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Meine Zeit als Soldat und Offizier der Grenztruppen ... - aggi-info.de

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Oberstleutnant a. D. Ernst Röher, Thalheim<strong>Meine</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>als</strong> <strong>Soldat</strong> <strong>und</strong> <strong>Offizier</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grenztruppen</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRAm 1. August 1955 trat ich meinen Dienst bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Grenzpolizei in <strong><strong>de</strong>r</strong>Grenzbereitschaft Eisenach an. Zu diesem <strong>Zeit</strong>punkt war ich 26 Jahre alt, verheiratet<strong>und</strong> Vater einer einjährigen Tochter. Hinter mir lag schon ein bewegter Lebensabschnitt:Schulbesuch mit Abschluß <strong>de</strong>s Abiturs, Pimpfenführer im Deutschen Jungvolk,Angehöriger <strong>de</strong>s Volkssturms in <strong>de</strong>n letzten Tagen <strong>und</strong> Wochen <strong><strong>de</strong>r</strong> Naziherrschaft,Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> faschistischen I<strong>de</strong>ologie <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Kriegs- <strong>und</strong>Menschlichkeitsverbrechen <strong>de</strong>s faschistischen Staates, Entscheidung für ein neuesDeutschland, Eintritt in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands <strong>und</strong> in dieFreie Deutsche Jugend, hauptamtlicher Funktionär <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ, zuletzt <strong>als</strong> Instrukteur<strong>de</strong>s Zentralrates <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ in Berlin.Anfang 1954 wur<strong>de</strong> mir mitgeteilt, daß ich aus <strong>de</strong>m Zentralrat <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ ausschei<strong>de</strong>nmüßte <strong>und</strong> mir eine neue Tätigkeit suchen sollte. Gr<strong>und</strong> dafür war die 33. Tagung<strong>de</strong>s Zentralkomitees <strong><strong>de</strong>r</strong> SED, die beschlossen hatte, <strong>de</strong>n aufgeblähten Partei- <strong>und</strong>Staatsapparat zu reduzieren. Das betraf auch <strong>de</strong>n Apparat <strong>de</strong>s FDJ-Zentralrates.Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, wie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablehnung meiner Studienbewerbung nach meinem Abitur 1949durch die Universität in Jena, wur<strong>de</strong> dasselbe Auswahlprinzip angewandt. Ich fiel indie engere Auswahl <strong><strong>de</strong>r</strong> zu Entlassen<strong>de</strong>n, weil ich nach meiner sozialen Herkunftselbstständiger Handwerker war: mein Vater, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1939 verstarb, war Feinmechanikermeister<strong>und</strong> meine Mutter Damenschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterin.Ich stand vor einer schwierigen Entscheidung. Außer meinem Abitur hatte ich keinerleiberuflichen Abschluß, weil ich mich zwei Mal überre<strong>de</strong>n ließ, mein Studium an<strong><strong>de</strong>r</strong> Universität in Jena <strong>und</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschule für Ökonomie <strong>und</strong> Planung in Berlin-Karlshorst 1950 <strong>und</strong> 1951, wo ich bereits immatrikuliert war, nicht anzutreten. <strong>Meine</strong>Vorgesetzten überzeugten mich dam<strong>als</strong> davon, daß meine hauptamtliche Tätigkeit<strong>als</strong> FDJ-Funktionär angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> angespannten politischen Lage vorrangigeBe<strong>de</strong>utung hätte. Nach <strong>de</strong>m Motto, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei, immer das zu machen <strong>und</strong> dorthinzu gehen, wo die Partei einen braucht, willigte ich ein.Nun mußte ich eine berufliche Entwicklung beginnen, die von Dauer sein <strong>und</strong> es mirermöglichen wür<strong>de</strong>, meine Familie zu ernähren, zumal meine Frau wegen <strong><strong>de</strong>r</strong>schweren Erkrankung unserer Tochter an eitriger Gehirnhautentzündung aufhörenmußte, zu arbeiten. Wichtig war auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsort, um die ärztliche Betreuungmeiner Tochter zu gewährleisten. Deshalb entschloß ich mich gemeinsam mit meinerFrau, <strong>de</strong>n <strong>Offizier</strong>sberuf einzuschlagen. Dabei folgte ich <strong>de</strong>m Ruf <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei: JungeGenossen stärken die Nationalen Streitkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Ich bewarb mich bei <strong><strong>de</strong>r</strong>Kasernierten Volkspolizei in <strong><strong>de</strong>r</strong> festen Absicht, <strong>Offizier</strong> zu wer<strong>de</strong>n. <strong>Meine</strong> Bewerbungsunterlagengab ich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreisregistrierabteilung Berlin-Mitte ab, die ihren Sitzin <strong><strong>de</strong>r</strong> Behrensstraße hatte. Nach längerer <strong>Zeit</strong> <strong>de</strong>s Wartens wur<strong>de</strong> mir mitgeteilt, dasich mit 26 Jahren zu alt für die KVP sei. Nun konnte ich aber keinen Rückziehermachen, zumal ich in FDJ-Versammlungen <strong>und</strong> Delegiertenkonferenzen <strong>als</strong> Vertreter<strong>de</strong>s FDJ-Zentralrates aufgetreten war, <strong><strong>de</strong>r</strong> beispielgebend die bewaffneten Streitkräftestärkt. Auf meine Frage, wer mich <strong>de</strong>nn in meinem Alter nehmen wür<strong>de</strong>,nannte man mir die Deutsche Grenzpolizei, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einstellungsalter bis zu 33 Jahrereiche. Also bewarb ich mich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Grenzpolizei.Da ich mit finanziellen Einkommenseinbußen rechnen mußte, hatten meine Frau <strong>und</strong>ich uns entschlossen, vorerst nach Bad Liebenstein (Thüringen) zu meiner Schwie-


germutter zu ziehen. Auf Gr<strong>und</strong> <strong>de</strong>ssen ließ ich meine Bewerbungsunterlagen zurBezirksregistrierverwaltung Suhl schicken. Nun lernte ich erst einmal die Militärbürokratiekennen, bevor ich meinen Dienst antreten sollte. Nach<strong>de</strong>m wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eine lange<strong>Zeit</strong> verstrichen war, ohne daß ich etwas hörte, ließ ich mich extra zum Instrukteureinsatznach Suhl schicken, um mich an Ort <strong>und</strong> Stelle zu erk<strong>und</strong>igen. Als ichdort nachfragte, teilte mir ein Mitarbeiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezirksregistrierverwaltung in <strong><strong>de</strong>r</strong>Uniform eines Hauptmanns <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizei mit, daß sie für meine Einstellung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizei nicht zuständig seien. Da ich Mitarbeiter einer zentralen politischenBehör<strong>de</strong> sei, wür<strong>de</strong> darüber die Abteilung Politka<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptverwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> DeutschenGrenzpolizei entschei<strong>de</strong>n. Diese hatte ihren Sitz in Pätz im Kreis KönigsWusterhausen. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong> dauerte es seine <strong>Zeit</strong>, bis meine Unterlagen dort eintrafen.Endlich fand das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gespräch in Pätz statt, welches <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> AbteilungPolitka<strong><strong>de</strong>r</strong>, Oberstleutnant Kerber, mit mir führte. Zur Auswahl stan<strong>de</strong>n zweiGrenzbereitschaften, Blumberg <strong>und</strong> Eisenach, wo in <strong><strong>de</strong>r</strong> nächsten <strong>Zeit</strong> Einweisungslehrgängedurchgeführt wür<strong>de</strong>n. Da ich nach Bad Liebenstein ziehen wollte,entschied ich mich für Eisenach.Vor meinem Dienstantritt in Eisenach zogen wir von Berlin nach Bad Liebenstein.<strong>Meine</strong> Schwiegereltern mit vier Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Alter von 8 bis 17 Jahren zeigten vielOpferbereitschaft <strong>und</strong> nahmen uns in ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung auf. Sieräumten das Wohnzimmer, damit wir unsere Möbel hineinstellen konnten. <strong>Meine</strong>Frau Emmi <strong>und</strong> meine Tochter Monika wohnten dort über ein halbes Jahr, ohneMiete zahlen zu müssen. Von <strong>de</strong>n 270 Mark Sold, <strong>de</strong>n ich <strong>als</strong> <strong>Soldat</strong> erhielt, schickteich meiner Familie 240 Mark. Das aber hätte in keiner Weise für <strong>de</strong>n Lebensunterhaltgereicht, wenn sie nicht bei meiner Schwiegermutter gelebt hätten, zumalvon <strong>de</strong>m Geld noch die Teilzahlungsraten für unsere in Berlin angeschafften erstenMöbel gezahlt wer<strong>de</strong>n mußtenAls ich mich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne <strong>de</strong>s Stabes <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzbereitschaft 3 Eisenach mel<strong>de</strong>te,war ich <strong><strong>de</strong>r</strong> zweite Mann vom 2. Zug <strong>de</strong>s Einweisungslehrgangs. Das Auffüllungssystemfunktionierte so, daß mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung begonnen wur<strong>de</strong>, wenn ein Zug mit30 <strong>Soldat</strong>en vollständig war. In <strong>de</strong>n ersten 2 Wochen war ich je<strong>de</strong>n Tag zum Revierdiensteingeteilt. Täglich schruppte ich <strong>de</strong>n Fußbo<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Flure <strong>und</strong> Treppen. Bei<strong>de</strong>m Kasernengebäu<strong>de</strong> han<strong>de</strong>lte es sich um eine typische Kaserne, wie sie Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong>30er Jahre nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrpflicht in Nazi-Deutschland für dieWehrmacht gebaut wur<strong>de</strong>n. In einem Gebäu<strong>de</strong> war <strong><strong>de</strong>r</strong> Stab <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzbereitschaftuntergebracht. Im zweiten Gebäu<strong>de</strong> waren die Unterkünfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Angehörigen <strong>de</strong>sStabes <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Einweisungslehrganges, die Küche <strong>und</strong> die Speiseräume, Unterrichts-<strong>und</strong> Klubräume sowie das Krankenrevier.Wenn ich während <strong>de</strong>s Revierdienstes zum Flurfenster hinaussah, erblickte ich dasherrliche Panorama <strong><strong>de</strong>r</strong> Wartburg. Doch ich war eingesperrt. Ausgang gab es erstnach 14 Tagen Ausbildung. Aber die hatte noch gar nicht begonnen. Als sie begonnenhatte, wur<strong>de</strong> sie nach einer Woche wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abgebrochen. Unser Nachbar, dieLandwirtschaftsfachschule, die <strong>de</strong>n Namen von Walter Ulbricht trug, bereitete sichauf das Jubiläum ihres zehnjährigen Bestehens vor. Dazu hatten sie ihren Namenspateneingela<strong>de</strong>n. Unsere Vorgesetzten gingen davon aus, er könnte einenAbstecher in unsere Kaserne machen o<strong><strong>de</strong>r</strong> einen Blick über <strong>de</strong>n Zaun werfen. Alsowur<strong>de</strong>n wir eingesetzt, das Außenrevier zu säubern <strong>und</strong> die Bordsteine weiß zustreichen. Als sich zeigte, daß er doch nicht kam, wur<strong>de</strong> die Ausbildung fortgesetzt.Von <strong>de</strong>n <strong>Offizier</strong>en <strong>de</strong>s Einweisungslehrganges wur<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>n AusbildungsfächernGrenzdienst, Mot.-Schützen-Taktik, Innendienstordnung, Sport <strong>und</strong> Polit


Eigentlich war mir Ausgang bis zum Wecken während <strong>de</strong>s Einweisungslehrgangsnicht gestattet. Aber mein Zugführer hatte große Einsicht <strong>und</strong> nahm es auf seineKappe. Zusätzlichen Ausgang hatte ich manchmal durch Aufträge <strong>de</strong>s Politstellvertreters,bei <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Kreisleitung <strong>und</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft für Deutsch-SowjetischeFre<strong>und</strong>schaft Agitations- <strong>und</strong> Wandzeitungsmaterial zu besorgen.Auch die militärischen Rituale waren <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetarmee entlehnt. So erfolgte anstelle<strong>de</strong>s Fahnenei<strong>de</strong>s eine feierliche Verpflichtung. Dazu traten wir nach etwa 14 TagenAusbildung auf <strong>de</strong>m Kasernenhof an <strong>und</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizist unterzeichnete an <strong>de</strong>min <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte aufgestellten Tisch die Verpflichtungserklärung.Bei Vorbeimärschen im Exerzierschritt gab es das Kommando "Gewehr zur Hand".Dabei wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> links geschulterte Karabiner mit aufgeklappten Bajonett amSchafth<strong>als</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> rechten Hand erfaßt <strong>und</strong> auf die rechte Körperseite gebracht, sodaß er schräg nach vorn oben auf <strong><strong>de</strong>r</strong> linken Hand zu liegen kam. Dieser Gewehrgriffbedurfte langer Übungen, damit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>mann beim Wechsel <strong>de</strong>s Karabinersvon <strong><strong>de</strong>r</strong> linken zur rechten Seite nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bajonettspitze verletzt wur<strong>de</strong>.Ein weiteres Zeremoniell erlebte ich, <strong>als</strong> zwei Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizei aus <strong><strong>de</strong>r</strong>Truppe ausgestoßen wur<strong>de</strong>n. Die zwei Delinquenten wur<strong>de</strong>n, von zwei Unteroffiziereneskortiert, vor die Front geführt. Nach Verlesen <strong>de</strong>s Befehls über <strong>de</strong>n Ausstoßaus <strong>de</strong>n Reihen <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Grenzpolizei rissen die Unteroffiziere <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n aufKommando die Schulterstücke herunter <strong>und</strong> führten sie zum Kasernentor ab.Mein erster PostengangDer Lehrgang wur<strong>de</strong> noch zweimal für je eine Woche unterbrochen. Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong>militärischen Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzsoldaten in <strong>de</strong>n Grenzkommandos waren dieFrühjahrs- <strong>und</strong> Herbstinspektionen. Dazu wur<strong>de</strong> ein Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommandosaus <strong>de</strong>m Grenzdienst herausgelöst <strong>und</strong> im Stab <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzbereitschaftausgebil<strong>de</strong>t <strong>und</strong> überprüft. Wir vom Einweisungslehrgang wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb auf dieKommandos aufgeteilt <strong>und</strong> mußten Postendienst tun. Ich kam in <strong>de</strong>n KommandosUnter suhl <strong>und</strong> Kathrinenberg zum Einsatz.Mein erster Postengang entsprach ganz <strong>und</strong> gar nicht <strong>de</strong>m, was man uns gelehrthatte. Um 4 Uhr wur<strong>de</strong> ich geweckt. Ich traf meine persönliche Dienstvorbereitung,die darin bestand, die Bekleidung <strong>und</strong> Ausrüstung anzulegen, die Postenverpflegungzu fassen <strong>und</strong> die Waffe in Empfang zu nehmen. Die Bewaffnung eines Postenpaares,das gewöhnlich aus einem Gefreiten <strong>als</strong> Postenführer <strong>und</strong> einem <strong>Soldat</strong>en<strong>als</strong> Posten bestand, war eine sowjetische MPi 42 für <strong>de</strong>n Postenführer <strong>und</strong> einKarabiner K 44 für <strong>de</strong>n Posten. Die MPi war eine gefährliche Waffe im Grenzdienst.Am Masseverschluß befand sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Spanngriff mit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschiebbaren Sicherung.Wenn diese verrutschte <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Spanngriff blieb irgendwo hängen, konnten sichleicht ein o<strong><strong>de</strong>r</strong>, wenn auf Dauerfeuer gestellt, mehrere Schüsse lösen. Deshalb warbei <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizei am Schaft noch eine Le<strong><strong>de</strong>r</strong>schlaufe zur weiteren Sicherungangebracht. Die Postenverpflegung bestand dam<strong>als</strong> aus Marmela<strong>de</strong>nstullen, dieman sich selbst schmieren mußte. Dazu stand bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Essenausgabe im Speiseraumein großer Eimer mit Marmela<strong>de</strong> <strong>und</strong> Teller mit geschnittenen Brotscheibensowie ein Thermophor mit Tee zum Füllen <strong><strong>de</strong>r</strong> Feldflasche.Während ich schon lange fertig war, mühte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Unteroffizier vom Dienst ab,meinen Postenführer zu wecken. Er war in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nacht betrunken aus <strong>de</strong>m Ausgangheimgekehrt. Als er erschien, verbreitete er eine Alkoholfahne großen Ausmaßes.


Zum Glück für ihn stand bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Posteneinweisung zwischen uns <strong>und</strong> <strong>de</strong>m <strong>Offizier</strong>,<strong><strong>de</strong>r</strong> die Einweisung vornahm, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sandkasten mit <strong>de</strong>m nachgebil<strong>de</strong>ten Relief <strong>de</strong>sGrenzabschnitts.Im Einweisungszimmer erfolgte anhand dieses Reliefs die Zuweisung <strong><strong>de</strong>r</strong> Postenbereiche<strong>und</strong> die Befehlserteilung für die Postenart. Wir wur<strong>de</strong>n zuerst zur unbeweglichenPostenart Wachposten an <strong><strong>de</strong>r</strong> Wegespinne bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Untersuhleingeteilt; bei Tageslicht zur beweglichen Postenart Grenzstreife. Zum Schluß <strong><strong>de</strong>r</strong>Einweisung mel<strong>de</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> Postenführer nach <strong>de</strong>m Kommando „Stillgestan<strong>de</strong>n!":„Grenzposten, bestehend aus Postenführer (Name) <strong>und</strong> Posten (Name) zum Schutz<strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgrenze <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR bereit".Nach Erreichen <strong>de</strong>s ersten Postenbereiches wies mich mein Postenführer dahingehen<strong>de</strong>in, hauptsächlich in Richtung Grenzkommando <strong>und</strong> Kommandantur Bergazu beobachten, weil von dort die Postenkontrolle zu erwarten wäre. Er selbst setztesich auf eine steinerne Milchbank, mit <strong>de</strong>m Rücken an einen Gartenzaun gelehnt,<strong>und</strong> schlief ein. Da man uns im Unterricht eingeschärft hatte, daß Schlafen aufPosten das größte Vergehen sei, habe ich meinem Postenführer je<strong>de</strong>s Mal vor dasSchienbein getreten, wenn er zu laut schnarchte. Als wir gegen Morgengrauen <strong>de</strong>nPostenbereich wechselten <strong>und</strong> <strong>als</strong> Grenzstreife liefen, klagte er über Beinschmerzen,was er aber auf <strong>de</strong>n Ausgang schob. Im Kommando war er <strong>als</strong> Quart<strong>als</strong>säufer bekannt.Später erfuhr ich, daß er nach Rückkehr von einem Ausgang unter Alkoholmit <strong>de</strong>m Posten an <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit in ein Handgemenge kam, wobei sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong>Maschinenpistole <strong>de</strong>s Postens einige Schüsse lösten, die ihn tödlich in <strong>de</strong>n Kopftrafen.Der Grenzabschnitt eines Grenzkommandos erstreckte sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> vor<strong><strong>de</strong>r</strong>sten Linieoft über 12 bis 15 km. Die technische Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze bestand dam<strong>als</strong> hauptsächlichaus <strong>de</strong>m 10-Meter-Streifen <strong>und</strong> davor einem Drahtzaun auf ein o<strong><strong>de</strong>r</strong> zweiPfählen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Dunkelheit kamen noch Signalgeräte zum Einsatz, die von <strong>de</strong>nGrenzposten aufgebaut, kontrolliert <strong>und</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abgebaut wer<strong>de</strong>n mußten. Diegebräuchlichsten Signalgeräte hatten <strong>de</strong>n Charakter von Leuchtpistolen. Sie wur<strong>de</strong>nan Bäumen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Masten befestigt. Der Abzug war mit einer Schnur verb<strong>und</strong>en, dieüber Zufahrtswege aus <strong>de</strong>m Hinterland zur Grenze verliefen. Wur<strong>de</strong> die Schnurberührt, löste sich eine Leuchtkugel, worauf sich die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe eingesetzten Postendorthin begaben, um eventuelle Grenzdurchbrüche zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Manchmal wur<strong>de</strong>ndie Geräte auch durch Wild ausgelöst. Beliebt war es, die Postenkontrollen hineinlaufenzu lassen.Neben <strong>de</strong>n Postenkontrollen <strong>als</strong> Postenart, die unter Führung von <strong>Offizier</strong>en <strong>und</strong>Unteroffizieren <strong>de</strong>s Grenzkommandos stan<strong>de</strong>n, war die 10-Meter-Kontrolle vongroßer Be<strong>de</strong>utung. Der 10-Meter-Kontrollstreifen mußte min<strong>de</strong>stens zweimal amTag, vor- <strong>und</strong> nachmittags abgelaufen <strong>und</strong> auf Spurensicherheit überprüft wer<strong>de</strong>n.Einmal am Tage mußte das <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommando-Leiter selbst tun. Diese Aufgabe wareine große physische Belastung für die betreffen<strong>de</strong>n <strong>Offizier</strong>e <strong>und</strong> Unteroffiziere. In<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel teilten sich zwei Kontrollstreifen in diese Aufgabe, in<strong>de</strong>m sie jeweils dieHälfte <strong>de</strong>s 10-Meter-KS abliefen. Mit An- <strong>und</strong> Abmarsch mußten von einer Streife oft8 bis 10 km zurückgelegt wer<strong>de</strong>n.Die Objekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzkommandos lagen im Hinterland ihres Grenzabschnittes. Siebestan<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel aus Holzbaracken mit <strong>de</strong>n Unterkünften <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Soldat</strong>en,Unteroffiziere <strong>und</strong> <strong>Offizier</strong>e, <strong>de</strong>n Dienstzimmern, <strong>de</strong>m Speiseraum <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Küche,<strong>de</strong>m Klubraum <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Schulungsraum. Die wenigen verheirateten jungen <strong>Offizier</strong>e


lebten getrennt von ihren Familien; Wohnungen am Standort wur<strong>de</strong>n erst Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong>60er Jahre mit <strong>de</strong>n neuen Kasernen geschaffen. Die <strong>Soldat</strong>enunterkünfte warenspartanisch eingerichtet: Doppelstockbetten für 10 Mann, für je<strong>de</strong>n ein Spind, Tisch<strong>und</strong> Hocker. Hauptproblem <strong>de</strong>s Aufenthalts im Unterkunftsraum war das Schichtsystem,da die Grenzer, die Nachtschicht hatten, am Tag schlafen mußten. Deshalbhielten sich viele im Klubraum auf, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit Klubsesseln ausgestattet war <strong>und</strong> eineHandbibliothek enthielt, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Bestand monatlich vom Bibliothekar <strong><strong>de</strong>r</strong> Politabteilung<strong>de</strong>s Grenzregiments ausgetauscht wur<strong>de</strong>. Einmal in <strong><strong>de</strong>r</strong> Woche wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>mSchmalfilmgerät Filmveranstaltungen durchgeführt, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Filmvorführer <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzregimentszeigte. Später erhielt je<strong>de</strong> Einheit ein eigenes Gerät; die Filme wur<strong>de</strong>nnach einem Turnusplan von Einheit zu Einheit weitergegeben.Im Schulungsraum fan<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Politunterricht, die theoretische Ausbildung <strong>und</strong> dieFilmvorführungen statt. Dazu brachte je<strong><strong>de</strong>r</strong> seinen Hocker mit. Zum Objekt gehörteweiterhin <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportgarten, wo unter freiem Himmel die abge<strong>de</strong>ckten Sportgeräte, wieReck, Barren, Bock <strong>und</strong> Pferd aufgebaut waren. Je<strong>de</strong>s Kommando hatte strukturmäßigein Beiwagen-Krad vom Typ "Molotow". Damit fuhren <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommandoleiter<strong>und</strong> die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Offizier</strong>e zu <strong>de</strong>n Dienstbesprechungen in <strong>de</strong>n übergeordneten Stab.Zum Grenzdienst wur<strong>de</strong> es selten eingesetzt. Da die Krä<strong><strong>de</strong>r</strong> aus alten Bestän<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetarmee stammten <strong>und</strong> Ersatzteile nicht zur Hand waren, waren sie oft<strong>de</strong>fekt. Im Fuhrpark <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzbereitschaft wur<strong>de</strong> aus zwei <strong>de</strong>fekten ein fahrbaresgemacht.Das Grenzkommando wur<strong>de</strong> von drei <strong>Offizier</strong>en geführt: <strong>de</strong>m Kommandoleiter, seinemStellvertreter Allgemein <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Politstellvertreter. Vielfach war die Planstelle<strong>de</strong>s Politstellvertreters aus Mangel an Politoffizieren mit Mannschaftsdienstgra<strong>de</strong>n,die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> SED waren, besetzt.Je<strong>de</strong> Einheit hatte einen Hauptfeldwebel <strong>als</strong> Innendienstleiter. In <strong>de</strong>n Augen <strong><strong>de</strong>r</strong>Grenzer war <strong><strong>de</strong>r</strong> Fourier die wichtigste Persönlichkeit, weil er für das Heranschaffen<strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflegung verantwortlich war; dam<strong>als</strong>, <strong>als</strong> viel Hunger herrschte, ein verantwortungsvolleAufgabe. Um seine Leute satt zu bekommen, waren I<strong>de</strong>en <strong>und</strong> Organisationstalentgefragt, um zusätzliche Lebensmittel zu beschaffen. Wichtig waren <strong><strong>de</strong>r</strong>Kontakt zu <strong>de</strong>n Bauern im Grenzort <strong>und</strong> eine gute Küchenfrau. Diese Frauen behan<strong>de</strong>ltendie Grenzer wie ihre Söhne. Oft wur<strong>de</strong>n gute Fouriere auf Gr<strong>und</strong> ihres Ansehens<strong>als</strong> Politstellvertreter eingesetzt. Unmittelbar übergeordnet war <strong><strong>de</strong>r</strong> Stab <strong><strong>de</strong>r</strong>Grenzkommandantur, <strong><strong>de</strong>r</strong> bis vier Grenzkommandos unterstellt waren. Drei bis vierKommandantur-Stäbe waren <strong>de</strong>m Stab <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzbereitschaft unterstellt. ÜbergeordneterStab <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzbereitschaften war dam<strong>als</strong> die Hauptverwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> DeutschenGrenzpolizei mit <strong>de</strong>m Chef <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Grenzpolizei, Oberst Stock, an <strong><strong>de</strong>r</strong>Spitze. Die DGP unterstand <strong>de</strong>m Ministerium für Staatssicherheit <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> voneinem Stab unter Leitung von Generalmajor Gartmann geführt.Aufgr<strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> mehrfachen Unterbrechungen dauerte <strong><strong>de</strong>r</strong> Einweisungslehrgang 12anstatt <strong><strong>de</strong>r</strong> veranschlagte 6 Wochen. Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lehrgangs konnten wirunsere Wünsche äußern, zu welchem Grenzkommando wir versetzt wer<strong>de</strong>n wollten.Ich entschied mich für Untersuhl, wo es mir gefallen hatte, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzabschnittinteressanter <strong>und</strong> die Verkehrsverbindung günstig war.Nach Beendigung <strong>de</strong>s Einweisungslehrgangs erhielten alle ihre Marschbefehle,außer mir <strong>und</strong> noch einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Soldat</strong>en. Diesen kannte ich vom Zentralrat <strong><strong>de</strong>r</strong>FDJ her, wo er Instrukteur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung Sport war. Diese Abteilung war Vor-


gängerin <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung Bewaffnete Organe <strong>und</strong> seinerzeit für die Anleitung <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ-Arbeit in <strong>de</strong>n bewaffneten Organen zuständig.Schließlich erhielten wir bei<strong>de</strong> Or<strong><strong>de</strong>r</strong>, uns in Pätz bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung Politka<strong><strong>de</strong>r</strong> zumel<strong>de</strong>n. Während ich mit meiner gesamten Ausrüstung in Uniform mit <strong>de</strong>m Zug nachBerlin fahren mußte, reiste Willi L. in Zivil nur mit Aktentasche. Es stellte sich heraus,daß er im Gegensatz zu mir <strong>als</strong> Unterleutnant eingestellt wor<strong>de</strong>n war <strong>und</strong> lediglich<strong>de</strong>n Einweisungslehrgang absolvieren mußte.In Pätz teilte mir <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung Politka<strong><strong>de</strong>r</strong>, Oberstleutnant Kerber, mit, daßich <strong>als</strong> ehemaliger Mitarbeiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung Junge Pioniere <strong>und</strong> Schulen <strong>de</strong>sZentralrates <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>ferienaktion für Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> DGPorganisieren <strong>und</strong> ein großes Ferienlager einrichten solle. Ich wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendabteilung<strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptabteilung für Politische Arbeit zugeordnet. Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendabteilungwar Major Horst Glomba. Zu dieser Abteilung gehörten noch drei bis vier<strong>Offizier</strong>e vom Unterleutnant bis zum Hauptmann <strong>und</strong> ich mit <strong>de</strong>m Dienstgrad <strong>Soldat</strong>mitten drin. Doch es ging kameradschaftlich zu, wie ich es unter FDJ-Funktionärengewohnt war.Als <strong>Offizier</strong>sanwärter in Groß GlienickeDas große Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>ferienlager mit 600 Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizei jeDurchgang fand in Zingst an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ostsee statt. Ich war mit Wirkung vom 1.1.1956vom <strong>Soldat</strong>en zum Feldwebel beför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wor<strong>de</strong>n. Im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>ferienlager war ich <strong>als</strong>Chefpionierleiter eingesetzt <strong>und</strong> für die inhaltliche Gestaltung <strong>de</strong>s Ferienaufenthalts<strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> verantwortlich.Zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s dritten <strong>und</strong> letzten Durchgangs erhielt ich die Mitteilung, daß ich zum1. September zur Politoffiziersschule nach Groß Glienicke bei Potsdam versetzt sei.Da ich anschließend an das Ferienlager meinen Jahresurlaub geplant hatte, gestatteteman mir, eine Woche später anzureisen. Als ich mich in Groß Glienicke mel<strong>de</strong>te,wur<strong>de</strong> ich gleich damit überrascht, daß man mich zum Gruppenführer eingesetzthatte, weil ich <strong>de</strong>n Dienstgrad Feldwebel hatte. Wie sich bereits am ersten Tag <strong><strong>de</strong>r</strong>Ausbildung zeigte, war ich dazu nicht geeignet. Ich hatte we<strong><strong>de</strong>r</strong> die Ausbildungnoch die Erfahrung, eine Gruppe zu führen <strong>und</strong> auszubil<strong>de</strong>n. Beim Exerzieren mit<strong><strong>de</strong>r</strong> mir anvertrauten Gruppe klappte es schon nicht, weil meine Kommandosprachezu leise war. Ich erreichte sie nicht mit meinen Kommandos, so daß sie mir davonmarschierte <strong>und</strong> ich ihr hinterher rennen mußte. Nach wenigen Tagen wur<strong>de</strong> ich aufeigenen Wunsch abgelöst <strong>und</strong> ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>Offizier</strong>sanwärter wur<strong>de</strong> eingesetzt.Die Politoffiziersschule war eingerichtet wor<strong>de</strong>n, weil beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n Grenzkommandosein Mangel an <strong>Offizier</strong>en für die Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Planstelle <strong>de</strong>s Politstellvertretersbestand. Wir waren <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Einjahreslehrgang. Zuvor versuchteman in Weiterbildungslehrgängen mit kürzerer <strong>Zeit</strong>dauer diesen Mangel auszugleichen.Zu diesem Einjahreslehrgang war die Schule in drei Kompanien unterglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t;zwei <strong>Offizier</strong>skompanien <strong>und</strong> einer Kompanie <strong>Offizier</strong>sanwärter. Fast alleTeilnehmer waren bereits im Politapparat eingesetzt gewesen. Die <strong>Offizier</strong>e hattenihre Ausbildung an <strong><strong>de</strong>r</strong> einzigen <strong>Offizier</strong>schule in Son<strong><strong>de</strong>r</strong>shausen erhalten <strong>und</strong> solltennun eine spezielle Ausbildung für die politische Arbeit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n Stäben <strong><strong>de</strong>r</strong>Deutschen Grenzpolizei erhalten. Die <strong>Offizier</strong>sanwärter waren ebenfalls bereits imMannschaftsdienstgrad <strong>als</strong> Politstellvertreter in <strong>de</strong>n Grenzkommandos eingesetzt.Viele <strong>Offizier</strong>e <strong>und</strong> Anwärter kannten sich aus gemeinsamer politischer Tätigkeit.


Das bereitete <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulleitung Probleme, wenn Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>Offizier</strong>shörern<strong>und</strong> Anwärtern gemacht wur<strong>de</strong>n. Mehrm<strong>als</strong> wur<strong>de</strong>n wir Anwärter mit <strong>de</strong>nWorten zurechtgewiesen: „Sie sind noch keine <strong>Offizier</strong>e, Sie wollen erst noch welchewer<strong>de</strong>n".Unsere <strong>Offizier</strong>sanwärterkompanie bestand aus drei Zügen mit Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong>Grenzpolizei <strong>und</strong> je einem Zug mit Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereitschaftspolizei <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Transportpolizei. Zur Ausbildung trugen alle Grenzeruniform; nur im Ausgang dieUniform <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereitschaftspolizei mit violetten Kragenspiegeln ( <strong>de</strong>shalb spöttisch„Tintenstiftel“ genannt ) o<strong><strong>de</strong>r</strong> die blaue Uniform <strong><strong>de</strong>r</strong> Transportpolizei. Ein ständigerDiskussionsstoff war die bessere Besoldung <strong><strong>de</strong>r</strong> Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> DGP gegenüber<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Polizeiorganen.Die Ausbildungsfächer waren etwa zur Hälfte militärischer Natur, wie Grenztaktik,Mot.- Schützentaktik, Schießausbildung, Militärische Körperertüchtigung, Topographieu.a. Schwergewicht wur<strong>de</strong> auf die politischen Ausbildungsfächer gelegt, wiemarxistisch-leninistische Philosophie, politische Ökonomie, Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschenArbeiterbewegung <strong>und</strong> Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> KPdSU, politische <strong>und</strong> Parteiarbeit .Untergebracht war unsere Schule in einem ehemaligen Kasernen-Komplex <strong><strong>de</strong>r</strong>Wehrmacht. Eine Kaserne war belegt mit einem Aufklärungsbataillon <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetarmee.Aufschlußreich waren die Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong>en Ausbildungsmetho<strong>de</strong>n<strong>und</strong> <strong>de</strong>n unseren. Während unsere Ausbildung, auch die praktische im Gelän<strong>de</strong>,genau nach St<strong>und</strong>enplan verlief, stand bei <strong>de</strong>n Sowjets ein ganzer Tag Überwindung<strong><strong>de</strong>r</strong> Sturmbahn auf <strong>de</strong>m Programm. Obwohl wir doch <strong>Offizier</strong>sschule waren, wur<strong>de</strong>nwir wie die Rekruten diszipliniert <strong>und</strong> manchmal auch schikaniert. Ich erinnere michbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>s an das Einrücken in <strong>de</strong>n Speisesaal zur Einnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittagsmahlzeit.Wir <strong>Offizier</strong>sanwärter mußten vor unserem Essenplatz Aufstellung nehmen, bis <strong><strong>de</strong>r</strong>Kompaniechef <strong>und</strong> die Zugführer im Präsidium Platz genommen hatten, wo ihneneinge<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong>, <strong>und</strong> sie guten Appetit gewünscht hatten. Dann durften wir unsebenfalls setzen <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>m Essen beginnen. Sollte es aber beim Einrücken zulaut zugegangen sein, mußten wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> draußen antreten <strong>und</strong> eine R<strong>und</strong>e um dasKasernengebäu<strong>de</strong> marschieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> laufen. Das wur<strong>de</strong> manchmal wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt, bis esnach Ansicht <strong>de</strong>s Kompaniechefs o<strong><strong>de</strong>r</strong> seines Vertreters klappte. Meistens war danndas Essen kalt gewor<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m mußten wir uns beeilen, weil die Mittagspauseablief.Im Objekt mußte gr<strong>und</strong>sätzlich marschiert wer<strong>de</strong>n, wenn sich mehr <strong>als</strong> drei Mannbewegten. Begegnete <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelne o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Marschformation einem direkten Vorgesetzteno<strong><strong>de</strong>r</strong> einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Marschformation, wur<strong>de</strong> auf Kommando "Achtung“ zumExerzierschritt mit Blickwendung übergegangen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelne bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommandieren<strong>de</strong>machte Grußerweisung.Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Politoffiziersschule war Oberst Bartz, von uns „Hutmann" genannt, weil erbei je<strong><strong>de</strong>r</strong> Gelegenheit verkün<strong>de</strong>te, daß er uns alle unter einen Hut bekommen wür<strong>de</strong>.Sein Politstellvertreter war Major Lorenz, <strong><strong>de</strong>r</strong> später <strong>als</strong> General Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> PolitischenVerwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grenztruppen</strong> war.Der tägliche Dienstablauf begann mit Wecken durch das Pfeifen <strong>de</strong>s UvD <strong>und</strong> <strong>de</strong>mRuf „Nachtruhe been<strong>de</strong>n". Dann zogen wir die Dienstuniform ohne Koppel <strong>und</strong>Mütze an <strong>und</strong> traten vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne zum Frühsport an. Dieser dauerte etwa einehalbe St<strong>und</strong>e, begann mit Lockerungslauf <strong>und</strong> en<strong>de</strong>te mit Geräte- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kraftsport.Danach waren wir ganz schön geschafft. Ein Spaßvogel aus unserem Zug stelltedann die Frage, warum man nicht die typischen <strong>Offizier</strong>ssportarten einfuhren wür<strong>de</strong>:


Reiten, Fechten <strong>und</strong> eine ruhige Kugel schieben. Danach erfolgte Waschen <strong>und</strong>Rasieren, Marsch zur Frühstückseinnahme <strong>und</strong> persönliche Dienstvorbereitung aufdie folgen<strong>de</strong> Ausbildung.Die theoretische Ausbildung fand im Unterrichtsraum <strong>de</strong>s Zuges o<strong><strong>de</strong>r</strong> in einem Kabinettfür spezifische Ausbildung, wie Schießausbildung, Topographie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schutzausbildung,statt. Die Kabinette waren mit Anschauungstafeln <strong>und</strong> Schnittmo<strong>de</strong>llenausgestattet. Die praktische Ausbildung, wie Grenztaktik <strong>und</strong> Gefechtsausbildungwur<strong>de</strong> im Gelän<strong>de</strong> durchgeführt. Dazu nutzten wir <strong>de</strong>n angrenzen<strong>de</strong>n TruppenübungsplatzDöberitz, aber nur wenn die Sowjetarmee ihn nicht benutzte. DieserPlatz war von <strong>de</strong>n sowjetischen Truppenverbän<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n Kasernenlagen, in Beschlag genommen. Diese Kasernen erstreckten sich vom OlympischenDorf von 1936 südlich von Falkensee entlang <strong><strong>de</strong>r</strong> Straße bis nach Potsdam.Oft mußten wir unverrichteter Dinge wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abziehen, weil sowjetische Panzer <strong>und</strong>Artillerie trotz Absprache mit unserer Schule <strong>de</strong>n Truppenübungsplatz belegten <strong>und</strong>absperrten. Es wäre für uns auch gefährlich gewesen, wenn diese mit scharfenSchuß übten. Einige Male fuhren wir auch zum ehemaligen Flugplatz bei Staaken,wo sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Schießstand befand <strong>und</strong> wo wir in <strong>de</strong>n Häuserruinen Straßenkampfübten. Der An- <strong>und</strong> Abmarsch zum Ausbildungsgelän<strong>de</strong> erfolgte meistens im Fußmarsch.Während <strong>de</strong>s Lehrgangs fan<strong>de</strong>n überhaupt zahlreiche Fußmärsche statt, oftnach Auslösen von Alarm in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nacht. Diese waren meistens Gewaltmärsche von10 bis 15 km. Erschwerend dabei war, daß sie mit persönlicher Ausrüstung unterMitführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompanieausrüstung erfolgten. Die persönliche Ausrüstung bestandaus <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstuniform. Wir mußten Winter wie Sommer aus hygienischen Grün<strong>de</strong>nUnterhem<strong>de</strong>n <strong>und</strong> lange Unterhosen unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Uniform tragen. Am Koppel waren diePatronentaschen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Brotbeutel mit gefüllter Feldflasche befestigt. Damit sienicht abrutschten, trugen wir ein Tragegestell über bei<strong>de</strong> Schultern am Koppelbefestigt. Daran wur<strong>de</strong>n auch zusätzliche Ausrüstungsgegenstän<strong>de</strong> gehängt. Einmalwar ich <strong><strong>de</strong>r</strong> sMG-Bedienung zugeteilt wor<strong>de</strong>n. Diese bestand aus <strong>de</strong>m MG-Schützen, <strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>m Marsch <strong>de</strong>n Gewehrlauf trug, drei Gehilfen, die die fahrbareLafette ( diese mußte ebenfalls getragen wer<strong>de</strong>n; nur im Gefecht durfte sie gefahrenwer<strong>de</strong>n), das Schutzschild <strong>und</strong> zwei Patronenkästen trugen. Ich kam am besten dabeiweg, weil ich das Schutzschild an das Tragegestell hängen konnte. Um Blasenan <strong>de</strong>n Füßen zu vermei<strong>de</strong>n, waren eingelaufene Stiefel <strong>und</strong> getragene Sockenwichtig. Eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kunst war das Wickeln <strong><strong>de</strong>r</strong> Fußlappen.Erschwert wur<strong>de</strong>n die Marschübungen durch sogenannte Gefechtseinlagen, wie„Tiefflieger von rechts", worauf wir schnellstens Deckung neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Straße suchenmußten. Zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lehrgangs führten wir einen 30-km-Marsch durch. Obwohlam En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Marschkolonne ein Lkw fuhr, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Fußkranken auflas, gehörte es zurEhre einer <strong>Offizier</strong>sanwärters, bis zur Rückkehr in die Kaserne durchzuhalten.Obwohl wir fix <strong>und</strong> fertig waren, marschierten wir im Gleichschritt singend durch dasKasernentor.Höhepunkt <strong>de</strong>s Lehrgangs war die große Abschlußübung, an <strong><strong>de</strong>r</strong> alle drei Kompanienteilnahmen. Diese begann mit einem längeren Anmarsch in die Bereitstellungsräume.Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Nacht bezogen wir die Ausgangsstellung <strong>und</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong>Morgendämmerung gegen 4 Uhr begann <strong><strong>de</strong>r</strong> Angriff auf <strong>de</strong>n Hitzberg im DöberitzerTruppenübungsplatz.Nach je<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung, bei die Waffe mitgeführt wor<strong>de</strong>n war, fand zum AbschlußWaffenreinigen statt. Wir stellten uns mit unserem Hocker aus unserem Unterkunftsraumim Gang o<strong><strong>de</strong>r</strong> vor <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> auf, das Reinigungszeug darauf ausgebreitet.


Wer fertig war, mel<strong>de</strong>te es <strong>de</strong>m Aufsichtshaben<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Waffe begutachtete bzw.Mängel beanstan<strong>de</strong>te.An je<strong>de</strong>m Wochenen<strong>de</strong> fand außer<strong>de</strong>m noch ein großes Waffenreinigen statt. Daserfolgte meistens im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Stuben- <strong>und</strong> Revier-Reinigen. Icherhielt erstmalig Ausbildung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Handhabung <strong>und</strong> im Schießen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Pistole. Dieam meisten gebräuchliche war die sowjetische TT. Während ich im Schießen mit<strong>de</strong>n Schützenwaffen K44, MPi 42, sMG <strong>und</strong> lMG gute Ergebnisse erzielte, hatte ich -auch später - Schwierigkeiten im Pistolenschießen. Meistens wackelte ich die Trefferins Ziel. Gute Ergebnisse waren Zufall.Zum Dienstablauf gehörte auch, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> Zug zur Wache eingeteilt wur<strong>de</strong>. Diesewur<strong>de</strong> nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergatterung durch <strong>de</strong>n <strong>Offizier</strong> vom Dienst im Wachlokal amKaserneneingang untergebracht. Zu bewachen war die Lange Mauer um das Kasernenobjekt.Eine Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit dabei war, daß die südliche Begrenzung <strong>de</strong>s Objektsentlang <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Sektorengrenze zu Westberlin verlief. Wenn wir auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Straßein <strong>de</strong>n Ort Groß Glienicke gehen mußten, kam man an einer Straßensperre vorbei,die eine Straße sperrte, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> man früher nach Westberlin gelangen konnte.Begehrt war <strong><strong>de</strong>r</strong> Posteneinsatz auf <strong>de</strong>m Beobachtungsturm an <strong><strong>de</strong>r</strong> südöstlichenMauerecke. Von hier konnte man auf <strong>de</strong>n Flughafen Gatow blicken, <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong>französischen Besatzungsmacht genutzt wur<strong>de</strong>.Ausgang <strong>und</strong> Urlaub gab es wenig. Ausgang lohnte sich nur am Wochenen<strong>de</strong>, wennman mit <strong>de</strong>m Bus nach Potsdam fahren konnte. Groß Glienicke hatte nur zweiGaststätten <strong>und</strong> ein Cafe. Wer nach Dienstschluß noch etwas essen <strong>und</strong> trinkenwollte, blieb im Objekt <strong>und</strong> besuchte das Kasino gegenüber <strong>de</strong>m Wachlokal. Dieseswur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> HO bewirtschaftet <strong>und</strong> hatte zwei große langgestreckte Räume.Wenn man in fortgeschrittener St<strong>und</strong>e das Lokal betrat, war es durch Tabakqualm soverräuchert, daß man im hinteren Teil nichts erkennen konnte.Gleich nach Beginn <strong>de</strong>s Lehrgangs trat wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ereignisse im Zusammenhang mit<strong>de</strong>m Aufstand in Ungarn eine lange, mehrwöchige Urlaubs- <strong>und</strong> Ausgangssperre ein,wobei wir erhöhte Gefechtsbereitschaft hatten. Während <strong>de</strong>s Lehrgangs hatte ichetwa drei- o<strong><strong>de</strong>r</strong> viermal Kurzurlaub, um meine Frau <strong>und</strong> meine kleine Tochter zubesuchen.Die Heim- <strong>und</strong> Rückfahrt nach Groß Glienicke war dam<strong>als</strong> sehr beschwerlich, weilwir nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> S-Bahn durch Westberlin fahren durften. Ich fuhr <strong>als</strong>o von Groß-Glienicke mit <strong>de</strong>m Bus nach Potsdam; von da mit <strong>de</strong>m Überlandbus nach Grünau;weiter mit <strong><strong>de</strong>r</strong> S-Bahn nach Königs Wusterhausen; dann mit <strong>de</strong>m Personenzug o<strong><strong>de</strong>r</strong>mit <strong>de</strong>m Bus nach Groß Köris; das letzte Stück zu Fuß o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong>de</strong>m Fahrrad zumeiner Wohnung am Karbuschsee.Mir fiel es schwer, wenn die kurze <strong>Zeit</strong> <strong>de</strong>s Urlaubs zu En<strong>de</strong> ging <strong>und</strong> ich mich vonmeiner jungen Frau <strong>und</strong> meiner dreijährigen Tochter verabschie<strong>de</strong>n mußte.Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s schwer war es für meine Frau, die alles, <strong>de</strong>n Haushalt <strong>und</strong> die Versorgungunserer Tochter, allein bewältigen mußte. Zwischenzeitlich war sie mit unseremzweiten Kind schwanger <strong>und</strong> mußte drei km mit <strong>de</strong>m Fahrrad in <strong>de</strong>n Ort fahren,um einzukaufen. Dabei saß unsere Tochter im Fahrradkörbchen. Hätte sie zu dieser<strong>Zeit</strong> <strong>de</strong>s Getrenntlebens von mir nicht unsere hilfreichen Nachbarn im Hause <strong>und</strong>in <strong><strong>de</strong>r</strong> näheren Umgebung gehabt, wäre es sicherlich zum Verzweifeln gewesen.Viele Nachbarn waren ebenfalls Ehefrauen von <strong>Offizier</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizei, die fürdie Lage meiner Frau Verständnis hatten <strong>und</strong> die untereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> zusammenhielten<strong>und</strong> sich gegenseitig halfen.


Diskreditierend <strong>und</strong> entwürdigend empfan<strong>de</strong>n wir es, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Feldscher <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulenach je<strong>de</strong>m Urlaub eine sogenannte Ges<strong>und</strong>heitskontrolle ansetzte. Das ging so vorsich, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelne mit heruntergelassener Hose an <strong>de</strong>n Feldscher o<strong><strong>de</strong>r</strong>Sanitäter herantreten mußte, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit einer Pinzette in <strong>de</strong>n Schamhaaren nachFilzläusen suchte. Empörend war das, weil wir von unseren Frauen kamen. Dabeiwur<strong>de</strong> kein Unterschied zwischen Anwärtern <strong>und</strong> <strong>Offizier</strong>shörern gemacht. Aufgr<strong>und</strong>unserer Proteste wur<strong>de</strong> das später untersagt.Bestandteil <strong>de</strong>s Lehrgangs war auch ein Truppenpraktikum. Ich war mit noch an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<strong>Offizier</strong>sanwärtern <strong>als</strong> Gruppenführer im Ausbildungslager Ludwigsfel<strong>de</strong> eingesetzt.Hier wur<strong>de</strong>n einige h<strong>und</strong>ert Grenzsoldaten für <strong>de</strong>n Grenzdienst am Ring umBerlin ausgebil<strong>de</strong>t. In <strong>de</strong>m Zusammenhang erinnere ich mich einer einfach scheinen<strong>de</strong>n,aber - wie sich herausstellte- doch anstrengen<strong>de</strong>n Aufgabe, die mir <strong><strong>de</strong>r</strong>Politstellvertreter <strong>de</strong>s Lagers übertrug. Dieser, Major Hasso Neumann, war in seinereigentlichen Dienststellung <strong>Offizier</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturabteilung <strong>de</strong>s Kommandos <strong><strong>de</strong>r</strong> DGP<strong>und</strong> zu diesem Ausbildungslager kommandiert wor<strong>de</strong>n. Er hatte sich in <strong>de</strong>n Kopfgesetzt, die <strong>Soldat</strong>en mit möglichst viel Kultur in Berührung zu bringen. Dazu organisierteer zahlreiche Kulturveranstaltungen innerhalb <strong>und</strong> außerhalb <strong>de</strong>s Ausbildungslagers.Ich erhielt <strong>als</strong>o einmal mit einem weiteren <strong>Offizier</strong>sanwärter die Aufgabe, mit80 <strong>Soldat</strong>en eine Veranstaltung im Berliner Friedrichstadtpalast zu besuchen. Dasich dieser in Nähe <strong><strong>de</strong>r</strong> dam<strong>als</strong> noch offenen Sektorengrenze befand, war unsereHauptsorge, daß keiner <strong><strong>de</strong>r</strong> uns unterstellten <strong>Soldat</strong>en <strong>de</strong>sertierte. Da wir mit <strong>de</strong>nbei<strong>de</strong>n Omnibussen <strong><strong>de</strong>r</strong> DGP etwas früher eintrafen, ließ ich antreten <strong>und</strong> vergattertedie <strong>Soldat</strong>en, sich zum Empfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Eintrittskarten eine halbe St<strong>und</strong>e vor Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong>Vorstellung wie<strong><strong>de</strong>r</strong> pünktlich am Eingang <strong>de</strong>s Friedrichstadtpalast einzufin<strong>de</strong>n. Ichwar erleichtert, <strong>als</strong> sich alle wie<strong><strong>de</strong>r</strong> vollzählig einfan<strong>de</strong>n. Zur großen Pause strömtendie meisten Grenzer in das Kasino <strong>de</strong>s Palastes. Als es zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>einnahme <strong><strong>de</strong>r</strong>Plätze klingelte, for<strong><strong>de</strong>r</strong>te ich die <strong>Soldat</strong>en auf, das Kasino zu verlassen <strong>und</strong> ihrePlätze einzunehmen. Endlich war es mir gelungen, <strong>de</strong>n letzten aus <strong>de</strong>m Kasino zubewegen. Welcher Schrecken fuhr mir aber in die Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong>als</strong> ich in <strong>de</strong>n Saal kam<strong>und</strong> dort nur etwa 20 <strong>Soldat</strong>en auf ihren Plätzen antraf. Von da hatte ich nur noch<strong>de</strong>n einen Gedanken, daß sich alle wie<strong><strong>de</strong>r</strong> am Bus einfin<strong>de</strong>n mögen. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong>Vorstellung waren sie glücklicherweise bis auf zwei Mann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> da. Die Masse warwährend <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung in <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n Gaststätteneingekehrt. Ich schickte nun Suchtrupps aus, um die zwei Fehlen<strong>de</strong>n zu fin<strong>de</strong>n. Mantraf sie in einem Tanzlokal nahe <strong>de</strong>m S-Bahnhof Friedrichstraße an. Es war ebendoch einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten, <strong>als</strong> einen Trupp an Kultur nicht ebensehr interessierter junger Männer.Zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lehrgangs an <strong><strong>de</strong>r</strong> Politoffiziersschule in Groß Glienicke wur<strong>de</strong> ichzum Unterleutnant beför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Das war gar nicht so selbstverständlich; <strong>de</strong>nn 1957kam eine neue Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>-Richtlinie heraus, die festlegte, wer Politoffizier wer<strong>de</strong>n konnte.Eine Bedingung war, daß man 25 Jahre alt sein mußte <strong>und</strong> entsprechen<strong>de</strong> Abschlußnotenan <strong><strong>de</strong>r</strong> Politoffiziersschule aufweisen konnte. Etwa ein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Offizier</strong>sanwärterwur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb nur zum Oberfeldwebel beför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Ihnen wur<strong>de</strong> in Aussichtgestellt, nach einem halben Jahr Bewährung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis zum Unterleutnantbeför<strong><strong>de</strong>r</strong>t zu wer<strong>de</strong>n.Vor <strong>de</strong>m Abschlußappell empfingen wir unsere neuen khakifarbenen Uniformen.Beim Appell wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Befehl über die Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung verlesen, die neuen Schulterstückewur<strong>de</strong>n übergeben <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Appell mit einem Vorbeimarsch been<strong>de</strong>t AmAbend fand in Potsdam ein gesellige Veranstaltung mit <strong>de</strong>n Angehörigen statt:


Glücklich über <strong>de</strong>n erfolgreichen Abschluß <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Beginn eines neuen Lebensabschnittessowie über das En<strong>de</strong> unserer langen Trennung feierte ich mit meinerFrau diesen Tag.Dreimal umgezogen, einmal abgebrannt.Nun begann meine Laufbahn <strong>als</strong> Politoffizier in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Dienststellungenin Stäben aller Kommandoebenen, zuletzt <strong>als</strong> Fachlehrer in <strong><strong>de</strong>r</strong> SektionGesellschaftswissenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Offizier</strong>shochschule "Rosa Luxemburg" in Plauen.Nach 24 Dienstjahren in <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Grenzpolizei bzw. in <strong>de</strong>n <strong>Grenztruppen</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR wur<strong>de</strong> ich 1979 <strong>als</strong> Fünfzigjähriger mit <strong>de</strong>m Dienstgrad Oberstleutnant in dieReserve versetzt.Die zahlreichen Versetzungen von einem Standort zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en waren verb<strong>und</strong>enmit sechs Umzügen. Während für mich Versetzungen in eine neue Dienstellung dadurcherträglich waren, daß ich in <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Dienststelle immer <strong>Offizier</strong>e antraf, mit<strong>de</strong>nen ich bereits früher gemeinsam gedient hatte o<strong><strong>de</strong>r</strong> die ich durch Dienstreisen inuntergeordnete Dienststellen kennen gelernt hatte, waren die Umzüge an einenneuen Wohnort für meine Frau <strong>und</strong> die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong>de</strong>s Mal ein tiefer Einschnitt in ihrLeben. Schwierig war je<strong>de</strong>s Mal die Beschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohnung. Nur einmal hatteich das Glück, vor <strong>de</strong>m Antritt meiner neuen Dienststellung umziehen zu können.Ansonsten dauerte es immer längere <strong>Zeit</strong>, ehe mir eine Wohnung zugewiesenwur<strong>de</strong>. In einem Fall mußte ich ein <strong>und</strong> ein halbes Jahr nach <strong>de</strong>m Dienstantritt warten,bevor mir die mir versprochene Wohnung zugewiesen wur<strong>de</strong>. Dazu waren zweiEingaben meiner Frau erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. Während die Eingabe an <strong>de</strong>n Staatsratsvorsitzen<strong>de</strong>nWalter Ulbricht keinen Erfolg hatte, war die an <strong>de</strong>n Chef <strong><strong>de</strong>r</strong> PolitischenHauptverwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA, Admiral Wal<strong>de</strong>mar Verner, erfolgreich. Er erteilte <strong>de</strong>mStandortältesten einen entsprechen<strong>de</strong>n BefehlDiese Wartezeiten auf eine Wohnung be<strong>de</strong>uteten für mich, daß ich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel eineWoche, von Montag bis Freitag, von meiner Familie getrennt war, manchmal auch 14Tage lang, wenn ich über das Wochenen<strong>de</strong> Dienst hatte, z. B. <strong>als</strong> OvD o<strong><strong>de</strong>r</strong> wennich an längeren Kontrolleinsätzen teilnahm. Eine weitere Belastung für mich warendie mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger langen Bahnfahrten vom Dienstort zum Wohnort <strong>und</strong>umgekehrt , <strong>de</strong>nn ein Auto konnte ich mir bei vier Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht leisten. Das warauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Gr<strong>und</strong>, warum ich stets darauf bedacht war, so bald <strong>als</strong> möglich an <strong>de</strong>nDienstort zu ziehen. Auch wenn ich am Dienstort wohnte, be<strong>de</strong>utete das nicht, daßich je<strong>de</strong>n Abend <strong>und</strong> je<strong>de</strong>s Wochenen<strong>de</strong> zu Hause bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie sein konnte.<strong>Meine</strong> Dienststellungen im Stab <strong>de</strong>s Kommandos <strong><strong>de</strong>r</strong> DGP <strong>und</strong> von Grenzbriga<strong>de</strong>nbrachten es mit sich, daß ich etwa 50 % meiner Arbeitszeit zu Dienstreisen in <strong>de</strong>nnachgeordneten Stäben <strong>und</strong> Einheiten eingesetzt war. Regelmäßigen Feierabend<strong>und</strong> ein freies Wochenen<strong>de</strong> hatte ich, wenn die obligatorischen Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong>politischen <strong>und</strong> militärischen Schulung <strong>und</strong> Weiterbildung stattfan<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>nen alle<strong>Offizier</strong>e teilnehmen mußten, <strong>als</strong>o die gesellschaftswissenschaftliche Weiterbildung(GWW), die militärische Körperertüchtigung, Schießübungen <strong>und</strong> Stabsübungen.Die eigentliche Stabsarbeit beschränkte sich für mich <strong>als</strong> Oberinstrukteur für Jugendarbeitvorwiegend auf die Vorbereitung auf meine Instrukteureinsätze in <strong><strong>de</strong>r</strong> nachgeordnetenDienststellen <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auswertung. Längere <strong>Zeit</strong> an <strong>de</strong>n Schreibtischwar ich geb<strong>und</strong>en, wenn es galt, Konferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> SED vorzubereiten.Ansonsten verbrachte ich viel <strong>Zeit</strong> bei Einsätzen. Die Instrukteureinsätze, die ichindividuell durchführte, dienten <strong><strong>de</strong>r</strong> Anleitung <strong>und</strong> Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendgehilfen in <strong>de</strong>n


Grenzbriga<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Grenzbereitschaften sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an Konferenzen,Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlungen <strong>und</strong> Leitungssitzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ. Aber auch wir Politoffizierewaren verpflichtet, unseren Beitrag zur Grenzsicherung beizusteuern. So gabes <strong>de</strong>n Befehl, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> Stabsoffizier, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich mehr <strong>als</strong> 24 St<strong>und</strong>en in einem Grenzkommandoo<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Grenzkompanie aufhielt, einige St<strong>und</strong>en Grenzdienst leistenmußte. Ich ließ mich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel vom jeweiligen Kommandoleiter/Kompaniechef zurPostenkontrolle o<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Kontrolle <strong>de</strong>s 10-Meter-Kontrollstreifens einteilen. DieserBefehl war eine sinnreiche Festlegung. Einerseits wur<strong>de</strong>n die <strong>Offizier</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzeinheitentlastet, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stabsoffizier mit <strong><strong>de</strong>r</strong> realen Lage <strong><strong>de</strong>r</strong>Grenzsicherung <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>m Leben in <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzeinheit konfrontiert. Für mich wardieser Grenzdienst stets sehr aufschlußreich, weil ich aus <strong>de</strong>n Gesprächen mit <strong>de</strong>nUnteroffizieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Soldat</strong>en, <strong><strong>de</strong>r</strong> mir <strong>als</strong> Posten zugeteilt wur<strong>de</strong>n, schnell die tatsächlicheStimmung <strong>und</strong> Probleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzer erfuhr. Das ermöglichte es mirbesser, die Schwerpunkte <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Arbeit zu erkennen.An<strong><strong>de</strong>r</strong>s gestaltet war die Dienstzeit im Stab <strong>de</strong>s Grenzregiments. Hier waren wirPolitoffiziere stärker in die operative Grenzsicherung, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> sich oft <strong>und</strong> schnellän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Lage <strong>und</strong> <strong>de</strong>n plötzlich eintreten<strong>de</strong>n Vorkommnissen eingeb<strong>und</strong>en. Hierhatte ich zwar die Möglichkeit , fast täglich abends bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie zu weilen. Abereine geregelte Dienstzeit, wie ich sie in <strong>de</strong>n höheren Stäben kennengelernt hatte,gab es hier selten. Wenn mich meine Frau früh beim Verlassen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohnung fragte,ob ich heute pünktlich nach Hause käme, war meine Antwort stets: "Wenn nichtsdazwischen kommt".Während meiner langjährigen Dienstzeit in <strong>de</strong>n <strong>Grenztruppen</strong> hat sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanke<strong>und</strong> das Gefühl tief eingeprägt, <strong>als</strong> Grenzoffizier immer im Dienst zu sein. Das ergabsich aus <strong>de</strong>n Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten <strong>und</strong> Auswirkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> ununterbrochenen Grenzsicherung.Sicherlich war das entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommandohöhe unterschiedlich,aber für mich be<strong>de</strong>utete das stets, zu je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Zeit</strong> bereit zu sein, Befehle <strong>und</strong> Aufgabenzu erfüllen.Wenn ich zurück<strong>de</strong>nke, habe ich natürlich meine Freizeit mit meiner Frau <strong>und</strong>meinen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n geplant <strong>und</strong> genutzt. Wir sind ausgegangen, haben Veranstaltungen,Theater <strong>und</strong> Kino besucht <strong>und</strong> sind in Urlaub gefahren. Stets war ich abergedanklich darauf vorbereitet, daß durch eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Lage an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze diegeplante Freizeit ausfallen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Urlaub verschoben o<strong><strong>de</strong>r</strong> abgebrochen wer<strong>de</strong>nkönnte.Für meine Frau <strong>und</strong> meine Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> waren die zahlreichen Umzüge stets gravierend.Einerseits war es für meine Frau eine Erleichterung, daß ich sie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung<strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>und</strong> im Haushalt stärker unterstützen konnte, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits be<strong>de</strong>utete <strong><strong>de</strong>r</strong>Umzug die abrupte Trennung von <strong>de</strong>m bisherigen Bekannten- <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreissowie die Gewöhnung an eine neue Umgebung mit neuen Menschen. Und für dieKin<strong><strong>de</strong>r</strong> be<strong>de</strong>utete es neue Schulkamera<strong>de</strong>n, neue Lehrer, eine oft völlig an<strong><strong>de</strong>r</strong>eSchulatmosphäre, Leistungsunterschie<strong>de</strong> <strong>und</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, vielfach sogarVerständigungsschwierigkeiten wegen <strong>de</strong>s Dialekts, <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>ngesprochen wur<strong>de</strong>. Das wirkte sich immer erschweren<strong><strong>de</strong>r</strong> aus, je mehr sie sich <strong>de</strong>mJugendalter näherten. Die Eingewöhnungsprobleme waren meistens auch <strong><strong>de</strong>r</strong>Gr<strong>und</strong>, warum meine Frau anfangs nach einem Umzug zu Hause blieb <strong>und</strong> keineberufliche Tätigkeit aufnehmen konnte. Wenn ich auf meine Grenzerzeit zurückblicke,muß ich feststellen, daß die Hauptlast <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung meiner Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> auf meinerFrau lag. Die tage- <strong>und</strong> wochenlange Abwesenheit auf Gr<strong>und</strong> meiner dienstlichenVerpflichtungen schränkten meinen erzieherischen Einfluß stark ein. Die täg-


lichen Dinge, mit <strong>de</strong>nen meine Frau konfrontiert wur<strong>de</strong>, mußte sie allein bewältigen.Ein eventuelles Eingreifen meinerseits <strong>als</strong> Vater hätte nachträglich keine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Wirkung gehabt. Zum <strong>Zeit</strong>punkt <strong>de</strong>s Auftretens von erzieherischen,schulischen <strong>und</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Problemen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> war ich nicht da <strong>und</strong> meine Frau warauf sich gestellt. Für je<strong>de</strong>n <strong>Offizier</strong> war <strong>de</strong>shalb von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, daßer eine Lebensgefährtin hatte, die großes Verständnis für seinen <strong>Offizier</strong>sberufaufbrachte, auf die eigene berufliche Entwicklung weitestgehend verzichtete <strong>und</strong>verantwortungsbewußt die Entscheidungen für die Erziehung <strong>und</strong> Versorgung <strong><strong>de</strong>r</strong>Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>und</strong> im Haushalt traf. Ich hatte dank meiner Frau das Glück, solche Voraussetzungenzu haben. Nicht in allen <strong>Offizier</strong>sfamilien war das gegeben . Es gab Familienstreitigkeiten<strong>und</strong> ScheidungenTrotz <strong><strong>de</strong>r</strong> hohen dienstlichen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen war ich stets bemüht ein guter Ehemann<strong>und</strong> Familienvater zu sein. Je<strong>de</strong> Freizeit nutzte ich, um bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie zu sein<strong>und</strong> gemeinsame Erlebnisse mit ihr zu haben. Höhepunkt in je<strong>de</strong>m Jahr war unsereUrlaubsreise. Ich nutzte dabei die Angebote <strong><strong>de</strong>r</strong> Ferienplätze in <strong>de</strong>n Heimen <strong><strong>de</strong>r</strong>NVA. Da die Heimplätze in <strong>de</strong>n großen Ferien meistens bei <strong>de</strong>n höheren Stäbenhängen blieben, planten wir <strong>de</strong>n Urlaub in <strong>de</strong>n Frühjahrs- <strong>und</strong> Herbstferien, auchwenn diese nur eine Woche dauerten. Dank <strong>de</strong>s Verständnisses <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulleitungen<strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> relativ guten schulischen Leistungen meiner Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>n sie vomUnterricht freigestellt, damit wir <strong>de</strong>n Ferienplatz von zwei Wochen Dauer in Anspruchnehmen konnten. Die NVA <strong>und</strong> anfangs die DGP hatten in <strong>de</strong>n schönsten Gegen<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR Ferienheime. So waren wir zweimal in Prora, je einmal in Boitzenburg,in Weitersglashütte im Vogtland, in Oberwiesenthal, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Rothenburg auf <strong>de</strong>mKyffhäuser <strong>und</strong> in Bansin auf Usedom. Die Ferienheime waren komfortabel ausgestattet<strong>und</strong> boten eine gute Verpflegung. In <strong>de</strong>n großen Ferien konnten wir unsereKin<strong><strong>de</strong>r</strong> immer für zwei Wochen in Ferienlager schicken, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> NVA ausgerichtetwur<strong>de</strong>n. Und das bei einem Preis von insgesamt 9,00 Mark !Die vielen Beschränkungen, die <strong>de</strong>m Grenzoffizier auferlegt waren, hatten teilweisedirekte Gültigkeit auch für die Familie. So war es auch für die Familienangehörigen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Offizier</strong>e <strong>und</strong> Berufssoldaten verboten, Westsen<strong><strong>de</strong>r</strong> zu hören <strong>und</strong> zu sehen sowieKontakte nach West<strong>de</strong>utschland <strong>und</strong> in an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Staaten <strong>de</strong>s kapitalistischen Auslandszu unterhalten. Indirekte Auswirkungen auf die Familie hatten Alarmübungen,wenn sie nachts durch <strong>de</strong>n Mel<strong><strong>de</strong>r</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Telefon ausgelöst wur<strong>de</strong>n. Gewöhnlichmußten wir vor je<strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstreise in die Grenzeinheiten unsere persönliche Waffe in<strong><strong>de</strong>r</strong> Waffenkammer empfangen <strong>und</strong> danach wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abgeben. En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahrewur<strong>de</strong>n alle Grenzoffiziere ständige Waffenträger. Das be<strong>de</strong>utete, daß wir die Pistoleauch außerhalb <strong>de</strong>s Dienstes tragen <strong>und</strong> mit nach Hause nehmen mußten. DasProblem war, sie daheim so zu sichern, daß die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> keinen Zugriff darauf hatten.Die <strong>Offizier</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grenztruppen</strong> waren zum überwiegen<strong>de</strong>n Teil überzeugt von <strong><strong>de</strong>r</strong>Richtigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> SED <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Notwendigkeit <strong>de</strong>s Aufbaus <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>militärischen Verteidigung <strong>de</strong>s Sozialismus, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>s Schutzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgrenze<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Alle Grenzoffiziere waren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> SED <strong>und</strong> betrachtetenihren Beruf <strong>als</strong> Grenzoffizier zugleich <strong>als</strong> Parteiauftrag. Deshalb wur<strong>de</strong>n Verstößegegen die militärische Disziplin nicht nur mit Disziplinarstrafen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n immer auchdurch die Partei geahn<strong>de</strong>t. Da wir <strong>Offizier</strong>e, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Stäbe <strong>und</strong> <strong>de</strong>sPolitapparats, wenig Kontakt zur Bevölkerung <strong>und</strong> meistens zu fortschrittlichen Bürgern,die uns bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzsicherung unterstützten, sowie zu Partei- <strong>und</strong> Staatsfunktionärenhatten, saßen wir wie unter einer Glasglocke. Die wahre Stimmung <strong><strong>de</strong>r</strong>Bevölkerung blieb uns verborgen. Negative Erscheinungen in <strong>de</strong>n Betrieben z. B.


wur-<strong>de</strong>n von mir <strong>als</strong> Einzelbeispiele abgetan. Kenntnisse über die Wirtschaft <strong><strong>de</strong>r</strong>DDR entnahm ich ausschließlich <strong>de</strong>m Zentralorgan <strong><strong>de</strong>r</strong> SED, <strong>de</strong>m "Neuen Deutschland",welches fast nur über die Erfolge berichtete <strong>und</strong> nicht über die Probleme. In<strong>de</strong>n Gesprächen zwischen uns <strong>Offizier</strong>en wur<strong>de</strong> zwar auch Kritik an negativengesellschaftlichen Erscheinungen <strong>und</strong> fehlerhaften politischen Entscheidungengeübt, aber immer von <strong><strong>de</strong>r</strong> gr<strong>und</strong>sätzlichen Position <strong>und</strong> Einstellung heraus, daß diePolitik <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR richtig sei <strong>und</strong> die Partei- <strong>und</strong> Staatsführung schon <strong>de</strong>n richtigenWeg gehe..Von dieser Gr<strong>und</strong>haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Offizier</strong>e war natürlich auch die politische Einflußnahmeauf die <strong>Soldat</strong>en <strong>und</strong> Unteroffiziere diktiert. Obwohl viele von ihnen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s dieWehrpflichtigen, mit eigenen Erfahrungen ihres zivilen Lebens zu <strong>de</strong>n <strong>Grenztruppen</strong>kamen <strong>und</strong> z. B. im Politunterricht Kritik an bestimmten gesellschaftlichen Erscheinungenin <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR äußerten, herrschte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit hinsichtlich ihres Auftragszum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgrenze eine positive Gr<strong>und</strong>haltung. Das hatte sicherlich u.a.seine Ursache in <strong>de</strong>n beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Auswahlverfahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrkreiskommandos fürdie Wehrpflichtigen, die zu <strong>de</strong>n <strong>Grenztruppen</strong> einberufen wer<strong>de</strong>n sollten. Trotz<strong>de</strong>mgab es auch solche Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vorkommnisse wie Fahnenfluchten von <strong>Soldat</strong>en<strong>und</strong> Unteroffizieren.Die ununterbrochene, zuverlässige Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgrenze <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR verlangteeine hohe Überzeugtheit <strong>und</strong> Zuverlässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Offizier</strong>e, Unteroffiziere <strong>und</strong> <strong>Soldat</strong>en.Deshalb spielte die politische Arbeit eine hervorragen<strong>de</strong> Rolle in <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen<strong>Zeit</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Existenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzpolizei/<strong>Grenztruppen</strong> <strong>und</strong> war fester Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong>Grenzsicherung. Die Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Arbeit waren untrennbarer Teil <strong><strong>de</strong>r</strong>Planung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzsicherung <strong>und</strong> Ausbildung. Sie gehörten zu <strong>de</strong>n Pflichten <strong><strong>de</strong>r</strong>Komman<strong>de</strong>ure <strong>und</strong> Abstriche daran waren unzulässig.Eine wichtige Rolle spielten die SED-Parteigr<strong>und</strong>organisationen <strong>und</strong> die FDJ-Gr<strong>und</strong>einheitenin <strong>de</strong>n Grenzeinheiten. In <strong>de</strong>n Partei-GO waren alle Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>Einheit unabhängig vom Dienstgrad erfaßt, meistens die <strong>Offizier</strong>e <strong>und</strong> Berufsunteroffiziere.Großer Wert wur<strong>de</strong> darauf gelegt, daß alle <strong>Soldat</strong>en <strong>und</strong> Unteroffiziere bis26 Jahre Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Freien Deutschen Jugend waren. Dafür wur<strong>de</strong> bereits imersten Diensthalbjahr im Grenzausbildungsbataillon bzw. -regiment Sorge getragen.Damit war gewährleistet, daß alle Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grenztruppen</strong> im System <strong><strong>de</strong>r</strong>politischen Beeinflussung erfaßt waren. Die Partei- <strong>und</strong> in gewisser Hinsicht auchdie FDJ-Sekretäre hatten in <strong>de</strong>n Stäben <strong>und</strong> Einheiten eine herausragen<strong>de</strong> Stellung.Das wichtigste Dokument neben <strong>de</strong>m Parteistatut <strong><strong>de</strong>r</strong> SED war die Parteiinstruktion.Sie regelte die Rechte <strong>und</strong> Pflichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Politorgane <strong>und</strong> Parteiorganisationen sowie<strong><strong>de</strong>r</strong> Politstellvertreter <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteisekretäre innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grenztruppen</strong>. So konntesich <strong><strong>de</strong>r</strong> Politstellvertreter unter Umgehung <strong>de</strong>s Dienstweges direkt an <strong>de</strong>n Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong>übergeordneten Politabteilung wen<strong>de</strong>n, wenn es zwischen ihm <strong>und</strong> seinem Komman<strong>de</strong>urWi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüche über <strong>de</strong>ssen Befehlsgebung gab.Obwohl das Parteistatut <strong><strong>de</strong>r</strong> SED die Kritik ohne Ansehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Person zu einemGr<strong>und</strong>prinzip erklärte, war das durch das Abhängigkeitsverhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterstelltenvon ihren Vorgesetzten in <strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Hierarchie naturgemäß eingeschränkt.Inwieweit in <strong>de</strong>n Parteiversammlungen eine kritische Atmosphäre herrschte, wardavon abhängig, wie Vorgesetzte auf Kritik reagierten bzw. für Kritik empfänglichwaren. Wenn sich viele Vorgesetzten auch vor einer Unterdrückung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kritik in <strong><strong>de</strong>r</strong>Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlung scheuten, so hatten sie doch viele dienstliche Möglichkeiten,es <strong>de</strong>n kritisieren<strong>de</strong>n Unterstellten durch Retourkutschen spüren zu lassen.


Da meine Tätigkeit <strong>als</strong> Stabsoffizier zum größten Teil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anleitung <strong>und</strong> Kontrolle<strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Arbeit in <strong>de</strong>n nachgeordneten Stäben <strong>und</strong> Einheiten bestand, hattensich langjährige politische <strong>und</strong> pädagogische Erfahrungen angesammelt, um in <strong><strong>de</strong>r</strong>jeweiligen Dienststelle schnell die wahre Stimmung <strong>und</strong> Meinung, das Verhältniszwischen Vorgesetzten <strong>und</strong> Unterstellten sowie die Probleme erfassen zu können.Dabei war es von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, mit <strong>de</strong>n <strong>Offizier</strong>en, Unteroffizieren <strong>und</strong>insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e mit <strong>de</strong>n <strong>Soldat</strong>en ein vertrauensvolles Verhältnis herzustellen; <strong>de</strong>nn dieStellung <strong>de</strong>s Kontrolloffiziers war immer die <strong>de</strong>s Außenstehen<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> Unruhe in <strong>de</strong>nTages- <strong>und</strong> Dienstablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienststelle brachte. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Dienststellen, diemich noch nicht kannten bzw. die ich das erste Mal besuchte, traten mir die <strong>Offizier</strong>emit Erwartung <strong>und</strong> Skepsis entgegen; <strong>de</strong>nn sie hatten ihre Erfahrungen mit <strong>de</strong>nunterschiedlichsten Kontrolloffizieren. Es gab solche, die überheblich auftraten,Besserwisser, die nur ihre Meinung gelten ließen, <strong>und</strong> die ihre Feststellungen nichtso auswerteten, wie sie ihre Berichte an ihre Vorgesetzten verfaßten. Oft folgten solchenKontrollen Auswertungen von Fehlern <strong>und</strong> Mängeln, die aufgebauscht o<strong><strong>de</strong>r</strong>stark verabsolutiert wor<strong>de</strong>n waren. Ich war <strong>de</strong>shalb stets darauf bedacht, zuerst einevertrauensvolle Atmosphäre herzustellen, die <strong>Offizier</strong>e nicht von ihrer Tagesarbeitabzuhalten <strong>und</strong> zum Abschluß meiner Kontrolle die festgestellten Mängel mit <strong>de</strong>mKompaniechef <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Politstellvertreter offen zu besprechen. Oft las ich Ihnenmeine Einschätzung, die ich in <strong>de</strong>n Abschlußbericht bringen wollte, wörtlich vor.Auch das Angebot zu Beginn <strong>de</strong>s Besuches, Grenzdienst <strong>als</strong> Postenkontrolle o<strong><strong>de</strong>r</strong>Kontrolle <strong>de</strong>s 10-m-Kontrollstreifens zu leisten. war wichtig für die Aufgeschlossenheit<strong>de</strong>s Kommandoleiters/Kompaniechefs. Der Einsatz zur 10-m-Kontrolle wur<strong>de</strong>manchmal genutzt, <strong>de</strong>n Kontrolloffizier die täglichen Strapazen spüren zu lassen,in<strong>de</strong>m ein scharfes Schrittempo angeschlagen wur<strong>de</strong> <strong>und</strong> keine Pausen eingelegtwur<strong>de</strong>n. Spürten die begleiten<strong>de</strong>n Posten, daß ich mich mitzuhalten bemühte, tautensie auf <strong>und</strong> es entspann sich mit mir ein zwangloses Gespräch über das Leben in <strong><strong>de</strong>r</strong>Dienststelle.Zu Weihnachten <strong>und</strong> Silvester waren je<strong>de</strong>m Jahr verstärkte Kontrollen <strong>und</strong> Besuchein <strong>de</strong>n Grenzeinheiten geplant, um die <strong>Offizier</strong>e bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betreuung <strong><strong>de</strong>r</strong> jungenGrenzsoldaten zu unterstützen, die das erste Mal nicht im Kreis <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie feiernkonnten. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s während meiner Dienstzeit im Stab <strong>de</strong>s Grenzregiments mußteich meist entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> am Heiligabend o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu Silvester Dienst zu tun. Oft gelang esmir, wegen meiner Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> Weihnachten zu Hause zu sein. Ich wur<strong>de</strong> dann Silvesterzum Dienst eingeteilt. Dabei ging es neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze auch umdie Ordnung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Truppe – es war u.a. <strong>als</strong>o auch dafür zu sorgen, daß nicht so vielAlkohol getrunken wur<strong>de</strong> <strong>und</strong> die Grenzposten mit ihren Leuchtpistolen <strong>und</strong>Signalgeräten kein Feuerwerk an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze veranstalteten. Während ich <strong>als</strong>o zuSilvester häufig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kaserne o<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze meinen Dienst tat, schlief meineFrau mit <strong>de</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n friedlich in das Neue Jahr hinein.

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