Fantasy und Humanismus - Humanistischer Verband Deutschlands
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A 59349; 20. Jahrgang; 3. Quartal, Nr. 76/2006; E 4,-<br />
ZEITSCHRIFT DES HUMANISTISCHEN VERBANDES<br />
<strong>Fantasy</strong><br />
<strong>und</strong><br />
<strong>Humanismus</strong>
ZEITSCHRIFT DES HUMANISTISCHEN VERBANDES<br />
Inhalt<br />
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong><br />
<strong>Deutschlands</strong><br />
Nr. 76 / September / 06<br />
Editorial Patricia Block 1<br />
Landauf/landab 2<br />
Nachgefragt Rechtschreibreform Nanna Fuhrhop 6<br />
Menschen im Diesseits Patricia Block 7<br />
Aus den Ländern Jugendtreffen in Brandenburg 8<br />
Sommerferien für alle! Ina Herbell 9<br />
Lebensk<strong>und</strong>eprüfung Wilfried Seiring 9<br />
Humanistische Lebensberatung Ines Scheibe 9<br />
50 Jahre Körperschaftsrechte Jürgen Springfeld 10<br />
Frauentreffen Wiebke Berking 12<br />
Forum Interview mit Wilfried Estel – Jugendweihe Deutschland Patricia Block 13<br />
Neuer Patriotismus Armin Pfahl-Traughber 16<br />
Zwischenruf Sich selbst das Gesetz sein Karl-Heinz Gerstner 14<br />
Titel <strong>Humanismus</strong> <strong>und</strong> <strong>Fantasy</strong> Susanne Jahn 17<br />
Eragon oder der Glaube an nichts (Auszug) Christopher Paolini 18<br />
Mittelfoto 20/21<br />
Einblicke / Ausblicke Der Humanistische <strong>Verband</strong> stellt sich für die Zukunft auf Horst Groschopp 22<br />
Magazin Interview mit Bravo-Autorin Eveline von Arx Patricia Block 24<br />
Mensch Mozart Michael Bauer 29<br />
Angehört Trauermusik Michael Bauer 27<br />
Ewige Wahrheiten In nomine domini Rainer Rosenzweig 31<br />
Der Diesseits-Gedanke 33<br />
Auslese 36<br />
Aussprache 38<br />
Adressen 40<br />
Gedicht Robert Gernhardt 41<br />
Humanisten im Internet: http://www.humanismus.de E-Mail: diesseits@humanismus.de<br />
Herausgeber: <strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong>, Wallstraße 61-65, 10179 Berlin, Telefon 030-613 904-41. Verantwortlich im Sinne<br />
des Berliner Pressegesetzes: Patricia Block. Mit Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers<br />
wider. Redaktion: Ralf Bachmann, Michael Bauer, Patricia Block, Gerd Eggers, Jürgen Gerdes, Jürgen Springfeld, Christian John, Jens-<br />
Peter Krüger. Verwaltung: Bettina Kebschull. Titelgestaltung/Grafik/Layout: Jürgen Holtfreter, Berlin. Fotos: Jens Krüger S.2, Frank<br />
Spade S.2; Claudia Gorr S.4, Jürgen Gerdes S.6, Evelin frerk S.7, Frank Spade S.7, Bilderbox S.10, 30, 34, 35; Ines Scheibe S.12, Reinhard<br />
Clemens S. 16, Patricia Block S.20/21 Zeichnungen: Michael Hüter S.33, Solanas S.36 diesseits erscheint vierteljährlich am 1.<br />
März, 1. Juni, 1. September <strong>und</strong> 1. Dezember. Redaktionsschluss ist sechs Wochen vor dem Erscheinen. Bezugspreise: Jahresabonnement<br />
12,- E (inklusive Porto <strong>und</strong> Mehrwertsteuer), Ausland zuzüglich Portomehrkosten. Einzelexemplar 4,- E. Satz/Reinzeichnung: Michael<br />
Pickardt, Berlin. Druck: H & P Druck, Körtestr. 10, 10967, Telefon 030-693 77 37. ISSN 0932-6162., diesseits wird auf umweltfre<strong>und</strong>lichem,<br />
zu 50 % chlorfrei gebleichtem Papier mit 50 % Recyclingfaseranteilen gedruckt.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
haben Sie schon auf Ihre diesseits gewartet? Schulferien <strong>und</strong> Urlaubstermine<br />
haben dazu geführt, dass Sie diese Nummer mit etwas<br />
Verspätung in den Händen halten. Ich hoffe, Sie sehen uns das<br />
nach, denn die Redaktion erfüllt auch mit dieser Ausgabe den Anspruch,<br />
Sie umfassend darüber zu informieren, was sich auf dem<br />
Sektor des organisierten <strong>Humanismus</strong> so tut. Und das ist viel. Die<br />
Erkenntnis hat sich wohl inzwischen überall durchgesetzt: Ohne<br />
praktische Projekte ist kein <strong>Humanismus</strong> zu haben. Entsprechend<br />
widmet sich eine Tagung verschiedener Verbände des säkularen<br />
Spektrums vom 20. bis 22. Oktober in der Technischen Universität<br />
Berlin dem Thema: „Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es!“<br />
<strong>Verband</strong>svertreter werden mit Interessenten die Frage nach dem<br />
spezifischen Profil humanistischer Sozialarbeit diskutieren. Ich<br />
darf Sie im Namen der Veranstalter, dem Internationalen B<strong>und</strong><br />
der Konfessionslosen <strong>und</strong> Atheisten, der Atheistischen Hochschulgruppe,<br />
der Giordano-Bruno-Stiftung <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong> für<br />
Geistesfreiheit München ganz herzlich dazu einladen. Das genaue<br />
Programm finden Sie in unserer Rubrik Landauf/landab <strong>und</strong> in<br />
dem beigelegten Flyer.<br />
Und noch etwas liegt dieser Ausgabe bei: ein Spendenaufruf. Wir<br />
berichteten schon darüber, dass in Mecklenburg-Vorpommern<br />
derzeit große Anstrengungen unternommen werden, einen neuen<br />
Landesverband des HVD zu gründen. Engagierte Menschen gewinnen<br />
Mitstreiter, gehen erste bürokratische Hürden an, damit<br />
am 28. Oktober der offizielle Gründungsakt zu einem Erfolg gerät.<br />
Nur leider sind damit Kosten verb<strong>und</strong>en, die die Aktiven vor Ort<br />
noch nicht aus eigener Kraft aufbringen können. So hat der B<strong>und</strong>esverband<br />
des Humanistischen <strong>Verband</strong>es beschlossen, hier helfend<br />
unter die Arme zu greifen – <strong>und</strong> Sie können das auch! Uns als<br />
Humanisten muss es nicht freuen, wenn Kirchen geschlossen werden,<br />
aber es sollte uns freuen, wenn humanistische Einrichtungen<br />
eröffnet werden. In diesem Sinne bitten wir Sie herzlich um einen<br />
kleinen Beitrag.<br />
Und weiter geht es ums liebe Geld. Vor einiger Zeit kursierte die<br />
Meldung, dass verschiedene Banken damit begonnen hätten, „is-<br />
Editorial<br />
lamverträgliche Aktienfons“ aufzulegen. Der Käufer kann sicher<br />
sein, dass er weder in die Alkoholwirtschaft noch in Schweinefleisch<br />
verarbeitende Betriebe investiert. Nun entstand in der Redaktion<br />
zunächst als Scherz, dann jedoch ganz ernst gemeint die<br />
Frage, ob es vergleichbares für Atheisten gibt. „Grüne Aktien“,<br />
„Frauenaktien“, alles schon erf<strong>und</strong>en, wo aber legt man als Humanist<br />
sein Geld gut an, um für „Geld-Segen“ an richtiger Stelle<br />
zu sorgen?<br />
Wenn man das Buch von Carsten Frerk „Finanzen <strong>und</strong> Vermögen<br />
der Kirchen in Deutschland“ gelesen hat, weiß man um die<br />
wirtschaftliche Tätigkeit kirchennaher Unternehmen. Und nicht<br />
immer erkennt der Laie, hier der Bankk<strong>und</strong>e, wer beispielsweise<br />
hinter bestimmten Medienkonzernen oder Immobilieneigentümern<br />
steckt. Also startete die Redaktion eine Nachfrage bei allen<br />
einschlägig bekannten großen Bankunternehmen. Das Ergebnis?<br />
Gleich null, nicht eine Antwort. So schnell wollten wir uns nicht<br />
geschlagen geben, die Pressesprecher der Institute wurden vorher<br />
per Anruf informiert, um sicherzustellen, dass unsere Mails nicht<br />
im Datenmüllkorb landen. Offenbar war aber unsere Idee so<br />
skurril, dass auch im zweiten Anlauf nur ein Befragter sich zu einer<br />
Antwort bequemte: Die Hypo-Vereinsbank teilte uns mit:<br />
„Leider können wir Ihnen zu diesem<br />
Thema keinen Experten zur<br />
Verfügung stellen.“ Fragen Sie<br />
doch mal bei Ihrer Hausbank nach,<br />
vielleicht können wir dann dieses<br />
Rätsel doch noch eines Tages lösen.<br />
Bis dahin verbleibe ich<br />
mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen<br />
Patricia Block<br />
Verantwortliche Redakteurin<br />
3/2006 1
Ausstellungsbroschüre<br />
Berlin – Der Humanistische <strong>Verband</strong>,<br />
Landesverband Berlin, nahm<br />
das 100-jährige Jubiläum seiner<br />
Gründung zum Anlass, Historie<br />
<strong>und</strong> Aktualität des <strong>Humanismus</strong><br />
durch eine Ausstellung der Öffentlichkeit<br />
vorzustellen. Viele Besucher<br />
des Rathauses Schöneberg hatten<br />
in den letzten Wochen Gelegenheit,<br />
sich über philosophische<br />
Religionskritik von der Antike über<br />
die Renaissance <strong>und</strong> Neuzeit, über<br />
Fehler <strong>und</strong> Irrtümer der Bewegung<br />
bis hin zu den heutigen Arbeitsfeldern<br />
des <strong>Verband</strong>es zu informieren.<br />
Um eine eingehendere Beschäftigung<br />
mit der Materie auch außerhalb<br />
der Ausstellungszeiten gewährleisten<br />
zu können, wurden in<br />
einer Broschüre alle Ausstellungstafeln<br />
versammelt.<br />
<strong>Humanismus</strong><br />
Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart<br />
Der lange Weg zu Toleranz <strong>und</strong><br />
Gleichberechtigung<br />
Begleitheft zur Ausstellung des Humanistischen<br />
<strong>Verband</strong>es <strong>Deutschlands</strong>,<br />
Landesverband Berlin, über<br />
die Entwicklung des <strong>Humanismus</strong><br />
von seinen Anfängen bis heute<br />
1. Auflage 2006<br />
Preis: 3,00<br />
Bestellungen:<br />
HVD Berlin, Wallstraße 61-65,<br />
10179 Berlin, 030-61390441<br />
hvd-berlin@humanismus.de<br />
oder im Buchhandel: 3-924041-<br />
25-3<br />
2<br />
3/2006<br />
Ekkehard Brand, Bezirksbürgermeister<br />
von Berlin-<br />
Tempelhof/Schöneberg auf der<br />
Eröffnung der Ausstellung im<br />
Rathaus Schöneberg: „<strong>Humanismus</strong><br />
heißt nicht, Illusionen zu<br />
kultivieren.“<br />
Festkonzert in der Philharmonie<br />
Berlin – Weil die Straßen r<strong>und</strong> um<br />
den Potsdamer Platz am 24.Juni<br />
kurz nach Ende des Spiels Deutschland<br />
gegen Schweden „zugefreut“<br />
waren, gab es für etliche Besucher<br />
des zweiten Konzerts „Berlin – Metropole<br />
des <strong>Humanismus</strong>“ in der<br />
Philharmonie keine Chance,<br />
pünktlich zum Konzertbeginn zu<br />
erscheinen. Doch gerade rechtzeitig<br />
zum Höhepunkt des Abends hatten<br />
es dann auch die Letzten geschafft.<br />
Ramiz Tahiris BB Rhapsodie, im<br />
Vorjahr aus Anlass des Kompositionswettbewerbs<br />
„Berlin – Metro-<br />
pole des <strong>Humanismus</strong>“ mit einem<br />
zweiten Preis ausgezeichnet, riss die<br />
Besucher zu wahren Begeisterungsstürmen<br />
hin. Die BB Rhapsodie<br />
entstand im Jahre 2003. Der Titel<br />
steht für Bosnien <strong>und</strong> Berlin, zwei<br />
in jeder Hinsicht unterschiedliche<br />
Abschnitte im Leben Tahiris, die<br />
durch vielseitige Verstrickungen<br />
seinen Alltag <strong>und</strong> seine Lebensvisionen<br />
sowie seinen musikalischen<br />
Ausdruck geprägt haben. Herausragend<br />
auch das Orchester des Musikgymnasiums<br />
„Carl Philipp Emanuel<br />
Bach“.<br />
Ramiz Tahiri: „Vor meinen Augen verschwand eine fast abgöttisch<br />
bew<strong>und</strong>erte Heimat <strong>und</strong> gleichzeitig begann die schmerzhafte aber<br />
auch großartige Geburt einer neuen Weltperspektive, die ich in Berlin<br />
erleben durfte. Mir begegneten unbekannte Menschen, die mir ohne<br />
irgendwelche Gegenleistung ihre Hilfe anboten. Verständnis <strong>und</strong><br />
Mitgefühl, Solidarität <strong>und</strong> Loyalität, Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> Anerkennung<br />
waren nicht nur plakative Worte eines humanistischen Pamphlets.<br />
(...) Die BB Rhapsodie möchte ich als Ausdruck meiner tiefsten<br />
Dankbarkeit (...) der Stadt Berlin widmen.
HVD gründet <strong>Humanismus</strong><br />
Stiftung Berlin<br />
Berlin – Mit der offiziellen Anerkennung<br />
durch die Stiftungsaufsicht<br />
bei der Berliner Senatsverwaltung<br />
für Justiz kann die <strong>Humanismus</strong><br />
Stiftung Berlin, beschlossen<br />
auf der Mitgliederversammlung des<br />
HVD Berlin im September letzten<br />
Jahres, ihre Tätigkeit aufnehmen.<br />
Stifter ist der Landesverband Berlin<br />
des HVD, der durch seinen Vorstand<br />
auch in den Gremien der Stiftung<br />
an entscheidender Stelle vertreten<br />
ist.<br />
Die Stiftung hat in erster Linie die<br />
Aufgabe, einen wichtigen Beitrag<br />
zur Finanzierung der unterschiedlichen<br />
Tätigkeitsfelder des HVD zu<br />
leisten. Lebensk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Kindertagesstätten,<br />
soziale Dienstleistungen,<br />
weltliche Feierkultur – in diesen<br />
<strong>und</strong> in weiteren Bereichen wird<br />
die Stiftung ihre Unterstützung zur<br />
Verfügung stellen. Ein Schwerpunkt<br />
dabei wird sicherlich die Anschubfinanzierung<br />
innovativer Projekte<br />
sein.<br />
Aufgabe für die nächste Zeit wird es<br />
sein, das Stiftungsvermögen zu<br />
mehren. Unter Mitgliedern <strong>und</strong><br />
Sympathisanten des HVD wird daher<br />
um Zustiftungen geworben.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des dauerhaften Charakters<br />
von Stiftungen kann man damit<br />
gewissermaßen seine Absicht<br />
verewigen, den eigenen <strong>Verband</strong> zu<br />
unterstützen. Die Gründung der<br />
<strong>Humanismus</strong> Stiftung Berlin soll<br />
im Anschluss an die nächste Mitgliederversammlung<br />
am 16. September<br />
2006 mit einer festlichen<br />
Veranstaltung gewürdigt werden.<br />
Weitere Informationen unter 030-<br />
61390415.<br />
Juristische Fragen der<br />
Sterbebegleitung<br />
Berlin – Rechtsanwalt Wolfgang<br />
Putz spricht im Rahmen der Berliner<br />
Hospizwoche beim HVD Berlin<br />
über „Juristische Fragen beim<br />
einwilligungsunfähigen <strong>und</strong> sterbenden<br />
Patienten“. Er steht dem<br />
HVD im Engagement für die<br />
Rechte von Patienten nahe. Er hat<br />
in zahlreichen Fällen das Sterben<br />
von Menschen gemäß ihren Wünschen<br />
juristisch begleitet <strong>und</strong> deren<br />
Angehörige mit juristischer <strong>und</strong><br />
menschlicher Kompetenz unterstützt.<br />
Die Veranstaltung gilt als Fortbildung,<br />
kann jedoch gern von interessierten<br />
Laien besucht werden.<br />
16. Oktober 2006, 16 bis 18 Uhr<br />
Anmeldung erforderlich unter: Email@visite-hospiz.de<br />
oder unter<br />
030-6139041. Es erfolgt eine gesonderte<br />
Einladung.<br />
<strong>Humanistischer</strong> Pressedienst<br />
Mastershausen – Nach der erfolgreichen<br />
Etablierung der Forschungsstelle<br />
Weltanschauungen in<br />
Deutschland (fowid) 2005 startet<br />
die Giordano-Bruno-Stiftung 2006<br />
ein neues, ambitioniertes Projekt:<br />
den Humanistischen Pressedienst<br />
(hpd). Die GBS kooperiert hierbei<br />
eng mit dem Humanistischen <strong>Verband</strong><br />
<strong>Deutschlands</strong>. Das Informationsportal<br />
des Humanistischen<br />
Pressedienstes www.hpd-online. de<br />
ist ab sofort online. Um eine seriöse,<br />
von <strong>Verband</strong>sinteressen unabhängige<br />
Berichterstattung zu ermöglichen,<br />
verfügt der hpd über<br />
eine eigenständig arbeitende, nur<br />
den eigenen Prinzipien verpflichtete<br />
Redaktion, die von Carsten Frerk<br />
geleitet wird. Der hpd soll nach<br />
außen dazu beitragen, dass aufklärerische,<br />
humanistische, freigeistige<br />
Positionen in Medien <strong>und</strong> Politik<br />
größere Beachtung finden. Für die<br />
r<strong>und</strong> 20 verschiedenen Verbände<br />
der säkularen Szene soll der hpd<br />
eine integrierende Wirkung haben<br />
(gemeinsamer Veranstaltungskalender,<br />
Pressemeldungen, die auf<br />
Verlautbarungen der einzelnen<br />
Verbände zurückgreifen etc.). Ergänzend<br />
zu den Meldungen der<br />
hpd-Redaktion werden sich auf<br />
www.hpd-online.de u.a. Pressemappen<br />
finden, die den Verbänden des<br />
freigeistigen Spektrums die Gelegenheit<br />
bieten, ihre spezifischen<br />
Positionen der Öffentlichkeit darzulegen.<br />
Symposium<br />
turmdersinne 2006<br />
Nürnberg – Die Sprache ist der<br />
Schlüssel zum Menschen als Kulturwesen.<br />
Was geschieht im Ge-<br />
hirn, wenn der Mensch spricht?<br />
Wie entwickelt sich das Sprechen<br />
bei Kleinkindern? Welche Auswirkungen<br />
können Hirnschäden auf<br />
die Sprachfähigkeit haben? Von<br />
solchen Fragen spannt sich der thematische<br />
Bogen bis zur Gebärdensprache,<br />
der Sprachverarbeitung bei<br />
Blinden <strong>und</strong> der Verarbeitung von<br />
Musik. Forscher tragen vor, Hörer<br />
fragen nach. Am Ende steht zur<br />
Debatte, ob Sprache die Grenze<br />
zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier markiert.<br />
Diskutieren Sie mit!<br />
Alle Infos <strong>und</strong> Anmeldung:<br />
www.turmdersinne.de<br />
Schlaues aus dem<br />
turmdersinne<br />
Nürnberg – „Heiner hirnt –<br />
Schlaues aus dem turmdersinne“ –<br />
unter diesem Motto begleitete<br />
„Heiner“, der sensorische Homunkulus<br />
aus dem Hands-on-Museum<br />
turmdersinne, junge Leser der<br />
Nürnberger Nachrichten durch die<br />
großen Ferien. Unterstützt wurde<br />
das wulstlippige Museumsmaskottchen<br />
von SinnesOrgan-Redakteu-<br />
rin Inge Hüsgen, die in der<br />
wöchentlichen Artikelserie verblüffende<br />
Sinnestäuschungen <strong>und</strong><br />
spannende Forschungsergebnisse<br />
vorstellte. Dabei verriet sie nicht<br />
nur, was „Heiner“ so einzigartig<br />
macht <strong>und</strong> woher die grauen<br />
Flecken im Hermann-Gitter kommen,<br />
sie erklärte auch, wie sehr die<br />
Erfahrung die Wahrnehmung beeinflusst.<br />
Weitere Beiträge stellten<br />
die Thatcher- <strong>und</strong> die Kanizsa-<br />
Täuschung sowie den Stroop-Effekt<br />
<strong>und</strong> „unmögliche“ Figuren<br />
vor. Alle Beiträge der Serie finden<br />
sich unter www.turmdersinne.de.<br />
Die Reihe wird voraussichtlich im<br />
Oktober fortgesetzt.<br />
Vergabe des<br />
<strong>Humanismus</strong>preises 2006<br />
Berlin – Der Ossip-K.-Flechtheim-<br />
Preis in Höhe von 2.500 Euro wird<br />
entsprechend der Juryentscheidung<br />
geteilt <strong>und</strong> an die türkische Rechtsanwältin,<br />
Frauenrechtlerin <strong>und</strong> Autorin<br />
Seyran Ates sowie die vier<br />
Schüler/innen der 9. Klasse an der<br />
Fritz-Karsen-Schule in Berlin-<br />
Neukölln Wanda Lehmann, Marianne<br />
Hachtmann, Robin <strong>und</strong> Patrick<br />
Hering vergeben. Die vier<br />
jungen Leute haben sich aktiv für<br />
3/2006 3
ihre Mitschülerin Tanja Ristic eingesetzt,<br />
die von der Polizei aus dem<br />
Unterricht geholt wurde <strong>und</strong> nach<br />
Bosnien abgeschoben werden sollte.<br />
Mit Mut <strong>und</strong> Zivilcourage haben<br />
sie spontan eine Schülerdemonstration<br />
<strong>und</strong> –initiative organisiert,<br />
Pressetermine wahrgenommen,<br />
Tanjas Familie unterstützt<br />
<strong>und</strong> mit ihrer Aktion nicht nur die<br />
LehrerInnen <strong>und</strong> SchülerInnen ihrer<br />
Schule zum Handeln aufgerufen.<br />
Das Grips-Theater inszenierte<br />
„Hiergeblieben!“ <strong>und</strong> brachte damit<br />
das Thema Bleiberecht für Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche sowie deren<br />
Familien auf die Bühne. Die Aktion<br />
von Wanda, Marianne, Robin<br />
<strong>und</strong> Patrick war erfolgreich: Tanja<br />
<strong>und</strong> ihre Mutter konnten bleiben,<br />
ihr Vater konnte vor wenigen Wochen<br />
wieder einreisen.<br />
Seyran Ates, in Istanbul geboren,<br />
lebt seit 30 Jahren in Deutschland<br />
<strong>und</strong> wird ausgezeichnet für ihr Engagement<br />
als Anwältin <strong>und</strong> Menschenrechtsaktivistin,<br />
die sich für<br />
türkische Einwanderinnen einsetzt,<br />
um sie vor Gewalt <strong>und</strong> so genannten<br />
„Ehrenmorden“ zu schützen.<br />
Selbst bedroht <strong>und</strong> gefährdet, artikuliert<br />
sie präzise die Lebensumstände<br />
der Frauen, betreut sie <strong>und</strong><br />
steht ihnen juristisch zur Seite. Die<br />
Jurymitglieder hoben hervor, dass<br />
es nur wenige Menschen gibt, die<br />
sich zu einem so wichtigen Thema<br />
in dieser Weise exponieren, so produktiv<br />
<strong>und</strong> provozierend sind <strong>und</strong><br />
im Interesse der Frauen ein genaues<br />
Hinsehen im Sinne der Differenzierung<br />
fordern.<br />
Die Preise werden überreicht am<br />
Sonntag, dem 22. Oktober 2006,<br />
um 11 Uhr im Berlin-Saal der Zentral-<br />
<strong>und</strong> Landesbibliothek Berlin,<br />
Ribbeck-Haus, 2. Etage, Breite Str.<br />
36, 10178 Berlin-Mitte.<br />
Die Laudatorinnen sind Prof.<br />
Christine Thürmer-Rohr (für Frau<br />
Ates) <strong>und</strong> Lea Rosh.<br />
Um Anmeldung wird gebeten bis<br />
zum 9.10.2006 unter Telefon 030-<br />
61390410.<br />
4<br />
3/2006<br />
Illusionen in Holz<br />
Nürnberg – Nach Malerei <strong>und</strong><br />
Grafik zeigt der turmdersinne im<br />
Rahmen seiner Sonderausstellungsreihe<br />
ab September aus Holz gearbeitete<br />
optische Illusionen. Der<br />
Nürnberger Schreinermeister Dieter<br />
Winge fertigt seit Jahren feine<br />
Intarsienarbeiten an. Diese rufen<br />
selbst beim aufmerksamsten Betrachter<br />
zunächst ein dreidimensionales<br />
Raumempfinden hervor, obwohl<br />
die Intarsien flächig gearbeitet<br />
sind. Jene dreidimensionale Wirkung<br />
entsteht nicht nur durch die<br />
Kombination von Holzarten verschiedener<br />
Farbe <strong>und</strong> Maserung,<br />
sondern ergibt sich ähnlich wie bei<br />
den räumlich unmöglichen Zeichnungen<br />
eines M.C. Escher durch<br />
eine optische Täuschung, die von<br />
unserem Wahrnehmungsapparat<br />
konstruiert wird.<br />
Die Sonderausstellung ist bis Ende<br />
des Jahres im turmdersinne zu sehen.<br />
Athpedia<br />
Hagen – Viele dem atheistischen<br />
Spektrum thematisch nahe stehende<br />
Artikel stehen bei der Internet-<br />
Enzyklopädie Wikipedia unter<br />
enormen Druck. Sie werden bevorzugtes<br />
Opfer von Online-Vandalismus.<br />
Um dem Gebot der Neutralität<br />
Rechnung zu tragen, kann in<br />
ihnen mitunter nicht ausreichend<br />
Stellung bezogen werden. (Auch<br />
der Artikel über diesseits wurde, angeblich<br />
wegen „Eigenwerbung“,<br />
immer wieder gelöscht.)<br />
Im Umfeld des IBKA wurde daher<br />
das Projekt Athpedia ins Leben gerufen.<br />
Athpedia ist eine freie Enzyklopädie,<br />
deren Inhalte von freiwilligen,<br />
unbezahlten Autoren verfasst<br />
werden. Alle Inhalte können von<br />
angemeldeten Benutzern leicht <strong>und</strong><br />
ohne besondere Software direkt im<br />
Browser bearbeitet werden. Primär<br />
richtet sich Athpedia an interessierte<br />
Nutzer, die Informationen r<strong>und</strong><br />
um das Thema Atheismus suchen.<br />
Da der Atheismus keine einheitliche<br />
Weltanschauung darstellt, ist es<br />
Ziel dieser Enzyklopädie, mehrere<br />
sich z.T. widersprechende Positionen<br />
objektiv zu erläutern. Daneben<br />
ist die kritische Auseinandersetzung<br />
mit Inhalt <strong>und</strong> Wirken von Religionen<br />
ein weiterer zentraler Bereich.<br />
Wer an diesem herausfordernden<br />
Projekt aktiv mitarbeiten will,<br />
schicke bitte eine E-Mail an<br />
info@athpedia.de.<br />
Vollständige Herausgabe der<br />
Werke von Ludwig Feuerbach<br />
gesichert<br />
Nürnberg – Wie Georg Batz, Vorsitzender<br />
der Ludwig-Feuerbach-<br />
Gesellschaft, mitteilt, erscheint<br />
dank einer großzügigen Spende einer<br />
vor kurzem in der Schweiz verstorbenen<br />
Deutschen die vollständige<br />
Herausgabe der Werke des<br />
bayerischen Philosophen Ludwig<br />
Feuerbach nunmehr als gesichert.<br />
Die Fertigstellung der Gesamtausgabe<br />
drohte kurz vor Vollendung<br />
zu scheitern, weil die dazu erforderlichen<br />
Mittel nicht mehr zur Verfügung<br />
standen.<br />
Die Spenderin hatte sich aufgr<strong>und</strong><br />
einer schweren Krebserkrankung<br />
entschlossen, ihr Leben mit Hilfe<br />
des schweizerischen Vereins „Dignitas<br />
– Menschenwürdig leben –<br />
Menschenwürdig sterben“ selbst zu<br />
beenden. Zuvor bedachte sie die<br />
„Schweizerische Gesellschaft für die<br />
Europäische Menschenrechts-Konvention“<br />
(SGEMKO) in ihrem<br />
Testament mit der Maßgabe, sich<br />
für die Verwirklichung des Menschenrechts<br />
auf risiko- <strong>und</strong><br />
schmerzfreie Beendigung des eigenen<br />
Lebens einzusetzen, wobei sie<br />
ausdrücklich festhielt, der SGEM-<br />
KO komme dabei ein „weites Ermessen“<br />
zu.<br />
Angesichts der Verdienste Ludwig<br />
Feuerbachs um einen vernunftgemäßen<br />
Umgang mit dem Recht<br />
auf Beendigung des eigenen Lebens,<br />
hat der für den Einsatz der<br />
Mittel zuständige Generalsekretär<br />
der SGEMKO, der Zürcher<br />
Rechtsanwalt Ludwig A. Minelli,<br />
die Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft<br />
als Empfängerin eingesetzt. Dadurch<br />
ist es nun dem verdienstvollen<br />
Herausgeber der Gesamtausgabe,<br />
Professor Dr. Werner Schuffenhauer,<br />
möglich, das Werk, dem er<br />
seit fünfzig Jahren einen Großteil<br />
seiner Schaffenskraft gewidmet hat,<br />
einem glücklichen Ende zuzuführen.<br />
Humanisten des Ostseeraums<br />
veranstalten Konferenz<br />
Stockholm – „Wie können wir die<br />
Welt demokratischer machen? Wie<br />
setzen wir einen weltlichen Staat<br />
durch?“ Diese Themen stehen im<br />
Mittelpunkt einer Konferenz von<br />
Humanisten aus den baltischen<br />
Staaten, die vom 10. bis 12. November<br />
in Stockholm stattfinden<br />
soll. Problematisiert werden soll besonders<br />
die Rolle, die dem Staat im<br />
Gemengelage von religiösen <strong>und</strong><br />
weltanschaulichen Organisationen<br />
zufallen soll.<br />
Die vergleichsweise starken humanistischen<br />
Verbände Norwegens<br />
<strong>und</strong> Schwedens wollen mit der<br />
Konferenz vor allem auch Impulse<br />
für eine stärkere Kooperation mit<br />
Humanisten in den baltischen Staaten<br />
Litauen, Lettland <strong>und</strong> Estland<br />
geben. Hier ist der organisierte <strong>Humanismus</strong><br />
bisher nur schwach vertreten.
Die Teilnahme an der Veranstaltung<br />
kostet 60 Euro, das genaue<br />
Programm <strong>und</strong> Anmeldemöglichkeit<br />
findet man im Internet unter<br />
www.humanisterna.se<br />
Monismus <strong>und</strong><br />
Naturwissenschaft<br />
Neustadt am Rübenberge – Zu einem<br />
Seminar über das Verhältnis<br />
von Monismus <strong>und</strong> Naturwissenschaften<br />
lädt die Freigeistige Aktion<br />
für humanistische Kultur e.V. nach<br />
Neustadt am Rübenberge ein. Die<br />
Veranstaltung beginnt am Samstag,<br />
28. Oktober 2006, um 9.30 Uhr<br />
im Schloss Landestrost <strong>und</strong> endet<br />
um ca. 16.30 Uhr. Anmeldungen<br />
bis zum 1. Oktober 2006 bei Arnher<br />
E. Lenz, Fasanenweg 8, 31535<br />
Neustadt, Tel. 05032-66297, Fax<br />
05032-66263, E-Mail: arnher.e.<br />
lenz@t-online.de<br />
Seminar zu Namensfeiern<br />
Nauen – Der Humanistische Freidenkerb<strong>und</strong><br />
Brandenburg e.V.<br />
führt am 17. <strong>und</strong> 18. November<br />
2006 in Bollmannsruh bei Potsdam<br />
einen Workshop über die Gestaltung<br />
von Namensfeiern durch. Die<br />
Beschäftigung mit humanistischen<br />
Gr<strong>und</strong>anliegen <strong>und</strong> den kulturellen<br />
Interessen von konfessionell<br />
nicht geb<strong>und</strong>enen Familien soll zu<br />
einem intensiven Erfahrungsaustausch<br />
über Anliegen, Vorbereitung<br />
<strong>und</strong> Durchführung dieser<br />
weltlichen Feiern führen. Anfragen<br />
<strong>und</strong> Anmeldungen bitte an: <strong>Humanistischer</strong><br />
Freidenkerb<strong>und</strong>,<br />
14641 Nauen, Karl-Thon-Str. 42.<br />
Email: freidenker-brandenburg@<br />
web.de<br />
5. Internationale IHEYO-<br />
Konferenz in Indien<br />
Brüssel – Die IHEYO, die Internationale<br />
Humanistische <strong>und</strong> Ethische<br />
Jugendorganisation, plant ihre<br />
nächste Konferenz für die Zeit vom<br />
28. Oktober bis zum 4. November<br />
2006 in Indien in Zusammenarbeit<br />
mit dem Atheist Centre in Vijayawada/Andhra<br />
Pradesh. Das Thema<br />
lautet „Critical Thinking and Free<br />
Inquiry in Education“.<br />
Die IHEU-Mitgliedsorganisation<br />
IHEYO will auf ihrer Konferenz interkulturelle<br />
Aktivitäten, Ausflüge,<br />
Vorträge von bekannten Humanisten<br />
<strong>und</strong> Arbeitsgruppen anbieten.<br />
Die Veranstalter erwarten über 50<br />
Jugendgruppenleiter aus 20 verschiedenen<br />
Ländern. Weitere Informationen<br />
<strong>und</strong> Anmeldung über:<br />
www.iheyo.org/activities/conferencean.htm<br />
bzw. india2006@iheyo. org<br />
(Silvana Uhlrich and Sara Wastijn).<br />
6. Weltatheismuskonferenz<br />
Vijayawada – Vom 5. bis 7. Januar<br />
2007 findet die 6. Weltatheismuskonferenz<br />
im indischen Vijayawada<br />
statt. Das Thema lautet: „Die<br />
Notwendigkeit des Atheismus“.<br />
Diskutiert werden die Förderung<br />
der Wissenschaften, säkulare Sozialarbeit,<br />
Menschenrechte <strong>und</strong> das<br />
Streben nach einem alternativen<br />
Wertesystem. Eingeladen sind an<br />
Atheismus interessierte Menschen<br />
aus aller Welt. Die Konferenzgebühr<br />
beträgt US $ 150. Unterbringung<br />
in einfachen Unterkünften im<br />
Atheist Centre in Vijayawada,<br />
Andhra Pradesh/Südindien oder<br />
auf Wunsch in Hotels in der Nähe.<br />
Vijayawada ist vom Flughafen Hyderabad<br />
aus gut zu erreichen.<br />
Weitere Informationen <strong>und</strong> Anmeldung<br />
bei: Dr. Vijayam, Atheist<br />
Centre, Benz Circle, Vijayawada<br />
520010, AP, India Phone +91 866<br />
2472330, Fax: +91 866 2484850,<br />
Mobile: +91 9848458220, Email:<br />
atheistcentre@yahoo.com and/or<br />
atheistcentre@rediffmail.com.<br />
„Papst gsehng?“<br />
Religionsfreie Zone 2006<br />
München – Eine „fröhliche Gegenveranstaltung“<br />
zum Papstbesuch<br />
im September in Deutschland<br />
bietet der B<strong>und</strong> für Geistesfreiheit<br />
in Bayern an. Ab dem 10. September<br />
wird es in München „religionsfreie<br />
Zonen“ geben, in die sich<br />
Menschen zurückziehen können,<br />
die dem Rummel um das katholische<br />
Kirchenoberhaupt entgehen<br />
wollen.<br />
Teil I: „Schluss mit lustig? – Nein,<br />
Schluss mit blöde!“<br />
Vorträge <strong>und</strong> Kabarettveranstaltungen<br />
Ort: Kulturzentrum Gasteig, Rosenheimer<br />
Straße, München<br />
Teil II: „Freie Liebe für freie Geister...“<br />
Heidenspaßig unverschämte<br />
Filme<br />
Ort: Maxim Programmkino,<br />
Landshuter Allee 33, München<br />
Teil III: „Heidenspaß statt Höllenqual!“<br />
Die Heidenspaßparty<br />
Näheres unter<br />
www.religionsfreie-zone.de.<br />
Religion – Weltanschauung –<br />
Philosophie<br />
Mainz – Zu einem religionsphilosophischen<br />
Seminar vom 22.–24.<br />
September 2006 laden die Deutschen<br />
Unitarier ins Jugendgästehaus<br />
Mainz, Otto-Brunfels-Schneise<br />
4, ein.<br />
Die drei Begriffe Religion, Weltanschauung,<br />
Philosophie, die aktuell<br />
in der Religionsgemeinschaft der<br />
Deutschen Unitarier diskutiert werden<br />
<strong>und</strong> deren Klärung für ihre Zukunft<br />
von wesentlicher Bedeutung<br />
ist, sollen gemeinsam erörtert werden.<br />
Anmeldung <strong>und</strong> weitere Infos<br />
bei: Christian Karden, Quellhofstr.<br />
72, 34127 Kassel, oder per E-Mail:<br />
Seminar-Mainz@unitarier. de.<br />
IBKA-Tagung 2006 in Berlin<br />
Hagen – Dass säkulare Humanistinnen<br />
<strong>und</strong> Humanisten die bestehenden<br />
Machtverhältnisse mit spitzer<br />
Feder kritisieren <strong>und</strong> ihre hochgesteckten<br />
politischen Ziele stilvoll<br />
aufs Papier bringen können, ist bekannt.<br />
Doch welche Beiträge leisten<br />
sie konkret zum Aufbau einer<br />
menschenfre<strong>und</strong>licheren Gesellschaft?<br />
Im öffentlichen Bewusstsein<br />
werden in dieser Hinsicht fast ausschließlich<br />
die sozialen Aktivitäten<br />
der beiden Großkirchen wahrgenommen.<br />
Allerdings sind auch die<br />
säkularen Kräfte in sozialen Angelegenheiten<br />
keineswegs untätig –<br />
reicht doch das Spektrum humanistischer<br />
Hilfsangebote mittlerweile<br />
ebenfalls „von der Wiege bis zur<br />
Bahre“.<br />
So erfreulich diese Entwicklung<br />
auch ist, so besteht doch weitgehend<br />
Unklarheit darüber, wodurch<br />
sich diese humanistischen Hilfsangebote<br />
gegenüber denen der religiösen<br />
Konkurrenz auszeichnen.<br />
Gibt es ein spezifisches humanistisches<br />
Profil in der Sozial-, Jugend-,<br />
oder Altenarbeit? Und geht es den<br />
praktisch arbeitenden HumanistInnen<br />
tatsächlich um eine reale Ver-<br />
besserung der menschlichen Lebensverhältnisse<br />
oder letztlich doch<br />
nur um den Profit, der mit einem<br />
Engagement auf dem Feld der<br />
„Wa(h)re(n) Nächstenliebe“ erwirtschaftet<br />
werden kann?<br />
Die zweitägige Tagung des Internationalen<br />
B<strong>und</strong>es der Konfessionslosen<br />
<strong>und</strong> Atheisten (IBKA) vom<br />
20. bis 22. 10. 2006 an der Technischen<br />
Universität in Berlin wird<br />
sich mit diesen Fragen auseinandersetzen<br />
<strong>und</strong> dabei einen<br />
Überblick über die vielfältigen sozialen<br />
Aktivitäten von Humanistinnen<br />
<strong>und</strong> Humanisten in Deutschland<br />
geben. So werden humanistische<br />
Ansätze in der Sexual- <strong>und</strong><br />
Schwangerschaftskonfliktberatung,<br />
in Kindertagesstätten, Sozialstationen<br />
<strong>und</strong> Seniorenheimen vorgestellt,<br />
Fragen des schulischen Unterrichts<br />
sowie der außerschulischen<br />
Betreuung Jugendlicher behandelt,<br />
<strong>und</strong> nicht zuletzt soll auch<br />
der spezifisch humanistische Umgang<br />
mit Tod <strong>und</strong> Sterben thematisiert<br />
werden.<br />
Das gesamte Programm entnehmen<br />
Sie bitte dem beiliegenden<br />
Flyer oder Sie informieren sich unter<br />
www.ibka.org!<br />
Hospizkurs<br />
Berlin – Für den neuen Hospizkurs<br />
beim Hospizdienst V.I.S.I.T.E. des<br />
HVD Berlin sind noch Bewerbungen<br />
möglich. Der Gr<strong>und</strong>kurs beginnt<br />
am 22.9.2006 <strong>und</strong> findet bis<br />
Dezember jeweils freitags von<br />
17–20 Uhr statt. Der anschließende<br />
Aufbaukurs mit Kontakten zu<br />
Schwerstkranken umfasst insgesamt<br />
ca.160 St<strong>und</strong>en an 24 Abenden<br />
<strong>und</strong> zwei Wochenendseminare<br />
in Berlin.<br />
Anmeldung unter 030-613904-32;<br />
Gudrun Ott-Meinhold.<br />
3/2006 5
Hannover – Mitglieder der Freien Humanisten Niedersachsen werden im Haus Humanitas in der Anwendung des Content Management<br />
Systems TYPO3 geschult. Es sind die Internetbeauftragten der Ortsgemeinschaften des <strong>Verband</strong>es. Ihr Ziel: Künftig die Ortsseiten ihrer<br />
Gemeinschaft, die in den Internetauftritt des Landesverbandes (www.freie-humanisten.de) nahtlos eingefügt sind, eigenständig zu gestalten.<br />
Linke Seite, von vorne nach hinten: Eckhard Kühl (Emden), Lars Lähn (Lehrte), Wulf Saß (Lehrte), Birger Holz (Oldenburg), Nicolas<br />
Wendisch (Schulungsleiter, Oldenburg). Rechte Seite, von vorn nach hinten: Klaus Brinkmann (Osnabrück), Reinhard Brune (Osnabrück),<br />
Ulrike Döhrel-Janßen <strong>und</strong> Hero Janßen (Göttingen), Ingo Hammer (Delmenhorst) <strong>und</strong> Helmut Jahns (Hannover). Nicht im Bild, weil<br />
gerade hinter der Kamera: Jürgen Gerdes, der Landessprecher der Freien Humanisten.<br />
6<br />
Nachgefragt<br />
3/2006<br />
■ Seit 1. August gilt die neue Rechtschreibung,<br />
besser gesagt die Reform der Reform.<br />
Nur eines stand nie wirklich zur Debatte:<br />
Die Großschreibung der Substantive, eine<br />
Eigenart der deutschen Sprache, die kaum<br />
Nachahmer gef<strong>und</strong>en hat. Der Duden sagt<br />
dazu: „Die Großschreibung der Substantive<br />
nahm im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert ihren Ausgang<br />
von der Großschreibung der Eigennamen<br />
(vor allem bei Personennamen <strong>und</strong> geographischen<br />
Namen). Die Verwendung von<br />
Großbuchstaben diente hier vor allem der<br />
Kennzeichnung von Wörtern, die inhaltlich<br />
als besonders bedeutsam erschienen, beim<br />
Vorlesen hervorgehoben oder betont werden<br />
sollten.“<br />
Was war dieses so Bedeutsame, fragte diesseits<br />
Frau Dr. Nanna Fuhrhop, Dozentin<br />
für deutsche Grammatik am Institut für<br />
Germanistik der Universität Potsdam.<br />
„Die Substantivgroßschreibung ist zuerst<br />
bei sakralen Nomina entstanden. Diese Regelung<br />
geht auf Mönche zurück, die beim<br />
Kopieren religiöser Schriften begannen, aus<br />
Ehrfurcht Ihn, Gott, den Herren großzuschreiben.<br />
Später findet sich dies Schreibform<br />
in den ersten Bibeldrucken wider.“ ●
November um 17.30 Uhr<br />
wird es in der ARD einen halbstündigen<br />
Beitrag in dem Magazin<br />
„Religion <strong>und</strong> Gesellschaft“ geben.<br />
Thema: Lebenssinn ohne Gott: Lebensfreude,<br />
Krisenhilfe, Kultur<br />
<strong>und</strong> Begleitung bis zum Ende aus<br />
weltlich-humanistischer Sicht <strong>und</strong><br />
Praxis. Dies ist ein Arbeitstitel, den<br />
die Redaktion sicher noch „abschleifen“<br />
wird. Im Zentrum dieses<br />
Films vom Redakteur Christian<br />
Modehn stehen Szenen aus dem<br />
beruflichen, verbandlichen <strong>und</strong><br />
privaten Leben der Humanistin<br />
Gita Neumann, Referentin Lebenshilfe<br />
im HVD-Landesverband<br />
Berlin <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esbeauftragte des<br />
HVD für Patientenverfügungen.<br />
Gita Neumann legt Wert auf die<br />
Feststellung, dass sie sich nicht in<br />
dieses Medium gedrängt hat, sondern<br />
vom Berliner Geschäftsführer<br />
Manfred Isemeyer gebeten wurde,<br />
diese „Rolle“ zu übernehmen.<br />
Menschen im DiesseitsAm 19.<br />
Diamantene Hochzeit feierten<br />
Hermann <strong>und</strong> Else Forstmann in<br />
Bottrop.<br />
In seiner Feieransprache zählte Präsident<br />
Jürgen Springfeld einige<br />
Stationen aus dem ereignisreichen<br />
60-jährigen Eheleben der beiden<br />
auf.<br />
Besonders herausragend ist sicherlich<br />
die Tatsache, dass die Eheleute<br />
die schwere Zeit nach dem verheerenden<br />
Weltkrieg gemeistert, sich<br />
politisch <strong>und</strong> gewerkschaftlich engagiert<br />
<strong>und</strong> für den Erhalt der Geistesfreiheit<br />
eingesetzt haben.<br />
Bevor sich die Ortsgemeinschaft<br />
Bottrop mit den Gladbeckern zu-<br />
sammenschlossen, war Hermann<br />
Forstmann 35 Jahre lang Gemeinschaftsvorsteher<br />
<strong>und</strong> Vorsitzender<br />
der Untergliederung.<br />
Neben einigen Wegbegleiterinnen<br />
<strong>und</strong> Wegbegleitern feierten besonders<br />
die beiden Kinder, nebst Ehepartnern,<br />
drei Enkel <strong>und</strong> vier Urenkel<br />
das besondere Ereignis.<br />
Ingrid Z<strong>und</strong>el (Jahrgang 29) ist<br />
ein beredtes Beispiel dafür, dass<br />
man jenseits der 65 noch lange<br />
nicht zum alten Eisen gehört. Im<br />
Gegenteil, sie erfüllte sich erst in<br />
der Zeit ihres Ruhestandes, den<br />
man besser als Ende des Erwerbslebens<br />
bezeichnen sollte, einen lang<br />
gehegten Wunsch. So begann sie<br />
61-jährig mit dem Studium der<br />
Psychologie, das sie 1994 erfolgreich<br />
beendete. Das Thema der Diplomarbeit<br />
war gewissermaßen Vision<br />
<strong>und</strong> ihr auf den Leib geschneidert:<br />
„Muster erfüllten Ruhestands“.<br />
Noch immer ruhelos, begann<br />
sie 1998 mit ihrer Dissertation,<br />
die sie 2005 trotz einiger Hürden<br />
erfolgreich mit 76 Jahren verteidigte.<br />
1997 bewarb sich Ingrid Z<strong>und</strong>el<br />
auf eine Annonce der Berliner Humanisten,<br />
die eine ehrenamtliche<br />
Seniorenkoordinatorin suchten.<br />
Bis September 2000 hat sie hier<br />
wahre Pionierarbeit geleistet.<br />
Dann trennte sie sich von Berlin<br />
<strong>und</strong> zog nach Heidelberg um näher<br />
bei ihren Kindern <strong>und</strong> Enkelkindern<br />
zu sein. Dennoch ist es nicht<br />
ihre Art, so ganz auf Familie zu machen.<br />
Nach wie vor aktiv, mischt sie<br />
im Wohnstift mit <strong>und</strong> fordert die<br />
Selbstbestimmung der Bewohner<br />
ein, ist aktiv in der „Frauenbrücke<br />
Ost-West“, geht auf Vortragsreisen<br />
<strong>und</strong> hat für ein Konzept „Übergang<br />
in den Ruhestand“ einen Preis der<br />
Körber-Stiftung bekommen. Und<br />
weil noch ein wenig Zeit übrig war,<br />
schrieb sie im Centauraus-Verlag<br />
das Buch: „Kommunitarismus in<br />
einer alternden Gesellschaft : Neue<br />
Lebensentwürfe Älterer in Tausch-<br />
systemen“, erhältlich im Buchhandel,<br />
ISBN 3-8255-0602-9.<br />
Das Fazit von Frau Dr. Ingrid Z<strong>und</strong>el:<br />
„Mein Leben reicht gar nicht<br />
für alles, was ich noch tun möchte.“<br />
Aus vier Frauen <strong>und</strong> einem Mann<br />
bestand das Team des HVD, LV<br />
Berlin, dass sich am 31. Mai im<br />
Berliner Tiergarten zum 5x5-km-<br />
TEAM-Staffellauf einfand. 7.000<br />
Läuferinnen <strong>und</strong> Läufer liefen an<br />
diesem Abend um die Wette. 73<br />
Staffeln waren von der Charité am<br />
Start, 70 von der Deutschen Bank<br />
<strong>und</strong> 56 von DaimlerChrysler. Das<br />
Team des HVD bestand aus Thomas<br />
Dornieden, Barbara Vehring,<br />
Katja Schäfer, Edith Wiesenfeld<br />
<strong>und</strong> Carmen Malling<br />
(Startreihenfolge). Wohl wissend,<br />
dass es am Wechsel ein großes Gedränge<br />
geben würde, hatten die Aktiven<br />
einige HVD-Lufballons mit<br />
Helium gefüllt <strong>und</strong> zur Erkennung<br />
mitgenommen. Wenn auch modisch<br />
vielleicht nicht auf dem allerletzten<br />
Stand, halfen doch die extra<br />
angefertigten T-Shirts, während<br />
der etwa dreistündigen Veranstaltung<br />
mit Leuten ins Gespräch zu<br />
kommen. Mit einer Gesamtzeit<br />
von 2:30 St<strong>und</strong>en war das Team<br />
HVD etwa gleich schnell wie die<br />
Läufer der brasilianischen Botschaft,<br />
aber doch immerhin eine<br />
St<strong>und</strong>e langsamer als die Sieger, das<br />
Männerteam des Veranstalterklubs<br />
SC Charlottenburg. Fürs nächste<br />
Jahr haben sie sich vorgenommen,<br />
mit wenigstens zwei Staffeln an den<br />
Start zu gehen. Dafür werden neben<br />
weiteren Läuferinnen <strong>und</strong> Läufern<br />
auch noch gute Ideen gesucht,<br />
was ein origineller humanistischer<br />
Staffelstab sein könnte. Interessenten<br />
können sich bei Katja Schäfer<br />
oder Frank Spade melden oder<br />
eine E-Mail an staffel@hvd-berlin.de<br />
senden.<br />
3/2006 7
8<br />
3/2006<br />
Landesjugendtreffen<br />
der<br />
Brandenburger<br />
Potsdam – Vom 17. bis 19. März 2006 trafen<br />
sich über 100 brandenburgische „Junge Humanisten“<br />
am Werbellinsee zu ihrer jährlichen<br />
Landesversammlung. Sie kamen aus<br />
den Regionalverbänden Havelland, Barnim,<br />
HIBBZ Eberswalde, Dahme-Spreewald <strong>und</strong><br />
Potsdam/Potsdam-Mittelmark.<br />
■ Diesmal fungierten die JuHus vom<br />
HIBBZ Eberswalde als Gastgeber. Viele<br />
kannten sich von früheren Treffen <strong>und</strong> freuten<br />
sich über das Wiedersehen. Für die<br />
„Neuen“ war nach der Begrüßungsdisco am<br />
Freitagabend die zunächst vorhandene<br />
Zurückhaltung verflogen.<br />
Müde, aber gut vorbereitet, trafen sich<br />
alle am Samstag um 10 Uhr zur Mitgliederversammlung.<br />
Als „alte“ Gäste nahmen<br />
Wolfgang Hecht <strong>und</strong> Norbert Weich vom<br />
Humanistischen <strong>Verband</strong> Berlin-Brandenburg,<br />
Dr. Volker Mueller vom Humanistischen<br />
Freidenkerb<strong>und</strong> Brandenburg <strong>und</strong><br />
Günter David vom Humanistischen Regionalverband<br />
Ostbrandenburg teil.<br />
Wolfgang Hecht informierte in einem<br />
Grußwort über die Arbeit <strong>und</strong> Vorhaben<br />
des HVBB <strong>und</strong> forderte die Jugendlichen<br />
auf, sich in den Regionalverbänden, aber<br />
auch auf Landesebene an der Arbeit der Verbände<br />
zu beteiligen.<br />
Der amtierende Landessprecherrat verwies<br />
in seinem Bericht auf die Vielfarbigkeit<br />
der Arbeit der Jungen Humanisten im Land<br />
Brandenburg. Sie reicht von der Mitwirkung<br />
<strong>und</strong> Organisation bei den regionalen<br />
Jugendfeiern über internationale Projekte in<br />
Indien oder Polen bis zu Tanz- <strong>und</strong> Musik-<br />
Projekten, selbstständiger Gestaltung von<br />
Namensfeiern, Trägerschaften von Jugendclubs<br />
<strong>und</strong> vielem mehr.<br />
In der Diskussion zeigten die einzelnen<br />
Berichte aus den Regionen eine außerordentlich<br />
positive Bilanz, die sich mit anderen<br />
erfolgreichen Jugendorganisationen im<br />
Land Brandenburg messen kann.<br />
Darüber hinaus wählte die Mitgliederversammlung<br />
einen neuen Sprecherrat.<br />
Zum neuen ersten Landessprecher wurde<br />
David Driese (Dahme-Spreewald) gewählt.<br />
Am Nachmittag fand das traditionelle<br />
Volleyballturnier um den Wanderpokal der<br />
Landes-JuHus statt, der durch die „Havelländer“<br />
gewonnen wurde.<br />
Das Programm komplettierte eine Diskussionsr<strong>und</strong>e<br />
zum Islam, Präsentationen<br />
aus den Regionen, Bandkonzerte, die übliche<br />
Disco <strong>und</strong> sogar ein Feuerwerk.<br />
Am Sonntag verabschiedete man sich<br />
mit der Verabredung zum nächsten Landestreffen,<br />
das vom 15. bis 17. September<br />
2006 im Landkreis Dahme-Spreewald stattfinden<br />
wird. ●
Ina Herbell<br />
Sommerferienaktion<br />
des<br />
Bündnisses für<br />
Kinder Marzahn-<br />
Hellersdorf<br />
Berlin – Was brauchen Kinder in den großen<br />
Ferien? Abwechslungsreiche <strong>und</strong> bezahlbare,<br />
besser noch kostenlose Angebote <strong>und</strong><br />
Erlebnisse – gerade in Zeiten wachsender<br />
Armut von Kindern <strong>und</strong> ihrer Familien. Das<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendbüro Marzahn-Hellersdorf<br />
des HVD Berlin koordinierte bereits im<br />
vergangenen Jahr eine Sommerferienaktion,<br />
die wegen des großen Erfolges in diesem<br />
Jahr wiederholt wurde.<br />
■ Immer mehr Kinder erleben keine Urlaubsreisen,<br />
da das Geld fehlt. Eltern kritisieren,<br />
dass sie neben steigenden Hortkosten<br />
regelmäßig Geld für Ferienausflüge berappen<br />
sollen.<br />
Um der Ausgrenzung von Kindern entgegenzuwirken,<br />
entwickelte das Bündnis<br />
für Kinder des Bezirks 2005 die Projektidee,<br />
mit Partnern wie Polizei, Feuerwehr<br />
oder dem Team Grüner Punkt kostenlose<br />
Ferienaktionen in den sechs Sozialräumen<br />
des Bezirks zu organisieren. Nach dem<br />
großen Erfolg der Ferienaktion 2005<br />
konnten die Angebote in diesem Jahr sogar<br />
erweitert <strong>und</strong> neue Partner gewonnen<br />
werden. So ermöglichten ehrenamtliche<br />
Übungsleiter, dass Schulsporthallen in<br />
den Ferien geöffnet bleiben konnten.<br />
Auch das Tierheim lud an sechs Tagen<br />
Kinder zu einem Projekttag ein, unterstützt<br />
von einem Busunternehmen <strong>und</strong> einer<br />
Catering-Firma.<br />
Das Kinder- <strong>und</strong> Jugendbüro des HVD<br />
Berlin ist dabei faktisch die Organisationszentrale,<br />
die alle Akteure <strong>und</strong> Interessierten<br />
vernetzt, das Programm koordiniert, Öffentlichkeitsarbeit<br />
macht, für Kinder <strong>und</strong><br />
Eltern Ansprechpartner ist <strong>und</strong> natürlich<br />
auch eigene Angebote unterbreitet.<br />
Um die Information über dieses zumindest<br />
berlinweit einzigartige Ferienprojekt an<br />
die Kinder <strong>und</strong> ihre Eltern zu bringen, wurden<br />
sämtliche Veranstaltungen aller Partner,<br />
kommunaler <strong>und</strong> freier Träger für Kinder<br />
im Gr<strong>und</strong>schulalter stadtteilbezogen auf<br />
Flyer gedruckt. So entstanden für die Regionen<br />
des Bezirks sechs farbige Informationsblätter,<br />
die in allen 27 Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> neun<br />
Sonderschulen mit dem Zeugnis an die Kinder<br />
verteilt wurden.<br />
Firmen wie Knorr Bremse <strong>und</strong> die Kaufhauskette<br />
C&A spendeten ausdrücklich für<br />
dieses Ferienvorhaben. So konnte der Bedarf<br />
an Eintrittsgeldern für Freibäder, Museen,<br />
den Tierpark <strong>und</strong> vor allem Fahrtkosten<br />
weitgehend gedeckt werden. Der HVD<br />
unterstützte den Druck der r<strong>und</strong> 12.000<br />
farbigen Informationsblätter. ●<br />
Ina Herbell leitet das Kinder- <strong>und</strong> Jugendbüro<br />
Marzahn-Hellersdorf.<br />
Lebensk<strong>und</strong>e-<br />
Prüfung 2006<br />
Berlin – Eine erfolgreiche Bilanz zieht das<br />
Ausbildungsinstitut für Humanistische Lebensk<strong>und</strong>e:<br />
Beim sechsten Durchgang der<br />
Ergänzungsausbildung haben in diesem Jahr<br />
21 Studierende das viersemestrige Studium<br />
mit qualifizierter Benotung abgeschlossen,<br />
darunter erstmalig in Deutschland eine Studienrätin,<br />
die nun berechtigt ist, das Fach<br />
Lebensk<strong>und</strong>e in der Sek<strong>und</strong>arstufe II zu unterrichten.<br />
■ Das Foto vom Prüfungstag, dem 15. Mai<br />
2006, in der Martin-Buber-Oberschule, einer<br />
Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe,<br />
zeigt (von links nach rechts) die Mitglieder<br />
der Prüfungskommission unter Vorsitz<br />
von Wilfried Seiring (Direktor des Ausbildungsinstitutes),<br />
Dr. Petra Caysa, Dr.<br />
Brigitte Wieczorek-Schauerte, Werner<br />
Schultz (Abteilungsleiter Lebensk<strong>und</strong>e),<br />
Oberstudienrat Hans Kulbe (Fachseminarleiter<br />
für Lebensk<strong>und</strong>e) <strong>und</strong> die Lehrervertreterin,<br />
Frau Stoffers.<br />
Unten links: Die glückliche Kandidatin<br />
Chantal Chelli-Zenner. ●<br />
Ines Scheibe<br />
Humanistische<br />
Lebensberatung<br />
Berlin – Der Humanistische <strong>Verband</strong> erweitert<br />
seine Aufgabenpalette<br />
■ Immer dann, wenn Menschen in unerwartete,<br />
gr<strong>und</strong>legend neue Lebenssituationen<br />
geraten oder wichtige Lebensentscheidungen<br />
zu treffen haben, bekommen Fra-<br />
3/2006 9
gen nach dem Lebenssinn, der Lebensperspektive<br />
<strong>und</strong> nach gr<strong>und</strong>legenden Wertorientierungen<br />
eine besondere Bedeutung <strong>und</strong><br />
drängen nach Bearbeitung.<br />
Für solche Situationen gibt es in der<br />
christlichen Kirche die Seelsorge. Es wird in<br />
den Gesprächen von kirchlicher Seite, ausgehend<br />
von religiösen Werten, Zuwendung,<br />
Stütze, Orientierung <strong>und</strong> Stärkung<br />
geboten.<br />
Für konfessionsfreie Menschen fehlt in<br />
Deutschland bisher ein entsprechendes Pendant.<br />
Das Angebot der humanistischen Lebensberatung<br />
soll diese Lücke im Interesse<br />
einer nachhaltigen ges<strong>und</strong>en psychosozialen<br />
Entwicklung der Betroffenen füllen.<br />
In Belgien <strong>und</strong> den Niederlanden sind<br />
bereits humanistische Berater praktisch<br />
tätig, es gibt spezielle Ausbildungen <strong>und</strong><br />
vielfältige Beratungsangebote <strong>und</strong> Erfahrungen.<br />
Auch im HVD wird das Fehlen einer humanistischen<br />
Beratung seit vielen Jahren anerkannt.<br />
Zwar existieren im Rahmen thematischer<br />
Beratungsfelder, wie Beratung<br />
von Kriegsdienstverweigerern, Schwangerschafts-<br />
<strong>und</strong> Paarberatung, Hospiz- <strong>und</strong><br />
Trauerarbeit, beim Mobilitätsdienst sowie<br />
bei der Abfassung von Patientenverfügungen<br />
in Berlin erste Ansätze, die es nun zügig<br />
auszubauen gilt.<br />
10<br />
3/2006<br />
Diese Aufgabe wurde im vergangenen<br />
Jahr von einer Arbeitsgruppe in Angriff genommen.<br />
Es wurden in ehrenamtlicher Arbeit<br />
die konzeptionellen Vorbereitungen für<br />
den Beginn einer humanistischen Beratung<br />
geschaffen. Das Projekt wird aus Spenden<br />
finanziert.<br />
Für den Herbst 2006 ist der Beginn eines<br />
ersten berufsbegleitenden Ausbildungsgangs<br />
zum humanistischen Berater in Berlin<br />
als Pilotprojekt geplant. Die Ausbildung,<br />
für die sich Interessenten bis zum<br />
20.09.2006 bewerben können, wird ca. 120<br />
St<strong>und</strong>en umfassen <strong>und</strong> soll im Jahr 2007<br />
abgeschlossen werden. Parallel dazu gilt es,<br />
mit ausgewählten Einrichtungen (Alteneinrichtungen,<br />
Krankenhäuser u.a.) Kooperationsvereinbarungen<br />
zu schließen <strong>und</strong> die finanzielle<br />
Absicherung dieses neuen weltanschaulich<br />
orientierten Beratungsangebots<br />
auch perspektivisch zu sichern. Dann werden<br />
nicht nur Mitglieder des Humanistischen<br />
<strong>Verband</strong>es zukünftig von diesem neuen<br />
Dienstleistungsangebot profitieren. ●<br />
Ines Scheibe ist B<strong>und</strong>esbeauftragte des HVD für<br />
humanistische Lebensberatung.<br />
Weitere Informationen, Bewerbungsunterlagen<br />
<strong>und</strong> Spendenmöglichkeit sind zu finden unter:<br />
http://hvd-berlin.de/kontakt/5342009812106<br />
7202.htm#53420098121067203<br />
Jürgen Springfeld<br />
Ein unwirklicher<br />
Geburtstag<br />
Dortm<strong>und</strong> – der Humanistische <strong>Verband</strong><br />
Nordrhein-Westfalen bekam vor 50 Jahren<br />
die Körperschaftsrechte zuerkannt.<br />
■ „Auf Ihren Antrag vom 9.2.1950 sind Ihnen<br />
durch Gesetz vom 5.5.1956 die Rechte<br />
einer Körperschaft des öffentlichen Rechts<br />
verliehen worden“, steht im Schreiben vom<br />
25. Juni 1956 des Kultusministers des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen an die Freireligiöse<br />
Landesgemeinde Nordrhein-Westfalen<br />
im B<strong>und</strong> Freireligiöser Gemeinden<br />
<strong>Deutschlands</strong> e.V.<br />
Nun müssten Verwaltungsjuristen konsultiert<br />
werden, damit der echte Geburtstag<br />
festgelegt werden kann. Ist es der 15. Mai,<br />
der Tag der Beschlussfassung im Landtag?<br />
Oder der 28. Mai, als es im Gesetzesblatt<br />
von NRW veröffentlicht wurde? Oder der<br />
Tag des kultusministeriellen Schreibens?<br />
Das wird sich nötigenfalls klären lassen.<br />
Dennoch ist es nicht die Geburtsst<strong>und</strong>e des<br />
humanistischen Gedankens in NRW.<br />
Hier geht es zu wie bei langjährigen<br />
Eheleuten. An irgendeinem Tag vor Jahrzehnten<br />
lernten sie sich kennen. Irgendwann<br />
funkte es zwischen ihnen. Gemeinschaftliches<br />
Pläne schmieden <strong>und</strong> zielführendes<br />
Handeln folgten. Letztlich<br />
ließen sie sich von einer staatlich bestellten<br />
Person ein Dokument ausstellen, in dem<br />
ihnen bescheinigt wurde, dass sie ab einem<br />
bestimmten Tag Eheleute sind. Diesen<br />
Tag feiern sie üblicherweise jedes Jahr.<br />
Macht es Sinn, eine staatliche Zuweisung<br />
von Rechten <strong>und</strong> Pflichten alljährlich feierlich<br />
zu begehen?<br />
Anfänge im Ruhrgebiet<br />
Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es noch<br />
nicht das B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen.<br />
Demnach konnte es auch keine nordrhein-westfälische<br />
Vorläufer-Organisation<br />
geben. Nachweislich wurde 1908 eine Freireligiöse<br />
Gemeinde in Witten-Annen gegründet<br />
<strong>und</strong> 1919 eine in Dortm<strong>und</strong>-Hörde.<br />
Viele andere folgten im Ruhrgebiet. Um<br />
1920 bestand bereits das Kartell der freigeistigen<br />
Vereine in Westfalen mit etwa 5000<br />
Beitrag zahlenden Mitgliedern. Hauptamt-
liche Redner wurden beschäftigt. Weltliche<br />
Schulen wurden initiiert, gegen den hartnäckigen<br />
Kampf der Kirchen. Dies alles<br />
fand ein Ende durch die massive Gewalt der<br />
nationalsozialistisch auftretenden Massen.<br />
Selbst nicht alle unserer früheren Aktiven<br />
zogen eine klare Grenzlinie zwischen den<br />
damals vorherrschenden Gedanken <strong>und</strong><br />
freigeistigen Erwägungen.<br />
Die Suche nach einer brauchbaren Orientierung<br />
im <strong>Verband</strong> <strong>und</strong> in der Gesellschaft<br />
hat hier in den 20er-Jahren des vori-<br />
Vor 50 Jahren: Die Verleihung der Körperschaftsrechte wird gefeiert<br />
gen Jahrh<strong>und</strong>erts irgendwo begonnen. Verbinden<br />
lässt sich das mit den dokumentierten<br />
Auseinandersetzungen im Kartell Westfalen<br />
über die Frage nach dem „richtigen“<br />
Namen der Gemeinschaft. Auf der einen<br />
Seite schien die Hervorhebung des Religiösen<br />
vielen unangemessen. Neue Namen mit<br />
der Betonung des „freien Geistes“ wurden<br />
eingebracht. Nur einzelne freireligiöse Ortsgemeinden<br />
nannten sich fortan „Freigeistige<br />
Gemeinschaft“. Es lässt sich nicht zweifelsfrei<br />
nachprüfen, welche wesentlichen<br />
Gedanken die Namensdiskussion beeinflussten.<br />
Waren es innerverbandliche Suchbewegungen<br />
oder Anpassungen an den<br />
Zeitgeist? Interessant ist immerhin, dass<br />
1933 der B<strong>und</strong>estag des Volksb<strong>und</strong>es für<br />
Geistesfreiheit seinen alten Namen von<br />
1859 „B<strong>und</strong> Freireligiöser Gemeinden“<br />
wieder annahm, um weiteren Repressalien<br />
des Nationalsozialismus zu entgehen. Geholfen<br />
hat es nicht.<br />
Humanisten ohne Würdeträger<br />
Nach dem Krieg sammelten sich die Hinterbliebenen<br />
<strong>und</strong> Zurückgekehrten erneut<br />
unter dem Namen „Freireligiöse Landesgemeinde“.<br />
Diese neuen <strong>und</strong> alten Freireligiösen<br />
warteten immerhin sechs Jahre von<br />
der Antragstellung bis zur Anerkennung als<br />
Körperschaft des öffentlichen Rechts. Erst<br />
Jahrzehnte später änderten sie den Namen<br />
in Freigeistige Landesgemeinschaft. Nach<br />
Gründung des HVD, zu deren Gründungsmitgliedern<br />
NRW gehörte, änderte<br />
der Landesverband Nordrhein-Westfalen<br />
seinen Namen in <strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong><br />
Nordrhein-Westfalen.<br />
Mit der Ausstellung der staatlichen Urk<strong>und</strong>e<br />
wird eine Körperschaft des öffentlichen<br />
Rechts Träger von besonderen Rechten,<br />
die ursprünglich <strong>und</strong> ausschließlich als<br />
Sonderrechte den Großkirchen eingeräumt<br />
waren. Diese Sonderrechte sind zu einem<br />
großen Teil auf den Firlefanz in den<br />
Großkirchen zugeschnitten: Amtsbezeichnungen,<br />
Titel, Würden, Amtskleidung <strong>und</strong><br />
Amtsabzeichen werden besonders geschützt.<br />
In NRW fehlte bislang die notwendige<br />
Kreativität, diese zugestandenen<br />
Rechte zu nutzen. Die Freistellung von<br />
Gr<strong>und</strong>steuer oder der Erbschafts- <strong>und</strong><br />
Schenkungssteuer hat in den vergangenen<br />
fünf Jahrzehnten keinen bezifferbaren Zugewinn<br />
beschert. Der alljährliche Zuschuss<br />
der Landesregierung wird in etwa durch die<br />
Mietkosten für eine bescheidene Landesgeschäftsstelle<br />
aufgezehrt. Landeszuschüsse<br />
sind an sich nicht von Körperschaftsrechten<br />
abhängig. Es erhalten andere gemeinnützige<br />
<strong>und</strong> mildtätige Organisationen in NRW<br />
ein Mehrfaches.<br />
Immerhin – der Landesverband NRW<br />
ist seit 50 Jahren eine Körperschaft des öffentlichen<br />
Rechts. Das ist völlig korrekt. Es<br />
bleibt jetzt abzuwarten, wie die derzeitige<br />
Schulministerin auf den Antrag zur Erteilung<br />
von Humanistischem Unterricht in öffentlichen<br />
Schulen reagiert. ●<br />
3/2006 11
Wiebke Berking<br />
Wegbereiterinnen<br />
des modernen<br />
<strong>Humanismus</strong><br />
Berlin – Lebensläufe <strong>und</strong> Weltsichten von<br />
Frauen, die die Vielstimmigkeit eines humanistischen<br />
Frauenkanons ausmachen können,<br />
standen im Mittelpunkt eines Wochenendseminars<br />
der Berliner Frauengruppe im<br />
HVD.<br />
■ „Was ist ein Kanon?“ fragt uns die Referentin.<br />
Ist doch klar, denken wir, ein vielstimmiger<br />
Gesang, der bei guter Anleitung<br />
wohlig in den Ohren klingt. „Ja“, sagt die<br />
Referentin, „das ist es auch, aber Vielstimmigkeit<br />
gibt es nicht nur in der Musik.“<br />
„Wir“, das sind acht Frauen, die im Juni an<br />
einem Wochenendseminar der Frauengruppe<br />
des HVD Berlin teilnehmen. Unter<br />
der Leitung von Heike Weinbach verbringen<br />
wir produktive <strong>und</strong> schöne St<strong>und</strong>en<br />
bei herrlichem Wetter in dem kleinen<br />
Ort Reichenow, ca. 60 km nördlich von<br />
Berlin.<br />
12<br />
3/2006<br />
Der Kanon, von dem hier eigentlich die<br />
Rede ist, meint die Zusammenstellung von<br />
Schriften, welche die Lebensauffassung einer<br />
bestimmten Gruppe möglichst umfassend<br />
widerspiegelt. Wir diskutieren die von<br />
Heike Weinbach eingebrachten Thesen.<br />
Wir brauchen einen humanistischen Kanon<br />
für ein humanistisches Selbstverständnis.<br />
Dieser These können wir alle zustimmen,<br />
zumal es hier schon etliche Veröffentlichungen<br />
<strong>und</strong> Diskussionen gibt:<br />
– Ein humanistischer Kanon darf niemanden<br />
ausschließen, er muss gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
ein offenes Projekt sein.<br />
– Ein humanistischer Kanon soll nur die<br />
einschließen, die ein materialistisches/<br />
atheistisches Weltbild haben.<br />
– Der humanistische Kanon soll von denjenigen<br />
herstellt werden, die sich akademisch<br />
mit <strong>Humanismus</strong> beschäftigen.<br />
Diese Thesen forderten Widerspruch<br />
heraus <strong>und</strong> führten uns zu der These, die<br />
uns an diesem Wochenende hauptsächlich<br />
beschäftigte: Wir brauchen einen humanistischen<br />
Frauenkanon!<br />
Die Zustimmung zu dieser Aussage können<br />
wir mit der hinreichend bekannten,<br />
aber immer wieder bitteren Erfahrung begründen,<br />
dass Frauen, die in der Geschich-<br />
te ihrer Zeit eine Rolle gespielt haben, häufig<br />
völlig in Vergessenheit geraten sind.<br />
Außerdem müssen Frauen, zum Teil auch<br />
heute noch, darum kämpfen, dass sie in der<br />
Öffentlichkeit wahrgenommen werden.<br />
Dies gilt auch für deren Veröffentlichungen.<br />
Es ist klar, dass unsere Frauengruppe nur<br />
einen kleinen Beitrag zu diesem Projekt leisten<br />
kann. Wir wollen aber im Laufe der<br />
Zeit Lebensläufe <strong>und</strong> Weltsichten von Frauen<br />
zusammentragen, welche die Vielstimmigkeit<br />
eines humanistischen Frauenkanons<br />
ausmachen können.<br />
An diesem Wochenende beschäftigten<br />
wir uns ausführlich mit vier Wegbereiterinnen<br />
eines modernen <strong>Humanismus</strong>. Emma<br />
Goldmann (1869-1940), Emma Ihrer<br />
(1857-1911), Helene Stöcker (1869-1943)<br />
<strong>und</strong> Agnes Wabnitz (1841-1894). Gemeinsam<br />
ist allen vier Frauen, dass sie sich bew<strong>und</strong>ernswert<br />
mutig <strong>und</strong> konsequent für<br />
die Möglichkeit des freien Denkens <strong>und</strong> die<br />
Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens<br />
einsetzten. ●<br />
Wiebke Berking ist Lebensk<strong>und</strong>elehrerin beim<br />
HVD Berlin. Die Autorin freut sich über Hinweise<br />
auf weitere wichtige Frauen <strong>und</strong> über die<br />
Bereitschaft zur Mitarbeit an diesem Projekt. Interessenten<br />
können sich an diesseits@humanismus.de<br />
wenden.
■ Diesseits: Die Teilnehmer der B<strong>und</strong>esdelegiertenkonferenz<br />
waren einhellig verw<strong>und</strong>ert,<br />
dass die Kooperationsvereinbarung<br />
mit Jugendweihe Deutschland so<br />
problemlos „über die Bühne ging“. Was<br />
hat Sie bewogen, dem zuzustimmen?<br />
WILFRIED ESTEL: Der Kooperationsvorschlag<br />
geht zurück auf die Initiative des<br />
HVD. Ihr Vorsitzender Dr. Groschopp ist<br />
mit diesem Vorschlag an uns herangetreten.<br />
Unser Präsidium hat dazu beraten <strong>und</strong> ist zu<br />
der einhelligen Meinung gelangt, dass eine<br />
kooperative Zusammenarbeit mit dem<br />
HVD ausgebaut werden soll. Das liegt nahe,<br />
weil wir ja gemeinsame Betätigungsfelder<br />
haben, die Jugendweihe bzw. Jugendfeier<br />
<strong>und</strong> die offene Jugendarbeit. In diesem Bereich<br />
ist es in der Vergangenheit bekanntermaßen<br />
zu bestimmten Kontroversen gekommen,<br />
konkret in Berlin <strong>und</strong> auch in<br />
Sachsen/Anhalt. Das wollen wir abstellen.<br />
Wir müssen miteinander <strong>und</strong> nicht gegeneinander<br />
arbeiten, wenn uns das Ziel, etwas<br />
für Jugendliche zu tun, wirklich am Herzen<br />
liegt.<br />
Mussten Sie dabei viele Widerstände aus<br />
den eigenen Reihen überwinden?<br />
Widerstände hat es so eigentlich nicht<br />
gegeben, außer im Land Berlin/Brandenburg.<br />
Die Vertreter der Jugendweihe dort<br />
haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zum<br />
HVD <strong>und</strong> lehnen es ab, hier eine kooperative<br />
Zusammenarbeit aufzubauen. Im September<br />
wird es beim Berliner <strong>Verband</strong> eine<br />
große Mitgliederversammlung geben, wir<br />
müssen abwarten, was dort beschlossen<br />
wird.<br />
Vielleicht wäre ein erster Schritt in die<br />
richtige Richtung eine Überarbeitung der<br />
Website der Jugendweihe Berlin/Brandenburg(www.jugendweihe-berlin-brandenburg.de)?<br />
Dort wird der HVD in einer<br />
Weise vorgestellt, die nicht unbedingt als<br />
fair zu bezeichnen ist.<br />
Die Jugendweihe Deutschland e.V. hat<br />
nicht den Einfluss, von „oben herab“ eine<br />
Korrektur zu fordern. Jeder Mitgliedsverband<br />
bei uns setzt sich eigenständig seine<br />
FORUM<br />
Ein Schritt in die richtige Richtung<br />
Auf der B<strong>und</strong>esdelegiertenkonferenz Anfang Mai in Hannover beschlossen der Humanistische<br />
<strong>Verband</strong> <strong>und</strong> die Interessenorganisation Jugendweihe Deutschland für die Zukunft eine<br />
kooperative Zusammenarbeit. Erster Meilenstein auf diesem Weg wird der Humanistentag<br />
am 22. bis 24. September in Hamburg sein. Über seine Erwartungen an dieses Treffen<br />
sprach Patricia Block mit Wilfried Estel, Präsident der Jugendweihe Deutschland.<br />
Ziele <strong>und</strong> legt seine Inhalte selbst fest. Aber<br />
es ist klar, dass diese Veröffentlichung uns<br />
nicht gut tut <strong>und</strong> so nicht gemacht werden<br />
sollte.<br />
Auf der Delegiertenkonferenz im Mai ist<br />
ja durch den HVD beschlossen worden,<br />
dass, falls es Streitigkeiten zwischen HVD<br />
<strong>und</strong> Jugendweihe gibt, den beiden Vorsitzenden<br />
die Rolle eines Schlichters zukommt<br />
<strong>und</strong> diese die Probleme intern besprechen.<br />
Da sind wir dran.<br />
Wie könnte eine gelungene Zusammenarbeit<br />
konkret aussehen?<br />
Das ist im Moment noch etwas schwierig,<br />
da wir gemeinsam noch keine konkreten<br />
Schwerpunkte gesetzt haben. Der Humanistentag<br />
wird ein erstes Treffen beider<br />
Verbände sein, wo Funktionäre <strong>und</strong> Mitglieder<br />
miteinander sprechen können. Die<br />
Organisation dieser Veranstaltung ist schon<br />
ein ganz konkretes Vorhaben. Dort wird es<br />
Gelegenheit geben, feste Vereinbarungen in<br />
die Wege zu leiten.<br />
Und es darf nicht bei einem solchen<br />
Treffen bleiben.<br />
Welche Erwartungen haben Sie an den<br />
Humanistentag, der im September in<br />
Hamburg erstmals beide Verbände gemeinsam<br />
tagen lässt?<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sollten wir die Erwartungen<br />
nicht zu hoch schrauben. Ich weiß, dass<br />
es auch in den Reihen des HVD hie <strong>und</strong> da<br />
Kritiker gegen die Jugendweihe e.V. gibt.<br />
Wenn wir jetzt erstmals intensiv miteinander<br />
reden, ist das schon ein großer Erfolg.<br />
Daraus resultierend können wir dann die<br />
nächsten Dinge gemeinsam ableiten. Meine<br />
persönlichen Erwartungen: Wir müssen uns<br />
kennenlernen, ein vernünftiges Verhältnis<br />
zueinander aufbauen, wir müssen uns an einen<br />
Tisch setzen <strong>und</strong> miteinander reden,<br />
das ist zunächst das Allerwichtigste. Vor al-<br />
lem die Gespräche am Rande sind ja oft die<br />
entscheidenden Impulsgeber.<br />
Auf Ihrer Website werben Sie für weltliche<br />
humanistische Lebensabschnittsfeiern,<br />
sichern jedoch Ihren K<strong>und</strong>en weltanschauliche<br />
Neutralität zu. Ist das nicht<br />
ein Widerspruch?<br />
Ein Außenstehender mag das als Widerspruch<br />
sehen. Ich sehe dort keinen. In unserer<br />
Satzung steht, dass wir weltanschaulicher<br />
Neutralität verpflichtet sind, wir sind<br />
offen für alles. Es gibt in einzelnen Landesverbänden<br />
jedoch erste Gespräche darüber,<br />
dass die Jugendweihe sich doch als atheistisches<br />
Angebot outen sollte.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern wird bald<br />
ein neuer Landesverband des Humanistischen<br />
<strong>Verband</strong>es <strong>Deutschlands</strong> gegründet<br />
– Wäre das ein Betätigungsfeld für Sie?<br />
Da ich Präsident des Landesverbandes<br />
Jugendweihe in Mecklenburg-Vorpommern<br />
<strong>und</strong> Präsident des B<strong>und</strong>esverbandes<br />
bin, wäre mir persönlich das zuviel. Ich<br />
möchte kein Multifunktionär werden, ich<br />
mache lieber eines richtig. Trotzdem bin ich<br />
gern bereit bei bestimmten Dingen mitzuarbeiten.<br />
Fakt ist, dass wir gemeinsam mit<br />
dem HVD die Gründung des HVD Mecklenburg-Vorpommern<br />
vorbereitet haben.<br />
Wir sind da mit im Boot, das finde ich gut,<br />
<strong>und</strong> wir haben dort auch schon gemeinsame<br />
Betätigungsfelder abgesteckt. ●<br />
Jugend, Schule, <strong>Humanismus</strong><br />
Humanistentag in Hamburg 2006<br />
Am 22./23. September findet im Kulturhaus<br />
Hamburg-Berne ein Treffen humanistischer<br />
Verbände statt. Programm<br />
<strong>und</strong> weitere Informationen siehe diesseits<br />
74, S. 2.<br />
3/2006 13
Zwischenruf<br />
■ Karl-Heinz Gerstner war einer der wenigen<br />
populären Journalisten der DDR.<br />
Gerade weil er sich für die Idee des Sozialismus<br />
engagierte, schrieb er kritisch <strong>und</strong><br />
bürgernah. Um den christlichen Sonntagspredigten<br />
Konkurrenz zu machen, kreierte<br />
der promovierte Jurist 1955 seine 11-Uhr-<br />
Sonntagsbetrachtung. Er hielt diese zehnminütige<br />
„Predigt“ 33 Jahre durch. Sie entwickelte<br />
sich zur meistgehörten Wortsendung<br />
von Radio DDR, mit bis zu fünf Millionen<br />
Hörern jeden Sonntag. Im Laufe<br />
der Jahre gingen etwa 40.000 Hörerbriefe<br />
ein, in denen meist Missstände benannt<br />
14<br />
3/2006<br />
<strong>und</strong> Verbesserungsvorschläge unterbreitet<br />
wurden. Das waren Zeugnisse realer Probleme<br />
<strong>und</strong> Denkweisen in der DDR, die<br />
nach der Wende, bei der Verlagerung des<br />
R<strong>und</strong>funkarchivs, aus Platzgründen weitgehend<br />
vernichtet wurden.<br />
Die Sendung hatte das Motto: „Sachlich,<br />
kritisch <strong>und</strong> optimistisch“. Unter diesem<br />
Titel erschienen 1999 auch die Lebenserinnerungen<br />
von Gerstner. Über<br />
Kindheit <strong>und</strong> Jugend in der Weimarer Republik,<br />
mit einem einjährigen Aufenthalt<br />
an einem amerikanischen College 1928,<br />
erfährt man von seiner Zeit als Referendar<br />
an der Pariser Handelskammer, von wo er<br />
in untergeordneter Position als wissenschaftlicher<br />
Hilfsarbeiter an die Wirt-<br />
schaftsabteilung der deutschen Botschaft<br />
im besetzten Paris gelangte. Helfen konnte<br />
er Verfolgten von hier aus nicht nur<br />
durch das Ausstellen von h<strong>und</strong>erten Passierscheinen<br />
ins unbesetzte Gebiet, sondern<br />
durch Weitergabe von Informationen<br />
an die Résistance, die durch die Vermittlung<br />
des damaligen US-Generalkonsuls<br />
Fullerton nach London <strong>und</strong> New York<br />
weitergeleitet wurden.<br />
Der bekennende Atheist Karl-Heinz<br />
Gerstner, der im Dezember vorigen Jahres<br />
93-jährig verstarb, hatte beim Humanistischen<br />
<strong>Verband</strong> eine Patientenverfügung<br />
abgeschlossen. Seinen letzten Text hat er<br />
bewusst für die Zeitschrift „diesseits“ geschrieben.
Karl-Heinz Gerstner<br />
■ Die Bibel vermittelt ein Menschenbild,<br />
als seien wir nur Ton in des<br />
Töpfers Hand. Sein Schicksal der Vorsehung<br />
zu entziehen <strong>und</strong> selbst in die<br />
Hand zu nehmen, galt nicht nur als<br />
unnötig, sondern auch als ungehörig.<br />
Deshalb „sollen die Gottlosen zuschanden<br />
werden“, denn sie sind boshaft <strong>und</strong><br />
unbarmherzig. Diese Intoleranz Nichtgläubigen<br />
gegenüber hat viel Unheil in<br />
die Welt gebracht. Gleichzeitig wurden<br />
die lebensweisen Passagen der Bibel gern<br />
übersehen. So heißt es im Römerbrief<br />
(2,14), die Heiden hätten zwar kein geschriebenes<br />
Gesetz, dennoch täten sie<br />
„oft aus natürlichem Empfinden heraus,<br />
was es verlangt. So sind sie sich gleichsam<br />
selbst ein Gesetz geworden“.<br />
In der Tat, die Menschen kämpfen seit<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten um wachsenden Einfluss<br />
auf die Gestaltung ihres Lebens. In der<br />
Neuzeit wurde der Paragraf 218 zum<br />
Symbol dieses Kampfes. Ich besuchte als<br />
Primaner das Theaterstück „Zyankali“<br />
von Friedrich Wolf <strong>und</strong> bin seither ein<br />
Verfechter des legalen Schwangerschaftsabbruchs.<br />
Den übrigens schon die alten<br />
Griechen <strong>und</strong> Römer gekannt haben sollen.<br />
Durch Verhütung <strong>und</strong> den gesetzlich<br />
zugelassenen Abbruch ist das Leben der<br />
Frauen freier geworden. Für sie ist jedes<br />
Kind ein Wunschkind.<br />
Inzwischen wünschen sich manche allerdings<br />
perfekt modellierte Kinder. In-<br />
Vitro-Befruchtung, Gen-Module – die<br />
sogenannte positive Eugenik greift in das<br />
Selbstverständnis der programmierten<br />
Person ein, was das Gegenteil von Selbstbestimmung<br />
ist. Ein besonders kühner<br />
Gedankenflug hielt es sogar für möglich,<br />
dass Frauen wählen können, ob sie ein<br />
Mädchen oder einen Jungen zur Welt<br />
Zwischenruf<br />
Sich selbst das Gesetz sein<br />
bringen werden. Mit der Erkenntnis<br />
wächst die Verantwortung.<br />
Wenn es dagegen gelänge, Stammzellen<br />
zu gewinnen, mit denen schwere<br />
Krankheiten geheilt werden könnten, so<br />
wäre dies Therapie auf eigenen Wunsch.<br />
Das würde die Selbstbestimmung stärken.<br />
Überall in der Welt sind Forscherteams<br />
den Rätseln auf der Spur. Schon<br />
ergaben sich Spekulationen, dass bald<br />
Blinde sehen <strong>und</strong> Taube hören werden.<br />
Neue, mitunter umstrittene Möglichkeiten<br />
auf den eigenen Lebensablauf<br />
Einfluss zu nehmen, können wahr werden.<br />
Solche Perspektiven rufen den Protest<br />
der Kirche hervor, die darin einen Eingriff<br />
in die „göttliche Schöpfungskraft“ sieht.<br />
Letztlich werden Bedenken dem Leidensdruck<br />
der Kranken nicht abhelfen. Die<br />
Forschung zum Wohle der Betroffenen ist<br />
nicht aufzuhalten. Der Einfluss der Wissenschaft<br />
auf den Ablauf unseres Lebens<br />
nimmt zu.<br />
Dass die Menschen dank der Fortschritte<br />
der Medizin immer älter werden,<br />
ist erfreulich, doch das immer länger am<br />
Leben Gehaltenwerden wirft neue Probleme<br />
auf. Auch das Ableben ist ein Teil<br />
des Lebens, über den man selbst bestimmen<br />
will. In Deutschland hat der Humanistische<br />
<strong>Verband</strong> in der schriftlichen Patientenverfügung<br />
die geeignete Organisationsform<br />
für ein schmerzloses <strong>und</strong> würdevolles<br />
Lebensende gef<strong>und</strong>en. In dieser<br />
Frage ist nicht nur die Kirche oft erbitterter<br />
Gegner. Auch staatliche Instanzen befürchten<br />
Missbrauch <strong>und</strong> wettern gegen<br />
die Sterbehilfe. Für diese Auseinandersetzung<br />
ist die Entscheidung des B<strong>und</strong>esgerichtshofs,<br />
in der die fortgesetzte Lebensverlängerung<br />
entgegen einem erklärten<br />
Behandlungsverzicht unlängst für rechtswidrig<br />
erklärt wird, von größter Wichtigkeit.<br />
Doch der Abbruch von Therapien bei<br />
schwersten Krankheiten geht vielen nicht<br />
weit genug. Sie wünschen aktive Sterbehilfe,<br />
einen Eingriff mit tödlichem Ausgang.<br />
Da in Deutschland nur die passive<br />
Sterbehilfe erlaubt ist, hat die Praxis in<br />
den Niederlanden <strong>und</strong> in der Schweiz, wo<br />
aktive Sterbehilfe nicht nur erlaubt ist,<br />
sondern gefördert wird, zu einem „Sterbehilfe-<br />
Tourismus“ in diese Ländern geführt.<br />
Inzwischen hat die Schweizer Sterbehilfsorganisation<br />
„Dignitas“ eine<br />
Zweigstelle in Hannover eröffnet. Ihr Direktor,<br />
Ludwig Minelli, will „das Recht<br />
auf einen selbstbestimmten Tod auch in<br />
Deutschland durchsetzen“. Das wird einem<br />
größeren Kreis von Menschen den<br />
Ausweg in einen würdevollen, schmerzlosen<br />
Tod ermöglichen.<br />
Noch Anfang dieses Jahrh<strong>und</strong>erts herrschte<br />
uneingeschränkte Verurteilung des<br />
„Selbstmordes“, sowohl in ethischer wie<br />
in strafrechtlicher Beziehung. Heute<br />
möchten immer mehr Menschen das<br />
Selbstbestimmungsrecht, einer unheilbaren<br />
Krankheit, einer unstillbaren Verzweiflung,<br />
nicht wehrlos ausgeliefert zu<br />
sein. Sie wagen wohlüberlegt <strong>und</strong> oft über<br />
einen langen Zeitraum ihre Lebenschancen<br />
mit einem „Freitod“ zu vergleichen.<br />
Von der Geburtenplanung über heilsame<br />
Therapien <strong>und</strong> lebensverlängernde<br />
Herzschrittmacher bis zum lebensverkürzenden<br />
Abschalten der Apparate reicht die<br />
Einmischung in unsere ureigensten Angelegenheiten.<br />
Der Herr hat es gegeben, der<br />
Herr hat es genommen – mitnichten! Wir<br />
werden immer souveräner. Wir sind uns<br />
selbst das Gesetz. ●<br />
3/2006 15
Armin Pfahl-Traughber<br />
■ Derartige Fragen haben angesichts einer<br />
allgemeinen Fußball-Euphorie nur wenige<br />
gestellt. Statt einer abstrahierenden Antwort<br />
darauf zunächst weitere Bilder: die türkische<br />
Gemeinde mit dem Transparent „Wir<br />
unterstützen die deutsche Mannschaft“,<br />
eine junge Asiatin mit der Deutschlandfahne<br />
an ihrem Auto, vier junge Muslima mit<br />
schwarz-rot-gold auf der Wange. Oder als<br />
Stimme aus Berlin Yildiray Bastürk, türkischer<br />
Nationalspieler bei Hertha BSC: „Das<br />
ist doch alles Quatsch. Es ist doch völlig<br />
normal, wenn man für sein Land ist <strong>und</strong><br />
auch eine Fahne schwenkt.“<br />
Stärkt so etwas aber nicht in Deutschland<br />
die Rechtsextremisten? Wohl kaum, hatte<br />
doch die NPD ein anderes Objekt der Verehrung.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Holocaust-Verharmlosung<br />
von Ahmadinedschad solidarisierte<br />
man sich mit der Mannschaft des Iran <strong>und</strong><br />
zeigte deren Flagge. Gleichzeitig hetzten<br />
NPD <strong>und</strong> Neonazis gegen die beiden<br />
schwarzen Spieler der deutschen Nationalmannschaft.<br />
Man hätte sich das entscheidende<br />
Tor im Endspiel von Asamoah gewünscht.<br />
Kaum etwas hätte diese Leute<br />
mehr geärgert. Aber immerhin meint ein<br />
Blatt wie die „Junge Freiheit“: „Neue deutsche<br />
Welle. Die Fußball-WM <strong>und</strong> die unerwartete<br />
Leichtigkeit des nationalen Seins“.<br />
Neue Leichtigkeit<br />
Also noch einmal: Wird hier nicht doch ein<br />
problematisches Nationalgefühl belebt? Die<br />
Antwort auf die Frage fällt ambivalent aus:<br />
16<br />
3/2006<br />
FORUM<br />
Aufgeklärter Patriotismus statt<br />
dumpfer Nationalismus<br />
Reflexionen zu schwarz-rot-gold nach der WM<br />
Die Deutschland-Fahne massenhaft auf Autodächern <strong>und</strong> an Fenstern, schwarz-rot-gold auf<br />
Wangen von Erwachsenen <strong>und</strong> Kindern <strong>und</strong> die Nationalhymne mit Inbrunst gesungen – dieses<br />
Bild prägte Deutschland zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft. Droht hier ein neuer Nationalismus?<br />
Darf man das als Deutscher bei dieser Vergangenheit?<br />
Einerseits erklärt sich die Verwendung der<br />
Symbolik doch zu großen Teilen als Ausdruck<br />
der „Deutschland-Party“ („Der Spiegel“).<br />
Und der damit verb<strong>und</strong>ene Event-<br />
Charakter hat nun wenig mit einer neuen<br />
nationalen Identität zu tun. Mit einem alten<br />
Miles Davis-Titel gefragt: So what?<br />
Am Patriotismus muss nicht gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
etwas Falsches sein. Jetzt bedarf es aber<br />
doch etwas „Politologisch-ideologiekritischem“:<br />
Es handelt sich um eine Form kollektiver<br />
Identität, die mit bestimmter Symbolik<br />
dokumentiert wird. Derartiges lässt<br />
sich nur selten rational begründen, kann<br />
mitunter aber enorme emotionale Bedeutung<br />
annehmen. Insofern ist so etwas auch<br />
sozial relevant! Nationalgefühl <strong>und</strong> Patriotismus<br />
gelten daher auch als „Leerformeln“<br />
(Ernst Topitsch), welche unterschiedlich<br />
gefüllt werden können. Und dies dürfte<br />
dann auch der entscheidende Punkt sein:<br />
Es gibt in diesem Land viel zu kritisieren,<br />
aber in der historischen Rückschau lebten<br />
wir noch nie in einer so freien <strong>und</strong> stabilen<br />
Gesellschaftsordnung. Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong><br />
Pluralismus prägen sie als Werte <strong>und</strong> verdienen<br />
ein verfassungspatriotisches Bekenntnis.<br />
Man kann so eben auch in deren<br />
Namen gegen kritikwürdige Zustände protestieren.<br />
Die schwarze Bürgerrechtsbewe-<br />
gung in den USA der 1960er-Jahre demonstrierte<br />
mit dem Sternenbanner. Warum<br />
auch nicht?<br />
Als Problemlösung ungeeignet<br />
So unproblematisch ein solcher weltoffener<br />
Patriotismus demokratietheoretisch ist, er<br />
löst allein kein relevantes gesellschaftliches<br />
<strong>und</strong> politisches Problem. Es entstehen dadurch<br />
keine neuen Arbeitsplätze, die Bildungsproblematik<br />
wird so nicht überw<strong>und</strong>en,<br />
die sozialen Krisen bleiben bestehen.<br />
Vielleicht leistet aber der Fußball-Patriotismus<br />
einen Beitrag zur Integrationspolitik,<br />
viele Migranten sind hier in den letzten Monaten<br />
mit ihrem Bekenntnis in Führung gegangen...<br />
Auch zur Bekämpfung des Rechtsextremismus<br />
kann nationale Symbolik dienen.<br />
Schwarz-rot-gold waren <strong>und</strong> sind die<br />
Farben der Republik, nicht von Kaiserreich<br />
<strong>und</strong> Führerstaat. Warum nicht eine Demonstration<br />
gegen NPD <strong>und</strong> Neonazis mit<br />
dieser Fahne <strong>und</strong> der Parole „Ihr seid keine<br />
Patrioten, ihr seid eine Schande für unser<br />
Land“. ●<br />
Dr. Armin Pfahl-Traughber ist Professor an der<br />
Fachhochschule des B<strong>und</strong>es für öffentliche Verwaltung.<br />
Arbeitsschwerpunkte: Antisemitismus,<br />
Extremismus, Politische Ideengeschichte, Religion,<br />
Totalitarismus.
Susanne Jahn<br />
■ <strong>Fantasy</strong>-Lesern wird häufig vorgeworfen,<br />
dass sie auf der Flucht vor der Wirklichkeit<br />
sind. Eine Wirklichkeit, die im schlimmsten<br />
Fall erlebt wird als unübersichtlich, ungerecht,<br />
unverständlich, bestimmt von einer<br />
Logik, die auf den Einzelnen keine Rücksicht<br />
nimmt.<br />
Eine gute <strong>Fantasy</strong>-Geschichte nimmt<br />
den Leser mit in eine andere Welt mit ihren<br />
eigenen Bewohnern, ihrer eigenen Geografie,<br />
mit eigener Kultur <strong>und</strong> Mythologie. Die<br />
Existenz von Magie gehört zu jeder dieser<br />
Welten. Sie hat die Aufgabe, Unbekanntes,<br />
wie „unrealistische“ Ereignisse, Fabelwesen<br />
oder übersinnliche Fähigkeiten zu erklären.<br />
Dabei kann sich der Leser immer darauf<br />
verlassen: Was geschieht, geschieht mit der<br />
der anderen Welt eigenen Logik <strong>und</strong> Notwendigkeit,<br />
es ist verständlich <strong>und</strong> nachvollziehbar.<br />
Weltenrettung leicht gemacht<br />
In der <strong>Fantasy</strong>-Welt tobt ständig der Kampf<br />
zwischen Gut <strong>und</strong> Böse. Und damit bietet<br />
sie Raum für alles, was die Literaturgattungen<br />
hergeben: Liebe, Intrige <strong>und</strong> Mord,<br />
Humor <strong>und</strong> Satire, Gesellschaftskritik,<br />
Sinnsuche. Der Leser begleitet die Hauptfigur<br />
zumeist während ihrer Entwicklung<br />
vom „tumben Tor“ à la Parzival zum erwachsenen,<br />
reifen Menschen, der gelernt<br />
hat, Entscheidungen nach ethischen <strong>und</strong><br />
moralischen Gr<strong>und</strong>sätzen zu treffen. So<br />
kann die Hauptfigur dem Gutem zum Sieg<br />
verhelfen <strong>und</strong> die Welt retten.<br />
TITEL<br />
<strong>Fantasy</strong> <strong>und</strong> <strong>Humanismus</strong> – oder:<br />
Wie kommt der Drache ins diesseits?<br />
Lesen Sie auch gerne <strong>Fantasy</strong>-Literatur? All diese Geschichten von Elfen, Feen, Zwergen,<br />
Trollen <strong>und</strong> Drachen, in denen sich die bekannte Welt mit Fantastischem mischt? Mit einer<br />
rationalen Weltsicht haben diese Figuren natürlich nichts zu tun. Und werden Sie auch immer<br />
wieder gefragt, warum Sie denn Kinderbücher lesen? Viele der Bücher, die sich in den<br />
letzten Jahren als Bestseller erwiesen, erschienen im Bereich der Kinder- <strong>und</strong> Jugendbücher,<br />
aber egal ob Harry Potter, Herr der Ringe oder Tintenblut, die Verkaufszahlen sind<br />
nur durch eine große Menge an erwachsenen Lesen zu erklären.<br />
Susanne Jahn macht sich auf die Suche nach dem Geheimnis dieser Geschichten.<br />
Was erzählt wird ist dem Leser fremd –<br />
spielt es doch in einer eigenen Welt – <strong>und</strong><br />
zugleich vertraut. Denn <strong>Fantasy</strong> ist nicht<br />
nur immer ein Konglomerat aller bislang<br />
geschriebenen <strong>Fantasy</strong>-Geschichten von<br />
Gulliver über Alice im W<strong>und</strong>erland bis zum<br />
Herrn der Ringe, sie verwendet auch Archetypen,<br />
wie sie aus Märchen <strong>und</strong> Mythen<br />
bekannt sind. Dem Psychologen C. G. Jung<br />
zufolge spiegeln Archetypen gewisse Gr<strong>und</strong>muster<br />
<strong>und</strong> -strukturen des menschlichen<br />
Seelenlebens wider. Und für den Religionswissenschaftler<br />
Mircea Eliade hatten Mythen<br />
<strong>und</strong> Märchen die Funktion, exemplarische<br />
Modelle für alle menschlichen Riten<br />
<strong>und</strong> alle bedeutenden menschlichen Tätigkeiten<br />
zu entwickeln, ob es sich nun um<br />
Speisevorschriften, Erziehung, Arbeit,<br />
Kunst oder Welterklärung handelte. Dabei<br />
wird das Besondere mit dem Allgemeinen<br />
verb<strong>und</strong>en.<br />
Als Beispiel soll der Mythos von Persephone<br />
dienen. Die Tochter von Göttervater<br />
Zeus <strong>und</strong> der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter<br />
wurde von Hades, dem Herrscher<br />
der Unterwelt, entführt <strong>und</strong> zur Ehe gezwungen.<br />
Der Unterwelt kann Persephone<br />
nicht mehr entkommen, doch gestattet ihr<br />
Zeus, zwei Drittel des Jahres in der Oberwelt<br />
zu verbringen. Bei ihrem Erscheinen<br />
feiert Demeter ein großes Fest <strong>und</strong> die<br />
Erde, die mit der Mutter trauerte, grünt<br />
<strong>und</strong> blüht. Es ist die persönliche <strong>und</strong> individuelle<br />
Anwesenheit der Persephone, die<br />
den Frühling hervorruft, einen ganz bestimmten<br />
Frühling mit bestimmten Blumen<br />
<strong>und</strong> Tieren. Und zugleich ist es der<br />
Frühling an sich, dessen jährliche Wiederkehr<br />
so seine Erklärung findet.<br />
Es ist das Typische von Mythen, dass sich<br />
ein singuläres Ereignis beständig wiederholt.<br />
Naturgesetze verkörpern das Allgemeine.<br />
Mythisches Denken verschmilzt das Allgemeine<br />
mit dem Besonderen. In den Naturgesetzen<br />
erscheint das Besondere als Variable.<br />
Diese Variablen werden in eine funktionale<br />
Beziehung zueinander gesetzt; die<br />
Naturgesetze regeln die Veränderungen <strong>und</strong><br />
die Beziehungen von Gegenständen untereinander.<br />
Die Gegenstände sind bestimmte<br />
Elemente eines gegebenen Bereiches, in welche<br />
dieser Bereich vorher analytisch zerlegt<br />
wurde. Der Mythos hingegen ist eine ganzheitliche<br />
Gestalt, er lässt sich nicht erklären<br />
<strong>und</strong> nicht reduzieren, er ist seine eigene Erklärung.<br />
Mit diesem Wirkmechanismus von Mythen<br />
<strong>und</strong> Archetypen lässt sich vielleicht<br />
auch Faszination <strong>und</strong> Erfolg von <strong>Fantasy</strong>-<br />
Literatur erklären: Wir erleben die Welt zunehmend<br />
in Bruchstücken, mehr Wissen<br />
führt den Wissenschaftslaien nicht zu mehr<br />
Erkenntnis. Das Wissen hilft vor allem<br />
nicht bei der Suche nach Sinn, danach „was<br />
die Welt im Innersten zusammenhält“<br />
[Goethe: Faust I, Vers 382 f.]. Dass der Sinn<br />
von Leben „leben“ ist, ist nicht leicht zu akzeptieren<br />
<strong>und</strong> viele flüchten vor dieser Erkenntnis.<br />
Sie flüchten vielleicht auch in die<br />
Welt der <strong>Fantasy</strong>-Literatur, die mit ihren<br />
Weltentwürfen von Bestimmung <strong>und</strong><br />
Schicksal Sicherheit <strong>und</strong> Sinn zu gewähren<br />
scheint. Diese Weltentwürfe nehmen ihren<br />
Figuren aber auch die Chance der individuellen<br />
Freiheit <strong>und</strong> des selbstverantwortlichen<br />
Handelns.<br />
<strong>Fantasy</strong>-Literatur bietet sowohl die Möglichkeit<br />
zur Flucht aus der ach so kompli-<br />
3/2006 17
zierten Welt als auch die Möglichkeit zur<br />
Reflexion darüber, ob denn ein vorbestimmtes<br />
Leben – wenn es ein solches gäbe<br />
– wirklich eine wünschenswerte Alternative<br />
wäre.<br />
Sinngebung als höchstes Ziel<br />
Es gibt aber auch <strong>Fantasy</strong>-Literatur, die<br />
den Leser damit konfrontiert, dass die eigene<br />
Sinngebung das höchste ist, was der<br />
Einzelne erlangen kann. Markantes Beispiel<br />
dafür sind die beiden Romane des<br />
jungen Autors Christopher Paolini um<br />
Eragon, den Drachenreiter. Den ersten<br />
Band seiner Trilogie „Eragon – Vermächtnis<br />
der Drachenreiter“ schrieb Paolini mit<br />
15 Jahren, bei Erscheinen des zweiten Bandes<br />
„Eragon – Der Auftrag des Ältesten“<br />
war der Autor 21.<br />
Eragon handelt vom Kampf zwischen<br />
Gut <strong>und</strong> Böse. Der junge Eragon findet einen<br />
Stein, aus dem die Drachendame Saphira<br />
schlüpft, er besitzt zudem einen Mantel<br />
der legendären Drachenreiter, die einst<br />
für Frieden sorgten im Land Alagaësia. Die<br />
Drachenreiter gelten jedoch als Mythos <strong>und</strong><br />
Eragon muss den Weg zu seiner Bestimmung<br />
finden, denn der Frieden <strong>und</strong> das<br />
ganze Land sind bedroht durch die Herrschaft<br />
des tyrannischen Königs Galbatorix.<br />
Auch Eragon kann man als Entwicklungsroman<br />
lesen à la Goethes „Wilhelm Meister“,<br />
nur dass Eragon seine Erfahrungen<br />
nicht im Europa des ausgehenden 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
sammelt, sondern im Land Alagaësia,<br />
das auch von Zwergen <strong>und</strong> Elfen bewohnt<br />
wird. Eragon wächst auf bei den<br />
Menschen <strong>und</strong> auch sein erster Lehrer ist ein<br />
Mensch. Anschließend kommt er zu den<br />
Zwergen, wo seine Ausbildung als Drachenreiter<br />
fortgesetzt wird. Die Zwerge sind<br />
ein altes Volk mit festen Regeln, Riten <strong>und</strong><br />
einem fest strukturierten Glaubenssystem.<br />
Das älteste <strong>und</strong> vornehmste Volk ist das<br />
Volk der Elfen, zu denen Eragon im zweiten<br />
Band geführt wird. Bei den Elfen soll<br />
Eragon seine Ausbildung als Drachenreiter<br />
vollenden, sein Lehrer ist der Älteste Oromis.<br />
Ihn fragt Eragon nach der Glaubenswelt<br />
der Elfen, die Antwort, die er erhält, ist<br />
die eines Humanisten.<br />
Kinderliteratur, noch dazu aus den Bestsellerlisten,<br />
die sich so direkt an humanistischem Gedankengut<br />
orientiert, ist rar. Falls Sie, liebe Leser,<br />
ähnliche Texte empfehlen können, teilen Sie<br />
uns diese bitte mit: diesseits@humanismus.de<br />
oder 030-61390441.<br />
18<br />
3/2006<br />
»<br />
Neun Tage später trat Eragon<br />
vor Oromis <strong>und</strong> sagte: „Meister,<br />
gestern Abend ist mir bewusst<br />
geworden, dass in den<br />
h<strong>und</strong>erten von elfischen<br />
Schriftrollen, die ich gelesen habe, nichts<br />
über Eure Religion steht. Woran glauben<br />
die Elfen eigentlich?“<br />
Oromis’ erste Antwort war ein lang gezogenes<br />
Seufzen, dann sagte er: „Wir glauben,<br />
dass der Lauf der Welt unveränderlichen<br />
Gesetzmäßigkeiten folgt <strong>und</strong> dass wir<br />
diese Gesetzmäßigkeiten aufspüren <strong>und</strong><br />
nutzen können, um Ereignisse vorherzusagen,<br />
wenn bestimmte Umstände sich wiederholen.“<br />
Eragon blinzelte. Das war nicht, was er<br />
wissen wollte. „Aber wen oder was betet Ihr<br />
an?“<br />
„Nichts.“<br />
„Ihr betet das Nichts an?“<br />
„Nein, Eragon, wir haben keine Religion.<br />
Wir beten nichts <strong>und</strong> niemanden an.“<br />
Der Gedanke war ihm so fremd, dass<br />
Eragon eine Weile brauchte, um zu begreifen,<br />
was Oromis meinte. Die Menschen in<br />
Carvahall (der Ort, in dem Eragon aufge-<br />
wachsen ist, d. Red.) hatten zwar keine vorherrschende<br />
Glaubensdoktrin, aber immerhin<br />
gewisse abergläubische Vorstellungen<br />
<strong>und</strong> Rituale gehabt, bei denen es überwiegend<br />
darum ging, Unglück fern zu halten.<br />
Während seiner Ausbildung war Eragon<br />
klar geworden, dass viele der Phänomene,<br />
die die Dorfbewohner übernatürlichen<br />
Kräften zuschrieben, in Wirklichkeit ganz<br />
natürliche Vorgänge waren. Zum Beispiel<br />
wusste er jetzt, dass Maden aus Fliegeneiern<br />
schlüpften <strong>und</strong> nicht einfach aus dem Boden<br />
gekrochen kamen, wie er bis dahin geglaubt<br />
hatte. Auch fand er es unsinnig, Opfergaben<br />
darzubringen, damit die Naturgeister<br />
nicht die Milch sauer werden ließen,<br />
denn er wusste nun, dass saure Milch durch<br />
die Vermehrung winziger Organismen in<br />
der Flüssigkeit erstand. Trotzdem war Eragon<br />
nach wie vor davon überzeugt, dass<br />
überirdische Kräfte auf geheimnisvolle Weise<br />
den Lauf der Welt beeinflussten. Besonders<br />
der Glaube der Zwerge hatte ihn in dieser<br />
Annahme bestärkt. „Wie ist dann die<br />
Welt entstanden, wenn sie nicht von den<br />
Göttern erschaffen wurde?“<br />
„Von welchen Göttern, Eragon?“
„Von Euren Göttern, von denen der<br />
Zwerge oder von unseren... irgendjemand<br />
muss die Welt doch erschaffen haben.“<br />
Oromis hob eine Augenbraue. „Ich bin<br />
nicht unbedingt deiner Meinung, Eragon.<br />
Aber wie dem auch sei, ich kann nicht beweisen,<br />
dass es keine Götter gibt. Ich kann<br />
auch nicht beweisen, dass die Welt in ferner<br />
Vergangenheit nicht von einer oder mehreren<br />
Wesenheiten erschaffen worden ist.<br />
Aber ich kann dir sagen, dass in den Jahrtausenden,<br />
in denen wir die Natur studiert<br />
haben, kein einziges Mal etwas geschehen<br />
ist, das nicht mit den Naturgesetzen im Einklang<br />
stand. Anders gesagt, wir haben kein<br />
einziges W<strong>und</strong>er gesehen. Wir können viele<br />
Ereignisse nicht erklären, aber wir sind davon<br />
überzeugt, dass dies an unserem lückenhaften<br />
Wissen liegt <strong>und</strong> nicht daran, dass irgendeine<br />
abstrakte Gottheit die Naturgesetze<br />
verändert hat.“<br />
„Das müsste ein Gott auch gar nicht tun,<br />
um seinen Willen durchzusetzen“, sagte<br />
Eragon. „Er könnte sich innerhalb der bereits<br />
existierenden Gesetzmäßigkeiten bewegen.<br />
Er könnte Magie gebrauchen, um<br />
bestimmte Ereignisse zu beeinflussen.“<br />
Oromis lächelte. „Das stimmt. Aber<br />
überleg einmal, Eragon: Wenn es Götter<br />
gibt, haben sie dann gut über Alagaesia gewacht?<br />
Tod, Krankheiten, Armut, Tyrannei<br />
<strong>und</strong> zahllose andere Plagen suchen das Land<br />
heim. Falls dies das Werk göttlicher Wesen<br />
sein soll, dann müsste man sich gegen sie<br />
auflehnen <strong>und</strong> sie stürzen, statt sie anzubeten<br />
<strong>und</strong> zu verehren.“<br />
„Die Zwerge glauben –“<br />
„Genau! Die Zwerge glauben. Wenn es<br />
um bestimmte Dinge geht, vertrauen sie lieber<br />
ihrem Glauben als der Vernunft. Es ist<br />
weithin bekannt, dass sie bestimmte bewiesene<br />
Tatsachen ignorieren, die nicht im Einklang<br />
mit ihrem Weltbild stehen.“<br />
„Zum Beispiel?“, fragte Eragon.<br />
„Die Zwergenpriester führen Korallen<br />
als Beweis dafür an, dass Steine lebendig<br />
sind <strong>und</strong> wachsen können, <strong>und</strong> dies bestärkt<br />
sie in ihrem Glauben, dass Helvzog<br />
das Volk der Zwerge aus Granit geschaffen<br />
hat. Aber wir Elfen haben herausgef<strong>und</strong>en,<br />
dass eine Koralle in Wahrheit ein Außenskelett<br />
ist, das aus den Ausscheidungen winziger<br />
Tiere besteht, die in der Koralle leben.<br />
Jeder erfahrene Magier kann diese Tiere<br />
wahrnehmen, wenn er seinen Geist öffnet.<br />
Wir haben dies den Zwergen erklärt, aber<br />
sie taten es ab <strong>und</strong> behaupteten vielmehr,<br />
die von uns aufgespürten Tiere würden in<br />
jeder Art von Gestein leben. Allerdings sind<br />
ihre Priester bisher die Einzigen, die meinen,<br />
in Landsteinen Leben aufgespürt zu<br />
haben.“<br />
Eragon starrte eine Weile aus dem Fenster<br />
<strong>und</strong> dachte über Oromis’ Worte nach.<br />
„Dann glaubt ihr also auch nicht an ein Leben<br />
nach dem Tod.“<br />
„Du weißt doch, was Glaedr (Oromis’<br />
Drache, er sagt auf S. 528: „Jeder stirbt für sich<br />
allein, Eragon. Ob man nun König ist oder<br />
Bettler... Niemand kann einen in die große<br />
Leere begleiten.“ d. Red.) dazu gesagt hat.“<br />
„Und an Götter glaubt ihr auch nicht.“<br />
„Wir glauben nur an Dinge <strong>und</strong> Zustände,<br />
deren Existenz wir beweisen können. Da<br />
wir keinen Beleg für die Existenz von Göttern,<br />
W<strong>und</strong>ern <strong>und</strong> anderen übernatürlichen<br />
Erscheinungen haben, machen wir uns<br />
keine Gedanken darüber. Dies würde sich<br />
erst ändern, wenn Helvzog sich uns zeigen<br />
würde. Dann würden wir unsere Meinung<br />
vermutlich überdenken.“<br />
„Eine Welt ohne Glauben scheint mir<br />
eine kalte Welt zu sein.“<br />
„Im Gegenteil“, sagte Oromis, „es ist eine<br />
bessere Welt. Sie ist ein Ort, wo wir für unsere<br />
Taten verantwortlich sind, wo wir gut<br />
zueinander sein können, weil wir es so<br />
möchten <strong>und</strong> weil es das Richtige ist, anstatt<br />
uns durch die Androhung einer göttlichen<br />
Strafe ein bestimmtes Verhalten aufzwingen<br />
zu lassen. Ich sage dir nicht, was du<br />
glauben sollst, Eragon. Es ist besser, wenn<br />
man lernt, kritisch zu denken, <strong>und</strong> sich<br />
dann eine eigene Meinung bildet, als sich<br />
von anderen bestimmte Sichtweisen aufzwingen<br />
zu lassen. Du hast<br />
mich nach unserer Religion<br />
gefragt <strong>und</strong> ich habe dir ehrlich<br />
geantwortet. Mach daraus,<br />
was du willst.“<br />
»<br />
Aus: Paolini, Christopher: Eragon – Der Auftrag<br />
des Ältesten (= Band 2) : München, 2005, 6.<br />
Auflage – Seiten 640-643.<br />
Wir danken dem cbj-Verlag für die fre<strong>und</strong>liche<br />
Genehmigung zum Abdruck.<br />
3/2006 19
22<br />
Horst Groschopp<br />
Flagge zeigen<br />
Dem <strong>Humanismus</strong> Akzeptanz schaffen mit Mut <strong>und</strong> Geduld<br />
Nach der Delegiertenversammlung im Mai<br />
2006 stellt sich der HVD neu auf, um in den<br />
kommenden politischen Entscheidungen der<br />
Stimme des <strong>Humanismus</strong> mehr Gehör zu verschaffen<br />
<strong>und</strong> die Interessen von Konfessionsfreien<br />
mit Courage <strong>und</strong> Besonnenheit zu<br />
vertreten.<br />
■ Tag eins nach dem Aus. Die Sonne<br />
scheint seit Wochen ohne Unterlass. Fußball<br />
ist in diesen Tagen Weltanschauung,<br />
manche sagen Religion, andere Kultur. Jedenfalls<br />
melden Menschen an, was sie wollen:<br />
Leidenschaft, Gemeinschaft, Achtung,<br />
Toleranz, Stolz, Authentizität, Standhaftigkeit,<br />
Leistun g... Wenn der Papst kommt,<br />
werden sich die Bilder gleichen. Wer dopt,<br />
fliegt raus – wie der Ullrich. Wer Versprechen<br />
nicht hält – wie die Kanzlerin – kriegt<br />
Minuspunkte. Die EKD will diesen Pusch<br />
nutzen – <strong>und</strong> kündigt strukturelle Reformen<br />
ihrer Kirche an. Derweil wollen Klinsis<br />
Mannen den dritten Platz. Was möchten<br />
wir?<br />
Das hängt ab von der Einschätzung unserer<br />
Lage. Mir scheint unser Land reif für<br />
eine Änderung seiner Religionsverfassung.<br />
„Multikulti“ <strong>und</strong> „Beliebigkeit“ sind out<br />
<strong>und</strong> Integration ist nicht zu haben ohne Anerkennung<br />
moslemischer, jüdischer, orthodox-christlicher<br />
oder buddhistischer Religiosität.<br />
Doch geht es um Ethik, Medienbeiräte,<br />
„Bündnis für Erziehung“, Religionsunterricht,<br />
Gedenkkultur oder was auch<br />
immer: Platz eins <strong>und</strong> zwei haben die beiden<br />
christlichen Kirchen bereits besetzt wie den<br />
Andachtsraum im Berliner Olympiastadion.<br />
Sie lassen keine Stühle neben sich zu.<br />
Politik fördert dies seit Kaiserzeiten.<br />
Humanisten am Katzentisch?<br />
Das soll sich jetzt ändern. Daneben, aus<br />
kirchlicher Sicht lieber dahinter, werden<br />
Bänke für die Auch-Religiösen montiert.<br />
3/2006<br />
Der Islamunterricht wird kommen. Stoiber<br />
sammelt Bündnispartner gegen Blasphemie.<br />
Die schon aus demographischen Gründen<br />
nötige Zuwanderung wird Deutschland<br />
religiös bunter machen.<br />
Und wir? Wo bleiben die Religionslosen?<br />
Die Humanisten sitzen am Katzentisch oder<br />
nicht einmal dort? Aus diesen Fragen ergibt<br />
sich der Stellenwert unserer B<strong>und</strong>esdelegiertenversammlung.<br />
In den gefassten Beschlüssen<br />
drückt sich nicht nur der Wille zur<br />
Gemeinsamkeit aus. Mehr: Unser HVD<br />
stellt sich neu auf, um in den kommenden<br />
politischen Entscheidungen der Stimme des<br />
<strong>Humanismus</strong> mehr Gehör zu verschaffen<br />
<strong>und</strong> die Interessen von Konfessionsfreien<br />
mit Courage <strong>und</strong> Besonnenheit zu vertreten.<br />
Wir haben uns ein Leitbild gegeben, eine<br />
verständliche Idee, wer wir sind <strong>und</strong> wo wir<br />
hinwollen. Dieses Leitbild ist uns – wenn<br />
man so will – „Leitkultur“, aber so, dass wir<br />
anderen zugestehen, sich von anderen Ideen<br />
leiten zu lassen, auch religiösen. Wir haben<br />
unser Verhältnis zu anderen säkularen Verbänden<br />
geklärt <strong>und</strong> sind hier für Vielfalt<br />
Jürgen Gerdes (l.) gratuliert Dr. Horst Groschopp zur Wiederwahl als B<strong>und</strong>esvorsitzender des<br />
Humanistischen <strong>Verband</strong>es
<strong>und</strong> Bündnisse wo möglich, äußern aber<br />
Skepsis gegenüber einem „Zentralrat“ oder<br />
einem „Dachverband“.<br />
Kampf um Platz drei<br />
Überall bricht in unserem Land der Bekennermut<br />
aus. In dieser Konkurrenz der Sinngebungen<br />
stehen wir zum <strong>Humanismus</strong> als<br />
Weltanschauung, wohl wissend, dass viele<br />
Humanistinnen <strong>und</strong> Humanisten diese<br />
Pointe (noch) nicht verstehen <strong>und</strong> sich<br />
nicht organisieren möchten. Das wird sich<br />
ändern. Jedenfalls ist in der Pluralität der<br />
Werte <strong>Humanismus</strong> unser Signal. Er ist uns<br />
Gewissheit wie die Tatsache, dass Deutschland<br />
weder Weltmeister noch Papst ist, sondern<br />
ein Land, in dem der <strong>Humanismus</strong> einen<br />
Platz hat. Wir wollen – um in den Fußballbildern<br />
dieser Tage zu reden – den dritten<br />
Platz.<br />
Dazu hat unser <strong>Verband</strong>stag schon rein<br />
organisatorisch Wesentliches geleistet. Die<br />
Spanne reicht hier von der neuen Beitragsordnung<br />
über die B<strong>und</strong>esakademie <strong>und</strong> die<br />
B<strong>und</strong>esJuHu’s bis zum Hilfswerk. Wir haben<br />
uns in politischen Forderungen festgelegt.<br />
Hier lauten die Stichworte: „Lebensk<strong>und</strong>licher<br />
Unterricht“ in der B<strong>und</strong>eswehr,<br />
humanistische Beratung, Personenstandsgesetz,<br />
„Bündnis für Erziehung“.<br />
Einige Weichen wurden gestellt:<br />
■ Humanistische Lebensk<strong>und</strong>e ist unsere<br />
Alternative zum christlichen Religionsunterricht<br />
<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esprojekt, weil wir<br />
begriffen haben, dass dieses Vorhaben<br />
die Bündelung all unserer Potenzen erfordert<br />
– auch wenn die Hauptlast immer<br />
vor Ort liegt. Wir müssen uns schon<br />
jetzt über das künftige intellektuelle Gesicht<br />
dieser Lebensk<strong>und</strong>e einen Kopf machen<br />
<strong>und</strong> an unsere Debatten über „Humanistik“<br />
als Hochschulfach anknüpfen.<br />
■ Wir werden das, was wir wollen, nicht allein<br />
<strong>und</strong> nicht auf der Basis der jetzigen<br />
Mitgliederzahl schaffen. Deshalb haben<br />
wir die B<strong>und</strong>essatzung geändert, um<br />
Mitgliedern in Ländern eine Heimat zu<br />
geben, wo es noch keinen HVD gibt.<br />
Wir beginnen die Kooperation mit Jugendweihe<br />
Deutschland trotz des Wissens<br />
um Vorbehalte in einigen Regionen<br />
von beiden Seiten. Mit enormem Aufwand<br />
(siehe Spendenaufruf) wagen wir<br />
die Gründung eines Landesverbandes<br />
Mecklenburg-Vorpommern am 28. Oktober.<br />
Wir überlegen, wie wir Ähnliches<br />
im Westen der Republik anpacken.<br />
■ Die Erkenntnis ist allgemein, dass der erfolgreich<br />
organisierte <strong>Humanismus</strong> den<br />
praktischen <strong>Humanismus</strong> zur Voraussetzung<br />
hat. Ohne Patientenverfügungen –<br />
kein vertrauenswürdiges, professionelles<br />
<strong>und</strong> politisch durchsetzbares Konzept<br />
der Sterbehilfe. Das gilt auch für andere<br />
Felder. Die Frage ist nicht mehr, ob sich<br />
der <strong>Verband</strong> mit „Geschäften“ befasst,<br />
sondern die Fragen sind: Welche <strong>und</strong><br />
welche zuerst. Tollkühnheit ist zwar die<br />
negative Zuspitzung von Tapferkeit,<br />
aber: Wer nicht wagt, der hat schon verloren.<br />
■ Bilder vom <strong>und</strong> Nachrichten über <strong>Humanismus</strong><br />
sind in der Öffentlichkeit rar.<br />
Da hilft kein lamentieren. In dieser Situation<br />
haben sich Giordano-Bruno-<br />
Stiftung (GBS) <strong>und</strong> HVD in einer Humanistischen<br />
Arbeitsgemeinschaft zusammengetan,<br />
um das Projekt einer Forschungsgruppe<br />
Weltanschauungen in<br />
Deutschland (fowid.de), eine Innovation<br />
der GBS sondergleichen, gemeinsam zu<br />
befördern <strong>und</strong> einen Pressedienst ins Leben<br />
zu rufen. Dieser wird nicht zuletzt<br />
davon leben, dass ihn „Volkskorrespondenten“<br />
auch aus den Reihen unseres<br />
<strong>Verband</strong>es unterstützen.<br />
<strong>Humanismus</strong>, das hat unsere Delegiertenversammlung<br />
gezeigt, ist eine seriöse Sache,<br />
für die es sich einzusetzen lohnt. Unser<br />
<strong>Verband</strong> ist kein Verein zur Beförderung<br />
des Kirchenaustritts. Das erledigen die Kirchen<br />
selbst auf w<strong>und</strong>erbare Weise. Wir wollen<br />
für diejenigen da sein, die sich von Religionen<br />
bereits verabschiedet haben, seien<br />
diese frei oder dogmatisch. Hiermit haben<br />
wir übergenug zu tun. Dafür brauchen wir<br />
viel Zeit, jede helfende Hand <strong>und</strong> jeden<br />
Euro – <strong>und</strong> wir fordern von uns Mut <strong>und</strong><br />
Geduld. Flagge zeigen! ●<br />
Hefte für Kultur <strong>und</strong> Weltanschauung<br />
ISBN 3-937265-06-6<br />
Heft 18 diskutiert im<br />
10. Erscheinungsjahr das Thema<br />
Umworbene<br />
„dritte Konfession“<br />
Bef<strong>und</strong>e über die<br />
Konfessionsfreien in Deutschland<br />
Inhalt<br />
Johannes Neumann<br />
<strong>Humanismus</strong> organisieren?<br />
Horst Groschopp<br />
Von den „Dissidenten“ zur „dritten<br />
Konfession“?<br />
Carsten Frerk<br />
Empirie der Weltanschauungen<br />
Christel Gärtner<br />
Krisenbewältigung <strong>und</strong> Religionslosigkeit<br />
Michael Terwey<br />
Empirische Bef<strong>und</strong>e zu Weltanschauungen<br />
der Konfessionsfreien in Deutschland<br />
Uta Karstein<br />
Säkulare Weltsichten in Ostdeutschland<br />
Michael Schmidt-Salomon<br />
„Irgendwie sind wir doch alle Humanisten<br />
...“<br />
Andreas Fincke<br />
Die säkulare Szene – von außen gesehen<br />
Rudolf Ladwig<br />
Die säkulare Szene – von innen gesehen<br />
Ulrich Nanko<br />
Religionen wie Kulturen untersuchen<br />
(Rezension)<br />
Dirk Lange <strong>und</strong> Andreas Lutter<br />
Kein Atheismus im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
(Rezension)<br />
Armin Pfahl-Traughber<br />
Religion <strong>und</strong> Gesellschaft<br />
(Sammelrezension)<br />
Frieder Otto Wolf<br />
Theorien der Kulturentstehung neu denken<br />
(Rezension)<br />
Gudrun Ott-Meinhold<br />
Stationär <strong>und</strong> ambulant organisiertes<br />
Sterben (Rezension)<br />
3/2006 23
■ Diesseits: Ist es das erklärte Ziel Ihrer<br />
Zeitschrift, Anwalt der Jugendlichen zu<br />
sein, oder reicht Ihnen als Anspruch, pure<br />
Unterhaltung zu bieten?<br />
DR. EVELINE VON ARX: Bravo an<br />
sich ist ein Unterhaltungsmagazin. Aber die<br />
Rubrik Dr. Sommer geht eindeutig darüber<br />
hinaus. Wir vermitteln Wissen, bieten<br />
Nutzwert <strong>und</strong> auch Lebenshilfe. Natürlich<br />
schauen wir dabei, dass wir im Heft Probleme<br />
aufgreifen, die von breitem Interesse<br />
sind. Bei singulären Themen steht die di-<br />
Eveline von Arx<br />
rekte Beratung der Jugendlichen per Post<br />
oder per Telefon im Vordergr<strong>und</strong>. Unabhängig<br />
vom Bereich Beratung <strong>und</strong> Aufklärung<br />
hat BRAVO im Frühjahr dieses<br />
Jahres eine Kampagne „Schau nicht weg –<br />
Gegen Gewalt an der Schule“ gemeinsam<br />
mit über 100 Stars initiiert. Diese Staraktion<br />
richtet sich an ein Problem in der unmittelbaren<br />
Lebenswirklichkeit der Jugend-<br />
24<br />
3/2006<br />
MAGAZIN<br />
Selbstbestimmung,<br />
genau das ist unser Thema<br />
Gratulation: Eine alte Zeitschrift für junge Leser wird 50!<br />
Vor 50 Jahren, am 26. August 1956, erschien mit einer Startauflage von 30.000 Exemplaren<br />
das erste Heft einer neuen Zeitschrift: „BRAVO – Zeitschrift für Film <strong>und</strong> Fernsehen“. Seitdem<br />
hat BRAVO wie kein anderes Medium ganze Jugend-Generationen geprägt. Und das<br />
liegt – natürlich – auch an Dr. Sommer alias Dr. Martin Goldstein, „<strong>Deutschlands</strong> Sexualaufklärer<br />
Nr. 1“. Der Mediziner, der mit seiner Sprechst<strong>und</strong>e etwas völlig Neues schuf, ist heute<br />
im Ruhestand, aber ein engagiertes Team von Medizinern <strong>und</strong> Psychologen führt sein<br />
Werk fort. Diesseits wollte von der Leiterin der Arbeitsgruppe, Dr. Eveline von Arx, wissen,<br />
inwieweit die Zeitschrift nicht nur aufklären will, sondern junge Menschen ermuntert, zu ihrer<br />
eigenen Entscheidung zu stehen.
lichen. Hier bezieht BRAVO gemeinsam<br />
mit Stars Stellung für die Jugendlichen, hat<br />
eine Mutdebatte an deutschen Schulen angestoßen<br />
<strong>und</strong> mischt sich ein – mit Aktionen<br />
an Schulen <strong>und</strong> einer regelmäßigen Rubik<br />
im Heft.<br />
Auf welchen ethischen <strong>und</strong> moralischen<br />
Normen basieren ihre Antworten?<br />
Uns schreiben Jugendliche, die ein Problem<br />
haben, die Hilfe brauchen, die sich oft<br />
zum ersten Mal mit ihren Fragen an jemanden<br />
wenden. Es kostet mitunter eine enorme<br />
Überwindung, einen Brief zu schreiben,<br />
zur Post zu gehen oder bei der Telefonsprechst<strong>und</strong>e<br />
anzurufen. Diese Jugendlichen<br />
haben ein individuelles Problem <strong>und</strong><br />
unser Anspruch im Dr. Sommer-Team ist<br />
es, dieses Problem wirklich ernst zu nehmen,<br />
zwischen den Zeilen zu lesen. Wir versuchen<br />
so individuell wie möglich darauf<br />
einzugehen <strong>und</strong> immer diesen Menschen<br />
vor Augen zu haben. Er hat ein Recht darauf,<br />
so informiert zu werden, dass er sich für<br />
den für ihn richtigen Weg entscheiden<br />
kann.<br />
Der HVD tritt für die Selbstbestimmung<br />
des Menschen ein...<br />
… Selbstbestimmung, genau das ist unser<br />
Thema. Wenn ein Mädchen schreibt,<br />
ich weiß nicht, ob ich mit ihm schlafen<br />
soll, dann raten wir nicht, „Tu es!“ oder<br />
„Tu es nicht!“. Wir fordern das Mädchen<br />
auf, ehrlich zu sich sein, in sich hinein zuhorchen<br />
<strong>und</strong> auf seine innere Stimme zu<br />
hören, unabhängig von Gruppendruck<br />
oder Erwartungen des Partners – sprich,<br />
wir fordern zu selbstbestimmter Entscheidung<br />
heraus. Oftmals können wir nicht<br />
mit nur einem Brief helfen, da ist das Problem<br />
schon so schwerwiegend, dass es<br />
mehr unsere Aufgabe ist, diesen Jugendlichen<br />
Mut zu machen, sich an eine Beratungsstelle<br />
zu wenden, um sich professionelle<br />
Hilfe vor Ort <strong>und</strong> eine längerfristige<br />
Begleitung zu holen. Wenn uns das gelingt,<br />
ist uns sehr viel gelungen.<br />
Auf den ersten Blick würde man „Bravo“<br />
nicht mit Werteerziehung verbinden.<br />
Stimmt dieser landläufige Eindruck<br />
überhaupt?<br />
Im Dr.-Sommer-Bereich greifen wir<br />
Themen auf, die neben der unterhaltenden<br />
Welt der Starberichte in BRAVO stehen.<br />
Probleme mit Eltern, Taschengeldfragen<br />
werden zum Beispiel erörtert, Probleme in<br />
der Schule, Drogen, Gewalt, das ganze<br />
Spektrum der jungen Lebenswelt.<br />
Die Bravo gibt es seit 50 Jahren, konnte<br />
denn Dr. Sommer zu dieser Zeit schon<br />
seine offenen Antworten geben?<br />
Die „Dr. Sommer-Sprechst<strong>und</strong>e“ gibt es<br />
erst seit 37 Jahren. Sie entstand 1969, nicht<br />
zufällig zur Zeit der sexuellen Revolution.<br />
Alle Themen r<strong>und</strong> um die sexuelle Aufklärung<br />
waren auf dem Weg, enttabuisiert<br />
zu werden <strong>und</strong> hatten damals noch eine andere<br />
Resonanz in der Öffentlichkeit als heute.<br />
So hat der Beitrag über Onanie 1972<br />
schon Aufsehen erregt. Das Thema ist für<br />
damalige Verhältnisse sehr offen behandelt,<br />
als etwas völlig Normales dargestellt worden.<br />
Jungen erfuhren, dass man davon nicht<br />
krank wird <strong>und</strong> dass auch Polizisten <strong>und</strong><br />
Lehrer onanieren. Das reichte dann, diese<br />
Ausgabe wurde indiziert.<br />
3/2006 25
26<br />
Säkulare Geschichtspolitik in Deutschland<br />
<strong>und</strong> freidenkerisches Erbe<br />
Wissenschaftliche Fachtagung<br />
Akademie der Politischen Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
Humanistische Akademie Berlin<br />
3/2006<br />
18./19. November 2006 in Berlin<br />
1. Tag: Samstag, 18. November 2006<br />
Politische Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
in Zusammenarbeit mit der Humanistischen Akademie Berlin<br />
Prof. Dr. Hermann Glaser, Roßtal<br />
<strong>Humanismus</strong> als Kern von Geschichtskultur<br />
Dr. Horst Junginger, Tübingen<br />
Aktuelle Fragen der Vergangenheitspolitik<br />
Prof. Dr. Susanne Lanwerd, Berlin<br />
Zeichen der Säkularität im öffentlichen Raum<br />
Christian G. Langenbach, Nidderau<br />
Freireligiöse <strong>und</strong> Nationalsozialismus – Replik auf eine Debatte<br />
Michael Schmidt, Berlin<br />
Freidenker im antifaschistischen Widerstand<br />
Manfred Isemeyer, Berlin<br />
Freigeistige Bewegungen in der B<strong>und</strong>esrepublik 1945-90<br />
Dr. Horst Groschopp, Berlin<br />
Atheismus <strong>und</strong> Realsozialismus in der DDR 1945-90<br />
2. Tag: Sonntag, 19. November 2006<br />
Humanistische Akademie Berlin in Kooperation<br />
mit Humanistische Akademie Deutschland<br />
(gefördert mit Mitteln von SenWFK Berlin)<br />
Prof. Dr. Günter Kehrer, Tübingen<br />
Warum es kein freidenkerisches Erbe in der Kultur der BRD gibt –<br />
Betrachtung aus religionswissenschaftlicher Sicht<br />
Prof. Dr. Dietrich Mühlberg, Berlin<br />
Welche sozialkulturellen Defizite 1987/89 zur Gründung des Freidenkerverbandes<br />
in der DDR führten –<br />
Betrachtung aus kulturwissenschaftlicher Sicht<br />
Anmeldung ab sofort bei: Humanistische Akademie, Wallstr. 65, 10179 Berlin<br />
Tel. 030-613904-0 (Fax: -50), info@humanistische-akademie.de<br />
Die Materialien der Tagung erscheinen in Nr. 20 von humanismus aktuell<br />
Hat das Dr. Sommer-Team auch heute<br />
noch mit Gegenwind zu kämpfen?<br />
Lange nicht mehr so, wie in den Anfangszeiten.<br />
Heute rufen uns sogar Eltern<br />
an, die Rat brauchen, was ihre Kinder betrifft.<br />
Damals stand man uns wesentlich kritischer<br />
gegenüber, auch von Seiten der Kirchen.<br />
Heute dagegen werden wir vom Evangelischen<br />
Kirchentag eingeladen, quasi als<br />
kompetenter Partner für Fragen der jugendlichen<br />
Seele. Das ist schon ein gewaltiger<br />
Wandel.<br />
Zumal die Fragen doch sicher noch viel<br />
„harmloser“ waren als heute?<br />
Es hat sich gar nicht so viel verändert, wie<br />
man denken würde. Seit es Dr. Sommer<br />
gibt, geht es in darin um Gefühle, Liebe,<br />
Liebeskummer, körperliche Veränderungen<br />
in der Pubertät, erste Sexualität, Verhütung,<br />
Probleme mit Fre<strong>und</strong>en, mit den Eltern, in<br />
der Schule. Erschreckend, aber wahr: die Jugendlichen<br />
heute wissen auch nicht besser<br />
Bescheid.<br />
Kaum vorstellbar, dass es heute noch ein<br />
Informationsdefizit gibt.<br />
Man darf nicht vergessen, in jeder Generation<br />
stellen sich diese Fragen immer wieder<br />
von neuem. Jede Generation verliebt<br />
sich irgendwann zum ersten Mal. Gerade<br />
Informationen über Verhütung sind gar<br />
nicht so präsent, wie man vielleicht denkt.<br />
Natürlich wird in den Vorabendserien wild<br />
geknutscht, zeigt man Petting. Das heißt<br />
noch lange nicht, dass die Jugendlichen danach<br />
auch wissen, wo man ein Kondom herbekommt<br />
<strong>und</strong> wie man es benutzt. Jugendliche<br />
mögen zum Teil eine sehr sexualisierte<br />
Sprache haben, sie mögen bauchfrei rumlaufen<br />
<strong>und</strong> die Strings aus den Hosen blitzen<br />
lassen, ausreichend aufgeklärt sind sie<br />
trotzdem nicht. Das ist die Sicht vieler Erwachsener,<br />
dass sie denken, meinem Kind<br />
kann ich diesbezüglich nichts mehr erzählen.<br />
Das stimmt so leider nicht. ●
angehört<br />
Michael Bauer<br />
Musica et memoria<br />
■ Kuschelrock, Dinerjazz <strong>und</strong> Autofahrmusik<br />
– das alles haben treusorgende Geister<br />
dem geneigten Konsumenten als Klangtapeten<br />
für seine wechselnden Lebenslagen<br />
schon zusammengestellt. Wer aber meint,<br />
dass die jüngst erschienene Anthologie<br />
„Musica et memoria – Trauermusik durch<br />
die Jahrh<strong>und</strong>erte“ nun eine praktische Musik-Vorauswahl<br />
für die Bestattung je nach<br />
persönlichem Gout enthält, der irrt.<br />
Denn diese, immerhin sechs CDs umfassende<br />
Sammlung, die vom Kuratorium<br />
Deutsche Bestattungskultur veröffentlicht<br />
wurde, hat einen weiter reichenden Anspruch.<br />
Sie versammelt in kulturhistorischer<br />
Perspektive Kompositionen, die zwar irgend<br />
etwas mit Trauer zu tun haben, aber nicht<br />
unbedingt „Friedhofsmusik“ sind. Einige<br />
der Werke sind zwar dennoch für den Gebrauch<br />
am Sarge bestimmt oder dort zumindest<br />
vorstellbar, wie z.B. manches aus<br />
der Feder Johann Sebastian Bachs. Die<br />
Mehrzahl aber bilden Musiken zur Erinnerung<br />
an geliebte oder verehrte Menschen, an<br />
schreckliche Ereignisse oder entstammen<br />
allgemein der künstlerischen Auseinandersetzung<br />
mit dem Tod auf musikalischem<br />
Wege. Eingeladen wird also zu nichts weniger<br />
als zum analytischen Hören der kulturellen<br />
Sublimierung des Todes.<br />
Originell ist die Systematisierung der<br />
Tonstücke, die nicht etwa historischen Abfolgen<br />
oder Gattungsmerkmalen folgt, sondern<br />
dem guten Rhetor gleich die Topoi abschreitet:<br />
So werden je CD der sanfte, der<br />
schöne, der beklagte, der marschierende, der<br />
unbeugsame <strong>und</strong> schließlich der verklärte<br />
Tod der Reihe nach vorgestellt.<br />
Dabei sind die Kompilatoren (verantwortlich<br />
dafür <strong>und</strong> ebenso für das kompetente<br />
<strong>und</strong> sehr ausführliche Begleitheft<br />
zeichnet ein Team um den Düsseldorfer<br />
Musikwissenschaftler Volker Kalisch) zu beglückwünschen,<br />
denn ihre Auswahl ist<br />
ebenso exquisit wie überzeugend. Von<br />
großen Orchesterwerken bis zur Kammermusik,<br />
von der Renaissance bis zur neuesten<br />
Moderne wird ein schöner Querschnitt geboten.<br />
Hier kann nur weniges hervorgehoben<br />
werden: Das in seiner archaischen <strong>und</strong><br />
unnachgiebigen Strenge faszinierende Orgelwerk<br />
„pari intervallo“ des lettischen<br />
Komponisten Arvo Pärt etwa, die in ungewohnter<br />
Instrumentierung erfrischt klingenden<br />
„lachrimae“ von John Dowland, die<br />
Motette „Wie liegt die Stadt so wüst“, vom<br />
Dresdner Kantor Rudolf Mauersberger<br />
nach dem Luftangriff von 1945 komponiert,<br />
oder schließlich der in seiner gebro-<br />
chenen Gestik zutiefst verstörende Beginn<br />
der 5. Symphonie Gustav Mahlers. Wer’s<br />
gern dick aufgetragen mag, kann auf den<br />
„Trauermarsch“ aus Wagners Götterdämmerung<br />
zurückgreifen, <strong>und</strong> wer sich eine<br />
emotional mitnehmende Entdeckungsreise<br />
in die – seinerzeit – radikale Avantgarde mit<br />
ihrer geradezu brutalen Unmittelbarkeit<br />
gönnen möchte, der lege „Threnos. Den<br />
Opfern von Hiroshima“ von Krystof Penderecki<br />
auf.<br />
Dass auch buddhistische Zeremonialmusik<br />
aus Japan <strong>und</strong> animistische Ahnenbeschwörungen<br />
aus Zimbabwe nicht fehlen,<br />
ermöglicht einen – wenn auch nur kurzen –<br />
Blick über den europäischen Tellerrand hinaus.<br />
Hier findet sich auch der einzig nennenswerte<br />
Kritikpunkt: Vielleicht wäre die<br />
Sammlung noch spannender geworden,<br />
wenn mehr solche Grenzüberschreitungen<br />
der Hörgewohnheiten ermöglicht worden<br />
wären. Aber es muss ja nicht die letzte solche<br />
Sammlung sein. ●<br />
Musica et memoria. Trauermusik durch die<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte / hrsg. vom Kuratorium Deutsche<br />
Bestattungskultur e.V. – Düsseldorf, 2005. – 6<br />
CD, Laufzeit: 360 Minuten. – 69,99 zzgl. Versandkosten<br />
Die CDs können online unter www.bestatter.de<br />
bestellt werden. Dort findet sich auch ein ausführliches<br />
Inhaltsverzeichnis.<br />
3/2006 27
28<br />
3/2006
Michael Bauer<br />
■ Mozart selbst wäre der ganze Trubel wohl<br />
gar nicht so unrecht gewesen. Schließlich<br />
war er einer der ersten, die ein Leben als<br />
selbstständiger Komponist wagten. Und<br />
dies in einer Zeit, in der die Idee des schützenswerten<br />
künstlerischen Urheberrechts<br />
erst langsam Gestalt anzunehmen begann.<br />
Ein Musikökonom hat einmal ausgerechnet,<br />
wie viel Euros Mozart heute schon nur<br />
aus der medialen Verwertung seiner Musik<br />
erhalten müsste – Bill Gates würde neidisch<br />
werden. Es vergeht keine Sek<strong>und</strong>e, in der<br />
nicht irgendwo auf der Welt eine Melodie<br />
von ihm über den Äther gejagt wird.<br />
Der erfolgreiche Musikunternehmer<br />
Mozart ist freilich erst spät ins Blickfeld der<br />
Nachwelt getreten. Einer romantischen Genievorstellung<br />
hat es besser entsprochen,<br />
wenn ein solches als naturgemäß verkanntes<br />
seine darbende Existenz ganz der Kunst gewidmet<br />
führte – <strong>und</strong> dem Ertrag der Benefiz-Veranstaltungen<br />
zum Unterhalt von<br />
Kindern <strong>und</strong> Witwe hat diese Mär sicher<br />
ebenfalls gut getan. Allerdings hat die geradezu<br />
katholische Vorstellung eines schöpferisch-asketischen<br />
Mönchtums – zu seinem<br />
Glück – auf Mozarts Leben nie zugetroffen.<br />
Nur in manchen Schulbüchern findet sie<br />
sich noch. Heute wissen wir, dass sich sein<br />
unternehmerischer Wagemut für ihn<br />
durchaus ausgezahlt hat. Er erzielte ein stattliches<br />
Einkommen, das ihm ein luxuriöses<br />
Leben ermöglichte, gar nicht unähnlich<br />
dem eines heutigen Popstars. Zu Beginn seiner<br />
Wiener Zeit kam er auf die immense<br />
Summe von über 10.000 Gulden jährlich.<br />
Das erreichte er später zwar nicht mehr, aber<br />
über 1.000 Gulden blieben es immer. Auch<br />
dies ein gewaltiges Einkommen: Ein Universitätsprofessor<br />
erhielt 300 Gulden im<br />
Jahr, ein Schulmeister 22.<br />
Wie gewonnen, so zerronnen<br />
Freilich: Es ging raus, wie es rein kam, denn<br />
Mozart lebte gerne, <strong>und</strong> er war eitel. Modische<br />
Perücken, elegante Garderoben <strong>und</strong><br />
aufwändige Festlichkeiten verschlangen<br />
Unsummen. Andauernd wurde umgezogen,<br />
in immer größere <strong>und</strong> bessere Wohnungen,<br />
zuletzt 145 Quadratmeter mit Bil-<br />
MAGAZIN<br />
Mensch Mozart<br />
Wieder mal ein Mozart-Jahr. Kaum ist es möglich, dem Jubilar zu entgehen, <strong>und</strong> – schlimmer<br />
noch – schon gar nicht seiner Preisung. Kein Festival, dass nicht auch „den Mozart<br />
hat“, kein Konzertprogramm ohne ihn, kein Verlag ohne zeitgerechte Neuerscheinung, auf<br />
dass der Berg der Mozart-Literatur alpine Dimensionen erreiche. Zwischen marzipanigem<br />
Wonneproppen, serenadenseligem Mitpfeifling <strong>und</strong> angeblich von Salieri so hinterfotzig<br />
vergiftetem Jahrtausendgenie ist der Mensch Mozart kaum mehr zu finden, <strong>und</strong> auch der<br />
Gehalt seiner Musik verschwindet in ihrer Zurichtung zum Klassikschlager. Der Autor versucht,<br />
zwei schmale Schneisen ins Dickicht zu schlagen: Eine zum Ökonomischen, <strong>und</strong> eine<br />
hin zur Musik.<br />
liardzimmer <strong>und</strong> Dachkammern für die drei<br />
Domestiken sowie Kutscheneinfahrt <strong>und</strong><br />
Stallung für Mozarts Reitpferd. Zwischendurch<br />
wurde gearbeitet bis zum Umfallen,<br />
damit wieder Geld ins Haus kam.<br />
Und dafür, Schulden bezahlen zu können:<br />
Mozart spielte, geradezu süchtig. Gerüchte<br />
sagen, die späte Unordnung in seinen Finanzen<br />
sei von horrenden Spielschulden gekommen.<br />
Finanziell vorgesorgt hat er jedenfalls<br />
nicht, was nach seinem unerwarteten<br />
Tod (er starb wohl an einem grassierenden<br />
Fieber ebenso wie an den schädlichen<br />
Behandlungsmethoden seiner Ärzte) seine<br />
Familie in arge Bedrängnis brachte. Aber ist<br />
dieser Mangel an Zukunftssicherung erstaunlich<br />
für einen, der seine besten Jahre<br />
noch vor sich meinte? Für die nächste Zeit<br />
war sein Auftragsbuch voll, Engagements<br />
konnte er sich heraussuchen, eine Reise<br />
nach England war geplant. Kaum auszudenken,<br />
wie das imperiale, reiche <strong>und</strong><br />
weltoffene London <strong>und</strong> der Wirbelwind aus<br />
der kontinental-katholischen Provinzgroßstadt<br />
(aus einer europäischen Perspektive<br />
betrachtet war Wien seinerzeit nichts anderes)<br />
aufeinander reagiert hätten.<br />
Mozart als Wegbereiter<br />
Dennoch: Man kann Mozarts Verdienst als<br />
„Eisbrecher“ kaum überschätzen. Vor ihm<br />
war in Mitteleuropa ein Leben als Komponist<br />
fast nur in den Diensten von Kirche<br />
oder Adel vorstellbar, dort im Range eines in<br />
der Regel livrierten Hausbediensteten. (Der<br />
Opernunternehmer Händel lebte vom Londoner<br />
merkantilen Geist, den es in den<br />
Deutschen Landen so noch nicht gab.) Mozart<br />
aber schaffte es, weitgehend ohne das<br />
ihm verhasste Schranzentum der Höfe aus-<br />
zukommen <strong>und</strong> stellte seine Existenz auf eigene<br />
Füße. Den Regeln der feudal-klerikalen<br />
Gesellschaft wollte er sich nicht unterwerfen,<br />
<strong>und</strong> sich in ihr Gehäuse begeben<br />
schon gar nicht. Dafür hielt er zuviel von<br />
sich – als Künstler <strong>und</strong> als Mensch. Schließlich<br />
kannte er aus seiner Kindheit <strong>und</strong> Jugend<br />
die meisten wichtigen Höfe Europas,<br />
<strong>und</strong> er hatte nicht immer die höchste Meinung<br />
von ihnen. Kaum bekannt ist, dass<br />
Mozart schon in jungen Jahren vom Papst<br />
in den vatikanischen Adelsstand erhoben<br />
wurde. Ritter von Mozart also. Bezeichnend,<br />
dass er diesen Titel nicht führte. Nach<br />
dem berühmten Tritt ins Gesäß durch den<br />
Grafen Arco, der Mozarts Jugendzeit am<br />
Salzburger Bischofshof beendete, wollte<br />
Mozart ins Freie <strong>und</strong> in die Freiheit, nach<br />
Wien, um sich, dem Vater <strong>und</strong> der Welt zu<br />
beweisen, dass man auch als Musiker sein<br />
Leben nicht am Katzentisch zubringen<br />
musste, sondern Gleicher unter Gleichen<br />
war. Sein Beispiel zeigte, dass die Zeit dafür<br />
reif war, <strong>und</strong> es ermutigte andere, seinem<br />
freien Weg zu folgen. Beethoven war wenig<br />
später einer von ihnen.<br />
Mozart, der musikalische Humanist<br />
Menschlich sei sie, die Musik Mozarts, so<br />
hört man es immer wieder. Was aber soll das<br />
heißen – <strong>und</strong> worin liegt diese Menschlichkeit?<br />
Die Musikästhetik der Zeit forderte<br />
zwar keine „Menschlichkeit“, aber dafür<br />
eine „Natürlichkeit“, eine „edle Einfalt“ der<br />
Musik, bei der die Melodie im Vordergr<strong>und</strong><br />
stand. Das „schwarze Notengewitter“, für<br />
das exemplarisch die „schwülstige“ Kontrapunktik<br />
des altväterlichen <strong>und</strong> in dieser Beziehung<br />
tatsächlich „unmenschlichen“ Johann<br />
Sebastian Bach stand, sollte überwun-<br />
3/2006 29
den werden. „Der freie Mensch singt!“, rief<br />
Rousseau aus <strong>und</strong> fand im Gesang die Wurzel<br />
aller Sprachen. Aus jener Zeit der Mitte<br />
des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts stammt die emphatische<br />
Aufladung der Melodie zum Melodischen,<br />
des Gesangs zum Sanglichen, vorher<br />
gab es diese Begriffe gar nicht. Von einer<br />
„Erfindung der Melodie“ zu sprechen wäre<br />
kaum übertrieben.<br />
Das ist auch die Zeit, in der Mozarts Musikästhetik<br />
fußt. Und hier kommen wir dem<br />
Geheimnis näher. Denn der freie Mensch<br />
singt nicht irgendwie, er singt klassizistisch.<br />
Er singt mit Anfang, Mitte <strong>und</strong> Schluss, er<br />
kennt die aristotelische Dramentheorie, er<br />
bemüht sich um Balance <strong>und</strong> um Geschlossenheit.<br />
Und all das dimensioniert er um die<br />
Reichweite des menschlichen Atems <strong>und</strong><br />
gliedert es analog der menschlichen Sprache.<br />
Die – vermeintliche oder tatsächliche –<br />
Sprachähnlichkeit der Musik ist ein Topos,<br />
der das Musikdenken begleitet hat, seit wir<br />
Aufzeichnungen darüber kennen. Historisch<br />
bedeutsam jedenfalls ist, dass die Musiktheorie<br />
der Zeit geradezu eine Grammatik<br />
der Musik entworfen hat. Da gibt es Sätze,<br />
Absätze, Kommata, Punkte <strong>und</strong> sogar<br />
das Semikolon – alles bestimmten melodischen<br />
<strong>und</strong> harmonischen Kadenzformeln<br />
genau zugewiesen. Solche etwas erbsenzählerischen<br />
Betrachtungen mögen heute<br />
merkwürdig anmuten. Doch ist in ihnen<br />
ein „wahrer Kern“, den man in der Musik<br />
durchaus hören kann. Das Öffnen <strong>und</strong><br />
Schließen des Kopfthemas der großen gmoll-Symphonie<br />
funktioniert nach diesen<br />
Prinzipien, <strong>und</strong> ebenso die berühmte Bildnis-Arie<br />
aus der Zauberflöte.<br />
Mozarts ästhetischer Mehrwert<br />
Doch solches findet sich nicht nur bei Mozart<br />
allein. Auch die Musik seiner Zeitgenossen<br />
weist diese Charakteristika auf, oft<br />
noch viel ausgeprägter, ist viel einfacher,<br />
klingt viel sanglicher, viel – menschlicher?<br />
Was also ist es, das zum Überdauern des genialen<br />
Mozart geführt hat, <strong>und</strong> zum weitgehenden<br />
Vergessen der Musik Salieris, Hasses,<br />
Grauns, Wagenseils <strong>und</strong> wie sie alle<br />
hießen? Den Begriff dafür hat möglicherweise<br />
Theodor W. Adorno an die Hand gegeben.<br />
Es ist der von einer „Tendenz des<br />
musikalischen Materials“. Wie zu erwarten<br />
wird es jetzt etwas schwierig, aber ich denke<br />
es lohnt sich: Für Adorno wollte das Tonmaterial,<br />
mit dem der Komponist umgeht,<br />
in eine bestimmte Richtung weiterent-<br />
30<br />
3/2006<br />
wickelt werden, <strong>und</strong> zwar auf der Basis <strong>und</strong><br />
der völligen Kenntnis seiner Geschichte.<br />
Wenn man so will, dann hielt für Adorno<br />
die Totalität der Musik ihre Zukunft schon<br />
in sich. In der Tat verlangte ein A in der Renaissance<br />
eine andere Fortführung als ein A<br />
in einem Werk von Schönberg, zumindest<br />
wenn das Ganze künstlerischen Rang besitzen<br />
sollte. Und in dieser Perspektive kann<br />
auf das „schwarze Notengewitter“ des Kontrapunkts,<br />
das jeder Ton der abendländischen<br />
Musik gleichsam schon in sich trägt,<br />
ebenso wenig verzichtet werden wie auf die<br />
windungsreichen Kunstgriffe der harmonischen<br />
Modulation, denn sie sind – in historisch<br />
spezifischer Weise – gleichsam in den<br />
Tönen enthalten <strong>und</strong> erwarten entfaltet zu<br />
werden.<br />
Und hier finden wir das Doppelbödige<br />
in Mozarts Musik, gleichsam ihren ästhetischen<br />
Mehrwert. Kaum etwas in ihr ist nur<br />
einfach, ist nur „Melodie“. Auch der weite<br />
musikhistorische Horizont ist – zumindest<br />
in den großen Werken – immer vorhanden.<br />
Wie kann man es vergessen: Der junge Mozart<br />
wurde ja gerade für seine musikalische<br />
Gelehrsamkeit gerühmt, für seine überragende<br />
Fähigkeit, sich im Regelwerk des<br />
Kontrapunkts <strong>und</strong> der harmonischen Wendungen<br />
zurechtzufinden. Das permanente<br />
Spiel dieser Dialektik von Einfachem <strong>und</strong><br />
Schwierigem, von Melodie <strong>und</strong> Harmonie<br />
ist es wohl, das die besondere Dimension<br />
der Mozart’schen Kunst ausmacht. Wie<br />
sehr er daran gearbeitet hat <strong>und</strong> wie wenig<br />
leicht ihm vieles daran gefallen ist, das zei-<br />
gen die Arbeitsspuren in seinen Kompositionsskizzen.<br />
Auch für ihn galt die Devise aus<br />
der französischen Klassik: Cacher l’art par<br />
l’art même – Die Künstlichkeit durch<br />
Kunstfertigkeit verdecken. Nichts ist so einfach,<br />
wie es aussieht.<br />
Was bleibt?<br />
Wir sehen vor uns einen jungen, von der<br />
Musik <strong>und</strong> vom Leben besessenen Menschen.<br />
Einen liebenden Familienvater mit<br />
hinreichend gesicherter Existenz, der gewaltige<br />
Erfolge erlebt hatte <strong>und</strong> hoffnungsvoll<br />
in die Zukunft sah. Einen weltläufigen polyglotten<br />
Intellektuellen, der auf der Höhe<br />
des Diskurses seiner Zeit war – das zeigen<br />
seine Briefe. Einen freien Geist, der als Freimaurer<br />
einen fortgeschrittenen Grad erreicht<br />
hatte, in den besten Kreisen verkehrte<br />
<strong>und</strong> dort mit seiner Meinung nicht groß<br />
hinter dem Berg hielt. Einen erfolgreichen<br />
Unternehmer in eigener Sache, als man mit<br />
richtig guter Musik nicht nur ewigen<br />
Ruhm, sondern auch viel Geld verdienen<br />
konnte. Sein früher Tod – ein Zufall, wie so<br />
vieles. Wir müssen uns Mozart als einen<br />
glücklichen Menschen vorstellen. ●<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Geck, Martin: Mozart. Eine Biographie. – Reinbek<br />
: Rowohlt, 2005<br />
Wagner, Manfred: Wolfgang Amadeus Mozart.<br />
Werk <strong>und</strong> Leben. – Wien : Edition Steinbauer,<br />
2005<br />
Prokop, Clemens: Mozart, der Spieler: Die Geschichte<br />
eins schnellen Lebens. – Kassel : Bärenreiter,<br />
2005
■ Neulich bekomme ich einen Anruf von<br />
meinem ehemaligen Pfarrer. Ich hatte als<br />
14-Jähriger bei ihm konfirmiert, als mein<br />
langer Weg vom aufrichtigen <strong>und</strong> (mehr<br />
oder weniger) ehrfürchtigen Christen zum<br />
überzeugten Atheisten seinen Anfang<br />
nahm.<br />
Meine erste geschiedene Frau G. wolle<br />
wieder heiraten, <strong>und</strong> zwar katholisch, so das<br />
Anliegen des Protestanten am Telefon. Und<br />
dazu benötige sie meine Taufurk<strong>und</strong>e (ich<br />
wurde als wehrloses Baby evangelisch getauft<br />
<strong>und</strong> bin erst im Erwachsenenalter ausgetreten)<br />
<strong>und</strong> die Heiratsurk<strong>und</strong>e zu meiner<br />
geschiedenen Ehe. Ein wenig w<strong>und</strong>erlich<br />
klang das schon, vor allem vor dem Hintergr<strong>und</strong>,<br />
dass G. seit einigen Monaten sogar<br />
Mitglied im HVD-Nürnberg ist. Aber bekanntlich<br />
sind ja W<strong>und</strong>er in der katholischen<br />
Kirche nichts Ungewöhnliches. Und<br />
da man Ex-Frauen ja auch nicht immer verstehen<br />
muss, sagte ich G. per E-Mail meine<br />
Unterstützung zu, versprach die Beibringung<br />
der Unterlagen <strong>und</strong> wünschte ihr<br />
Glück für ihre künftige Ehe mit katholischem<br />
Segen. G.s prompte Reaktion, in der<br />
sie mich fragte, ob ich <strong>und</strong> „mein“ Pfarrer<br />
noch ganz bei Trost seien, sie sich nach wie<br />
vor beim HVD gut aufgehoben fühle <strong>und</strong><br />
nachweislich keinerlei Kontakte zu katholischen<br />
Heiratswilligen pflege, deutete den<br />
Anfang einer komplexen, aber wahren Geschichte<br />
an, die immerhin mehrere hochdekorierte<br />
katholische Intellektuelle in einem<br />
* Überschrift im Dokumentenverfahren des<br />
Bischöflichen Offizialats Eichstätt<br />
Ewige Wahrheiten<br />
Rainer Rosenzweig<br />
In nomine domini. Amen.*<br />
Dokumentenverfahren des Bischöflichen<br />
Offizialats Eichstätt beschäftigte.<br />
Der verwirrte Prediger hatte da eine Kleinigkeit<br />
durcheinander gebracht. Dies offenbarte<br />
er mir in einem zweiten Anruf etwa<br />
zwei Monate später: Erneut wurde ich gebeten,<br />
Tauf- <strong>und</strong> Heiratsurk<strong>und</strong>e beizubringen.<br />
Nur der Protagonist war dieses Mal<br />
ein anderer: Den katholischen Segen für den<br />
heiligen B<strong>und</strong> ersuchte in Wirklichkeit G.s<br />
zweiter, ebenfalls von ihr geschiedener<br />
Mann M. (Zur Verdeutlichung der inzwischen<br />
immer komplexer werdenden Patchwork-Verhältnisse<br />
diene das Diagramm).<br />
Wenn sich der Leser nun w<strong>und</strong>ert, was<br />
das wiederholte Heiratsbedürfnis des zweiten<br />
Ex-Mannes von G. mit den Urk<strong>und</strong>en<br />
seines ehelichen Vorgängers zu tun hat,<br />
dann geht es ihm wie mir zum Zeitpunkt<br />
des Anrufs. So richtig erklären konnte das<br />
der evangelische Gottesdiener nicht <strong>und</strong><br />
verwies auf seinen katholischen Kollegen.<br />
Dieser sorgte dann – über seine katholischen<br />
Vorgesetzten verlegen kopfschüttelnd – für<br />
Aufklärung: Nach katholischem Eherecht<br />
stellt sich die Situation der weltlich vor sich<br />
hin lotternden Gesellschaft komplett anders<br />
dar. Um den konkreten Vorgang zu verstehen,<br />
muss man aber zunächst einige katholische<br />
Gr<strong>und</strong>regeln kennen:<br />
(a) Bündnisse zwischen Eheleuten, die<br />
nicht den katholischen Taufsegen empfangen<br />
hatten, sind aus katholischer Sicht indifferent.<br />
Das bedeutet, die katholische Kirche<br />
zeigt sich in diesem Fall partiell liberal:<br />
Sie hält sich weitgehend aus den Angelegenheiten<br />
der Nichtkatholiken raus <strong>und</strong> ak-<br />
zeptiert die irdischen Gesetze. Vor denen ist<br />
die Ehe zwischen Nichtkatholiken auch mit<br />
Segen der Konkurrenz oder gar ohne Segen<br />
gültig.<br />
(b) An einer weiteren Stelle endet aber<br />
die Liberalität der katholischen Kirche: Der<br />
B<strong>und</strong> fürs Leben ist gr<strong>und</strong>sätzlich auch so<br />
gedacht: Scheidungen kommen im katholischen<br />
Gesetz nicht vor. Dort heißt es: „Im<br />
Zweifelsfall ist an der Gültigkeit der Ehe so<br />
lange festzuhalten …, bis das Gegenteil bewiesen<br />
ist.“ Weltliche Scheidungen werden<br />
katholisch also schlichtweg ignoriert.<br />
(c) Ist ein katholischer Segen erwünscht,<br />
so gelten die Gesetze der heiligen katholischen<br />
Kirche. Das ist sogar für Außenstehende<br />
nachvollziehbar: Ein Club gibt sich<br />
Regeln, an die sich die Mitglieder halten<br />
müssen, wenn sie mitspielen wollen. Wem<br />
das nicht passt, muss austreten <strong>und</strong> sich was<br />
anderes suchen. Logisch!<br />
(d) Eine der katholischen Regeln lautet,<br />
dass nur heiraten darf, wer nicht vorher<br />
schon mal verheiratet war. Es gilt „bis der<br />
Tod euch scheidet“ – <strong>und</strong> Zombie-Ehen<br />
sind auch aus katholischer Sicht <strong>und</strong>enkbar.<br />
So weit, so klar. Was bedeutet das nun in<br />
unserem geschilderten Fall? Zur Historie:<br />
Zunächst waren G. <strong>und</strong> ich vor den<br />
evangelischen Traualtar getreten. Beide<br />
schon als Atheisten, aber in unserem naiven<br />
jugendlichen Überschwang konnten wir damals<br />
(noch) keine Alternative zu dieser Art<br />
der Feiergestaltung ausmachen. (Heute<br />
kann der Autor das sehr wohl, siehe diesseits<br />
Nr. 72, S. 12; Anm. d. Red. ) Die Ehe<br />
ging nach zweieinhalb Jahren in die Brüche<br />
3/2006 31
Zeitpunkt 1. Eheschließung G. <strong>und</strong> R.<br />
Zeitpunkt 2. Scheidung G. <strong>und</strong> R.<br />
Zeitpunkt 3. Eheschließung G. <strong>und</strong> M.<br />
Zeitpunkt 4. Scheidung G. <strong>und</strong> M.<br />
Zeitpunkt 5. Wunsch der Eheschließung M. <strong>und</strong> H.<br />
katholisches Eherecht weltliche Regelung<br />
Zeitpunkt 1: G. verheiratet mit R. verheiratet mit R.<br />
M. unverheiratet unverheiratet<br />
Zeitpunkt 2: G. verheiratet mit R. unverheiratet (geschieden von R.)<br />
M. unverheiratet unverheiratet<br />
Zeitpunkt 3: G. verheiratet mit R. verheiratet mit M.<br />
M. unverheiratet<br />
(da Hochzeit mit G. ungültig)<br />
verheiratet mit G.<br />
Zeitpunkt 4: G. verheiratet mit R. unverheiratet (geschieden von M.)<br />
M. unverheiratet unverheiratet (geschieden von G.)<br />
Zeitpunkt 5: M. darf heiraten, M. darf heiraten,<br />
da er unverheiratet ist. da er unverheiratet ist.<br />
Anmerkung der Redaktion: Diesseits liegen alle Dokumente zu diesem Fall vor.<br />
<strong>und</strong> wurde ein weiteres Jahr später geschieden<br />
– ohne religiös eingefärbte Zeremonie,<br />
versteht sich. Wir gingen unserer Wege.<br />
Dann traf G. auf M., das eine ergab das<br />
andere, doch die folgende, ohne kirchlichen<br />
Segen geschlossene Ehe zwischen G. <strong>und</strong><br />
M. wurde nach kurzer Zeit auch wieder geschieden.<br />
Beide gingen ihrer Wege.<br />
Dann traf M. die katholische (Jung-?)<br />
Frau H. Hingerissen von ihr, schloss er mit<br />
ihr den B<strong>und</strong> der Ehe im amerikanischen<br />
Spielerparadies Las Vegas. Doch die katholische<br />
Seele der H. ruhte nicht. Die Ehe war<br />
vor dem Herrn noch nicht legitimiert.<br />
Damit beginnen die Probleme: Ihr künftig<br />
auch vor Gott anzutrauender M. war ja<br />
bereits früher mit G. verheiratet. Nach katholischem<br />
Gesetz (d) darf er also nicht noch<br />
mal heiraten. In seiner himmlischen Verzweiflung<br />
ereilte M. eine Erleuchtung, die es<br />
in sich hat: Wenn es ihm gelänge, Gründe<br />
für eine Ungültigkeit seines Fehltritts mit G.<br />
zu finden, dann stünde dem göttlichen Segen<br />
nichts mehr entgegen. Diese Gründe<br />
müssten nur eines sein: katholisch.<br />
Und in G.s Vergangenheit wurde M.<br />
dann fündig: Da die katholische Heiligkeit<br />
aufgr<strong>und</strong> des Gesetzes (b) die Scheidung seiner<br />
früheren Ehefrau G. schlichtweg ignoriert,<br />
war M. logischerweise mit einer Bigamistin<br />
verheiratet. Klar, dass das die energische<br />
katholische Exekutive nicht dulden<br />
kann <strong>und</strong> diese teuflische Verbindung kur-<br />
32<br />
3/2006<br />
zerhand für nichtig erklärt. Ist diese Ehe also<br />
erst mal als ungültig deklariert, ist M. wieder<br />
frei für seine H. <strong>und</strong> der himmlische Segen<br />
kann ungestört auf beide niederprasseln.<br />
M. muss nur noch eines sicherstellen: G.s<br />
erste Ehe muss aus katholischer Sicht sattelfest<br />
sein. Wäre sie das nicht, ist der bigamistische<br />
Traum ausgeträumt <strong>und</strong> die katholischen<br />
Weihen sind geplatzt. Um nun die<br />
Gültigkeit von G.s erster Ehe – mit mir – zu<br />
beweisen, ist es offenbar nötig, die ordnungsgemäße<br />
(evangelische) Taufe der beiden<br />
nachzuweisen. Warum, bleibt im Dokumentenverfahren<br />
unkommentiert.<br />
Letztlich stellt das hochoffizielle Verfahren<br />
der katholischen Jurisdiktion abschließend<br />
fest: „Die Ehe [zwischen M. <strong>und</strong> G.]<br />
ist nach katholischem Eherecht wegen des<br />
Hindernisses des bestehenden Ehebandes<br />
der Ehe [zwischen G. <strong>und</strong> mir] ungültig.<br />
[M.] ist deshalb nicht durch ein bestehendes<br />
Eheband geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> infolgedessen auch<br />
nicht daran gehindert, eine katholische Ehe<br />
zu schließen.“ Die göttliche Einspruchsfrist<br />
von 15 Tagen ist schnell verstrichen, der –<br />
angesichts der Komplexität des Falles<br />
äußerst gering erscheinende Obulus von 50<br />
Euro ist entrichtet, die katholischen Ehepforten<br />
stehen für M. <strong>und</strong> H. also weit offen.<br />
Die Geschichte hinterlässt eine entnervte<br />
G., die mit zahlreichen Bittbriefen zur Be-<br />
reitstellung dieser <strong>und</strong> jener Dokumente<br />
bombardiert worden war <strong>und</strong> die Nase von<br />
der katholischen Heiligkeit gestrichen voll<br />
hat. Zumal da sie inzwischen in doppelter<br />
Bigamie zum dritten Mal glücklich verheiratet<br />
ist.<br />
Nichtbetroffene mögen sich ihr eigenes<br />
Bild machen. In nomine domini. Amen.*<br />
Rainer Rosenzweig<br />
Geschäftsführer des Nürnberger Hands-on-Museums<br />
turmdersinne des HVD-Nürnberg, nach katholischem<br />
Eherecht bigamistisch in zweiter Ehe<br />
glücklich verheiratet.
Der Diesseits -Gedanke<br />
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen,<br />
nicht selbst zu existieren braucht.<br />
Charles Baudelaire<br />
französischer Lyriker 1821 bis 1867<br />
CARTOON<br />
3/2006 33
Tierisch<br />
Berlin – Verstorbenen Tieren kann<br />
man auf der virtuellen H<strong>und</strong>egedenkseite<br />
„Das H<strong>und</strong>ewolkenhimmelreich“<br />
jetzt eine gebührende<br />
Ehrung zukommen lassen. Webmaster-Frauchen<br />
„Rottilove“ widmet<br />
ihrem verstorbenen Rottweiler<br />
Zeus dort u. a. folgende Zeilen:<br />
„Drum bitt ich Gott, dass er mir<br />
hilft <strong>und</strong> ein paar Flügel zu mir<br />
schickt. Ich fliege dann hoch in<br />
dein Himmelreich, als ich dich<br />
dann seh’, werden meine Beine<br />
weich. Du fliegst auf mich zu mit<br />
deinen Flügelein, denn du bist jetzt<br />
ein Rotti-Engelein.“<br />
Nachprüfen!<br />
Stuttgart – Die baden-württembergische<br />
Landesregierung warnt<br />
vor Nachhilfeangeboten der Scientology-Organisation<br />
für Schüler.<br />
Scientology versuche, auf dem<br />
Nachhilfe- <strong>und</strong> Bildungsmarkt<br />
stärker Fuß zu fassen, teilten Innenminister<br />
Heribert Rech <strong>und</strong><br />
Kultusminister Helmut Rau (beide<br />
CDU) in Stuttgart mit. Sie riefen<br />
Eltern auf, sich über private Angebote<br />
für Nachhilfeunterricht genau<br />
zu informieren.<br />
Den Angaben zufolge werden die<br />
Nachhilfeangebote durch die<br />
Scientology-Unterorganisation<br />
„Association for Better Living and<br />
Education“ (ABLE) koordiniert.<br />
Diese sei dem Propagandabereich<br />
der Scientology-Zentrale in Los<br />
Angeles zugeordnet. In Baden-<br />
Württemberg gebe es unter dem<br />
Namen „Applied Scholastics International“<br />
(ApS) bereits vereinzelt<br />
von Scientologen betriebene Nachhilfeeinrichtungen.<br />
Auch sei davon<br />
auszugehen, dass einzelne Scientologen<br />
auf privater Ebene Nachhilfe<br />
anbieten.<br />
Ausnahmezustand<br />
München – Für den deutschen<br />
Papst macht das B<strong>und</strong>esfinanzministerium<br />
eine Ausnahme: Obwohl<br />
sonst nur B<strong>und</strong>espräsidenten schon<br />
zu Lebzeiten auf Briefmarken abgebildet<br />
werden, soll es im nächsten<br />
Jahr zum 80. Geburtstag von Benedikt<br />
XVI. ein Sonderpostwertzeichen<br />
geben. Die 55-Cent-Marke<br />
„80. Geburtstag Papst Benedikt<br />
XVI.“ werde von April an erhältlich<br />
sein, teilte das Ministerium am<br />
Mittwoch mit. Das genaue Motiv<br />
wird den Angaben zufolge erst zum<br />
34<br />
3/2006<br />
Jahresbeginn feststehen. Es werde<br />
frühestens sechs Wochen vor dem<br />
Erscheinen der Marke veröffentlicht.<br />
Auch der Vorgänger von Benedikt<br />
XVI., Johannes Paul II.,<br />
wurde mit einer Sondermarke der<br />
Deutschen Post geehrt – allerdings<br />
erst wenige Wochen nach seinem<br />
Tod.<br />
Perlenkettenraucher<br />
Wien – Das Beten von Rosenkränzen<br />
als neue wirksame Methode,<br />
sich das Rauchen abzugewöhnen,<br />
empfiehlt der Sozialmediziner<br />
Michael Kunze vom Nikotininstitut<br />
Wien. „Das klingt komisch,<br />
aber Rosenkranz-Beten ist eine<br />
w<strong>und</strong>erbare Entspannungsübung“,<br />
sagt der Arzt in „News“. „Man<br />
muss sich konzentrieren <strong>und</strong> vergisst<br />
das Verlangen nach einer Zigarette.“<br />
Aussteigen bitte!<br />
Düsseldorf – Mit einer Burka verschleierte<br />
muslimische Frauen dürfen<br />
in Deutschland kein Auto fahren.<br />
Das hat das B<strong>und</strong>esverkehrsministerium<br />
auf Anfrage mitgeteilt.<br />
Beim Tragen einer Burka ist das<br />
Führen eines Autos beeinträchtigt,<br />
Sicht <strong>und</strong> Gehör sind stark eingeschränkt.<br />
Die Polizei müsse einer<br />
so verschleierten Frau die Weiterfahrt<br />
versagen.<br />
Kurzsichtig<br />
Treviso – Ein Priester hat in Italien<br />
bei einer Taufe eine Mutter aus<br />
der Kirche geschickt, weil ihr Rock<br />
angeblich zu kurz war. Die Frau sei<br />
in der Nähe der norditalienischen<br />
Stadt Treviso von Don Loris Fregona<br />
(42) kurz vor Beginn der<br />
Tauf-Zeremonie aufgefordert worden,<br />
das Gotteshaus zu verlassen<br />
<strong>und</strong> sich «ein sittsameres Kleid» anzuziehen,<br />
berichtete die Zeitung<br />
„La Repubblica“.<br />
Die Italienerin sei daraufhin weinend<br />
aus der Kirche gegangen <strong>und</strong><br />
habe sich umgezogen – <strong>und</strong> dadurch<br />
einen Teil der Taufe ihres eigenen<br />
Kindes verpasst, hieß es.<br />
Eine Fre<strong>und</strong>in erklärte, der Rock<br />
habe eine ganz normale Länge gehabt,<br />
er sei fast knielang gewesen.<br />
Die Eltern wollten sich nun an einen<br />
Anwalt wenden <strong>und</strong> den Priester<br />
verklagen.<br />
Während eines Gewitters am 30. Juli in Serbien trifft ein Blitz das<br />
Kreuz der St. Markus-Kirche in Belgrad.
Fußtritt<br />
Hamburg – Der bayerische Ministerpräsident<br />
Edm<strong>und</strong> Stoiber<br />
(CSU) will schwere Gotteslästerung<br />
künftig konsequenter <strong>und</strong><br />
härter bestrafen. In der „Bild“-Zeitung<br />
kündigte der CSU-Chef eine<br />
entsprechende Initiative an.<br />
Stoiber sagte dem Blatt: „Es darf<br />
nicht alles mit Füßen getreten werden,<br />
was anderen heilig ist.“ Der<br />
bisherige Paragraph 166 des Strafgesetzbuches<br />
sei „völlig stumpf <strong>und</strong><br />
wirkungslos, weil er eine Bestrafung<br />
nur dann vorsieht, wenn der<br />
öffentliche Frieden gefährdet ist<br />
<strong>und</strong> Aufruhr droht“. Wer bewusst<br />
auf den religiösen Empfindungen<br />
anderer Menschen herumtrampele,<br />
müsse mit Konsequenzen rechnen<br />
– in schweren Fällen mit bis zu drei<br />
Jahren Gefängnis. Der CSU-Chef<br />
mahnte: Wohin die Verletzung religiöser<br />
Gefühle führen könne,<br />
habe der Streit um die Mohammed-Karikaturen<br />
„auf alarmierende<br />
Weise gezeigt“.<br />
Reisebegleiter<br />
Frankfurt/Main – Urlauber können<br />
sich ihre Reise kostenlos per<br />
SMS segnen lassen. Ein entsprechendes<br />
Angebot hat der katholische<br />
Medienpfarrer Dietmar Heeg<br />
initiiert. Um den Segen zu erhalten,<br />
schicken Menschen – egal welcher<br />
Konfession – das Wort „Reisesegen“<br />
per SMS an die Telefonnum-<br />
mer 0177/1785259. Wenige Minuten<br />
später erscheint der Segen<br />
auf dem Mobilfunktelefon.<br />
Heeg erklärt: „Im Reisesegen gibt<br />
Gott denen, die sich mit dem Auto,<br />
im Flugzeug, Bus oder Schiff oder<br />
sonstwie auf den Weg machen die<br />
Zusage: Ich bin bei Dir <strong>und</strong> halte<br />
meine schützende Hand über Dich<br />
<strong>und</strong> begleite Dich in Deinen Ferien,<br />
egal was passiert.“<br />
Das Angebot ist auf 40.000 SMS limitiert<br />
<strong>und</strong> wird von der Bruderhilfe<br />
– Pax – Familienfürsorge finanziert,<br />
einem Spezialversicherer<br />
für Menschen im kirchlichen<br />
Dienst.<br />
http://www.sms-reisesegen.de/<br />
Temporarily not attainable<br />
Kapstadt – In Südafrika setzt sich<br />
derzeit ein neuer Trend durch.<br />
Handys als Grabbeigaben werden<br />
immer beliebter. Dort noch immer<br />
stark verbreitet ist der Glaube, man<br />
sei nicht wirklich tot, sondern nur<br />
von einem Zauber verhext. Da will<br />
man sich doch bemerkbar machen,<br />
wenn der Spuk nachlässt. Auch Ersatzakkus<br />
werden für den Fall der<br />
Fälle beigelegt. Haben die Angehörigen<br />
vergessen, auf Vibrationsalarm<br />
umzustellen, werden sich<br />
wohl Friedhofsbesucher an das<br />
Bimmeln aus dem Grab gewöhnen<br />
müssen.<br />
Einladung zur<br />
Spaßkreuzigung<br />
Rom – Madonna (47), US-Popstar<br />
auf Welttournee, hat den Papst zu<br />
ihrem Konzert in Rom eingeladen.<br />
„Dem Papst würde die Show gefallen,<br />
<strong>und</strong> er würde Madonna applaudieren“,<br />
zitierte die Zeitung<br />
„La Repubblica“ Madonnas Sprecherin<br />
Liz Rosenberg.<br />
Die Sängerin reagierte damit auf<br />
die Kritik des Vatikans an ihrer<br />
Aufführung des Liedes „Live To<br />
Tell“, bei der sie mit einer Dornenkrone<br />
auf dem Kopf an einem<br />
mächtigen Kreuz hängt. „Benedikt<br />
sollte mit eigenen Augen die Ausdruckskraft,<br />
die Schönheit <strong>und</strong> die<br />
Menschlichkeit Madonnas bei der<br />
bewegenden Performance sehen“,<br />
hieß es.<br />
„Sich aus Spaß kreuzigen zu lassen,<br />
<strong>und</strong> das in der Stadt des Papstes, ist<br />
ein Akt offener Feindseligkeit <strong>und</strong><br />
eine sinnlose Marketing-Operation“,<br />
hatte zuvor Kardinal Ersilio<br />
Tonini erklärt.<br />
3/2006 35
Welt-Anschaungs-Produktion<br />
Peter Schulz-Hageleit, der erste<br />
Präsident einer humanistischen<br />
Akademie in Deutschland (1997-<br />
2003), schafft es immer wieder,<br />
sich den oft unerquicklichen innerverbandlichenTheoriescharmützeln<br />
zu entziehen <strong>und</strong> dennoch<br />
wohl überlegt darin einzugreifen<br />
durch Vorlage neuer Bücher, Jahr<br />
um Jahr. Letztes aktuelles Werk:<br />
„Die leisen Stimmen der Vernunft.“<br />
Er gibt uns Beiträge zur<br />
Weltanschauung des organisierten<br />
<strong>Humanismus</strong>, gerade denen, die<br />
mehr wissenschaftliche Vernunft<br />
fordern. Er will zugleich teilhaben<br />
lassen an seiner Welt-Anschauungsbildung<br />
in der Hoffnung, diese<br />
oder jene begründete Ansicht<br />
werde sich objektivieren im Diskurs<br />
unter Humanisten.<br />
Schon bevor die „Wertedebatte“<br />
losbrach <strong>und</strong> man sich seitdem an<br />
der „Leitkultur“ <strong>und</strong> dem Berliner<br />
Ethikunterricht abarbeitet, legte<br />
Peter Schulz-Hageleit 2002 unter<br />
dem bewusst metaphorischen Titel<br />
„Am Jungbrunnen des Lebens“ seine<br />
Denkanstöße für „humanistische<br />
Eckwerte“ vor. Wie immer bei<br />
ihm beginnt <strong>und</strong> endet kein Text in<br />
Prinzipien, sondern es geht, wenn<br />
überhaupt, um Prinzipienvergleich<br />
<strong>und</strong> Streit um ehrenwerte Meinungen,<br />
auch wenn der Autor sie nicht<br />
teilt.<br />
In seinem soeben erschienenen<br />
Werk „Die leisen Stimmen der Vernunft“<br />
nimmt Schulz-Hageleit Gedanken<br />
wieder auf, die er eher privat<br />
1999 im Sonderheft 1 von „humanismus<br />
aktuell“ erscheinen ließ.<br />
Es ging damals um den Kosovo-<br />
Krieg <strong>und</strong> die Kritik daran, die er<br />
seinen Fre<strong>und</strong>en im <strong>Verband</strong>, die<br />
anders dachten als er, meinte aufschreiben<br />
zu müssen, aus pazifistischer<br />
Position, gewonnen aus Lebenserfahrung<br />
<strong>und</strong> Lehrklugheit.<br />
Der vorliegende Band holt weiter<br />
aus <strong>und</strong> erfordert vom Leser, sich<br />
auf seine Argumentationshilfen<br />
einzulassen, aus denen heraus er begründet,<br />
warum sich gerade Humanisten<br />
auf das Verstehen von<br />
Geschichte verlassen müssen, um<br />
mit allen andren zu lernen, ohne<br />
Feinde zu leben – aus Vernunft, die<br />
ihm auch „das Unerledigte, das<br />
‘Unerhörte’, das vor uns liegende<br />
bzw. Liegengebliebene“ (S.159) ist,<br />
das es aufzuarbeiten gilt. Unser<br />
Problem sei nicht, dass die „leisen<br />
Stimmen der Vernunft kaum zu<br />
hören“ seien, sondern dass wir uns<br />
anzustrengen haben, für die vielen<br />
36<br />
3/2006<br />
Vernünftigen einen Resonanzboden<br />
zu schaffen. Dem nun soll diese<br />
Rezension dienen mit der Versicherung<br />
an den Autor, dass der<br />
<strong>Verband</strong> ihm für seine Beharrlichkeit<br />
Dank schuldet <strong>und</strong> dem<br />
Wunsch, sein „Eid des Pädagogen“<br />
(S.166f.) möge künftige humanistische<br />
Lehrstuhlinhaber <strong>und</strong> heutige<br />
Lebensk<strong>und</strong>elehrer leiten.<br />
Horst Groschopp<br />
Schulz-Hageleit, Peter: Die leisen<br />
Stimmen der Vernunft. Tonaufnahmen<br />
im Schlachthaus der Geschichte.<br />
– Herbolzheim : Centaurus<br />
Verl., 2006, – 192 S. –<br />
19,90 Euro<br />
Papstkirche ohne<br />
Heiligenschein<br />
Die Geschichte der Konzile der katholischen<br />
Kirche kann man bezogen<br />
auf die Entwicklung religiöser<br />
Deutungen darstellen. Man kann<br />
sie aber auch im Kontext der jeweiligen<br />
gesellschaftlichen Verhältnisse<br />
interpretieren. Diesen Weg<br />
wählte der Journalist Peter Maslowski<br />
für sein Buch „Papstkirche ohne<br />
Heiligenschein“. Es handelt sich<br />
um eine posthume Erstveröffentlichung,<br />
entstand der Text doch<br />
überwiegend 1968 <strong>und</strong> wurde erst<br />
jetzt nach dem Tod des Autors<br />
1983 publiziert. Maslowski ging<br />
darin weltlichen Aspekten nach,<br />
welche von der päpstlichen Finanzpoliitk<br />
über das Spannungsverhältnis<br />
von Konzilen <strong>und</strong> Päpsten bis<br />
zum politischen Engagement reichten.<br />
Der zeitliche Rahmen streckt<br />
sich vom 16. bis ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
mit Schwerpunkt auf den<br />
machtpolitischen Interessen. Maslowski<br />
hebt hierbei auch das päpstliche<br />
Engagement gegen die demokratische<br />
Staatsidee hervor (vgl. S.<br />
159-163). Die journalistisch konzipierte<br />
Arbeit wurde von dem Herausgeber<br />
Felix Weiland noch um<br />
die nötigen Belegstellen für Informationen<br />
<strong>und</strong> Zitate ergänzt. Herausgekommen<br />
ist ein sich mitunter<br />
etwas schleppend lesendes, analytisch<br />
aber interessantes Werk. Maslowski<br />
neigt nicht zu ständiger Polemik<br />
<strong>und</strong> vermeidet auch eine vulgärmarxistische<br />
Deutung. Letzteres<br />
hätte man angesichts seiner Biographie<br />
befürchten können, gehörte er<br />
doch zu den religionspolitischen<br />
Aktivisten der stalinisierten KPD<br />
der Weimarer Republik. Über diese<br />
Zeit informiert Christoph Kopke<br />
in einer von ihm vor einiger Zeit<br />
herausgegebenen Edition, die<br />
frühere Schriften Maslowskis unter<br />
dem Titel „Klerikalismus <strong>und</strong> Proletariat“<br />
enthält. Inhaltlich geht es<br />
um die Bedeutung atheistischer<br />
Propaganda, eine Kritik der Zentrumspartei,<br />
die Deutung des Konkordats<br />
<strong>und</strong> die Entwicklung des<br />
Gotteslästerungsparagrafen. Diese<br />
Texte aus dem Zeitraum von 1926<br />
bis 1933 zeugen von einem dogmatischen<br />
Marxismus-Leninismus.<br />
Erst nach dem Hitler-Stalin-Pakt<br />
wandte Maslowski sich davon ab.<br />
Diese Entwicklung ist ihm gut bekommen,<br />
wie man der „Papstgeschichte<br />
ohne Heiligenschein“ entnehmen<br />
kann. Es handelt sich in<br />
der Tat um den „reizvollen Versuch“,<br />
so der Autor, „die Relation<br />
zwischen allem Konzilgeschehen<br />
<strong>und</strong> seiner Umwelt herzustellen“<br />
(S. 10).<br />
Armin Pfahl-Traughber<br />
Maslowski, Peter: Papstkirche<br />
ohne Heiligenschein. Geschichte<br />
der Konzile von Konstanz bis<br />
zum Vatikanum II / hrsg. von<br />
Felix Weiland. – Aschaffenburg :
Alibri-Verlag, 2006. – 345 S. – 20<br />
Euro<br />
Maslowski, Peter: Klerikalismus<br />
<strong>und</strong> Proletariat. Zur Religionsfrage<br />
<strong>und</strong> andere frühe Schriften<br />
/ hrsg. von Christoph Kopke,<br />
Aschaffenburg : Alibri-Verlag,<br />
2003. – 175 S. – 13 Euro<br />
Des Menschen Wille...<br />
... ist sein Himmelreich, weiß der<br />
Volksm<strong>und</strong>. Doch die Freiheit dieses<br />
Willens wird von manchen<br />
Hirnforschern <strong>und</strong> philosophischen<br />
Naturalisten zur Illusion erklärt<br />
– ähnlich dem Himmelreich.<br />
Denn aus naturalistischer Sicht gibt<br />
es kein Bewusstsein ohne materielles<br />
Substrat, kein subjektives Erleben<br />
ohne neuronale Gr<strong>und</strong>lage,<br />
keinen Geist ohne Gehirn.<br />
Tatsächlich ist auch schwer vorstellbar,<br />
dass rein Geistiges direkt<br />
auf die Materie einwirkt. Denn<br />
dann müsste man bei der Beschreibung<br />
etwa des Gehirns kausale<br />
Lücken finden, materielle Abläufe,<br />
die nicht auf der materiellen Ebene<br />
alleine erklärbar sind. So sieht es<br />
nicht aus, im Gegenteil: Die Hinweise<br />
häufen sich, dass unsere<br />
Selbstwahrnehmung – auch unser<br />
Freiheitserleben – genauso vom<br />
Gehirn konstruiert wird wie unsere<br />
Außenwahrnehmung. Dann aber<br />
kann auch die Selbstwahrnehmung<br />
täuschbar sein, ähnlich wie Sinnestäuschungen<br />
die Außenwahrnehmung<br />
irreleiten.<br />
Was bedeutet es für unser Verständnis<br />
von menschlicher Freiheit<br />
<strong>und</strong> damit für unser Menschenbild,<br />
wenn Willensentschlüsse <strong>und</strong> das<br />
Gefühl, Urheber einer Handlung<br />
zu sein, neuronal determiniert sind?<br />
Seit Jahren häufen sich dazu Vorträge<br />
<strong>und</strong> Konferenzen. Aufsätze<br />
<strong>und</strong> Bücher erscheinen in großer<br />
Zahl, für jedes Interesse, von rein<br />
physiologisch bis rein philosophisch,<br />
streng fachlich oder eher<br />
populär.<br />
Das Thema boomt, wir boomen<br />
mit. Denn unterdessen ist das Buch<br />
zum Symposium 2004 „Freier Wille<br />
– frommer Wunsch?“ mit zehn<br />
Beiträgen unserer damaligen Referenten<br />
erschienen. Dabei war es ein<br />
wesentliches Ziel, durch die Beteiligung<br />
unterschiedlicher Fachrichtungen<br />
(Psychologie, Philosophie<br />
des Geistes, Natur- <strong>und</strong> Rechtsphilosophie,<br />
Biologie, Soziologie <strong>und</strong><br />
Moraltheologie) das Spektrum typischer<br />
Fragestellungen <strong>und</strong> Denkweisen<br />
sichtbar werden zu lassen.<br />
Ihre gegenseitige Bereicherung,<br />
aber auch gelegentliche Unverträglichkeit<br />
lassen sich leicht erahnen.<br />
Die Beiträge sind als Einführungen<br />
für Nichtspezialisten geschrieben<br />
<strong>und</strong> enthalten zahlreiche Verweise<br />
auf die Fachliteratur. Es bleibt jedoch<br />
zu hoffen, dass das Buch als<br />
Ganzes auch Experten nicht langweilt<br />
(denn wer ist schon überall<br />
Experte?).<br />
Die ganze Debatte um die Willensfreiheit<br />
wird durchzogen von einer<br />
gewissen Mehrdeutigkeit ihres zentralen<br />
Begriffs: Es gibt keine allgemein<br />
anerkannte Definition dafür,<br />
wann ein Wille „frei“ heißt. Begriffliches<br />
Problembewusstsein ist daher<br />
unabdingbar für das Verständnis<br />
mancher Verästelung dieser Debatte.<br />
Ist es wirklich wesentlich für<br />
Freiheit, dass man in derselben Situation<br />
immer auch anders könnte<br />
(anders denken, sich anders entscheiden,<br />
anders handeln) als in<br />
Wirklichkeit? Es gehört sicher zur<br />
Freiheitsintuition, auf die Außenwelt<br />
nicht reflexartig reagieren zu<br />
müssen, nicht auf ein unflexibles<br />
Reaktionsmuster festgelegt zu sein,<br />
sondern über Alternativen zu verfügen.<br />
Aber wenn man sich nicht nur<br />
die äußere Situation der wahrgenommenen<br />
Umwelt, sondern auch<br />
die innere Konfiguration der eigenen<br />
Neuronen festgelegt denkt – ist<br />
diese Freiheitsintuition dann noch<br />
angemessen?<br />
Ist für die Freiheit eines Willens<br />
nicht viel entscheidender, durch<br />
welche geistigen Verarbeitungsprozesse<br />
er gebildet wurde, als ob das<br />
(natürlich immer zugr<strong>und</strong>e liegende)<br />
neuronale Geschehen determiniert<br />
abläuft oder nicht? Frei ist,<br />
wer Argumenten zugänglich bleibt<br />
<strong>und</strong> keiner Zwanghaftigkeit oder<br />
Sucht unterliegt. Diese Freiheit des<br />
Willens kann mit neuronaler Determiniertheit<br />
aber gar nicht in Widerspruch<br />
geraten: Der Begriff qualifiziert<br />
jetzt Erlebnisinhalte, nicht<br />
Neuronen. Dieser Begriff von Willensfreiheit<br />
ist <strong>und</strong> bleibt sinnvoll.<br />
Ein so verstandener freier Wille<br />
kann zwar keine eigenständige kausale<br />
Wirkung in der Welt entfalten<br />
– aber er ist dennoch keine Illusion.<br />
Denn es ist eben ein Unterschied,<br />
ob ein Mensch seinen Willensentschluss<br />
als selbstbestimmt, das<br />
heißt in Übereinstimmung mit seinen<br />
reflektierten Wünschen <strong>und</strong><br />
Neigungen erlebt oder nicht; ob er<br />
sich seinen Willen bewusst angeeignet<br />
hat <strong>und</strong> sich mit ihm identifiziert<br />
oder nicht; ob er Gründe <strong>und</strong><br />
Gegengründe für verschiedene ihm<br />
vorstellbare Handlungsoptionen<br />
durchdacht hat oder nicht. Und das<br />
ist auch dann noch ein Unterschied,<br />
wenn der Wille jeweils vollständig<br />
neuronal determiniert ist.<br />
Es spricht vieles dafür, genau diesen<br />
Unterschied durch das Begriffspaar<br />
„freier Wille / unfreier Wille“ auszudrücken.<br />
Wie immer man Willensfreiheit genau<br />
definiert: Sie sollte nicht als<br />
Freiheit von neuronalen Prozessen<br />
verstanden werden. Freiheit gibt es<br />
nur mit Neuronen, nicht gegen sie.<br />
Auch wenn ihr Verhalten determi-<br />
Zwei Autoren – zwei Meinungen<br />
Unlängst haben zwei profilierte<br />
Autoren <strong>und</strong> Philosophen<br />
gr<strong>und</strong>sätzliche Publikationen<br />
zum Thema <strong>Humanismus</strong> vorgelegt:<br />
Joachim Kahl mit seinem<br />
„Weltlichen <strong>Humanismus</strong> –<br />
Eine Philosophie für unsere<br />
Zeit“ (<strong>Humanismus</strong> aktuell 17)<br />
<strong>und</strong> Michael Schmidt-Salomon<br />
mit dem „Manifest des evolutionären<br />
<strong>Humanismus</strong> – Plädoyer<br />
für eine zeitgemäße Leitkultur“<br />
(diesseits 73). Im Juni lud<br />
die Humanistische Akademie<br />
Bayern beide Philosophen zum<br />
Kolloquium „<strong>Humanismus</strong> zwischen<br />
Lebenskunst <strong>und</strong> Kirchenkritik“,<br />
um dort gemeinsam diese<br />
Titel zu diskutieren, Übereinstimmungen<br />
zu suchen oder unterschiedliche<br />
Positionen zu<br />
durchleuchten.<br />
Der Meinungsaustausch – jeder<br />
hat das Buch des anderen ausführlich<br />
kritisiert – ist nachlesbar:<br />
Die Humanistische Akademie<br />
Bayern wird ihre geplante<br />
Schriftenreihe im Aschaffenburger<br />
Alibri-Verlag herausbringen.<br />
nistischen Gesetzen gehorcht, ermöglichen<br />
sie unsere Freiheit erst<br />
<strong>und</strong> verhindern sie nicht etwa. Wir<br />
sollten daher nicht den Ehrgeiz entwickeln,<br />
uns auch noch vom<br />
Zwang der Naturgesetze „befreien“<br />
zu wollen. Dieser Ehrgeiz könnte<br />
nur enttäuscht werden.<br />
Helmut Fink<br />
Fink, H.; Rosenzweig, R. (Hrsg.):<br />
Freier Wille – frommer Wunsch?<br />
Gehirn <strong>und</strong> Willensfreiheit. Paderborn<br />
: Mentis Verlag, 2005. –<br />
29,80 Euro<br />
Nach dem Startband, einer umfangreichen<br />
Dokumentation der<br />
diesjährigen Frühjahrstagung<br />
zum Thema Sterbehilfe, wird<br />
Band zwei die Kontroverse zwischen<br />
Joachim Kahl <strong>und</strong> Michael<br />
Schmidt-Salomon zur Theorie<br />
<strong>und</strong> Praxis des <strong>Humanismus</strong> aufgreifen.<br />
Die Veröffentlichung<br />
wird Beiträge von beiden Autoren<br />
sowie Rezensionen ihrer<br />
jüngsten Buchveröffentlichungen<br />
enthalten.<br />
Das Streitgespräch können Interessierte<br />
auch auf den jeweiligen<br />
Autoren-Homepages nachlesen.<br />
Auf der Seite www.<br />
schmidt-salomon.de findet sich<br />
der Artikel: „Der <strong>Humanismus</strong><br />
mit der Bügelfalte – kritische<br />
Überlegungen zu Joachim Kahls<br />
Buch Weltlicher <strong>Humanismus</strong>“.<br />
Unter www.Kahl-Marburg.de<br />
steht der entsprechende Widerspruch<br />
unter dem Titel „Fehlstart.<br />
Zur Kritik an Michael<br />
Schmidt-Salomons Manifest für<br />
einen evolutionären <strong>Humanismus</strong>.“<br />
3/2006 37
Schulden, Insolvenz <strong>und</strong><br />
<strong>Humanismus</strong>!?<br />
Zum Mittelfoto (diesseits 75/<br />
2006)<br />
Es ist auffällig: Immer mehr Menschen<br />
gehen durch die Gegend <strong>und</strong><br />
sammeln Leergut – in den Städten,<br />
auf dem Land, gut gekleidet oder obdachlos.<br />
Kleinere Läden schließen, selbst Videotheken<br />
<strong>und</strong> Kioske, die bisher<br />
scheinbar gut besucht waren.<br />
In der Zeitung ist regelmäßig von<br />
Unternehmen zu lesen, die ihre Inkasso-Dienste<br />
anbieten <strong>und</strong> russische<br />
Städte im Namen führen: Ihr<br />
38<br />
3/2006<br />
Aussprache<br />
Schuldner wird schon zahlen, wenn<br />
wir da waren!?<br />
Meiner Meinung nach war der<br />
Höhepunkt, was ich gegen Ende Juni<br />
2006 im Fernsehen sehen musste:<br />
Eine Frau tötete ihren kleinen Sohn<br />
<strong>und</strong> springt anschließend aus dem<br />
Fenster, weil der Gerichtsvollzieher<br />
zwecks Wohnungsräumung klingelte!<br />
Als Jurist, der seit mehreren Jahren<br />
auch im Bereich Inkasso <strong>und</strong> Insolvenz<br />
tätig ist, stelle ich mir oftmals die<br />
Frage: Was machen die Schuldner<br />
falsch, dass es so weit kommt? Wie setze<br />
ich die Forderung gegen sie durch?<br />
Nehme ich Rücksicht auf die oftmals<br />
vorgespielten Mitleidsgeschichten?<br />
Mir hilft der <strong>Humanismus</strong> da weiter:<br />
Gepflegte Umgangsformen, gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Gleichbehandlung, Menschlichkeit,<br />
Ethik <strong>und</strong> Moral – selbst im<br />
Masseninkasso sollte man bemüht<br />
sein dran zu denken, dass am anderen<br />
Ende ein Schicksal stehen kann<br />
<strong>und</strong> nicht immer ein „Profi-Schuldner“.<br />
Aber auch die Schuldner sollten teilweise<br />
selbstbestimmter sein: Nachdenken,<br />
bevor es zu spät ist <strong>und</strong> nicht<br />
erst mit kistenweise unbezahlten <strong>und</strong><br />
ungeöffneten (!) Rechnungen zur<br />
Schuldnerberatung gehen. Auch den<br />
Gläubigern gegenüber sollten sie fair<br />
sein. Denn wer einmal gelogen hat,<br />
bekommt in der Regel keine zweite<br />
Chance!<br />
Dipl.-Jur. Christian Weiß, Niederkassel<br />
Anmerkung der Redaktion<br />
Bei Fragen an den Autor wenden Sie<br />
sich bitte an diesseits, wir leiten Ihre<br />
Post weiter. Selbstverständlich wird<br />
vollständige Diskretion zugesichert.<br />
Gewinn <strong>und</strong> Vergnügen<br />
Zur Rezension „Die Bornsteins“<br />
(diesseits 75/2006)<br />
Da ich mit einem Gewinn erst gar<br />
nicht gerechnet habe, kaufte ich mir<br />
die Geschichte der Bornsteins gleich<br />
selbst <strong>und</strong> las sie mit Gewinn <strong>und</strong><br />
Vergnügen. Wahrscheinlich gibt es<br />
ähnliche Familienchroniken mittlerweile<br />
in größerer Zahl. Als erste fand<br />
ich schon vor Jahren die Geschichte<br />
einer Frankfurter Bankersippe, deren<br />
Namen mir inzwischen leider entfallen<br />
ist, die Autorin hieß Tennenbaum...<br />
Für mich persönlich stellte erst kürzlich<br />
die Entdeckung der „Straßmanns“<br />
einen Höhepunkt dar, weil<br />
eine meiner längst verstorbenen Tanten<br />
im ersten Weltkrieg in diese Familie<br />
eingeheiratet hatte, von der ich<br />
trotzdem kaum etwas wusste. Gerade<br />
für Ihren Standort Berlin müsste diese<br />
Chronik aber auch besonders interessant<br />
sein, weil es dort noch einige<br />
Reminiszenzen an die Straßmanns<br />
geben muss. (...) Da Herr Ralf Bachmann<br />
persönlich Mitglied Ihrer Redaktion<br />
ist, bräuchte ich Sie natürlich<br />
nicht erst auf die Straßmanns<br />
aufmerksam zu machen, will es aber<br />
nun doch tun, weil ich nirgends eine<br />
Rezension oder Anzeige gesehen, sondern<br />
das Buch direkt in der Buchhandlung<br />
gef<strong>und</strong>en hatte. Vielleicht<br />
wäre es doch für viele andere Leser<br />
ebenso interessant:<br />
Wolfgang Paul Straßmann : Die<br />
Straßmanns : Schicksale einer<br />
deutsch-jüdischen Familie über<br />
zwei Jahrh<strong>und</strong>erte. – Campus<br />
Verlag Frankfurt a.M., 2006. –<br />
25 Euro<br />
Blidhildis Wiegand, Freiburg<br />
Empörende Unterstellungen<br />
Zur Filmkritik „Das Leben der<br />
Anderen“ (diesseits 75/2006)<br />
Nach vielen Informationen, Besprechungen<br />
<strong>und</strong> Ausschnitten aus diesem<br />
Film, diese Rezension hat mich<br />
endgültig davon überzeugt, dass ich<br />
mir diesen Film nicht antun werde.<br />
Dazu habe ich über Film <strong>und</strong> Fernsehen<br />
in den letzten zehn Jahren genug<br />
Geschichtslügen über das Leben<br />
in der DDR über mich ergehen lassen<br />
müssen.<br />
Ich will daher keine Gegenrezension<br />
schreiben, die Rezension von Schmidt<br />
wird dem Film sicher gerecht, nicht<br />
jedoch der historischen Wahrheit.<br />
Dieser Wahrheit dient es sicher nicht,<br />
wenn man den untergegangenen<br />
Staat auf die guten Spreewaldgurken<br />
u.ä. reduziert. Viele in der Rezension<br />
enthaltenen Wertungen sind jedoch<br />
so empörend, dass man ihnen nicht<br />
nur Einseitigkeit vorwerfen könnte,<br />
sie sind schlichtweg falsch.<br />
Da ist die Rede von allgemeiner Tristesse<br />
<strong>und</strong> der Dumpfheit in diesem<br />
Lande. Es ist von einem miefigen<br />
Land mit seinen kleingeistigen Funktionären<br />
die Rede. Sicher gab es kleingeistige<br />
Funktionäre, aber nicht nur<br />
<strong>und</strong> nicht einmal in Mehrheit. Gibt<br />
es die aber heute nicht auch in allen<br />
Ebenen von Politik <strong>und</strong> Wirtschaft?<br />
Also lieber „Wessi“ Schmidt, steig<br />
doch mal von deinem hohen Ross<br />
westlicher Borniertheit <strong>und</strong> Besserwisserei<br />
herunter <strong>und</strong> betrachte die<br />
gewesene DDR nicht durch eine in<br />
bestimmter Weise gefärbte Brille.<br />
Die ganze Rezension ist voller Unterstellungen<br />
<strong>und</strong> unbewiesener Behauptungen,<br />
ein Leserbrief reicht<br />
nicht, um all den Unsinn zu widerlegen,<br />
der da kolportiert wird.<br />
Bedauerlich, dass ein guter Schauspieler<br />
wie Ulrich Mühe sich für einen<br />
solchen Film hergegeben hat.<br />
Aber dessen moralische Integrität darf<br />
man nach seinem Verhalten gegenüber<br />
seiner Ex-Frau Jenny Gröllmann<br />
wohl auch bezweifeln dürfen.<br />
Die Wahrheit über die DDR werden<br />
künftige Generationen hoffentlich<br />
über andere Filme vor allem der<br />
DEFA erfahren. Ich denke da auch<br />
an sehr gesellschaftskritische Filme<br />
wie z.B. an „Spur der Steine“ oder<br />
„Das Kaninchen bin ich“.<br />
Werner Lange, Halle/Saale
Ohne Nächstenliebe<br />
Zum Interview „Schläge im Namen<br />
des Herrn“ (diesseits 75/<br />
2006)<br />
Es erscheint mir bemerkenswert, dass<br />
die außerkirchlichen Kritiker der<br />
jahrelang misshandelten Heimkinder<br />
über die Hintergründe ziemlich<br />
im Dunkeln tappen. Die viel beschworene<br />
christliche Nächstenliebe<br />
glänzte hier – wie auch sonst so oft –<br />
weitgehend durch Abwesenheit.<br />
Übrigens wird dieser Begriff in der<br />
Bibel kaum jemals auf alle in Not geratenen<br />
Menschen angewendet, sondern<br />
meistens nur auf Angehörige der<br />
eigenen Gruppe, die sich gewöhnlich<br />
als die „Rechtgläubigen“ verstehen.<br />
(...)<br />
Wenn die Interviewerin P. Block den<br />
archaischen Gedanken aus der „Heiligen<br />
Schrift“ erwähnt, väterliche<br />
Liebe zum Sohn drücke sich durch<br />
Prügel aus, dann ist sie schon auf einer<br />
richtigen Fährte. Tatsächlich<br />
wird das Hohelied des elterlichen<br />
Prügelprivilegs variantenreich im Alten<br />
<strong>und</strong> Neuen Testament gesungen.<br />
Beispiel: „Züchtige deinen Sohn, so<br />
wird er dir Freude machen <strong>und</strong> deine<br />
Seele erquicken“ (Spr 29,17).<br />
Weil Gott häufig als „Vater“ bezeichnet<br />
wird, wendet Hebr 12,6 dieses<br />
Bild entsprechend an: „Denn wen der<br />
Herr lieb hat, den züchtigt er, <strong>und</strong> er<br />
schlägt jeden Sohn, den er annimmt.“<br />
Anders ausgedrückt: Das nicht geprügelte<br />
Kind ist nicht von Gott angenommen!<br />
Diese traurige Konsequenz<br />
wollten die „Barmherzigen Schwestern“<br />
<strong>und</strong> ihresgleichen gewiss vermeiden!<br />
(...)<br />
Zum vierten Gebot „Du sollst deinen<br />
Vater <strong>und</strong> deine Mutter ehren, auf<br />
dass dir’s wohlgehe <strong>und</strong> du lange lebest<br />
auf Erden“ (Ex 20,12; Dtn<br />
5,16) gibt es bei Lev 19,3 eine verkürzte,<br />
aber gleichzeitig deutlichere<br />
Fassung: „Ein jeglicher fürchte seine<br />
Mutter <strong>und</strong> seinen Vater“ (vgl. „Vor<br />
einem grauen Haupt sollst du aufstehen<br />
<strong>und</strong> die Alten ehren“ bei Lev<br />
19,32). Dieses Gebot begünstigt ausschließlich<br />
die Eltern <strong>und</strong> andere<br />
hochgestellte Erwachsene. Dagegen<br />
fehlt in der Bibel eine verbindliche<br />
Forderung des Kinderschutzes völlig!<br />
Dass Kinder die Eltern lieben <strong>und</strong><br />
achten sollen, allerdings ohne Furcht<br />
<strong>und</strong> Unterwürfigkeit, müsste selbstverständlich<br />
sein. Dass Eltern ihre<br />
Kinder dagegen mit Verständnis <strong>und</strong><br />
liebevoller Zuwendung erziehen sollen,<br />
ist heute ebenfalls Allgemeingut<br />
in jeder zivilisierten Gesellschaft (vgl.<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz Art. 6.2). Wenn also<br />
heute die lieben Kleinen nicht mehr<br />
verdroschen werden dürfen, ist das<br />
eindeutig gegen die biblische Doktrin.<br />
(...)<br />
Klaus Uppendahl, Forchheim<br />
Gegen gedankenlose<br />
Selbstüberschätzung<br />
Zum Artikel „<strong>Humanismus</strong> <strong>und</strong><br />
Kritik“ (diesseits 75/2006)<br />
Petra Caysas Erörterungen zum Thema<br />
waren eine Warnung vor selbstzufriedenen<br />
Definitionen des <strong>Humanismus</strong>,<br />
die das komplexe Problem-<br />
<strong>und</strong> Aufgabenfeld auf wenige<br />
Begriffe wie z.B. „Selbstbestimmung“<br />
reduzieren oder sich an den<br />
Schwächen <strong>und</strong> Vergehen der kirchlichen<br />
Gegner festhalten, als wenn<br />
wir mit dem, was wir selbst wollen<br />
<strong>und</strong> können, nicht genug zu tun hätten.<br />
Ergänzend anzufügen <strong>und</strong> hervorzuheben<br />
wäre allenfalls (nicht als<br />
Mängelfeststellung, sondern als<br />
dankbare Annahme der Aufforderung<br />
zu weiterer Diskussion), dass<br />
die vor allem an Foucault festgemachte<br />
Idee der „Selbstordnung<br />
menschlicher Kräfte“, in der „reflektierte<br />
Empörung“ <strong>und</strong> Selbstkritik<br />
zusammenfließen, einen Kristallisationspunkt<br />
humanistischen Denkens<br />
<strong>und</strong> Handelns konstituiert, der<br />
durch Rückgriff auf viele weitere<br />
Vorstöße in der Ideen- <strong>und</strong> Philosophiegeschichte<br />
bestätigt <strong>und</strong> verstärkt<br />
werden könnte. Ich erinnere hier nur<br />
an das dreibändige, f<strong>und</strong>amentale<br />
Werk von Peter Weiss (1916-1982),<br />
„Ästhetik des Widerstands“, <strong>und</strong> an<br />
die mehr der literaturgeschichtlichen<br />
Selbstsuche geschuldete Essayfolge<br />
von Albert Camus (1983-1960),<br />
„Der Mensch in der Revolte“. (...)<br />
Die große Frage, die sich bei der philosophischen<br />
Beschäftigung mit derartigen<br />
Argumentationen humanistisch<br />
aufdrängt, betrifft das positivkonstruktive,<br />
politisch-ethische Pendant<br />
zu diesen Negationen; denn nur<br />
mit Gegen-, Anti-, Un- <strong>und</strong> Ent-<br />
lässt sich keine zukunftsträchtige Lebenshaltung<br />
respektive Weltanschauung<br />
entwickeln. Caysa verweist auf<br />
diese Aufgabe, indem sie beispielsweise<br />
Selbstbestimmung als Arbeit des<br />
Selbst an sich definiert <strong>und</strong> damit die<br />
oft gedankenlose Selbstüberschätzung<br />
(etwa nach dem Motto: Wir sind<br />
selbstbestimmt, die anderen nicht)<br />
zurückweist. Hier müssten wir verstärkt<br />
einsetzen <strong>und</strong> weitermachen,<br />
individuell <strong>und</strong> kollektiv. Was hält<br />
uns zusammen <strong>und</strong> treibt uns voran?<br />
Worauf können wir stolz sein? Welche<br />
Ziele, Leistungen <strong>und</strong> Wert-Essentials<br />
waren <strong>und</strong> sind uns die wich-<br />
tigsten? Weitere Antworten auf diese<br />
Fragen erhoffe ich mir von diesseits<br />
<strong>und</strong> humanismus aktuell sowie von<br />
der Humanistischen Lebensk<strong>und</strong>e in<br />
Theorie <strong>und</strong> Praxis.<br />
Peter Schulz-Hageleit, Berlin<br />
Wo bleiben die<br />
Erwerbslosen?<br />
Zur Zeit bin ich beim Humanistischen<br />
Regionalverband Sachsen-Anhalt<br />
e.V. in Halle im Bürgerhaus „alternativE“<br />
in der Trauerberatung<br />
tätig (Ein-Euro-Job). Und hier habe<br />
ich auch die letzte Ausgabe der Zeitschrift<br />
„diesseits“ gelesen. Viele Artikel<br />
der Zeitschrift sind sehr aufschlussreich<br />
<strong>und</strong> informativ <strong>und</strong> berichten<br />
Interessantes über die Arbeit des Humanistischen<br />
<strong>Verband</strong>es. Insbesondere<br />
der Artikel „<strong>Humanismus</strong> <strong>und</strong><br />
Kritik“ von Frau Dr. P. Caysa hat es<br />
mir angetan.<br />
Die Leitidee der humanistischen Bewegung,<br />
so die Autorin P. Caysa, besteht<br />
in der Forderung nach Selbstbestimmung<br />
des Menschen. Und: „mindestens<br />
für unsere Gesellschaft bildet<br />
die Erwerbsarbeit das historische<br />
Apriori der Selbstarbeit“.<br />
Wir unterscheiden politische <strong>und</strong> individuelle<br />
Selbstbestimmung. Wird<br />
durch die neoliberale Forderung, die<br />
nicht nur ein wirtschaftliches Credo,<br />
sondern eine Wertvorstellung beinhaltet<br />
<strong>und</strong> eine normative Aussage ist,<br />
die Forderung nach politischer Selbstbestimmung<br />
nicht untergraben,<br />
wenn sie eine gesellschaftliche Wertorientierung<br />
geworden ist? Es geht um<br />
die Gestaltung des Gemeinwesens,<br />
um mehr als Produktionsgerechtigkeit.<br />
Trotz Renditeforderung sind<br />
Menschen auf ein solidarisches Gemeinwesen<br />
angewiesen, sie bleiben<br />
moralische Wesen <strong>und</strong> suchen nach<br />
Orientierungen, kultureller <strong>und</strong><br />
Selbstidentität.<br />
Solange Menschen einer Erwerbsarbeit<br />
nachgehen, durch die sie ihre<br />
wirtschaftliche Selbstständigkeit erhalten,<br />
die ihnen soziale Anerkennung<br />
sichert <strong>und</strong> integriert, mag es<br />
ihnen gelingen, ihren privaten Interessen<br />
nachzugehen oder sich zu verwirklichen.<br />
Kennzeichen der Erwerbsarbeit<br />
aber sind Spezialisierung<br />
<strong>und</strong> Arbeitsteilung. Sie umfasst auch<br />
nicht die Gesamtheit menschlicher<br />
Tätigkeiten. Den Menschen bleibt<br />
die Freizeit, die knapper wird. Auch<br />
vor dem Eintritt in die <strong>und</strong> nach dem<br />
Ausscheiden aus der Erwerbsarbeit<br />
entwickeln Menschen ihre Persönlichkeit.<br />
Ebenso arbeiten Hausfrauen<br />
an ihrem Selbst.<br />
Auch Arbeitslose arbeiten an ihrem<br />
Selbst. Sie verfügen über freie Zeit.<br />
Aber diese freie Zeit will ihnen nicht<br />
so recht behagen, Selbstverwirklichung<br />
fällt schwer. Ihnen erscheint<br />
die freie Zeit nicht als Freizeit zur<br />
Selbstverwirklichung, sondern als<br />
Un-Zeit, als verlorene Lebenszeit.<br />
Dieses Empfinden wird verstärkt<br />
durch soziale Ausgrenzung, durch<br />
Stigmatisierung, gar Kriminalisierung,<br />
Zukunftsängste <strong>und</strong> Perspektivlosigkeit.<br />
In der Folge der sozialen<br />
Isolation, die durch Familienbindungen<br />
nicht aufgehoben werden<br />
kann, werden das Selbstwertgefühl<br />
<strong>und</strong> die Würde des Einzelnen hohen<br />
Belastungen ausgesetzt. Und doch<br />
verfügen auch Arbeitslose über Würde<br />
<strong>und</strong> ein Selbstwertgefühl. Denn es<br />
handelt sich um Schicksale von Menschen,<br />
denen das Recht auf Selbstbestimmung<br />
nicht genommen werden<br />
darf, wenn Menschenrechte unteilbar<br />
<strong>und</strong> universell sein sollen.<br />
Dr. Edm<strong>und</strong> Fröse, Halle/Saale<br />
Das Buch von Ralf Bachmann<br />
gewannen unsere Leserin Katja<br />
Gr<strong>und</strong>ig aus Annaberg-Buchholz<br />
sowie Herr Klaus Uppendahl<br />
aus Forchheim. Herzlichen<br />
Glückwunsch!<br />
Bücher fürs Diesseits...<br />
Aktuelle Kirchen- & Religionskritik,<br />
Studien zur Geschichte von<br />
Atheismus & <strong>Humanismus</strong>, kritische<br />
Untersuchungen zu Löffelbiegern<br />
& W<strong>und</strong>erheilern, allgemeinverständlicheDarstellungen<br />
naturwissenschaftlicher Erkenntnisse,<br />
Gedanken humanistischer<br />
Philosophen – unter:<br />
www.denkladen.de<br />
3/2006 39
HUMANISTISCHER VERBAND<br />
DEUTSCHLANDS (HVD)<br />
B<strong>und</strong>esvorstand<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-34, Fax 613 904-50<br />
http://www.humanismus.de<br />
hvd@humanismus.de<br />
B<strong>und</strong>esverband Junge<br />
HumanistInnen<br />
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613904-76, Fax 613904-50<br />
mwitzke.hvd-berlin@humanismusde<br />
BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
HVD Baden-Württemberg<br />
Postfach 2307, 89013 Ulm<br />
Fon 0179-4014500<br />
hvd-bw@humanismus.de<br />
Die Humanisten Württemberg<br />
K.d.ö.R<br />
Mörikestraße 14, 70178 Stuttgart<br />
Fon 0711-6493-780, Fax -886<br />
a.henschel@dhuw.de, www.dhuw.de<br />
BAYERN<br />
HVD Bayern e.V.<br />
■ Landesgeschäftsstelle<br />
Äußere Cramer-Klett-Str. 11-13,<br />
90489 Nürnberg<br />
Fon 0911-43104-0, Fax 43104-15<br />
info@hvd-bayern.de, www.hvd-bayern.de<br />
Humanistische Akademie<br />
Bayern e.V.<br />
Äußere Cramer-Klett-Str. 11-13,<br />
90489 Nürnberg<br />
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HVD Nürnberg K.d.ö.R.<br />
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Fon 0911-43104-0, Fax 43104-15<br />
info@hvd-nuernberg.de<br />
www.hvd-nuernberg.de<br />
■ Bestattungsreden: 0911-43104-14<br />
■ Service-Line 0180-11 123 11<br />
■ Jugendfeier-Team <strong>und</strong> Junge<br />
HumanistInnen: 0911-43104-11<br />
jugendfeier@hvd-nuernberg.de<br />
www.jugendfeier.net<br />
Stadtmauerturm der JuHus:<br />
Spittlertormauer 7, 90402 Nürnberg<br />
■ <strong>Humanistischer</strong> Kindergarten<br />
Nbg.-St. Peter<br />
Burgerstr. 6, 90478 Nürnberg<br />
Fon 0911-42 45 68-0, Fax -3<br />
kiga.st.peter@hvd-nuernberg.de<br />
■ <strong>Humanistischer</strong> Kindergarten<br />
Nbg.-Mögeldorf<br />
Ziegenstr. 28, 90482 Nürnberg<br />
Fon 0911-95 33 58-0, Fax -3<br />
kiga.moegeldorf@hvd-nuernberg.de<br />
■ Humanistisches Haus für Kinder<br />
Am Südpark<br />
Dr. Meyer-Spreckels-Str. 5,<br />
90763 Fürth<br />
Telefon 0911-97791013, Fax -17<br />
hfk.fuerth@hvd-nuernberg.de<br />
■ Turm der Sinne gGmbH<br />
Büro: Spittlertorgraben 45<br />
90429 Nürnberg<br />
Fon 0911-441620, Fax 9443269<br />
info@turmdersinne.de<br />
www.turmdersinne.de<br />
Adresse des Turms: Mohrenturm am<br />
Westtor, Nürnberg, Spittlertormauer 17<br />
HVD Würzburg<br />
Bukarester Str. 12, 97084 Würzburg<br />
www.hvd-wuerzburg.de.vu<br />
hvd-wuerzburg@gmx.de<br />
BERLIN/BRANDENBURG<br />
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong><br />
Berlin-Brandenburg<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-0<br />
Fax 030-613 904-50<br />
BERLIN<br />
HVD Berlin<br />
Landesgeschäftsstelle<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-0<br />
Fax 030-613 904-50<br />
hvd-berlin@humanismus.de<br />
Direkte Durchwahlnummern:<br />
■ Abteilung Kitas -39<br />
■ Abteilung Ges<strong>und</strong>heit/Soziales –25<br />
■ Abteilung Lebensk<strong>und</strong>e -60<br />
■ Abteilung Jugend/Jugendfeier<br />
Fon 030-613 904-74, Fax -89<br />
■ Patientenverfügungen/Trauergruppen<br />
-11, -19, Fax -36<br />
www.patientenverfuegung.de<br />
mail@patientenverfuegung.de<br />
■ V.I.S.I.T.E.<br />
Besuchs- <strong>und</strong> Hospizdienst -32<br />
www.visite-hospiz.de<br />
mail@visite-hospiz.de<br />
■ Öffentlichkeitsarbeit -26<br />
■ Kultur -23<br />
■ F<strong>und</strong>raising -38<br />
■ Freiwilligenarbeit/Mitgliederbetreuung/Seniorenkoordinatorin<br />
-15<br />
■ Junge HumanistInnen Berlin<br />
Danziger Str. 50, 10437 Berlin<br />
Fon 030-442 72 16, Fax 442 34 93<br />
info@juhu-berlin.de<br />
ingo@juhu-berlin.de<br />
■ Jugendtreff „PPZ“ der Jungen<br />
HumanistInnen, Marzahner Chaussee 9<br />
10315 Berlin, Fon/Fax 030-510 17 76<br />
■ Schulklub Sakura-Gr<strong>und</strong>schule<br />
Rochstraße 7, 10178 Berlin<br />
Fon 030-42 85 21 79<br />
■ Café Rix GmbH<br />
Karl-Marx-Straße 141, 12043 Berlin<br />
Fon/Fax 030-686 90 20<br />
■ Sozialstation „Die Brücke“<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-93 /-97, Fax -91<br />
■ Mobilitätshilfedienst Berlin-Mitte<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon 030-613 904-95 /-96, Fax -91<br />
■ Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle,<br />
Behmstr. 73<br />
10439 Berlin, Fon/Fax 030-441 79 92<br />
skb@hvd-berlin.de<br />
■ Kontakt- <strong>und</strong> Informationsstelle für<br />
Selbsthilfe (KIS)<br />
Nachbarschaftshaus Pfefferwerk<br />
Fehrbelliner Str. 92, 10119 Berlin<br />
Fon 030-443 43 17, Fax 44 34 04 78<br />
■ Betreuungsverein<br />
Alt-Moabit 108 a, 2. Etg., 10559 Berlin<br />
Fon 030-441 30 57, Fax 441 30 59<br />
Betreuungsverein.hvd@berlin.de<br />
■ Brückentreff Psychosoziale Kontakt<strong>und</strong><br />
Beratungsstelle<br />
Torstraße 158, 10115 Berlin<br />
Fon 030-280 74 42/ -43, Fax -44<br />
Kitas:<br />
■ Adlershofer Marktspatzen<br />
Helbigstr.31, 12489 Berlin<br />
Fon/Fax 030-677 42 09<br />
■ Am Park<br />
Engelhardtstr. 10, 12487 Berlin<br />
Fon/Fax 030-631 66 99<br />
■ Bornsdorfer Str. 14, 12053 Berlin<br />
Fon 030-56 82 86 63<br />
■ Dreikäsehoch<br />
Johanna-Tesch-Str. 20, 12439 Berlin<br />
Fon 030-671 70 33, Fax 67 89 45 28<br />
dreikaesehoch@humanistischekitas.de<br />
■ Friedenauer Strolche<br />
Sponholzstraße 16, 12159 Berlin<br />
Fon/Fax 030-75 60 62 09<br />
■ Gartenstadtfrösche<br />
Zur Gartenstadt 239, 12526 Berlin<br />
Fon 030-67 82 45 03, Fax 67 82 45 04<br />
gartenstadt@humanistischekitas.de<br />
■ General-Woyna-Str. 48<br />
13403 Berlin, Fon/Fax 030-413 30 72<br />
■ Holtheimer Weg 6-8, 12207 Berlin<br />
Fon 030-712 49 30, Fax 71 09 74 92<br />
■ Hopsekäse<br />
Scharnweberstr. 60, 10247 Berlin<br />
Fon/Fax 030-291 61 64<br />
■ Kastanienallee 28/30, 12627 Berlin<br />
Fon/Fax 030-995 22 69<br />
kastanienallee@humanistischekitas.de<br />
■ Kinderhaus Felix<br />
Zühlsdorfer Str. 16, 12679 Berlin<br />
Fon 030-935 80 35, Fax 93 02 78 16<br />
kinderhausfelix@humanistischekitas.de<br />
■ Knirpsenstadt am Glitzerbach<br />
Geraer Ring 50/52, 12689 Berlin<br />
Fon/ Fax 030-933 91 98<br />
■ Landreiterweg 55, 12353 Berlin<br />
Fon 030-667 90 90, Fax 66 79 09 33<br />
■ Michel-Klinitz-Weg 18<br />
12349 Berlin, Fon 030-743 10 14<br />
■ Mühlengeister<br />
Thomas-Mann-Str. 17/19, 10409 Berlin<br />
Fon 030-424 17 31, Fax 42 16 15 86<br />
muehlengeister@humanistischekitas.de<br />
■ Pillnitzer Weg 6, 13593 Berlin<br />
Fon 030-20 91 48 90, Fax 209 14 89 20<br />
pillnitzerweg@humanistischekitas.de<br />
■ PrenzlZwerge<br />
Stahlheimer Str. 27, 10439 Berlin<br />
Fon 030-445 71 94, Fax 40 00 30 61<br />
prenzlzwerge@humanistischekitas.de<br />
■ Stadtfüchse<br />
Jablonskistr. 11, 10405 Berlin<br />
Fon/Fax 030-441 42 82<br />
erzieherinnen.stadtfuechse @web.de<br />
■ Wasserwerkstr. 3, 13589 Berlin<br />
Fon 030-37 49 90 30, Fax 374 99 03 24<br />
wasserwerkstrasse@humanistischekitas.de<br />
■ Rappelkiste<br />
Alfred-Randt-Str.15/17, 12559 Berlin<br />
Fon 030-654 35 58, Fax 654 60 49<br />
■ Wirbelwind, Friedrich-Engels-<br />
Str. 45/47, 13156 Berlin<br />
Fon 030-916 51 24, Fax 47 03 68 69<br />
wirbelwind@humanistischekitas.de<br />
■ Zum Hasenhügel<br />
Waldheimer Str. 10/12, 12627 Berlin<br />
Fon 030-994 28 49, Fax 99 28 50 79<br />
zum.hasenhuegel@humanistischekitas.de<br />
■ Konfliktberatung für Paare<br />
Fon über 030-613 904-15<br />
■ Neustart – Betreutes Wohnen<br />
für Obdachlose<br />
Holzhauser Straße 72, 13509 Berlin<br />
Fon 030-4 14 68 74, Fax -75<br />
neustart@hvd-berlin.de<br />
www.wp-neustart.de<br />
■ Humanistische Akademie e.V.<br />
Redaktion „humanismus aktuell“<br />
Wallstr. 61-65, 10179 Berlin<br />
Fon/Fax 030-44 34 09 41<br />
www.humanistische-akademie.de<br />
■ Koordinierungsstelle für ambulante Rehabilitation<br />
älterer Menschen in Neukölln<br />
Haus des älteren Bürgers<br />
Werbellinstraße 12, 12053 Berlin<br />
Fon 030-689 77 00, Fax 68 97 70 20<br />
■ Berliner Seniorentelefon<br />
Fehrbelliner Straße 92, 10119 Belin<br />
Fon 030-279 63 93, Fax 44 02 49 97<br />
Sprechzeiten: Mo, Fr, So 14-16 Uhr, Mi<br />
12-16 Uhr unter Fon 030-279 64 44<br />
www.berliner-seniorentelefon.de<br />
info@berliner-seniorentelefon.de<br />
■ HOTEL4YOUth<br />
Schönhauser Allee 103, 10439 Berlin<br />
Fon 030-446 77 -83, Fax -859<br />
www.hotel4youth.de, info@hotel4youth.de<br />
■ Kinder- <strong>und</strong> Jugendbüro Marzahn<br />
Kastanienallee 55, 12627 Berlin<br />
kijubue-marzahn@web.de<br />
■ Internetcafé für Senioren<br />
Weltenbummler, Werbellinstraße 42,<br />
12053 Berlin-Neukölln<br />
Fon 030-68054287<br />
■ Ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Dienste<br />
des HVD in Tempelhof,<br />
Friedrich-Wilhelm-Straße 59<br />
12103 Berlin, Fon 030-71096852<br />
BRANDENBURG<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Ostbrandenburg e.V.<br />
PF 1142, 15701 Königs Wusterhausen<br />
Fon 03375-29 77 78, Fax 29 33 35<br />
humanistus@aol.com<br />
www.hro-kwh.de<br />
■ Aktionskita „Knirpsenstadt“<br />
Goethestr. 5,<br />
15711 Königs Wusterhausen<br />
Fon 03375-87 28 45<br />
■ Jugend-Freizeit-Zentrum<br />
Scheederstr. 47,<br />
15711 Königs Wusterhausen<br />
Fon 03375-29 67 69<br />
HVD Regionalverband Brandenburg<br />
Nord e.V.<br />
Mühlenfeld 12, 16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-83 41 11, Fax 83 41 20<br />
■ Humanistisches Musikzentrum<br />
■ Feierkultur<br />
■ Schuldnerberatung, Vermeidung von<br />
Obdachlosigkeit<br />
■ Jugend- <strong>und</strong> Sozialwerk gGmbH<br />
Kanalstr. 20, 16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-58 28 94<br />
■ Berufsbildungswerk Nordost gGmbH<br />
Albert-Buchmann-Str. 1,<br />
16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-53 54 40<br />
■ Betreutes Jugendwohnen<br />
Bernauer Str. 146, Haus 106,<br />
16515 Oranienburg<br />
Fon 03301-80 70 56<br />
Nebenstelle Neuruppin<br />
Fehrbelliner Str. 139, 16816 Neuruppin<br />
Fon 03391-50 38 42, Fax 35 05 13<br />
■ Feierkultur<br />
■ Selbsthilfe-Kontaktstelle<br />
■ Schulsozialarbeit<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Brandenburg/Belzig e.V.<br />
Willibald-Alexis-Str. 28<br />
14772 Brandenburg<br />
Fon 03381-73 03 80, Fax 73 03 79<br />
humreg@humreg.de<br />
■ Kinder- <strong>und</strong> Jugendclub<br />
■ Jugendfeier<br />
■ Seniorenarbeit<br />
■ Junge Humanisten<br />
■ Schulsozialarbeit<br />
■ Bereich „Hilfe zur Erziehung“<br />
Stadtteilbüro im Bürgerzentrum<br />
Große Gartenstraße 42a<br />
14776 Brandenburg an der Havel<br />
Fon 03381-25 09-62, Fax -63<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Potsdam/<br />
Potsdam-Mittelmark e.V.<br />
■ Geschäftsstelle Potsdam<br />
Jägerstr. 36, 14467 Potsdam<br />
Büro <strong>und</strong> Patientenverfügung:<br />
Fon 0331-290 94 76<br />
Jugendfeier: Fon 0331-270 98 04<br />
Fax 0331-280 58 81<br />
hvdppm@aol.com<br />
hvd-potsdam@freenet.de<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Teltow-Fläming e.V.<br />
Goethestr. 8, 14959 Trebbin<br />
Fon/Fax 033731-805 24<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverband<br />
Märkisch-Oderland e.V.<br />
„Arche“<br />
Carl-Schmäcke-Straße 33<br />
15366 Neuenhagen<br />
Tel. 03342-21584, Fax 21586<br />
Humanistisches Internationales<br />
Begegnungs- <strong>und</strong><br />
Beratungszentrum (HIBBZ)<br />
Eisenbahnstr.14, 16225 Eberswalde<br />
Fon <strong>und</strong> Fax 03334-212491<br />
www.hibbz.de, info@hibbz.de<br />
<strong>Humanistischer</strong> Freidenkerb<strong>und</strong><br />
Brandenburg e.V.<br />
Postfach 600 813, 14408 Potsdam<br />
Fon 03321-45 07 46, Fax 45 07 47<br />
Fon 03338-396 31, Fax 03338-396 32<br />
<strong>Humanistischer</strong> Freidenkerb<strong>und</strong><br />
Havelland e.V.<br />
■ Geschäftsstelle<br />
Karl-Thon-Str. 42, 14641 Nauen<br />
Fon 03321-45 07 46, Fax 45 07 47<br />
■ Jugendtreff Miteinander, Frauen- <strong>und</strong><br />
Selbsthilfetreff<br />
Berliner Str. 41, 14712 Rathenow<br />
Fon 03385-51 55 31<br />
■ Treff: Suchthilfe, Kleiderkammer,<br />
Obdachlosenarbeit, Suppenküche<br />
Ritterstr. 9, 1641 Nauen<br />
Fon 03321-45 07 46<br />
Freidenker Barnim e.V.<br />
■ Geschäftsstelle<br />
Rüdnitzer Chaussee 48-50<br />
16321 Bernau<br />
Fon 03338-3 96 31, Fax 3 96 32<br />
■ Informations- <strong>und</strong> Beratungspunkt<br />
Berliner Str. 48, 16321 Bernau<br />
Fon/Fax 03338-2416<br />
Jugendarbeit, Jugendfeier, Senioren- <strong>und</strong><br />
Rentenberatung, Patientenverfügung,<br />
Sozialberatung<br />
HAMBURG<br />
HVD Hamburg<br />
Beim Schlump 23,<br />
20144 Hamburg<br />
Fon 040-5312850, Fax 53320430<br />
NIEDERSACHSEN<br />
Freie Humanisten K.d.ö.R.<br />
Landesgeschäftsstelle<br />
Otto-Brenner-Str. 22, 30159 Hannover<br />
Fon 0511-16 76 91-60, Fax -78<br />
zentrale@freie-humanisten.de<br />
www.freie-humanisten.de<br />
■ Studentenwohnheim „Haus Humanitas,<br />
Fon -61<br />
■ Feierservice für weltliche<br />
Familienfeiern, Fon -63<br />
■ JugendFEIER (Landeskoordination)<br />
■ Junge Humanisten, Fon 0511-1 85 61<br />
www.junge-humanisten.de<br />
Freie Humanisten Osnabrück<br />
freie-humanisten-os@osnanet.de<br />
Regionalgeschäftsstellen<br />
Hannover<br />
Otto-Brenner-Str. 22, 30159 Hannover<br />
Fon 0511-1 61 40 12, Fax 16 76 91 78<br />
Emden<br />
c/o Eckhard Kühl<br />
An der Sporthalle 1, 26759 Hinte<br />
Fon 04925-8725, Fax 2146<br />
NORDRHEIN-WESTFALEN<br />
HVD Nordrhein-Westfalen K.d.ö.R.<br />
Landesgeschäftsstelle<br />
Küpferstr. 1, 44135 Dortm<strong>und</strong><br />
Fon 0231-52 72 48, Fax 57 20 72<br />
mail@hvd-nrw.de<br />
www.hvd-nrw.de<br />
Ortsgruppen in vielen Städten!<br />
Tel. erfragen!<br />
■ Humanitas-Verlag<br />
www.humanitas-verlag.de<br />
■ Junge HumanistInnen NRW<br />
Fon 0231-5 86 15 70<br />
HVD Bergisches Land<br />
Chlodwigstr. 28<br />
42119 Wuppertal-Elberfeld<br />
Fon 0202-46 04 555<br />
HVD Bielefeld<br />
Fon 05234-203761<br />
hvd-bielefeld@web.de<br />
HVD Duisburg<br />
Fon 0203-29 82 440<br />
SACHSEN<br />
HVD Sachsen<br />
Großenhainer Straße 88<br />
01127 Dresden, Fon 0351-2198100<br />
SACHSEN-ANHALT<br />
Humanisten Sachsen-Anhalt<br />
c/o Junge Humanisten Magdeburg e.V.<br />
Johannes-R.-Becher-Straße 57<br />
Fon 0391-2515938, Fax 2516338<br />
humanisten.sachsen-anhalt@<br />
juhu-magdeburg.de<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverb.<br />
Halle-Saalkreis e.V.<br />
Bürgerhaus „alternativE“<br />
Gustav-Bachmann-Straße 33<br />
06130 Halle<br />
Fon 0345-1 31 94 73<br />
Fax 0345-1 31 94 75<br />
buergerhaus-halle@freenet.de<br />
■ Frauen Kommunikationszentrum<br />
■ Offener Kinder- <strong>und</strong> Jugendtreff<br />
■ Trauerberatung, Patientenverfügungen,<br />
Fon 0345-2023168<br />
■ Begegnungsstätte<br />
Fon 0345-12 26 90 22<br />
■ Schuldnerberatung<br />
Fon 0345-1319053<br />
■ Musikinstrumentenkabinett<br />
■ Jugendfeier Fon 0345-1319473<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverb.<br />
Südliches Sachsen-Anhalt e.V.<br />
■ Bürger <strong>und</strong> Jugendhaus/Herberge<br />
Huttenstraße 12, 06217 Merseburg<br />
Fon 03461-21 35 19<br />
hrvbuergerhaus@aol.com<br />
■ Jugendlub „Die Hütte“<br />
Unter den Eichen, 06217 Merseburg<br />
Fon/Fax 03461-50 28 75<br />
■ Jugendfeier Fon 03461-213519<br />
■ Jugendclub „Elofant“<br />
Häuerstraße 33, 06242 Braunsbedra<br />
Fon 0177-2115619<br />
■ Projekt Schulsozialarbeit<br />
Sek<strong>und</strong>arschule „Unteres Geiseltal“<br />
Häuerstr. 39, 06242 Braunsbedra<br />
Fon 034633-2 26 09<br />
Junge Humanisten Magdeburg e.V.<br />
■ KJFE „Kannenstieg“<br />
Johannes-R.-Becher-Straße 57<br />
39128 Magdeburg<br />
Fon 0391-2 51 59 38, Fax -63 38<br />
juhu-magdeburg@t-online.de<br />
■ Schülertreff „Rothensee“<br />
Badeteichstraße, 39126 Magdeburg<br />
Fon 0391-5 05 00 44<br />
■ Jugendfeier Fon 0391-2515938<br />
<strong>Humanistischer</strong> Regionalverb.<br />
Mansfelder Land e.V.<br />
■ Jugendclub „Die Leuchte“<br />
Beethovenstraße 1, 06333 Hettstedt<br />
Fon 03476-85 11 49<br />
■ Jugendtreff „Bombastic“<br />
Friedenstraße 1, 06456 Sandersleben<br />
Fon 034785-2 02 59
Robert Gernhardt<br />
Gebet<br />
Lieber Gott, nimm es hin,<br />
dass ich was Besond’res bin.<br />
Und gib ruhig einmal zu,<br />
dass ich klüger bin als du.<br />
Preise künftig meinen Namen,<br />
denn sonst setzt es etwas. Amen.<br />
Der Schriftsteller <strong>und</strong> Karikaturist Robert Gernhardt starb am 30. Juni 2006 im Alter von 68<br />
Jahren. Einen Namen machte sich der in Frankfurt am Main lebende Künstler auch als Mitbegründer<br />
des Satiremagazins „Titanic“.<br />
Im Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit bekannte der Künstler im Februar dieses Jahres<br />
in einem Interview mit tagesschau.de: „Auch ich als aufgeklärter, ungläubiger Mensch habe<br />
Gefühle, die von den Religionseiferern verletzt werden können.“ Auf die Frage, wo bei Satire<br />
die Grenzen liegen erklärte er: „Eine einzige Grenze gibt es da, wo ich mich nicht auskenne.<br />
Ich wäre deshalb nie auf die Idee gekommen, eine Mohammed-Karikatur zu zeichnen, oder<br />
Witze über den jüdischen Gott zu machen. Aber den ‚Stasi-Gott’ meiner Kindheit, der alles<br />
sieht <strong>und</strong> nichts verzeiht, habe ich immer wieder bearbeitet. Unter anderem mit dem Gebet<br />
„Lieber Gott, nimm es hin, dass ich was Besond’res bin“.
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong>, Wallstraße 61-65, D-10179 Berlin<br />
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● Ich möchte im Humanistischen <strong>Verband</strong><br />
<strong>Deutschlands</strong> mitarbeiten.<br />
Meine Interessen liegen im Bereich<br />
Mehrwertsteuer (Ausland zuzüglich Portomehrkosten).<br />
diesseits erscheint vierteljährlich, jeweils<br />
am 1. März, 1. Juni, 1. Oktober <strong>und</strong> 1. Dezember.<br />
Das Abonnement verlängert sich automatisch<br />
um ein weiteres Jahr, sofern es nicht<br />
spätestens 6 Wochen vor Ende des Kalenderjahres<br />
schriftlich gekündigt wird.<br />
Datum Unterschrift<br />
Anschrift<br />
● Ich möchte Mitglied im<br />
Humanistischen <strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong><br />
werden.<br />
Name, Vorname<br />
● Ich bin konfessionsfrei <strong>und</strong> fühle mich einer<br />
humanistischen Lebensauffassung verb<strong>und</strong>en.<br />
● Ich möchte diesseits –<br />
Zeitschrift des Humanistischen <strong>Verband</strong>es<br />
kennenlernen.<br />
Bitte senden Sie mir ein kostenfreies Probeexemplar<br />
zu<br />
ABONNEMENT-COUPON<br />
●● Ich abonniere hiermit die Zeitschrift diesseits<br />
zum Jahrespreis von E 12,- inkl. Porto <strong>und</strong><br />
INFORMATIONS-COUPON<br />
<strong>Humanistischer</strong> <strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong><br />
Wallstraße 61-65,10179 Berlin<br />
Selbst denken – Gemeinsam leben<br />
Humanistinnen <strong>und</strong> Humanisten gestalten ihr Leben<br />
selbstbestimmt <strong>und</strong> verantwortlich, frei von Religion. Es liegt am<br />
Menschen selbst, ethische <strong>und</strong> moralische Entscheidungen zu<br />
treffen. Diese Freiheit haben wir den Gedanken der Aufklärung<br />
zu verdanken, in deren Tradition der Humanistische <strong>Verband</strong><br />
<strong>Deutschlands</strong> steht.<br />
Als Humanistinnen <strong>und</strong> Humanisten stehen wir zu unserer<br />
Verantwortung für die Menschen, das Leben <strong>und</strong> die Natur. Über<br />
die Grenzen von Sprachen <strong>und</strong> Kulturen hinweg setzen wir auf<br />
den friedlichen Austausch von Ideen <strong>und</strong> Erfahrungen. Dabei<br />
achten <strong>und</strong> respektieren wir alle weltanschaulichen <strong>und</strong> religiösen<br />
Lebensauffassungen. Toleranz hat jedoch dort Grenzen, wo<br />
Menschenrechte missachtet <strong>und</strong> Positionen der Intoleranz<br />
vertreten werden.<br />
Wir arbeiten eng mit unseren Partnerverbänden in der ganzen<br />
Welt zusammen, die wie wir der Internationalen Humanistischen<br />
<strong>und</strong> Ethischen Union (IHEU) angehören.<br />
Der Humanistische <strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong> ist eine<br />
überparteiliche, demokratische Organisation, die sich in allen<br />
Bereichen des gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Lebens engagiert,<br />
in denen weltanschauliche Fragen berührt sind. Humanistinnen<br />
<strong>und</strong> Humanisten beziehen Stellung in den ethischen Debatten<br />
unserer Zeit.<br />
Der Humanistische <strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong> organisiert Kultur<strong>und</strong><br />
Bildungsangebote <strong>und</strong> bietet soziale Unterstützung <strong>und</strong><br />
humanistische Beratung für Menschen in allen individuellen<br />
Lebenslagen. Wir richten weltliche Namens-, Jugend-, Hochzeits<strong>und</strong><br />
Trauerfeiern aus. In Berlin ist der Humanistische <strong>Verband</strong><br />
Träger des Schulfaches Lebensk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweit von vielen<br />
Kindertagestätten. Besonders gefragt ist das Angebot der<br />
Patientenverfügung. Die „Jungen HumanistInnen“ unterstützen<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche auf dem Weg zu einem selbstbestimmten<br />
Leben. B<strong>und</strong>esweit werden zirka 250.000 Menschen pro Jahr<br />
durch die Dienstleistungen des <strong>Verband</strong>es erreicht.