Julia Wesian - Forschungslabor Gesprochene Sprache ...
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(z.B. Lehrer � Lehrerin) (s. Bickes/Brunner 1992: 4). Diese Ableitung der femininen<br />
aus der maskulinen Form wurde in der Feministischen Linguistik zunächst kritisiert,<br />
da sie „im Sprachsystem die jahrtausendealte Abhängigkeit der Frau vom Mann“<br />
konserviere (s. Pusch 1984: 59). Die Ableitung einer maskulinen aus einer femininen<br />
Form bildet dagegen die Ausnahme. Wenn doch eine feminine Form als<br />
Ausgangsbezeichnung dienen sollte, bedeutet dies nicht automatisch, dass die<br />
maskuline Form davon abgeleitet wird. So ist das männliche Pendant zur<br />
Krankenschwester nicht etwa der Krankenbruder, sondern der Krankenpfleger,<br />
welcher wiederum die Ableitung der femininen Form Krankenpflegerin zulässt (s.<br />
Hausherr-Mälzer 1990: 106f.).<br />
3.5 Anredeformen<br />
Die Asymmetrie der Anredeformen zeigt sich in den Formen der höflichen Anrede.<br />
Kritikpunkte waren diesbezüglich zum einen die Tatsache, dass es zur Anredeform<br />
„Fräulein“ keine männliche Entsprechung gibt, und zum anderen die Tatsache, dass<br />
die Anredeform „Herr“ sowohl in der kollektiven Anrede, z.B. „Meine Damen und<br />
Herren“, als auch in der individuellen Anrede, z.B. „Herr Meier“, gebräuchlich ist,<br />
während die individuelle Anrede der Frau ausschließlich mit „Frau Meier“, nicht aber<br />
mit „Dame Meier“ zulässig ist. Daraus schlossen die Feministinnen, dass die höfliche<br />
Anrede ausschließlich für Männer angemessen sei, Höflichkeit und Respekt den<br />
Frauen aber verwehrt bliebe (s. Klann-Delius 2005: 25).<br />
Die Anredeform „Fräulein“ sei insofern diskriminierend, als sie die Frau in<br />
Abhängigkeit zum Mann beschreibe und die gesellschaftliche Unterscheidung in<br />
„verheiratet“ und „unverheiratet“ widerspiegele (s. Samel 2000: 139).<br />
Klann-Delius (2005) sieht die feministische Beanstandung an den Anredeformen<br />
kritisch, da<br />
dem sprachlichen System in diesem Bereich einerseits Asymmetrie zu Ungunsten der<br />
Frauen vorgehalten wird (Herr Meier), andererseits aber, wenn formal eine<br />
Asymmetrie zu Gunsten der Frau festzustellen ist (Fräulein), diese mit semantischen<br />
Interpretationen als für Frauen nachteilig behauptet wird (s. Klann-Delius 2005: 26).<br />
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