Julia Wesian - Forschungslabor Gesprochene Sprache ...

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05.12.2012 Aufrufe

vermutlich, wie bereits dargelegt, die eigene Betroffenheit der Frauen von der Thematik. Da die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache unmittelbar den Frauen zu Gute kommen soll, sehen sie in ihrer Anwendung offenbar einen stärkeren Nutzen als Männer. Die zweite Leitfrage brachte weiterhin hervor, dass die Akzeptanz geschlechtergerechter Sprache hinsichtlich des Bildungsstandes z.T. erheblich differiert. Insgesamt standen die Proband/inn/en mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe I der geschlechtergerechten Sprache positiver gegenüber als die Proband/inn/en mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II. Am deutlichsten wurde dies in Frage 9, als es galt, die Nachteile einer geschlechtergerechten Sprachverwendung zu benennen. Während nur 19,2% der Proband/inn/en mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II eine sehr positive Grundhaltung zur Thematik zum Ausdruck brachten, indem sie angaben, keine Nachteile zu sehen, tat dies mit 51,1% sogar über die Hälfte der Sekundarstufe-I-Proband/inn/en. Ebenso erachteten mit 71,1% deutlich mehr Proband/inn/en der Sekundarstufe-I-Gruppe in Frage 10 die Bemühungen um eine geschlechtergerechte Sprache als „wichtig“ und sogar „sehr wichtig“ als in der Vergleichsgruppe mit 53,6%. Auffällig war zudem, dass im Gegensatz zu nur 24,2% der Sekundarstufe-II-Proband/inn/en mit 48,9% fast die Hälfte der Sekundarstufe-I-Proband/inn/en die Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache in Frage 11 als „gut“ bewertete. Ein Grund dafür, dass die geschlechtergerechte Sprache bei Personen mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II deutlich weniger Akzeptanz findet als bei denjenigen mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe I, ist möglicherweise, dass eine längere Bildungsperiode, die auch die Reflexion von Sprache einschließt, eine stärkere Sensibilisierung für die Stilistik von Sprache zur Folge hat. Unter diesem Gesichtspunkt verwundert es nicht, dass mehr Proband/inn/en mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II als solche mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe I die durch die Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache entstehenden Auswirkungen auf die Sprache als Nachteile empfinden und die Umsetzung ebendieser Sprache insgesamt negativer beurteilen. Im Zuge der zweiten Leitfrage wurde zusätzlich die auschließlich auf Frauen bezogene Hypothese „Frauen mit höherem Bildungsstand verwenden zur Eigenbezeichnung eher die maskuline Personen- bzw. Berufsbezeichnung als Frauen mit niedrigerem Bildungsstand“ aufgestellt. Diese ließ sich zunächst nach 109

Auswertung der Frage 15 eindeutig bestätigen. Während nur 39,4% der Frauen mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe I ihre Bereitschaft zur Eigenbezeichnung mit einer maskulinen Personen- bzw. Berufsbezeichnung bekundeten, taten dies 53,8% der Frauen mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II. Dieses Ergebnis relativierte sich jedoch nach Auswertung der Angaben, welche die Probandinnen bezüglich ihrer „Berufsausbildung“ bzw. „momentan ausgeübten Tätigkeit“ im Rahmen der „Angaben zur Person“ gemacht hatten. In diesem Zusammenhang bezeichneten sich fast ausschließlich Probandinnen mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II mit einer maskulinen Berufsbezeichnung. Allerdings ist einzuräumen, dass diese Anzahl mit vier Probandinnen so gering ist, dass m.E. letztlich nicht von einer eindeutigen Tendenz dahingehend gesprochen werden kann, dass sich Frauen mit höherem Bildungsstand eher mit einer maskulinen Personen- bzw. Berufsbezeichnung betiteln als Frauen mit niedrigerem Bildungsstand. Dies lässt den Schluss zu, dass dieses Phänomen vermutlich doch nur – wie in der Literatur angegeben – speziell auf Frauen in höheren beruflichen Positionen zutrifft, nicht aber auf Frauen mit einem höheren Bildungsstand allgemein. Die dritte Leitfrage der Untersuchung setzte sich mit der Bereitschaft der Menschen, die geschlechtergerechte Sprache auch in den eigenen Sprachgebrauch zu übernehmen, auseinander. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Hypothese „Die Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert die geschlechtergerechte Sprache zwar für den öffentlichen Sprachgebrauch, ist jedoch nicht bereit, diese in den eigenen Sprachgebrauch zu übernehmen“ ließ sich nicht bestätigen. Die überwiegende Mehrheit der Proband/inn/en bezeugte in Frage 3 mit einem Gesamtindex (GI) von 1,3 ihre deutliche Akzeptanz der im Zuge der feministischen Sprachkritik bereits erreichten Veränderungen im Sprachsystem und Sprachgebrauch, womit sich der erste Teil der Hypothese bestätigen ließ. Demgegenüber wurde der zweite Teil der Hypothese widerlegt, indem mit 62,5% ein Großteil der Proband/inn/en erklärte, geschlechtergerechte Formulierungen auch im eigenen bzw. privaten Sprachgebrauch zu verwenden. Was schon Hellinger/Schräpel (1983) zukunftsweisend vermuteten, nämlich dass sich die geschlechtergerechte Sprache im Laufe der Zeit auch im privaten Sprachgebrauch der Menschen etablieren wird, scheint sich zu bewahrheiten. Ein Großteil der Proband/inn/en, die auch privat geschlechtergerechten Sprachgebrauch praktizieren, gaben an, dies bewusst zu tun. 110

vermutlich, wie bereits dargelegt, die eigene Betroffenheit der Frauen von der<br />

Thematik. Da die Verwendung einer geschlechtergerechten <strong>Sprache</strong> unmittelbar den<br />

Frauen zu Gute kommen soll, sehen sie in ihrer Anwendung offenbar einen<br />

stärkeren Nutzen als Männer.<br />

Die zweite Leitfrage brachte weiterhin hervor, dass die Akzeptanz<br />

geschlechtergerechter <strong>Sprache</strong> hinsichtlich des Bildungsstandes z.T. erheblich<br />

differiert. Insgesamt standen die Proband/inn/en mit einem Schulabschluss der<br />

Sekundarstufe I der geschlechtergerechten <strong>Sprache</strong> positiver gegenüber als die<br />

Proband/inn/en mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe II. Am deutlichsten<br />

wurde dies in Frage 9, als es galt, die Nachteile einer geschlechtergerechten<br />

Sprachverwendung zu benennen. Während nur 19,2% der Proband/inn/en mit<br />

einem Schulabschluss der Sekundarstufe II eine sehr positive Grundhaltung zur<br />

Thematik zum Ausdruck brachten, indem sie angaben, keine Nachteile zu sehen, tat<br />

dies mit 51,1% sogar über die Hälfte der Sekundarstufe-I-Proband/inn/en. Ebenso<br />

erachteten mit 71,1% deutlich mehr Proband/inn/en der Sekundarstufe-I-Gruppe in<br />

Frage 10 die Bemühungen um eine geschlechtergerechte <strong>Sprache</strong> als „wichtig“ und<br />

sogar „sehr wichtig“ als in der Vergleichsgruppe mit 53,6%. Auffällig war zudem,<br />

dass im Gegensatz zu nur 24,2% der Sekundarstufe-II-Proband/inn/en mit 48,9%<br />

fast die Hälfte der Sekundarstufe-I-Proband/inn/en die Umsetzung der<br />

geschlechtergerechten <strong>Sprache</strong> in Frage 11 als „gut“ bewertete.<br />

Ein Grund dafür, dass die geschlechtergerechte <strong>Sprache</strong> bei Personen mit einem<br />

Schulabschluss der Sekundarstufe II deutlich weniger Akzeptanz findet als bei<br />

denjenigen mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe I, ist möglicherweise, dass<br />

eine längere Bildungsperiode, die auch die Reflexion von <strong>Sprache</strong> einschließt, eine<br />

stärkere Sensibilisierung für die Stilistik von <strong>Sprache</strong> zur Folge hat. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt verwundert es nicht, dass mehr Proband/inn/en mit einem<br />

Schulabschluss der Sekundarstufe II als solche mit einem Schulabschluss der<br />

Sekundarstufe I die durch die Umsetzung der geschlechtergerechten <strong>Sprache</strong><br />

entstehenden Auswirkungen auf die <strong>Sprache</strong> als Nachteile empfinden und die<br />

Umsetzung ebendieser <strong>Sprache</strong> insgesamt negativer beurteilen.<br />

Im Zuge der zweiten Leitfrage wurde zusätzlich die auschließlich auf Frauen<br />

bezogene Hypothese „Frauen mit höherem Bildungsstand verwenden zur<br />

Eigenbezeichnung eher die maskuline Personen- bzw. Berufsbezeichnung als Frauen<br />

mit niedrigerem Bildungsstand“ aufgestellt. Diese ließ sich zunächst nach<br />

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