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Die Revolution Gottes - Fundamente einer neuen ... - Plough

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DIE REVOLUTION GOTTESEberhard ArnoldAUS SEINEM LEBENSZEUGNISHerausgegeben von den<strong>Plough</strong> Publishing House


<strong>Die</strong>ses Buch sollten Sie nicht für sich behalten.Schicken Sie es ruhig an Freunde weiter. Sie können auchgerne das ganze Werk oder Auszüge davon ausdrucken,aber bitte nehmen Sie k<strong>einer</strong>lei Veränderungen vor. Bittebieten Sie auch keine Kopien dieses E-Buches zurWiedergabe in anderen Webseiten oder irgendwelchenanderen Internet-<strong>Die</strong>nsten an. Bei der Vervielfältigung ingrößerem Umfang sowie bei Abdruck undVeröffentlichung von Auszügen in anderen Medienerfüllen Sie bitte folgende Bedingungen: (1) <strong>Die</strong>kommerzielle Nutzung des Werkes ist untersagt. (2)Jegliche Nutzung nur unter Vermerk folgender Quelle:“Copyright © 2012 The <strong>Plough</strong> Publishing House.Veröffentlicht mit Genehmigung des Urhebers.”This e-book is a publication of The <strong>Plough</strong> PublishingHouse.Copyright © 2012by The <strong>Plough</strong> Publishing HouseRifton, New YorkRobertsbridge, Englandwww.plough.comAll Rights Reserved


E INfühRUNGB R ü DER, WAS SOLLEN WIR DENN T u N ? “(ApG . 2:37)Emmy Arnold stand vor der Tür des kleinen Arbeitszimmersihres Gatten Eberhard und wartete darauf,Gestapobesuch zu empfangen. Eberhard lag mit einem kompliziertenBeinbruch auf <strong>einer</strong> Couch; Schwester Monika,seine Schwägerin, verbrannte eifrigst in dem eisernen ÖfchenPapiere, die Verdacht erregen könnten. 140 Nazis, Landjäger,S.A., S.S. und Geheime Staatspolizei, durchsuchten die kleineBruderhofgemeinschaft (auch etwa 140 Personen zählend)nach Waffen und Antinaziliteratur. Das war am 16. November1933, morgens um 8 Uhr.<strong>Die</strong> Frage: „Was sollen wir denn tun? Wie können wir unserLeben unserem Glauben entsprechend führen?“ hatte Eberhardund Emmy Arnold seit 26 Jahren immer wieder beschäftigt.Eberhard war <strong>einer</strong> der wenigen Menschen, die das, was sieschreiben, zu leben versuchen und mit anderen die Freudenund Nöte eines praktischen Lebens in radikaler Jesusnachfolgeauf sich nehmen.Wir veröffentlichen diese Auszüge aus seinen Reden und Aufsätzenund sind uns bewusst, dass die völlige Hingabe unseresgemeinsamen Lebens dahinter stehen muss. Wie Eberhard eseinmal einem befreundeten Verleger schrieb: “Schließlich istbei der Auswahl des Stoffes der Gesichtspunkt entscheidend,


dass die religiöse Verantwortlichkeit des Lesers so geweckt wird,dass er sich nicht <strong>einer</strong> geschichtlichen Persönlichkeit, sondernGott gegenübergestellt fühlt.“„Was sollen wir denn tun“ in <strong>einer</strong> Zeit, in der die Welt inallen Fugen erzittert? Sind wir Christen einig im Einstehenfür den Frieden gegen den Hass und gegen die Zerstörungdurch Atomwaffen? Sind wir einig in der Liebe zu Jesus unds<strong>einer</strong> Gerechtigkeit angesichts des Rassenhasses, der Machtgierund des Großkapitalismus? Stehen wir für Reinheit einin <strong>einer</strong> Zeit, in der Perversion und Ehebruch nicht mehr alsSünde bezeichnet werden? Stehen wir für die Wahrheit ein ineinem relativistischen Zeitalter?Und wo stehen die Kirchen? „Was an der etablierten Christenheitverkehrt ist, ist eben das, dass sie etabliert ist. Siehat sich dadurch etabliert, dass sie mit den staatlichen, politischenund wirtschaftlichen Ordnungen eine Allianz eingegangenist.“Jedoch der Ruf, in christlicher Bruderschaft zu leben, ist erklungenund findet Echo. In den letzten zwanzig Jahren sindzahlreiche Gemeinschaften entstanden, in denen Jesus derMittelpunkt ist. Gott bewegt die Herzen und spricht zu uns.Möge dieses Buch allen Kreisen, die nach völliger Nachfolgetrachten, zur Ermutigung dienen!<strong>Die</strong>s ist die eigentliche <strong>Revolution</strong>: die Schaffung <strong>einer</strong> klarumrissenen Gemeinschaft mit ihrer Umwertung aller Werteund ihrer logischen Art und Weise, diese praktisch zu verwirklichen.Eine solche Gruppe ist nicht nur durch ihr Bestehen


ein neues Element im Leben der Gesellschaft; wenn sie treubleibt, ist sie das kraftvollste Werkzeug für eine Umwandlungder sozialen Verhältnisse.Eberhard Arnold wurde am 26. Juli 1883 in Königsberg,Ostpreußen, geboren. Sein Vater wurde in den VereinigtenStaaten (Williamsfield, Ohio) geboren, wuchs aber in Deutschlandauf; er studierte auch dort und übernahm später eineProfessur für Kirchengeschichte an der Universität Breslau.Eberhards Mutter stammte aus akademischen Kreisen undwurde in Riga geboren.Mit sechzehn Jahren hatte Eberhard eine tiefgehende Bekehrungerlebt. Er erfuhr den Ruf Jesu, ihm freudig undgehorsam zu dienen und für ihn Zeugnis abzulegen. Einebrennende Liebe zu seinem Meister Jesus Christus war lebenslänglichin allem, was Eberhard tat, die treibende Kraft.Einmal setzte er seine Eltern damit in Verlegenheit, dass erLandstreicher nach Hause brachte. Ein anderes Mal, als dieEltern eine Gesellschaft gaben, erinnerte er seinen Vater daran,dass Jesus geboten hätte, die Ärmsten der Armen zumFest zu laden, solche, die es nicht vergelten können. Sein Vaterwurde ärgerlich und verbannte ihn auf sein Zimmer. Noch alsGymnasiast wollte Eberhard sich der Heilsarmee mit ihrem<strong>Die</strong>nst an den Allerärmsten anschließen; das Mitempfindenfür diese hat ihn nie verlassen.Als Eberhard sich am Karfreitag 1907 mit Emmy von Hollanderverlobte, waren beide in der evangelischen Allianzbewegungengagiert; diese war von <strong>einer</strong> Erweckungsbewegungin England und Nordamerika angeregt und hatte große Teile


entsetzlichen Zustände in Deutschland während des erstenWeltkrieges bestärkten ihn in s<strong>einer</strong> Überzeugung, dass Jesusebenso für das körperliche Wohl der Menschen wie für dasHeil ihrer Seelen gekommen war, und dass er im Sinne derPropheten des Alten Testaments gegen die soziale UngerechtigkeitProtest erhob. Gegen Ende des Krieges, 1918, warenEberhard und Emmy sich gewiss, dass das Töten oder Verwundeneines Mitmenschen mit dem Evangelium Jesu nichtin Einklang zu bringen ist. Von nun an bekannten sie sichentschieden zur Gewaltlosigkeit und zur Feindesliebe, diesich auf das Kreuz gründet.Auf Eberhard gewann damals die Jugendbewegung starkenEinfluss, wie sie in ihrer reinsten und echtesten Form seit Anfangdes Jahrhunderts existierte, bis dann die Nazis sich ihrerbemächtigten und sie gründlich verdarben. <strong>Die</strong> Jugendbewegungwar ein Protest gegen die Herrschaft des Materialismus,der Profitsucht, der sklavischen Bindung an konventionelleGesellschaftsformen und erstarrte Formen des religiösen Lebens.Freudig nahm jeder die eigene Verantwortung auf sichund suchte das Leben in innerer Wahrhaftigkeit zu gestalten,in echter, natürlicher Freundschaft, auf Reinheit in den Beziehungender Geschlechter gegründet, verbunden mit der Freudean der Natur, am Wandern, am Volkslied und Volkstanz.<strong>Die</strong>ser Ausdruck <strong>einer</strong> Zusammengehörigkeit deutete auftiefere geistige Werte hin, die in der abgegriffenen herkömmlichenreligiösen Sprache nicht mehr zur Geltung kamen.Vor allem aus der Freideutschen Jugend und aus religiössozial interessierten Kreisen entstand nach dem ersten Weltkrieg,um 1919, die Neuwerkbewegung bei Schlüchtern in0


…im ersten Jahrhundert im Urchristentum, im zweitenJahrhundert in der allgemein christlichen Gemeinde Krisis desprophetischen sogenannten Montanismus, in den nächstenJahrhunderten im ursprünglichen Mönchstum, dann weiter inden <strong>Revolution</strong>s Bewegungen der Gerechtigkeit und der Liebeum Arnold von Brescia, in den Waldenser Bewegungen,in dem ursprünglichen Gemeinschafts Wandertum des Franzvon Assisi, in den böhmischen und mährischen Brüdern, inden Brüdern des gemeinsamen Lebens, in den Beghinen undBegharden, besonders in den sittenreinen Urtäufern des 15.und 16. Jahrhunderts, in ihrem Bruder Kommunismus undin ihrer Waffendienstverweigerung, in ihrer bäuerlichen undbürgerlichen Arbeit auf ihren Bruderhöfen, wie sie in andererArt bei den Quäkern, wie sie auch im 17. und 18. Jahrhundertbei den Labadisten, in der Brudergemeine Zinzendorfs und inanderen Benennungen auftreten.Eberhard Arnold, „Warum wir in Gemeinschaft leben“, <strong>Plough</strong> PublishingHouse, 1976, S. 8.Für viele junge Menschen Europas, die den materiellenund geistigen Zusammenbruch nach dem ErstenWeltkrieg erlebt hatten, waren die Jahre 1919 und 1920 Jahredes Suchens und der Entscheidung. Damals versammelten sichin der Arnoldschen Wohnung in Berlin an offenen Abendenoft bis an 100 Menschen aus den verschiedensten Kreisen: ausder Jugendbewegung, aus christlichen, anarchistischen, atheistischenKreisen, Quäker, Baptisten, Künstler, Erweckungsprediger,Arbeiter und Besitzende. Sie alle führte die Fragezusammen: „Was sollen wir denn tun? So kann es nicht weitergehen.“K<strong>einer</strong> hatte eine klar umrissene Antwort. Büchervon Tolstoy und Dostojevsky wurden gelesen – vor allem aberdie Bergpredigt Jesu. Schließlich war es das Pfingstereignis


[Inzwischen ist die Bruderhof-Bewegung weiter gewachsen. Heute – 2008 – gibtes insgesamt zehn „Höfe“ in den USA, in England und Australien, sowie mehrals zehn kl<strong>einer</strong>e Aussenstellen weltweit. Daher – und auch um Verwechslungenauszuschließen – wurde der offizielle Name geändert in „Christian CommunityInternational“.]0* * *<strong>Die</strong>ser kurze Überblick über Eberhard Arnolds Lebenund die Geschichte des Bruderhofes wird zweifellosbei manchen Lesern Fragen wachrufen: Wie steht es heutemit dem Bruderhof? Besteht dieses gemeinsame Leben nochheute, 1983? Steht es noch auf derselben Grundlage, wie einstihr geistiger Vater? Oder haben die heutigen Bruderhöfer andie Gedankenwelt und die Lebensformen unserer Zeit, desJahrhundert Endes, Konzessionen gemacht?Wir antworten, dass wir auf derselben Grundlage wie die1920 in Deutschland gegründete Gemeinschaft auch jetzt zusammenleben. Uns begegnen heute viele der gleichen Probleme,wie damals; aber durch die wachsende Beunruhigung für dieZukunft der Menschheit sind neue Fragen und Probleme hinzugekommen,die von der einzig sicheren Grundlage aus dieeine klare Stellungnahme fordern: das Zeugnis Jesu und seinLeben.Es steht uns nicht zu, über Menschen ein Urteil zu fällen,die in ihrer Ratlosigkeit oder weil ihnen nie ein anderer Weggezeigt wurde, zu Geburtenregelung, Abtreibung, Ehescheidung,zu Alkohol und Drogen oder zur Gewalt Zuflucht nehmen.Im Gegenteil; die verheerende geistige und seelische Notsolcher Menschen erweckt in uns tiefes Mitempfinden. EbensolchesMitgefühl erfüllt uns für die Opfer der zersetzenden


<strong>Die</strong> zerfallenD e WeltunD <strong>Gottes</strong> kommenD eo r D nunG


Wenn <strong>Die</strong> Menschheit sich selbst in immer erneutem Wahnsinnzerstört und verdirbt, so muss dieser finsteren Wirklichkeit desHeute das weit wirklichere Licht des Morgen gegenübertreten,in welchem der Mensch zu ganz anderem berufen ist als zuVerrat und Lüge, zu Mord und Hass, zu Tod und Untergang(1.Thess.5,4-5). Aber wir werden der Gewissheit dieses kommendenAufgangs fernbleiben, solange wir nicht die Dunkelheitder Nacht in ihrer undurchdringlichen Finsternis und inall ihrem unergründlichen Leid gefasst haben.1919<strong>Die</strong> herrschaft Des Bösen wirkt sich in allen Menschen ausund gelangt in den heutigen Verhältnissen zu <strong>einer</strong> in ihrerMassenwirkung unerhörten Steigerung. Man trifft auf sie injeder Staatsform, in jeder Kirche, in jeder noch so frommenVersammlung, in allen Parteien und Arbeitsgruppen, selbstin der Familie und in der Bruderschaft. Der Charakter ihrerDämonie offenbart sich in all diesen Gebilden, wenn sie auchnoch so verschieden auftritt. Er zeigt sich in ihrem Hang zueigensinniger Selbstbestimmung, in ihrer Neigung, die eigenePerson, das eigene Volk, den eigenen Staat, die eigene Kirche, dieeigene Sekte, die eigene Partei oder Arbeitsgruppe, die eigeneFamilie oder Bruderschaft, oder wenigstens den eigenen Gedankenals die Sache hinzustellen, auf die es allein ankommt.1926es ist Wohl kauM jemals eine Zeit gewesen, in der es den Menschenso klar werden konnte, wie in der unsrigen, dass Gottmit s<strong>einer</strong> Gerechtigkeit und Liebe noch nicht herrscht. Wir


sehen es an uns selbst und an den geschichtlichen Ereignissenunserer Tage. Wir sehen es an dem Schicksal der Verlorenen,der Millionen und Abermillionen von Arbeitslosen. Wir sehenes an der ungerechten Verteilung der Güter, obwohl die Erdeihre Fruchtbarkeit und alle ihre Kräfte aufs reichste hergibt.Während notwendigste Arbeiten getan werden müssten, umder Menschheit zu helfen, ist das alles durch die ungerechteWeltordnung verhindert und zerstört. Wir stehen mitten in<strong>einer</strong> Kulturzerstörung. Kultur ist nichts anderes als die geordneteArbeit des Menschen an der Natur. Und diese Arbeit istUnordnung geworden, die in ihrer Ungerechtigkeit gen Himmelschreit.Hunderte von Anzeichen sind dafür da: Es soll etwas geschehenin unsern Tagen. Es kann aber nichts geschehen, waswirklich Geschichte wäre, wenn es nicht von Gott aus geschieht.Dazu nun versammeln wir uns, ihn zu bitten, dass er Geschichtemache, dass er seine Geschichte mache, die Geschichte s<strong>einer</strong>Gerechtigkeit. Und wir haben alle Ursache, mit allen anderenMenschen zu erbeben, wenn Gott seine Geschichte macht.Denn so wie die Dinge liegen, kann Gott seine Geschichtenicht machen, wenn er nicht zuerst in seinem Zorn dahinfährtüber all die Ungerechtigkeit und Unliebe, über all den Unfriedenund Ungeist, der die Welt beseelt. Sein Zorn muss als einTag des Gerichts seine Geschichte beginnen, und dann erst darfder Tag der Freude, der Liebe, der Gnade und der Gerechtigkeitanbrechen. Und wenn wir Gott darum bitten wollen, dasser eingreift, so gilt es, ihm die Brust hinzuhalten, damit seinBlitz uns trifft. Denn wir alle sind schuldig, und niemand ist ohneSchuld an der Ungerechtigkeit des heutigen Weltzustandes.1933


nieManD kann es verkennen, dass in Verbindung mit revolutionärenBewegungen den menschlichen Geist eine gewaltigeGewissensregung erschüttert hat. Nicht eher kann sie zurRuhe kommen, als bis ihr Mahnruf allen ins Leben gegriffenhat. Der Angriff, den der Sozialismus und der Kommunismusgegen die bisherige Gesellschaftsordnung unternimmt,ist ein Gewissensappell an uns, die wir uns Christen genannthaben. Er mahnt uns stärker als alle Predigten an unsere Aufgabe,im wirkenden Protest allem dem entgegenzuleben, wasin dieser Welt dem Wesen <strong>Gottes</strong> entgegengesetzt ist. <strong>Die</strong>serAufgabe sind wir Christen so wenig nachgekommen, dass dieEntscheidungsfrage gestellt werden muß: Sind wir überhauptChristen?1919JeDe erWeckung Des geMeinsaMen Gewissens der Menschenist von elementarer Bedeutung. Es gibt ein Weltgewissen. Esist ein Menschheitsgewissen. Es erhebt sich gegen Krieg undBlutvergießen, gegen Geldgier und soziale Ungerechtigkeit,gegen Gewalttat jeder Art.1919<strong>Die</strong> Bereitschaft Des glauBens sollte in letzter Stunde dieHerzen für die Kräfte der zukünftigen Welt, das heißt für denGeist des oberen Jerusalem aufschließen (Offb.3,10-12).Bis an die Enden der Erde soll die Welt aufmerken, dass dasletzte Reich naht. Sie wird dies aber nur dann tun, wenn dieGemeinde Jesu Christi die Einheit und Gerechtigkeit diesesReiches in Wahrheit vertritt und tatsächlich verwirklicht. Durch


den Glauben wird die Einheit wirkliche Tatsache werden, sooft und wo nur immer das Leben der glaubenden Liebe eineletzte und aktivste Bereitschaft beweist.01934<strong>Die</strong>ses ist Das leBen, zu dem er uns gerufen hat: dass wir nichtunser Leben lieben und pflegen, auch nicht das Leben unsererMitmenschen; dass wir also nicht für die Menschen leben,sondern für <strong>Gottes</strong> Ehre und für sein Reich. Wir dürfen unsnicht hinaufsteigern, nicht hinaufpflegen und nicht hinauflieben,sondern der Weg zum Reich <strong>Gottes</strong> führt durch den Tod,durch den wirklichen Tod. Unser Leben muss geopfert werdenfür Gott und sein Reich (Mark.8,35).Wenn wir die heutige Zeit begreifen, wie sie wirklich ist,dann ist es offenbar, dass diese Forderung uns überaus nahegerücktist. Wir brauchen vielleicht nicht gerade an denso überaus nahegerückten Krieg zu denken. Aber die öffentlicheLage der Dinge erfordert, dass wir jeden Augenblick bereitsind, unser Leben um der Sache willen zu verlieren. Undwehe denen, die immer wieder ihr Leben erhalten wollen!(Joh.12,25)1935„Wache auf, Der Du schläfst, und stehe auf, so wird dich Christuserreichen!“ (Röm.13,11) Wer irgendwie in die Dämmerungseines Herzens zurückgeraten ist, der wird aufgerufen:„Wache auf und stehe auf von den Toten! Christus als daswahre Licht steht vor dir!“ (Eph.5,14) Er will dir wieder Kraftgeben, dass du wieder die kräftigen Werke hervorbringst, welchedie Werke der Liebe sind und einzig und allein aus demGlauben an Christus geboren werden können.


„Ihr steht in der vorletzten Zeit. Es ist die letzte Stunde“(1.Joh.2,18). „Seht zu, dass ihr fürsorglich wandelt.“ Das bedeutet,die Zukunft vorauszusehen, die im Herannahen ist,und euer Leben so zu gestalten, wie es der Zukunft <strong>Gottes</strong>entspricht. „Ergreift den Augenblick, denn es ist eine böseZeit!“ <strong>Die</strong> Stunde der letzten Gefährlichkeit ist gekommen.Jetzt müssen die Menschen erwachen, damit sie im kommendenGericht bewahrt werden können. „Darum werdet nichtunverständig, sondern lernt verstehen, welches der Wille desHerrn ist in dieser Zeit“ (Eph.5,15-17). Werdet verständig,weil die Zeit so überaus böse und gefährlich ist, damit ihrin der Stunde der Anfechtung nicht im Gericht verbleibenmüsst. <strong>Die</strong> törichten Jungfrauen wurden unaufmerksam. Sowerdet auch ihr dem kommenden Gericht verfallen, wenn ihrdas Öl in euren Lampen nicht geborgt oder geschenkt bekommenkönnt (Matth.25,1-13).1931


2. DAS hEREINb REchEN DESG OTTESREIchESWenn all unser tun nur auf das eine abzielt, dass sein Reichkommt, also, dass sein Wollen Tatsache wird, so kommt esund wird es, worum wir gebeten haben (Matth. 6,33). Gottwird sich größer zeigen als es unser Herz fassen kann. Es wirdweit mehr geschehen, als wir in Worte zu fassen wagen. <strong>Gottes</strong>Erfüllung wird das kühnste Bitten übersteigen. Und damit wirerkennen, dass es Gott ist, der alles tut, wird es geschehen,während wir noch rufen oder ehe wir unsre Bitte aussprechenkonnten (Jes. 65, 24). Wer bei Gott anklopft – wer nichts anderessucht als Gott und nur Gott allein – bekommt, was ererbittet, ehe er sich umsehen kann (Matth.7,7-11).1929Wir können nur gott bitten, dass sein Geist mit neuer Machtund Vollmacht sich aufmacht mit <strong>neuen</strong> Gedanken, die aus derTiefe und Weite des Herzens <strong>Gottes</strong> hervorbrechen und dieweit, weit hinausgehen über die Gedanken unserer schwachenVorstellungen. Wir wollen also darum bitten, dass er etwasÜbermächtiges, etwas Gewaltiges tut – etwas von uns vollkommenUnabhängige – dass seine Herrschaft wirklich hereinbricht,dass seine Liebe sich offenbart, dass das Reich deutlich wird fürden herabkommenden Heiligen Geist und seinen herniederkommendenJesus Christus. Und dafür wollen wir uns hingeben, und


wenn es auch unser Leben kostet. Dafür wollen wir einstehen,dass das geschieht über uns hinweg und durch uns hindurch– dass das geschieht für die Errettung aller Völker.1935<strong>Die</strong> WunDerkräfte gottes WerDen offenbar werden, die Wirklichkeitdes Reiches <strong>Gottes</strong> wird in eurer Mitte offenbar werden,weil es der Heilige Geist ist, der euch ergreift und durchdringtund hineinnimmt in die Sphäre des Reiches <strong>Gottes</strong>, das imKommen ist (Apg. 2,17-21). Der Wind, der einem Unwettervorausgeht, gehört zum Unwetter. Der Heilige Geist gehörtzu dem Gerichtstag und Erlösungstag, zu dem Tag des hereinbrechendenReiches, obgleich er als Sturm, als Stimme <strong>Gottes</strong>,dem Ergreifen der Herrschaft <strong>Gottes</strong> vorausgeht. So oft sichnun dieses Ereignis bewahrheitet, das wir in der Apostelgeschichteals Gründung der apostolischen Gemeinde in Jerusalemerfassen, so oft geschieht etwas für die ganze Welt.1935Wir sinD 150 verschieDene große und kleine Menschen. Jederhat seine besondere Führung. Alle diese verschiedenen Lebensfädenführen zum gemeinsamen Leben. Und dieses gemeinsameZiel ist bei uns allen gleich. Es entspricht der Zukunftdes Reiches <strong>Gottes</strong>. Wir verstehen darunter etwas ebenso Irdischeswie Himmlisches. Wir glauben an das jenseitige, ewigeLeben, aber zugleich auch an das diesseitige Leben der Zukunft<strong>Gottes</strong>, dass also die ewigen Kräfte hier hereinbrechen,um das Erdreich für das zukünftige Reich <strong>Gottes</strong> zu erobern.


Wir bekennen die Gemeinde Christi als eine Gesandtschaftder zukünftigen Reichsverfassung <strong>Gottes</strong>. Also das, was einmaldie Konstitution des Reiches <strong>Gottes</strong> sein wird, soll dieGemeinde Christi heute schon vertreten. Und wir sagen: Das,was der Zukunft <strong>Gottes</strong> vorausgeschickt ist, ist der HeiligeGeist. Der Heilige Geist ist das Element der großen Zukunft.Deshalb empfängt die Gemeinde den Heiligen Geist, nichtum äußerlich sich eine Landkarte des Reiches <strong>Gottes</strong> odereine Zeittafel <strong>Gottes</strong> auszurechnen, gar nicht; sondern umdem Geiste nach das ganze Leben durch die völlige Liebe bestimmenzu lassen.Das bedeutet freilich, dass wir in schärfsten Gegensatz zumZeitgeist treten. Ob es ein liberalistischer Geist ist, der demBösen, der Sünde, gewissermaßen freien Lauf lässt und dieMenschen sich in ihren Sinnen austoben lässt, oder ob es eindiktatoris her Geist ist: Beides ist abwegig, so dass wir unterallen Umständen unzeitgemäß sind.1935keine geBote unD verBote, keine Gebotstafeln und keine Gesetzestafelnwerden in diesem Reich vonnöten sein. Hier wirdalles durch die innere Geburt und durch die innere Eingebunggeordnet werden, nämlich durch das Regiment des GeistesJesu Christi.1935Jesus hat uns iMMer wieder zur Arbeit aufgerufen: zu wirken,solange es Tag ist (Joh.9,4). Er hat sein Reich mit der Arbeit aufeinem Weingut, mit der Anlage anvertrauter Gelder, mit der


Verwertung aller Talente verglichen. Wenn das Reich <strong>Gottes</strong>dieses “Jammertal” zu einem Freudenreich umgestalten soll,so muss es ein Reich der Arbeit sein. Nur die Arbeit entsprichtder Bestimmung des Menschengeistes. Der Mensch ist seinemUrwesen nach zum Schaffen berufen. Nur in gemeinsamer Arbeitinnerhalb der ungetrübten Liebesgemeinschaft kann er zugesunder Lebensfreude gelangen.1919in DeM ungeheuerlichen kaMpf zweier Gegensätze ist uns einewesentliche Berufung gegeben. Wir sind weltfremd insofern,als wir die gegenseitige Verdrängung und Vernichtung nichtanerkennen. Wir sind ganz weltnahe und naturnahe, indemwir die aufbauende, soziale Kraft der gegenseitigen Hilfe, derZusammengehörigkeit, anerkennen. Und wir schließen niemandendavon aus. Sondern wir glauben, dass alle Menschen,wie sie auch seien, zusammengebracht werden durch dies innersteGefühl der Zusammengehörigkeit und des gegenseitigen<strong>Die</strong>nstes.Wir glauben daran, dass alle Menschen, so tief sie auch indie Verdüsterung gesunken sein mögen, dennoch einen Lichtfunkenin der Tiefe ihres Herzens haben. Wir glauben daran,dass dieser Lichtfunke, der in allen Menschen ist, schließlichsie alle zusammenbringen muss in einem gewaltigen Lichtmeerder Gemeinschaft <strong>Gottes</strong>.1935Man spricht heute gern davon, dass man nichts vorwegnehmendürfe von <strong>Gottes</strong> Reich. Das ist richtig. Menschen dürfen


und können nichts vorwegnehmen von dem, was Gott tunwird. Aber dieses Wort, dass man nichts vorwegnehmen dürfe,verbirgt oft, nur allzuoft Unglauben gegenüber dem HeiligenGeist. Menschen können nichts vorwegnehmen von <strong>Gottes</strong>Reich; aber Gott kann etwas voraussenden von seinem Reich,und das ist der Heilige Geist. Der Heilige Geist ist das vorausgeschickteWesen des Zukunftsreiches, das vorauseilendeHereinbrechen der kommenden Herrschaft.1934Wohl sinD viele Menschen aufgestanden, die die Not der Weltauf ihrem Herzen gefühlt haben und die darum gewusst haben:Es muss Gerechtigkeit kommen. Aber k<strong>einer</strong> von ihnenaußer Jesus allein hat uns – zugleich mit dieser Sehnsucht nachGerechtigkeit – das umfassende Reich, die umfassende Klarheitder Ordnung und der Gerechtigkeit gegeben und denWeg dazu gezeigt.1931Das relativ Beste in der Finsternis ist der Staat und die ihninspirierende Kirche. Wenn dies relativ Beste, das die Finsternisaufzuweisen hat, gestürzt ist, dann erst kommt das Reich<strong>Gottes</strong>. Das absolut Beste ist die Hochzeit des Lammes undsein Abendmahl (Offb. 19,7-9). Wir brauchen nicht darüber zureflektieren, in welcher Gestalt es kommt. <strong>Die</strong>ses buchstabischeoder photographische Interesse geht uns ab. Unser Interessebesteht darin, dass seine Freude und seine Vereinigung überdem ganzen Horizont offenbar wird. <strong>Die</strong> ganze Erde wird eineGemeinde Christi sein. <strong>Die</strong> ganze Erde wird ein Hochzeitsfest


Christi sein. <strong>Die</strong> ganze Erde wird ein Friedensreich sein. Christuswird überall gegenwärtig sein! Und nun ist unser Gemeindelebendazu da, um in dieser Erwartung treu zu sein und treuzu arbeiten. Dafür sollen auch die Hochzeit und das Hochzeitsmahlein Symbol sein. Jede gemeinsame Mahlzeit soll einSymbol und ein Zeichen für die Gemeinschaft sein.1934christus vollBringt alles, Weil er alles bereits vollbrachthat. In der Abkehr vom Alten, in der Vergebung des Alten,in der Hinkehr zum Neuen und in dem Wagnis des Neuenist uns eine unendliche Freude geschenkt. Es ist die Freudedes Evangeliums – die Freude des Heiligen Geistes, die Freudeim Herrn – die alles umfasst, weil sie von dem unendlichenGott ausgeht (Phil.4,4-5). Es ist die Freude der Zuversicht,dass allen Menschen dasselbe Glück gehört, dass die Zukunftdennoch <strong>Gottes</strong> ist.1920/21Das heraBkoMMen Des reiches <strong>Gottes</strong>, wenn Christus die Erdein einem <strong>neuen</strong> Schöpfungstag in <strong>Gottes</strong> Herz zurückgibt, istnoch etwas anderes. Unser Gebet soll es herbeirufen, dass <strong>Gottes</strong> tue. Nicht wir können es tun, auch nicht durch unserenGlauben. Allein Gott kann es tun.Es muss eine Erweckung kommen; aber es muss noch etwasGrößeres kommen. Kannst du das fassen, dass auch nochetwas Größeres kommen muss als es das Urchristentum war,das apostolische Christentum? Nämlich das Reich <strong>Gottes</strong>,welches die ganze Welt verändert.


3. JESUS UND DIE bERGp REDIGTWir sollten uns stänDig damit befassen, wer Jesus ist, was ergesagt hat, wie er gelebt hat, wie er gestorben ist, in welchemSinn er auferstanden ist. Es gilt, den Inhalt s<strong>einer</strong> Bergpredigt– s<strong>einer</strong> Worte und Gleichnisse (Matth Kap.5-7) – ganz in unsaufzunehmen, damit wir vor aller Welt dasselbe vertreten, waser gelebt hat.1935Der inhalt Des reiches <strong>Gottes</strong> wird in der Bergpredigt klarund wird deutlich einmal im Vaterunser und in dem Wort:Gehet hinein durch die enge Pforte! Das heißt: Tut allen Leutendas, was ihr wünscht, das sie euch tun möchten! Das wirdgewöhnlich übersehen. Den Weg geht ihr erst, wenn ihr füralle Menschen dasselbe tut, was ihr für euer Leben von Gotterbittet. Das heißt: absolute soziale Gerechtigkeit und dieFriedenshaltung des Reiches <strong>Gottes</strong>. Wir sind Gesandte deskommenden Reiches <strong>Gottes</strong>, nur dem einen Gesetz dienend,dem Geistesgesetz des Reiches <strong>Gottes</strong>.Wie das praktisch aussieht, sagt uns die Bergpredigt. Werehrlich und aufrichtig ist, sieht den Weg deutlich vor sich.<strong>Die</strong>ser Weg allerdings ist nicht gangbar ohne die Gnade. Dasdeutet Jesus an, indem er in der Bergpredigt von dem Baum


spricht und von der lebendigen Lebenskraft im Baum. Undweiter spricht er vom Salz: Das ist die Wesenheit, die vollkommenneue Natur, die uns mitgeteilt wird in Christus undin dem Heiligen Geist. Deshalb sagt Jesus: „Wenn eure Gerechtigkeitnicht besser ist, als die der Moralisten und Theologen,so könnt ihr nicht in das Reich <strong>Gottes</strong> kommen.“Gleichzeitig sagt er: „Trachtet zuerst nach dem Reich <strong>Gottes</strong>und s<strong>einer</strong> Gerechtigkeit!“Hineingetaucht sein in den Wind des Heiligen Geistes –das ist das neue Leben. Und die Wirkung wird eine sein, diedie ganze Welt umfasst. Dazu gehört sicherlich der Glaube,dass wir in <strong>einer</strong> Gnadenzeit leben, denn die Wirkung desBaumes will sich ja über die ganze Erde erstrecken. Und unterdem Schutz dieses lebendigen Baumes sammelt sich die ganzeMenschheit.Es ist nicht genug, dass wir sagen, wir haben erkannt, dassJesus der Freund unseres Herzens ist, sondern wir sollen unsereLiebe beweisen. Und Jesus sagt uns, wie wir diese Liebe beweisensollen: „Wer mich liebt, der hält mein Wort!“ (Joh.14,15).1935<strong>Die</strong> Bereitschaft auf Das Reich <strong>Gottes</strong> bedeutet nicht, dassman aufhört zu essen und zu trinken oder dass man die Eheverwirft; sondern die Bereitschaft auf das Reich <strong>Gottes</strong> bedeutet,dass man den Zeichen der Zeit entsprechend jetzt schon solebt, wie das Reich <strong>Gottes</strong> sein wird. Was aber wird das Zeichender Ankunft des Reiches <strong>Gottes</strong> sein? Das sagt uns Matthäus 24,31 und Markus 13, 27: „Und er wird seine Boten senden; diesollen die Posaunen blasen, dass es weithin schallt: so werden


sie seine Auserwählten zu ihm sammeln von allen Himmelsgegendenaus aller Welt.“ Das ist das Zeichen der WiederkunftChristi. Das Zusammenführen ist das Zeichen Jesu Christi:„Wie oft habe ich euch sammeln wollen, wie eine Henne ihreKüchlein unter ihre Flügel sammelt“ (Matth 23, 37).01934Jesus sagt: eure Worte müssen eure Taten sein, euer Zukunftsglaubemuss eure Gegenwart sein, das Heil Jesu Christi musseuer Leben sein! So werdet ihr die rechte Haltung gewinnenzu allen Menschen und Dingen. Ihr werdet nicht richten können,sondern ihr werdet fühlen, dass die Menschen zugrundegehen durch die soziale Ungerechtigkeit; ihr werdet fühlen,dass alle Schuld ein moralischer Niedergang der Menschen ist.Ihr werdet euch deshalb hüten, die heiligsten Dinge preiszugebenvor Augen und Ohren, die nicht verstehen. Euer Willewird nur der sein: Was ich für mich wünsche, will ich allenanderen Menschen zukommen lassen. Hast du ein Haus oderein Bankkonto nötig, gut, schaffe es allen. Was die Leute dirtun sollen, das tu du ihnen! Liebe deinen Nächsten wie dichselbst: Das ist die Wahrheit, das ist die Wirklichkeit, das ist dieWirklichkeit Jesu. Und unmittelbar danach sagt er: Geht einin die enge Pforte, geht den schmalen Weg! Hütet euch vordem Weg der Kompromisse, den so viele, allzuviele gehen! Dasist der breite Weg. Hütet euch vor den falschen Propheten! Siesprechen von Frieden und arbeiten für den Frieden, aber siesind nicht frei von der Raubtiernatur des Geldes; sie sind nichtfrei von der Lüge und der Unreinheit in der ganzen Welt. Wernicht völlig frei geworden ist vom Mammon, der soll nicht


von Frieden reden, sonst ist er ein falscher Prophet. Der Mammonist der Mörder von Anfang an. Wer mit ihm nicht ganzgebrochen hat, soll nicht von Frieden reden, denn er hat Teilan dem ewigen Krieg, der die besitzlosen Klassen zugrunderichtet durch den Besitz der Vermögenden.So schließt Jesus mit dem Aufruf: Es nützt nichts, dieseWorte zu hören, wenn ihr sie nicht tut! Der schönste Friedenspalastwird zusammenstürzen, wenn er nicht in allen Dingenden Willen Jesu verkörpert. Und deshalb geht der Ruf Jesuimmer in den Kern des Herzens: Verlass alles und geh meinenWeg! „Verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen! Gehmit mir!“ (Matth 19, 21; Luk 5, 27)1934<strong>Die</strong> persönliche heilserfahrung Muss Hand in Hand gehenmit der sachlichen Erwartung für die ganze Welt. Sonst sindwir nicht ganz mit Gott einig geworden. Wir sind es erst dann,wenn wir in den Interessen einig geworden sind, die der allmächtige,allgewaltige, helfende Gott hat. Erst dann sind wirrichtig einig geworden.Wer sind die Glückseligen? Das sind die, die als Bettler vorGott stehen, als Bettler dem Geist gegenüber – die Bettlergeworden sind, im materiellen wie im geistlichen Sinn. Essind die, die bettelarm sind an Dingen und an Sachen, anGütern und Gnaden. Nur die Bettelarmen wissen: Wer dahungert und dürstet, ist gequält in diesem Verlangen. Unddas sind die wahrhaft Glückseligen, die von diesem Hungerund Durst nach der Gerechtigkeit gepeinigt sind, die einentiefen Schmerz tragen, die die letzte Not durchkosten, so wie


Jesus die letzte Not durchkostet hat. So wie er in dem tiefstenWeltleid und in der bittersten Gottverlassenheit das Leid getragenhat, sind nur die die Glückseligen, die bis an den Randdes Todes leiden um die Not der Welt; die ein reines, klares,strahlendes Herz haben; die ganz ungeteilten Herzens gesammeltsind auf <strong>Gottes</strong> Sache; die mit dem Herzen <strong>Gottes</strong> einsgeworden sind; die so aus dem Herzen leben, wie Gott ausdem Herzen lebt. Deshalb sind es die, die den Frieden wirkenmitten in <strong>einer</strong> friedlosen und verderbten Welt.1935Das neue testaMent sagt, dass der Glaube von Zeichen undWundern unabhängig ist. <strong>Die</strong> Zeichen und Wunder sind nachden Worten Christi in der Verborgenheit zu halten, denn dieMenschen halten sich gern an die Zeichen und Wunder. Deshalbwarnt Jesus, von Zeichen und Wundern zu sprechen odersie zu zeigen. Er will, dass die Menschen zu einem Glaubenkommen, der gänzlich frei ist von Zeichen und Wundern(Luk.8, 56).1935Das kalte licht Der sogenannten klaren Verstandeserkenntnis,die fortwährend scheidet und unterscheidet, war bei denersten Christen nicht zu finden, sondern vielmehr der Geist,der das Herz durchglüht und die Seele lebendig macht (Kol2,8-10).1919


unD Jetzt entscheiDet sich alles daran: Glaubst du an Christus?Liebst du Christus?Was nützt es, wenn wir unsere Sünde beklagen. Nur daseine ist entscheidend: dass wir an Christus glauben und dasswir Christus lieben. Wenn wir jetzt fühlen, wie unglücklichdie ganze Welt zugrunde geht und wie wahnsinnig die Wortevom Glauben und von Menschheit und Menschlichkeitanmuten, so müssen wir es doch fühlen: Es gibt nur eineneinzigen Menschen, der sich „Menschensohn“ nannte, dasMenschenkind! Es gibt nur Christus, der uns übrigbleibt.Ich habe nichts anderes, an das ich mich halten könnte fürmein Leben und Sterben, nichts woran ich glauben könntefür meine Nächsten, für die Menschen, die meinem Herzennahestehen, worauf ich vertrauen könnte für unseren Bruderhof;ich habe nichts anderes, woran ich mich halten könntefür eine untergehende Welt. Ich muss es bekennen: Ich habeganz und gar nichts, als Christus allein! (Phil 3, 8)1935


4. DAS R EIch GOTTESDas reich gottes – was heißt das? Ein Reich ist ein Staatsgebilde.Ein Reich ist die Ordnung eines Volkes in s<strong>einer</strong> Arbeitund in seinen gegenseitigen sozialen Beziehungen. EinReich ist die Zusammenfassung <strong>einer</strong> Volksgemeinschaft inGerechtigkeit, in Zusammengehörigkeit. Ein solches Staatsgebildeschwebt dem Propheten Jesaiah vor, wenn er vomReich <strong>Gottes</strong> spricht (Jes 9, 6-7). Es ist nur da, wo es zu <strong>einer</strong>bleibenden, bindenden Gerechtigkeit der gegenseitigen Beziehungenkommt, zu <strong>einer</strong> <strong>neuen</strong> Ordnung aller Verhältnisseund Zustände.Damit erweist sich dieser Weg, den Jesus zeigt, als ein Weg,auf dem Gott allein Geltung hat. Niemand anders hat aufdiesem Weg etwas zu sagen. So hat man mit Recht übersetzt:Königsherrschaft <strong>Gottes</strong>! Gott allein hat die Herrschaft! NurGott ist der König! Das ist Reich <strong>Gottes</strong>!Nun wissen wir, dass in der heutigen Welt dieses Reich nochnicht Gestalt gewonnen hat. Neben Gott haben die gewaltigenStaatsregierungen noch sehr viel zu sagen. Neben Gotthat die Lüge und Unreinheit noch sehr viel zu sagen. NebenGott haben die Gewalten noch viel zu sagen, die durchausnicht zu Gott passen. Heute ist das Reich <strong>Gottes</strong> noch nicht


verwirklicht, denn die Verwirklichung müsste bedeuten, dassnichts anderes mehr gilt.Wir sind uns klar darüber: Das kann nur geschehen durchdas persönliche Eingreifen <strong>Gottes</strong> durch Jesus Christus, durchdie Welterneuerung, die Wiedergeburt des Planeten Erde.Petrus sagt: „<strong>Die</strong> Erde wird im Feuer vergehen und dannvollkommen neu da sein“ (2.Petr 3,12-13). Und Johannes:„<strong>Die</strong>se Erde wird in dem <strong>neuen</strong> Herrschaftsgebiet <strong>Gottes</strong> soverwandelt sein, dass sie keine Sonne mehr braucht; denn siewird vollkommen Licht sein“ (Offb 21, 23).1934ich glauBe, Dass Da wirklich Strahlen von Jesus ausgegangensind und sehr dankbar aufgenommen worden sind zur persönlichenRettung und Heilung, dass man sich aber damit begnügthat. Das Verlangen ist dann sehr rasch abgekühlt undman war glücklich, dass man nun ein seligwerdender Menschgeworden war, während eigentlich hier die Sache erst anfängt.Denn Jesus sagt, dass wir von neuem geboren werden müssen,um in das Reich <strong>Gottes</strong> einverleibt zu werden, und er zeigt,was das Reich <strong>Gottes</strong> bedeutet.Und da stirbt das eigene Interesse ab. Man sucht eine ständigeBestätigung dessen, was man schon erhalten hatte anGnade, anstatt zu sagen: <strong>Die</strong>ses subjektive Erlebnis ist mirgeschenkt, damit ich für den ganzen Christus und das Reich<strong>Gottes</strong> Klarheit bekomme, eine Klarheit, die mein Leben hineinstelltin das Leben für das Reich <strong>Gottes</strong>.Wenn das Reich <strong>Gottes</strong> ebenso Gegenwart wie Zukunft ist,so muss den Glaubenden jetzt ein Leben gegeben werden, das


dem zukünftigen Reich <strong>Gottes</strong> wirklich entspricht. Ebensoentspricht es dann dem historischen Leben Jesu Christi. JesusChristus ist derselbe gestern, heute und in alle Ewigkeit. Undwir müssen einig werden mit seinem Leben und s<strong>einer</strong> Zukunft,indem wir jetzt so leben, wie das Reich <strong>Gottes</strong> in Zukunft inErscheinung treten wird.1935Wer aBer Das reich <strong>Gottes</strong> außerhalb der eigentlichen Geschichteder ganzen Menschheit verlegen wollte – als ob es nurin wenigen Bekehrten seine Zubereitung fände – müsste durchdie gewaltige Sprache <strong>Gottes</strong> in der heutigen Geschichte zu<strong>einer</strong> <strong>neuen</strong> umfassenderen Einsicht gelangt sein.<strong>Die</strong> Zuspitzung der Zeitlage fordert gebieterisch, dass alle,die an die Wahrheit glauben, in der Heiligen Schrift Bedingungund Wirkung des Reiches <strong>Gottes</strong> erforschen und erfassen.Wir brauchen eine erneute Vertiefung in die biblischeWahrheit vom Reich <strong>Gottes</strong>, um auf die Zeichen der Zeitachthaben zu können, damit wir treu erfunden werden, wenner kommt (Matt. 16, 3).1915<strong>Die</strong> ökonoMie gottes – sein Plan für sein <strong>Gottes</strong>reich – soll inder wirtschaftlichen Gestaltung der Gemeinde einen solchenpraktischen Ausdruck finden, dass auch die blindesten Menschenempfinden: Hier kann man etwas erfahren von der Liebeund Freude, welche das Reich <strong>Gottes</strong> am Ende der Zeiten überalle Menschen bringen wird (Eph 1,10; 3,9-11). Dann könnenwir auf die Frage, ob dieses der einzige Weg ist, den Menschen


sich auswählen, um das Reich <strong>Gottes</strong> herbeizuführen, antworten:<strong>Die</strong>ses ist nicht ein Weg, den wir uns aussuchen, um dasReich <strong>Gottes</strong> herbeizuführen, sondern es ist ein Weg, der vonGott aus zu uns herniederkommt. <strong>Die</strong> Ökonomie <strong>Gottes</strong> fürdie Menschheit, die er in die Menschheit hineingibt, ist derhöchste und allein mögliche Weg. Wir Menschen haben keinenWeg zum Reich der Gerechtigkeit. Der einzig möglicheWeg ist der, dass Gott sich zu uns hingibt. Das geschieht in derGemeinde dadurch, dass die Ausgießung des Heiligen Geistesuns die Verwirklichung der Gemeinde bringt. Es geschieht dadurch,dass diese mütterliche, jungfräuliche Brautgemeinde zuuns kommt und das gesamte Leben mitsamt s<strong>einer</strong> wirtschaftlichenGestaltung unter uns vollbringt (Apg 2,1-4; 4,32-37).l933in Der uMgeBung Jesu wird das Reich <strong>Gottes</strong> offenbar. Deshalbbeginnt der erste Johannesbrief auch mit diesem Zeugnis:Was wir gesehen und gehört, was wir mit den Händen berührthaben, das verkündigen wir euch von dem Worte des Lebens,damit ihr mit uns in demselben Glauben einig werden könnt.Das Leben ist erschienen; es ist offenbar geworden. Das verkündigenwir euch, damit ihr mit uns Gemeinschaft habt. <strong>Die</strong>Gemeinschaft mit uns ist Gemeinschaft mit dem Vater unddem Sohn!…An dem, was geschieht, muss offenbar werden, dass dasReich <strong>Gottes</strong> verkündigt wird, dass die Herrschaft Christideutlich wird. Und deshalb wurde es Johannes dem Täufergesagt: “Was brauchst du zu fragen und zu drängen? Hiergeht es einfach darum zu sehen, was geschieht, zu hören, was


gesagt wird, und das anzunehmen. Und dies sind die Geschehnisse,die hier geschehen: „Blinde werden sehend, Lahme gehenwieder, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote werden auferweckt“(Matth 11,5).Jesus antwortet dem Täufer: Wollt ihr glauben, was jetztgeschieht, dann wird euch Christus offenbar werden, dannist euch die Frage nach dem Reich <strong>Gottes</strong> offenbar geworden.Das ist der Glaube, der apostolische Glaube. Und weilJohannes der Täufer diesen Glauben noch nicht ganz fassenkonnte, darum sagte Jesus: „Er ist zwar der größte von allenSöhnen, die von Weibern geboren sind; der Kleinste aberim Reich <strong>Gottes</strong> ist größer als er!“ (Matth 11,11) Denn derKleinste im Reich <strong>Gottes</strong>, der Einfachste in der Gemeinde,der versteht was geschieht, im Glauben…<strong>Die</strong> Apostel gingen hinaus und erklärten den Menschen:Jetzt ist das Wort der Propheten wahr geworden, jetzt kommtes, und ihr seht, was geschieht. Zu diesem Geschehen in Jerusalemgehörte es, dass die Gemeinschaft aufgerichtet wurde.Und zu diesem Zeugnis, dass das Reich <strong>Gottes</strong> ahe herangerücktsei, gehörte auch die Heilung aus dem Glauben.Als es sich dann darum handelte aufzuschreiben, was mitden Aposteln und durch sie geschehen war, wurde dieses Buchüberschrieben: „<strong>Die</strong> Apostelgeschichte.“ Und so finden wir inder Geschichte der Apostel, dass sich dort dieselben Wunderkräfte,Tatsachen und Geschehnisse ereignen wie im LebenJesu. Und auch das war das Entscheidende: Es wird das Reich<strong>Gottes</strong> verkündigt. Und weil das Reich <strong>Gottes</strong> nahe herbeigekommen ist, darum geschehen viele Zeichen und Wunder.1935


GestaltunG <strong>einer</strong> <strong>neuen</strong>o r D nunG


05. DIE G E m EINDED ER RuF Z u R S A mmL u NG<strong>Die</strong> Menschheit ist DaDurch in ein so unendliches Elend geraten,weil sie in Feindseligkeit gefallen ist. Sie ist zerklüftet,zerrissen. <strong>Die</strong>ser Riss ist die unheilvollste Offenbarung dessen,bis zu welcher Feindseligkeit und Herzenskälte die Zerspaltungder Menschheit fortgeschritten ist.Das ist aber nicht immer so gewesen, sondern im Uranfangder Menschheit steht eine Geburtsstunde, in welcher dieMenschen im Frieden mit Gott und untereinander lebten.Es ist gar kein Zweifel: Das Paradies steht im Uranfang derMenschheit (1.Mos. 2,8-15).Was ist das Paradies? Das Paradies ist Frieden. <strong>Die</strong>ses Zusammenwirkender Kräfte in einem Geist, in einem Klang,ist das Geheimnis des Friedens. Hier werden, wie von einemPrisma, alle Farben in dem reinen Weiß der Sonne zusammengefasst,um sie wieder herausstrahlen zu lassen in denreichen Farben ihres Spektrums. Das ist der Friede, der denEinklang aller Kräfte und Gaben in der Aktivität des <strong>Gottes</strong>dienstesoffenbart. Und dieser Friede steht im Uranfang derMenschheit.


Deshalb lesen wir, dass den Menschen der Auftrag gegebenwurde, die Erde zu bebauen, zu bewahren, die Dinge zu benennen,die Tiere zu beherrschen (1.Mos. 2,15-19; 1,26-28).Weiter ist die Menschheit auch heute noch nicht gekommen.Ja, sie hat dieses Ziel der Paradiesesaufgabe noch nicht erreicht.Das also ist eine aktive Harmonie, eine Tätigkeit imEinklang des Friedens – Arbeitsaufgabe, Arbeitsgemeinschaft,schöpferische Schaffensgemeinschaft – die der Menschheitvon Anfang an aufgegeben war.1933<strong>Die</strong> Welt fällt üBerall auseinander. Sie zerbröckelt, sie verwest.Ihr Prozess ist das Auseinanderlaufen. Das ist ihr Tod.Und mitten in dieser furchtbaren Zeit stellt nun Christusdurch seinen Heiligen Geist seine Stadtgemeinde mit ihrer bedingungslosenEinheit in die Welt hinein (Joh.17,11 u. 23;Matth.15,14). Das ist die einzige Hilfe, die der Welt gegebenwerden kann: dass hier eine Sammlungsstelle, ein Wille des Zusammenbringensund Zusammenkommens, der Vereinigung zufinden ist, der absolut ist und k<strong>einer</strong>lei Bedenken mehr kennt.1932paulus sagt, Dass alle Völker der Welt zusammengefasst werdensollten in dieser Gemeinde, dass alle Zäune und Mauernniedergebrochen werden sollten, die zwischen den Völkern,Nationen, Klassen, Ständen und Schichten der Menschenaufgerichtet sind (Kol.3,11). Nicht nur die ganze Welt sei fürGott zu erobern, sondern mitten in der Welt soll die Gemeindedas Leben in der vollen Einheit offenbaren.1934


so ist es in der jetzigen Weltstunde äußerster Not hohe Zeitder Entscheidung, dass wir das Leben der Gemeinde und ihrerEinheit als von Gott verliehene Gabe ergreifen.1933es hanDelt sich nicht einfach darum, dass wir eine Kolonisationsgesellschaftsind, die eine neue Dorfkolonie anlegt, (alswenn es nicht schon genügend Dörfer gäbe,) in welchem dieMenschen einander ebenso nah und ebenso fern gegenüberstehenwie in allen anderen Dörfern. Wir stehen nicht aufdem Standpunkt, dass wir eine allgemeine Menschheitsgemeinschaftsuchen, dass wir die Menschen, so wie sie sind, inGemeinschaft zusammenfassen wollen.Dann hätte jeder an seinem Platze bleiben können, wennuns daran läge, diese Gemeinschaft gleichsam auf Gegenseitigkeitzu gewinnen. Und wir finden auch hier nicht bessereMenschen als woanders, auch nicht schlechtere Menschen.Wenn wir nur die Gegenseitigkeit der Beziehungen unter denMenschen als Gemeinschaft suchten, dann hätten wir nichtauf den Bruderhof zu gehen brauchen. Wir hätten das überallfinden können. Es wäre uns aber auch überall missglückt.Denn alle diese Versuche, die auf dem augenblicklichen Zustanddes Menschen beruhen, müssen scheitern; sie sind vonvornherein bankrott.1933


W IE HAT G E m EINDE BEGONNEN?<strong>Die</strong> BilDung Der urgeMeinDe konnte von niemandem gemachtwerden. Keine noch so große rednerische Leistung, keine nochso flammende Begeisterung hätte das Aufwecken der damalsergriffenen Scharen für Christus bewirken und die Lebenseinheitder Urgemeinde hervorbringen können. <strong>Die</strong> Freunde Jesuwaren sich dessen klar bewusst, hatte ihnen doch der Auferstandenebefohlen, in Jerusalem auf die Erfüllung des großenVersprechens zu warten (Luk.24, 49). Johannes hatte alle, dieauf ihn hörten, ins Wasser untergetaucht. <strong>Die</strong> Urgemeindesollte in den heiligen Wind des Christusgeistes hineingetauchtwerden, von ihm umweht, durchdrungen und erfüllt sein(Apg. 2, 1-2).1920Den aposteln WirD Der Auftrag gegeben, in Jerusalem zu bleiben,bis sie angetan werden mit der Kraft aus der Höhe. Dasist die Gründung der Gemeinde, die wiederum allein möglichist durch die Tatsache der Auferstehung. Denn was war die ersteVerkündigung der Apostel? „<strong>Die</strong>sen einen Reinen, den ihrumgebracht habt, den hat Gott auferweckt!“ (Apg. 2, 22-24)1933es koMMt Darauf an, dass die Apostel Jesu plötzlich so in denHerzen der anderen lebten, dass ihre Worte ganz und gar demUrwesen, der Muttersprache und der letzten Bestimmungder Zuhörer entsprachen und so von ihnen innerlich aufgenommenwurden. Es kommt allein darauf an, dass die große


Menge von demselben Geist bewegt war, den die Führer zumAusdruck brachten, so dass sie dasselbe überwältigende Erlebnishatten wie die Redner (Apg.2,4-11).Jedenfalls war es keine Hypnose – keine Überredung durchMenschenkraft – ,sondern es war das Erleiden <strong>Gottes</strong>, dasÜberwältigtwerden und Erfülltwerden durch seinen Geist. Esgeschah hier die Gestaltung der einen wirklichen Kollektivseele,nämlich der organischen Einheit des geheimnisvollenLeibes Christi, der Gemeinschaft der Gemeinde…In der Pfingsterweckung mußten alle Versammelten aus denverschiedensten Völkergruppen und Nationen ihre Erlebnissein dem einen Ausruf ausklingen lassen: „Wir hören sie mit unsernZungen von den Großtaten <strong>Gottes</strong> reden“ (Apg. 2,11).Um die Großtaten <strong>Gottes</strong> – und nur um die Großtaten <strong>Gottes</strong>handelte es sich. Gott in seinem allumfassenden Wirken aufsein zukünftiges Reich hin, seine Botschaft der Gerechtigkeit,die zu allen Völkern ging, das Wesen der Großtaten <strong>Gottes</strong>an allen Menschen und für die gesamte Menschheit – das warder Inhalt des Pfingsterlebnisses…Aus der Gegenüberstellung unbedingter Wahrhaftigkeit,die die Mörder Jesu vor die Augen des lebendigen Christusstellte, ergab sich das Bedürfnis der Sündenvergebung – dieBedürftigkeit innerer Armut, die nur durch die Gabe des HeiligenGeistes befriedigt werden konnte. <strong>Die</strong> erste Wirkung desentscheidenden Geisteseinflusses äußerte sich in der aus demHerzen dringenden Frage: „Was sollen wir tun?“ (Apg.2,37).<strong>Die</strong> völlige Umgestaltung des Inneren, die Umformung desLebens, die hieraufhin eintrat, war eben jene Veränderung


des Sinnes und der Lebenshaltung, die schon Johannes als dieVorbedingung des kommenden Umschwungs aller Verhältnisseverkündet hatte. <strong>Die</strong> persönliche Wiedergeburt kannvon der Umgestaltung aller Dinge durch Christus nicht abgetrenntoder ausgeschaltet werden.1920Worauf es ankoMMt, ist Gemeinschaft, und zwar Gemeinschaftunter der Herrschaft <strong>Gottes</strong> im Sinne des prophetischenReiches <strong>Gottes</strong>.Was ist Reich <strong>Gottes</strong>? Reich <strong>Gottes</strong> ist Gemeinschaft inGott, ist Gemeinschaft in der Gerechtigkeit <strong>Gottes</strong>, Gerechtigkeitvor Gott, Gerechtigkeit in Gott, Gerechtigkeit brüderlicherGemeinschaft. Liebe Gott! Liebe deinen Nächsten!Das ist Gerechtigkeit (Matt. 22, 37-40). Liebe Gott so, dassdu mit ihm eins wirst. Liebe deinen Nächsten so, dass du mitihm eins wirst! So betet Jesus, dass doch an den Jüngern erkanntwerden möge, wer er ist und was die Liebe ist. Erkanntwerden kann es nur an der völligen Einheit der Jünger Jesu!Gerechtigkeit, Friede, Freude strömt zusammen in der völligenEinheit der Gemeinde und des Reiches <strong>Gottes</strong>.Dazu ist Jesus gestorben und wieder lebendig geworden;dafür hat er seine Worte geredet, dafür hat er seine Taten getanund sein Leben gelebt. Deshalb war diese Einheit im Geistda, sobald der Heilige Geist ausgegossen wurde in den Tagen,die wir Pfingsten nennen. Und so waren die ersten Christeneinig. Sie waren einig in der Lehre der Apostel. Sie wussten,dass den Aposteln der Heilige Geist gegeben war; sie wussten,


dass auch ihnen der Heilige Geist gegeben war. Deshalb bestandvöllige Einigkeit in der Wahrheitserkenntnis zwischenden Aposteln und ihnen.Und wenn wir einig sind mit demselben Geist der Offenbarung<strong>Gottes</strong>, dann sind wir völlig einig mit der apostolischenZeit und ihrem Gemeindezeugnis, mit den Schriften der Apostelund Propheten. Das ist unsere Stellung zur Bibel, weil sie einBekenntnis zum Geist der Einheit <strong>Gottes</strong> ist.1935Wir stehen iM schroffsten Gegensatz zu der gegenwärtigenGesellschaftsordnung, indem wir eine andere Ordnung derDinge zu vertreten haben. <strong>Die</strong>se andere Ordnung ist die Gemeinde,wie sie in Jerusalem gewesen ist bei der Ausgießungdes Heiligen Geistes. Dort ist die Menge der Gläubigen einHerz und eine Seele geworden; und nun wurden sie eineEinheit, die sich auch auf dem Gebiet der sozialen Ordnungals absolute Brüderlichkeit ergab; auf dem Gebiet der wirtschaftlichenOrdnung als Eigentumslosigkeit und völlige Gütergemeinschaft,frei von aller Gewalt und allem Zwang. Soglauben wir, dass wir der heutigen Weltordnung gegenübereinen ebensolchen Auftrag haben, der uns naturnotwendigin Konflikte bringen muß. <strong>Die</strong>se Lage der Dinge können wirniemandem zumuten, es sei denn, dass jemandem die Größeund der Inhalt des Reiches <strong>Gottes</strong> über alles geht, so dass sichihm die innerste Gewissheit erschließt, es ist kein anderer Wegmehr möglich.1933


Wir feiern <strong>Die</strong> ausgiessung des Heiligen Geistes und die Anrichtungder völligen Gemeinschaft, denn dadurch ist dasParadies wieder hineingestellt worden mitten in eine unfriedliche,feindliche Umgebung. Jesus hatte diesen Geisteskampferöffnet gegen die Ungerechtigkeit des Mammons, gegen dieUnreinheit der menschlichen Beziehungen, gegen die Mördereides Krieges. So war nun die Gemeinde Jesu Christi mittenin diese Welt hineingestellt als eine Stätte des Friedens,der Freude und der Gerechtigkeit, als ein Ort der Liebe undder Einheit. Das ist die Aufgabe der Gemeinde. Und deshalbmuss der Apostel sagen: Das Reich <strong>Gottes</strong> besteht nicht darin,dass man sich dieser oder jener Nahrung enthält, sondern dasReich <strong>Gottes</strong> besteht in Gerechtigkeit und Friede und Freudeim Heiligen Geist (Röm.14,17). Das ist in Jerusalem Wirklichkeitgeworden! Bei Jesus war es auch schon Wirklichkeitgewesen, in einem ganz kleinen Kreis von zwölf Menschen.Hier wurde es Wirklichkeit unter einigen Tausend, mit <strong>einer</strong>Strahlungsenergie in die ganze damals erreichbare Welt.Im Laufe der Jahrhunderte ist diese Sendung niemals verlorengegangen. In Kleinasien hat sie geleuchtet; nach Südfrankreich,dem südwestlichen Gebiet der Alpen: nach Nordafrika,in die oberitalienische Hochebene: den Rhein entlang, bisnach Holland und England: und bis in die Ostalpen, bisMähren, bis Böhmen ist sie vorgedrungen. Eine Ausstrahlungdieser völligen Gemeinschaft ist zu allen Jahrhundertenwirksam gewesen. Immer wieder ist dieser heilige Funke zu<strong>einer</strong> heiligen Flamme entfacht worden. Und niemals wirddieser Funke verlöschen. Denn der Heilige Geist zieht sichvon der Erde nicht wieder zurück, bis das Reich <strong>Gottes</strong> über


aller Welt seine Siege feiern wird, und Frieden, Gerechtigkeit,Freude der Liebe und der Einheit in der ganzen Welt herrschenwerden.1933nur an DeM einen kann die Welt die Sendung Jesu erkennen: ander Einheit der Gemeinde. Aber diese Einheit der Gemeindemuss eine völlige Gemeinschaft sein. Jesus sagt, wie völlig dieEinheit zwischen seinem Vater und ihm ist. Und das ist nunseine Bitte für uns, dass wir ebenso eins sein sollen (Joh.17,21-22). Gibt es dann noch ein Mein und Dein zwischen uns?Nein! Was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Alles,was uns gegeben ist, kommt im Geist der Gemeinde allen zu.So haben wir zuerst Gemeinschaft an den innersten Güterndes gemeinsamen Lebens. Haben wir aber an den Gütern desGeistes Gemeinschaft – die doch die Größeren sind – wie könnenwir sie dann in dem Geringeren verweigern?1934B EVOLLmäCHTIGu NG Z u R S ENDu NGfür <strong>Die</strong>se Mission Musst du eine Bevollmächtigung haben undeine Kraftstation, an der du deinen inneren Rückhalt hast, diedir rechte Hilfe und Korrektur und innere Stütze und innereautoritative Stärkung verleiht. Und das ist die Gemeinde.Letztlich nicht die hier lebende Gemeinde, sondern die drobenist, das Jerusalem das droben unser aller Mutter ist (Gal.4,26).<strong>Die</strong>se höchstgelegene Stadt <strong>Gottes</strong> sendet ihre Lichter auf die


kleinen Scharen, die hier im Glauben vereinigt sind. Je völligersie eins sind, um so mehr Vollmacht empfangen sie.1934es ist etWas grosses, wenn wir einzelne Menschen ansprechenund ihnen dieses und jenes vom Reich <strong>Gottes</strong> sagen;aber es ist etwas viel Größeres, wenn eine historische Tatsachevor die Welt hingestellt wird, die unvergesslich in die Blätterder Geschichte eingebrannt wird als ein Zeugnis der Wahrheitdes Evangeliums. Es ist etwas viel Größeres als die kleineBekehrungsarbeit an einzelnen Menschen, wenn wir zu demgeschichtlichen Akt berufen sein dürfen; wenn wir in <strong>einer</strong>waffenstarrenden, feindseligen, verlogenen, ungerechten Weltden Weg der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit – unbeirrtund unbeeinflusst – mitten in der wildesten Brandunggeschichtlicher Ereignisse durch Tat und Haltung vertretendürfen. Das ist die wahre Berufung der Gemeinde.1933D IE G ESANDTSCHAFT G OTTESWohl erkennt <strong>Die</strong> geMeinDe die Notwendigkeit der heuteherrschenden Gewalten an: nämlich als Notwendigkeit fürdie Ungerechtigkeit der großen Welt. Aber was der Gemeindeselbst anvertraut ist, ist etwas durchaus anderes als die Herrschaftdieser ihr fremden Gewalten. <strong>Die</strong>ses und jenes königlicheReich unterhält seine Gesandtschaft in Paris, Petersburg, Berlin,Rom oder sonstwo. Wo das Gesandtschaftsgebäude ist, istextraterritorialer, sakrosankter Boden. Dort kann niemand denGesetzen desjenigen Staates untergeordnet werden, in dem der


Gesandte lebt, sondern in dem Gebäude der Gesandtschaftgilt vielmehr allein das Gesetz des Landes, welches diese Gesandtschaftausgesandt hat.Gerade so ist es mit der Gesandtschaft Jesu Christi durchden Heiligen Geist s<strong>einer</strong> Gemeinde. Hier gilt allein das Lebensgesetzdes letzten Reiches. Deshalb darf die GemeindeChristi sich nicht einfach den Gesetzen der heute geltendenStaatsgewalt unterordnen und unterwerfen. Sie hat sie zu ehren,aber sie hat ihr nicht knechtisch oder sklavisch unterworfenzu sein (Apg.5,27-29).01934auch iM 20. JahrhunDert bleibt es die Wahrheit: Der Pfad istschmal, der Weg ist schmal, und wenige sind es, die ihn finden!(Matth.7,14) Aber es ist nicht nur ein Weg. Es ist nicht nur einGebirgspfad; es ist schon eine Bergstadt, die allen sichtbar ist.Und weil sie allen sichtbar ist, ist sie von Bedeutung für alle,auch für die, die diesen Weg nicht gehen wollen und nicht indiese Stadt kommen wollen. Denn sie sehen die Möglichkeit,und dadurch wird ihr Blick auf das kommende Reich gelenkt.Und sie müssen sich sagen: “Ja, wenn <strong>Gottes</strong> Liebe so auf unsalle herabkäme, dann würden wir alle in Frieden und Einheitund Gerechtigkeit miteinander leben” (Matth.5,14-16). Dasist der <strong>Die</strong>nst, den wir an der Welt zu tun haben. Das ist daspraktische Resultat der Nachfolge Jesu.1934gott hat geDulD Mit den Menschen. Deshalb hat er die Gemeindedazwischengeschoben, damit in dieser Zeit einzelne


herausgerufen werden könnten, damit in dieser Zeit der Geduldein lebendiges Denkmal mitten in die Welt hineingestelltwerden könnte, damit in dieser Geduld die Kreuzesgemeinschaftdargestellt werden könnte. Was es heißt, mit ihm zusterben, kann nur die Blutsgemeinschaft, die Kreuzesgemeinschaftzeigen. Das kann einzig und allein gezeigt werden inder erniedrigten Gemeinde, in der Zeit zwischen dem KreuzChristi <strong>einer</strong>seits und der Wiederkunft Christi andererseits.1934


6. DIE E INh EIT UND DER hEILIGE G EISTDas leBen soll eine solche Stadtgemeinde werden, dass dasLicht aus den Fenstern der Stadt hinausleuchtet in das Land,so dass an diesem Licht das Land erkennt: Es gibt eine einigeStadtgemeinde! (Matth.5,14) Und das ist der Auftrag Jesu inunserer Zeit, dass solche Stadtgemeinden entstehen, die diesesLicht der völligen Einheit in Gerechtigkeit, Friede und Freudeim Heiligen Geist der Welt offenbaren.1935E INIGk EIT IST möGLICHWir sinD nicht optiMistisch gestimmt für die Politik der Welt,sondern wir sind gläubig gestimmt für das Zeugnis der Einheitder Gemeinde, dass dieses Zeugnis den besten <strong>Die</strong>nst anden Menschen tun kann: Völlige Gemeinschaft und Übereinstimmungist möglich! Sie ist möglich durch den Glauben anGott, an Christus und an den Heiligen Geist. Das ist unsereLebensaufgabe.1935Wir stehen so, Dass in der Arbeitsgemeinschaft (ob nun einHaus gebaut wird, oder was es auch sein mag) die ungebrocheneEinstimmigkeit der ganzen Gemeinschaft Voraussetzung zu je-


der Handlung ist. <strong>Die</strong>se Einstimmigkeit kann nur auf dem religiösenWeg zustande kommen, nämlich dadurch, dass Gottdurch seinen Geist zu jedem einzelnen dasselbe sagt, was er zuden anderen sagt. <strong>Die</strong>se Einstimmigkeit kommt nicht durchÜberreden zustande. Anstelle der gegenseitigen Überredungmuss der Zuspruch <strong>Gottes</strong> durch den Heiligen Geist kommen.<strong>Die</strong>ser Geist versichert uns nicht nur des Heils, – dass eruns angenommen hat –, sondern dieser Zuspruch versichertuns auch der sogenannten „Kleinigkeiten“. Er gibt uns auchgemeinsame Beschlüsse ein, über den Kauf <strong>einer</strong> Wiese, oderwas es sonst sei. <strong>Die</strong> Einstimmigkeit ist das erste Zeichen.Das zweite Zeichen ist die Arbeit selbst. Im allgemeinenwird im Wirtschaftszusammenhang Arbeit getrieben um derExistenzerhaltung der Familie willen, aus dem gesunden Lebensbedürfnisdes Menschen heraus. <strong>Die</strong> Menschen habenoft nur die eine Beziehung zu ihrem Beruf, dass sie sich so ihrBrot verdienen können. Im übrigen ist ihr Leben unabhängigvon ihrem Beruf. Wir bekämpfen das. Ebenso wie Einstimmigkeitzwischen Menschen sein muss und gegeben wird, soauch Einstimmigkeit zwischen Arbeit und Berufung: es musseine solche Arbeit geleistet werden, dass sie dieser Berufungentspricht (Kol.3,17 u.23). Der Mensch muss seine Gabenund seine Kräfte einsetzen, diese Arbeit zu tun. Er tut sie ausdem Geist der Gemeinschaft heraus.1929


E INHEIT, NICHT E INFö R m IGk EITWir glauBen Daran, Dass nur auf dem Boden der Freiwilligkeit,der Freimütigkeit und Offenherzigkeit, eine Überzeugung inEinmütigkeit entstehen kann. Uns ist es niemals unangenehmgewesen, wenn in unserer Mitte ausgesprochen entgegengesetzteÜberzeugungen vertreten wurden. Im Gegenteil, wir haltendas für sehr viel fruchtbarer, als wenn wir nicht die Gelegenheithätten, die entgegengesetzte Meinung zu hören. Wir glauben,dass der freie Austausch der Meinungen zum Ziel führenkann, dass ein überlegener Geist der Wahrheit, der nicht vonuns Menschen herrührt, die letzte Überzeugung schenkt. Dannmöge die Verschiedenheit der Meinungen noch so entgegengesetztgewesen sein; durch die letzte, tiefste Wahrheit werdenalle einig werden, und ein jeder wird aus der Vorratskammers<strong>einer</strong> früheren Überzeugung alle Wahrheitselemente mitbringenund wiederfinden. Und gerade dann, wenn der Kreis sichaus Menschen recht verschiedener geistiger Herkunft zusammensetzt,wird die verschiedenartigste Betonung um so reicherzur Geltung kommen.Nicht von der mit Gewalt erzwungenen Unterwerfungaus kommt man zu gemeinsamer Überzeugung; sondern vonder Freiheit der Meinungen kommt man durch die innerlichüberzeugende Kraft des Heiligen Geistes zur völligen Überzeugungseinheitund wahrhaften Gemeinschaft.1933es ist etWas MerkWürDiges, wenn Menschen zur Einstimmigkeitkommen. Sie ist das Gegenteil von Majoritätsbeschlüssen.


Sie bedeutet, dass niemand, auch nicht im Geheimen, mehreinen Widerspruch, ein Dagegensein in sich hat (1.Kor.1,10).1929es ist eine ungeheure Bindung, wenn man an die Einheitglaubt. Das gerade ist das Furchtbare, dass man im sogenanntenChristentum so uneinig ist, nicht nur in den verschiedenenKirchen, sondern auch unter denen, die mit Ernst Christensein wollen. Und es bedeutet absolut keine Hilfe, wenn mansich vornimmt, über alle die Fragen, in denen man sich nichteinig ist, zu schweigen. Oft ist es so: Hier ist der <strong>Gottes</strong>dienst,hier diene ich Gott, und dort ist mein Beruf, dort lebe ich fürmich und meine Familie. Wie ist da die Einheit und Einigkeitmit sich selbst und den anderen zu finden?Es gibt nichts Größeres und Höheres als die völlige Einheit.Das ist das Geheimnis <strong>Gottes</strong>, die Freude und die Einheitin seinem schöpferischen Geist. Nun ist die Frage offen:Glauben wir wirklich an Gott? Glauben wir, dass er seinenEinheitswillen zum Sieg bringt und dass er ihn jetzt und hierzum Sieg bringt, wenn wir nur nichts anderes mehr wollen alsihn und sein Wesen?1933kEINE m ENSCHLICHE B INDu NGWeil <strong>Die</strong> flaMMe aus der anderen Welt uns erst recht erfüllt,so dürfen wir sagen: Es genügt uns nicht, wenn wir eine gedanklicheÜbereinstimmung in unseren Meinungen finden; esgenügt uns nicht, wenn wir in unseren Willensstrebungen eingemeinsames Ziel feststellen, wenn wir in unseren seelischen


Schwingungen ein gemeinsames gegenseitiges Gefühlserlebnisfeststellen können. Sondern wir fühlen, dass etwas anderesüber uns kommen muss, was uns über dieses rein menschlicheNiveau hinaushebt.1932Wie <strong>Die</strong> strahlung Der Sonne beständig unsere Erde durchdringt,wie der Blitz aus den oberen Wolken die Lichtsendungund Feuersendung herabbringt, so muss in unsere Mitte einElement hereinbrechen, das nicht von uns stammt – auchnicht von unserem edelsten Empfinden –, das auch nicht vondem Allerheiligsten in unserem Wesen herrührt; sondern esmuss wirklich über uns kommen. Es ist etwas, was wir uns gegenseitignicht geben können. Da ist unser Bekenntnis, dass diesesÜberwältigtwerden eine Bewusstseinseinheit unter uns wirkt,die eine völlige Übereinstimmung aller unserer Gedanken,Willenskräfte und seelischen Erlebnisse bringt (Eph.3,14-19).1933Wenn Man fragt, Wie die obere Gemeinde der himmlischenWelten (Gal.4,26; Offb.21,2) auf die <strong>Die</strong>sseitigkeit der Erdeund auf das Leben ihrer Menschenkinder einwirkt, so kann derGlaube nur antworten: Der Heilige Geist ist es, der in dem Heranbringender Gemeinde Jesu Christi immer wieder dasselbebewirkt, welches er in der Urgemeinde Jerusalems bewirkt hat,als er zum ersten Mal über alles Fleisch ausgegossen wurde. Wodie Gemeinde sich in der Wirklichkeit des Heiligen Geistesherabsenkt, ist ihre Wirkung soziologisch dieselbe, wie sie eszum Pfingstfest in Jerusalem war.1933


D ER H EILIGE G EIST SAmmELTes hanDelt sich uM die Tatsache, dass Gott – der alle Dinge geschaffenhat und ohne den nichts ist, was geworden ist – seinenHeiligen Geist über die Erde zu allen Menschen gesandt hat,und dass dieser Geist alle zu sammeln sucht, alle zusammenzubringensucht. Durch diesen Geist wurde Jesus unter dieMenschen in diese Welt gestellt, und wiederum hat er diesesammelnde Kraft des Heiligen Geistes bezeugt und hat gesagt:„Wie oft habe ich eure Kinder versammeln wollen, aber ihrhabt nicht gewollt“ (Matth.23,37). Und er wurde hinweggenommenvon denen, die sich nicht sammeln lassen wollten; erwurde getötet durch den Geist der Zerstreuung, der auseinandertreibendenMacht.Und als der Lebendige kam er wieder zu den Seinen:„Nehmet hin den Heiligen Geist! Wie mich der Vater gesandthat, so sende ich euch“ (Joh.20, 21-22). Und: „Was ihr aufErden zusammenbringen werdet, das wird zusammengebrachtsein, und was ihr lösen werdet, wird gelöst sein; wasihr binden werdet, wird gebunden sein“ (Matth.18,18). Vondiesem Augenblick an trieb es die von diesem Geist ergriffenenHerzen dazu, zusammen zu sein. Sie waren zunächstzusammen in heiliger Erwartung und in gespanntester Not,aber doch lange Wochen. Und diese gespannteste Erwartung,sie war und ist und bleibt die Vorbedingung für die völligeVereinigung. Denn die völlige Vereinigung kommt nicht zustandedurch das Zusammensetzen der menschlichen Geisterin eine Einheit der geistigen Wesenheiten, die die Menschenein jeder in sich tragen, sondern vielmehr einzig und allein


durch das Herniederkommen, Hereinbrechen, Hinunterfahrenjenes Geistes, der kein Menschengeist ist.1932Wir Wollen Den heiligen Geist darum bitten, dass die Lichtgemeindeder Liebe aus allen Jahrhunderten – aus allen Ewigkeiten– zu uns herniederstrahlt und wir völlig mit ihr verbundenwerden. Wir wollen darum bitten, dass der Gemeindegeistmit all seinen Gaben und Kräften über uns kommt und unsentzündet, und dass auch wir an unserem bescheidenen Platzmit eingesetzt werden dort, wo er uns hin haben will: nicht,wo wir uns hin haben wollen – als ob wir unser Schwert selbstgürten könnten –, sondern dahin, wo <strong>Gottes</strong> geschichtlicheund übergeschichtliche Weltregierung uns jetzt haben will.Wir wollen bitten, so von ihm geführt zu werden, dass das inuns angezündete Feuer seine Aufgabe erfüllen kann.1933vor allen Dingen Müssen wir zur Ehrfurcht vor der Tatsache desHeiligen Geistes hindurchdringen, so dass wir die kleinlichenAngelegenheiten der persönlichen Interessen, der körperlichenGesundheitszustände und der seelischen Herzensbedürfnissevöllig in dieser großen Flamme opfern. Es wird alles darauf ankommen,ob die große Stunde ein Geschlecht findet, welchesdieser Größe entspricht. Auf Seiten des Menschen gibt es nureins, was der Größe des Reiches <strong>Gottes</strong> entspricht, das ist dieTodesbereitschaft. <strong>Die</strong>se aber müssen wir in dem Kleinkramdes täglichen Lebens beweisen, sonst werden wir sie auch nichtin der kritischen Stunde der historischen Wende aufbringen.


Was wir für unser jetziges gemeinsames Leben brauchen,ist die völlige Überwindung aller kleinlichen Gesichtspunkteund Gefühle, die gänzliche Drangabe aller rein persönlichenBetrachtungsweise: die Angst, die Sorge, die innere Unsicherheit,kurz gesagt, die Ungläubigkeit. Und anstelle dessenmüssen wir einen Glauben haben, der so klein aber auchso triebfähig ist, wie ein Saatkorn (Luk.17,6). Wir brauchennicht mehr und nicht weniger. <strong>Die</strong>ser Glaube aber ist in Christusund in seinem Heiligen Geist in unserer Mitte wirksam.Wir haben das empfunden, aber wir haben nicht danachgelebt. Wenn dieser Heilige Geist sich nun von uns zurückziehenmüsste, weil wir ihn betrübt und verscheucht haben,weil wir ihn ohne Ehrfurcht gering angesehen haben, weilwir unsere eigenen Angelegenheiten höher eingeschätzt habenals den Heiligen Geist, so können wir nur bitten: Lass deinGericht über uns ergehen in d<strong>einer</strong> bis aufs letzte gehendenBarmherzigkeit. Und wir wollen glauben, dass dieses Gericht inBarmherzigkeit, dass diese Barmherzigkeit im Gericht uns endlichfür die Sendung zubereitet, so dass wir befreit und losgelöstvon allem Eigenen zu diesem <strong>Gottes</strong>willen verfügbar werden.1928üBER DAS pERSö NLICHE HINAu Ses ist sehr viel persönliche Frömmigkeit verbreitet worden,leider aber nur im Sinne des sogenannten rein religiösen Einzelgebietes,das es natürlich vor Gott nicht gibt: Rein religiöseBewegungen, die sich auf Predigt und Glaubensbekenntnis beschränken,die sich auf private Heilandserfahrung und kleinste


persönliche Heiligung beschränken und einengen. Solche Bewegungensind in den letzten Jahren viel aufgekommen.So sehr wir uns freuen, dass Menschen für die Liebe zuJesus und für die Erfahrung der Sündenvergebung in seinemKreuzestod erweckt werden, so sehr müssen wir doch demgegenüberfeststellen, dass die Liebe Christi und die Bedeutungseines Kreuzestodes nicht erfasst ist, wenn man ihre Auswirkungeinfach auf die subjektive Heilserfahrung beschränkenwill. Es war schon seit Jahren vorauszusehen, dass der Einflussder neueren Theologie hier verheerend wirken musste. Auchdaran war etwas Großes, dass gezeigt wurde: Gott ist ganzanders als Bewegungen sozialer Tätigkeit und persönlicherFrömmigkeit. Aber die einseitige Betonung dieser Tatsache,die den lebendigen Gott in weite Ferne entrückte, musstedie soziale Verantwortung herabdrücken oder zum Erlöschenbringen.01934in <strong>Die</strong>ser evangeliuMsverkünDigung Des begnadigten Sünders,der nun ein Heiligungsleben führen darf, um immer mehrChristus anzugehören, ist etwas wirklich christliches, wasin der ganzen Bibel und im Neuen Testament enthalten ist(Kol.1,28). Deshalb sind wir dankbar, dass solche Bewegungenimmer wieder aufgetaucht sind, um sich von Jesus als ihremHeiland für Gott reinigen zu lassen. Das ist eine große Gnade,dass solche Strömungen innerer Belebung und Erweckung immerwieder über die Menschen kommen. Und wir sind dankbar,dass sehr viele von uns in ähnlichen Strömungen etwas vonChristus erfahren und gespürt haben. Aber es ist eine ebenso


wichtige Beobachtung, dass diese rein persönliche Betrachtungsweisenicht auf lange Zeit befriedigt. Es ist so, dass diesesErfahrungs-Christentum, das sich auf die einzelne Seele konzentriert,nicht lange ertragbar ist.1934für <strong>Die</strong> offenBarung Des Geistes gibt es keine Grenze, am wenigstendie Grenze, die Geist und Materie voneinander trennt.Der Heilige Geist ist ein schöpferischer Geist; er sucht denWeg vom Herzen <strong>Gottes</strong> aus bis in die Gegenstände hinein.Wir glauben daran, dass der Wille des Heiligen Geistes unddie Gemeinschaft in der Wahrheit gerade in der Materie erwiesenwerden muss, auch in der Arbeit der Menschen am Stoffder Erde.Wir glauben daran, dass in dem allen – in dem scheinbarÄußersten des Daseins – sich die Einheit des Geistes ebensoerweist wie in den innersten Dingen des Glaubens. DerGlaube will in der Liebe tätig sein; das bedeutet, dass derGlaube durch die Liebe die Gegenstände umgestalten will imSinne des Reiches <strong>Gottes</strong> und s<strong>einer</strong> Gerechtigkeit. Deshalbmuss unsere Einheit sich auch auf die rein materiellen Dingeerstrecken. Und je mehr wir vom Geist inspiriert sind, umsomehr werden wir die Materie bewältigen.1935in unserer alten natur können wir nichts Vollkommenes,nichts Gutes darstellen, auch wenn sie noch so klar biblischorientiert ist. Aber in der Neuschöpfung, in Christus – in seinemGeiste, überall wo sein Geist ungebrochen, ohne Verzerrung und


Karikatur ist – enstand diese unzerstörbare Gemeinschaft unterden Menschen. Fass es, wer es fassen kann! <strong>Die</strong> biblische Wahrheitist nicht verstandesmäßig, nicht logisch, sondern überlogisch.Nur dem Glaubenden wird sie zuteil (1. Kor. 2, 12-13).<strong>Die</strong> praktische Frage ist die: Wir wollen glauben, dass derHeilige Geist in vermehrtem Maße über die Gemeinde ausgegossenwird. Wir wollen glauben, dass Jesus unter uns trittund uns sein Herz aufschließt, damit wir so leben wie er unddas öffentliche Leben ebenso beeinflussen, wie er es tat. Wirwollen es versuchen, in seinem Zukunftsstaat als Gemeindeden Auftrag zu erfüllen, das Korrektiv zu leben aus der Gnadedes innewohnenden Christus heraus. Wir wollen seine volleLiebe wagen mitten in der Welt, unter Drangabe der eigenenRechte bis auf das letzte Vorrecht – des Leibes, des Gutes– und wollen bis zur letzten Wehrlosigkeit Jesus folgen.1929


7. LE b ENSGEm EINSchA f TGüTERGEm EINSCHAFT A u F L IEBE GEGRü NDETJesus zeigte es, Was Liebe bedeutet: dass sie keine Grenzenkennt und vor keinen Schranken haltmacht. Niemals kann siedadurch zur Ruhe gebracht werden, dass irgend welche Verhältnisseihre Betätigung als unmöglich erscheinen lassen. Fürden Glauben der Liebe war nichts unmöglich und ist nichtsunmöglich (1.Kor.13,7-8). Deshalb macht Jesus mit seinemLiebesdrang auch nicht vor dem Besitz, vor dem Eigentumhalt. Als er ainen reichen Jungen liebgewann und dieser vieleGüter aufzuweisen hatte, schaute ihm Jesus ins Herz und sagteihm: “Es fehlt dir noch eines: Verkaufe alles, was du hast undgib es den Armen, und komm, geh’ mit mir” (Mark.10, 21).1919so kaM es, Dass die erste Gemeinde in Jerusalem sofort alleGüter verteilte. Sobald der Geist Christi über sie kam, konnteniemand mehr sein Eigentum behalten. <strong>Die</strong> Liebe trieb siedazu, alles zu den Füßen der Apostel zu legen. Und die Apostelmit Hilfe der Verwalter der Existenzmittel verteilten alles(Apg.6,2-6). <strong>Die</strong> Liebe Christi führt zum Aufgeben des Eigentumsund zur Gemeinschaft der Güter (Apg.4, 32-37). Dennda wird der Egoismus an der Wurzel getroffen.1935


Das geBen Des Mantels, wenn nur der Rock gefordert wurde,entspricht wirklich der Liebe. Aber stärker ist das Einsetzen derzweiten Arbeitstunde, wenn die erste gefordert wird (Matth. 5,38-42)! Das Bekämpfen des Eigentums setzt als Tieferes dieTötung des Eigennutzes, der Eigenliebe, des Eigenwillens undder Ichbetonung voraus.1929religion unD fröMMigkeit versagen, wenn sie sich nicht in Tatund Wahrheit als wirkliche Gemeinschaft ausprägen (1.Joh.3,17-18). Jesus sagt: Liebe Gott! Und das andere ist dem völliggleich: Liebe deinen Nächsten! Es gibt keine wahrhafte Liebezu Gott, wenn sie nicht eine wahrhafte Liebe zu den Menschenist, und umgekehrt (Matth. 22, 36-39). Das ist auch unsereErfahrung: Gemeinschaft ist durch den Geist, der von Gotther zu uns kommt, möglich. Und wenn dieser Geist uns erfüllt,ist wirkliche Nächstenliebe und vollkommene Gemeinschaftunter uns.1935N ICHT VON mENSCHEN A u FGEBAu TgeWiss ist es richtig, dass Gott an den Menschen wirkt, an allenMenschen. Aber sobald dieser Glaube sich dahin übersteigert,dass man an sich selbst und an andere Menschen glaubt, istman auf dem Holzweg. Wir müssen so an Gott glauben, dasses nicht auf den einzelnen Menschen ankommt, sondern aufGott; und dass die einzelnen Menschen sich gemeinsam diesemWillen hingeben, der in uns, aber auch durch uns hindurchwirkt. Wir selbst sind gleichsam das Transparent, so dass unser


eigenes Wesen dabei gar nicht in Betracht kommt, sonderndass das Wirken <strong>Gottes</strong> das ein und alles der Sache ist. So alleinwird Gemeinschaft. Ich glaube nicht, dass auf anderem WegeGemeinschaft werden kann. Auch wenn ein Mensch noch sodemütig, zurücktretend und hingegeben ist, aus s<strong>einer</strong> eigenenKraft kann Gemeinschaft nicht werden (2.Kor. 12, 9).1933unser glauBe an gott ist kein Wunschgebilde unseres Herzens.<strong>Die</strong> Grundlage, auf der unsere Gemeinschaft beruht undallein bestehen kann, ist Gott. Andererseits können wir nichtsagen: Wir haben die Grundlage gekauft. So ist es nicht. Wirsind keine Besitzenden in diesem Sinne. Wir haben keinenreligiösen Besitz, sondern es muss uns täglich neu geschenktwerden. Wir müssen diesen furchtbaren Gedanken offen aussprechen:Es kann uns jeden Tag verloren gehen. Wir könnennur sagen: Wir werden durch <strong>Gottes</strong> Gnade auf diese Grundlagegestellt. Denn wir glauben nicht durch unsere natürlichenEigenschaften, sondern wir müssen durch den Heiligen Geistzum Glauben gebracht werden.1933Wir sinD keine haBenDen! Und wenn wir gedacht hatten, wirhätten die Gemeinschaft, so haben wir jetzt gesehen, wir habensie nicht. Das ist gut, dass wir das gesehen haben. Gemeinschaftist einzig und allein in Christus und in seinemlebendigmachenden Geist. Vergessen wir ihn und verlieren wirseinen Einfluß – gehen wir s<strong>einer</strong> Einwirkung verlustig –, so istes aus mit der Gemeinde und der Gemeinschaft (Joh.15,5).1935


kANN DIE u NSICHTBARE G E m EINDE SICHTBARWERDEN?<strong>Die</strong> unsichtBare kirche Muss sichtbar werden. Dazu ist dieGemeinsamkeit der Güter und die Tisch und Arbeitsgemeinschaftnötig. <strong>Die</strong> Kirche Christi ist überall unsichtbar wirksam– überall, wo Menschen vom Geist Jesu Christi ergriffen undbewegt sind. Das Leben in völliger Gemeinschaft aber ist einesichtbare Darstellung dieser unsichtbaren Einheit im Geist. Sieist es im ganzen Leben, nicht nur in kultischer Verkörperung.1935aus Den Quellkräften Des Geistes geht der Strom der Einheitauf alle Lebensgebiete über. Zunächst in das seelische Verhältnisder Gemeindeglieder von Herz zu Herz. Und weiter ergreiftdieselbe Kraft der Einheit auch das Materielle, das uns umgibt.<strong>Die</strong> Geistesgemeinschaft wird Erziehungs und Arbeitsgemeinschaft,und die Arbeitsgemeinschaft ist natürlich auch Gütergemeinschaftohne Privateigentum. Denn die Macht, aus derwir leben, ist Liebe. Liebe ist Freude aneinander. <strong>Die</strong>se Freudeaus der tiefen Quelle der Einheit macht es uns möglich, alleshinzugeben. Das Hingeben <strong>einer</strong> Geldsumme bedeutet nichtsgegenüber der Hingabe aller Kräfte (Luk.9,23 24). Vermögenentsteht aus Gütern der Erde und der menschlichen Arbeit.Wir teilen beides, die Güter der Erde und die Kräfte der Arbeit.Aber in dem allen wollen wir nicht für uns selbst leben im Kollektivegoismus,um uns selbst als Gemeinschaft zu erhalten. Sondernwir bezeugen die Möglichkeit: Man kann in Gemeinschaftleben! Wir bezeugen die Wirklichkeit: Man lebt wirklich in


Gemeinschaft! Wir bezeugen die Quellkraft dieser Möglichkeitund dieser Wirklichkeit, die im zukünftigen Reich <strong>Gottes</strong>liegt.1934Das sinD alles hinDernisse: Empfindlichkeit, Rechthaberei,Ichsucht, Denken an sich selbst. Sich selbst anders einschätzenals die anderen ist tödliches Gift (Phil. 2,3). Wer noch so steht,ist durchaus gemeinschaftsunfähig. Er wird nicht in der Lagesein, die Einheit der großen Sache zu erleben. Hier ist der entscheidendePunkt. Wohl ist es schon eine Hilfe, wenn wir anden Zustand der anderen Menschen denken und das Beste inihnen zu schauen suchen. Man sieht vielleicht die Fehler andererin einem ungewöhnlich krassen Lichte und vergisst, dass manselbst ein schwacher Mensch ist. Man sollte nicht versuchen, dasbesser zu machen, was der andere verkehrt macht. Wir müssenuns mit den Unvollkommenheiten der Menschen abfinden.1933I ST G E m EINSCHAFT G OTTES W ILLE?gast: Du Meinst also, der Bruderhof sei <strong>Gottes</strong> Wille?Eberhard: Nicht der Bruderhof, aber die völlige Gemeinschaft.Was wir als wichtig erkannt haben, ist das, was Jesus mit seinenJüngern gelebt hat und die erste Jerusalemer Gemeinde.Und ferner ist das alttestamentlich prophetische Wort ebenfallsals Wort <strong>Gottes</strong> empfunden (Ps.133), dass wir als Gemeinde– dem Wort <strong>Gottes</strong> entsprechend – in Frieden undGerechtigkeit und Freude zusammenleben sollen, wie es der


Apostel Paulus sagt (Röm. 14,17). Unser ganzes Leben soll nurden Weg bescheiden andeuten.1935Wir glauBen an <strong>Die</strong> Barmherzigkeit <strong>Gottes</strong> für alle Menschen.Aus diesem Grunde haben wir nicht das Bedürfnis, alle Menschenzu Bruderhöfern zu machen. Wir freuen uns über jeden,der mit uns in Gemeinschaft tritt. Es ist nicht so, dass wir dieMeinung hätten: Wer nicht zu uns kommt, den geben wir verloren.Sondern der Auftrag an die Menschheit ist es, der unsbestimmt, bis an unser Lebensende so zu leben. <strong>Die</strong>ser Auftragwird nicht dadurch erfüllt, dass recht viele einzelne mit uns inGemeinschaft treten möchten. <strong>Die</strong>ser Auftrag heißt einfach,so zu leben, dass die Liebe <strong>Gottes</strong> in unserem Zusammenlebenals Einheit offenbar wird. Wenn immer wieder mit Recht aufdas entscheidende Wort der Bibel hingewiesen wird: „Gott istdie Liebe,“ so ist das weil wir davon durchdrungen sind, dasses so ist; auch umgekehrt: „Wo wahre Liebe ist, da ist Gott“(1.Joh.4,8 u.11 12).Und nun ist es uns klar, dass diese wahre Liebe Einheit undGemeinschaft bedeutet, gegenseitige Hilfe, <strong>Die</strong>nst, Verzichtauf das Eigene und Freude aneinander! So wird uns die Liebezur Einheit! So können wir sagen: Gott ist die Einheit! Undwer in der Einheit bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm(1.Joh.4,16).1935


W ELTFLu CHT?Der ursprung unserer leBensgeMeinschaft hat seine Wurzelin der allgemeinen Not. Wir sind nicht aus den Großstädtenfortgegangen, um uns zurückzuziehen. Wir haben nicht denscheinbar so einsamen Berg aufgesucht, um uns dem Werk deröffentlichen Verantwortung zu entziehen. Sondern wir habengeglaubt, dass die gemeinsame Konzentration der beste Wegzur öffentlichen Wirkung ist. <strong>Die</strong> Auswirkung auf das Ganzeist noch heute das erste und letzte Motiv unseres Gemeinschaftslebens(Joh.17,20 23).1932nun WunDern Wir uns immer wieder darüber, dass die Menschendie Meinung vertreten, wir lebten nicht mehr in derWelt, wenn wir auf einem Bruderhof oder in <strong>einer</strong> anderenLebensgemeinschaft vereinigt sind. Wir leben ebenso mittenin der Welt wie irgend jemand anders. Wir sind keine Gespenster,sondern Menschen von Fleisch und Blut, mitten aufder Erde. Und auch wir müssen bitten, dass wir mitten in derWelt bewahrt werden vor dem Bösen, sonst sind wir verloren(Joh.17,15 16). Wir haben es also hier mit <strong>einer</strong> Vergeistigungder Worte Jesu zu tun, die einen falschen Geist enthüllt. Es isteine Umbildung des biblischen Realismus in ein Dämmerlichtvon Unklarheit.1933<strong>Die</strong> erfüllung Des apostolischen Wortes, dass niemand aufden eigenen Nutzen sehe, sondern nur auf den des anderen(1.Kor.10,24), kann nur im Gemeinschaftsleben der völligen


Hingabe gefunden werden, wenn Gemeinschaftseigentumhergestellt wird. Freilich darf dieses Gemeinschaftseigentumkeinen Kollektivegoismus verkörpern. Es soll nicht eine Nutzungsgesellschafteines gemeinsamen Unternehmens sein,nicht ein Kompanie Geschäft einiger Kompagnons. Sonderndas, was das Gemeinschaftseigentum verkörpert, muss hineingegebensein in den <strong>Die</strong>nst an allen Menschen, an die völligeGemeinschaft des zukünftigen <strong>Gottes</strong>reiches für die ganzeMenschheit, an den Glauben, der sich in positivem Christentumder ganzen Menschheit zukehrt.01935D IE mACHT DES G ELDESDer sünDenfall BestanD in folgendem: Der Mensch eignetesich das an, was ihm nicht von Gott gegeben war, sondern wasihm der Teufel gab. <strong>Die</strong>ses Sichaneignen des Eigentums ist dieWurzel der Sünde. <strong>Die</strong>ser begehrliche Wille, etwas für sich habenzu wollen, ist das Wesen des Bösen. Das ist die Geschichtevom Apfel (obgleich von einem Apfel in der Bibel nichtdie Rede ist). Und das, was dem Menschen von Gott gegebenwar, das verschmähte der Mensch, das verwarf der Mensch,nämlich die Gemeinschaft mit Gott. Das von Gott Gegebeneverachtete er. Das nicht von Gott Gegebene eignete er sich an.Und deshalb ist der Mammon der Teufel (Matth.6,24ff).1935Das Böse ist nicht nur eine Idee, sondern eine Wirklichkeit.Der Tod und das, was zum Tode führt – was zur Zerstörung,zur Zertrennung, zu Misstrauen und Zerspaltung führt – ist


öse. Das Zerstörende an der Prostitution ist das Böse. DasBöse besteht nicht einfach in der Abwesenheit des Guten, dassman abseits von <strong>Gottes</strong> Leben steht. Man darf es sich nichtso denken, dass das Böse nur eine Negation des Guten ist,dass das Böse nur ein Manko, ein Defizit ist. Der Tod ist eineMacht, der Mammon ist eine Macht. Das Geld ist eine Verkörperungdes Satans, es ist der verkörperte Teufel. Ebenso istes mit dem Mord und der Unreinheit; das ist eine Macht, dieda vorhanden ist, eine ungeheure Gewalt (Joh.8,44). Wenndas Geld nichts anderes wäre als ein Tauschmittel für die Güterder Erde und die Arbeit der Menschen, dann wäre es nichtsBöses. Aber es ist nicht wahr, wenn man behauptet, das Geldwäre nur ein Tauschmittel, sondern es ist ein Machtmittel.Darin liegt das Satanische, dass es ein Machtmittel ist über dieMenschen. Innerhalb <strong>einer</strong> Gemeinschaft braucht man keinGeld. Innerhalb eines wirklich gemeinsamen Lebens ist Geldabsolut unnötig; es ist ganz und gar gemeinschaftswidrig.1935in unreiferen MoMenten Des Anfangs hat auch Sannerz an„Taschengeld“ gedacht. Heute wissen wir, dass jedes Einzelgeldden Tod des Bruderschaftskommunismus mit sich bringt.Juni 1930.Jesus hat Den kaMpf gegen das Eigentum eröffnet. Er hatte jadas Eigentum verlassen – alle Vorrechte hatte er verlassen, allsein Eigentum hatte er aufgegeben –, um den Weg der Liebeund des Opfers zu beschreiten (Matth.8,20).


Er war das Beispiel darin, dass er kein Eigentum habenwollte. Von der Krippe bis zum Kreuz war er der Ärmste.Sammelt euch keinen Schatz, sammelt euch kein Vermögen,sondern spart euch lieber etwas anderes auf: nämlich dieLiebe eurer Mitmenschen. Lasst doch das vergängliche Vermögendes vergänglichen Geldes und nehmt statt dessen dasunvergängliche Vermögen; dann werdet ihr reiche Menschenwerden (Matth.6,19-20).1931Jetzt aBer WirD ein Neues von euch gefordert, nämlich, dassihr diese übelste Ausgeburt der gottverlassenen Materie, dasGeld, auch treu verwalten könnt, damit ihr auch mit dieseneuch innerlich fremden Dingen etwas tut, was Reich <strong>Gottes</strong>ist. Das fordert selbstverständlich, dass das Geld sofort ausgegebenwird. Wenn ihr es weggebt, wird alles darauf ankommen,dass ihr es am rechten Fleck weggebt; nicht dass ihr es beliebigirgendwelchen Kapitalisten in den Rachen werft, sondern dassihr dieses Geld so weggebt, dass andere Werte geschaffen werden,die nicht mehr finanziellen Charakter tragen – die nichtmehr dem Geist, der euch beseelt, fremd sind – Werte, die vorder Ewigkeit bestehen können…Wenn der Mensch zur Einsicht der persönlichen Sündekommt, dann durchfährt ihn ein eisiger Schrecken. Esscheint ihm unmöglich, dass er durch Christus mit dem Herzendes Vaters und der Gemeinde Jesu Christi vereinigt werdenkönnte, und gerade weil es ein solcher letzter Schreckenund eine solche Unfassbarkeit ist, fängt an diesem Punkt derGlaube an.


Und geradeso ist es mit den wirtschaftlichen Dingen. Wennwir in die letzten Schrecken dieser Dinge geführt werden, undwenn wir vor der völligen Unfassbarkeit stehen, wie denn einüberirdischer Geist diese irdischen Dinge bewältigen könnte,gerade dann fängt der Glaube an. Und nur der Glaube ist derWeg, der uns gegeben ist. Einen anderen Weg haben wir nicht(Matth.6,24 34). Und dieser Glaube ist Treue, Vertrauen. Soist das Glaubensgeheimnis dieses, dass wir an Geld , Arbeits, Acker und Werkstättenfragen, Hausbauten, Büroarbeiten,Geldeinnahmen, Geldausgaben für alle diese Dinge so herantreten,dass der Heilige Geist das Werk gestaltet. Deshalb istes so gesund, wenn wir uns unsere Wirtschaftslage so klar wiemöglich vor Augen halten, damit dieser Schrecken und dieseUnfassbarkeit des göttlichen Geschehens uns wirklich bis insTiefste ergreift.1934G E m EINSCHAFT IST A RBEITWir glauBen an Das Christsein der Tat. In der gemeinsamenArbeit erkennt man am besten und schnellsten, ob man inlebendigem Glauben zu wirklicher Liebe und zu wahrer Gemeinschaftbereit ist. <strong>Die</strong> Arbeit gilt als das entscheidendeKennzeichen, ob der Glaube echt ist.1934Das praktische glauBensgeheiMnis <strong>einer</strong> Lebensgemeinschaftbesteht in den Beziehungen zwischen den Dingen des Glaubensund der Arbeit (Kol.3,23 24). <strong>Die</strong> meisten Menschen findenkeine Beziehungen zwischen diesen beiden Lebensgebieten.


Auch bei solchen, die wirklich ein Erfahrungschristentum bezeugenkönnen, klafft beides gänzlich auseinander.Auf der einen Seite steht man in seinem inneren Leben inden heiligsten Bereichen und sucht sie festzuhalten; auf deranderen Seite wird das praktische Leben der menschlichenArbeit immer weiter dem Heiligen Geist entrückt. In dieserGefahr stehen auch wir, denn wir sind Menschen, genau wiealle anderen. Wir unterscheiden uns von anderen Menschenin k<strong>einer</strong> Weise. Aber eins ist uns gegeben in der Gemeinde wahrhaftgemeinsamen Lebens, dass wir das Geheimnis geahntund geschaut haben, welches diese beiden Lebensgebiete ineine Beziehung zueinander gebracht hat, die uns vorher gänzlichunbekannt war. Und diese tiefe Beziehung dieser beidenLebensgebiete ergibt sich aus dem apostolischen Glauben.Wir glauben an den Schöpfer der ersten Natur ebenso, wie anden, der uns zur <strong>neuen</strong> Schöpfung erlöst, und an den Geist,der uns dieser <strong>neuen</strong> Schöpfung zuführt.1934Das geBet Darf nieMals die Arbeit im Reiche <strong>Gottes</strong> und ins<strong>einer</strong> Gemeinde verdrängen. Wenn wir Gott ernsthaft bitten,dass sein Wille auf der Erde Tat wird, dass sein Charakter inWerken offenbar wird, dass seine Herrschaft die Menschen zuEinheit, Gerechtigkeit und Liebe führen soll, so wird unser LebenArbeit sein. „Der Glaube ohne Werke ist tot“ (Jak.2,17).Gebet ohne Arbeit ist Heuchelei. Das Vaterunser ohne die Lebenshaltungdes <strong>Gottes</strong>reiches ist Lüge. Das Gebet Jesu willuns dahin stellen, wo sein Inhalt geschieht, also Ereignis undGeschichte wird. Das gemeinsame Leben unserer Bruderhöfe


ist der gottgewiesene Platz, an welchem wir unsere gesamte Arbeitskraftdafür hingeben dürfen, dass Gott geehrt wird, dasssein Wille getan wird, und dass sein Reich kommt. Ohne dieTat und Arbeit der Gemeinschaftsliebe würde der Baum unseresLebens totkrank und gerichtet sein.1929Das natürlichste glück Des Menschen besteht in der Lust gesunderSchaffenskraft, in der Freude am Gelingen der Arbeit.Freilich muss in dem Reich beglückender Arbeit jeder Menschs<strong>einer</strong> Anlage und s<strong>einer</strong> inneren Interessen nach diejenige Tätigkeitentfalten, die ihm am nächsten liegt und ihm die größteFreude macht.Der übliche Einwand gegen eine solche „Utopie“, dass k<strong>einer</strong>ohne Zwang die niedrigsten Arbeiten in Angriff nehmenwürde, beruht auf den falschen Voraussetzungen der verdorbenenMenschheit. Heute fehlt gewiss den meisten Menschenjener Geist der Liebe, der uns die geringste und äußerlichsteArbeit zur beglückenden Freude macht. Wenn wir aber einengeliebten Menschen zu pflegen oder zu versorgen haben, verschwindetuns sicherlich der Unterschied zwischen ehrenderund erniedrigender Arbeit. <strong>Die</strong> Liebe hat ihn aufgehoben undmacht uns alles zur Ehre, was wir für den Geliebten tun.Es ist Tatsache, dass die ungesunde Entwicklung unsererKultur vielen die körperliche Arbeit als minderwertige Betätigungerscheinen lässt, an der man keine Freude haben könne.Aber in Wahrheit ist der Mensch gar nicht darauf gerichtet,sich unausgesetzt mit den idealsten Gegenständen des Geisteszu befassen. Wenn der Mensch gesund ist, sehnt er sich nach


körperlicher Bewegung – nach der schlichten Arbeit desLandes, nach der Freude an Sonne und Licht, an Berg undWald, an Pflanze und Tier, an Acker und Garten. Zu gesunderFreude am Dasein, an Gott und s<strong>einer</strong> Schöpfung kanner nur gelangen, wenn er auch die Naturlust an körperlicherBetätigung kennt.1919V EREINIGu NGkeine geMeinschaft, <strong>Die</strong> für sich selbst da ist, kann bestehen(Joh.15,4). Sie ist Sekte in dem Sinn des Abgeschnittenen. Sieist verloren in Vereinzelung, auch wenn sie noch so sehr Gemeinschaftüben sollte.1929Wir hatten <strong>Die</strong> geschichte der Jahrhunderte und Jahrtausende,die Länder und die Erdteile planmäßig und gründlich nachMenschen durchsucht, die in völliger Gemeinschaft – in völligerLiebe und in völligem Frieden, in völliger Freiheit des Geistesund in völliger Einheit desselben Geistes – zusammenlebten.Immer hatten wir nach Gefährten des Weges, nach erprobtenund bewährten Fahrtengruppen und Wandergemeinschaftendesselben Weges gesucht. Niemals lag uns das Geringste daran,eine eigene Sache zu gründen oder ein eigenes Werk zu erhalten.Niemals kam es uns auch nur im geringsten darauf an, eine sogenannteSelbständigkeit eines eigenen Unternehmens zu behauptenoder den Namen eines eigenen Lebenswerkes zu gewinnen.Hinweg mit allem Eigenen! Nur auf das eine kam es uns an:auf die Klarheit des Rufes, den wir überkommen hatten, auf


die Reinheit der Freiheit und auf die Wirklichkeit der Einheit!Nur dieses eine sollte erhalten und vertieft werden! So suchtenwir nach Menschen und nach Menschenscharen, nach Menschengruppenund nach Menschenvölkern, die uns das Lebendieses Rufes zur Freiheit, zur Reinheit und zur Einheit besservorleben könnten, als es uns gegeben war.Und wirklich trafen wir auf manche Gemeinschaftsversuchegrößerer und kleinster Kreise, ältesten und neuesten Ursprungs.Wie freuten wir uns an jedem Tröpfchen Leben, daszum größeren Leben strömte, an jedem kleinsten lebendigenOrgan, das die Einheit eines größeren Organismus erwiesenhatte! Alle kleinen Lebensgruppen unserer eigenen und benachbartenLänder waren freilich jungen und schwachen Ursprungs.Zugleich aber fanden wir einige Bewegungen, die ingroßer Kraft zwei oder drei oder vier Jahrhunderte in völligerGemeinschaft durch den befreienden und einigenden Geistgelebt hatten und heute noch leben!1935


8. bUß E UND TAUf EWAS IST SüNDE?<strong>Die</strong> Mehr als sternenWeite Gottentfremdung des menschlichenGeschlechts ist die alleinige Ursache der absteigenden Verdorbenheitder Menschen, auch ihrer Verdorbenheit im physiologischenSinne (Röm.1,18 32). Leben heißt, von sich abstossen,was sterben will. Wir sind in unserer Sünde hoffnungslos krank– aussichtslos Sterbende – wenn wir nicht von ihr, von dem Bösenfrei gemacht werden (Röm.6,20-23). Hass und Mord, Lügeund feige Unlauterkeit, unreine Gier und perverse Entartungder Sinne erweisen sich als lebenzerstörende Mächte. Sie tötenmit langsamer Sicherheit die letzte Lebenskraft in uns, währendsie uns gesteigerte Lebenslust vortäuschen.1919ist JeDe sünDe eine Krankheit? <strong>Die</strong> Gefahr bei dieser Ausdrucksweiseist, dass die Verantwortlichkeit abgeschwächt wird. Das istüberaus gefährlich. Dass der Tod über der Menschheit liegt, isteine Krankheit; aber die Offenbarung der Wahrheit geht dahin,dass die Sünde das Gift des Todes ist. Wenn wir nicht durch dieSünde verhaftet wären, würden wir nicht sterben (Röm.5,12).Und die Sünde ist eine Tathandlung des Menschen, ist Loslösungvon der Gemeinschaft mit Gott, ist Anknüpfung <strong>einer</strong>


schlechten Gemeinschaft mit Gott feindlichem, Anknüpfung<strong>einer</strong> Giftverbindung. Es ist das Lebenzerstörende, was die Gemeinschaft<strong>Gottes</strong> – den Lebenszusammenhang mit Gott, denlebendigmachenden Geist – verlässt. Für diese Willenshandlungsind wir verantwortlich, auch wenn wir die Erkenntnishaben, dass das mit der Krankheit des Todes zusammenhängt.Wir bleiben dennoch verantwortlich.1933Wir Dürfen Das leBen nicht so hinnehmen wie es ist. Wir müssenvielmehr zu den Freuden und Leiden des Lebens Stellungnehmen. Wenn auch das Feindseligste irgendeinen Sinn imLaufe des Geschehens hat, so muss doch ein von Gott ergriffenerMensch dagegen Stellung nehmen. Er muss diese Dingeaus seinem Leben ausschalten und für alle Menschen zuüberwinden suchen. Trotzdem ist gerade diese kämpferischeHaltung die rechte Lebensbejahung; denn alles, was zu Unwahrheit,Untreue, Unwahrhaftigkeit, Feindseligkeit und zurHerrschaft des Geldes und der äußeren Dinge führt, all das istja kein wahres Leben, sondern eine Versklavung – im Grundeeine Vernichtung. Nur wo der Geist das Leben ergreift gibt eseine wirkliche Bejahung des Lebens, indem das Größte – dieLiebe – bejaht und alles andere abgelehnt wird.1933


0Buß EBuße ist Das gefühl des Ekels und Überdrusses, in welchem demMenschen die gesamte Sündhaftigkeit mit allen Einzelsündenvon Herzen widerwärtig wird; der Schmerz, in dem ihm dieseDinge verleidet sind; das Reuegefühl, dass er sein Leben dafürlassen möchte, wenn er alle diese Dinge dadurch ungeschehenmachen könnte; das durchbohrende Gefühl des Abscheus, indem der Mensch lieber sterben will, als dass er nur im geringstenin diese Dinge von neuem einwilligen könnte; die Reueals gefühlsmäßig vollendeter Bruch mit dem verkehrten Leben,das den dämonischen Menschen an die Stelle <strong>Gottes</strong> setzenwollte.1935<strong>Die</strong> Busse Besteht zuerst darin, dass man die Schwere derHandlung, den Fluch der begangenen Handlung vollständigerkennt und anerkennt, dass das Mörderische der Handlung,das Zerstörende und Verderbende der begangenen Handlungeindeutig bekannt wird. Dann kommt schrittweise das andere.Es ist wichtig, dass man nicht auf einem Gebiet von Freiheitspricht, wenn man nicht zu gleicher Zeit auf allen anderenGebieten von der Freiheit spricht.Man kann sich nicht in der politischen Lage fest fühlenoder behaupten, dass man von der sozialen Ungerechtigkeitradikal frei sein wird, wenn man nicht zu gleicher Zeit vonder Lüge und der Unreinheit und Zuchtlosigkeit frei ist. Mankann nicht das eine scharf bekämpfen und verurteilen, währendman gegen das andere weich und schlapp ist.1933


<strong>Die</strong> WieDergeBurt, von Der Jesus zu dem Mann, der in derNacht zu ihm kam, geredet hat (Joh.3,1ff.) – die Wiedergeburtist die Buße als Umwälzung: die Wiedergeburt in derRechtfertigung von aller unserer Sünde, die Wiedergeburt inder rettenden Sündenvergebung und Sündenüberwindungdurch Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. <strong>Die</strong> Umwälzung,um die es sich hier handelt, ist zunächst eine völligeVeränderung unseres sittlichen Lebens. <strong>Die</strong> Buße als Umwälzungsetzt nur da wirklich ein, wo man alles aufgibt, was böseist. Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Wer aus Gottgeboren ist, der sündigt nicht.1917V ERGEBu NG D u RCH Buß Ees ist unser Bekannter Glaube, dass wir nicht sündlos sindoder werden können. Wir bleiben vielmehr Menschen, die derVergebung bedürfen und darum auch um die Vergebung bittenmüssen. Ebenso haben wir auch die Vergebung zu üben, dawir ihrer stets selbst bedürfen. Und dazu will uns Christus dieKraft geben, er, der vom Himmel gekommen ist, um uns aufErden zu helfen.Und das ist die Botschaft, die wir zu verkündigen haben:nämlich, dass wir unser eigenes Fleisch, unseren Eigenwillenverlieren dürfen, damit wir befähigt werden, die Menschenso zu lieben, dass wir aus dieser Liebe heraus wirklich vonHerzen den Menschen ihre Schuld vergeben können, die sie anuns haben; und damit wir ein Herz bekommen, das in seinemWesen, in s<strong>einer</strong> Haltung eindeutig ist im Bekennen der Gerechtigkeitdes Reiches <strong>Gottes</strong>.1935


Jesus hat seinen geist den Aposteln – das heißt, der Einheit derGemeinde – als entscheidende Vollmacht für die Vertretungseines Reiches gegeben. Ihre Bevollmächtigung zum Lösenund zum Binden, zum Vergeben und zum Liegenlassen, gewährleistetdie Möglichkeit gänzlicher Entlastung und Befreiungfür den Eintritt in das Reich <strong>Gottes</strong>. Ohne die Vergebungder Sünde kann kein Gewissen leben. Ohne sie kann niemanddas Reich <strong>Gottes</strong> sehen. <strong>Die</strong> im Glauben und Leben vereinigteGemeinde verwaltet die Vergebung vor dem Gewissen aller,weil ihr das Leben Jesu und seine zukünftige Herrschaft für diejetzige Zeit anvertraut ist und vorbehalten bleibt.I NNENLANDWir Wollen gott Danken für die Vergebung der Sünde: OhneVergebung der Sünde können wir keinen Tag vor Gott bestehen;ohne Vergebung der Sünde können wir keinen Tag inGemeinschaft leben. Ohne Vergebung der Sünde gibt es keineFreude und keine Liebe; denn nur wem viel vergeben ist, derliebt viel (Luk.7,47). Wir wollen Gott danken, dass das Sakramentder Vergebung unter uns kräftig ist.Wir bitten um die Kraft des Heiligen Geistes, dass wir allejede Stunde und jeden Augenblick vergeben können, wenn<strong>einer</strong> dem andern gegenüber etwas schuldig bleibt oder hinterdem Ziel der Vollkommenheit zurückbleibt. Wenn wir Gottbitten: „Vergib uns unsere Schuld“, so können wir das nurdann tun, wenn wir allen denen vergeben haben, die an unsschuldig geworden sind (Matth.6,12).1933


TA u FE<strong>Die</strong> taufe führt in den Tod Jesu hinein, damit wir seine Auferstehungerleben, den innersten Kern der Erlösung. <strong>Die</strong> Erlösungdieser Natur geht durch den Tod hindurch. Durch dieAuferstehung aber wird diese alte Natur zu wahrer Lebendigkeitgeführt, damit sie neue Schöpfung werde. Das ist derGlaube, der in der Taufe bezeugt wird, dass der Heilige Geistausgegossen wird über den, der getauft wird, damit er ergriffenwerde von der Liebe <strong>Gottes</strong> (Apg.2,38).1935Wir Möchten uns DarüBer erklären, dass es uns durchaus fernliegt,irgend jemanden in ganz bestimmte Wortformen pressenzu wollen, irgend einen Menschen zu ganz bestimmtenWorten des Bekenntnisses nötigen zu wollen. Das liegt unsvöllig fern. Gerade, weil wir wirklich an Gott, an Christus undseinen Geist glauben, können wir gar kein Interesse daran haben,jemanden zu nötigen, dass er denselben Glauben ebensoaussprechen soll, wie wir. Denn das, was wir damit bekennen,ist uns Menschen so völlig überlegen, dass gar nicht die Notwendigkeitbesteht, Menschen dazu zu überreden, sie möchtendas auch bekennen. Gott wird dadurch nicht verändert,dass du dich nicht zu ihm bekannt hast.1935Wir glauBen an gott, der unser Vater ist, dadurch, dass wirseinen kindlichen Geist empfangen haben. Wir haben ihn erkanntals Schöpfer des Himmels und der Erde, so dass wir


keines s<strong>einer</strong> Geschöpfe – weder in der Geisterwelt noch inder Natur – als Gott verehren können.Und wir haben ihn gefunden in Jesus Christus, dem Königdes kommenden Reiches, in dem Christus, der unser Herr undGebieter geworden ist, auf dessen Wort wir hören und nachdessen Geist wir leben. Wir wissen, dieser Christus ist völligidentisch mit dem historischen Jesus, der von der JungfrauMaria geboren wurde und vom römischen Staat durch PontiusPilatus hingerichtet wurde. Wir wissen, dass seine Sendunghinuntergeht bis in die Hölle und bis in die Gräber der Toten.Wir wissen, dass er dort sein Evangelium ebenso verkündethat und verkündet, wie er es unter den Menschen tut, dieheute auf Erden leben. Und wir wissen, dass er, der im Grabegelegen hat, wahrhaft auferstanden ist von den Toten, und dasser seinen Platz eingenommen hat auf dem himmlischen Herrschaftsthronin der Majestät des Reiches <strong>Gottes</strong>. Wir erwartenihn von dort zum Gericht über alle Menschen, wenn einstdie Bücher des Lebens aufgeschlagen werden, wenn das letzteGericht über alles ergehen wird, was den Menschen erhöhenwill, so dass allein Gott die Herrschaft hat in seinem kommendenReich.Und wir glauben an den Heiligen Geist, der ein wirklichHeiliger Geist ist, weil er nicht befleckt ist mit Bösem undkeine Gemeinschaft hat mit dem Bösen, sondern uns einigtin der Einheit der einen allgemeinen Gemeinde.Nicht an eine pantheistische Einheit des Guten und des Bösenglauben wir. Sondern durch den Heiligen Geist glauben wir alleinan die Einheit der Gemeinde, an jene Gemeinde, in der dieVergebung der Sünden lebendig ist, in der man anerkennt,


dass die Sünde Sünde ist und dass sie weggenommen undausgetilgt wird durch diesen verwaltenden, machtvollen Geistder Gemeinde. Und so glauben wir an das ewige Leben, andas bleibende Leben, welches durch diese Liebe Christi Jesuin dieser Gemeinde des Heiligen Geistes, in dieser Vergebungder Sünde offenbar wird.1935zWei hauptsyMBole Der hanDlung und der Tatsache sind vonJesus her besonders bekannt und eindeutig. Das eine ist dasgemeinsame Essen und Trinken, und das andere ist die Waschung,die Übergießung oder die Untertauchung. Das eineist die Nahrung, und das andere ist die Reinigung. Und dieReinigung verbindet sich dann noch mit dem Begräbnis, mitder Beerdigung, mit dem Zeichen des Todes und des Begrabenwerdensund des Auferstehens. Das Taufsymbol enthältalso zwei Bildlinien: einmal die Reinigung und Waschung undÜbergießung, und zum zweiten den Tod, das Begräbnis unddie Auferstehung.1933J ESu S BRING NEu ES L EBENDas neue leBen ist Christus. Er tritt uns Menschen an jederWende unseres Daseins in den Weg. Er zeigt allen, die sichseinem Einfluss überlassen, dass alles, was wir an Gutem undGerechten gewollt oder gar geschafft haben, schwarz und finster,schlecht und ungerecht ist gegenüber der einen einzigenReinheit, gegenüber der einen einzigen Liebe, der <strong>Gottes</strong>gerechtigkeit,die er selber ist. Er führt uns zur Buße, die in allem


umdenkt und sich durch nichts täuschen lässt, als könne mandas Schwarze weiß oder das Schmutzige rein sprechen.Aber Jesus ist mehr als Johannes der Täufer. In seinemKreuz ist der Herzpunkt des Herzens <strong>Gottes</strong> offenbar geworden.In seinem Sterben ist die alles umfassende <strong>Gottes</strong>liebe alsVergebung und ungetrübte Vereinigung erschlossen worden.Der Gekreuzigte bringt uns durch das Einswerden mit ihm zueinem stets erneuten Bruch mit allem Bisherigen, mit allem,was wir bis zu dieser Stunde waren und getan haben. Er decktuns die schmachvolle Unwürdigkeit und fluchwürdige Lieblosigkeitauf, in die unser Leben bis zum gegenwärtigen Augenblickverquickt ist. Er nimmt uns die Nebel und Wolkenweg, so dass wir in einem Augenblick den Abgrund sehen,der zwischen unserem verdorbenen Wesen und dem Herzen<strong>Gottes</strong> klafft. Aber in demselben Augenblick schließt er selbstdiese unendliche Kluft mit der unendlichen Kraft s<strong>einer</strong> ausgebreitetenArme und s<strong>einer</strong> durchbohrten Hände und macht ins<strong>einer</strong> Vergebung unser Herz eins mit dem Herzen <strong>Gottes</strong>.1920/21W IEDERGEBu RT u ND ZukuNFTSREICHWir alle lieBen Das dritte Kapitel des Johannes-Evangeliums,aber wir vergessen oft, dass dort die persönliche Wiedergeburtin den überpersönlichen Zusammenhang des Reiches <strong>Gottes</strong>gestellt ist. Das kommende Reich ist das Bestimmende in derBibel. Von diesem Zukünftigen müssen wir ganz überwältigtund ganz erfüllt werden (Jes.11,1 10). Der Heilige Geist willuns überkommen und erfüllen, damit wir durch ihn in das


Zukünftige geführt werden. Er soll uns die Worte Jesu für diezukünftige Welt lebendig machen; er soll uns dahin führen,dass wir ein lebendiges Beispiel, ein Gleichnis, ein Anschauungszeugnisdes kommenden Reiches werden.1935Wir gehören DeM könig des Himmelreiches an. Deshalb müssenwir so leben, wie dieser König des Himmelreiches lebt. Esist die Frage: Willst du den Weg des Kreuzes gehen oder nicht?„Willst du mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauftbin? Willst du den Kelch trinken, den ich getrunken habe?“(Mark.10,38 39)1934D ER B R u CH m IT DEm BESTEHENDENDer auferstanDene gaB ihnen den Auftrag, in alle Welt hinauszugehen,das Evangelium aller Kreatur auszurufen, die Bußeauszurufen, die Menschen zu taufen, sie mit dem Zeichen desBruches zu versehen, dass sie gebrochen haben mit allen Mächtendieser Welt und einverleibt sind in die Todes und Auferstehungsgemeinschaftdes <strong>neuen</strong> Reiches (Matth.28,19 20).1933<strong>Die</strong> taufe Bezeugt Den Bruch mit den bestehenden Machtverhältnissen:dass wir dem verkehrten Leben des Gewaltgeistesum uns her absterben; dass wir diesem Leben, welches sichdurch Macht und Gewalt ausbreiten will, entsagen und absterbenwollen; dass wir dem Lebenstrieb, der Machtwille ist, derGewaltwille ist, absagen und absterben; dass wir dem Reich-


tums und Eigentumswillen dieser Welt absterben und absagen;dass wir dem begehrlichen Willen dieser Welt – auch demsexuellen Begehrlichkeitswillen – absagen und absterben; dasswir alle dem, was das wahre göttliche Leben durch ein fleischliches,unreines Leben zerstört, absagen und absterben.1935Das ist ein so radikaler Bruch, dass von hier aus Kompromisseüberhaupt gar nicht möglich sind (Jak.4,4). Es ist der Bruchmit allem Bestehenden, und die Sendung des ganz Anderenund ganz Neuen mitten in das Bestehende und Entgegengesetztehinein (Eph.4,22 24). Das ist der Auftrag der Taufe. Deshalbist die Taufe mit dem Auftrag der Aussendung verbundenund mit der Verheißung und Zusicherung, dass der Herrscherder kommenden Welten seine Vollmacht dort beweisen wird,wo diese Taufe geübt wird und wo diese Aussendung getätigtwird.1933B RAu CHEN kINDER DIE TA u FE?Wir Wissen, Dass <strong>Die</strong> kleinen Kinder nicht verflucht und verdammtsind, sondern wir sind uns gewiss, dass sie durchChristus und seine allumfassende Liebe und durch das Opferseines Lebens vereinigt sind mit Gott, der alles liebt, was Kindheißt und den kindlichen Geist hat im Himmel und auf Erden(Matth.19,13 15). Er will, dass alle Menschen voll kindlichenGeistes werden, Kinder im Geist Jesu Christi.Deshalb brauchen die Kinder keine Taufe; denn sie ist einZeichen der Buße, der Vergebung und Umkehr, ein Zeichen


des Empfangs des Heiligen Geistes, den man vorher – ineinem Leben der Ungerechtigkeit – nicht gehabt hat.Und die Taufe ist ein klares Bekenntnis innerster Einsicht,deutlicher Erkenntnis und Bewusstwerdens und Bekennensdieses Bewusstwerdens in der Gnade <strong>Gottes</strong>, in der Vergebungder Sünde, in der Buße von der Ungerechtigkeit, imGlauben an das kommende Reich und die völlige Umgestaltungaller Welten.Das alles soll einem Kindchen nicht auferlegt werden. Essteht noch jenseits dieser Kämpfe zwischen dem Satan unddem <strong>Gottes</strong>geist, zwischen dem Friedensgeist und dem Geistder Feindschaft. Noch ist es geborgen in dem kindlichen GeistJesu Christi.1935Dagegen WirD eingeWenDet, Das Kind – freilich persönlich unschuldig– lebe aber dennoch unter der Erbsünde. Jawohl, dastut es. Aber die Erbsünde in dem kleinen Kind ist nichts anderesals ererbte Anlage: einmal diese ererbte Anlage als natürlicheNeigung zum Bösen wie auch zum Guten; zum anderenaber nichts anderes als die ererbte Anlage zum leiblichen Tode– die Sterblichkeit des Menschen. Denn durch die Sünde –durch das Abweichen von dem Lebendigen, von Gott – sind dieKrankheit und der Tod in die Welt gekommen. Das zunächstist es, was zu unserem Schmerz alle unsere Kinder geerbt haben:dass sie sterblich sind! Wäre der Mensch völlig in Gemeinschaftmit dem ewig Lebendigen, mit Gott; wäre er in lebendigerFreiheit, in lebendiger Bewegung, in der Bewegtheit zum Gutenund nur zum Guten, wie sie der lebendige Geist wirkt; wäre er


00in <strong>Gottes</strong> Leben, in s<strong>einer</strong> Liebe geblieben, ohne eine Trübungdieser lebendigen Beziehung der <strong>Gottes</strong>kraft, so wäre er nichtsterblich. <strong>Die</strong> Menschen wären unsterblich.1935Das kinD ist nicht imstande, den Glauben zu bekennen undmit Bewusstsein und Willensentscheidung und Einsicht denWeg Christi zu erwählen.So kann von einem Taufbund bei diesen kleinen Wesen garkeine Rede sein, denn sie können ja noch nicht einmal in dasWesen der Schöpfung mit Bewusstsein hineinschauen. Wievielweniger können sie erfassen, dass diese Schöpfung zerbrochen ist.Wieviel weniger könnten sie es erfassen, dass Christus wirklichgekommen ist und dass in ihm die volle Befreiung undWiederherstellung gegeben ist.Wieviel weniger könnten sie den Heiligen Geist erfassen,der über die Gemeinde kommt und die gänzliche Einstimmigkeitder Gemeinde bewirkt.<strong>Die</strong> Kinder bedürfen auch k<strong>einer</strong> Taufe; denn, wie wir gehörthaben, beruht der Bund der Taufe auf der Buße, auf derAbkehr von dem verdorbenen Leben der heutigen Menschen,auf dem Bruch mit allen bestehenden Verhältnissen – mit derSünde und Ungerechtigkeit dieser Welt. Von dem allen wissendie Kinder aber rein gar nichts. Sie können ja diesen Bruchnicht vollziehen – können nicht zur Buße gelangen – weil siedas alles noch nicht kennen.So kommt das dritte und tiefste Geheimnis, was wir demkleinen Kind gegenüber empfinden: Christus Jesus ist gestorbenfür unsere Sünden – für die Sünden der ganzen Welt


0– und hat ein Sühnopfer, eine Versöhnung, eine Vereinigungvollendet, die die ganze Welt umfasst (Joh.1,29). Deshalbbrauchen wir täglich die Auswirkung der Vergebung unsererSünden, die Jesus Christus durch seinen Tod erwirkt hat alsgänzliche Vereinigung mit Gott.Nun hat ein kleines Kind überhaupt noch nichts Gewolltesvollbracht. Es lebt gänzlich aus dem unbewussten Lebensinstinkt.So ist das Wort, dass Jesus Christus die Vereinigung füralle Welt vollbracht hat, absolut gültig für alle kleinen Kinder.Das ist eine hoch bedeutsame Erkenntnis der Wahrheit, diein den großen Kirchen verleugnet wird; denn die großen Kirchenbehaupten, dass die kleinen Kinder durch den Fluch derErbsünde verdammt sind. Das glauben wir nicht, denn JesusChristus hat die kleinen Kinder auf den Arm genommen undhat sie geherzt und geküsst und hat gesagt: „Solchen kleinenKindern gehört das Reich <strong>Gottes</strong>. Wenn ihr nicht so werdet,wie diese kleinen Kinder, so könnt ihr nicht in das Himmelreichkommen!“ (Matth.18,3; Mark.10,14)…es ist also klar: die kleinen Kinder gehören aus sich selbstheraus – aus der Tatsache ihres Daseins, ihres Soseins heraus– zum Reich <strong>Gottes</strong>. Und wenn sie in ihrem jungen Alter sterbensollten, sind sie unmittelbar Glieder des Reiches <strong>Gottes</strong> geworden,denn die Versöhnung ist ihr Teil. Sie sind hineingenommen indas Reich.1934


09. DAS AbENDm A h L„TuT DIES Z u mEINEm GEDä CHTNIS!“Das aBenDMahl ist Der Ausdruck für das zentrale Erlebnis inJesus, der Ausdruck dafür, dass wir Jesus nicht vergessen wollen.Wie leicht vergessen wir ihn! Wir bedürfen der stärksten Erinnerungan ihn. Deshalb brauchen wir das heilige Abendmahl,denn es ist ein Gedächtnismahl (1.Kor.11,23 25).Worauf führt das Abendmahl? Es bedeutet, dass Jesus nichtvergessen wird, sondern sein Tod verkündigt wird. Denn hiersoll der Leib der Gemeinde – die Einheit der Gemeinde – unterschiedenwerden von jedem anderen Leib, von jedem anderenOrganismus, von jedem äußeren Verein. Hier soll dieLebendigkeit, die Göttlichkeit, die Jesus Art dieses Gemeindeorganismuserkannt und anerkannt werden.1935<strong>Die</strong> lehre Der zWölf Apostel wurde zu Anfang des zweitenJahrhunderts niedergeschrieben. Sie wollte uralte Erinnerungenaus der Apostelzeit festhalten. Es wird dort in <strong>einer</strong>Danksagung beim Abendmahl gesagt und erinnert: <strong>Die</strong> Saatkörnerwerden ausgestreut über viele Äcker. Dann kommt dieZeit der Ernte. Und es ist nicht immer so, dass das Getreide voneinem Acker für ein Brot zusammengebracht wird, sondern


0es ist oft so, dass das Getreide von vielen Äckern aus verschiedenenLändern in ein Brot zusammengebacken wird. So sindwir viele aus vielen Völkern und Nationen, aus vielen Standesschichtenund Volksklassen, aus den verschiedensten Weltanschauungenund Gebräuchen zusammengekommen (Offb.5,910). Wir kommen von verschiedenen Äckern, aber wir sindzusammengebacken in ein Brot…Wenn nun das Brot gebacken werden soll, wenn nun dieKörner von den verschiedenen Äckern der verschiedenenLänder zusammengebracht sind, müssen die Körner zermahlenwerden. Das gibt kein Brot, wenn die Körner nicht gemahlenwerden, sondern jedes Korn muss gemahlen werden. Wenneins nicht zermahlen wird, bleibt es als ein Ganzes im Brot.Wenn ein solches auf den Tisch kommt, nimmt man ein Messerund sticht es heraus. Es passt nicht ins Brot. Es hat sein eigenesWesen, sein Einzeldasein, seine Eigenbehauptung beibehalten.Dann kommt das gemahlene Getreide, das Mehl, in dieHitze. Es wird in die Glut gebracht, und nur so wird Brotdaraus. Und dann kommt es auf den Tisch. Und wenn es einrechter Tisch der Gemeinschaft ist, ist es ein Brot für alle.Dann können wir nicht beten: „Mein Brot gib mir heute“,sondern wir bitten alle für die Gemeinschaft: „Unser nötigesBrot gib uns alle Tage!“ Uns allen! Uns alle Tage! (Matth.6,11)Dann wird das Brot gebrochen und geteilt. Und so kommtdie Gemeinschaft zum zweitenmal – jetzt in dem Verteilendes Brotes – abermals zur Geltung. Auch daran erkannte manJesus, den Auferstandenen, wie er das Brot brach und am gemeinschaftlichenTisch verteilte(Luk. 24, 30-31).


0Vom Wein wird dann dasselbe gesagt: wie auch die Weinbeerein der Kelter zerdrückt werden muss und wie es denWein verderben würde, wenn eine Weinbeere ihre eigene Existenzfür sich selbst behalten wollte. Es muss alles ein Weinwerden. Deshalb muß jede Beere sich in letzter Opferung ganzin die Einheit des Weines hingeben; denn es ist – ebenso wie ei n Brot – ein Kelch, den die ganze Gemeinschaft teilt…Das Abendmahl ist die Erinnerung an das vollkommeneOpfer dieses einen zermahlenen, entscheidenden Korns, diesereinen entscheidenden Weinbeere. Es ist die Verkündigungseines Todes bis er kommt, also in der Erwartung der letztenZukunft, in welcher er abermals das Brot mit uns essen undden Wein mit uns teilen wird, wenn er kommen wird in seinemReich (Matth.26,29).1934ZuR SymBOLIk DES A BENDm AHLSfeuergeMeinschaft unD essgeMeinschaft ist das Zeichen derMenschen, und daraus wird dann die Arbeitsgemeinschaftund die Hausgemeinschaft, die sich um das Feuer her bildet.In dem Abendmahl Jesu nun sind diese einfachen, selbstverständlichenDinge auf die letzte Wahrheit hin vertieft. Zunächstwird das Einfachste und Kräftigste und das Schönste,Edelste und Feurigste der menschlichen Nahrung vereinigt:Brot und Wein; nicht, wie es Asketen tun würden: Brot undWasser. Jesus ist kein Asket, auch nicht dem Alkohol gegenüber.Er will, dass wir die letzte Einfachheit auch in der Nahrung


0verbinden mit der letzten Freude an allem dem, was Gott denMenschen gegeben hat. Das Brot wird herumgegeben nachdem altertümlichen Gebrauch einfacher Menschen, und jederbricht sich vom Brot ab und gibt es weiter. Und der Krugwird herumgegeben, und jeder trinkt daraus und gibt denKrug weiter. <strong>Die</strong> Gemeinschaftlichkeit der Handlung kannnicht stärker zum Ausdruck kommen, als durch diesen altertümlichenGebrauch des Brotlaibes und des herumgegebeneneinen Kruges.Wir wollen jetzt einmal nur von dem Symbol und demBild sprechen: die Einheit des Leibes; und nun die Einheit desWeines; und schließlich auch die rote Farbe des Weines, diean das Blut des menschlichen Leibes und des menschlichenLebens erinnert. Das alles zusammen ist die Symbolkraft desGemeinschaftsmahles: Der Leib wird gebrochen. Der Weinfließt in Strömen. <strong>Die</strong> Einheit wird offenbar. <strong>Die</strong> Vereinigungist eine vollkommene: <strong>Die</strong>s ist mein Leib und dies ist meinBlut (1.Kor.11, 24 - 26).Das ist allerdings eine Verkündigung von <strong>einer</strong> Einfachheitund von <strong>einer</strong> Gründlichkeit, die sie für stolze, hohe Geisteruntragbar macht; denn hier wird offenbar, was Gott will. Gottwill die Einheit, das Zerbrochenwerden für die Einheit. WieJesus seinen Leib zerbrochen und sein Blut vergossen hat, so willer, dass du nicht mehr ein eigenes Weizenkorn und nicht mehreine eigene Weinbeere bist, sondern dass du dich hingibst andie Einheit des Leibes, an die Einheit des strömenden Weines,durch den Tod Christi hindurch; dass die Einheit geschaffenwird und dass der neue Geist fließt, der den Leib beseelt und in


0Bewusstseinseinheit zusammenfasst. Hier ist das GeheimnisChristi, der Gemeinde, der völligen Vereinigung. Das ist dasAbendmahl.1933Bei DeM einsetzen Des Abendmahls verwies Jesus auf sein hingegebenesLeben, das heißt auf sein hingegebenes Blut undseinen hingegebenen Leib. Das Essen von Brot, das Trinkenvon Wein und das Essen des Opferlammes hing also mit derVerkündigung der Vergebung, der Einheit und der Zukunftzusammen. Es gehörte ganz zusammen.Jesus nahm das Opfer dieses Tieres an, um an s<strong>einer</strong> Tischgemeinschaftzu verkünden, was das Opfer für das Reich <strong>Gottes</strong>ist. So verkündete er sein Todesopfer (1.Kor.5,7; Apg.8,3233). Und so wird – wie im Urchristentum – alles was wir essenzu <strong>einer</strong> Dankssagung für ein Opfer. So wird jedes Essen zumgemeinsamen Liebesmahl, zum Dankopfer, zum Abendmahl!So sollte es sein, dass wir jedesmal Gott großen Dank sagen,wenn wir uns zu <strong>einer</strong> Mahlzeit versammeln dürfen. Und wirsagen nicht dafür Dank, dass unserem eigenen Interesse durchdie Sättigung der Mahlzeit Genüge getan wird. Sondern wirdanksagen für das Opfer der Pflanzen und Tiere, die Gott unsschenkt, damit wir für die Einheit leben können, die Gottwill, damit wir für das Lebenszeugnis des Reiches <strong>Gottes</strong> inder Gemeinde auch weiterhin am Leben bleiben dürfen.1934


010. GOTTESDIENST UND A N b ETUNG<strong>Die</strong> schWeigenDe anDacht ist eine tiefe Notwendigkeit fürjede Gemeinde, besonders in solchen Zeiten, in denen es überuns hingeht, in denen der Wind <strong>Gottes</strong> über uns hinweg weht.Denn es gilt, dass wir es erkennen lernen, was Gott uns sagenwill. Wir müssen seine Stimme vernehmen in den Geschehnissenum uns her und in unserer Mitte. Wir müssen seine Stimmevernehmen in unseren Herzen. Und mitten in der Dunkelheitsolcher Zeiten wie der jetzigen Nacht, die sich über die Erdegesenkt hat, müssen wir sein Licht wahrnehmen.1933<strong>Die</strong> schWeigenDe anDacht, <strong>Die</strong> schweigende Sammlung gehörtzu den wesentlichsten Dingen unseres gemeinsamen Lebens.Das gemeinsame Schweigen bedeutet für uns nicht, dass wireine Zeit zusammen sein müssen, in der nichts gesungen odergesprochen werden darf. Im Gegenteil glauben wir daran, dassauch in der gemeinsamen Stille das Wort des Glaubens undder Liebe und die Tat des Glaubens und der Liebe geborenwird. Wenn wir schweigen, so wollen wir vor Gott schweigen.Was zur Stille gebracht werden soll, ist das eigene Wort und dieeigene Tat. Alles, was aus unserem eigenen Willen enstandenist oder entstehen könnte, soll in der schweigenden Andachtniedergelegt sein.1935


0unser geMeinsaMes schWeigen ist zu innerst verwandt mit derschweigenden Andacht der Quäker. Es liegt uns dabei daran,dass Gott selbst zu uns spricht, dass die Stimme Christi unteruns spricht, dass der Heilige Geist unmittelbar unsere Herzenbewegt. Und dafür ist uns die schweigende Stille so ungemeinwichtig, weil das Reden der Menschen sehr oft den Geist verscheucht.In dem gemeinsamen Schweigen aber spricht Gottinnerlich unmittelbar zu uns. Und das möchten wir als dietiefste Erfahrung unseres gemeinsamen Lebens bezeugen: Wirwerden vollständig einstimmig, wenn wir auf die Stimme<strong>Gottes</strong> in uns lauschen; und wir werden von derselben Wahrheitund Liebe ergriffen, wenn wir bis ins Innerste hören, wasder Geist der Gemeinde sagt. Dann wird es auch das rechteWort sein. Dann wird aus der Tiefe der Geistesoffenbarunglaut, was Gott in der Stille zu uns sagt.1935Wir sollen Bereit sein, Gott zu vertrauen. Dann kann es sein,dass aus der schweigenden Sammlung auch von uns aus Wortekommen, Worte, die aus dem tiefsten Herzen, aus der letztenWahrheit und Wahrhaftigkeit kommen. Wenn Menschenzusammen schweigen können, kann daraus ein Wort letzterWahrheit kommen. Wenn Menschen vor Gott schweigenkönnen und von ihm angeredet werden, kann es sein, dass sieein Wort aussprechen, das ihnen gesagt wurde, das ihnen eingegebenworden ist, das sie nicht aus sich selbst haben.1935


0es ist MerkWürDig, Dass gerade dasjenige Gebet, von demJesus redet und das er seinen Schülern ans Herz legt, wiederumvon dem buchstabischen Geist in sein Gegenteil verkehrtwurde. Jesus hat gerade diese knappe Zusammenfassung des<strong>Gottes</strong>willens gegeben um zu zeigen: Macht nur ja nicht soviele Worte und denkt nicht, dass ein künstlicher Aufwand zueurem Gebet gehört.1935Der MissBrauch BeDeutenDer gesänge oder auch nur dasmangelnde Verständnis und Mitfühlen bei ihrem gemeinschaftlichenSingen hat eine verheerende Wirkung. Das giltvon allen wesentlichen Liedern, bei denen wir – in rechterGeistesgemeinschaft – das innerste Heiligtum erzittern fühlen,von Liedern, die nur in einem ganz bestimmten Geisteszusammenhang,nur in einem von Gott gegebenen Erlebnis gesungenwerden dürfen. Wenn man dann Lieder, die einst vom Geisteingegeben wurden, singen lassen will, um dadurch eine nichtvorhandene Stimmung zu erzielen – wenn wir etwa das Lied„Gott ist gegenwärtig“ singen lassen, während kein Menschspürt, dass Gott wirklich gegenwärtig ist; wenn wir etwa zusingen wagen „Großer Gott, wir loben Dich!“, während vonwirklicher Ehrung des großen <strong>Gottes</strong> bei der gegebenen Gemütsverfassunggar keine Rede sein kann – so grenzt dieserMissbrauch an die Sünde gegen den Heiligen Geist.1935Jesus sagt: „es koMMt die Zeit und ist schon jetzt, dass dieMenschen den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“(Joh.4,23). Er setzt in Gegensatz zum Geist die Kirchenhäuser,


0die Glockengebäude und die Kuppelsynagogen aller Art, alsob er sagen wollte: Bis jetzt haben die Menschen hier und daangebetet, in diesem Tempel oder auf jenem Berge oder unterjenen „heiligen“ Bäumen. Von nun an aber werden die Menschenim Geist und in der Wahrheit anbeten. Ein merkwürdigerGegensatz!Warum sollen die Menschen nicht an den festlich geweihtenPlätzen und in den geweihten Räumen Gott im Geist undin der Wahrheit anbeten? Eben deshalb nicht, weil diese geweihtenPlätze und Räume sich seit Jahrtausenden mit einemMissbrauch des Namens <strong>Gottes</strong> verbunden haben, weil sie einengeheimen Götzendienst in sich tragen, der sich entwederbuchstabisch an ein Buch klammert oder sich bildhaft an einGötzenbild oder irgendeinen anderen götzenhaften Vorgangklammert. Der Kultus der geweihten Räume und Stätten istgefährlich für die Anbetung im Geist und in der Wahrheit. Jemehr Weihrauch, je mehr Bildwerk, je mehr überlieferte Traditionund festgelegte Vokabeln, je mehr Buchstabendienstund Anhängung an die gegenständliche Darstellung, destoweniger Geist und Wahrheit.1935Wir Bekennen uns ganz zum Gebet, zur Anrufung und Anbetung.Aber im größeren Kreis sind wir vorsichtig, aus Ehrfurchtvor dem Gebet. Deshalb halten wir Anbetung und Anrufungim geschlossenen, einigen Kreis.1935


Wenn <strong>einer</strong> einen streit mit einem s<strong>einer</strong> Mitbrüder oderMitschwestern hat und es besteht noch eine Spannung zwischenihnen, dann gilt das Wort: „Bevor du deine Gabe auf demAltar opferst, gehe zuvor hin und vereinige dich mit deinemWidersacher, und alsdann komme und opfere deine Gabe“(Matth.5,23 24). Denn die völlige Vereinigung bedeutet ja dasWesen des Geistes der Gemeinde, und das Gebet der Gemeindesetzt voraus, dass die versammelte Gemeinde unter sich undmit dem Geist der Gemeinde völlig einig ist. Besteht nun eineSpannung zwischen zweien oder mehreren Gliedern, so ist esdie Pflicht eines jeden, das sofort in Ordnung zu bringen; under kann es spätestens in der Zeit tun, in welcher sich die Gemeinschaftzusammenfindet.1932es koMMt Darauf an, was der Gegenstand ist, für den wir unsvereinigen. Deshalb sagt Jesus: „Wenn zwei oder drei untereuch eins werden über den Gegenstand, den sie von Gott erbittenwollen, so wird ihnen dieser Gegenstand gegeben werden“(Matth.18,19 20). Wenn zwei unter euch einig werden überetwas, das sie von Gott erbitten wollen, so wird es geschehen.Es kommt nicht so sehr auf die Worte an, die diesen Gegenstandumkleiden, sondern es kommt auf die Einheit des Willensin diesem Gegenstand an. Wenn eine Gemeinde über denGegenstand einig wird, so ist es nicht notwendig, dass dieserGegenstand genau umschrieben und mit zahlreichen Sätzendargestellt wird; denn Gott bedarf nicht unserer Erklärungen.Es kommt darauf an, dass alle Versammelten, bevor sie sich


zum Gebet vereinigen, sich vollständig einig sind über das,was sie von Gott erbitten wollen.1935Wir Wollen Den heiligen Geist um seine Geistesgaben bitten,und zwar so, wie er in der Gemeinde entscheidet. Nicht etwa,dass der eine oder andere gern diese oder jene Gabe habenmöchte und für sich persönlich darum bittet, sondern dass erdem Geist zugewiesen wird, und dass dieser das Füllhorn ausschüttetüber seine Gemeinde und einem jeden das gibt, waser ihm zugedacht hat von Urbeginn der Welt an (1.Kor.12,27ff.).Wir wollen alle Eigenwilligkeit niederlegen und bereit sein,die uns gewiesene Gabe zu empfangen und zu verwalten. Wirwollen dankbar sein, wenn wir in der Schlichtheit der Jesusnachfolgeleben dürfen, ohne durch große Gaben in großeVersuchungen geführt zu werden. Und schließlich wollen wirfür uns alle ohne Unterschied um diejenige Gabe bitten, dieallen Gliedern am Leibe Christi zugedacht ist, um die höchsteder Gaben: die Gabe der Liebe. Und damit erbitten wir dieGabe des Heiligen Geistes (1.Kor.13,13).1934


11. SENDUNGJ ETZT IST DIE S T u NDEin Der ungeheuren not der heutigen geschichtlichen Stundeist die Berufung nähergerückt, den Menschen wegweisend dieNachricht zu bringen.Wir spüren, dass die Zeit naht, in welcher die Gemeindein der völligen Gemeinschaft ein Licht auf dem Leuchter undeine Stadt auf dem Berge werden muss (Matth.5,14 15). <strong>Die</strong>Wirklichkeit des unter uns gewirkten Lebens aus Gott mussauf viele Menschen einwirken und letztlich alle Menschen erreichen.Wir spüren es seit langem, dass wir die Nachrichtvom Reiche <strong>Gottes</strong> – die Nachricht von der Wirklichkeit derGerechtigkeit, der Brüderlichkeit und der Liebe – hinaustragenmüssen zu allen Menschen. Nun sind wir überausschwach und unser Kreis ist diesem Auftrag gegenüber klein,sehr klein…Wir können uns dem Ruf Jesu nicht entziehen, und auchdem Drang unserer Herzen können wir uns nicht entziehen.<strong>Die</strong>ser Ruf geht zu allen Menschen, und besonders zu allenMenschen in Not. Und wenn die Not einen Gipfel erreicht- wie augenblicklich - so ist der Ruf, der von Christus ausgeht,um so dringender, dringender als jemals: “Geht hin in alle


Welt!” (Mark.16,15) Geht hinaus, geht ans Werk, ruft, sammelt!Jetzt ist die Stunde!1932S ENDu NG Z u ALLEN mENSCHENWenn nun Der geMeinDe Christi eine so große Botschaft anvertrautist, so ergeht ihr Auftrag an alle Menschen, niemandenausgenommen. Alle Menschen sollen davon erreicht werden.Damit ist nicht etwa gemeint, dass in diesem geschichtlichenAugenblick schon alle Menschen in der Gemeinde Christi lebensollten. Es ist vielmehr so gemeint, dass alle Menschenunter den zeugenden Eindruck der Wahrheit kommen müssen,was das letzte Ziel der Menschheitsgeschichte ist: nämlichdiese Einheit Christi, die in der Gesandtschaft der GemeindeChristi offenbar wird (Joh.17,20 23). <strong>Die</strong>se Tatsache trifft alleMenschen im Innersten ihres Herzens, wenn sie auch nicht alleheute und jetzt schon für die Gemeinde Christi bereit sind.1934ein JeDer in Der Gemeinde muss so leben und so sein, wie erden Blick auf das kommende Reich richtet.<strong>Die</strong> Verkaufs und Studienaussendung hat demnach nichtdie angespannte Absicht, von ihr fixierte Menschen zur persönlichenWende zu bringen. Das ihr Gebotene ist allein diehinausschauende Hinsicht, der große Ausblick auf das kommendeReich, ohne dass jemand daraufhin bedrängt werdendürfte. Wir sind Botschafter des letzten Reiches. Wir stehen daund gehen hinaus als Sachträger, als Gesandte des Reiches


<strong>Gottes</strong>: <strong>Die</strong> Wende aller Dinge ist nahe. Alles andere mussstürzen, allein <strong>Gottes</strong> Liebe wird triumphieren! Mit diesemAuftrag müssen wir der Außenwelt so zugewandt bleiben,dass wir ihr ein weltgeschichtliches Wort zu sagen haben; einWort <strong>Gottes</strong>, welches auf die jetzige geschichtliche Lage gemünztund abgewogen ist; ein Wort, das allen Ländern eineallen geltende Botschaft des überpolitischen <strong>Gottes</strong>reichesverkündet.1934nun glauBen Wir, Dass in jedem Menschen die Sehnsucht nachder wahren Gerechtigkeit, nach der wahren Liebe und Einheitvorhanden ist. Deshalb halten wir auch die offene Tür der Gemeinschaftfür jeden Menschen offen. Es ist uns aber gleichzeitigklar, dass die einzelnen Menschen nicht in jedem Abschnittihres Lebens, nicht in jedem Augenblick ihrer Entwicklung dazureif sind. Man kann das nicht von jedermann in jedem Augenblickerwarten. Ich kann nicht einfach auf die Leipzigerstraße inBerlin oder sonst wohin gehen und den Leuten zurufen: Jetztkommt ihr alle auf den Bruderhof! Es ist nicht Feigheit, wasuns davon abhält, sondern es wäre Torheit, das zu tun; denn diemeisten Menschen werden gar nicht in der Lage sein, diesen Rufzu fassen. Sie werden in ihrer inneren Entwicklung gar nicht reifsein, diesem Ruf folgen zu können. Sie müssen erst von Gottgerufen sein. Ich habe gar kein Recht, jemanden zu rufen, wennihn nicht der Geist selbst gerufen hat.1933


vielleicht könnte uns eine Sendung gegeben werden, die sichgerade an diejenigen wendet, die keine Heimat haben, oderdie in furchtbarer Not leben und dem Verhungern nahe sind,so dass in besonderer Weise den Armen das Evangelium gepredigtwird. Ich glaube, dass wir zu jedem Samariterdienstverpflichtet sind, vor den die Stunde uns stellt. Ich glaube aberauch, dass es <strong>einer</strong> besonderen Weisung bedarf, diejenigen aufzusuchen,von denen wir wissen, dass sie in Not leben und vondenen wir mehr oder weniger wissen, dass sie zunächst nichtdie Gerufenen sind, und dass es ein Auftrag der Erbarmungsein muss (Jes.61,1).1935Wenn Wir nicht Mehr für alle Menschen da sein können, wennwir uns nicht mehr mit der Not der ganzen Welt beschäftigenkönnen, dann verliert unser Leben seine Existenzberechtigung.1935<strong>Die</strong> Mächte Der Blutigen Gewalt, der unreinen Untreue, derLüge und der Geldgier sind gewachsen und haben an Machtgewonnen wie noch niemals zu <strong>einer</strong> anderen Zeit. Und jetztgilt das Wort Jesu: „Es wird aber nicht eher der letzte Tag kommen,als bis das Evangelium aller Kreatur verkündigt ist inaller Welt“ (Matth.24,14). Es ist das Evangelium der <strong>neuen</strong>Schöpfung, des herannahenden <strong>neuen</strong> Schöpfungstages.Jetzt ist die höchste Zeit, dass dieses Evangelium zu allenMenschen und allen Völkern kommt! <strong>Die</strong> Gemeinde ist dazubeauftragt, dass dieses geschieht. <strong>Die</strong> Apostel sind von derGemeinde ausgesandt worden. Wie können sie hinausgehen,


wenn sie nicht gesandt sind? Wie könnten sie gesandt werden,wenn nicht eine Instanz da wäre, die sie gesandt hat?Wie könnten sie den Frieden verkünden, wenn sie nicht von<strong>einer</strong> Stätte des Friedens ausgegangen sind und von ihr ausden Frieden bringen? (Röm.10,15)1935„WENN DAS S ALZ SEINE kRAFT VERLIERT…“Man hört so allgeMein, dass der Einwand gegen den Bruderhofimmer wieder der ist: Wir seien doch das Salz der Erde, unddas Salz streue man doch nicht in großen Klumpen sondern infeinster Zerreibung. So müsste auch eben das Salz der vereinzeltenChristen überall hingestreut werden.Das klingt sehr überzeugend. Es ist nur zweierlei einzuwenden:Erstens irrt man sich darin, dass die geschlosseneGemeinschaft keine Salzwirkung nach außen hätte; vielmehrsendet sie ja auch beständig die einzelnen zu den Menschen.Zweitens könnte man fragen, ob nicht manche ihre Salzkraftverlieren durch die kompromisshafte Situation, in dersie sich als einzelne befinden, durch die Gefahr der sich vermischendenWesenheiten und Geistigkeiten, in die sie eingebettetsind. <strong>Die</strong> Klarheit und Bestimmtheit der anvertrautenSalzkraft geht dabei oft verloren (Matth.5,13). <strong>Die</strong> Dingeverwischen sich. Dadurch, dass man sich daran gewöhnt, mitden verschiedenen Strömungen irgendwann gegenseitige Vereinbarungenzu schließen, wird die Klarheit des Zeugnissesmehr und mehr aufgelöst.1934


so Begreifen Wir auch, warum das gemeinsame Leben so ungeheuerbedeutend ist. Wir begreifen, warum es falsch ist,wenn viele sagen: „Ihr würdet viel mehr bewirken, wenn jedervon euch allein in <strong>einer</strong> anderen Stadt wäre. Dann würdet ihrviel mehr Ansatzpunkte haben.“ Das Geheimnis des gemeinsamenLebens besteht nicht in der Addition von Menschen,die zusammentreten. Und diese Menschen sind auch nicht insich selbst tüchtig, das zu wirken, was das gemeinsame Lebenbewirkt. Das Geheimnis des gemeinsamen Lebens ist die Vereinigungmit der Geisteswolke, die auf die Menschen kommt,die da warten können – warten auf Gott, der das ein und allesihres Lebens ist.1935D ER W EG DER S ENDu NGso ist <strong>Die</strong> senDung der Apostel zu den Menschen: Nichtsdrängen sie auf; nichts erreichen sie durch Überredung oderVergewaltigung der Sinne, nichts durch ein Bezwingen derGemüter, nichts durch ein Eindringen der Willenskräfte deseinen auf den anderen. Sie kommen arglos und harmlos wiedie Tauben. So ist ihre Sendung. So sind sie zu den Menschengesandt (Matth.10,16). So kommen sie in der schlichtestenGestalt des einfachsten Opfertieres und des bescheidenstenOpfervogels. So kommen sie in ihrer Sendung wie ein Lammund wie eine Taube.Dennoch sollen sie klug sein wie die klügsten Tiere, soweitdiese Klugheit, Behendigkeit und Geistesgegenwartnicht im Gegensatz zu jener arglosen und harmlosen Gütesteht. Deshalb sollen sie wissen, wohin sie kommen. Jesus sagt:


„Richtet nicht!“ (Matth.7,1) Spielt euch niemals als Richterauf, die ein Endurteil abgeben über die Menschen. Und dochsagt er: Beurteilt alles aus dem Geist und werdet euch über allesklar! „Prüft die Geister, ob sie von Gott sind!“ (1.Joh.4,1). Anden Früchten sollt ihr alles erkennen! Ihr sollt klar werden überalles, vor allem über die falschen Propheten, die, in Schafsgewändergehüllt, inwendig reißende Wölfe sind, und die sehr bald ihreRaubtiernatur an euch offenbaren wollen. Seid auf der Hut vorallem, was Menschenantlitz trägt! Denn auch aus der Reihe derer,zu denen ihr in Harmlosigkeit Vertrauen haben werdet – ausder Reihe eurer besten Freunde – wird der Verrat kommen. Ausdem Kreise derer, von denen ihr es am wenigsten für möglichgehalten habt, wird die Anzeige kommen, die Verhaftung unddie Auslieferung an die Gewalten der Obrigkeit.1935Wir haBen nicht Mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondernmit der Atmosphäre (Eph.6,12). Das ist das Entscheidende,dass eine Luft von dir ausgeht, die stärker ist, die r<strong>einer</strong> istund deshalb siegreicher als die unreine Atmosphäre, die unterden Menschen zu herrschen pflegt. Es darf niemand unter dieMenschen gehen ohne die Gemeinde und ohne dass er ausgerüstetist mit dem Geist der Gemeinde (Mark.13,11; Apg.13,2 4).1934Wie Jesus Mit seinen Zwölfen den inneren Kreis der innerstenGemeinschaft bildete, um zugleich mit diesem Kreis zu denMenschen zu gehen, so ist es auch bei uns mit dem Gemeinschaftslebenund s<strong>einer</strong> Aussendung. Einer unserer jüngsten


0Mitglieder fühlte den Auftrag, zu den Menschen in den Städtenund Dörfern zu gehen. Und wir haben bereits Briefe vonihm bekommen, dass er auf dieser Fahrt zu den Menschenwunderbare Begegnungen erlebt hat. So sind in den meistenWochen des Jahres drei oder vier Brüder unterwegs. Auch diesekleine Sendung zu den Menschen geschieht durch die unmittelbareInspiration des Betreffenden in der Übereinstimmungmit der ganzen Gemeinde.1935Wir sinD alle eins in dem innersten Anliegen, dass du vonChristus selbst ausgesandt bist, von Schritt zu Schritt, vonAufgabe zu Aufgabe (Matth.9,38). Wir bitten darum, dass dufestgehalten wirst, dass weder dein Herz noch deine Zungeaus einem Überschwang der Gefühle und des Wortschatzesmit dir durchgehen; dass du vielmehr inspiriert wirst, das entscheidendeWort zur entscheidenden Stunde zu sprechen, inwelcher der Mensch, dem du begegnest, gerade herangereiftist und voller Erwartung ist, gerade dieses Wort endlich zu hörenund zu empfangen. Dass du so geleitet und geführt wirst,das ist unser innerstes Anliegen, in dem wir Tag für Tag undAbend für Abend hinter dir stehen und so im Geist bei dir seinwollen…Es gibt Gefahren auf dem Weg <strong>einer</strong> solchen Aussendung,zum Beispiel die Gefahr des hochfliegenden jugendlichenIdealismus. Das ist das eine, was ich dir wünsche: dass du nurdas vertrittst, was in deinem Leben und in unserem LebenWirklichkeit ist (1.Joh.1,3).1934


<strong>Die</strong> geMeinDe ist eineM Laternenkasten vergleichbar, und indieser Laterne brennt und strahlt das Licht; und die Lichtstrahlen,die durch das Glas der Laterne hinausgehen, erreichenalle Welt. <strong>Die</strong> ausgesandten Brüder und Schwestern sinddie Lichtstrahlen. Sie sind Boten <strong>Gottes</strong>, Boten des Lichtes,Apostel des Lichtes, ausgesandte Lichtstrahlen des Evangeliums,des Gemeinde Lichtes, des Liebes Lichtes <strong>Gottes</strong> in ChristusJesus in seinem Heiligen Geist. Und so sehen wir, dassdie ausgesandten Boten nicht auf sich selbst gestellt sind undnichts für sich selbst unternehmen; dass auch die Gemeindenicht in sich selbst verschlossen ist und nichts für sich selbstunternimmt. Ihr Wesen ist es, zu leuchten, ihr Licht hinauszusenden.1935kLEINE S CHRITTEin <strong>Die</strong>seM ungeheuren zusaMMenhang der großen Weltnot erscheintuns unsere Arbeit als sehr bescheiden. Und das halteich für wichtig, dass wir uns dieser Bescheidung der großenWeltnot und den geschichtlichen Tatsachen gegenüber bewusstsind. Um so mehr sind wir auf das Gebet angewiesen,dass der Tausend Millionen Menschenwelt gegenüber der kleineHolzwarenhandel und Bücherhandel dennoch eine weltbewegendeWirkung haben möchte, auf Wegen, die allein Gottweiß (Luk.10,2).1934<strong>Die</strong> Mission kann nur so sein, dass wir die Menschen, die schonin gewissem Grade von Gott gezogen werden, aufrufen und


auffordern. Es kann niemand zu ihm kommen, es ziehe ihndenn der Vater (Joh.6,44). Gott ist der große Erwecker. Durchdie Geschichte schlägt er mit Hammerschlägen ein in das, wasgeschieht. Wir aber sind nicht die, die mit Hammerschlägendie Gewissen der Menschen zertrümmern sollen, sondern wirsind diejenigen, die innerlich bewegte Menschen und Gruppenaufsuchen, finden und sammeln sollen.1931Wir WenDen uns an alle: Wer mit Ernst Christ sein will, wersein kurzes Leben der Liebe hingeben will, wer ein letztlichnutzloses Dasein aufgeben und alle Weltvermischung verlassenwill, wer Jesus und niemand anderem als Jesus folgen will,ist hier von Herzen willkommen.1934es giBt einen verBorgenen Christus in solchen, die sich selbstals ungläubig erklären. Wir haben es erlebt, dass eine ganz starkeChristuswirkung bereits da sein kann, während der Betreffendemit dem Mund Christus noch leugnet. Wir sahen daran, dassChristus viel größer ist, als unser Kopf es sich ausdenken kann,dass Christus viel mehr Liebe hat, als unser Herz es fassen kann(1.Joh.3,20). Und doch kann uns das nicht wundernehmen;denn wenn wir mit den Menschen zusammenkommen – wir,die wir ein klein wenig von dem Geist Christi gespürt haben–, so fragen wir sie auch nicht, ob sie schon ganz mit uns einigsind. Vielmehr ist das der Sinn unserer Liebe, dass wir sie besuchenund anerkennen, bevor sie mit uns einig sind, indemwir zu erspüren suchen, was gerade in ihnen lebt.1935


I N DEN SpuREN DES mEISTERS<strong>Die</strong> einfache apostolische aussenDung ist nicht darauf bedacht,große Säle zu mieten und feine Vorträge zu halten. Sieist viel schlichter und einfacher. Es kann sich nur darum handeln,den lebendigen Faden von Mensch zu Mensch, von Hauszu Haus, von Ort zu Ort zu finden, die Fährte Jesu Christi zufinden, zu sehen wohin er gegangen ist, dass man auch dorthingeht und nirgendwoanders als dahin, wohin er gerade gegangenist in dem betreffenden Ort. Und das zu finden ist Sache unmittelbarerGnade…Es sei das noch gesagt: <strong>Die</strong>ses Sammeln der einzelnen oderder kleinen Schar für das Leben der völligen Gemeinschaft istnicht die Hauptsache. Es würde nicht der Größe <strong>Gottes</strong> entsprechen.<strong>Die</strong> Hauptwirkung der Aussendung muss die sein,dass die ganze Menschheit aufmerksam wird darauf, wer Gottist und was er will, auf die Tatsache, dass er in Jesus Christusvöllige Liebe wirkt (Joh.17,26), und dass diese in wahrhafterGemeinschaft heute möglich ist. Und dass heute Einheit gelebtwird in völliger sozialer Gerechtigkeit und Brüderlichkeitin einem Geist innerster Einstimmigkeit. <strong>Die</strong> Hauptaufgabewird die sein, dass die ganze Welt, die oberen Klassen ebensowie die Masse der Erniedrigten, aufmerksam wird: Das,was wir beinahe schon vergessen haben, ist doch wirklich unddennoch möglich.1934


Der e inzelneunD D ie Gemeinschaft


12. DIE G ESAm T h EIT DER G LAUb ENDENDas leBen aus gott ist Zusammenbringen (Joh.12,32). SeinLeben will uns in den einen Organismus <strong>Gottes</strong> zusammenbringen,in einem lebendigen, beseelten Leib will es uns vereinigen,und dieser Leib ist beseelt durch den Heiligen Geist(1.Kor.12,13 14). So drängt uns diese Einheit im Geist durchdas Band des Friedens in das wirkliche praktische Leben. Esgeht um die Verleiblichung dieser Einheit.1935Wir glauBen <strong>Die</strong> offenBarung des Heiligen Geistes in der lebendigenGemeinschaft. Das unterscheidet uns sehr von einemreinen Privatchristentum. Natürlich muss das einzelne Herzvon dem Heiligen Geist besucht werden, aber die eigentlicheWirkung des Heiligen Geistes beginnt erst in der Gemeinde.Denn wenn das, was das einzelne Herz erlebt, in der Gemeinschaftder Überzeugung erlebt wird, dann erst offenbart sichdas Reich <strong>Gottes</strong>.1935Wenn JeManD uns fragt, ob wir in dieser Zusammensetzungeiniger schwacher, armseliger Menschen die Gemeinde <strong>Gottes</strong>sind, so müssen wir antworten: „Nein, das sind wir nicht.Wir sind ein Gegenstand der Liebe <strong>Gottes</strong> mit allen anderen


Menschen; wir sind ein Zielpunkt der Liebe <strong>Gottes</strong> mit allenanderen Menschen, und wir sind unwürdig und unfähig undungeeignet für die Anrichtung des Heiligen Geistes, für denAufbau der Gemeinde und für die Aussendung in alle Welt– ebenso und mehr als alle anderen Menschen.“Aber wenn man die Frage so an uns richtet: “Ist die Gemeinde<strong>Gottes</strong> bei euch? Kommt die Gemeinde <strong>Gottes</strong> dort, wo ihrseid, zu den Menschen, ist dort die Gemeinde <strong>Gottes</strong> imSinne des Heiligen Geistes, der allein die Gemeinde <strong>Gottes</strong> zubringen vermag?“ – dann müssen wir antworten: „Ja, das istso.“ Überall, wo glaubende Menschen versammelt sind, diekeinen anderen Willen mehr haben, als den einen einzigenWillen, dass das Reich <strong>Gottes</strong> komme und dass die GemeindeChristi offenbar werde als die völlige Einheit seines Geistes,überall dort ist die Gemeinde, weil dort Heiliger Geist ist(1.Joh.3,24).1933<strong>Die</strong> geMeinDe ist ein lebendiger Bau. <strong>Die</strong> Menschen darin sindlebendige Bausteine. <strong>Die</strong>se lebendigen Steine haben nichtsVollkommenes in sich selbst, sondern müssen beschlagenund zugerichtet werden, so dass sie mehr und mehr in denBau hineinpassen. Dennoch ist der Bau ein vollkommenerBau. Das eben ist das Geheimnis dieses Baues, dass sein Lebennicht aus seinen Teilen besteht, sondern vielmehr aus demlebendigen, zusammenfassenden Heiligen Geist. Es ist nichtso, dass die herzugebrachten Teile die Einheit des Baues darstellen– etwa durch die Übereinstimmung von Meinungen–, sondern so, dass in diesen von Natur geistig toten Steinen


durch ihr Zusammenfügen lebendiges neues Leben erwecktwird; nicht aus den Teilen, sondern aus dem zusammenfassenden,vereinigenden Element geboren, durch den HeiligenGeist (1.Petr.2,5).1933als george fox zuM zweiten Mal zu Oliver Cromwell kam,forderte er ihn auf, seine Krone vor dem Thron Jesu Christiniederzuwerfen. Auch uns müsste das gegeben werden, dasswir das den Diktatoren der heutigen Zeit sagen dürfen. Aberzuerst müssen wir alle unsere kleinen Kränze niedergelegt habenvor dem Thron Christi, auch den schillernden Eigenwillenunserer eigenen Wünsche und Anmaßungen. Und die Stätteder Gemeinde ist der Platz der Einheit, an welchem uns dasleicht gemacht wird, weil es unmöglich ist, dass angesichts derGemeinde eigenes Wesen triumphieren könnte; weil es unmöglichist, dass in der Einstimmigkeit eigene Begehrlichkeitsich durchsetzen könnte. In der Einheit der Gemeinde sollenwir erlöst und befreit werden von all den Wahngebilden, zuwelchen wir so oft geneigt sind. In der Gemeinde Jesu Christiverstummt alle Wichtigtuerei und erlischt alle Wichtignehmereides eigenen Wesens (Eph.4,17 24).1933Dass Man sich iM Laufe der Jahre wandelt, ist gewiss menschlich;mehr als das, es ist <strong>Gottes</strong> Wille. Denn da wir auf k<strong>einer</strong>Stufe der Vollkommenheit <strong>Gottes</strong> entsprechen, müssen wir unsununterbrochen wandeln. <strong>Die</strong> Entscheidung für unser Lebenliegt nur darin, in welcher Richtung wir uns wandeln. Und


die Richtung, die uns gesetzt ist, ist die, dass wir dem Ebenbild<strong>Gottes</strong> näherkommen, dass wir in Christus dieses Ebenbildimmer tiefer erfassen, dass es uns durchwirkt und verwandelt(2.Kor.3,18). Das Ebenbild <strong>Gottes</strong> kann nicht von einem einzelnenMenschen widergespiegelt werden, sondern es wird vielmehrin <strong>einer</strong> organischen Einheit – in einem lebendigen Körpervieler zu einem Ganzen verbundenen Glieder – widergespiegelt,die in gegenseitiger Hilfe zueinander stehen: in der Gemeinde<strong>einer</strong> geistigen Beseeltheit durch den Heiligen Geist. Der LeibChristi als solcher ist das Ebenbild <strong>Gottes</strong> in unserer Zeit.1933nun Darf Der Mensch in s<strong>einer</strong> Kleinheit auf dieser Erde inder Gemeinde sein und des Vaters Wesen in Wort, Leben undWerk widerspiegeln. Nicht der einzelne Gläubige, sondern diewirkliche Gemeinde – in ihrer von Gott durch seine Werkzeugegegebenen Ordnung – ist der neue Leib des Christus, dieneue Verleiblichung und Gestaltung des menschgewordenenWortes. Das Gebet zu Gott, dem herrschenden, gebietenden,helfenden und liebenden „Du“, unterwirft das widerstrebende„Ich“ des Menschen in dem „Wir“ der Gemeinde in vollemVertrauen und Glauben dem allgewaltigen, alle vereinigendenGott. Denn er bleibt immer und überall der ganz Andere, derallein Große und Gute – er, der durch seinen Geist die Gemeindeimmer wieder anspricht, beruft, begnadigt, ausrüstetund beauftragt.1929


Wie Jesus seine nächsten Freunde – die wir seine Jünger nennen– immer in s<strong>einer</strong> Nähe haben wollte (Mark.3,14), sodrängte sein Geist die ersten Christen nahe zueinander, damitsie miteinander das Leben Jesu lebten und dasselbe täten, waser getan hatte (Apg.2,42 47). Weil es sich hier um letzte innereNotwendigkeit handelte, mussten sich in allen Fragen desZusammenlebens Gestaltungsformen ergeben, die ganz <strong>einer</strong>vollendeten Liebeseinheit entsprachen.1919<strong>Die</strong> gegenWart Des üBerMächtigen Christus in der Gemeindewar das Geheimnis der ersten Gemeinde (Kol.1,26 27).Das Wunderbare dieses Geheimnisses ist, dass Christus nichtin <strong>einer</strong> Vision erscheint, sondern er offenbart sich als gegenwärtigim Heiligen Geist. <strong>Die</strong> Gegenwart Christi ist in derAusgießung des Heiligen Geistes gegeben. In demselben Augenblick,in dem die Gemeinde bekennt: „<strong>Die</strong> Liebe <strong>Gottes</strong>ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“,bekennt sie: „Er ist da! Christus ist hier!“ Er ist der Sieger überalle Sünde, über alle unreinen Geister und über alles seelischeWesen, über alle Empfindlichkeiten, über alle Ichsucht! Er istgegenwärtig – der König, der Gekreuzigte und Auferstandene– in dem machtvollen Geist s<strong>einer</strong> Gemeinde.1935<strong>Die</strong> BinDung an <strong>Die</strong> Bruderschaft ist uns also keine menschlicheBindung eines gegenseitigen Versprechens. <strong>Die</strong> Bindungan die Bruderschaft ist uns vielmehr notwendiger Ausdruckder Glaubenshingabe an den Willen <strong>Gottes</strong> zur vollkommenen


Einheit und an den Heiligen Geist, der uns diese Einheit erwirktund immer von neuem verwirklicht.01933Wir sinD hier nicht ein zusammengesetzter Kreis von Menschen,von denen jeder einen guten Willen zur Einheit hat,und die Zusammensetzung dieser vielen guten Willensrichtungenergäbe dann so etwas wie eine Geisteseinheit. Das istnicht unser Glaube. Wir glauben vielmehr, dass trotz unsererGemeinschaftsunfähigkeit, trotz unserer menschlichen Charakterschwächenund Begabungsmängel – trotzdem wir alsoso sind wie wir sind –, der Geist der völligen Einheit, welcherder Geist Jesu Christi ist, uns zum Zusammenkommen undZusammenbringen gerufen hat.1932nicht irgenDein einzelner Mensch gebietet über andere Menschen;das wäre ja schon eine Zweiteilung zwischen Arbeitgeberund Arbeitnehmer. <strong>Die</strong> gibt es bei uns nicht. Nicht eine geistigeGruppe von Menschen gebietet über andere, körperlich arbeitendeMenschen. Das wäre ja eine Teilung von Gruppen, die übereinanderstehen würden. Jeder Rest von Kasten, Klassen undStändeschichtung ist bei uns mit der Wurzel ausgerottet. Alles,was an Organisation der Arbeit unter uns geschieht, wird ausder Einstimmigkeit der Gemeinde geboren. <strong>Die</strong> allein übergeordneteGröße ist die Einstimmigkeit, Einhelligkeit, Einmütigkeit,die völlige Übereinstimmung aller Glaubenden undLiebenden der Gemeinde…


es giBt ausführenDe organe, die als Wortführer, Haushalter,Geschäftsführer der Gemeinschaft, als Arbeitsführer, Hausmutter,Erziehungsleiter und vieles ander tätig sind. <strong>Die</strong>seaber können ihren ausführenden Arbeitsdienst nur ausrichten,soweit sie von der gänzlichen Übereinstimmung der Gemeinschaftgetragen werden. <strong>Die</strong> Organisation, die sich darausergibt, enthält für den, der in der Gemeinschaft lebt, keineProbleme. Jeder, der in die Gemeinschaft eintritt, bringt alles,was er ist und hat, in die Einheit. Er behält nichts fürsich, weder irgendeine Arbeitsstunde, noch irgendein noch sokleines Sparkassenbuch oder irgend ein noch so kleines Kästchen,in dem irgendwelche Werte enthalten sind. Ihm gehörtabsolut nichts (Luk.12,32 34). Es ist ihm nur zum Gebrauch undzur Benutzung, also zum Besitz übergeben, solange es für seineArbeit ratsam ist. Es gibt hierfür also keine Uniformierung, keineEgalisierung. Man soll sich jetzt nicht die Gemeinschaftsorganisationso vorstellen, dass alles in einem einzigen Ton endet,sondern es führt zu reicher Harmonie.Was für die fruchtbare Arbeit des einzelnen erforderlichist, wird durch die Gemeinschaft geschafft. So werdenLandwirtschaft und Garten, Handwerk und Kunsthandwerk,Buchverlag und Druckerei, Schule, Kinderhort, Kindergartenund Säuglingsabteilung, Küchenwirtschaft, Hauswirtschaftaller Art, sämtlich gemeinschaftlich ausgeübt und bewältigt.Alles, was getan wird, wird von Gemeinschaftskräften für dieganze Gemeinschaft bewältigt.1932


Wir Müssen Bekennen, es ist wirklich ein Wunder, dass wir diesezwölf Jahre in Gemeinschaft leben dürfen und dass wir dieKraft des befreienden und erlösenden und gesundmachendenGeistes erlebt haben und bezeugen dürfen. Es ist ein Wunder,das niemals von uns kommt.Aber wie kommen wir in die Atmosphäre dieses Wundershinein? Da bekennen wir uns zu dem alten Sannerzer Lied:„Wir sind im heil’gen Warten zu Haus.“ In der aktiven Hingabesind wir zu Haus, in der Gewissheit: Jetzt kommt der HeiligeGeist, der völlige Charakter Jesu zu uns. Was geschah dann,als der Heilige Geist kam? Niemanden darf es verdrießen, dassman lange warten muss. <strong>Die</strong> kleine Schar in Jerusalem hateine sehr schwere und ihr fast unendlich dünkende Wartezeitdurchleben müssen. Und dann kam es, dass der Heilige Geistüber sie ausgegossen wurde (Apg.1,4 5;2,1 4). Da ereignetesich das Entscheidende. Und wir glauben daran, dass sich dasEntscheidende immer wieder ereignen muss.193lWir haBen uns heute wieder daran erinnert, dass wir keineswegsunsere Bruderschaft als das Ziel ansehen, sondern als denEinsatz auf das Ziel hin. Wir denken gar nicht daran, die Bruderschaftum der Bruderschaft oder den Bruderhof um desBruderhofes willen neu zu festigen. Wir wünschen vielmehr,dass unsere Bruderschaft für den Frieden und die Einheit eingesetztwird. Wir wünschen, dass die ganze Welt mit allen Völkernzum Reich der Gerechtigkeit und des Friedens gelangt.Besser gesagt, wir wünschen, dass das Reich der Gerechtigkeit


und des Friedens in der ganzen Welt anlangt. Den ungeheurenKräften der Feindseligkeit und Erbitterung muss eine wennauch noch so kleine Schar gegenüberstehen, die Einheit, Friede,Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Menschlichkeit in dieWelt hinausstrahlen lässt: das heißt, Strahlen der <strong>Gottes</strong>liebeund Christusliebe, der Reich <strong>Gottes</strong> Kraft. Dafür wollen wirleben, und dafür ist eure Vereinigung mit uns eingesetzt.1935


13. f ühRUNG UND hIRTENDIENSTWAS IST EIN D IENER?es giBt keinen herrn in dieser Gemeinde als einzig und alleinChristus; es gibt keinen Führer als einzig und allein dasHaupt, welches ist Jesus Christus. Wir alle sind Brüder untereinander;wir alle sind Glieder, von denen jedes dem anderendient (Matth. 23,8 12); wir sind lebendige Zellen. Wer in diesemLeib gebietet durch die Kraft des Heiligen Geistes ist JesusChristus, der Sohn des lebendigen <strong>Gottes</strong>.1933in Der neutestaMentlichen zeit waren als <strong>Die</strong>ner der römischgriechischen und orientalischen Sklavenkultur durchaus nichtnur Speisediener, Kammerdiener, Küchendiener und Hausdienertätig. Auch die gelehrtesten Männer – Dichter undSprachlehrer, Geschäftsführer und Buchhalter – waren <strong>Die</strong>nerdes Sklavenstaates ihrer Herrschaft, bis zum „maior domus“nichts anderes als frei dienende Sklaven ihres Haushaltes. Darandachten die Apostel, als sie von den <strong>Die</strong>nern der Gemeindesprachen (Gal.5,13)…Was ist die Bedeutung des <strong>Die</strong>nstes aller derer, die berufensind, wirkliche <strong>Die</strong>ner der Gemeinde zu sein? Das apostolischeWort bezeichnet alle mit größter Verantwortung belasteten


Brüder der Gemeinde als <strong>Die</strong>ner. „<strong>Die</strong>ner“ ist jetzt auch fürunser Gemeinschaftsleben das beste Wort für alle Träger jederbesonderen Gemeindeverantwortung. <strong>Die</strong>ner sind die, die instarker Verantwortung für so vieles den untersten Platz imGemeindeleben einnehmen.Der Platz der <strong>Die</strong>ner ist wahrhaftig ein belasteter undüberbelasteter Platz. Sie tun diesen <strong>Die</strong>nst in der Liebe derWahrheit und in der Wahrheit der Liebe (1.Tim.6 11). Sietun ihn im Geist der Brüderlichkeit und Ebenbürtigkeit allerBrüder und Schwestern.1935<strong>Die</strong> erste unD letzte Hauptverantwortung für den ganzenBruderhof trägt der Älteste. Ihm ist der <strong>Die</strong>nst am Wort,die persönliche Betreuung aller Bruderhöfer, die erzieherischeHauptverantwortung und die Verwaltung der Kindergemeinde,auch die Betreuung der Gäste anvertraut; ebenso die Hauptverantwortungfür die Güter und Gelder, für die Wohlfahrtdes Bruderhofes und die Erhaltung und Durchführung dergesamten Arbeit des Bruderhofes im <strong>Die</strong>nst nach innen undim <strong>Die</strong>nst nach außen, auch in der Aussendung und in derSchriftenverbreitung…<strong>Die</strong> Hausmutter hat unter der Führung des Ältesten undin Gemeinschaft mit dem Haushalter nach innen und außendie Aufgabe, die mütterliche Fürsorge für alle Bruderhöferzu tragen. Zugleich hat sie als Haushalterin die gesamteHauswirtschaft zu verantworten und die Arbeit der Frauenund Mädchen zu überwachen. Da die im Geist und in derZukunft Christi zu uns kommende Gemeinde <strong>Gottes</strong> unsere


Mutter genannt wird, ist der liebende <strong>Die</strong>nst der Gemeinde,der der Hausmutter an allen ihren Gliedern und Gästenanvertraut ist, von einzigartiger Bedeutung.1929ach! es ist eine schwere und quälende Last, Ältester oder ähnlichessein zu müssen. Wer danach noch krampfhaft verlangt,kennt die Tragik und Not dieses für uns schwache Menschenallzu heiligen Müssens noch nicht (1.Kor.9,16). Glücklichund selig sind die, denen es nicht auferlegt ist, wenn – ja, allerdingsnur wenn sie es nicht mit heimlicher Begehrlichkeitungereinigten Wollens ersehnen!1930ich Bin Bereit, ohne einen Anspruch Ältester zu sein oder eineTitulierung zu haben, einfach mit euch zu leben. Wenn derAusdruck „Ältester“ als Titel empfunden wird, lege ich ihn nieder;als gesellschaftlichem Rang sage ich diesem Rang hiermitals einem Teufelswerk ab. In diesem Sinne müssen wir unserGewissen reinigen von den toten Werken (Hebr.9,14).1935AuTORITä T ALS G ABE DES G EISTESein <strong>Die</strong>ner Des geistes muss vom Heiligen Geist bestellt sein.Vom Heiligen Geist muss er erwählt, berufen und gesandt sein;freilich zugleich auch von einem Volk, das von diesem Geisterfüllt ist (Apg.13,2 3). Er soll von Gott selbst und von s<strong>einer</strong>Gemeinde selbst in seine Ernte hinausgeschickt sein. SelbstChristus ist durch den Heiligen Geist gesandt und gesalbt


worden (Luk.4,18 19). <strong>Die</strong> Apostel durften nicht eher zumWortdienst hinausgehen, als bis sie mit der Kraft aus der Höheangetan waren durch das lebendige Wort, das nur aus der lebendigenBibel des Herzens verkündigt wird. Darum hatte dasWort der Apostel eine solche Gewalt, einen solchen Laut, einesolche Kraft, einen solchen Nachdruck. Ihre Rede zerschnittwie ein Messer, es durchstach die Herzen, es durchdrang Markund Bein.1933DeshalB Mussten auch <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>ner der Versorgung, die in dieserGemeinde als Diakone wirken sollten – die die wirtschaftlicheund soziale Gerechtigkeit führen sollten – voll HeiligemGeist und Weisheit sein (Apg.6,3), wie es Stephanus war, derbis zum letzten Augenblick seines Märtyrertodes als ein Mannvoll Heiligen Geistes bezeugt wird.1933Wir haBen hier gar kein festes Amt, sondern nur die <strong>Die</strong>nste,die sich durch den Strom der Liebe und den Strom desGeistes ergeben. In demselben Augenblick, wo diese <strong>Die</strong>nsteohne diesen Strom der Liebe und des Geistes noch etwas seinwollten, wären sie eine Lebenslüge, eine Unmöglichkeit. Hierhat kein Mensch etwas zu sagen, niemand, und wäre es derbegabteste, wenn er an sich selbst glaubt.1935Der heilige geist Will es in uns so licht machen, dass wir nichtnur dem folgen, was er in uns selbst offenbart hat, sondern dasswir weiter schauen und zugleich empfinden und erfassen, was


derselbe Geist gerade jetzt und hier in den anderen Gliedernder Gemeinde – auch besonders in den kindlichsten unter ihnen– anregt und in Bewegung bringt. Fast möchte ich sagen:Für den <strong>Die</strong>nst am Wort ist es wichtiger, in den anderen diegerade in diesem Augenblick wirkende Stimme und Lichtwerdungund die durch sie in den anderen erstehende Bewegtheitwahrzunehmen und zum klärenden Ausdruck zu bringen, alsauf das eigene Herz zu achten.1934keine geMeinDe hat geBärenDe Kraft in sich selbst für dieWiedergeburt des <strong>neuen</strong> Lebens. Kein <strong>Die</strong>ner am Wort vermagMenschen die Möglichkeit und die Kraft eines <strong>neuen</strong> Lebenszu vermitteln. Würde er auch nur mit einem Fünkchendaran glauben, dass er das könnte, so wäre sein ganzer <strong>Die</strong>nstverloren und müsste niedergelegt werden. Das ist das Geheimnis:das obere Jerusalem, das unser aller Mutter ist mit der Geburtskraftalles Geburtengrundes (Gal.4,26; Offb.21,2). Vondort kommt das neue Leben, die neue Gerechtigkeit, die neueLiebe, die neue Lebenskraft.1935Das persönliche ergehen Der einzelnen ist den <strong>Die</strong>nern amWort in erster Linie anvertraut. Hier hat vor allem ein Vertrauensverhältniszu herrschen, so dass die Gäste und Jugendlichenund Novizen alle ihre inneren, geistigen Nöte und auchsonstigen Schwierigkeiten dann, wenn es notwendig ist, aussprechen.Nicht etwa so, dass der einzelne seine eigene Personund sein eigenes Empfinden den <strong>Die</strong>nern am Wort vor Augen


führen sollte, sondern dass überall dort, wo seelische Schwierigkeitenund Geistesnöte den <strong>Die</strong>nst am Reich <strong>Gottes</strong> – dieHingabe an die Sache – stören, die Hilfe vom <strong>Die</strong>ner am Wortin Anspruch genommen wird (Hebr.13,17).1932nieMals Darf Der <strong>Die</strong>ner am Wort der ihm anvertrauten Gemeindeetwas mit Gewalt aufzwingen oder einprägen. Denndazu ist er nicht der Gemeinde vorangestellt, dass er sie vergewaltige,sondern zu ihrer Freude (2.Kor.1,24).1931uNTERSCHEIDu NG DER G EISTERein lenker Des schiffes ist immer im vollen Einvernehmenmit der ganzen Schiffsmannschaft. <strong>Die</strong>se Gabe berührt sichnahe mit der Unterscheidung der Geister. Man kann nur anden Klippen vorbeifahren, wenn man sie als solche erkannthat. <strong>Die</strong> Gabe der Steuerung ist eine besondere Geistesgabe,sie sollte gerade jedem <strong>Die</strong>ner am Wort gegeben sein. Abernicht nur den <strong>Die</strong>nern am Wort, sondern ihr <strong>Die</strong>nst solltevon vielen anderen unterstützt werden, wie auf jedem SchiffErsatzleute da sind. Auch diese Gabe muss möglichst vielen inder Gemeinde gegeben werden: den rechten Kurs zu halten inallen den Dingen des Geistes wie in der Wirtschaft.1935nur eine üBeraus Wache Gemeinde kann diese gefährliche Zeitüberstehen (1.Kor.16,13). Jetzt ist kein Augenblick frei zurMüdigkeit, zum Matt und Müdewerden, zur Selbstbeschäftigung.


0Jeder Moment ist einzusetzen für das Wachsein der ganzenGemeinde, mit den Waffen des Reiches zur Rechten und zurLinken. Ist das klar? Deshalb müssen wir Gott bitten um denwachen Geist, um den Heiligen Geist. Denn wir wissen, dasswir müde Menschen sind mit einem matten Fleisch; dass wiruns nicht selbst die Kraft zu geben vermögen, allen diesen Gefahrenzur Rechten und Linken rechtzeitig zu begegnen undin allen diesen Nöten schlagfertig und geistesgegenwärtig nachvorn und hinten zu bleiben.Aber gerade darin sollen die <strong>Die</strong>ner am Wort bewährt underweckt werden, dass sie ihre Standhaftigkeit in wahrer Kraftbeweisen, in eigenem Wachsein nach allen Seiten hin, so dassdie Gemeinde hindurchgesteuert wird durch den wehenden,frischen Wind, den frischen Atem <strong>Gottes</strong>, durch den Odemdes Heiligen Geistes. In solchen Zeiten der Gefahren genügtkein lauer, süßlicher Wind. In solchen Zeiten muss einfrischer, kalter Sturm kommen. Um den müssen wir bitten,wenn es nicht lau unter uns sein soll.1934<strong>Die</strong> gefahren, <strong>Die</strong> uns umgeben, sind einmal das Bonzentum,das Beamtentum, die Überhebung der beamteten Brüder, dieihren <strong>Die</strong>nst als Überhebung der eigenen Person auffassen, dieaus Pflichtbewusstsein heraus die freie Regung des Geistesunterdrücken und die übrige Gemeinschaft zu versklaven drohen.Zum anderen ist es die Neigung zum überheblichen Moralismus,die Dreistigkeit, in welcher man sich selbst mit seinem moralischenEmpfinden über die anderen Menschen stellt und infolgedessenmit <strong>einer</strong> gewissen Geringschätzung von anderen


Menschen redet und über andere Menschen denkt, die nichtauf derselben moralischen Höhe stehen.<strong>Die</strong> dritte Gefahr ist ein geschäftstüchtiger Sinn, so dasswir beständig an das Geldverdienen denken, an die Ernte,an die Leistung im täglichen Leben, an die Arbeit, diemit großem Fleiß und großer Anstrengung geleistet wird.Und schließlich ist es – in Verbindung mit dem allen unddurchaus logisch dazugehörend – die Neigung zu einem ganzgewöhnlichen Hochmut, der sich selbst für den tüchtigstenund kritischsten Menschen hält und die anderen für wenigergeeignet. Oder aber es ist die Schwermut, die merkt, dass allediese Tendenzen, wie sie im Beamtentum, im Moralismus, indem geschäftstüchtigen und leistungsfähigen Sinn enthaltensind, von dem Betreffenden selbst nicht wirklich geschafftund erreicht werden können.1935NuR DER G EIST SOLL S p RECHENWenn Wir auf DeM heiligen Weg der Gemeinde stehen, hat niemanddas Recht drauflos zu werken, hat niemand das Rechtdrauflos zu wirken. Wir haben vielmehr so zu reden und zuwerken und zu wirken, wie es der Geist <strong>Gottes</strong> in uns anregtund hervorbringt. Nur dann kann Gemeinde sein. Und deshalbkann nicht nur bei dem <strong>Die</strong>nst am Wort, sondern auchbei jedem Rundgespräch, bei jeder Bruderschaft, bei jederArbeit der bewegende Geist das allein bestimmende Elementsein, aus dem wir sprechen und handeln.Wenn wir das aber wirklich ganz erfassen, dann werden wirauch vor dem gesprochenen Wort in der Gemeindestunde, in


der Bruderschaftsstunde oder beim Rundgespräch die tiefsteEhrfurcht haben. Dann werden wir nicht den Menschen inseinen menschlichen Eigenschaften vor uns sehen, sondernwir werden merken: Hier ist eine Stimme, aus welcher nurdas spricht, was Gott sagen will, was Gott zu reden hat, wasGott sagen muss, was Gott jetzt wirklich sagt. Und dasselbegilt vom Wirken. Sobald wir von dieser Heiligkeit des Weges,von dieser Göttlichkeit des Weges in noch so gut gemeinterseelischer Art abweichen – auch nur um ein Haar breit –, sindwir sofort in äußerster Gefahr, im Menschlichen zu ertrinken.Und damit ist die Gefahr verbunden, dass die ganze Stadt aufdem Berge im Sumpf untergeht.1934Das Möchte ich auch für den <strong>Die</strong>nst am Wort sagen, wenn wirzur Aussendung kommen wollen: Wir dürfen nur sprechen, wennwir durch den Heiligen Geist angeregt sind. Sonst schweigenwir. Wenn wir etwas lesen wollen, sollen wir es nicht tun, wennwir nicht ganz bewegt werden durch den Heiligen Geist. Ichverstehe darunter keine besondere Erhabenheit der Stimme,der Sprache oder der Gebärde. <strong>Die</strong>se Anregung des HeiligenGeistes kann ein Angeregtsein in der Sache sein, auch für unsereDrechselei oder Gartenanlage. Es kann sein, was es will,auch etwas Menschliches: Es kann die Heiratsfrage betreffen. Eskann alles und jedes betreffen, was zum Leben gehört. Es sollnur aus dem Herzen <strong>Gottes</strong> heraus geboren sein, und es solluns wirklich von Gott selbst eingegeben sein. Sonst wollen wirstillsc weigen (1.Kor.2,13).1935


14. ANREDE, GE m EINDEz U chTUND V ERGEb UNGA LLE G E m EINDEGLIEDER BRAu CHEN H ILFEDer geist Der freuDe ist zugleich der Geist des Aufbaus, derOrdnung und der Zucht. Dass es sich bei dieser Geistesordnungum keine Disziplin menschlicher Gesetze handeln kann– dass es hier k<strong>einer</strong>lei Strafe geben kann, die der moralischeWille des einen Menschen dem anderen Menschen gegen dessenWillen auferlegen könnte – hat sich aufs klarste herausgestellt.Wenn also alle derartigen Bestrafungen ausgeschlossen sind,so kann auch keine Furcht vor Strafe aufkommen. Was hierund da als Furcht erscheint, muss etwas anderes sein, was alsernstestes Bedauern, ja als innerster Schmerz nach jedem Versagenim Herzen aufsteigt.Solange man in der Atmosphäre des Geistes lebt, wird manniemals aus freiem Willen das Böse tun, wird man also mitgeplanter Absichtlichkeit nichts herbeiführen, das die Einheitund Ordnung des Geistesaufbaus stören könnte (1.Joh.3,6).Aber wie kommt es, dass man Fehler begehen und inAbweichungen geraten kann, die man nicht gewollt und nichteinmal recht vorausgesehen hat? Der Mensch ist schwachund dumm. Oft sieht man das Übel kaum herankommen.


Schlimmer schon ist das Aufgeben der Widerstandskraftgegen das aufkommende Übel. Noch schwerer ist die leisesteAnnäherung, in der man sich mit der entstehenden Unordnungabfinden oder gar befreunden will.Wenn ein Glied der Gemeinde in eine solche Not hineingerät,so schaut er nach Hilfe aus; denn er weiß, dass alleBruderschafter dieselben und ähnliche Schwächen sehr wohlan sich selbst kennen und sofort zu jeder Hilfe bereit sind. <strong>Die</strong>Schwäche im Keim zu überwinden ist der Wille der ganzenBruderschaft. Ein jeder hat den Glauben, dass der Geist JesuChristi in allen Gliedern der Gemeinde wirkt und niemandenin s<strong>einer</strong> Not verlassen wird (1.Kor.10,13). Ein jeder, der vonSchwäche befallen wird, weiß, dass die Gemeinde Christi ihnwie alle anderen trägt, um ihm zurechtzuhelfen.Deshalb ist es nicht richtig zu sagen, man empfinde dieFehler nur im eigenen Herzen und Gott strafe sie dort.<strong>Die</strong>ser Gedanke ist ein Irrtum, weil das rein individualistischempfunden ist. Er steht im Gegensatz zur Gemeinde Christiund zum Reich <strong>Gottes</strong>. Richtig ist, dass ein jeder, der vom Geistberührt ist, seine Fehler in seinem eigenen Herzen empfindet,und dass ein jeder, der zur Gemeinde Christi gehört, <strong>Gottes</strong>Stimme in seinem Herzen empfindet, besonders dann, wenner einen Fehler gemacht hat. Aber zugleich fühlt ein lebendigesGlied der Gemeinde, dass die ganze Gemeinde mitbetroffenist, mitfühlt und mitverantwortlich ist für alles, was auchgeschah (1.Kor.12,25 26). Niemals fühlt sich ein Glied derGemeinde allein vor Gott gestellt, sondern immer weiß es dieganze Gemeinde mit ihm vor Gott (Gal.6,1 2).1934


<strong>Die</strong> Buße soll Dazu führen, dass eine Gesinnungsänderung,eine Willensveränderung, eine Richtungsveränderung stattfindet.Der Ausschluss aus der Gemeinde ist nicht um desAusschlusses willen da – ist niemals dazu da, dass eine Strafeverhängt wird – sondern nur dazu gegeben, dass wir in <strong>einer</strong>tieferen Besinnung unser Leben grundlegend verändern.1933G E m EINDEZu CHT H ä LT DIE G E m EINDE REINDer heilige geist üBerzeugt die Menschen vom Gericht. Unddas ist das Entscheidende. Das Gericht besteht darin, dass derFürst dieser Welt gerichtet wird; nicht darin, dass Menschengerichtet werden (Joh.16,8 11). Der scharfe Kampf desGemeindegerichtes richtet sich also keineswegs gegen die betroffenenGlieder der Gemeinde, sondern ausschließlich gegenden Fürsten der Menschenwelt, der immer wieder – auchüber die Menschen der Gemeinde – Herrschaft gewinnen will(2.Tim.2,24-26).1935auch ihr Wollt, Dass das Gute siegt und das Böse unterliegt.Aber ihr denkt dabei vielleicht zu viel an die menschlichenPersonen, die betroffen sind. Sie erscheinen euch als das Objekt,als die Instrumente, als der maßgebende Faktor. Das ist falsch.Es geht um Kämpfe zwischen Geistern, und die Person ist indiesem Kampf nur so weit betroffen, als sie ein Kampfplatzdieser beiden Geistesmächte ist. Solange der Mensch im Mittelpunktsteht, denken wir, den Menschen zu schonen undihm zu helfen; was schief ist, weil wir nicht die Hauptsache


sehen, nämlich dass zwei Mächte um uns kämpfen: der gute,reinigende Geist <strong>Gottes</strong> und die dämonischen Mächte.1935<strong>Die</strong> geMeinschaft Muss in Strenge und Disziplin rein und einiggehalten werden (2.Kor.11,2). Jeder Fluch unr<strong>einer</strong>, besitzwollender,lügnerischer, mörderischer oder götzendienerischerGeister muss ausgeschieden werden. <strong>Die</strong> brüderliche Zurechtweisungund das schärfste Gemeindegericht sind die Waffendieser Zucht.1929<strong>Die</strong> geMeinDe hat <strong>Die</strong> Vollmacht der Sündenvergebung auf dereinen Seite und des Ausschlusses auf der anderen (Joh.20,23).So kann diese Gemeinde wirklich in Einheit bewahren, wasihr gegeben wird durch die Mitteilung des Heiligen Geistesund der <strong>Gottes</strong>gemeinde, die aus den himmlischen Welten zuihr kommt. Und der Auftrag der Bewahrung ist nur durch diesebeiden schärfsten Mittel möglich: die Vergebung und derAusschluss. <strong>Die</strong> Vergebung bedeutet, dass das Böse hinweggenommenwird bei der inneren Wandlung. Der Ausschluss bedeutet,dass das Böse hinweggeräumt wird mitsamt dem vonihm betroffenen Menschen.1933<strong>Die</strong> vollMacht Der vergeBung der Sünde, die Aufhebungdes Ausschlusses, die Aufnahme in den Bund der Gnade, diereale Wirklichkeit der Buße und des Glaubens ist etwas unsagbarGroßes, vor dem wir nur anbetend verstummen können(Matth.18,18). Insbesondere ist der Bund des Glaubens, wenn


er im Herzen ankommt, das Anbetungswürdigste. Und ichwünsche so von Herzen, dass in jedem von uns der Glaubeerneuert wird, dass der Glaube ankommt in unseren Herzen,dass Christus offenbar wird in unserer Mitte, dass die Macht<strong>Gottes</strong> uns erschlossen wird.1935G E m EINDEZu CHT muSS FREIWILLIG SEINzuWeilen koMMt es Dazu, dass jemand aus unserem Kreis gemeinsammit den anderen die Notwendigkeit erkennt, eineZeitlang eine tiefstinnere Stille der Einsamkeit zu suchen.Das geschieht natürlich niemals ohne seine eigene Einsicht,sondern es geschieht auf seine eigene Anregung hin. Und ersowohl wie alle anderen freuen sich auf den Augenblick, andem die Frucht dieser Einsamkeit in <strong>einer</strong> um so erfüllterenGemeinsamkeit mit uns allen offenbar werden wird.1935Wer Davon spricht, Weggehen zu wollen, dem können wir nursagen: Dann gehe. Nur wenn er in wahrer Buße wirklich bereitist, ein klares Wort zu sagen, gut, so komme er. Es ist unter unsgänzliche Freiwilligkeit.Es kann nicht ein Mann um eines geliebten Mädchens willen,oder eine Frau um eines geliebten Mannes willen, Eltern umihrer Kinder willen oder Kinder um ihrer Eltern willen, oderFreunde um ihrer Freunde willen, diesen Weg beschreiten. <strong>Die</strong>Freiwilligkeit ist der für Gott und sein Reich frei gewordeneWille. <strong>Die</strong>se Freiwilligkeit führt zu dem freien Gehorsam,der aus dem Glauben und aus der göttlichen Liebe entsteht.


Alle Eigensinnigkeit und Eigenmächtigkeit wird aufgegeben.Deshalb ist jeder bereit, ein offenes Wort anzunehmen undGemeindezucht auf sich zu nehmen (Spr.3,11-12). Jeder istdazu bereit, Zeiten der Besinnung auf sich zu nehmen, damitaus unserem Inneren alles hinausgenommen wird, was zumbösen Geist gehört.1933O FFENES W ORT IN DER L IEBEes giBt kein gesetz als das der Liebe (2.Joh. 5,6). <strong>Die</strong> Liebe istdie Freude an den anderen. Was ist also der Ärger über sie?Das Weitergeben der Freude, die das Hiersein der anderenbringt, bedeutet Worte der Liebe. Deshalb sind Wortedes Ärgers und der Sorge über Glieder der Bruderschaftausgeschlossen. Es darf in Sannerz niemals deutlich oderversteckt gegen einen Bruder oder eine Schwester – gegenihre Charaktereigenschaften – geredet werden, unter keinenUmständen hinter ihrem Rücken. Auch das Reden in dereigenen Familie bildet hierfür keine Ausnahme.Ohne das Gebot des Schweigens gibt es keine Treue,also keine Gemeinschaft. <strong>Die</strong> einzige Möglichkeit ist diedirekte Anrede, der unmittelbare Bruderdienst an dem,gegen dessen Schwächen etwas in uns aufsteigt. Das offeneWort direkter Anrede bringt Vertiefung der Freundschaftund wird nicht übelgenommen. <strong>Die</strong> geeeinsame Aussprachebeider mit einem Dritten, dem man vertrauen kann, dass erzur Lösung und Einigung im Höchsten und Tiefsten führt,wird nur dann notwendig, wenn man sich auf direktemWege unmittelbar nicht gefunden hat (Matth.18,15 16).


<strong>Die</strong>se Ermahnung hänge sich jeder der Hausgemeinschaft anseinem Arbeitsplatz auf, wo er sie stets vor Augen hat.Das erste Gesetz in Sannerz” in: Aufbau u.Ordnungen,1929Wehe uns, Wenn Wir „richtig“ werden, ohne die Liebe zu haben(1.Kor.13,1). Wehe uns, wenn wir Richtiges sagen, ohne dieLiebe zu haben. Dann lasst uns lieber schweigen. Das ist besser.Man darf einem Menschen erst dann die Wahrheit sagen,wenn der Heilige Geist dem Sprechenden die Gewissheit gibt:du liebst ihn von ganzem Herzen, deshalb darfst du es ihmsagen (Eph.4,15). Wehe dem, der seinem Bruder oder s<strong>einer</strong>Schwester die Wahrheit sagen wollte, ohne ihn von Herzen zulieben. Er ist ein Totschläger. Denn Wahrheit ohne Liebe tötet,wie die Liebe ohne Wahrheit lügt.1933Jesus Will uns sagen: Wenn ihr wesenhaft lebt, dann seid ihrwahrhaft in all euren Worten, dann seid ihr knapp und klarund bestimmt und deutlich und tapfer in all eurer Rede. Dannwerdet ihr euch nicht verbergen, sobald ihr etwas Ungünstigesüber euch selbst wisst, sondern ihr werdet tapfer hervortretenund das auf euch nehmen, was ihr getan habt. Ihr werdet euchbekennen zu dem, was ihr seid. In Echtheit und Schlichtheitwerdet ihr euch zu eurer eigenen Schwäche bekennen und zu<strong>Gottes</strong> Kraft und Wesenheit (1.Kor.13,4 7). Deshalb wird eseuch auch recht sein, wenn ihr selbst in eurer Schwäche offenbarwerdet, denn ihr sucht nicht mehr eure eigene Ehre.


0Uns liegt nichts mehr an der eigenen Geltung, vielmehr an<strong>Gottes</strong> Ehre, an <strong>Gottes</strong> Geltung. Deshalb können wir wahrsein.1935<strong>Die</strong> lieBe sieht in dem anderen den guten Geist und das innereLicht und freut sich an ihm (Röm.12,9 10). Sobald dieseLiebe wieder in uns das Regiment hat, können wir uns wiederfreuen an dem, über den wir uns eben geärgert haben. Wirwerden also in dem Grad diese Schwierigkeiten überwindenkönnen, in welchem wir in einander die Wirkung des gutenGeistes sehen und anerkennen und uns daran freuen.Augustinus geht noch weiter und sagt: Wir sollen uns nichtso sehen, wie unser jetziger Zustand ist, sondern in der Liebeeinander so sehen, wie wir sein werden und sein sollen; wiewir brauchbar sein werden, wenn <strong>Gottes</strong> Geist uns ganz erfüllthaben wird (2.Kor.5,16 17): eine prophetische Schau derLiebe, in der wir einander so sehen, wie aus dem harten Holz– oder aus dem allzu weichen Holz – das geschnitzt werdensoll, was Gott daraus machen will (1.Kor.13,4 8)1933


15. DER E INz ELNE INDER G E m EINSchA f TJ EDER mENSCH IST EINZIGARTIGWas Wir alle gesucht haben, ist ein Leben in freiwilliger Brüderlichkeit– nicht in Gleichmacherei sondern in Ebenbürtigkeit– wobei die Menschen sehr verschieden sein können. Jeorigineller der einzelne ist, desto lieber ist es uns.Je verschiedener die Menschen voneinander sind, um sonäher kommen sie sich im Geist. Das ist unser Erlebnis.Insofern bejahen wir auch das Individuelle ganz und gar,dass wir jedes Kind, auch jeden Erwachsenen, seinem Wesennach als ganz einzigartig ansehen und insofern individuelleErziehung treiben.Aber das, was wir meinen, muss so bis zur letzten Tiefeverfolgt werden, dass es zur Gemeinde führt. Wenn wir alle indie Tiefe gehen, werden wir alle eins. Je origineller und echterwir sind, um so völliger werden wir eins.1935Wir Dürfen auf DeM Gebiet des Glaubens und der Liebe niemandenüberrumpeln, sondern wir müssen mit großer Beständigkeitauf die Stunde <strong>Gottes</strong> für jeden Menschen warten.Es muss alles ausreifen für die heilige Sache. Es muss sich alles


so entfalten, wie es Gott zur Entfaltung bringt, und wir dürfen indiese von Gott gewirkte Entfaltung nicht eigenwillig eingreifen.Das ist <strong>einer</strong> der schwersten Fehler, der in vielen religiösenKreisen gemacht wird, dass sie mit ihrem menschlichen Willenhineintappen in das innere Werden dessen, was Gott durchChristus in den Menschen wirkt. Bei uns allen hat es seineZeit gedauert, und nicht irgendein Mensch hätte da hineinpfuschenund dazwischenfahren dürfen. Es musste alles durch<strong>Gottes</strong> Licht geklärt und durchleuchtet und durch sein Feuergeläutert werden, bis das innere Wesen reif und fähig wurde,die Wahrheit Christi, die Liebe <strong>Gottes</strong> und den Frieden seinesReiches anzunehmen und aufzunehmen.1934Der Moralische zWang scheiDet in der Gemeinde völlig aus.Was ist er? Aller Zwang ist ein Druck, der von einem Menschenauf den anderen ausgeht. Gott übt keinen Zwang aus.Es gibt keinen böseren Gegenspieler gegen <strong>Gottes</strong> Wort alsdas Menschengesetz. Jesus aber ist deshalb gegen die falscheProphetie und gegen ihre Schriftgelehrten aufgetreten, weiler ihnen den Vorwurf machen musste: Ihr löst <strong>Gottes</strong> Wortdurch Menschengebote auf (Matth.15,6 9). Es gibt keinen böserenfalschen Propheten als den, der seinen eigenen ebensomenschlichen wie moralistischen Willen anderen Menschenaufzwingen will. Insofern kann man sagen: Moralischer Zwangwirkt ähnlich wie physische Gewalt, deren letzte Steigerungder Mord ist. Unter Umständen kann der Moralzwang verderblichersein, als die äußere Gewalt. In s<strong>einer</strong> gefährlichstenSteigerung vergewaltigt er alles Leben der Seele.1934


Z um DIENEN BERu FENes genügt Jesus nicht, wenn wir ihm einen kl<strong>einer</strong>en oder größerenTeil unserer Kraft einräumen. Er will uns ganz haben. Erist nicht zufrieden, wenn wir in der Religion nur Herzensruheund Seelentrost suchen. Er will vielmehr, dass wir uns ihmhingeben für den <strong>Die</strong>nst, für die Arbeit! Eine Glaubensstellung,die sich nicht in den Konsequenzen des Lebens auswirkt,hat vor ihm keinen Wert.Er fordert deutlich den völligen Glaubensgehorsam,der auf sein Wort hin alles wagt. Darum täuschen wir unsnicht! Unsere Worte und Gebete, unser Kirchengehen undVersammlungsbesuch, unsere Wohltätigkeit und Humanitätsind nur dann die Äußerung eines Lebens aus Gott, wennwir mit entschlossenem Gehorsam unserem Gott ausgeliefertsind in wahrhaftigem Glauben. Nicht unsere Worte undGefühle, sondern die Proben der Tat entscheiden über unserenGlaubensstand (Matth.7,21).1907iMMer WieDer Muss <strong>Die</strong>ses klar erkannt werden: Wir lebennicht in Gemeinschaft, damit die einzelnen Glieder eine möglichsthohe Vollkommenheit finden. Wir leben in Gemeinschaft,weil wir den bestimmten Glauben haben, dass in derheutigen Zerrissenheit und Ungerechtigkeit und Not der Weltkein besserer <strong>Die</strong>nst erwiesen werden kann, als der, die völligeGemeinschaft zu leben und vorzuleben. Alle Menschen, dieunter der Ungerechtigkeit der heutigen Weltordnung seufzenund stöhnen, müssen es sehen: Eine völlige Gemeinschaft derLiebe ist möglich!


Vielleicht sind die einzelnen jetzt und hier nicht berufen,auch ihrerseits gerade jetzt in völliger Gemeinschaft zuleben. Vielleicht fühlen sie eine andere, besondere Berufung.Vielleicht glauben sie, auf einem anderen Weg der Menschheitin ihrer Arbeit helfen zu müssen. Und auch bei ihnen ist esvielleicht die Liebe, die sie zu diesem individuellen <strong>Die</strong>nst ander Menschheit treibt.1935Wir glauBen nicht an Menschen, wir glauben nicht an die Gütevon Menschen. Ich glaube nicht an meine Güte und nicht andeine Güte (Jes.64,6; Röm.3,23). Dass in jedem Menschendas Gute und das Böse in ungeheurer Gewalt wirkt, das ist dieeinzige Basis des Vertrauens.1932Wir Denken so leicht, der Treubund besteht nur in unsererTreue. Das ist falsch. Der Treubund besteht in <strong>Gottes</strong> Treue(Eph. 2,8).Der Felsen, auf dem die Gemeinde gegründet werden sollte,war nicht Petrus selbst, sondern sein Glaube. Jesus sagte ihm:„<strong>Die</strong> Festigkeit d<strong>einer</strong> Haltung beruhte auf d<strong>einer</strong> eigenenZurüstung. Du warst es, der sich fest gemacht hat und sichgegürtet hat. Jetzt wird es ein anderer sein, der dich fest machtund deine Lenden gürtet, auch zum Tod gürtet. Folge mirnach! Gehe meinen Weg!“ (Joh.21,18-19)1935Wir könnten nieMals sagen, wir sind stark im Glauben. Das istunmöglich. Im Glauben wachsen heißt ja gerade: sich schwach


fühlen (2.Kor.12,9+10), hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit<strong>Gottes</strong>, die man nicht hat.1932Wir WerDen nur Dann bestehen können und durch diese soüberaus gefährlichen Zeiten weiterhin durchkommen können,wenn es unter uns geistig wach zugeht, wenn unter uns geistigeWachheit herrscht, wenn wir alle miteinander so anteilnehmendund so interessiert sind, dass wir auf das aktivste mitarbeiten,mitringen, mitverlangen. Wir müssen alle miteinanderteilnehmen an allem Geschehen um uns her, an der geistigen,politischen, wirtschaftlichen Welt unserer Tage.Das alles ist nur möglich, wenn unser gemeinschaftlichesLeben immer tiefer verankert wird in geistgewirkter Ordnung.Dazu muss alles Individuelle, Persönliche, Private mehrund mehr zurücktreten. Auch das eigene, selbstgewählteHeiligungsstreben geht in der Sache auf und wird geradedadurch neugeboren. Vor allem verschwindet auch völlig dasselbsterniedrigende Vergleichen, das Nichtigkeitsgefühl dereigenen Person. Es verschwindet der Neid und der begehrliche,empfindliche Trotz und Stolz der einzelnen; ebenso alleGleichgültigkeit und Sattheit, aller Trägheit, Schläfrigkeit,Teilnahmslosigkeit und Unbeweglichkeit.1934DIE BEGABu NG DER EINZELNEN<strong>Die</strong> natürliche BegaBung eines Menschen ist zunächst wederHindernis noch Förderung der Sache. Zunächst gilt es einfach,dass wir frei werden, ganz gleich ob wir in unserer Begabung be-


vorzugt oder benachteiligt sind. Wir müssen von dieser ganzenFragestellung erlöst werden, so davon erlöst werden, dass esüberhaupt gar keinen Stolz auf die hohe Begabung und keinMinderwertigkeitsgefühl über die geringe Begabung mehrgibt, sondern stattdessen eine überschwengliche Freude an derBegnadigung durch Jesus Christus, die einen, so wie man ist,angenommen und hineingenommen hat.1934Bei Der verschieDensten BegaBung stellt man in der Erlösungvom Eigenleben alle seine körperlichen Kräfte der Gemeinschaftzur Verfügung. Alle Geisteskräfte braucht man nunmehrim <strong>Die</strong>nst der Sache. Jeder soll das geben, was er hat,und tun, was er kann. Wer viel hat, gebe das viele; wer wenighat, gebe alles, was er hat. Und wenn jemand eine noch so geringeArbeitskraft hat, er soll alles das tun und leisten, was ihmgegeben ist. Wer ein großes Vermögen hat oder über großeKraft verfügt, soll ebenso alles geben, was ihm gegeben ist.1933JeDer Mensch sollte Bereit sein, jeden Tag, der ihm körperlichGesundheit schenkt, einige Stunden der praktischen Arbeit zuwidmen. Gerade die einseitig Geistigen würden die heilsameWirkung solchen Tuns spüren. Und so wird es möglich sein,die besondere Begabung, die einem jeden Menschen geschenktist – das besondere kleine Licht, das in jedem glimmt – zumEntfachen zu bringen. Ob dieses Feuer nun in Gaben gelehrterForschung oder musikalischer Tonkunst, ob es in Kräften derWortgestaltung oder der bildenden Kunst an Holz, in Stein


oder in Farben seine verborgene Glut ahnen lässt; oder ob esals das Einfachste und Beste, als Liebe zur Natur in Land undGartenarbeit seine Kraft beweist: <strong>Die</strong> Arbeit in den Freistundenwird den Charakter der Lebensfreude eines jeden Menschenoffenbaren. Hier zeigt es sich, wie weit die Bereitschaftzu helfen, die Freiwilligkeit für das Ganze – die Liebe – seinganzes Leben bestimmt. Nur der Tod kennt Beschäftigungslosigkeitund Langeweile. Wo Leben ist, bleibt der gestaltendeGeisteswille wach und wirkt sich kraft der gegenseitigen Hilfeals <strong>Die</strong>nst am Ganzen aus. Das ist nicht etwa ein Phantasiebild<strong>einer</strong> unerreichbaren Zukunft, sondern es ist vielmehr heuteschon stille Wirklichkeit in <strong>einer</strong> werdenden Gemeinde.1921 oder 1922WAS IST FREIHEIT?als <strong>Die</strong> ersten anfänge des Luftverkehrs vorbereitet wurden,begann man mit dem Fesselballon. Ein gasgefüllter Ballonhing an einem Stahltau. Menschen hielten ihn unten fest: Dasist das moralische Gesetz, Menschensatzung und stählernerMenschenzwang. Da gibt es keinen freien Willen. Das ist dieGesetzlichkeit, die es in der Gemeinde des Geistes nicht gebenkann.Dann wagte man es und ließ den gasgefüllten Ballonungehemmt aufsteigen. Man überließ ihn den Winden undStürmen der freien Luftschichten. Wie ein naiver Menschunüberlegt vom freien Willen des Menschen spricht, nannteman dieses Fahrzeug „Freiballon“. War er wirklich frei? Warseine Gondel frei, wenn sie vom Sturm gefasst aufs Meer


hinausgetrieben wurde, wenn sie die Insassen herauswarf, sodass sie ertranken, oder wenn sie dieselben über die Wüstehinaustrieb, so dass sie in ihr scheiterten und in ihrer Hitzesterben mussten? <strong>Die</strong> vermeintliche Freiheit war nichts alsgefährliche Haltlosigkeit.Ein junger Mann geht durch die Straßen der Großstadt.Lichtreklame umgibt ihn. Plakate der Kinos, der Varietes,Kabaretts und anderer Lokale locken ihn. Frauen rufenihn an. Eine aufgeregt marschierende politische Masse ruftihn zum Mord auf. Von allen Seiten umgibt ihn ein Sturmunr<strong>einer</strong> Geister und blutiger Gewalten, Winde der Lügeund der Täuschung. Ein dunkler Schleier senkt sich über seinHerz; das wahre Gesicht der Dinge verhüllt sich. Er verfälltder großen Täuschung verdorbenen, entfesselten Lebens.Wenn dieser junge Mann mit einem Ruck seines Willenseinem dieser Winde und Stürme folgt, ist er dann frei? Hat ernach freiem Willen gehandelt? Er wird vielleicht Ja sagen, undselbst wenn er es später beklagt und bereut, wird er vielleichtimmer noch denken, er hätte getan, was er wollte. Mag es sosein. Zum Bösen war er wohl frei. Aber zum Guten war ernicht frei, als er das tat, was er bereuen musste. Wille war eswohl, aber kein freier Wille. Sein Wille war ebenso geknechtetund unterworfen, wie der Freiballon der über das Meer oderüber die Wüste dahintreibt.Was die wahre Freiheit unter der Lenkung des Geistes ist,soll uns der heutige Zeppelin oder das Flugzeug deuten. Magder Wind gehen wie er will, der Flieger fliegt, wie es seingeistig bestimmter Wille will. Was ihn beseelt und begeistert,was sein Herz erfüllt, was seine geistigen Pläne sind, will


er mit diesem Flug erreichen. <strong>Die</strong>selbe Situation kennt dieMenscheit seit Jahrtausenden bei dem Schiff, das vom Steueraus durch den geistigen Willen gelenkt wird. Wenn Christusim Schiff ist, wird es durch den Heiligen Geist geführt. Der<strong>Die</strong>ner am Wort oder der Älteste vertritt ihn am Steuer.Und wenn sowohl er wie alle anderen im Schiff keine andereSteuerung wollen, als nur die eine des rechten Geistes, dannsind sie alle wahrhaft frei.1934gottes Wille ist es, sich des kleinsten Menschen anzunehmen,und er wartet auf die Bereitschaftserklärung des kleinsten undgeringsten Menschen. Er will nicht eingreifen in unser Leben,wenn wir nicht unsere Bereitschaft erklären. Denn gerade sowie er die Atome erschaffen hat, so hat er auch den kleinen,winzigen Menschen als eine winzige Schöpfungswelt geschaffen.Und an dieser soll das ganze große Schöpferwesen <strong>Gottes</strong> offenbarwerden. Deshalb muss in ihr der freie Wille, die freie Bewegtheitder Kräfte leben. Gott will nicht, dass da irgend etwassteifleinenes, hartes, verkalktes, irgend etwas im Stil unbewegtessei, sondern er will, dass da freie Herzensbewegung sei.Und so will er eine innerste Freiwilligkeit des Menschen.Das gerade ist das Wesen s<strong>einer</strong> Liebe zu uns, dass er unsereFreiwilligkeit wünscht. Seine Liebe enthielte kein FünkchenAchtung vor dem Geheimnis des menschlichen Wesens,wenn er unsere Freiwilligkeit nicht achten würde. Deshalbwill er das Gebet. Nun ist der menschliche Wille sehr wenigbefestigt. Er ist schwach, denn er ist nicht Gott, er ist Mensch.Deshalb bedürfen wir der immer erneuten Bereitschaft und


0Bereitschaftserklärung. Deshalb bedürfen wir des täglichenGebets. Gott will handeln. Er ist bereit. Er will immereingreifen. Er will immer Bewegung. Und nun sollen wirbereit sein und unsere Bereitschaft erklären.1935DAS p ERSö NLICHE GEBETWer sich selBst, sein Heil oder sein Innenleben mit Mühe überWasser zu halten sucht, ist mit sich selbst beschäftigt und hatkeine Kraft zum Lieben. Wer aber, vom Tod des abgetrenntenIchs errettet, an der umfassenden Lebenskraft der <strong>Gottes</strong>einheitteilhat, wird diese Kraft als allen geltende Liebe seinemBefreier schenken, damit in dieser Einheit alle, alle befreit werden,die in Jesus das Wort aufnehmen wollen. Deshalb ist undbleibt die Liebe zu Jesus – diese heiße persönliche Liebe zudem uns aufgeschlossenen Gott – der lebendige Einheitsbeweisumfassenden Lebens. <strong>Die</strong>se Liebe findet als Herzenssachepersönlicher Beziehung im Anrufen dessen, den man liebt, ihrenlebendigen Ausdruck.1929eine herzinnige Bitte haBe ich noch an jeden von euch, anmich selbst und an jeden, dass wir in dieser Zeit das stille Gebetin unserer Kammer – und wo wir auch sein mögen – mit tieferInbrunst suchen (Matth.6,6). Des Morgens beim Aufstehenund des Abends und des Nachts sollte unser erster und letzterGedanke am Tag das Herbeirufen des Größten sein, was es imHimmel und auf Erden gibt, so dass wir durch diese innersteEinkehr und durch dieses innerste Beugen der Knie unseres


Herzens und das Öffnen der Hände unseres Gemütes in derStille der Einsamkeit und der Zweisamkeit unser Bitten hinaufsenden.Lasst uns darum bitten, dass alles vorbereitet wird, wasin der Adventszeit zu uns kommen soll. Vielleicht ist es das Bestewie es auf den alten hutterischen Bruderhöfen Brauch ist, dassjeder an seinem Fenster niederkniet und die Hände erhebt undganz still betend sich zu seinem Gott bekennt. So tat es Daniel,der Prophet, als er niederkniete und sein Gesicht wandte nachder Richtung, wo die Stadt Jerusalem lag. So wollen wir uns allerufend und anbetend vor Gott bekennen und bitten, dass dashimmlische Jerusalem zu uns herabkommt (Hebr.12,22).1935Wenn Wir vor gott treten, so wollen und müssen wir ihmnicht nur sagen, was wir von ihm erbitten, sondern vor allemmüssen wir still werden um zu hören, was er uns sagt. Und ersagt uns das durch das Wort der Apostel und Propheten, durchdas Wort der Urgemeinde, durch die innere Stimme und dasinnere Licht in unseren Herzen. Er sagt es uns mit den Kräftender zukünftigen Welt und mit der völligen Gerechtigkeit, die<strong>Gottes</strong> Reich über der Erde ausbreiten wird.1933Das Wahrhaftige unD aufrichtige Gebet, das im praktischenLeben, in Tat und Werk der Bittenden mit dem Willen <strong>Gottes</strong>wirklich eins ist, dringt in die nächste Nähe <strong>Gottes</strong> vor. Eserreicht sein Herz, das ja nur darauf gewartet hat, dass endlichdieser ersehnte Menschenwille solche Erklärung des Einverständnissesmit seinem Willen vorbringen sollte. So antwortet


Gott sofort mit seinem klaren Bescheid: Dein Gebet ist erhört!(1.Joh.5,14+15)Er ist und bleibt also seinem Volk erreichbar, so oft es ihn soanruft, wie er es will. Er ist – in unserer Sprache geredet – ganz,ganz nahe, wenn die Not uns so bedrängt, dass wir nicht mehrauf eigene Macht und Menschenhilfe sinnen; er ist nahe, sehr,sehr nahe, so oft wir ihn wirklich und wahrhaftig nur für dieEhre seines Namens, einzig und allein um sein, also <strong>Gottes</strong>Eingreifen, um sein Feuer, um seinen Regen, um die Glutenund Ströme s<strong>einer</strong> Liebeskraft anrufen und bitten.1929Jeder hat erlebt, dass Gott immer bereit war zu helfen, zuretten, zu heilen, aufzurichten, Buße, Glauben und Kraft undneues Leben zu schenken.Aber jeder von uns hat auch das Weitere erfahren, dassGott dieses alles nicht tut, solange unser Herz halbherzig ist,solange unsere Seele gespalten ist, solange wir nicht wahrhaftund wirklich bereit sind, ihn, Gott, schalten und walten zulassen wie er will. Wenn unser Wille mit <strong>Gottes</strong> Willen nichtvöllig einig ist, wird Gott uns mit seinem Willen nicht gegenunseren Willen bezwingen. Denn das ist das Wesen <strong>Gottes</strong>,dass er niemanden vergewaltigt.1935EINSAmkEIT u ND GEm EINSAmkEITJesus suchte <strong>Die</strong> einsaMkeit (Mark.1,35). Er ging auf die Höhedes Berges, oder er suchte die Stille des Sees. Jesus ging besonders


des Nachts in die Einsamkeit, um dort allein seinem Gott zubegegnen. Bevor er in seine große Wirksamkeit eintrat, ging ergar vierzig Tage in die Einsamkeit der Wüste (Luk.4,1+2). Nieaber ist er in der Einsamkeit geblieben, sondern in der Einsamkeitempfing er die Kraft, zu den Menschen zurück zu gehen.So sammelte er seine zwölf Jünger um sich und blieb mitihnen im gemeinsamen Leben, in gemeinsamer Bruderschaft.<strong>Die</strong>ses gemeinsame Leben wurde aber nicht zu dem Zweckgebildet, damit Jesus nur mit den Zwölfen in gemeinsamerEinsamkeit zusammen wäre; sondern die Sammlung mit denZwölfen trug das Ziel in sich, mit um so größerer Kraft zuallen Menschen zu gehen.Gerade so ist es mit dem Auftrag unseres gemeinsamenLebens. Gerade in einem Familienverband wie ihn derBruderhof bildet, kommt es auf das Geheinmis diesesRhythmus an. Und ebenso ist es mit jedem einzelnen Gliedder Gemeinschaft. Auch bei ihm muss es zu diesem rechtenVerhältnis zwischen Einsamkeit und Gemeinsamkeit kommen,so dass das rechte Verhältnis zwischen dem Begegnen mit Gottfür sich allein und in der ganzen Bruderschaft da ist.1935EIN NEu ER p R ü FSTEINkann Man sich Wirklich für die Wahrheit nur auf sein eigenesHerz berufen? Wird nicht jede tiefste Berufung auf das eigeneHerz dahin führen, was die Apostelgeschichte von der Gemeindebezeugt, nämlich, dass sie alle, alle einig waren?Das ist die Grundfrage für uns, auch für die Erkenntnis derBibel. Hier liegt ein tiefer Unterschied in der Stellungnahme


vor. Der einzelne fühlt sein Gewissen und seine Inspirationund seine Erleuchtung, und von dieser s<strong>einer</strong> Erfahrung ausbeurteilt er alle Dinge, also auch die Bibel. Das ist die einePosition. In der zweiten Position ist diese Stellungnahme auchmit enthalten. Aber die Hauptsache der zweiten Position istder Glaube an den Geist, der alle, die einig sind im Geist – alle,die einstimmig sind, – in dieselbe Wahrheit und in die Liebeleitet (1.Kor.1,10). Dann ergibt sich ein ganz neues Kriteriumfür die Wahrheit, ein neuer Maßstab der Unterscheidung.1935


16. EhE UND fAm ILIED IE E HE IST HEILIG<strong>Die</strong> ehe ist ein Sakrament (Mark.17.7 9). Ein Sakrament isteine heilige Sache, an welcher die Hauptsache klar wird, umdie es geht, wie bei Abendmahl und Taufe. Unser ganzes Lebenist ein Sakrament, weil es die Hauptsache erkennen lässt.1934<strong>Die</strong> einheit unD reinheit der Ehe, wie sie Jesus und seineApostel gewiesen habaen, ist in ihrer Einzigartigkeit nicht Sacheder alten Natur, sondern vielmehr Sache der <strong>neuen</strong> Gemeindeordnung,die als brüderliche Gerechtigkeit den Geistder Liebe über alle Dinge herrschen lässt. Sie ist keine Sachedes alten Menschen. Sie kann nur in der <strong>neuen</strong> Gemeindedes Geistes Jesu Christi durchgeführt werden. Sie gehört demReich <strong>Gottes</strong> an. Sie ist sein Symbol und Sakrament.1934<strong>Die</strong> ehe ist ein Geheimnis. Dazu sagt Paulus: „Wenn ich vondiesem Ge heimnis spreche, spreche ich von Christus und derGemeinde“ (Eph.5,31 32). <strong>Die</strong> Gemeinde ist für Paulus etwasVerborgenes; sie wirft das Heiligtum nicht den Hunden vor.Sie gibt sich nicht preis. Sie verkündigt wohl das Evangelium,


was nach außen gehört, aber sie ist verborgen für den großenTag. Denn sie ist die eine Gemeinde des einen Bräutigams,und sie wird aufbewahrt für ihn (Offb.19,7).So soll jeder Mensch seinen Körper aufbewahren für dasSymbol der Ehe; denn daran soll die Einheit zwischen Christusund der Gemeinde offenbar werden. In der Ehe zwischen zweiMenschen soll offenbar werden, dass aus der Geisteseinheitdurch die seelische Schwingung auch in der körperlichenEinheit das Geheimnis <strong>Gottes</strong> gezeigt wird; dass aus Zweieneins wird und dass diese Einheit eine schöpferische Kraft derGeburt hat; dass also an den körperlichen Dingen die ganzeSchöpfung <strong>Gottes</strong> in ihrer zeugenden und gebärenden Kraftoffenbar werden soll.1934D IE RICHTIGE G R u NDLAGEsehr vieles, Was sich Liebe nennt unter den Menschen, istnichts als Begierde für sich selbst. Es ist wohl relativ zu begrüßen,wenn Menschen sagen: „Ich will nicht mehr alleinleben, wir wollen zu zweien egoistisch leben.“ Das nennt Fenelon„egoisme a deux“ (Egoismus zu zweit). Und weiter mussman sagen, es ist etwas noch Schöneres, wenn die zwei fürihre Kinder und Enkelkinder leben. Aber wir sollten uns klarsein: Das ist zunächst nichts als Kollektivegoismus. Und wennman an die Hingabe einzelner an ihr Vaterland denkt, mussman anerkennen, dass das wieder einen höheren Grad vonLiebe darstellt. Aber sowohl der nationale Kollektivismus wieder Klassenkommunismus ist zunächst nichts anderes als derZusammenschluss vieler egoistischer Bestrebungen zu einem


Kollektivegoismus. Das alles kann man mit Liebe bezeichnen:Familien , Vaterlands , Solidaritätsliebe.<strong>Die</strong> Liebe <strong>Gottes</strong> ist mehr. Denn die Gemeinschaft, welcheGott gegründet hat in Christus, geht nicht aus vom Egoismuseinzelner oder Gruppen. Der Bruderhof lebt nicht um desBruderhofes willen. Nicht der Kommunismus an und fürsich, nicht der Kollektivismus an und für sich ist das, wasuns bewegt. Das, worauf es allein ankommt, ist das Herz<strong>Gottes</strong> – die Einheit aus s<strong>einer</strong> Liebe: <strong>Die</strong>ses Herz <strong>Gottes</strong> istgeoffenbart in Christus.1934<strong>Die</strong> glauBenseinheit ist Das einzig mögliche Fundament fürdas ganze Leben, also auch für die Ehe. Daran ist deutlich zusehen: Es geht bei der Ehe nicht um die Ehe als solche, sondernum die Einheit des Reiches <strong>Gottes</strong> in Christus und in seinemHeiligen Geist. Es ist wieder das, was Jesus sagt: „Trachtetam ehesten nach dem Reich <strong>Gottes</strong> und s<strong>einer</strong> Gerechtigkeit,so wird sich alles andere von selbst finden“ (Matth.6,33), auchHeirat oder Nicht Heirat. <strong>Die</strong> Ehe ist nur ein Beispiel deswirklichen Lebens. Dasselbe gilt für alle anderen Dinge.1934eine ehescheiDung oDer trennung, auf Grund derer man eineandere Ehe schließen könnte, gibt es nicht (Luk.16,18). Hierist das, was zusammengegeben ist von dieser Geisteseinheit aus,für ewig zusammengegeben. Und solange beide am Leben sind,kann nichts geändert werden (Matth.19,3 6), auch durch dieUntreue des einen Gliedes etwa kann nichts geändert werden,


weil auch das unschuldige Glied keine Freiheit hat, solange dasandere Glied lebt, eine andere Ehe einzugehen. Wegen derEwigkeit und Unveränderlichkeit in der Einheit der Gemeindemuss auch die Ehe eine unauflösliche sein.1934es geht uM <strong>Die</strong> Ökonomie <strong>Gottes</strong>, insbesondere um den Haushalts<strong>einer</strong> Jahrhunderte und Jahrtausende umfassenden Gemeinde.Zu dieser Ökonomie <strong>Gottes</strong> gehört, dass alle unklarenmenschlichen Beziehungen geregelt werden müssen. Schuldenoder Versprechungen, irgendwelche finanzielle Angelegenheiten– das muss alles geklärt sein. Ebenso muss in Ehesacheneine vollständige Klarheit geschaffen sein.1934mANN u ND F RAu ALS E HEpARTNERWenn Man Behauptet, Dass die Liebe nur eine Episode im Lebendes Mannes sei, so kann das nur von äußeren Beziehungenrein körperlicher Anziehung gelten, die der tieferen Seelengemeinschaftentbehren und vom Geist weit entfernt sind.<strong>Die</strong> ebenbürtige Liebe gemeinsamer Geistesinhalte und zusammenklingenderSeelenempfindungen bedeutet wachsendegegenseitige Förderung. Sie kann niemals aufhören, weil sieaus dem ewigen Geist entspringt und von körperlichen undseelischen Zuständen unabhängig ist.1920Wir stehen heute in <strong>einer</strong> unendlich schweren Zeit, und vieleMenschen befinden sich in schwerster Not. In <strong>einer</strong> solchen Zeit


einen Ehebund zu schließen, ist ein Entschluss des Glaubens.Denn Glaube ist Tapferkeit und fürchtet sich nicht. Wir wissennicht, was dem einzelnen Menschen in der Zukunft geschehenwird. Es ist wohl möglich, dass ein großer Teil von uns oder einkl<strong>einer</strong> Teil einen gewaltsamen Tod erleiden wird, so auch dassmancher Ehebund unerwarteterweise auf plötzliche Art auseinandergerissenwird. Umsomehr freuen wir uns daran, wennein junges Ehepaar zusammengeführt wird und wir feststellendürfen: Was auch geschehen mag, sie sind ein Ehepaar. In derheutigen Weltlage kommt alles darauf an, ob hier und da nochLichtpunkte und geistige Wirklichkeiten sind, an denen dieEinheit des <strong>Gottes</strong>friedens und die Brüderlichkeit wahrer Gerechtigkeiterkannt werden kann.1935Wir Müssen gott sehr bitten, dass in allen Ehen unserer Gemeindewirklich die göttliche Ordnung vollständig durchgeführtwerde. <strong>Die</strong> göttliche Ordnung besteht darin, dass es keineTyrannen und keine Tyranninnen in der Gemeinde und in derEhe in der Gemeinde geben darf. Es ist nicht möglich, dassdie Frau den Mann fortgesetzt kritisiert – dadurch wird derMann immer ungeschickter und unbrauchbarer – und ebensoumgekehrt. Der Mann hat vielmehr die Aufgabe, s<strong>einer</strong> Ehe sovorzustehen, dass er sie in der Einheit der Familie und völligerKlarheit leitet (Eph.5,21 28). Wenn man meint, die Frau ist zudieser Aufgabe geboren und begabt und der Mann ist von vornhereinso geartet, dass er s<strong>einer</strong> Frau sehr gerne folgen würde,so ist das ein Irrtum. Es ist nicht so, in k<strong>einer</strong> Familie. Das istwirklich gegen die Natur. Das rächt sich in der Gemeinde. Das


0nimmt dem Mann jede Möglichkeit, in der Gemeinde einen<strong>Die</strong>nst zu tun. Das setzt sich ihm auf die Brust und drückt ihmdas Leben ab. Und umgekehrt wäre es dasselbe, wenn der Mannder Frau ein Tyrann wäre und wenn er, anstatt ihr dienend voranzugehen,ein wirklicher Herr und ein die Frau versklavenderGewaltherrscher wäre. Das wäre ebenfalls überaus vernichtendund zerstörend (Kol.3,19; 1.Petr.3,7).1934<strong>Die</strong> frau ist zu <strong>einer</strong> Art der Liebe geschaffen, die dem Mannenicht gegeben ist. Der Mann sucht die Menschen in dem Augenblickauf, in dem er weiß, dass ein Angriff erfolgen muss,dass jetzt der Mensch erschüttert, erweckt und herumgeholtwerden muss. <strong>Die</strong> Frau ist ganz anders. Sie liebt gleichmäßig,treu, beständig. Sie wird den Menschen, die ihr bereits vertrautsind, eine tiefere, geschwisterlichere, mütterlichere Hilfezuteil werden lassen als den Fremden und Neuen, währendder Mann gerade seine Energie auf die Fremden und Neuenwerfen wird.Freilich wird nicht jeder Mann dieselben Gaben haben wieein anderer Mann. Aber für uns ist ja die Arbeit – jede Arbeit– der Ausdruck der Liebe. Der Mann wird mit hervorragenderMuskelkraft oder mit hervorragenden Gaben des Angriffsnach außen hin berufen sein. <strong>Die</strong> Gabe der Kampfführung,der Regierung, der Leitung, der Steuerung des Kampfschiffeswerden dem Mann zugewiesen sein. <strong>Die</strong> Gaben des Mannessind nicht wertvoller, wohl aber andersartig.Auf den Gebieten der Arbeit werden der Frau mehr diejenigenzufallen, die nicht eine besondere Muskelanstrengung von ihr


erfordern, sondern sie werden mehr mit ihrem liebenden,treuen, stillen Sinn zusammenhängen. <strong>Die</strong> Aufgabe der Frauwird eine liebende und mütterliche sein, zur Bewahrungund Behütung und Reinhaltung des vertrauten Kreises, derErziehung und der Umhegung und der Pflege gewidmet.<strong>Die</strong>se Aufgabe kann sich in verschiedenen Berufen undverschiedenen Tätigkeiten bewähren: auf geistlichem,kulturellem oder wirtschaftlichem Gebiet, vielleicht auch aufeinem Gebiet dazwischen. Das wird durchaus verschiedensein. Aber wenn sie eine echte Frau bleibt, dann wird dieseden vertrauten Kreis pflegende Liebe immer in dem Beruf derFrau verborgen liegen.Man wird unter keinen Umständen die Kampfarbeit unddie propagandistische Arbeit eines Menschen, der sich mitdem Draußen auseinandersetzt, höher einschätzen als diefürsorgende, innerlich aufbauende Belebung und Vertiefungder Gemeinde. Hier gibt es überhaupt keine Wertunterschiede,hier gibt es nur eine Unterscheidung der Berufung.1934christus ist Das haupt der Gemeinde in der Klarheit desWortes und der Richtung des Weges. Der Älteste der Gemeindehat das Wort als diesen Christus zu vertreten. Und ebendasselbe sollte der Ehemann in der Ehe tun. Deshalb kannund muss man sagen: Der Mann ist das Haupt des Weibes. Erist es nicht an und für sich, sondern in Christus (1.Kor.11,1u.3). Man darf es also nicht buchstabisch oder gar herrisch nehmen,sondern man muss es sehr, sehr tief im Geist aufnehmen.Sonst würde in der Tat etwas Schreckliches daraus. Aber in der


echten Gemeinde, die allein unter der Leitung des HeiligenGeistes steht, wird es etwas Gottgegebenes sein und werden.Denn es wird Christus zur Geltung bringen.1935es gaB fälle in unserer Geschichte, in welcher <strong>einer</strong> der beidenEheteile auf der rechten Glaubensgrundlage der Gemeindeangehörte. Er lebte, wirkte und arbeitete also inmitten derBruderschaft und trug die volle Verantwortung des Bruderseinsoder Geschwisterseins, während der andere Eheteil nichtzur Gemeinde gehörte, auch nicht in dem Verhältnis zur Gemeindestand, welches wir auf unseren Bruderhöfen als Noviziatbezeichnen. Trotzdem wollten nach den Worten desPaulus (1.Kor.7,12 16) beide in der Ehe leben. Es wurde dannso eingerichtet, dass diese Familie gleichsam am Rande desBruderhofes wohnte, so dass der eine Eheteil in dem Bruderhofund der andere Eheteil außerhalb des Bruderhofes lebte. NachPaulus ist es das Gegebene, dass dieser Versuch gemacht werdensoll, solange der Eheteil, der nicht der Glaubensgemeinschaftund dem Gemeindeleben angehört, es gern und freudig duldet,dass der andere Eheteil sich völlig und ganz für die Gemeindeund das Reich <strong>Gottes</strong> einsetzt.1933E HRFu RCHT VOR DEm LEBEN<strong>Die</strong> zerstörung Der tiefsten seelischen Treuebedürfnisse beirrtdas Gewissen zahlloser Zeitgenossen ebensowenig wie die Verhinderungund Vernichtung kleinster Wesen, die ins Lebengerufen sein wollen. Seelen warten vergebens darauf, aus der


Ewigkeit gerufen zu werden. Lebendige Menschenseelen wartenvergebens auf den Ruf beständiger Treue. Der Lebenskreisscheint immer kl<strong>einer</strong> und kl<strong>einer</strong> zu werden, in dem das Gewissengegen die Verachtung des schöpferischen Geistes ebensoklar und bestimmt protestiert wie gegen jede Erniedrigung desVerlangens nach Einheit, Treue und Beständigkeit.<strong>Die</strong> besten Sittenlehrer werden unlauter und ungerecht,wenn sie die Reinigung des Geschlechtslebens in <strong>einer</strong> aufvorheriger Reinheit aufgebauten und weiterhin unbeflecktbleibenden Ehe fordern, ohne die realen Grundlagen für dieErfüllung <strong>einer</strong> so hohen Forderung zu klären. Selbst derheute tausendfach potenzierte bethlehemitische Kindermordan dem auf sein Werden wartenden Leben bleibt ohne denGlauben an das Reich <strong>Gottes</strong> unangreifbar. <strong>Die</strong> vermeintlichso hohe Kultur unserer Zeit wird ihn auch weiterhin ständigverüben, solange ihre soziale Unordnung und Ungerechtigkeitbestehen bleibt. Der Kindermord kann nicht bekämpftwerden, solange man das private und öffentliche Leben stehenlässt, wie es ist.Wer das gemeinschaftslose Eigentum und die Lüge derungerechten Gesellschaftsschichtung nicht so realistischbekämpft, dass er eine andere Lebensform als möglich undvorhanden nachweist, kann weder Reinheit in der Ehenoch ein Ende des Kindermordes fordern. Er kann nichteinmal den sittlich besten Familien den Kinderreichtumwünschen, der den schöpferischen Kräften der <strong>Gottes</strong>naturentspricht. <strong>Die</strong> christliche Ehe kann nicht außerhalb desLebenszusammenhangs gefordert werden, der „Reich <strong>Gottes</strong>“und „Gemeinde Jesu Christi“ heißt.1935


unD in <strong>Die</strong>sen faMilien wünschen wir die Kinder, die Gottgibt, ohne irgendeine Beschränkung, dass die schöpferischeKraft <strong>Gottes</strong> hier wirklich als ein größtes Geschenk in derKinderzahl angenommen und geehrt wird. Und wir hoffen esauch weiterhin so zu erleben, dass das Familienleben durchdiese Gemeinschaftlichkeit des Zusammenwirkens sehr starkund fest gegründet ist.1933D IE FA m ILIE I m GE m EINSCHAFTSLEBENinnerhalB Der geMeinschaft nun entstehen die Familien.Unsere Sitte in Beziehung auf das Familienleben ist streng undin klarer Zucht gehalten. Unsere Jugend hält sich von allenDingen fern, die eine spätere Ehe verunreinigen könnten. Sielebt also in vollkommener Reinheit und Abstinenz, und dieEhe ist eine Einehe zwischen einem Mann und <strong>einer</strong> Frau.<strong>Die</strong> Familien leiden keineswegs unter diesem gemeinsamenLeben, sondern die Freude der Eheleute aneinander undan ihren Kindern ist in diesem gemeinsamen Wirken undSchaffen besonders stark und tief. Und das ist der Fall, weilwir die gesamte Erziehung unter den Geist der Gemeinde undder Bruderschaft stellen.1933Wo <strong>Die</strong> schöpferische, gottgeWirkte Liebe offenbar wird undsich in gemeinsamer Arbeitsleistung bewährt, muss Kern undWurzel des Wesens von Gott sein. Soweit ein Kreis geistlichwahrhaft lebendig ist, kann es bei ihm zu k<strong>einer</strong> dauerndenZurückgezogenheit oder Abgeschlossenheit kommen. Das


Leben <strong>einer</strong> Familie oder eines Familienverbandes ist nur danngesund und stark, wenn die Glieder der Familie ihre Wirksamkeitnach außen entfalten und Gemeinschaft auch mit anderenMenschen suchen. Wie die Familie stets die Urzelle einesVolkes gewesen ist, wie sie als solche die Pflegestätte konzentrierterKraft sein musste, so wird auch von einem jeden inechtem Geist zusammengeschlossenen Familienverband einewirkende Kraft auf die Gesamtheit ausgehen.1920D IE L EDIGENWenn Wir nun gefragt werden, wie es mit denen steht, dieniemals das Glück der Zweiheit nach Leib, Seele und Geistfinden können, so stehen wir auch hier vor dem Geheimnisedelster Berufung der <strong>Gottes</strong>liebe. Es bedarf nur eines Anstoßesaus der Welt der ewigen Kräfte; und Menschen, die sich inihrer enttäuschten oder versagten Begierde tief unglücklich wussten,dringen zu <strong>einer</strong> Entscheidung hindurch, die sie vollkommenglücklich macht. Wer sich nach dem ihm verschlossenen Liebesgartensehnt und an seinen versperrten Toren rüttelt, kanndieses Geheimnis nicht gewinnen…Es gibt eine völlige Befreiung von dem begehrlichen Eros,wenn der Eros sich in ewiger Treue mit der Agape vermählt.Wer so dem Sexuellen ein für allemal entrinnen kann, gehörtzu den Glücklichsten unter den Menschen. Sie vermögenmehr zu lieben als die anderen alle, weil sie alle ihre Zeitund Kraft frei haben, weil die Agape als <strong>Gottes</strong>liebe alle ihreBeziehungen zu allen Menschen ausschließlich beherrscht.In ihnen kann das himmlische Reich ungehemmter auf die


Erde hereinbrechen, weil alle ihre Liebeslinien nur nach dereinen einzigen Richtung verlaufen. Deshalb sprach Jesus vonsolchen, die um des Himmelreiches willen verschnitten sind(Matth.19,12), Paulus von solchen, für die es besser bleibt,nicht zu heiraten, weil ihre besondere Sendung eine besondereAusrüstung erfordert (1.Kor.7).Wem auch der Weg zu der einen reinen Ehe verschlossenzu sein scheint, soll sich nicht verbittert dem Leben und derLiebe entfremden. Er darf sein Bestes nicht ertöten. Niemalsdarf er sich <strong>einer</strong> Lust ergeben, die nicht alle Seiten seinesbesten Seins – vor allem nicht das Göttliche in ihm – erweckenund entfalten kann. Er hat vielmehr die höhere Berufungbekommen, dass alle seine Liebeskräfte von der schenkendensonnigen <strong>Gottes</strong>liebe aus belebt und entfacht werden, nimmerin besitzergreifender Lust sondern auschließlich in derverschwenderischen Begeisterung hingebender Schenkung.Hier greift eine Liebe zu vielen und zu allen Platz, die nichtsfür sich will, sondern glücklich ist im Verschenken.1920„WER IST m EINE m u TTER?W ER SIND m EINE B R ü DER?“<strong>Die</strong> letzte erfüllung aller zehn Gebote, zum Beispiel desGebotes, Vater und Mutter zu ehren, besteht in der völligenLiebe der gänzlichen Einheit. Und man kann auch seinen eigenenEltern oder Geschwistern oder seinem eigenen Weib oderMann oder Kind keinen besseren <strong>Die</strong>nst erweisen als diesen,dass man den Weg der völligen Einheit und Liebe vorangehtund alle anderen ebenso auf diesen Weg ruft.


Hier wird oft das Verhalten Jesu zu s<strong>einer</strong> Mutter ins Feldgeführt. Viermal finden wir in den Evangelien Jesus s<strong>einer</strong>Mutter gegenübergestellt. Das eine Mal, als er noch ein Knabewar (Luk.2,41-51). Als zwölfjähriger Sohn verließ er Vater undMutter, um im Hause <strong>Gottes</strong> zu sein und dort die Wahrheitzu lesen, zu erfragen und zu vertreten. Nachdem er dieseAufgabe erfüllt hatte, kehrte er zu seinen Eltern zurück, dieihn in großer Angst gesucht hatten, und war ihnen untertan,wie es einem Kind dieses Alters zukommt. Hier sehen wirden ersten Aufbruch des werdenden Erretters der Welt, einenAufbruch, der ihn in einen sehr schweren Gegensatz zu seinenEltern setzte, so dass die Mutter fragen musste: „Warum hastdu uns das angetan?“ Aber wir sehen zugleich, dass Jesus, derein wirkliches Menschenkind war und dem menschlichenWerden und Reifen eingeordnet war, k<strong>einer</strong>lei Frühreife oderAltklugheit vertrat, sondern sich vielmehr nach diesem erstenAufbruch wieder so in das Elternhaus einfügte, wie es seinemunreifen Alter entsprach.<strong>Die</strong> zweite Gegenüberstellung fand bei der Hochzeit zuKana statt (Joh.2,1-11). Hier war Jesus eben in die öffentlicheAuswirkung s<strong>einer</strong> Berufung eingetreten. Es war die ersteauffallende Tat, die von ihm aufgezeichnet ist, dass er bei diesemEinheitsfest auf dem Boden der ersten Schöpfungsordnungdie Herrlichkeit <strong>Gottes</strong> offenbaren wollte und musste. Hiertritt der Gegensatz zu s<strong>einer</strong> Mutter schon stärker hervor alsbei dem Zwölfjährigen. <strong>Die</strong> Mutter Maria glaubte, noch jetzteinen bestimmenden Einfluß auf ihn ausüben zu können undwollte ihm Rat geben, den er befolgen sollte. Ihr wurde diescharfe Antwort: „Frau, was habe ich mit dir zu tun? Meine


Stunde ist noch nicht gekommen.“ <strong>Die</strong> Stunde konntenicht von der Mutter kommen, sondern die Stunde mussteunmittelbar von Gott her kommen. Dann tat er mehr, alsseine Mutter erwartet hatte.In der dritten Begegnung ist der Gegensatz in bedeutendemGrade verschärft. Jesus steht vor <strong>einer</strong> Schar von Menschen,denen er an Leib und Seele die entscheidende Kraft des Reiches<strong>Gottes</strong> beweist. <strong>Die</strong> Mutter und seine Brüder stehen draußenan der äußeren Peripherie der Menschenmasse und meinen,er habe den Verstand verloren. Sie schicken Boten zu ihm, ersoll zu s<strong>einer</strong> Mutter heimkehren, und Jesus sendet ihnen dieAntwort: ““Wer ist meine Mutter? Wer sind meine Brüder?“(Matth.12,46-50) Nicht du, Maria, bist meine Mutter; nichtihr anderen Söhne der Maria seid meine Brüder, wenn ihrnicht den Willen <strong>Gottes</strong> tut; sondern das ist meine Mutter:die Gemeinde derer, die den Willen <strong>Gottes</strong> tun; das sindmeine Brüder, mit denen ich in brüderlicher Einheit stehe,die den Willen <strong>Gottes</strong> tun.<strong>Die</strong> vierte Begegnung nun führt alle diese Linien,die scheinbar durch diese erschütternden Gegensätzeauseinandergesprengt waren, wieder in die letzte Einheitzusammen. Als Jesus hingerichtet wurde, waren seine MutterMaria und sein geliebter jüngster Schüler Johannes bei demGalgen, den man das Kreuz nennt, und da sagte er zu s<strong>einer</strong>Mutter wie zu diesem seinem geliebten Schüler, dass sieeinander aufnehmen sollten (Joh.19,25-27). Er vereinigte dieJüngerschaft, die seinen Willen tat, mit s<strong>einer</strong> Mutter, die nunauch seinen Willen tun wollte. Und so geschah es, dass seineMutter, die sich offenbar weit von ihm entfernt hatte, nun


unter denen war, die vor der Ausgießung des Pfingstgeistesauf den Heiligen Geist und auf die Anrichtung der völligenGemeinschaft warteten. Von nun an stand sie also ganz indem Kreis des Glaubens an ihren Sohn (Apg.1,1).1933


017. ER z IEh UNGSGEm EINSchA f TMenschlich Betrachtet ist ein Bruderhof eine Erziehungsgemeinschaft,aber er ist dies ebenso von der göttlichen Seiteher. Mit dieser Erziehung sind wir nie fertig.Hier gilt es vor allem, in erwecklichem Sinne das Gemütaufzuwecken, dass alles wach wird, rege, angeregt wird für denHeiligen Geist, für das innerste lebendige Empfinden. Dannwerden es alle lernen, das Große vor das Kleine zu setzen undin der Hingabe aller Kräfte voranzuschreiten.1932Das entscheiDenDe ist <strong>Die</strong> Frage: Was wird aus dem Kind,wenn es ein Mann oder eine Frau sein wird, wenn der Geist<strong>Gottes</strong> zur Wahrheit der Gemeinde über das Kind kommt?Wie wird das Kind jetzt erzogen, damit es ein recht tapfererGlaubenskämpfer und ein tapferer Märtyrer für Christus werdenkann? Wie wird das Kind so erzogen, dass es sofort fühlt, dasses verschenkt ist an Gott? Es ist nicht nur nicht mehr ein Besitz,sondern es ist von seinem ersten Atemzug an hingegeben andie große Sache der Zukunft. Es ist schon hingegeben, bevores geboren ist, nachdem es geboren ist und besonders in denersten Jahren seines Lebens. Gerade dann kommt es daraufan, dass die Instinkte so gelenkt werden, dass das Kind nicht


auf Genuss gelenkt wird, sondern dass es von vornherein lernt,sich selbst zu überwinden und hineinzugeben in die Sache.1935Wenn Wir Den rechten <strong>Die</strong>nst an den Kindern tun, könnenwir sie nur so formen, wie sie in Gott bereits gedacht sind.Jedes Kind ist ein Gedanke <strong>Gottes</strong>, und wir sollen das Kindnicht so formen wollen, wie wir es nach unseren Gedankengestaltet haben möchten. Dann wäre es kein rechter <strong>Die</strong>nst.Sondern wir werden den <strong>Die</strong>nst nur dann tun können, wenn wirin jedem Kind den Gedanken <strong>Gottes</strong> fassen, den Gott gerade fürdieses Kind von Ewigkeit her gehabt hat und noch hat undfesthalten wird (Ps.139,13-17).1934F REIHEIT u ND k INDLICHES W ESENechte kinDer WerDen uns das, was sie fühlen, sofort sagen; siewerden – solange wir sie Kinder sein lassen – sagen, was ihnennicht gefällt. Sie werden denen, die ihnen gegenüberstehen,nicht etwas verschweigen, um es dann hinter dem Rücken anderenzu sagen. Feiges, ungerades Tun ist unkindlich. EchteKinder sind vollkommen aufgeschlossen; stets sind sie bereit,alles zu offenbaren, was in ihren Herzen ist…So wird jenes schärfste Wort klar, das Jesus ausgesprochenhat: „Einem Menschen, der eines dieser kleinen Kinderverführt“, dass es kein Kind mehr sein kann, „dem wäre esbesser, dass er mit einem Mühlstein um den Hals ertränktwürde“ Wirklich, ihm wäre es besser, er lebte nicht. „Wehedem Menschen, durch den die Verführung kommt! Wenn dich


deine Hand oder dein Fuß verführen will, so haue dein Gliedab und wirf es von dir! Wenn dich dein Auge zum Bösen reizt,reiß es heraus und wirf es weg!“ „Nehmt euch in acht, dass ihrnicht eines dieser Kinder geringschätzt; denn ich sage euch:ihre Engel haben allezeit bei meinem Vater Zutritt (Matth.18, 6-10).Welch seltsames Wort! Wie unendlich tief ist es gesehen,dass dieses Wort vom Abreißen der Hand oder des Fußesund von dem Ausreißen des Auges mitten in die Worte vonden Kindern hineingestellt ist! Lieber soll in <strong>einer</strong> Gemeindedas alles überblickende Auge oder die alles leistende Handhinweggetan werden, als dass ein Kind seinen kindlichenGeist verlöre! Für jeden, der ein Kind verführt, für den wärees besser, er lebte nicht.Das ist Verführung, wenn ein Mensch dazu gebracht wird,nicht mehr kindlich zu sein. Alles, was das Kindsein beendet,ist Verführung. Deshalb mahnt uns Jesus: Achtet nichts höherals das Kind; liebt nichts tiefer als den kindlichen Geist!Verlangt nach nichts anderem, als dass ihr ebenso werdetwie die Kinder! Seht euch vor, dass ihr niemals ein Kindgeringschätzt! Ihr schätzt es gering, wenn ihr es zu einemseelischen, sinnlichen Geschöpf macht, so dass es sich anVater und Mutter oder an irgend einen anderen Menschenklammert. Nicht nur, wenn ihr das Kind zu <strong>einer</strong> „Sünde“verführt, sondern immer und überhaupt, wenn ihr es auss<strong>einer</strong> kindlichen Lage herausbringt, habt ihr es verachtet.Ihr habt das Kind gering geachtet, ihr habt keine Ehrfurchtvor dem kindlichen Wesen gehabt, sobald ihr es zu euremseelischen Eigentum machen wolltet.


Kinder sind frei! Alle Kinder sind frei! Kinder sind wahrhaftfrei. Niemals dürfen sie zum Eigentum des Vaters oder derMutter oder gar eines anderen werden!1935JeDes echte kinD Will wagen und kämpfen. Eine vertrauendeErziehungsgemeinschaft wird deshalb waghalsige Tapferkeit,auch im Erklettern der Bäume, im Zügeln, Reiten und Putzender Pferde und im Bestehen von anderen Gefahren so wenigals möglich unterbinden. Durch diese Freiheit wird das Kindam besten geschützt. Nicht die Bewachung durch ängstlicheErwachsene, sondern vielmehr die erziehliche Führung zur Instinktsicherheitin jeder Gefahr – letztlich das Vertrauen aufeine Behütung, die nicht in unserer Macht liegt – ist wirklicherSchutz.1927GuT u ND BöSE IN kINDERNDas, Was Wir für die Kinder erbitten, ist erstens, dass in demunschuldigen Alter, in dem sie Gut und Böse noch nicht unterscheiden– in diesem Alter der noch nicht völlig für Gutund Böse erwachten Unschuld – die ganze Atmosphäre vondem Heiligen Geist der Reinheit und der Liebe erfüllt ist. Dasmuss unser Hauptanliegen sein. Sonst sind wir Verbrecher anden Kindern. Zweitens, dass bei den Kindern, die langsam erwachenzur Unterscheidung von Gut und Böse und die selbstzu Willensentschlüssen und eingeprägten Bildern gelangen,der Geist <strong>Gottes</strong> als der willenserweckende Geist durchbricht,so dass sie zu einem reinen, klaren, absoluten Willen gelangen.1933


soBalD Das kinD Mit bewusstem Willen das Böse getan hat, hates aufgehört, ein Kind zu sein… Wir Erwachsenen sind nichtfähig, den Moment zu erkennen, in welchem das noch kleineKind zum erstenmal die wirklich bewusste Entscheidung füreine schlechte Handlungsweise trifft.<strong>Die</strong>ses Zugeständnis sollte uns von jener falschen Methodeendgültig fernhalten, die das Kind bei schlechten Handlungenertappen und strafen will. Das Misstrauen und das Einredenschlechter Absichten schwächt das Kind, statt es zu stärken.Das künstliche Bewusstmachen der bösen Triebe kann nichtder lebendige Weg sein. Ein jeder solcher Versuch verdirbtdas Seelenleben des Kindes. Brutal zwingt es ihm den bösenWillen auf. <strong>Die</strong>ser moralische Gewaltakt an einem durchausungeeigneten Objekt macht unmoralisch. Kein Mensch hatdas Recht, so zu handeln. <strong>Die</strong> falsche Voraussetzung liegtin der ausgewachsenen Schlechtigkeit des bösen Willens.Der Erzieher hat sie, nicht das Kind. Es ist hundert gegeneins zu setzen, dass das Kind bei weitem nicht so bewusstdas Schlechte getan hat, wie es der an die böse Entscheidunggewohnte Erwachsene annimmt.1928AuTORITä T u ND S ELBSTERZIEu NG<strong>Die</strong> autoritätsfrage ist <strong>Die</strong> entscheidende Frage der Erziehung.Der Bruderhof verwirft ebenso sehr die allein auf äußereGewalt oder Suggestion begründete Autorität, wie dieschwächlich blinde und unklare Autoritätslosigkeit. <strong>Die</strong> Freiheitdes Kindes und <strong>einer</strong> Kindergemeinde kann nicht darinbestehen, dass das Kind jeder Stimmung seines Gemütes und


jeder Regung s<strong>einer</strong> Gefühle ungehemmt folgen kann. Unddie Autorität der Erzieher kann nicht darin bestehen, dassdie Erzieher ihren eigenen Willen mit Gewalt auf das Kindeinwirken lassen, ohne in dem Kind die rechte Einsicht unddie innerste Entschlussfähigkeit für das Gute anzuregen undzu wecken. Am allerwenigsten darf ein Erzieher oder eine Erzieherinaus Gründen der Bequemlichkeit oder des verletztenAutoritätsstolzes schroff auftreten, um den Willen des Erwachsenendem hilflosen Kind aufzupressen. Und doch wärees nicht weniger verkehrt und abwegig, wenn Erzieher oderErzieherinnen ohne leitende Aktivität darauf warten wollten,bis in dem Kind und in der Kinderschar von selbst das Guteüber das Böse zur Herrschaft und Leitung käme.Nein: Erziehung ist notwendig. Sie ist die größte Liebe,die man dem Kind erweisen kann. Das Kind will geführtund geleitet, eingeführt und angeleitet werden. Es will abernicht vergewaltigt und niedergedrängt werden (Kol.3,20-21). <strong>Die</strong> wahre Autorität verbindet sich also so mit derEntfaltung der besten Freiheit im Kinde, dass die Erzieherdas Gute in dem Kind beleben und verstärken und das Kindselbst zur Entschlusskraft für das Gute führen. Dann wird dasKind aus seinem Innersten heraus das Schlechte, was in ihmauch zur Auswirkung drängt, bekämpfen und überwinden.<strong>Die</strong> Erziehungsgemeinschaft des Bruderhofes bekennt sichdazu, dass auch hier der größte Lehrer der Menschheit dieentscheidenden Worte gesprochen hat, wenn er sagte: „<strong>Die</strong>Kinder sollen ungehindert zu mir kommen;“ und: „Wenn ihrnicht so werdet, wie diese Kinder sind, könnt ihr nicht in dasReich <strong>Gottes</strong> kommen“ (Luk.18,16-17).


Und so war er es, der uns gezeigt hat, dass die Kinder durchdas Vertrauen zu ihrem Wesen und durch die Liebe geführtwerden müssen, und deshalb herzte und küsste er sie.1932BestiMMtes, kräftiges auftreten hilft dem Kampf des Kindesmit sich selbst oft weit mehr, als weiches, allzu geduldiges Eingehenauf seine Unart…Jede körperliche Züchtigung erweist sich als Bankrotterklärungder Erziehung, die nur dann denkbar ist, wenn dieallein erzieherischen geistigen Einflüsse versagt haben. Freilichwird eine gewisse Anwendung von Gewalt infolge derUnvollkommenheit der Erzieher nicht immer ganz ausbleibenkönnen. Aber sie ist durch den Einfluss, den der Geist aufdie Erzieher und auf die Kinder entfaltet, auf das äußersteMindestmaß zurückzuführen. In ihrer rohesten Form körperlicherZüchtigung ist sie für unsere Erziehung zu verwerfen.1927sehr Wichtig ist, Dass sowohl in den Familien wie auch imKinderhaus keine zu große Weichlichkeit gegen die Launender Kinder herrscht. <strong>Die</strong> Kinder müssen lernen, straff zu seingegen sich selbst. <strong>Die</strong> Kinder müssen erzogen werden, knappund fest Stellung zu nehmen zu allem, was sie getan haben. Siedürfen nicht das Gefühl haben, dass ihnen etwas geschieht,wenn sie angeredet oder getadelt werden. Sie müssen lernen,zur Sache zu stehen, auch wenn sie blamiert werden, und nichthalbe Antworten zu geben, die so oder so aufgefasst werdenkönnen. Sie müssen fest und straff und sicher auftreten lernen.1933


allzu „artige“ kinDer sinD ganz gewiss eine höchst unangenehme,weil unnatürliche, erzwungene und erheuchelteErscheinung. Aber allzu „ungezogene“ Kinder sind als ehrfurchtslose,unkindliche, anmaßende und überhebliche Geschöpfenicht minder unerfreulich. Dahin gehört auch jede IchBetonung in kleinlichem Zank oder in dem Verlangen nachirgend einem vermeintlich großartigen und doch so törichtenVorrecht oder Besitz. Auch die chronische Undankbarkeit undstumpfe Gleichgültigkeit, die „dumme“ Kinder so oft gegenalles das zur Schau tragen, was ihnen an Gutem und Liebemzukommt und oft nur mit größten Opfern geleistet werdenkann, gehört zu diesem bösen Übel.1934kINDER IN DER GROSSEN E INHEITunsere säuglingsstuBe ist ein ungeheures Geschenk <strong>Gottes</strong>.Der Charakter auch des ersten Kindes <strong>einer</strong> Ehe hat gar nichtdie Gelegenheit, seine eigene Begierde, seine eigene Genusssucht,seinen eigenen Besitzwillen durchzusetzen, sonderndieses eine Kind ist gewöhnt, in einem großen Geschwisterkreiszu sein. Als ich ein Junge von sieben Jahren war, fragtemein älterer Bruder mich, ob ich schon darüber nachgedachthätte, wie gut es sei, dass wir zu Hause fünf Kinder wären. Ersagte, er wäre in <strong>einer</strong> Familie gewesen, da wäre nur ein Kindgewesen, das wäre kein Kind, denn es wäre allein aufgewachsen.Wenn die Kinder in <strong>einer</strong> großen Schar zusammen sind,sind sie nicht in der Lage, sich durchzusetzen, sondern sie werden<strong>einer</strong> größeren Einheit eingeordnet. <strong>Die</strong> Kindergemeinde


und Säuglingsstube ist deshalb von so entscheidender Bedeutung,weil dort keines der kleinen Kinder im Mittelpunkt steht.Kein Kind soll sich auch nur einen Augenblick einbilden, umdieses Kind drehe sich alles.1935es ist <strong>Die</strong>s eine unaussprechlich große Verantwortung, die allenGliedern der Gemeinde anvertraut ist und die man in denwenigen Worten andeuten kann: Ehrfurcht vor dem HeiligenGeist.Und wenn das für alle Gebiete der Gemeinde gilt, gilt dasfür die Erziehung der Kinder in einem besonders heiligenSinne: Ehrfurcht vor dem Vater als dem von Gott gesetztenHaupt; Ehrfurcht vor der Mutter, die bestimmt ist, Maria undder Gemeinde ähnlich, Christus darzustellen, wie es der Vaterauch tun soll; Ehrfurcht vor dem Kinde, dem wunderbarenGeheimnis des Kindseins und Kindwerdens, und Ehrfurchtvor dem Geist, der zwischen den Eltern und den Kindern lebt;Ehrfurcht vor der Gemeinde und ihren <strong>Die</strong>nsten, das heißtEhrfurcht vor dem Heiligen Geist, der die ganze Gemeindeerfüllt.1934Wie schWierig unD verantWortungsvoll ist die Kindererziehungfür uns unfreie Menschen! Nur Weise und Heiligesind zur Erziehung fähig. Unsere Lippen sind unrein. UnsereHingebung ist nicht vorbehaltlos. Unsere Wahrhaftigkeit istgebrochen. Unsere Liebe ist nicht völlig. Unsere Güte ist nichtabsichtslos. Wir sind nicht frei von liebewidrigem Eigenwillenund Eigentum. Wir sind ungerecht.


So ist es das Kind, das uns zum Evangelium führt. <strong>Die</strong>Aufgabe, die wir dem Kind gegenüber haben, zeigt uns, dasswir zu schlecht sind, um in diesem heiligen Sinn auch nur eineinziges Kind erziehen zu können. <strong>Die</strong>ses Bewusstsein führtuns zur Gnade. Mit Kindern kann man ohne die Atmosphäreder Gnade nicht umgehen. Nur dann kann man Kindererziehen, nur dann kann man mit ihnen leben, wenn manselbst wie ein Kind vor Gott steht.„Ihr müsst wie die Kinder werden“ (Matth.18,3). Steht wiedie Kinder vor der Gnade! Ihr müsst staunen lernen. In demBewusstsein eurer eigenen Kleinheit staunt über die Größe desgöttlichen Geheimnisses, das in allen Dingen und hinter allenDingen verborgen liegt! Nur so werden wir beschenkt werdenkönnen. Nur so werden wir die Anschauung des Geheimnissesgewinnen, in der wir uns selbst ganz vergessen, weil uns inihr die große Sache ganz überwältigt. Nur Menschen mitKinderaugen können sich in das hineingeben, worüber siestaunen!1928für <strong>Die</strong> erziehungsarBeit WirD die gleiche Bewertung aller<strong>Die</strong>nste und Fähigkeiten des Körpers und des Geistes zu <strong>einer</strong>sehr bedeutenden Pflicht. Ob ein Kind vorzugsweise zu körperlicherArbeit oder hauptsächlich zu geistiger Betätigungbestimmt ist, und welche besondere Art von Leistung ihm entspricht,muss so früh als möglich erkannt werden. Nur wennvon vornherein und überall der Wahnvorstellung entgegengewirktwird, nach der die einen Betätigungen und Berufe höherwertigals die anderen, ebenso nutzbringend dem Ganzen


0hingegebenen Arbeiten sind, wird dem Kind eine freie Kraftentfaltungermöglicht…Nicht das religiöse Sondergebiet der Dogmatik und derreligiösen Gebräuche wird gelehrt. Von der Tatsache und derWirkung des lebendigen <strong>Gottes</strong> aus werden vielmehr alleGebiete des Lebens religiös – das heißt geistlich – erfasst…Hinter allem Religionsgeschichtlichen wie auch zugleichhinter allem Künstlerischen und Wirtschaftlichen – ja hinterallem Naturgegebenen und Geschichtlichen – wird vielmehrim sicher geführten Unterricht der Geist erschaut…Auf diesem Weg des Unterrichts leuchtet überall Christusauf. Er kommt dem Kinde als die Erfüllung der einheitlichenMenschheitsreligion aller Jahrtausende, aller Kulturen und allerErdteile nahe. So werden alle religiösen Menschheitstatsachenneu lebendig. So wird die Bibel erschlossen.1927


18. EINfAchES L E b ENes War iM Jahr 1899 und den darauffolgenden Jahren, als dieJugendbewegung an verschiedenen Plätzen Deutschlands zumAusbruch kam. Wir waren damals als Jugend kaum den Kinderschuhenentwachsen. Es drängte uns hinaus aus den verlogenenVerhältnissen, den Kirchen und Schulverhältnissen. Anverschiedenen Orten war der Kampf um Reinheit und Freiheitgewiss verschieden ausgeprägt, aber es war doch ein und derselbeKampf. Wir sehnten uns nach natürlichem Menschentum,nach Natur.<strong>Die</strong> ganze Art der überlieferten Vorrechte und ihresZwanges erschien uns als eine Versklavung des wirklichenMenschentums. Und so trieb es uns aus unseren Kreisenhinaus auf die Landstraßen, Felder, Wälder und Berge. Wirflohen die Großstadt so viel wir konnten.Was suchten wir in der Natur? Es war der Drang zur Freiheit,Freundschaft, Gemeinschaft. Nicht einzeln zogen wir umherwie Einsiedler, sondern zusammen. Zusammen suchten wirfreie Luft und Leben.1922<strong>Die</strong> JugenD Der nachkriegszeit hatte einen Abscheu vor denGroßstädten als Plätze der Unreinheit für Körper und Seele.<strong>Die</strong> Städte waren für sie der Sitz des Mammons, der Kälte, der


giftigen Luft. Sie stellten fest, dass hier die Menschen nichtnach <strong>Gottes</strong> Willen leben. <strong>Die</strong> Familien haben zwei Kinder oderein Kind, die meisten sogar gar keine Kinder. <strong>Die</strong> ganze Atmosphäreder Stadt schien ihnen von Mordluft und Degenerationgeschwängert zu sein. <strong>Die</strong> Städte wandten sich von dem, wieGott die Menschen haben will, weit ab. Daher verließen sie dieStädte. Es war nicht ganz das Gleiche wie Rousseaus Philosophieder Rückkehr zur Natur, aber doch etwas Ähnliches. DerWille war da, zu den Stätten zurückzukehren, die der Schöpfung<strong>Gottes</strong> nahe sind, wo man von neuem fühlen konnte, dasses <strong>Gottes</strong> eigener, lebendiger Atem ist, den er dem Menscheneinhauchte, und den Pflanzen und Tieren. Sie wollten fort vondem Gestank und Schmutz und Rauch, und von der Torheitder menschlichen Werke.Ihr Geist strebte zurück zur Natur, damit er sich mit demdort wirkenden Geist verbinde. Für sie war der auf dem Landwirkende Geist und der Geist <strong>Gottes</strong> ein und dasselbe. Zuerstschuf Gott das Land und die Pflanzen und die Tiere, unddann den Menschen. Sie alle waren eine Einheit. Nun floss indieser Bewegung der Jugend alles dies wieder zusammen.1931seit Beginn unserer BeWegung – seit den ersten Anfängen unseresgemeinsamen Lebens – war es uns überaus brennend, dass unserLeben echt sein möge. Es lag uns alles daran, dass gar nichtsUnnatürliches unter uns aufkommen möge. Es war uns eintiefstes Bedürfnis, dass nichts Gezwungenes und Aufgezwungenesmöglich sein möchte. Wir wünschten, schöpfungsnaheund naturnahe zu leben. Wir hatten das Verlangen, so an Gott,


an den Schöpfer zu glauben – so natürlich seine Schöpfung zuverstehen – dass wir nicht etwa durch eine religiöse Beeinflussungaus dem natürlichen, kindlichen Leben der Schöpfung herausgebrachtwerden könnten. Es war uns klar, dass ein wirklichesGemeindeleben nur möglich ist, wenn es überaus natürlichzugeht. Es war uns gewiss, dass das gemeinsame Leben verlorensein muss, sobald es in irgendeine künstliche Frömmelei hineingewiegtwird; wenn wir eine Sprache annehmen würden,die zwar nach frommen Worten klingt, die aber nicht bodenständiggewachsen ist, nicht echt aus dem innersten Herzenhervorgekommen ist.Und wie es mit der Sprache ist, ist es mit allen anderenDingen. Das war ein Geschenk der Jugendbewegung, dieBegegnung mit der Natur. Es war nicht nur romantisch, dasswir uns über die Landschaft mit ihren Wiesen, Wäldern undBergen und ihren Blumen freuten, sondern es handelte sich umein Naturerlebnis, das dem Ursprünglichen, der Schöpfungnaheführte. Und alles, was nicht ganz ursprünglich aus derinnersten Quelle kam, wurde zurückgewiesen.Das ist meine innigste Bitte, dass unser gemeinsames Lebenursprünglich aus den Quellgebieten des Herzens kommt, wiees unseren Gaben, unserer Veranlagung gegeben ist; dassschließlich jede Frömmelei und Heuchelei ausgeschlossenbleibt und das Natürliche wächst. Das erbitten wir von Gott,dass es immer lebendig zugeht in diesem innersten Sinn, solebendig, wie es bei den Tieren und Pflanzen zugeht, wie esbei den Sternen zugeht; so lebendig, wie es bei der Geburtund bei dem Heranwachsen des Kindes zugeht. So möchte esin unser aller Leben sein. Daraus ergibt sich die Treue. Und


es ist uns ein weiteres Anliegen, dass es uns gegeben werdenmöge, dass wir die Arbeit in der Natur als das Echteste undUrsprünglichste des Lebens empfinden. Besonders die Arbeitim Garten und in der Landwirtschaft, die uns die Nahrunggibt aus der Schöpfung <strong>Gottes</strong>, um entsprechend alle Aufgabendes Herzens und des Kopfes zu bewältigen.1935Wenn Wir aus Der Kirche ausgetreten sind, so ist damit keinGlaube zerbrochen, sondern eine Haltung zerbrochen, die nichtaus dem Glauben gegeben war. Dass man das heiligste Wortdes größten und allmächtigsten Wesens nicht gerne nennt, istgut. Wir wollen diesen Namen nicht unnütz führen und ihnso selten wie möglich in den Mund nehmen. Aber dennochsind wir berufen, diesen Namen zu bekennen, falls dadurchnicht die Perlen vor die Säue geworfen werden (Matth.7,6).1933nieMals WirD <strong>Die</strong> Menschheit die Sehnsucht nach einem Lebender Liebe in einem <strong>neuen</strong>, reicheren Paradies aufgeben können.Freude an der Natur und Arbeit in der Natur, Bewahrung undVertiefung des Geisteslebens, schöpferische Liebestätigkeit ausdem <strong>Gottes</strong>erleben heraus, stehen diesem Sehnen als nächsteZiele vor Augen.1919es gaB Menschen, <strong>Die</strong> sagten: „Ihr seid Naturmenschen; dennihr wollt zur Natur zurück!“ Nein, das wollte unsere Bewegungnicht, sondern sie erkannte immer mehr, wieviel Verdorbenesdie Natur der alten Schöpfung in sich hat (Röm.8,20 22). Sie


wollte nicht die Rückkehr zur alten Natur, deshalb haben wirauch die Nacktkultur immer abgelehnt. Wir fühlten, dass hinterder Natur das Göttliche wirkt (Röm.1,20; Ps.19,1 5). Wirspürten, dass neben den Querwirkungen satanischer und dämonischerGewalten in und hinter der Natur der innere Zusammenhang,der innere Einheitswille <strong>Gottes</strong> in s<strong>einer</strong> Schöpfungoffenbar wird. <strong>Die</strong> Liebe <strong>Gottes</strong> als Einheit wurde offenbar.Das schöpferische Leben <strong>Gottes</strong> wurde offenbar. Nicht dieDinge wurden angebetet und nicht die alte Natur, sonderndieses Geheimnis des schöpferisch wirkenden <strong>Gottes</strong>.1935in Der JugenDBeWegung War eine ähnliche Gefahr vorhanden.Es war dort eine Verehrung des Geschöpfes in der romantischenVerklärung der Landschaft, auch in der romantischenVerehrung der menschlichen Schönheit gegeben, die sehrleicht zu <strong>einer</strong> Anbetung der Natur führen konnte. Deswegenkonnte sie – genau so wie heute der Nationalsozialismus – denSchöpfer zugunsten des Geschöpfes verwerfen.1935<strong>Die</strong> natur ist geMischt. Sie hat Gutes und Böses nebeneinander,Licht und Schatten. <strong>Die</strong> Natur an sich gibt uns nicht dasreine Licht, sondern einen Wechsel zwischen Licht und Finsternis.<strong>Die</strong> Nachtseite und die Sonnenseite des Lebens wechseln. Es mussalso noch eine andere Offenbarung da sein, als das Buch derNatur. Das Buch der Natur ist wichtig, aber es genügt nicht.Wenn ein Mensch noch nicht an Jesus glaubt, kann man ihmnur raten zu suchen, wo in der Geschichte der Menschheit diegrößte Klarheit und Wahrheit <strong>Gottes</strong> offenbart ist. Wir haben


erkannt, dass es in Jesus Christus geschah (Kol.1,15 20). Wirhaben erkannt, dass in ihm nur Licht ist, dass seine Liebe undsein Wort vollstes Licht gibt. Und dieses Licht ist die Liebe.Und so haben wir Gott erkannt als die Liebe. Gott ist Liebe.Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott inihm (1.Joh.4,16).1935


f rieD en unD<strong>Gottes</strong>herrschaft


19. GE wALTLOSIGKEIT UNDwAffENDIENSTVERw EIGERUNGWAS SAGT DAS E VANGELIum?„Du sollst nicht töten“, war schon zu den Alten gesagt.Jesus geht weiter: Hässliche Worte sind vergiftende Dolchstiche.Wer seinen Mitmenschen nicht als gleichberechtigt anerkennt,ist ein Mörder in den Augen Jesu. Wer in den Kriegzieht, handelt gegen das Wort: Liebet eure Feinde! (Matth.5,43 - 48)1932Jesus sagt uns Ja, wie er sterben würde: Er musste ausgeliefertwerden in die Hände der Hohen – in die Hände der Frommenund der Staatsgewalt –, und er musste sich wehrlos diesen Gewaltenausliefern. Und als seine Jünger sagten: „Dürfen wirnicht die Gewalten der uns zu Verfügung stehenden Gewaltmächteherbeirufen? Wir könnten doch Feuer vom Himmel,wir könnten doch den Blitz aus den Wolken herunterfahrenlassen“, da sagte Jesus: „Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinderihr seid?“ (Luk.9,54 55) Ihr habt ja den Geist vergessen! Ihrhabt ja den Sinn vergessen, ihr habt ja das Beste vergessen,wozu ihr gerufen seid! Und selbst wenn ihr vom himmlischenFeuer und himmlischen Blitz und himmlischen Weltwundern


sprecht: Ihr habt den Geist verlassen, sobald ihr die Gewaltstatt der Liebe fordert.1931iM naMen Jesu christi kann man nur sterben, aber nicht töten.Das ist der letzte Sinn des Evangeliums. Wenn wir wirklichChristus nachfolgen wollen, dann haben wir so zu leben, wieer gelebt hat und gestorben ist. Das alles wird uns erst klarwerden, wenn wir das Wort begreifen: „Ihr könnt nicht Gottund dem Mammon dienen.“1932Der theologische unsinn, Der dort zutage trat,[bei einemVortrag in der Tübinger Universität] war kaum zu ertragen.Einmal stand eine sehr fromme Theologiestudentin auf undsagte: „Jesus hat gesagt: ‚Ich bin nicht gekommen, den Friedenzu bringen, sondern das Schwert.’“ (Matth.10,34) Worauf ichantwortete: „Ich bin sehr erstaunt, dieses Wort in diesem Zusammenhangzu hören, und begreife gar nicht, was Sie damitsagen wollen. Es ist doch hier von dem Verhältnis der Schwiegertochter,die den Weg Jesu geht, zu ihrer Schwiegermutter, dieihn nicht geht, die Rede. Glauben Sie etwa, Jesus wollte, dass dieSchwiegertochter die Schwiegermutter totschlagen sollte?“1933Wer in Der geistesklarheit Jesu berufen ist, der kann keineblutige Gewalt zum Schutz anrufen. Jesus hatte alle Vorrechteund alle Gewaltschutzmaßnahmen verlassen und war auf demniedrigsten Pfad gegangen (1.Petr.2,21-23). Und dazu ruftuns Jesus auf. Ihm sollt ihr nachfolgen. In nichts anders, in


00nichts abweichend, gerade so wie er gegangen ist, müsst ihrgehen. Meint ihr nun, dass ihr in so entscheidenden Dingen,wie Eigentum und Gewalt, anders gehen könnt als Jesus, unddoch beanspruchen könnt, seine Jünger zu sein?1931L IEBET E u RE F EINDE![anlässlich eines rauBüBerfalls auf zwei Brüder, denen dieWochenlöhne für angestellte Arbeiter gewaltsam abgenommenworden waren:]Es gibt zwei Extreme, in denen wir von der Sache hättenabweichen können. Das eine wäre dieses: Wir würden unsentweder bei dem Vorfall selbst mit Gewalt mit einem Knüppelzur Wehr gesetzt haben, oder wir würden nach dem Vorfalldie Gendarmen oder die Staatsgewalt holen und ihnen dieGewalt übergeben. Das andere Extrem wäre die Meinung, dassman die Täter vor dem Zugriff der Behörden schützen müsse;dann würde man sich auf die Seite der Untat stellen. Statt dessenist eine öffentliche Versammlung im Beisein der betroffenenMaurer und Arbeiter abgehalten worden, so dass wir uns nichtder Begünstigung dieser Untat schuldig gemacht haben.Wir müssen unseren scharfen Protest gegen diesenRaubüberfall erheben. Es ist die Aufgabe der Gemeinde <strong>Gottes</strong>,einen öffentlichen Protest gegen alle Ungerechtigkeit zu erheben.Es muss an einem solchen Beispiel das Evangelium vom Reichverkündigt werden. Es muss die Gerechtigkeit der Gemeindeund ihrer Brüderlichkeit, die Liebe zum Feind bezeugt werden.1931


0kriege Müssen iMMer Durch Lügen angestachelt und aufgebauschtwerden, so dass ein Volk im anderen so wenig Guteswie nur irgend möglich sieht. Jesus konnte dieser Täuschungniemals anheimfallen, sondern er sah in jedem Menschen dasBild <strong>Gottes</strong>, wenn auch unvollkommen und zum Teil sehr entstellt,so doch ein wirkliches Bild <strong>Gottes</strong> in jedem Menschen(1.Mos.1,27).1932Wie haBen Wir <strong>Die</strong>sen Kampf zu führen? Wir haben ihn einzigund allein im Geist des kommenden Reiches zu führen. Wirhaben diesen Kampf in der Liebe zu führen. Wir haben keineandere Waffe als die Waffe der Liebe. Und ob wir es mit einemLandjäger zu tun haben oder mit einem Arbeitsdienstler, miteinem Landrat, mit einem Hessen Prinzen, mit einem Parteiführeroder mit einem Reichspräsidenten – das macht keinenUnterschied. Wir haben sie zu lieben. Und nur wenn wir sierecht lieben werden, werden wir das Zeugnis der Wahrheit ihnennahebringen können. Dazu sind wir da.1933es WurDe uns eine lebendige Tatsache, dass es zwei Arten derBeziehung von Menschen zueinander gibt, die beide unserHerz auf das Stärkste bewegen. <strong>Die</strong> eine Art der Beziehungist die der Freundschaft, in der unsere Mitmenschen unserenHerzen nahestehen und uns Regungen entgegenbringen, dieden tiefsten und heiligsten Gefühlen unseres Wesens und unsererBerufung verwandt sind. <strong>Die</strong> andere Art der Beziehung ist die derFeindschaft, die unsere Herzen nicht weniger auf das Tiefste


0aufrührt und bewegt: Sachliche Gegner und persönliche Feindesind es, die die <strong>Fundamente</strong> unseres Lebens erschüttern und instärkste Bewegung bringen, die das Heiligste unseres Lebens ins<strong>einer</strong> allerheiligsten Aufgabe aufwühlen und herausfordern!1935alle feinDe sinD ein Gegenstand der Liebe <strong>Gottes</strong> – der Namemacht keinen Unterschied – und wir haben kein Recht, sieendgültig abzuurteilen. Wohl müssen wir ihre Taten verwerfen,die wir kennen gelernt haben, aber dennoch bleiben sie dieFeinde, die wir aufrichtig lieben.1935Wie viel haBen Wir unseren Feinden zu danken! Wir lerntenbegreifen, dass es bei Jesus Christus nicht etwa ein übersteigertesWort oder eine übertriebene Forderung war, wenn er sagte:„Liebet eure Feinde!“ Wir haben begriffen, dass das Geisteswort:„Liebe!“ für Freund und Feind in gleicher Kraft gilt.Beide Arten der Begegnung ergreifen unsere Herzen auf dasTiefste! Was aber das Herz eines Menschen bewegt, der von demGeist Jesu Christi ergriffen ist, kann nur die eine Resonanz hervorrufen,nur das eine Echo zurückbringen: die Antwort derLiebe.1935Wir stehen in <strong>einer</strong> Zeit, in der wir uns von Feinden des christlichenGlaubens umgeben wissen. In solcher Zeit werden wirdas Sakrament der Vergebung in besonderer Weise brauchen. Esliegt in solcher Zeit daran, dass das Sakrament der Vergebungauf das stärkste in Erscheinung tritt, denn dieser wütende Hass


0fordert bei uns das Gegenteil auf den Plan: Auch gerade unsereFeinde müssen wir in besonderer Weise lieben in dem Sinne,dass wir für sie einen Glauben und ein Verständnis einsetzen,dass trotz ihrer Verblendung ein göttlicher Funke in ihnen ist,der entfacht werden muss.Aber es muss unser Anliegen sein, dass unsere Liebe auchzu unseren Feinden einen solchen Ausdruck findet, dass wirihr Herz erreichen. Denn darin besteht die Liebe. Und wennman das Herz erreicht, dann wird man auch den verborgenenFunken <strong>Gottes</strong> finden, auch wenn unser Feind der größteVerbrecher wäre. Also in diesem Sinne muss die Vergebungund Beseitigung auch unseren Feinden gegenüber in Krafttreten, wie Jesus für die Soldaten, die ihn ans Kreuz gehängthaben, gebeten hat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissennicht, was sie tun“ (Luk.23,34).1935D AS S CHWERT DES G EISTESODER DAS S CHWERT DES Z ORNESin Der geMeinDe giBt es ein Schwert des Heiligen Geistes.<strong>Die</strong>ses Schwert des Heiligen Geistes ist in jeder Beziehungvöllig verschieden von dem Schwert der Obrigkeit des Staates(Eph.6,17). Gott hat das weltliche Schwert den Heiden übergeben(Röm.13,4). <strong>Die</strong> Gemeinde soll mit dem Schwert desZornes <strong>Gottes</strong> nichts zu tun haben. <strong>Die</strong> Gemeinde soll alleindurch den einigen Geist Christi regiert und geführt werden.Gott hat seinen Heiligen Geist von den Heiden zurückgezogen,weil sie ihm nicht gehorchen wollten. So hat er ihnen dafür


0das Schwert des Zornes gegeben: die weltliche Regierung, dasweltliche Schwert des Militärs. Er selbst aber, Christus, ist derKönig des Geistes. Er hat <strong>Die</strong>ner des Geistes, und diese dürfenkein anderes Schwert führen, als das Schwert des Geistes.1930Wir können nicht zu den Landjägern oder zur Reichswehr gehenund sagen: Legt eure Waffen nieder und geht jetzt denWeg der Liebe und der Nachfolge Christi! Wir sind gar nichtdazu berechtigt. Berechtigt sind wir erst dann dazu, wenn wirdurch den Geist das lebendige Wort im innersten Herzen eingesprochenbekommen: <strong>Die</strong>ser Mann steht jetzt in dem entscheidendenAugenblick, in dem ihm das gesagt werden muss.Dann werden wir es ihm sagen. Dann wird es ihm Gott imselben Augenblick auch sagen. Wir dürfen aber nichts sagen,außer was Gott im selben Augenblick zu dem Herzen des Angeredetensagt.Und wenn wir die Dinge so fassen, dann wird uns klarwerden, dass wir nicht mit jedermann in jedem Augenblickdas tiefste Gespräch führen können. Denn der Glaube ist nichtjedermanns Ding und nicht in jedem Augenblick jedermannsDing. Es muss die Stunde <strong>Gottes</strong> abgewartet werden.1933in Der reforMationszeit War es die Bewegung unserer Brüder(die man die hutterischen nennt), die mit Tausenden undAbertausenden aus tiefstem Herzen gegen jedes Blutvergießenprotestierten; eine Bewegung, die damals von ganz besondererBedeutung war, weil die Barbarei in Bezug auf das Blutvergießenhimmelschreiende Formen angenommen hatte, die


0erst jetzt wieder modern geworden sind. <strong>Die</strong>se gewaltige Bewegungder Brüder war überaus realistisch. Denn sie habenniemals geglaubt, es käme jetzt ein Weltfriede, eine allgemeinelinde Frühlingsluft; sondern im Gegenteil, sie glaubten, dassder Tag des Gerichts nahe bevorstünde. Und sie erwartetenvom Bauernkrieg eine gewaltige Tatsache, die von Gott dazubestimmt wäre, die Obrigkeit zu warnen.<strong>Die</strong>ser Realismus, der deutlich sah, dass die Welt das Schwertimmer gebrauchen wird, verband sich mit der Festigkeit undKlarheit, dass Jesus niemals ein Henker sein kann. Er, der amKreuz gehenkt wurde, kann niemanden henken. Er, dessenLeichnam durchbohrt wurde, kann niemanden durchbohrenoder zerschinden. Er tötet niemanden; er wird getötet.Er kreuzigt niemanden; er wird gekreuzigt. <strong>Die</strong> Liebe Jesubezeichneten die Brüder als die Liebe des Hingerichteten zuseinen Mördern, der aber niemals selbst ein Mörder oderHenker werden kann.1935G ENü GT pAZIFISmuS ?ich glauBe, Dass Wirklich viel Gutes gesagt und getan wirdfür den Frieden und die Vereinigung der Nationen. Aber ichdenke, dass das noch nicht des Guten genug ist. Wenn ihreuch gedrängt fühlt, einen schweren europäischen Krieg zuverhindern oder hinauszuschieben, so ist das eine große Freude.Aber es erfüllt uns mit Sorge, ob es euch möglich sein wird,den Krieg zu bekämpfen, wie er jetzt schon besteht!


0Ist es kein Krieg, wenn im Hitler Deutschland bis zum30. Juni 1934 über 1000 Menschen ohne alles Recht getötetworden sind?Ist es kein Krieg, wenn Hunderttausende von Menschenin den Konzentrationslagern ihrer Freiheit beraubt und ihrerMenschenwürde entkleidet werden?Ist es kein Krieg, wenn Hunderttausende nach Sibiriengebracht werden und beim Holzfällen erfrieren?Ist das kein Krieg, wenn in China und Russland MillionenHungers sterben, während in Argentinien und anderswoMillionen Tonnen von Weizen aufgestapelt werden?Ist es kein Krieg, wenn in der Prostitution Tausende vonFrauen ruiniert werden, für Geld?Ist es kein Krieg, wenn jährlich Millionen von Kindern imMutterleib getötet werden, ehe sie geboren sind?Ist ein kein Krieg, wenn Menschen zur Sklavenarbeitgezwungen werden, wenn sie kaum ihre Kinder mit Milchund Brot ernähren können?Ist es kein Krieg, wenn vermögende Klassen in Villen undParkhäusern wohnen, während Familien in anderen Viertelnkeine Möglichkeit haben, auch nur einen Raum für sich zuhaben?Ist es kein Krieg, wenn die einen sich das Recht nehmen,hunderttausend Pfund Sterling aufzubewahren, während anderesich kaum einen Penny verdienen können für das Allernötigste?Ist es kein Krieg, wenn durch Autos, die in einemTempo fahren, das ihren Besitzern angenehm ist, jedes Jahrsechzigtausend Menschen in den Vereinigten Staaten getötetwerden?1934


0Wir vertreten nicht DenJenigen Pazifismus, der glaubt, vonheute ab gibt es keinen Krieg mehr. <strong>Die</strong>se Behauptung ist nichtrichtig, denn es ist Krieg bis heute. Wir vertreten auch nichtden Pazifismus, der glaubt, die besseren Völker hätten solchenEinfluss auf die schlechteren, dass der Krieg abgeschafft würde.Wir vertreten auch nicht den Völkerbund und die Völkerbundarmee,die die ungezogenen Völker in Schach halten soll.Wir vertreten auch nicht denjenigen Pazifismus, der die Wurzeldes Krieges, das Eigentum, beibehält und den Kapitalismusbeibehalten will und sich einbildet, in der UngerechtigkeitFrieden stiften zu können. Wir vertreten auch nicht den Pazifismus,der durch Rechtsverträge Frieden stiften will, währenddie Völker sich gegenseitig bekriegen. Wir glauben nicht anden Pazifismus, welcher auf dem Wege der Konkurrenz denanderen Geschäftsmann niederzuringen versucht. Wir glaubenauch nicht an denjenigen Pazifismus, deren Vertreter nichteinmal imstande sind, mit ihren eigenen Ehefrauen in Friedenund Liebe zu leben. Wir glauben an keinen egoistischen Pazifismus.Wir glauben an keinen Nützlichkeitspazifismus, derden Vorteil des Volkes oder des Geschäftes verfolgt.Weil wir an so viele Pazifismen nicht glauben, ist es besser, wirbrauchen den Ausdruck Pazifismus überhaupt nicht. Aber wirsind Freunde des Friedens und wollen den Frieden bewirken.Jesus sagt: „Selig sind die Friedenswirker!“ (Matth.5,9) Wennwir aber wirklich den Frieden wollen, müssen wir ihn auf allenGebieten vertreten. Wir dürfen also nichts tun, was der Liebewiderspricht. Dann können wir aber keinen Menschen töten.Wir können keinen Menschen geschäftlich schädigen. Wir


können nicht unsere Hand dazu bieten, dass der Handarbeiterschlechter lebt als der Gelehrte.01934Wir finDen Bei Jesus kein einziges Wort, das einen theoretischenNützlichkeitspazifismus befürwortet. Wir finden aber bei Jesusden tiefsten Sinn dafür, dass wir in völliger Wehrlosigkeitzu bleiben haben, und dass wir unseren Mitmenschen wederan Leib noch Seele verletzen oder schädigen dürfen. Woherkommt denn diese tief innere Willensrichtung Jesu Christi?<strong>Die</strong> Ursache liegt darin, dass Jesus in jedem Menschen etwasvon dem Brudersein sieht, etwas von dem inneren Licht derWahrheit, von dem inneren Licht <strong>Gottes</strong>, und von seinemGeist (1.Joh. 2,10). Da gibt es Menschen, die missverstehenJesus völlig und meinen, es sei das bei ihm eine Weichlichkeit,eine ans weibliche Element anknüpfende Richtung gewesen.Dass das nicht wahr ist, beweisen alle seine Worte, in denener erklärt, dass wir auf seinem Weg in den schärfsten Kampfhineingeführt werden, der uns nicht nur im geistigen Leben indie schwersten Situationen führt, sondern der uns auch leiblichin den Tod bringen muss. Das beweist sein eigener Tod,und das beweist seine gesamte Haltung – seine Sicherheit undseine Furchtlosigkeit – in der er den Gewalten des Mordes undder Unwahrhaftigkeit entgegengetreten ist (Luk.22,42 u.44).1932L IEBER uNRECHT ERLEIDEN ALS uNRECHT T u Npaulus sagt: „esst, Was euch vorgesetzt wird, ohne nach dem Ursprungzu fragen, auch wenn es mit den hässlichen Gebräuchen


0des Götzendienstes verknüpft war. Wenn ihr nur nicht aktivbeteiligt wart an dem Götzendienst“ (1.Kor.10,25 31). Das isteine ganz einzigartige Auffassung der Dinge. Es wird bei Jesus nurdie Tat gefordert, die vollständige Umstellung der Betätigungdes Menschen.Es wäre nicht denkbar, dass Jesus im Gefängnis einenHungerstreik üben würde. Das passt nicht zu Jesus. Wennjemand ins Gefängnis geworfen wird, und die militärischeMacht gibt dem Gefangenen täglich Essen, so nimmt mandieses kindlich an. Dagegen, wenn nun die militärische Machteinen <strong>Die</strong>nst innerhalb dieses Gefängnisses, eine Arbeitfordert, die für das Militär direkt oder indirekt dienstbar ist,dann tut man diese Arbeit nicht.Es ist also hier eine ganz klare Scheidung des Lebens. Mankönnte es auch so ausdrücken: Erleide das Unrecht, aber tuedas Unrecht nicht. Und wenn du nun hineinverwickelt bistin das Erleiden des Unrechts, dann ist es deine Aufgabe, biszuletzt gegen das Unrecht zu wirken, wie Jesus es getan hatmit s<strong>einer</strong> Bitte: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sietun.“1933natürlich: Der geWaltigste feinD des Lebens ist der Tod.Deshalb sind wir gegen die Tötung von Menschen. Wir wissen,dass es an und für sich wenig Bedeutung hat, ob <strong>einer</strong> heute stirbtoder nach 30 Jahren, vorausgesetzt, dass er innerlich gereift ist fürdie Ewigkeit. Aber wir wissen, der Tod ist etwas so Gewaltiges– etwas Hinwegfegendes und Hinwegräumendes – dass wirallein Gott die Gewalt über Tod und Leben einräumen wollen


0(Röm.12,19). Wir selbst wollen uns nicht anmaßen, das Lebeneines Menschen abzukürzen. Wir wollen nicht freveln an demvon Gott geschaffenen Leben. Und wenn wir glauben, dass derTod der letzte Feind ist, und dass Christus diesen Feind überwundenhat, so werden wir dem Tod nicht die Hand bieten,ihm zu dienen, damit Menschen getötet werden.1933


20. EINSTELLUNG z UR R EGIERUNGR ESp E k T VOR DER R EGIERu NGWir sinD Mit DeM Staat und dem rechtlichen Bemühen desStaates durchaus einverstanden, soweit sich der Staat gegen dieSünde und das Verbrechen auf den Gebieten der Lüge, derUnreinheit, des Mordens und der Geldgier wendet. Und wirfreuen uns, mit dem Staat gemeinsam zu arbeiten, soweit derStaat im Gegensatz zu diesen hässlichen Dingen etwas Gutes zutun sucht. Denn wir erkennen den Staat als eine Obrigkeit an,die von Gott gegeben ist, soweit sie in den von Gott gegebenenGrenzen das Gute sucht und das Böse bekämpft (1.Petr. 2,1317).1932Jesus Will sagen: BeWeist eure Liebe auch der Obrigkeit gegenüber!Rächt euch nicht, sondern begegnet ihr mit der Liebe!Im übrigen betet für die Obrigkeit (1.Tim.2,1 2). Sie istetwas ganz anderes als der Leib Christi; aber sie ist in ihrer Artauch <strong>Die</strong>nerin <strong>Gottes</strong> auf einem ganz anderen Terrain. Sie istnotwendig, weil das Verbrechen ohne sie gar nicht gebändigtwerden könnte. Deshalb erkennt ihr sie an, aber ihr seid selbstnicht Obrigkeit. Ihr selbst dagegen seid Glieder an Christus,und Christus hat es gerade abgelehnt, dass er Obrigkeit werden


sollte. Als sie ihn zum König machen wollten, ist er davongelaufen(Joh.6,15). Und als der Versucher zu ihm kam undsagte: „Hier, ich will dir alle Reiche der Welt geben“, hat er esabgelehnt (Matth.4, 8 10). Aber er war ehrfurchtsvoll gegendie Obrigkeit.1935D IE R EGIERu NG muSS kOmpROm ISSESCHLIESSENDer staat kann nicht ohne Gewalt leben. Man kann sichkeinen Staat vorstellen, der nicht militärische oder polizeilicheGewalt ausübt. Oder kurz gesagt: Es gibt keinen Staat, dernicht tötet. Und weiter: Man kann sich keinen Staat vorstellenohne die diplomatische Lüge, das ist: ohne die Verhüllung desTatbestandes, wie er wirklich ist. Talleyrand, <strong>einer</strong> der größtenund bedeutendsten Staatsmänner (1754 1838), hat gesagt:„<strong>Die</strong> Sprache ist dazu da, die Gedanken zu verhüllen.“ Es gibtauch keinen Staat, der nicht öffentlich Kompromisse schließtmit der Prostitution und mit anderen Entwürdigungen dermenschlichen Verhältnisse. Es gibt auch keinen Staat, dernicht Kompromisse schließt mit dem Kapitalismus, mit derGeldherrschaft, mit der Ungerechtigkeit.Gewiß sagt Jesus: „Gebt dem Cäsar, was des Cäsars ist“(Luk.20,22 25). Aber er meinte damit das Geld. Und Jesusnennt das Geld etwas Fremdes, womit er nichts zu tun hat.Gebt das Fremde dem Kaiser; die gehören zusammen, derMammon und der Cäsar. Gebt das Geld dahin, wohin esgehört, aber gebt Gott, was Gott gehört. Das ist der Sinn desWortes. Eure Seele, euer Leib, das gehört nicht dem Cäsar,


das gehört Gott und der Gemeinde! Lasst euren Mammondem Kaiser. Euer Leben gehört Gott!Nun meint Jesus, wir sollen den Staat als eineerfahrungsgemäße, praktische Notwendigkeit anerkennen.Aber einen christlichen Staat gibt es nicht. Soweit die Liebenicht herrscht, ist Gewaltherrschaft.1934Wir haBen Mit Der Staatspolitik und der äußeren Gewalt nichtszu tun. Wir werden ihnen keine Zugeständnisse machen; wirwerden uns verweigern; und doch sind wir nicht gleichgültig. JederStaatsmann interessiert uns, wer er auch sei. Wir wünschten,jeder Staatsmann hörte von uns, dass es ein Leben in Gerechtigkeit,Friede und Freude aneinander gibt, damit er sich andiesem Ziel orientiert und nicht allzuweit von dem Weg desFriedens und der staatlichen Gerechtigkeit abweicht.1935natürlich sinD Wir Bereit, auch mit dem Staat etwas zu tun,wenn der Staat uns zu <strong>einer</strong> rein friedlichen Aktion braucht.Nur – man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen(Apg.5,29).1932E INE V ö LLIG ANDEREG ESELLSCHAFTSORDNu NGWir Müssen unsere hanD herausnehmen aus allem, was Hassund Unfrieden gibt. Wir müssen so leben wie Jesus. Er half allenan Leib und Seele. Wir können nichts mitmachen, was die


Menschen schädigt. Als Friedensfreunde müssen wir unsereHand herausziehen aus allen Geschäften und aller Politik, dienicht so ist, wie Jesus es will. Das ganze Leben muss der Liebegeweiht sein. Wir können keine obrigkeitliche Gewalt ausüben,denn wir sind berufen, das Leben Jesu zu leben, welchernur geliebt hat und niemanden hat töten lassen.1934ich hatte zuM recht und zum Staat immer die positive Haltung,dass in der heutigen Welt diese Dinge – bis zur Macht desSchwertes – absolut notwendig sind; dass sie also keineswegsbeseitigt werden sollten, sondern vielmehr zur Auswirkung derSchritte <strong>Gottes</strong> in der Geschichte gehören. Nur bin ich nachwie vor der Meinung, dass das Leben aus dem Herzen Jesu, ausdem innersten Herzen <strong>Gottes</strong> heraus – die absolute Wahrheit– anders ist. Paradox gesprochen, gehen die Schritte <strong>Gottes</strong> ofteinen anderen Weg als sein Herz.1924Wir versagen Der oBrigkeit, die von Gott geordnet ist, nichtunsere Ehrfurcht (Röm.13,1). Wir haben aber einen ganz anderenAuftrag, welcher eine ganz andere Gesellschaftsordnungmit sich bringt als sie in Staat und Gesellschaft möglich ist.Deshalb verweigern wir dem Gericht den Schwur; wir verweigerndem Staat den militärischen und polizeilichen <strong>Die</strong>nst;wir verweigern den <strong>Die</strong>nst entscheidender Staatsämter, die jaalle mit Gericht, Polizei oder Militär zu tun haben.1933


D IE O RDNu NG G OTTESchristus ist Des gesetzes Ende (Röm.10,4). Der Glaube istgekommen. Der Zuchtmeister ist abgetan. Und doch bleibtder Mensch wie er ist. Sowie er aus der Geistesgemeinschaftheraustritt, fällt er wieder unter das Gesetz. Treten wir ausChristus und s<strong>einer</strong> Gemeinschaft heraus, dann verfallen wirder Obrigkeit. Gott aber ist treu; er nimmt von der Gemeindedie Obrigkeit und nimmt die Einheit der Gemeinde von derObrigkeit.Rhönbruderhof 1931interessant ist, Dass <strong>Die</strong> sogenannten freien Bekenntnissynodendie Parole ausgegeben haben: Kein Austritt aus der Kirche!Damit ist aber jede Energie gelähmt. Denn wenn die Kirchegottlos wird, kann man nicht sagen: „Wir protestieren, aberwir bleiben in der Kirche.“ Wenn die Kirche von Dämonenund vom Götzendienst beherrscht wird, kann man nicht sagen:„Wir protestieren, aber wir bleiben in der Kirche.“<strong>Die</strong> Ursache dieser schwachen und schwächlichenHaltung ist klar; sie ist an folgendem zu erkennen: Auch dieprotestierenden Kreise der katholischen und der evangelischenKirche huldigen dem heutigen Staat bedingungslos. Sie sindbereit, an Regierungsfunktionen aktiv teilzunehmen. Also wasnützt es nun, wenn sie gegen die partiellen Anwendungen diesesbösen Prinzips, die zu brutalem Mord, zur Unterdrückungder freien Meinung und zu allen übrigen Greueln führen,innerhalb des Kirchenregiments protestieren, während sieseine totale Anwendung bejahen?


Hier rächt es sich, dass die reformatorische Kirche niemalseine klare Stellung zu Staat und Gesellschaft im urchristlichenSinn eingenommen hat. Hier rächt sich die historischeSünde während des Bauernkrieges: die Verkettung an dieFürstenherrschaft und die Frevel gegen die volkstümlicheBewegung der Täufer. Ähnlich hatte sich in England dasChristentum an den Staat verkauft. <strong>Die</strong> Ursache des Irrtumsliegt darin, dass das Pauluswort Römer 13 falsch verstandenwird: „Ein jeder sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt überihn hat.“ Vers 1 bis 5 ist das, was die großen Kirchen immerwieder zur Verteidigung ihrer Interessen im Staat anführen:Jeder unterwerfe sich den herschenden Gewalten! Dennes gibt keine obrigkeitliche Gewalt, die nicht von Gottwäre; sondern die bestehenden Obrigkeiten sind von Gottverordnet. Wer sich also der Obrigkeit widersetzt, der lehntsich gegen <strong>Gottes</strong> Ordnung auf. Und solche Empörer ziehensich selbst gerechte Strafen zu. Denn die Gewalthaber sindnicht ein Schrecken für gute Taten, sondern für böse. Willstdu nicht in Schrecken leben vor der Obrigkeit? So handle gut!Dann erntest du Lob von ihr. Denn sie ist <strong>Gottes</strong> <strong>Die</strong>nerin zudeinem Besten. Tust du aber Böses, so fürchte dich! Denn sieträgt das Richtschwert nicht umsonst. Sie ist <strong>Gottes</strong> <strong>Die</strong>nerin,die den Übeltäter strafen soll. Ihr müsst deshalb der Obrigkeitgehorsam sein, nicht nur aus Furcht vor Strafe, sondern auchaus Gewissenspflicht.Vers 6 bis 7: Infolgedessen soll der Christ Steuern zahlen:Darum entrichtet auch die Steuern! Denn die Träger der Gewaltsind <strong>Gottes</strong> <strong>Die</strong>ner, und als solche sollen sie beharrlichtätig sein. So gebt denn jedem, was ihm zukommt: Gebt Steuer


dem, der darauf Anspruch hat; gebt Zoll dem, der ihn forderndarf; erweist Ehrfurcht, wem sie zukommt, und Achtung, wemsie gebührt!Dann aber kommt die Antwort des Paulus auf die Aufgabender Obrigkeit. Von Vers 8 bis 10 zunächst die Antwort derLiebe:Bleibt niemand etwas schuldig als die gegenseitige Liebe! WerLiebe übt, der hat auch sonst das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote:„Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht morden, dusollst nicht ptehlen, du sollst nicht begehren“ und all die andernGebote, die werden kurz zusammengefasst in der Vorschrift:Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! <strong>Die</strong> Liebe tutdem Nächsten nichts Böses. Darum ist die Liebe des GesetzesErfüllung.Dann von Vers 11 und 12 die Antwort der <strong>Gottes</strong>zukunft:<strong>Die</strong>se Ermahnungen gebe ich euch, weil ihr ja wisset, inwelcher Zeit wir leben: <strong>Die</strong> Stunde ist nun da, wo ihr vomSchlaf erwachen müsst. Denn jetzt ist uns die Errettung näherals damals, wo wir zum Glauben gekommen sind. <strong>Die</strong> Nachtist vorgerückt, der Tag ist nahe. Drum lasst uns ablegen dieWerke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts!Wir sprachen über den göttlichen Ursprung des Staates (Römer13). Nun noch etwas über den teuflischen Ursprung desStaates. Jede Beziehung zum Bösen ist böse, also muss sie sichvon Gott zum Teufel abwenden. Nur in Beziehung auf dasBöse ist die Obrigkeit von Gott eingesetzt, so ist die Obrigkeitvon Gott relativ eingesetzt und muss dem Teufel verfallen(Offb.13,bes.V.7). Das ist schwer zu verstehen. <strong>Die</strong> relativeOrdnung ist nicht <strong>Gottes</strong> Wille. Aber er verlässt die Menschen


nicht ganz; darum gibt er ihnen die relative Ordnung. Wenner sie ganz verlassen würde, würden sie nicht eine Minutemehr atmen. Wie die hutterischen Brüder sagen: „Sie hättenkeinen Schnauf mehr in der Nase.“ Sie hätten auch nichtsmehr zu essen.Gott läßt seine Sonne scheinen und seinen Regen regnenüber Sünder und über Gute. Einen Menschen, der gar nichtsmehr von Gott hat, gibt es nicht (Joh.1,9). Auch in <strong>einer</strong>Straßendirne in einem Bordell ist noch eine Spur von Gott.Hier liegt die Wichtigkeit der Dostojewskischen Romane.Auch in einem Bordell hat Gott noch seine Ordnung, auch in<strong>einer</strong> Armee. Aber es ist eine Höllenordnung. Gott hat aucheine Ordnung in der Hölle…1934staat unD polizeigeWalt ist <strong>Gottes</strong> Ordnung in der Welt desBösen, nicht in der Welt des Guten. Wir bestreiten die Notwendigkeitder obrigkeitlichen Ordnung nicht für die Weltdes Bösen. In der Welt des Bösen herrscht die Relativität<strong>Gottes</strong>. Aber nun kommt: die Absolutheit <strong>Gottes</strong> ist die Liebe!(Röm.13,8) In der absoluten Sphäre der Liebe gibt es keineaktive Anteilnahme an der Staatsgewalt. In der absolutenSphäre <strong>Gottes</strong> gibt es keine Polizeiordnung. Es sind zwei Regionen:<strong>Die</strong> eine ist die des Bösen und der Staatsgewalt; dieandere ist die der Liebe und des Heiligen Geistes…Du sollst Gott allein dienen! sagt Christus. Du sollst ihmabsolut dienen, und nicht nur relativ wie im Staat. So verzichteteJesus darauf, ein römischer Kaiser wie Nero zu werden.Er wurde Jesus Christus. Und damit wurde wieder die Liebe


21. wELTLEID UND A R m UTI CH BIN SCHu LDIGvon <strong>einer</strong> raDikalen sozialrevolution – von der Umwälzungaller Verhältnisse und aller Dinge zur Gerechtigkeit <strong>Gottes</strong>– können wir nur dann sprechen, wenn wir es ganz fühlenund voll erkennen, dass diese Umwälzung uns selbst, dich undmich, uns Menschenbrüder alle meint. Wir Menschen müssenumgestürzt und neu hingestellt werden. Wir Menschensind an allem schuldig, was sich in sozialer Ungerechtigkeit, inMenschenentwürdigung und gegenseitiger Schädigung in denpersönlichen und öffentlichen Verhältnissen auswirkt. Wirsind allen Menschen verschuldet, weil wir ihre Entwürdigungund Erniedrigung nicht beachten, weil wir sie übersehen undüberhören.1926es ist ein ganzes Netz von Schuld um die Erde gesponnen,und das liegt auf unserem Gewissen…Eine Bitte des Vaterunsers ist: „Vergib uns unsereSchuld!“ (Matth.6,12) Wir alle sind durch die Einsichthindurchgegangen, dass wir mit der Weltschuld verhaftet undverbunden sind. Wir sind mitschuldig, wenn in Russland einDorf vor Hunger ausstirbt, wenn in Südamerika Krieg um


0einen Fluss geführt wird. Wir haben das Gefühl, dass wir anall diesen Vorfällen mitschuldig sind. Am stärksten fühlenwir es an der Arbeiterfrage. Ich fühle mich schuldig, dass soviele Kinder nichts zu essen haben! Ich fühle mich schuldig,dass die britische Regierung die schrecklichen Zustände inIndien duldet; dass die Prostitution als richtige Sklavereibesteht; dass das Geld über den Menschen regiert. Wir tragendie Schuld für jedes Kind, das in dieser Nacht stirbt! UnsereSchuld ist millionenfach, durch die wirklichen Zustände aufder Erde, durch die ungeheure Anzahl der Versündigungen!Wenn wir das verstehen, dann begreifen wir, dass Jesus sagt:„Unsere Schuld vergib!“ – Nicht meine Schuld, sondernunsere Schuld!1934Wir sinD nicht einzelWesen, sondern wir sind als Menschheitzu einem Gesamtwesen verbunden. Ein gemeinsames Leidendurchfurcht die ganze Menschheit. Ein gemeinsamer Schreider Sehnsucht quält sie. Es muss der Tag kommen, an demdie Menschheit eins ist: der Tag der Katastrophe, der alles Entzweiendebegräbt; der neue Schöpfungstag, der das Paradiesder Freude an die Stelle der Weltnot setzt.1919G IB DEIN L EBEN HIN!Wir leBen in arMut und persönlicher Eigentumslosigkeit umder Liebe Christi und um der Ärmeren und Ärmsten willen.Es gibt so unendlich viel Elend, dass man keinen Reichtumund kein reiches Leben ertragen kann, wenn man in der


Liebe Christi steht. So gewiss wie Sünde und Ungerechtigkeitin dieser gegenwärtigen Welt herrschen, so gewiss werdenebenso lange auch immer Arme da sein, und die Frage, waswir tun würden, wenn keine Armen mehr da wären, ist müßig.Auch einem streng sozialen System ist es nicht gelungen, dieArmut abzuschaffen. Deshalb sagt Jesus: „Arme habt ihr alleZeit bei euch!“ Und im Alten Testament heißt es: „Arme undReiche müssen immer sein“ (5. Mos. 15,11). Doch diese Liebezu den Armen kann nicht das Letzte sein, sie muss übertroffenwerden von der Liebe zu Gott. Christus sagt: „Mich habt ihrnicht alle Zeit bei euch“ (Matth. 26, 11). Wir dürfen andererseitsdie Liebe zu den Armen nicht aus der Liebe zu Gott vernachlässigen.Vielmehr: Aus der Liebe zu Gott sollen wir denNächsten lieben. Wenn du deinen Bruder in Not siehst und zuihm sagst: „Gott wird dir helfen,“ und gibst ihm nichts, wenndu weltliche Güter hast, wo ist da die Liebe zu Gott? (Jak.2,15-16).1934Wenn Dir JeManD Den Rock nehmen will, gib ihm auch denMantel. Sammelt keine Schätze und Güter, die schön erscheinen.Verzichtet auf allen Putz, verzichtet auf alle moderne Kleidungund alles vornehme Auftreten! Kannst du ein schlichter, einfacherMensch werden, wenn du nach außen ein vornehmesGehabe zur Schau trägst? Wirst du ein wahrer Christ, so wirstdu niemals ein Vermögen haben. Aus der Liebe heraus wirstdu handeln. „Verkaufe alles, was du hast und dann erst kommund folge mir nach“ (Matth.19, 21). Mach es wie die armeWitwe (Mark.12,42-44). Werdet wahr! Und weil ihr wahr


werdet, werdet einfach! <strong>Die</strong> letzte Wahrheit ist die letzte Einfachheit.Nur dann kann es Einheit in der Gemeinde geben,wenn alle wahr sind in der letzten Einfachheit…Zu seinen Jüngern hat Jesus gesagt: „Sammelt euch keineSchätze, kein Vermögen, habt kein Eigentum.“ Und zuletzthat er zu denen, die eigentumslos sind, gesagt: Ihr dürft keineSorge haben. Ihr müsst das unbedingte Vertrauen auf denGott haben, der die Blumen bekleidet und den Vögeln zuessen gibt. „Trachtet allein nach dem Reiche <strong>Gottes</strong> und nachs<strong>einer</strong> Gerechtigkeit. Nicht eine bezahlte Stellung darf euerTrachten sein. Dann wird sich die Frage eurer beruflichenAufgabe finden. Trachtet nur nach dem einen, dem Reiche<strong>Gottes</strong> und s<strong>einer</strong> Gerechtigkeit, auch mit Frau und Kindern.Dann wird sich alles andere finden, für das Leben <strong>einer</strong> jedenStunde, eines jeden Wochentages. Nur dann werdet ihr in derNachfolge sein. Ihr könnt euch keine Schätze sammeln unddürft keine Sorgen haben (Matth.6,25-34).1932es giBt keine grössere Liebe als die, dass man sein Leben lässtfür seine Brüder (Joh.15,13). Man lässt sein Leben nicht nurso, dass man einen heroischen Tod stirbt. Man muss ein Lebenfinden, in dem man jede Minute für die Brüder lebt, in demman jede Kraft, jedes Vermögen und jedes Gut – auch jedesgeistige Gut – völlig für die Brüder hingibt.<strong>Die</strong>ses Leben hat Jesus gelebt. Er hat nicht gefragt, obPalästina zu klein wäre. Er hat nicht danach getrachtet, lieberin Rom in einem Palast zu leben. Er hat nicht irgendeinenTitel oder eine Würde oder eine Einflussmöglichkeit erlangt,


sondern er ist den niedrigsten, schlichtesten Weg gegangen.In der Viehkrippe, im Futtertrog des Viehs, hat er als neugeborenesKind gelegen. Und sein ganzer Weg war der Wegder äußersten Armut. Es war der allersimpelste Weg. Und soendet dieser Weg, wie er begonnen hatte – in der äußerstenArmut, in der Armut am Kreuz.1934L EID k ANN DEN G LAu BEN VERTIEFENWenn Wir Das Wesen des Leides in s<strong>einer</strong> Tiefe zu erfassen suchen,so fühlen wir, dass die Gemeinschaft mit Gott in denHemmungen des jetzigen Lebens – in dem unerlösten Leben,das wir führen – das Leid notwendig macht. Wir brauchendas Leid. Wir können ohne Leid nicht leben und erkennen: jetiefer wir leiden, indem wirunseres Elends völlig innewerden,um so klarer, dass Jesus der einzige Halt ist. Pascal wurde nichtmüde, es immer wieder zu sagen, dass die Erkenntnis unseresElends ohne die Erkenntnis des Christus zur Verzweiflungführt.Christus ist unser Erlöser, weil er die Größe unseres Elendserkannt hat. Nur durch ihn gelangen wir zur Freiheit vonSünde und Not. Er kennt unsere Finsternis und Verzweiflung.Er hat das Lebensglück und die Lebenskraft für uns bereit, umuns aus unserer unglücklichen Lage zu befreien. Jesus weiß,wie mühselig und beladen wir das Dasein empfinden müssen.Aber er lebt in der Gemeinschaft mit der befreienden Machtdes <strong>Gottes</strong>geistes, so dass er uns sagen konnte: „Euer Vaterweiß alles, wessen ihr bedürft“ (Matth. 6, 8).


Jesus Wusste, Was leiDen ist. Er kannte Hunger und Durst. Erwusste nicht, wo er sich niederlegen sollte (Matth. 8, 20). Erhatte keine Heimat und keine Wohnung. Aber er kannte seinenVater und besaß in ihm sein ungebrochenes inneres Glück.Jesus hat es uns bewiesen, dass das Glück des Lebens einzigund allein davon abhängt, wie wir unseren Vater im Himmelkennen.1918Wenn Der tag Des Gerichts die Wolken immer fester zusammenballt,dann müssen wir in völliger Gelassenheit bereit sein,den Weg des Kreuzes Jesu zu gehen. Wie einst im Tode Jesu,als er hingerichtet wurde, die völlige Liebe offenbar wurde, somuss an der Gemeinde Christi noch hinzugesetzt werden, wasan den Leiden Christi noch fehlt (Kol.1,24).Wir müssen noch tiefer hinein in die Gelassenheit desKreuzes und des Todes. Und nur wenn wir dazu bereit sind,können wir Gott bitten, dass er zugreift und seine Geschichtemacht.1933<strong>Die</strong> vollMacht Der geMeinDe besteht darin, dass wir den Auftraghaben, die Gesandtschaft des Reiches <strong>Gottes</strong> in dieserandersartigen Welt zu vertreten. Eine der Folgen dieser Vollmachtist die Verfolgung (Joh.15,18-20). Wir müssen ganzgewiss sein, dass wir verfolgt werden. Wie die hutterischenBrüder immer wieder sagen: Wir müssen bereit sein, getötetzu werden. Wir müssen bereit sein, dass uns Haus und Herberge,unser Gemeinschaftshof weggenommen wird; er ist uns


nur für die Arbeit an den Menschen anvertraut. So muss dennein jeder bereit sein, sein Leben zu lassen. <strong>Die</strong>se Bereitschaftwird sich nur dadurch ermöglichen lassen, dass wir im täglichenLeben die schwersten Arbeiten gerne und willig auf unsnehmen.1933Der schMerz ist Der Pflug, der unser Inneres aufreißt, so dasswir für die Wahrheit offen werden. Wäre kein Leid offenbar, sowürden wir unsere Schuld und Gottlosigkeit – die himmelschreiendeUngerechtigkeit unserer Verhältnisse – niemals erkennen(Ps.119,67 u.71).1919es ist WeDer Das Richtige, das Leiden zu beseitigen, noch esgleichgültig aushalten zu wollen. Sondern es gilt, es zu benutzen,es zu verwerten zur Verherrlichung <strong>Gottes</strong>. Nicht dieäußeren Umstände machen ein Leben glücklich oder unglücklich,sondern allein die innere Stellung, die wir zu ihnen einnehmen(1.Petr.4,12-13)…Ein Edelstein muss geschliffen werden, wenn man ihnvollkommen haben will. Ein guter Streiter Jesu Christi mussleiden und will leiden (2.Tim. 2, 3). <strong>Die</strong> Standhaftigkeit imLeidenskampf beweist jenes richtige Verhältnis von tätigerTapferkeit und Ergebung in den Willen <strong>Gottes</strong>, das alleinunser Leben brauchbar machen kann.1915


Das tiefste leiD ist die Vereinsamung der Seele, die Vereinzelungdes Menschen, die Verzweiflung in der Sünde, die Notdes Gewissens in der Gespaltenheit der Seele, in der Trennungvon Gott.1918Das unerhörteste Leid kann uns wie nichts anderes Gott nahebringen. In der Hilflosigkeit äußersten Leides kommt Hiobzu dem Bekenntnis: „Wo fände ich Kraft, um auszuharren?Bei mir selber finde ich keine Hilfe; meine Festigkeit ist ganzdahin“ (Hiob 6,11 u.13). So wird er zu dem Vertrauen aufdie einzige Kraft geführt, die stärker ist, als alle Macht undGewalt. Das ist die Reinigung Hiobs, dass er nur noch aufGott sieht, nur noch nach Gott verlangt, so dass er ausrufenkann: „Dennoch weiss ich, dass Gott – mein Anwalt, meinErlöser – lebt! Mag dieser Leib zerschlagen werden! Frei vonLeid schaue ich Gott“ (Hiob 19,25-27).1919G OTT R u FT DIE A R m EN u ND N IEDRIGENJesus sagt: „vater, ich ehre dich, dass du solches den Weisenund Klugen verborgen hast, aber den Unmündigen hast du esgeoffenbart“ (Matth.11, 25). Gerade das, was niedrig und unwürdigvor der Welt ist, ist von Gott berufen zu dem lebendigstenAuftrag auf dieser Erde: zu der Sammlung s<strong>einer</strong> Gemeinde undder Verkündigung des Evangeliums (1.Kor.1,26-29).Letztlich handelt es sich immer wieder um dasZusammenstoßen zweier entgegengesetzter Ziele. Das eineZiel sucht den hohen Menschen, den großen Menschen,


den geistvollen Menschen, den geistreichen Menschen, denherrlichen Menschen, eben den Menschen, der auf Grund s<strong>einer</strong>natürlichen Gaben eine besondere Höhe in dem Gebirge derMenschheit aufweist. Und das andere Ziel sucht die niedrigenMenschen, die niederen Menschen, die Unmündigen, die imTal wohnen, die im Gebirge der Menschheit die Niederungbilden, die Erniedrigten, ungerecht Versklavten, Ausgenützten,und die Schwachen und Armen, die Ärmsten der Armen. Daseine Ziel drängt danach, dass der Mensch aus s<strong>einer</strong> eigenenNatur recht hoch erhoben wird in eine möglichst enge Nähe andas Göttliche heran; letztlich, dass der Mensch vergottet wirdauf Grund der ihm gegebenen Naturkräfte und Naturgaben.Und das andere Ziel sucht das wunderbare Geheimnis, wieGott Mensch wird, und wie Gott den geringsten Platz unterden Menschen sucht, wenn er Mensch wird.In der Tat zwei entgegengesetzte Dinge: das eine dieselbstherrliche Bewegung von unten nach oben; das anderedie menschwerdende Bewegung von oben nach unten. Daseine ist der Weg der Selbstliebe und Selbsterhöhung. Dasandere ist der Weg der <strong>Gottes</strong>liebe und Nächstenliebe…Wir wollen für alle Menschen bitten, dass sie doch von demWahngebilde der Selbsterhöhung herrlicher Menschen erlöstwerden möchten. Wir wollen bitten, dass sie den Sinn derGeschichte erfassen möchten, dass sie den Sinn des Menschenerfassen möchten in Jesus Christus, der der neue Mensch ist.An ihn dürfen wir in organischer Einheit heranwachsen, zuihm gehörig. Aus ihm, an ihm und in ihm wird die neueMenschheit – die neue Menschwerdung – einsetzen in demLeib des Christus, welcher die Gemeinde ist.1934


22. DIE wELTREVOLUTION UND DIER EVOLUTION G OTTESWenn uns JeManD fragt: „Wie lebt ihr in Gemeinschaft? Wieseid ihr zur Gemeinschaft gekommen und wie gestaltet sicheure Gemeinschaft?“, dann können wir nur auf den Glaubenals auf das spezifische Saatkorn hinweisen und können sagen:Das ist der Glaube, der den Berg versetzt (Mark.11, 23). Dasist die einzige Hilfe für die Menschen. Alles andere ist vergeblich.Ob soziale <strong>Revolution</strong> oder idealistische Lebensreform, obindividualistischer Persönlichkeitskult oder ein pazifistischerMenschheitsglaube an die Evolution – an die Entfaltung derguten Menschheitskräfte im Verlauf der Geschichte –, das alleskann der Menschheit nicht die Kraft geben und vermag ihrnicht den Weg zu weisen. Das alles vermag die Sünde, die Ungerechtigkeit,die Ichsucht und Selbstsucht, den begehrlichenWillen nicht zu überwinden. Es ist bedeutungsvoll, wenn beispielsweisevon den Bodenreformern gesagt wird: Wir rechnenmit dem Egoismus der Menschen; wenn nicht, dann könntenwir keine Bodenreformer bleiben.Der Glaube rechnet nicht mit dem Egoismus, sondern mitder gänzlichen Beseitigung des Egoismus, indem er anstelledes Egoismus das eine setzt, was Jesus gesagt hat: „Trachtet amersten nach dem Reich <strong>Gottes</strong> und nach s<strong>einer</strong> Gerechtigkeit,


so werden sich alle anderen Fragen lösen.“ Dann wird es aufalle Fragen nur eine Antwort geben: die Herrschaft <strong>Gottes</strong> inChristus durch den Heiligen Geist. Ich bin überzeugt, dasskeine Frage ungelöst bleiben wird, wenn dieser Weg ernsthaftbeschritten wird und wenn dieses Saatkorn wirklich unter unswächst und lebt.1933Der BolscheWisMus geht nicht von <strong>einer</strong> Geistesgemeinschaft,von <strong>einer</strong> Glaubens und Lebensgemeinschaft aus, sondern er gehtvom Staat aus, von der Zentrale des Staates, von der Zentrale derWirtschaft. Und nun will er seine sogenannte kommunistischeLebensform den Menschen aufzwingen. Er geht von außenher an die Dinge heran. Er greift die äußeren Fragen der wirtschaftlichenRegelung an. Dann hofft er, dass durch die äußereRegelung auch das Innere besser wird. Durch diese Gewaltkann der Bolschewismus niemals eine Gemeinschaft aufrichten.Durch Morden kommen wir nicht zum Frieden. DurchTöten kommen wir nicht zur Liebe. Der Bolschewismus istein gefährlicher Abgrund; er ist antichristlich. Und doch könnenwir daran lernen, dass auf dem Boden Christi und dervölligen Liebe noch etwas Besseres und R<strong>einer</strong>es geschaffenwerden muss, als was der Bolschewismus erschafft.So muss die Gerechtigkeit des Reiches <strong>Gottes</strong> viel bessersein. „Wenn eure Gerechtigkeit nicht eine bessere ist als die derMoralisten und der Theologen – auch als die der Bolschewisten– könnt ihr nicht in das Reich <strong>Gottes</strong> kommen“ (Matth.5,20).<strong>Die</strong> Gerechtigkeit des Bolschewismus genügt nicht zum Reich<strong>Gottes</strong>. Es ist keine Herzensgerechtigkeit, keine Gerechtigkeit


0der Geistesgemeinschaft, Gemeinschaft, sondern nur einäußerer Zwang. Damit kann keine Gemeinschaft gemachtwerden.1933Wir Müssen einen anDeren Weg suchen, wenn auch dieserWeg sehr bescheiden ist: Denn wir verzichten darauf, auf politischemWege in die öffentlichen Verhältnisse verbesserndeinzugreifen. Wir verzichten auf alle Bestrebungen, die aufgesetzgeberischem Weg die Verhältnisse zu bessern versuchen.Wir verzichten darauf, innerhalb der bürgerlichen Ordnungeine Rolle zu spielen. Wir gehen einen Weg, der sich scheinbarzurückgezogen isoliert, der scheinbar Flucht vor der Öffentlichkeit,Abkehr vom öffentlichen Leben ist. Denn wir wollenein Leben aufbauen, das sich freimacht von der Eigengesetzlichkeitdes offiziellen Volkskirchentums aller Art, soweit unsdie Gnade dazu gegeben wird, und das nun in der NachfolgeChristi die Urgemeinde von Jerusalem zu verwirklichen versucht.Von <strong>einer</strong> inneren Einstimmigkeit, <strong>einer</strong> Einhelligkeitdes Geistes her, stellen wir eine andersartige Wirklichkeit in diemateriellen Dinge hinein – in die gesellschaftlichen, ökonomischen,kirchlichen und antikirchlichen Dinge (Hes.11,19 20).1933Das ist Der kaMpf, in den die Gemeinde gestellt ist. Und deshalbverweist das apostolische Wort immer wieder darauf, dasswir in der Martyriums und Kreuzesgemeinschaft mit Christusstehen, denn der herrschende Zeitgeist kann den Geist der ZukunftChristi nicht dulden (Joh.15,18 25).


Wohl kann er es dulden und sieht es gern, wenn wirnur ein wenig von dem Zukunftsgeist vertreten wollen,gleichzeitig aber auch die Zeit denen geben, die ein wenigZugeständnisse machen. Solche Mischung ist dem Zeitgeistsehr erwünscht, denn auch der heidnische Staat wünschteine Mischung mit dem christlichen Geist aufzuweisen.Auch eine hochkapitalistische Unternehmung möchte einbisschen christlichen Geist aufweisen. Auch betrügerischeUnternehmungen aller Art wünschen ein wenig Christentum,ein wenig Wahrheit zu haben. Auch die Träger der Waffenwünschen ein wenig christliche Liebe zu erweisen. Sie liebendie Vermischung.1935es ist eine paraDoxie, dass derselbe Staat, der das Böse unterdrückensoll, durch seine gewalttätige Art ein Tier aus demAbgrund, aus der Hölle darstellt (Offb.11,7). Wenn ich ein ganzkühnes Wort wagen darf, so würde ich sagen: Gott regiert dieHölle der menschlichen Verbrechen durch die Höllenmaschinender Staaten. Nun kann jemand sagen: „Ich will jetzt dieHöllenmaschinen bedienen, damit sie etwas weniger höllischwerden; ich will die höllischen Eigenschaften der Hölle einwenig mildern, und deshalb will ich sie bedienen.“ Alle Achtungvor einem solchen Entschluss! Gut, wer das tun muss, solldas tun, und ich möchte Gott für ihn bitten, dass das, was ervorhat, ein wenig helfen möchte. Ich aber will die Höllenmaschinennicht besteigen, sondern ich möchte gern ein Schiffbesteigen, welches der ganzen Menschheit den Weg zum anderen


Ufer zeigt. <strong>Die</strong>ses ist noch nicht entdeckt. Es ist das Reich desFriedens, der Gerechtigkeit und der völligen Liebe.Deshalb sind Menschen nötig, die es wagen, das andereUfer zu entdecken und so zu leben, wie es dem anderen Uferentspricht, also ganz auf das andere Ufer zuzusteuern. Abervon diesem Schiff aus wollen wir in ständiger Verbindung mitallen anderen Menschen bleiben. Wir wollen allen anderenMenschen Botschaft senden, und mit dieser Botschaft wollenwir für das Schicksal aller Völker verantwortlich bleiben.Wir glauben, damit der Welt in einem so furchtbarengeschichtlichen Augenblick wie heute den besten <strong>Die</strong>nst zuerweisen (2.Kor.5,20).1935nur <strong>Die</strong> alles iM Innersten und Äußersten einende <strong>Revolution</strong>der Brüderlichkeit könnte – im Reichtum vielseitiger Mannig-faltigkeit– die gesuchte Freiheit und Gleichheit bewirkenund alles über die Sphäre menschlichen Nutzens herausheben.Aber diese Umwälzung zu <strong>einer</strong> aus dem Staub erhebendenBruderschaft aller Menschen kann niemals von den Menschenher, sondern nur von Gott selbst kommen. Sein Wille zur liebendenEinheit und zur heiligen Ehrfurcht vermag allein denbegehrlichen Willen des Besitzes und der Lust zu überwinden.Er allein vermag den tötenden und verlogenen Machtwillender Existenzangst zum <strong>neuen</strong> Willen der Liebesmacht umzugestalten.1926


oft schon haBen Wir uns daran erinnert, was uns Vater undSohn Blumhardt gesagt haben: Gott wartet auf Einbruchstellenin der Menschheit. Wie es bei den einzelnen Menschenein kleines offenes Fenster ist, durch welches das Licht <strong>Gottes</strong>hereinkommt, so dass wir das Fenster weit öffnen, so ist esauch in der Geschichte der Völker. Mag die überwiegendeMehrzahl dem Handeln <strong>Gottes</strong> keinen Raum geben und miteigenwilliger Dreistigkeit das Handeln der Menschen anstelledes Handelns <strong>Gottes</strong> setzen: Wenn nur irgendwo ein Platzist, an welchem man völlig einig ist, dass Gott allein handelnsoll, so greift Gott dort in die Geschichte der Völker und derMenschheit ein…<strong>Die</strong> Gemeinde ist berufen, Gott – wirklich Gott – zu<strong>einer</strong> Tat, zu <strong>einer</strong> Handlung zu bewegen. Das ist nicht so zuverstehen, als wenn Gott nicht handeln wollte oder könnte,wenn wir ihn nicht darum bitten. Gott wartet aber darauf,dass Menschen bereit sind, an ihn zu glauben – dass Menschenbereit sind, sein Eingreifen im Glauben zu erwarten. Denn dasist sein unabänderlicher Wille, dass er unter den Menschennur so weit handeln will, als der Glaube der Menschen bereitist, sein Handeln zu erbitten und von ganzem Herzen zubejahen und in ihrem Leben zu verwirklichen (Matth.7,11).1935Was Wir in unserer Bitte zu Gott suchen, das ist wirklich eineHandlung, die nicht unsere Handlung ist, eine Tat, die nichtunsere Tat ist, eine Tatsache, die nicht wir bilden können.Was wir meinen und suchen in der Anrufung ist, dass etwaspassieren soll, was durch uns nie passieren kann; dass endlich


etwas geschehen soll, was wir niemals herbeiführen können;dass endlich etwas angerichtet werden soll, was wir niemalsanrichten können; dass endlich Geschichte wird, die wir niemalsmachen können; dass ein Richten zu uns komme, was wirniemals hervorrufen können.Der Inhalt unseres Gebets ist nichts anderes als das, wasGott schon immer will, wofür er aber auf unsere Bereitschaftwartet. Und die wahrhafte Anrufung ist diese Bereitschaft!Und deshalb gelangt auf die wahrhafte Anrufung hin Gottbei uns an!1934so koMMt Der heilige Geist zu unserer Anrufung, in unsereGemeindestunden. Nicht nur vergisst der einzelne seinen eigenenZustand. Auch die Bruderschaft als solche tritt heraus ausihrer eigenen Zuständigkeit. Der Geist der Zukunft kommt zuuns und treibt uns hinein in die Zukunft des ganzen Kosmos.Denn wir erbitten den Geist zu uns herab, welcher nicht nuruns erfassen will, sondern welcher die ganze Welt erfassen will.Und deshalb erbitten wir ein Herniederkommen des Geistes,dass er in diesem Augenblick die ganze Welt erschüttern möchte.Wir glauben daran, dass die Gemeindestunden geschichtlicheStunden für die ganze Welt sind. Und so bitten wir in derGemeindestunde, vereinigt zu werden in dem Glauben, dass<strong>Gottes</strong> Hand eingreift in die Geschichte der Gegenwart, dassGott Geschichte macht im Sinne s<strong>einer</strong> Endgeschichte.Das ist die urchristliche Anrufung im Namen Jesu Christi.1935


heute Muss Der ruf zu dem tragischen Weg des Kreuzes wiedervernommen werden: der Ruf zu der alles richtenden <strong>Revolution</strong>,die der Neuschöpfung vorausgeht. Wir alle spüren diesenRuf in dem grundlegenden Wort der prophetischen Sendung:„Ändert euch in allen Dingen von Grund auf; denn die kommendeHerrschaft <strong>Gottes</strong> ist nahe gerückt!“ (Matth.4,17)…<strong>Die</strong> Glaubensrevolution der ersten Christen beruhte aufder Gewissheit, dass jeder einzelne Mensch – und mehr, dasganze öffentliche Leben, der gesamte Luftraum der Erde – vonder Herrschaft des Bösen befreit werden wird, und durch denSturz der jetzigen Wirtschaft und des jetzigen Staatswesenshindurch von Gott in Besitz genommen wird.1926Bereit sein ist alles! Lasst uns bereit sein! <strong>Die</strong> Erwartung desKommens <strong>Gottes</strong> soll unsere aktive Bereitschaft werden. Dasbedeutet, dass wir ihm die Hände hinstrecken, um mit ihmgekreuzigt zu werden; dass wir auf den Knien bereit sind, vonihm gedemütigt zu werden; dass alle eigene Macht über unsselber niedergelegt ist, damit er allein über uns Macht habe.Denn mitten in den Tagen des Zornes und Gerichts gilt es,dass das Herz Christi in der Welt und in der Weltgeschichteum so mehr aufleuchte.Und dazu eben ist die Gemeinde gesandt – mitten in denhochgehenden Wogen der furchtbarsten Erregung, mitten inder wütenden Brandung des vergossenen Blutes – sich diesenWogen entgegen zu werfen und die Fahne der Liebe denen zubringen, die ohne Liebe im Zorn ertrinken.


Dazu müssen wir bereit sein. Und deshalb erbitten wirvon Gott in dem Augenblick, wo wir das Hereinbrechenseines Tages erflehen, dass wir nicht nur zu einigen wenigenMenschen gesandt werden, die wir auf unserem Berg treffen,sondern zu allen Menschen, zu den reichsten und zu denerniedrigsten Menschen, besonders zu den erniedrigsten,aber als Propheten auch besonders zu den reichsten, wie einstJohannes der Täufer zu Herodes ging und seinen Kopf opferte(Mark. 6,17-29).Wenn wir Gott bitten, dass er komme, wenn wir Christusbitten, dass sein Weg gegangen werde, wenn wir den HeiligenGeist bitten, dass sein Strom sich ergieße, dann gilt es:Bereitsein zum Äußersten. Und wir alle müssen darin einigsein. Denn nur wenn wir eins sind in dem Gegenstand derBitte, die wir vor Gott bringen, wird sie uns widerfahren;dann aber auch ganz gewiss.1933

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