05.12.2012 Aufrufe

2007/08 Campus Muristalden AG Gymnasium, Fortbildungsklassen ...

2007/08 Campus Muristalden AG Gymnasium, Fortbildungsklassen ...

2007/08 Campus Muristalden AG Gymnasium, Fortbildungsklassen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

24<br />

zu Hilfe zu nehmen, und sind plötzlich verunsichert, aus den vietnamesischen<br />

Gesichtern nicht lesen zu können, da die Fassade immer gewahrt<br />

wird, negative Emotionen nicht anzumerken sind und selbst in schwierigsten<br />

Momenten ein Lächeln gesendet wird. Vietnamesen, so hat uns eine<br />

seit Jahren in Hanoi lebende Schweizerin vor Ort erzählt, sind es erst seit<br />

relativ kurzer Zeit gewöhnt, für sich selbst zu entscheiden und Verantwortung<br />

zu übernehmen. Vor dem Hintergrund, darüber hinaus noch für einen<br />

schweizerischen Jugendlichen oder gar eine ganze Gruppe die Verantwortung<br />

zu tragen, waren die für uns manchmal als einengend empfundenen<br />

Umsorgungen und das ausgeprägte Hierarchieverständnis verständlich.<br />

Und trotzdem möchte man gemäss unseren Gewohnheiten mitbestimmen<br />

oder sogar einmal selbst etwas organisieren können, oder einfach auch<br />

einmal widersprechen, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Auch habe ich<br />

noch nie in einem fremden Land in vier Wochen nur mit kleinen Gesten<br />

und mit Lächeln, ohne gemeinsamen Nenner auf verbaler Ebene, so viele<br />

kleine, herzliche Begegnungen gehabt, und gleichzeitig über die Sprache<br />

so wenige, längere und in unserem Sinne tiefe Gespräche geführt. Ganz<br />

selten nur hatte ich das Gefühl, ganz den wirklichen Menschen vor mir zu<br />

haben, immer blieb eine unüberbrückbar scheinende Distanz und Fassade<br />

bestehen. Nur zu gerne hätte ich einmal mit einem Vietnamesen oder einer<br />

Vietnamesin über eben genau solche Dinge gesprochen und erfahren, wie<br />

sie die Kommunikation mit uns Schweizern erleben. Aber noch faszinierender<br />

als die unterschiedlichen Wellenlängen an sich, war, wie wir – unsere<br />

Jugendlichen nicht überraschend noch schneller als wir Begleitpersonen<br />

– die unterschiedlichen Wellenlängen zuerst höchst irritiert<br />

wahrgenommen, dann aber plötzlich akzeptiert haben. Die Erkenntnis, die<br />

unterschiedlichen Wellenlängen auch mit grössten Bemühungen bis zu<br />

einem gewissen Grad nur einander annähern aber sicher nicht überwinden<br />

zu können, war wohl wichtig, überhaupt damit umzugehen. Der Weg<br />

der Frequenzangleichung sei aber schier endlos und immer wieder geprägt<br />

von Rückschlägen, so hat uns die schon erwähnte, in Hanoi lebende<br />

Schweizerin vorgewarnt. Wir haben also nur mehr oder weniger erfolgreich<br />

erste Schrittchen in diese Richtung gemacht, diese waren rückblickend<br />

betrachtet und trotz aller Schwierigkeiten eine ganz besondere und<br />

wertvolle Erfahrung für uns alle.<br />

Kaspar Staub, Begleitperson 20<strong>08</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!