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Journal für Ärztinnen und Ärzte

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DEMENZ<br />

Fortbildung<br />

Demenzen: Differentialdiagnosen <strong>und</strong> Therapien<br />

Univ.-Prof. Dr. Peter Dal-Bianco<br />

Etwa 100.000 ÖsterreicherInnen leiden<br />

heute an einer dementiellen Erkrankung.<br />

In den nächsten Jahrzehnten wird<br />

diese Zahl auf mehr als das Doppelte<br />

angestiegen sein – mit zunehmendem<br />

Alter steigen Inzidenz <strong>und</strong> Prävalenz an.<br />

Die jährlichen Neuerkrankungen werden<br />

von derzeit 25.000 bis zum Jahr 2050<br />

auf etwa 60.000 ansteigen. In Österreich<br />

wird jährlich etwa eine Milliarde Euro<br />

<strong>für</strong> die Versorgung Demenzkranker ausgegeben,<br />

davon sind 75% nichtmedizinische<br />

<strong>und</strong> 25% medizinische Kosten. Nur<br />

6% der Gesamtkosten werden <strong>für</strong> Medikamente<br />

bezahlt.<br />

Ursachen des Leitsymptoms<br />

„Vergesslichkeit“<br />

Tabelle 1<br />

Primär degenerative Demenzen<br />

Weitere neurologische Erkrankungen<br />

• intrakranielle Tumoren<br />

• zerebrovaskuläre Erkrankungen/Schlaganfall<br />

• subdurale Hämatome<br />

• Hydrozephalus<br />

• entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems<br />

• Epilepsien<br />

• Schädelhirntraumen<br />

Psychiatrische Erkrankungen<br />

• Depressionen<br />

• Schizophrenien<br />

• neurotische Störungen<br />

• Anpassungsstörungen<br />

• Drogen- oder Medikamenten-Abhängigkeit<br />

Internistische Erkrankungen<br />

• metabolische Erkrankungen<br />

• endokrine Erkrankungen<br />

• Schilddrüsen-Funktionsstörungen<br />

• Vitaminmangel<br />

• Mangelernährung<br />

• Exsikkose<br />

• renale/hepatale Organerkrankungen<br />

Medikamentöse kognitive<br />

Leistungseinbußen<br />

Die Alzheimer-Krankheit (AD) ist die<br />

häufigste Demenzform (60–80%), gefolgt<br />

von der vaskulären Demenz (VaD, 15–<br />

20%) <strong>und</strong> der Lewy-Körperchen-Demenz<br />

(DLB, 7–20%). Andere Demenzformen<br />

sind selten, ihr Anteil macht<br />

höchstens 10% aus. Mischformen sind<br />

häufig.<br />

Die Diagnostik der Demenzerkrankungen<br />

basiert auf klinischen Bef<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

den Ergebnissen von Zusatzuntersuchungen.<br />

Sie sollte möglichst früh erfolgen,<br />

da ein rechtzeitiger Therapiebeginn<br />

die Prognose oft verbessern kann. Ursachen<br />

des Leitsymptoms „Vergesslichkeit“<br />

sind in Tab. 1 zusammengefasst.<br />

Mild cognitive impairment, MCI<br />

(geringgradige kognitive Störung)<br />

Bei den meisten Erkrankungen, die<br />

mit einer Demenz einhergehen, kommt<br />

es klinisch zu einer langsam progredienten<br />

kognitiven <strong>und</strong> thymopsychischen<br />

Beeinträchtigung, die stadienhaft von<br />

einem zunächst unauffälligen Zustand<br />

bis zum ausgeprägten Bild verläuft.<br />

Da es Behandlungsmöglichkeiten gibt,<br />

sollte bereits bei Vorliegen einer geringgradigen<br />

Hirnleistungsstörung (Tab. 2)<br />

umfassende Diagnostik erfolgen.<br />

Bei ungefähr 10% der Patienten wird<br />

die kognitive Beeinträchtigung durch<br />

eine heilbare Erkrankung ausgelöst. Für<br />

diejenigen Demenzformen, deren Symptomatologie<br />

(nach Diagnose <strong>und</strong> Therapie<br />

der Gr<strong>und</strong>krankheit) teilweise<br />

oder komplett remittiert, wird auch in<br />

den deutschsprachigen Ländern der<br />

Begriff „reversible Demenz“ verwendet.<br />

Demenz vom Alzheimer-Typ (AD)<br />

Neuropathologische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Tabelle 2<br />

Klinische MCI-Kriterien (mild cognitive<br />

impairment = leichte kognitive Störung)<br />

• subjektiv empf<strong>und</strong>ene Gedächtnisprobleme,<br />

möglichst von einer Kontaktperson bestätigt;<br />

• neuropsychologische Testleistungen durchschnittlich<br />

1,5 Standardabweichungen schwächer<br />

als entsprechende Altersnormwerte;<br />

• normale Aktivität im täglichen Leben, Beeinträchtigung<br />

nur bei sehr komplexen Alltagsaufgaben;<br />

• normale allgemeine kognitive Leistung (MMSE<br />

> 26);<br />

• keine Demenz.<br />

Die Diagnose einer AD kann erst post<br />

mortem durch eine neurohistologische<br />

Untersuchung gesichert werden. Eine<br />

Hirnbiopsie in vivo ist risikoreich <strong>und</strong><br />

aus ethischen Gründen nur in Ausnahmefällen<br />

zulässig. Die morphologischen<br />

Kriterien der AD-Erkrankung sind Zytoskelett-Veränderungen<br />

(neuritische<br />

Plaques, Neurofibrillendegeneration <strong>und</strong><br />

Neuropilfäden) mit Bildung doppelhelixartiger<br />

Filamente aus abnorm hyperphosphorylierten,Mikrotubulus-assoziierten<br />

tau-Protein-Triplets <strong>und</strong> der<br />

Nachweis von β-Amyloid-Ablagerung<br />

(Aβ) im Neuropil als primitive, diffuse<br />

<strong>und</strong> klassische senile Plaques <strong>und</strong> der<br />

Amyloid-Angiopathie. Wegen des Verlustes<br />

von Neuronen infolge der fortschreitenden<br />

Schädigung des neuronalen<br />

Zytoskeletts entwickelt sich eine<br />

Hirnatrophie. Durch die Ausbreitung<br />

der Veränderungen vom Allo- zum Isokortex<br />

kommt es zu einer Unterbrechung<br />

spezifischer Neuronensysteme mit dem<br />

klinischen Korrelat der Demenzsympto-<br />

seite 24 DER MEDIZINER 1-2/2008

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