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2007/08 Campus Muristalden AG Gymnasium, Fortbildungsklassen ...

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Wenn ich in der Schule als Lehrerin, als Lehrer Kultur zu vermitteln versuche<br />

(z.B. mit Faust), oder wenn meine Kollegin mit Schülern in einer<br />

Rockband spielt, das heisst, wenn wir mitunter etwas senden möchten,<br />

wissen wir noch lange nicht, was die einzelnen Schülerinnen und Schüler<br />

daraus machen. Es bedingt für die Kulturvermittlung gewisse Wellen zwischen<br />

Sender und Empfänger, wobei immer auch die Schüler als Sender<br />

wirken.<br />

Kürzlich hat mir ein Schüler im Rahmen einer «Kulturvermittlungsaktion»<br />

liebevoll gesagt: «Aber Herr Staub, ich bin doch ‹soo› an einem anderen<br />

Ort als Sie.» – Und an sich hat er ja recht gehabt. Es gibt ganz viele Kulturen,<br />

die vermittelt werden: Auch jene für Erwachsene, für Alte, Kinder<br />

und Jugendliche. Letztere sind das Feld der Schule. Hier wird indessen<br />

stark die Kultur der Erwachsenen vermittelt. Von Adam Smith über die<br />

Geigenstunde, die Trigonometrie bis zu ‹Kleider machen Leute›. Vielleicht<br />

ist es gut so, dass die Jugendlichen ihre Kultur ganz für sich leben und sich<br />

auch darin abschotten. Die Generationen lösen sich hier aber rasend schnell<br />

ab. Seit kurzem tauchen auch bei uns vereinzelt ‹Emos› auf. Jene Schwarzangezogenen,<br />

Topgeschminkten, welche sich lange in den Armen liegen<br />

und ihr Leid in der schwierigen und zukunftslosen Welt beklagen.<br />

In Stifters Nachsommer geht Heinrich seit Jahren immer wieder über dieselbe<br />

Marmortreppe hinauf zu seinem Gastgeber Risach, um kulturelle<br />

Gespräche zu führen. Mitten auf der Marmortreppe erschreckt ihn einmal<br />

ein heftiger Blitz, dank welchem er unvermittelt die Schönheit der dortigen<br />

Steinstatue erkennt. Auf den Vorwurf an Risach, warum er ihn denn<br />

noch nie auf die einmalige Schönheit dieses Kunstobjekts aufmerksam gemacht<br />

habe, entgegnet ihm dieser, dass er, Heinrich, sie nie hätte erkennen<br />

können, wenn er sie ihm (zur Unzeit) hätte erklären wollen. Nun habe er<br />

sie selber und wirklich erkannt. – Schüler müssen und können Dinge eben<br />

nicht zum selben Zeitpunkt am selben Ort, im selben Tempo gleich erkennen<br />

wie ich, der Lehrer, welcher Kultur vermitteln will. Und es nützt schon<br />

gar nichts, wenn ich mit der Geisel schnalze.<br />

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