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Ausgabe 1959 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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20 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jährgang !P r--<br />

bis wir am Wald des Mittelberges wieder ein winziges Kapellchen<br />

fanden. „Bisch miad?" fragte die Mutter. Wir rasteten<br />

kurz und aßen unser Zehnebrot. „In-ra halba Stund sind<br />

mr deet, des wuscht au no zwinga!" „Jo, jo guet, dess ist jo<br />

nimme weit", meinte ich. Nach kurzem Anstieg gings wieder<br />

bergab, wir betraten die Trochtelfinger Markung, durchquerten<br />

das Grafental zwischen Badfersberg und dem Nutenoder<br />

Uetenberg, wanderten rechts am Ruckbein vorbei und<br />

schon lag das Städtle Trochtelfingen im Seckachtal<br />

mit seinem mächtigen Schloß und der imposanten Martinskirche<br />

vor uns. Links drüben zeigte sich der Galgen- oder<br />

Kallenberg, unweit davon die Burgkapelle und verdeckte<br />

den Ausblick auf die weite Haid. Rechts in einiger Entfernung<br />

sah man einen Wald, in dem die Hennensteinkapelle stecken<br />

mußte. Schon gleich nach den ersten Häusern erreichten wir<br />

von der Rückseite das Schloß, das als Schul- und Rathaus<br />

dient. Wir bogen aber davor rechts ab an dem mächtigen<br />

runden Geschützturm der ehemaligen Stadtbefestigung vorbei.<br />

Schon ist hier das Städtle zu Ende gewesen. Es ging abwärts,<br />

dann über die Kleinbahn und die Seckach, und da<br />

lag rechts an der Halde unten am Bach die gesuchte Oelschläge.<br />

Unser Ziel war tatsächlich um 10 Uhr, also in 2<br />

Fußstunden erreicht.<br />

Der Oelschläger, ein schon bejahrter Mann, empfing uns<br />

freundlich. Die Mutter muß ihn schon gekannt haben. Das<br />

ganze Häuslein enthielt eigentlich nur einen einzigen Raum<br />

und draußen am Bach das Wasserrad. Während die Mutter<br />

und! der Besitzer sich unterhielten, hatte ich wißbegieriger<br />

Knirps Zeit, mich genau umzusehen. Die Oelpresse war gerade<br />

in Betrieb: Ein hölzerner starker Trog, am vorderen<br />

Ende überdeckt, mit einem Abflußröhrlem, unter dem eine<br />

Blechkanne stand, in den dickflüssiges Naß floß. In den Trog<br />

war, eingewickelt in eine Art Tuch, der Mohnsamen gefüllt<br />

und wurde durch einen in den Trog passenden Holzklotz<br />

nach vorn zur Röhre gedrückt und zwar auf folgende Weise:<br />

Hinter den Holzklotz im Trog war ein dicker Hartholzkeil<br />

oder Speidel gesteckt, auf den ein durch Wasserkraft bzw.<br />

eine Uebersetzung von Rädern immer wieder hochgehobener<br />

senkrechter dicker Rammbalken niederfiel. War der Keil<br />

ganz eingeschlagen, so wurde ein neuer daneben eingesteckt<br />

und das Spiel wiederholte sich immer wieder, bis der Oelsamen<br />

genügend ausgepreßt war. Dann wurde das Wasserrad<br />

abgestellt, der Rest des Mohns, der sog. Oelkuchen, herausgenommen<br />

und neue Ware eingelegt. „Do Biable, versuechs<br />

amol", sagte der Müller und reichte mir ein Stück<br />

des harten grauschwarzen Kuchens. Er schmeckte gar nicht<br />

schlecht. Ich bekam noch einen guten Brocken zum Mitnehmen.<br />

„Wa tuet ma suscht mit?" wollte ich wissen. „Dea<br />

kriagt s' Vieh zum Fuater." In den späteren Krietgsjahren<br />

haben wir Buben noch oft im St. Fidelishaus in Sigmaringen<br />

unsere magere Kost mit solchen Oelkuchen „gestreckt". Als<br />

ich aber dann nach Jahren einen ähnlichen Oelkuchen aus<br />

einer hydraulichen Presse von Haigerloch probierte, war er<br />

steinhart und schmeckte geradezu abscheulich, weil viel zu<br />

stark ausgepreßt! Da hat der gute alte Oelschläger von<br />

Trochtelfingen nach unserer Bubenmeinung sein Handwerk<br />

doch viel besser verstanden! Außer Mohn pflegte man auch<br />

andere ölhaltige Früchte „schlagen" zu lassen, besonders<br />

Bettelleut und<br />

Erinnerungen von J.<br />

Der Begriff „Heimat" umschließt nicht nur Berg und Tal,<br />

Wald und Feld, sondern alles, was auf einem gewissen<br />

Raum webt und lebt. Zur Heimat im eigentlichen Sinne wird<br />

diese Umwelt für uns jedoch erst dann, wenn man sich in<br />

sie hineingelebt hat und mit ihr innerlich verwachsen ist.<br />

Ein so gewordenes und immer etwas persönlich gefärbtes<br />

Heimatgefühl enthält mitunter viel Vergangenes, wozu bei<br />

älteren Leuten unserer Gegend auch Bettelleute und fahrendes<br />

Volk gerechnet werden dürfen.<br />

Vor kaum mehr als einem halben Jahrhundert durchstreiften<br />

noch Bettelleute und fahrendes Volk in nicht geringer<br />

Zahl unsere Ortschaften. An erster Stelle müssen hier<br />

die „Handwerksburschen" genannt werden. Es handelte<br />

sich aber hierbei nicht etwa um junge Burschen, die<br />

Arbeit suchend von Stadt zu Stadt zogen, so wie es vielleicht<br />

vor 100 Jahren noch üblich war, sondern es waren in

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