Julia Wesian - Forschungslabor Gesprochene Sprache ...
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Diese Ungleichbehandlung von Frauen und Männern kennzeichne das Deutsche als patriarchalische Sprache. Zu den Regularien einer patriarchalischen Sprache zählen unter anderem die Unsichtbarkeit von Frauen und ihrer Leistungen als Konsequenz der Verwendung „generischer Maskulina“ 10 , die semantische Asymmetrie maskuliner und femininer Ausdrücke bzw. der niedrigere Rang des Femininums im Vergleich zum Maskulinum (z.B. dt. Gouverneur – Gouvernante) sowie die Tatsache, dass die Bezeichnung einer Frau mit einem Maskulinum als Aufwertung interpretiert, der umgekehrte Fall jedoch als Degradierung empfunden wird (z.B. „Sie steht ihren Mann“ im Vergleich zu „Er benimmt sich wie ein Mädchen“) (s. Hellinger 1985: 4). Nach Ansicht der Feministischen Linguistik konnte die Sichtbarmachung der Frau in Sprachsystem und Sprachgebrauch nur durch einen gezielten Sprachwandel ermöglicht werden (s. Bickes/Brunner 1992: 4). Ein erstes Resultat dieser Ansicht war die Veröffentlichung der ersten „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“ im Jahre 1980 (s. Castillo Diaz 2003: 8). 3 Feministische Kritik an Sprachsystem und Sprachgebrauch 3.1 Grundgedanken der feministischen Sprachkritik Die feministische Sprachkritik lässt sich in die Theorie der allgemeinen Sprachkritik einordnen. Die allgemeine Sprachkritik beginnt mit der Reflexion von Sprache, aus welcher allmählich Kritikpunkte erwachsen. Zur Sprachkritik wird dieser Vorgang jedoch erst mit der Äußerung der Kritik. Ziel einer jeden Sprachkritik ist es, das negativ Kritisierte zu verbessern. Es lassen sich zwei Bereiche der Sprachkritik unterscheiden: die Sprachgebrauchs- und die Sprachsystemkritik. Während sich die Sprachgebrauchskritik mit der Rede und dem Stil von Sprecher/inne/n auseinandersetzt, befasst sich die Sprachsystemkritik mit dem sprachlichen System selbst. Eine klare Trennung zwischen beiden Bereichen ist jedoch nicht immer möglich, da die Übergänge oftmals fließend sind (s. Samel 2000: 50-54). Im Fall der feministischen Sprachkritik stellten die Feministinnen erhebliche 10 Eine genauere Betrachtung und Beschreibung des generischen Maskulinums im Deutschen erfolgt in II 3.3. 9
Sprachgebrauch fest. Sie untersuchten, „inwiefern in den Bereichen Grammatik, Morphologie oder Lexikon eine Benachteiligung der Frau nachgewiesen werden kann“ (s. Samel 2000: 47). Einen Schwerpunkt innerhalb ihrer Sprachreflexion bildet die Kritik am androzentrischen Sprachgebrauch. Dieser äußert sich dahingehend, dass maskuline Personenbezeichnungen neutral sind und stellvertretend für die Bezeichnung von Frauen verwendet werden können. Umgekehrt können aber feminine Personenbezeichnungen die maskulinen nicht ersetzen (z.B. Hebamme – Entbindungshelfer) (s. Pankow 1998: 171). Ausgehend von der These, dass sich die Dominanz des Mannes überall dort zeigt, wo das maskuline Genus zur Norm erhoben ist (s. Samel 2000: 47f.), entwickelten sich das generische Maskulinum, die Asymmetrien in den Personenbezeichnungen und das damit in Verbindung stehende Kongruenzverhalten personenbezogener Pronomina sowie der Zusammenhang von Genus und Sexus zu den Hauptkritikpunkten der feministischen Sprachkritik (s. Castillo Diaz 2003: 8). Da die Sprache das Denken und die Wahrnehmung einer Sprachgemeinschaft beeinflusst, kann nach Ansicht der Feministinnen der Benachteiligung der Frau nur durch ein geschlechtergerechtes Deutsch entgegengewirkt werden. Entsprechende Vorschläge hierzu äußerten sie in den „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“ (s. Klann-Delius 2005: 182f.). 3.2 Genus und Sexus bei den Personenbezeichnungen 3.2.1 Das Genussystem des Deutschen Die deutsche Sprache kennt drei Genera: das Maskulinum, das Femininum und das Neutrum. Unter dem Genus wird die Zugehörigkeit eines Substantivs zu einer dieser drei Gruppen verstanden (s. Eisenberg 2004: 150). Das Genus erfüllt wichtige Funktionen im Satz. Dem Substantiv vorangehende Artikelwörter, Adjektive oder wiederaufnehmende Pronomen werden hinsichtlich des Genus vom Substantiv regiert (s. Duden 2005: 153). Des Weiteren trägt das Genus zur Identifizierung der Nominalklammer bei. Vom Genus des Artikels lässt sich bereits am Anfang des Nominals darauf schließen, „welche Art von Substantiv abgewartet werden muß, damit die Klammer schließt“ (s. Eisenberg 2004: 157). Bei 10
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Sprachgebrauch fest. Sie untersuchten, „inwiefern in den Bereichen Grammatik,<br />
Morphologie oder Lexikon eine Benachteiligung der Frau nachgewiesen werden<br />
kann“ (s. Samel 2000: 47). Einen Schwerpunkt innerhalb ihrer Sprachreflexion bildet<br />
die Kritik am androzentrischen Sprachgebrauch. Dieser äußert sich dahingehend,<br />
dass maskuline Personenbezeichnungen neutral sind und stellvertretend für die<br />
Bezeichnung von Frauen verwendet werden können. Umgekehrt können aber<br />
feminine Personenbezeichnungen die maskulinen nicht ersetzen (z.B. Hebamme –<br />
Entbindungshelfer) (s. Pankow 1998: 171).<br />
Ausgehend von der These, dass sich die Dominanz des Mannes überall dort zeigt,<br />
wo das maskuline Genus zur Norm erhoben ist (s. Samel 2000: 47f.), entwickelten<br />
sich das generische Maskulinum, die Asymmetrien in den Personenbezeichnungen<br />
und das damit in Verbindung stehende Kongruenzverhalten personenbezogener<br />
Pronomina sowie der Zusammenhang von Genus und Sexus zu den<br />
Hauptkritikpunkten der feministischen Sprachkritik (s. Castillo Diaz 2003: 8). Da die<br />
<strong>Sprache</strong> das Denken und die Wahrnehmung einer Sprachgemeinschaft beeinflusst,<br />
kann nach Ansicht der Feministinnen der Benachteiligung der Frau nur durch ein<br />
geschlechtergerechtes Deutsch entgegengewirkt werden. Entsprechende Vorschläge<br />
hierzu äußerten sie in den „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen<br />
Sprachgebrauchs“ (s. Klann-Delius 2005: 182f.).<br />
3.2 Genus und Sexus bei den Personenbezeichnungen<br />
3.2.1 Das Genussystem des Deutschen<br />
Die deutsche <strong>Sprache</strong> kennt drei Genera: das Maskulinum, das Femininum und das<br />
Neutrum. Unter dem Genus wird die Zugehörigkeit eines Substantivs zu einer dieser<br />
drei Gruppen verstanden (s. Eisenberg 2004: 150).<br />
Das Genus erfüllt wichtige Funktionen im Satz. Dem Substantiv vorangehende<br />
Artikelwörter, Adjektive oder wiederaufnehmende Pronomen werden hinsichtlich des<br />
Genus vom Substantiv regiert (s. Duden 2005: 153). Des Weiteren trägt das Genus<br />
zur Identifizierung der Nominalklammer bei. Vom Genus des Artikels lässt sich<br />
bereits am Anfang des Nominals darauf schließen, „welche Art von Substantiv<br />
abgewartet werden muß, damit die Klammer schließt“ (s. Eisenberg 2004: 157). Bei<br />
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