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Journal für Ärztinnen und Ärzte

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DEMENZ<br />

Fortbildung<br />

Therapie<br />

Eine kausale medikamentöse Therapie<br />

steht nicht zur Verfügung. Mit Cholinesterasehemmern<br />

können sowohl die kognitiven<br />

Leistungen als auch die produktive<br />

Symptomatik günstig beeinflusst werden.<br />

Rivastigmin gilt als Mittel der ersten Wahl,<br />

gefolgt von Donepezil. Dagegen führen<br />

bestimmte Neuroleptika in etwa der Hälfte<br />

der Fälle zu einer deutlichen Verschlechterung<br />

der vorbestehenden kognitiven<br />

Defizite <strong>und</strong> zu einer Exazerbation der<br />

produktiv-psychotischen Symptome. Ein<br />

begleitendes Parkinson-Syndrom kann<br />

mit nicht allzu hohen Dosen L-Dopa oft<br />

erfolgreich behandelt werden.<br />

Pick-Komplex (frontotemporale<br />

Lobärdegeneration)<br />

Der Begriff „frontale Demenzen“<br />

umfasst eine Reihe primär neurodegenerativer<br />

Erkrankungen, deren gemeinsames<br />

Leitsymptom eine langsam progrediente<br />

dementielle Symptomatik<br />

darstellt. Neuroradiologisch <strong>und</strong> neuropathologisch<br />

findet man bei den verschiedenen<br />

Syndromen topographisch<br />

unterschiedlich verteilte Hirnatrophien.<br />

Im Folgenden werden die unter dem<br />

Begriff „Pick-Komplex“ zusammengefassten<br />

Erkrankungen kurz dargestellt.<br />

Frontotemporale Demenz (FTD).<br />

Die zerebrale Atrophie betrifft vor allem<br />

den medialen, dorsolateralen <strong>und</strong> orbitalen<br />

Frontallappen.Als Kernsymptome<br />

gelten eine Vergröberung <strong>und</strong> eine<br />

Beeinträchtigung der Steuerung des sozialen<br />

Verhaltens (taktloses, enthemmtes,<br />

ev. kriminelles Verhalten) <strong>und</strong> eine emotionelle<br />

Verflachung bei fehlender<br />

Krankheitseinsicht. Die wesentlichen<br />

diagnostischen Kriterien sind in Tab. 10<br />

angeführt.<br />

Als unterstützende Kriterien gelten<br />

eine Manifestation vor dem 65. Lebensjahr,<br />

eine positive Familienanamnese sowie<br />

die Entwicklung einer Bulbärparalyse,<br />

von atrophischen Paresen <strong>und</strong> Faszikulationen.<br />

Ausschlusskriterien sind ein<br />

schlagartiger Beginn, ein Beginn nach<br />

einem Schädelhirntrauma, ein Beginn<br />

mit ausgeprägten Gedächtnisstörungen,<br />

räumliche Orientierungsstörungen, Logoklonie<br />

<strong>und</strong> Gedankenabreißen, zentrale<br />

Paresen, eine zerebelläre Ataxie, eine<br />

Choreoathetose, Hinweise auf metabolische<br />

oder entzündliche Erkankungen des<br />

Zentralnervensystems sowie ein chronischer<br />

Alkoholmissbrauch in der Anam-<br />

Tabelle 10<br />

Diagnostische Kriterien der<br />

frontotemporalen Demenz (FTD)<br />

• progrediente Verhaltensstörungen;<br />

• Vergröberung des sozialen Verhaltens;<br />

• Persönlichkeitsveränderung;<br />

• affektive Störungen;<br />

• Sprachstörungen;<br />

• körperliche Symptome: positive Frontalzeichen,<br />

Inkontinenz, im Spätstadium Parkinson-<br />

Symptomatik;<br />

• Verlust der Krankheitseinsicht.<br />

nese. Eine ausgeprägte arterielle Hypertonie<br />

<strong>und</strong> eine erhebliche Vaskulopathie<br />

gel-ten als relative Ausschlusskriterien.<br />

Die Prognose der Erkrankung, die sich<br />

in der Regel im Alter von 40–60 Jahren<br />

manifestiert, ist infaust. Die Krankheitsdauer<br />

beträgt ca. zehn Jahre.<br />

Primär progrediente Aphasie (PPA):<br />

Die zerebrale Atrophie ist links frontolateral<br />

(asymmetrisch) lokalisiert. Als<br />

Kernsymptome gelten eine unflüssige<br />

Spontansprache mit Agrammatismus,<br />

phonematischen Paraphasien sowie Wortfindungs-<br />

<strong>und</strong> Benennungsstörungen.<br />

Semantische Demenz: Die zerebrale<br />

Atrophie ist links temporal lokalisiert.<br />

Kernsymptome sind eine Sprachstörung<br />

oder/<strong>und</strong> eine Störung des Erkennens.<br />

Es finden sich eine flüssige, dabei aber<br />

inhaltsleere Spontansprache, eine Benennungsstörung,<br />

ein Verlust des Wortsinnverständnisses,<br />

semantische Paraphasien,<br />

eine Störung des Erkennens<br />

ehemals vertrauter Gesichter (Prosopagnosie)<br />

<strong>und</strong>/oder eine visuelle oder taktile<br />

Objektagnosie. Das Zuordnen von<br />

Bildern <strong>und</strong> das Abzeichnen funktionieren<br />

ungestört, ebenso das Nachsprechen<br />

einzelner Wörter, das Vorlesen <strong>und</strong> das<br />

Schreiben von Wörtern, die nicht von<br />

Rechtschreibregeln abweichen. Weitere,<br />

dem „Pick-Komplex“ zugerechnete Erkrankungen<br />

sind die Frontotemporale<br />

Demenz mit Parkinsonismus (Mutation<br />

Chromosom 17) <strong>und</strong> die Kortikobasale<br />

Degeneration (CBD).<br />

Diagnostik<br />

Als Zeichen eines unspezifischen<br />

Neuronenunterganges können die Konzentrationen<br />

von tau-Protein, S100 <strong>und</strong><br />

NSE im Liquor erhöht sein; zur Abgrenzung<br />

gegenüber anderen Erkrankungen<br />

sollten die Konzentrationen des 14-3-3-<br />

Proteins <strong>und</strong> des β-Amyloids bestimmt<br />

werden. Das EEG zeigt keine typischen<br />

Veränderungen, ist aber vor allem zur<br />

Abgrenzung gegenüber der Creutzfeldt-<br />

Jakob-Erkrankung hilfreich. Mittels kranialer<br />

MRT (koronare Schnittführung)<br />

können Atrophien im Bereich der Frontal-<br />

<strong>und</strong> Temporallappen dargestellt werden.Die<br />

ECD-SPECT <strong>und</strong> die FDG-PET<br />

zeigen im Gegensatz zur Alzheimer-Erkrankung<br />

meistens asymmetrische Veränderungen<br />

im Bereich des frontalen <strong>und</strong><br />

temporalen Kortex. Die rCBF-SPECT<br />

ergibt eine Minderperfusion im Vergleich<br />

zu Patienten mit AD. Bei positiver Familienanamnese<br />

sollte EDTA-Blut <strong>für</strong> eine<br />

allfällige Gendiagnostik abgenommen<br />

werden.<br />

Therapie<br />

Eine kausale Therapie steht nicht zur<br />

Verfügung. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer<br />

können die affektiven<br />

Symptome dieser Demenzformen günstig<br />

beeinflussen. Cholinesterasehemmer<br />

sind bei frontotemporalen Demenzen<br />

nicht zu empfehlen.<br />

Univ.-Prof. Dr. Peter Dal-Bianco<br />

Univ.-Klinik <strong>für</strong> Neurologie<br />

Spezialambulanz <strong>für</strong><br />

Gedächtnisstörungen<br />

Med. Universität Wien, AKH<br />

Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien<br />

Tel.: +43/1/40 400-31 48<br />

peter.dal-bianco@meduniwien.ac.at<br />

seite 34 DER MEDIZINER 1-2/2008

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