers Haus.<br />

Schmid berichtet S. 142: Der Trögel bezeichne zu seiner<br />

Zeit das Einsammeln von Eiern, Mehl und anderen<br />

Lebensmitteln, besonders in Nordschwaben zu Gunsten des<br />

Schullehrers und z. T. des Pfarrers (Hairies), und sprachlich<br />

könne es zu (zusammen-) tragen gehören, wie Kirchent<br />

r a c h t. Bloße spielerische Reimfüllsel sind nicht wahrscheinlich,<br />

wenn sie auch bei Kinderverseen nicht ausgeschlossen<br />

wären. J. Ad. Kraus<br />

Petrus, Abt v. Salem 32<br />

Rangendingen-Pfarrarchiv 13 u. 31 u. 44<br />

Rangendingen-Soldatenwerbung 32<br />

Rangendingen, Verpfändung 32<br />

Ringingen-Affenschmalzer Jahrtag 14<br />

Ringingen-Marienkapelle 10 u. 26<br />

Roß des Grafen v. Zollern 50<br />

Sage vom Hirschguiden 33<br />

Schwäbisches 62<br />

Sigmaringer Stadtrecht 30<br />

Sonntagsglocken 49<br />

Stellbürdin 15<br />

Trochtelfinger Akten 32<br />

"ro< itelfingen-Kapitels-Siegelstock 15<br />

Trochtelfingen-Kirchenschatz 48<br />

Trochtelfingen-Truchtelfingen 28<br />

Veringen-Erzofen 64<br />

v. Bubenhofen-Hettingen 47<br />

Walter Michael + 39<br />

Weithart-Wanderung 1<br />

Weller, Württbg. Geschiche 48<br />

Wessenbergbriefe-Gruol 39<br />

Wocher Georg Adam-Achberg 41<br />

Zollrisches-Archiv Reutlingen 45<br />

tage in allweg zu halten schuldig seien. Am 9. Aug. 1730<br />

wurde diese Reduktion auch für die Arbeiter in Sigmaringendorf<br />

(wohl Lauchertal!) genehmigt. (Erzb. Archiv Ha 224).<br />

Ist über diese Verhüttung des Bohnerzes bei Vertagen Näheres<br />

bekannt? Flurname?<br />

Mengen/Donau. Die Staat Mengen überraschte ihre Bürger<br />

durch ein feines Weihnachtsgeschenk. Jede Haushaltung erhielt<br />

das von Oberlehrer Dominikus Bicheler verfaßte Buch:<br />

„Mengen in Krieg und Frieden" kostenlos zugestellt. In 20jähriger<br />

Arbeit, davon 6 Jahre seit seiner Zurruhesetzung,<br />

hat Bicheler die vielen dicken Bände der handgeschriebenen<br />

Ratsprotokolle des Rathauses Mengen, die von 1594—1806<br />

fast lückenlos erhalten sind, durchgearbeitet und aus diesem<br />

reichen Material eine äußerst spannende Geschichte der Sxadt<br />

erstehen lassen. Wir erleben direkt das Leben unserer Vorfahren<br />

und ihre Kämpfe um ihre hochgeschätzte Freiheit.<br />

Waren die vorderösterreichischen Städte doch in ihrer Selbstverwaltung<br />

fast so frei und selbständig wie die freien Reichsstädte,<br />

wenigstens bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, wie<br />

auch Mengen eigene Gerichtsbarkeit, die sogar den 31utbann<br />

umfaßte, überzeugend darlegt. Die verschiedenen Strafarten<br />

und Gefängnisse zeigen uns die frühere Rechtsauffassung,<br />

aber auch die armen Lebensverhältnisse der „guten alten<br />

Zeit." Die beigegebenen Illustrationen halten verschiedene<br />

Zeiten des Stadtbildes fest. Die bisher Dekannte älteste Ansicht<br />

von Mengen aus dem Jahre 1590 nält Bichele sogar um<br />

200 Jahre älter. Sehr interessant sind die von den Archiven<br />

stammenden ältesten Siegel von Stadt und Bürgerschaft,<br />

ebenso vom hiesigen Spital und Kloster.<br />

Alte Bibliothek von Glatt. Das genaue Verzeichnis der ehemaligen<br />

theologischen Bibliothek der Pa*res von Muri in<br />

ihrer früheren Pfarrei Glatt (Hohen), liegt heute, wie H. Prälat<br />

Dr. Friedr. Stegmüller mitteilt, nebst andern Archivalien<br />

im Kantonalarchiv Aarau i. d. Schweiz.<br />

Berichtigung: S. 28 links ist statt „Auch in diesem Tal" zu<br />

setzen: „Ach, in diesem TalpE Maler Anton Frank (nicht<br />

Franz) von Tafertsweiler.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!