2007/08 Campus Muristalden AG Gymnasium, Fortbildungsklassen ...
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sich beide Seiten in einer Fremdsprache verständigen. Hauptgrund ist vielmehr<br />
die total unterschiedliche Art und Kultur, wie Vietnamesen und<br />
Schweizer kommunizieren: Noch nie habe ich mich – in einem schweizerischen<br />
Sinne – derart bewusst klar und direkt ausgedrückt, und damit derart<br />
wenig Klarheit erreicht, und dies schon gar nicht auf direktem Wege.<br />
Noch nie habe ich meine Art der Kommunikation derart grundlegend überdacht,<br />
habe mir derart Mühe gegeben, meine Aussagen wiederholt, immer<br />
wieder anders, und war ob des Gefühls des Nicht-verstanden-Werdens derart<br />
ratlos, ohnmächtig, manchmal sogar frustriert. Kurz: Noch nie habe<br />
ich Kommunikation als derart anstrengend empfunden. Dabei handelt es<br />
sich doch wohl einfach «nur» um eine kulturell gänzlich unterschiedliche<br />
Art, wie eigentlich deckungsgleiche menschliche Mechanismen, Gedanken<br />
und Gefühle in Worte verpackt werden. Eine Angleichung der verschiedenen<br />
Wellenlängen in beiden Rollen, als Sender und als Empfänger, das<br />
Drehen am Frequenzrädchen, mit etwas Gespür, das kann doch einfach<br />
nicht so schwierig sein, habe ich oft gedacht. Und doch, wie einige Beispiele<br />
zeigen: Vietnamesen scheinen die Wörter ‹Ja› und ‹Nein› nicht zu<br />
kennen, oder vermeiden sie manchmal gekonnt. Kaum etwas wird direkt<br />
oder klar ausgedrückt, jede Botschaft bleibt unklar und bis zu einem gewissen<br />
Grade verhandelbar, ist verpackt in eine bestimmte, nur für Geübte<br />
in ihrer ursprünglichen Intention dekodierbare Folge von indirekten Sätzen.<br />
So lernt man etwa bereits bei der ersten Taxifahrt durch Hanoi, was<br />
der anfänglich geäusserte Satz «No problem!» in Vietnam bedeutet, wenn<br />
man nach nur wenigen Fahrkilometern zusammen mit dem fast ebenso<br />
orientierungslosen Taxifahrer das Ziel suchen muss. Häufig haben Gastfamilien<br />
auf die Frage unserer Jugendlichen, ob dies oder jenes für sie in<br />
Ordnung sei, für unsere Ohren eindeutig bejahend geantwortet, und postwendend<br />
kam nur wenige Momente später das offizielle Telefonat seitens<br />
der Schule an uns Begleitpersonen, es sei für die Gastfamilien alles andere<br />
als in Ordnung so. Ein «Nein» wird praktisch nie direkt gesendet, und<br />
schon gar nicht in seiner Bedeutung verstanden, und oft bedeutet ein «Ja»<br />
eigentlich «Nein». Und kaum einmal werden, auch nicht nach mehrmaligem<br />
Nachfragen, die wirklichen (Hinter-)Gründe dafür genannt, ja nicht<br />
selten ertappt man sich dabei, wie man Vietnamesen verdächtigt, in ihrer<br />
Argumentation auszuweichen oder sich herauszureden. Wir sind es gewohnt,<br />
bei der Kommunikation die Mimik und das Nonverbale ergänzend<br />
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