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Journal für Ärztinnen und Ärzte

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topischen Östrogenbehandlung gebessert<br />

werden können.<br />

P: psychologic (Depression,<br />

Neurosis)<br />

Häufige Ursachen <strong>für</strong> eine Harninkontinenz<br />

aus dem Bereich der Psychiatrie<br />

können schwere Depressionen oder Neurosen<br />

sein. Insulte <strong>und</strong> Morbus Parkinson<br />

sind häufig beobachtete neurologische<br />

Erkrankungen, welche mit einer<br />

Inkontinenz assoziiert sind.<br />

P: pharmacologic<br />

Das zweite P steht <strong>für</strong> Pharmazeutika.<br />

Medikamente <strong>und</strong> deren Nebenwirkungen<br />

sind eine der häufigsten Ursache <strong>für</strong><br />

eine Harninkontinenz bei geriatrischen<br />

Patienten. Bemerkenswert ist in diesem<br />

Zusammenhang, dass einige der Medikamente,<br />

die Harninkontinenz verursachen<br />

können, auch zur Therapie der Harninkontinenz<br />

bei älteren Menschen eingesetzt<br />

werden. Dies zeigt eindrucksvoll,<br />

dass Medikamente <strong>für</strong> ältere Menschen<br />

zweischneidige Schwerter sein können.<br />

Es sind in diesem Zusammenhang mehrere<br />

Kategorien von Medikamenten zu<br />

nennen.<br />

Zunächst stellt die Gruppe langwirkender<br />

Sedativa <strong>und</strong> Hypnotika eine relevante<br />

Kategorie dar, da sie das Sensorium<br />

älterer Menschen „einnebeln“ können.<br />

Schleifendiuretika können durch eine<br />

rasch einsetzende Diurese ebenfalls zu<br />

Harnverlust führen. Medikamente mit<br />

einem anticholinergen Nebenwirkungsprofil<br />

wie z.B. Tranquilizer, Antidepressiva,<br />

Antiparkinsonmedikamente, ältere<br />

Antihistaminika, Antiarrhytmika oder<br />

Opiate stellen ein spezielles Problem dar.<br />

Sie vermindern die Detrusorkontraktilität<br />

<strong>und</strong> können eine Blasenentleerungsstörung<br />

mit einer Überlaufinkontinenz<br />

verursachen. Außerdem können sie zu<br />

Verwirrtheitszuständen führen. Es ist besonders<br />

wichtig, nach dieser Medikamentengruppe<br />

zu fragen, da ältere Menschen<br />

manchmal mehrere Präparate<br />

einnehmen, welche eine anticholinerge<br />

Nebenwirkung entfalten können. Die<br />

Einnahme adrenerger Substanzen kann<br />

ebenfalls mit Inkontinenz assoziiert sein.<br />

Alpha-Adrenorezeptor-Antagonisten<br />

blockieren die Rezeptoren im Bereich<br />

des Blasenhalses. Bei der Abklärung einer<br />

Harninkontinenz sollte vor weiteren<br />

therapeutischen Maßnahmen zunächst<br />

einmal versucht werden, diese Substanzen<br />

durch andere zu ersetzen <strong>und</strong> an-<br />

1-2/2008 DER MEDIZINER<br />

schließend die Inkontinenz erneut zu<br />

evaluieren.<br />

Kalziumkanalblocker erhöhen durch<br />

ihre muskelrelaxierende Wirkung das<br />

Restharnvolumen. Bei Frauen mit erniedrigtem<br />

Sphinktertonus kann daraus<br />

eine Stressharninkontinenz resultieren.<br />

Bei Männern mit einer Urethraobstruktion<br />

<strong>und</strong> Detrusorschwäche kann eine<br />

Blasenentleerungstörung mit einer<br />

Überlaufinkontinenz entstehen. Abschließend<br />

sei noch der durch ACE-<br />

Hemmer ausgelöste Husten erwähnt,<br />

welcher zu unwillkürlichem Harnverlust<br />

durch eine Steigerung des intrabdominellen<br />

Druckes führen kann.<br />

E: excess urine output<br />

Bei Patientien mit eingeschränkter<br />

Mobilität oder Motivation kann eine stark<br />

gesteigerte Flüssigkeitsaufnahme oder<br />

vermehrte Harnproduktion Harninkontinenz<br />

verursachen, besonders wenn<br />

zusätzlich eine Detrusorüberaktivität<br />

besteht. Neben Diuretika <strong>und</strong> Alkohol<br />

sind es metabolische Erkrankungen, die<br />

zu einer vermehrten Harnausscheidung<br />

führen (Hyperglykämie, Hyperkalziämie).<br />

Nykturie <strong>und</strong> nächtliche Inkontinenz<br />

können von Herzinsuffizienz, venöser<br />

Insuffizienz, Hypoalbuminämie<br />

(besonders bei älteren Menschen mit<br />

reduziertem Ernährungszustand) oder<br />

von medikamenteninduzierten peripheren<br />

Ödemen begleitet sein. Der Einfluss<br />

von Koffein oder der Zeitpunkt der<br />

Flüssigkeitszufuhr ist noch ungeklärt,<br />

sollte aber bei nächtlicher Inkontinenz<br />

oder Nykturie als beeinflussender Faktor<br />

berücksichtigt werden.<br />

R: restricted mobility<br />

Die eingeschränkte Mobilität erscheint<br />

als eine logische Ursache <strong>für</strong> eine Harninkontinenz,<br />

wird aber trotzdem oft vernachlässigt.<br />

Zusätzlich zu offensichtlichen<br />

Ursachen kann die eingeschränkte<br />

Mobilität von schlecht passenden Schuhen,<br />

postprandialer oder orthostatischer<br />

Hypotension, von einem schlechten Allgemeinzustand<br />

oder schlicht vor der<br />

Angst zu stürzen herrühren.<br />

S: stool impaction<br />

Bei 10% der geriatrischen Patienten,<br />

die eine Notfallaufnahme wegen der Inkontinenz<br />

aufsuchen, ist eine chronische<br />

Obstipation die Ursache ihrer Inkontinenz.<br />

INKONTINENZ<br />

Fortbildung<br />

Der Begriff DIAPPERS zeigt eindrucksvoll,<br />

dass die Ursachen <strong>für</strong> Harninkontinenz<br />

bei älteren gebrechlichen Menschen<br />

oft außerhalb des Urogenitaltraktes<br />

liegen <strong>und</strong> reversibel sind.<br />

Ursachen <strong>für</strong> eine eventuelle transiente<br />

Harninkontinenz sollten primär abgeklärt<br />

werden, bevor eine komplexe<br />

Abklärung <strong>und</strong> Therapie der Harninkontinenz<br />

begonnen werden. Wenn die<br />

multifaktorielle Genese nicht adressiert<br />

wird, so bedeutet dies eine Einschränkung<br />

in der klinischen Betreuung <strong>und</strong><br />

Behandlung der Patientinnen sowie eine<br />

Verringerung der Lebensqualität.<br />

Die Ziele bei der Evaluierung einer<br />

diagnostizierten Harninkontinenz unterscheiden<br />

sich bei älteren Menschen nicht<br />

von denen bei jüngeren Patientinnen:<br />

1. Erkennen reversibler Ursachen <strong>und</strong><br />

assoziierter Krankheitsbilder.<br />

2. Diagnose des Inkontinenztyps.<br />

3. Erstellung eines individuellen Behandlungsplanes.<br />

Die etablierte Therapie der Inkontinenz<br />

bei jüngeren Menschen ist auch bei<br />

gebrechlichen älteren Menschen anwendbar.<br />

Es gibt keine Daten, die schlechtere<br />

Ergebnisse bei älteren Menschen belegen.<br />

Das Ausmaß der angewendeten diagnostischen<br />

<strong>und</strong> therapeutischen Mittel<br />

soll sich bei älteren Menschen an der<br />

subjektiven Beeinträchtigung durch die<br />

Inkontinenz, an der Motivation <strong>und</strong><br />

Kooperationsbereitschaft sowie an der<br />

Komorbidität, Prognose der Gr<strong>und</strong>erkrankung<br />

<strong>und</strong> an der Lebenserwartung<br />

orientieren. Jedem Menschen sollte die<br />

Möglichkeit eines kontinenten Lebens<br />

gegeben werden, sei es in Form unabhängiger,<br />

abhängiger oder sozialer Kontinenz.<br />

Univ.-Prof. Dr. Thomas Laml<br />

Univ.-Klinik <strong>für</strong> Frauenheilk<strong>und</strong>e<br />

Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien<br />

Tel.: 01/40 400-2915<br />

thomas.laml@meduniwien.ac.at<br />

seite 23

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