Jugend, Graffiti & Raumaneignung - marinahennig.de
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Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Philosophische Fakultät III<br />
Institut für Sozialwissenschaften<br />
SS 05 & WS 05/06<br />
PJ/S <strong>Jugend</strong> in Deutschland<br />
Dozentin: PD Dr. Marina Hennig<br />
<strong>Jugend</strong>, <strong>Graffiti</strong> & <strong>Raumaneignung</strong>:<br />
Zur Aneignung öffentlichen urbanen Raums in Berlin von <strong>Jugend</strong>lichen durch <strong>Graffiti</strong><br />
Görner, Simone Matr.-Nr. 500861 sigoerner@gmx.<strong>de</strong><br />
Ihlenfeld, Stefanie Matr.-Nr. 122786 stefanie@madcastle.com<br />
Lyskowski, Heike von Matr.-Nr. 197617 h.vlyskowski@gmx.<strong>de</strong><br />
Pedreira, Beatrice Matr.-Nr. 194448 beat_rice@web.<strong>de</strong><br />
1
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1. Einleitung....................................................................................................................2<br />
2. Zusammenhänge <strong>Jugend</strong>, öffentlicher Raum, Aneignung und <strong>Graffiti</strong>.................3<br />
3. Ansätze <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> durch <strong>Graffiti</strong>............................................................7<br />
3.1 Zum gesteuerten Ansatz..........................................................................................7<br />
3.1.1 Zur Theorie <strong>de</strong>r gesteuerten Aneignung.......................................................8<br />
3.1.2 Darstellung <strong>de</strong>r Forschungsmetho<strong>de</strong>..........................................................10<br />
3.1.3 Ergebnisse <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>ninterviews............................................................11<br />
3.2 Zum initiativen Ansatz............................................................................................16<br />
3.2.1 Zur Theorie <strong>de</strong>r initiativen Aneignung.........................................................16<br />
3.2.2 Darstellung <strong>de</strong>r Forschungsmetho<strong>de</strong>..........................................................17<br />
3.2.3 Ergebnisse <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>ninterviews............................................................19<br />
3.3 Zum kommunikativen Ansatz................................................................................22<br />
3.3.1 Zur Theorie <strong>de</strong>r kommunikativen Aneignung..............................................23<br />
3.3.2 Darstellung <strong>de</strong>r Forschungsmetho<strong>de</strong>..........................................................24<br />
3.3.3 Ergebnisse <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>ninterviews............................................................25<br />
4. Fazit............................................................................................................................29<br />
5. Literaturverzeichnis..................................................................................................32<br />
6. Anhang......................................................................................................................35<br />
6.1 Bil<strong>de</strong>r zum gesteuerten Ansatz......................................................................35<br />
6.2 Bil<strong>de</strong>r zum initiativen Ansatz..........................................................................36<br />
6.3 Bil<strong>de</strong>r zum kommunikativen Ansatz...............................................................37
1. Einleitung<br />
Die öffentliche Diskussion um <strong>Graffiti</strong> verfolgt vor allem zwei Argumentationsstränge.<br />
Diese thematisieren <strong>Graffiti</strong> zum einen als Sachbeschädigung und Vandalismus, zum<br />
an<strong>de</strong>ren unter <strong>de</strong>m Gesichtpunkt von Ästhetik und Kunst. Interessanterweise fin<strong>de</strong>n<br />
sich in bei<strong>de</strong>n Argumentationssträngen häufiger Hinweise auf die Aneignung<br />
öffentlicher urbaner Räume durch <strong>Graffiti</strong>. Schwaigert spricht beispielsweise von „einer<br />
Rückeroberung <strong>de</strong>s öffentlichen Raums“ (2005). Es fin<strong>de</strong>n sich allerdings keine<br />
weiteren Differenzierungen <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong>. Ziel dieser Arbeit ist es aufgrund<br />
<strong>de</strong>ssen die <strong>Raumaneignung</strong> von <strong>Jugend</strong>lichen durch <strong>Graffiti</strong> in Berlin anhand dreier<br />
Ansätze aufzuschlüsseln. Dabei gehen alle Ansätze davon aus, dass die <strong>Jugend</strong>lichen<br />
spezifische Gebrauchsspuren im öffentlichen urbanen Raum hinterlassen und sich<br />
öffentliche Wän<strong>de</strong> durch <strong>Graffiti</strong> bildlich aneignen. Differenziert wer<strong>de</strong>n die<br />
Aneignungsformen anhand <strong>de</strong>r Entscheidungshoheit über die Entstehung <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong> im<br />
öffentlichen urbanen Raum.<br />
Die Arbeit strukturiert sich wie folgt: Zunächst wird in die allgemeinen theoretischen<br />
Grundlagen eingeführt. Hier wer<strong>de</strong>n vor allem Begrifflichkeiten und <strong>de</strong>ren<br />
Zusammenhänge geklärt und dargestellt. Darauffolgend wer<strong>de</strong>n die einzelnen Ansätze<br />
in ihren spezifischen theoretischen Grundlagen, ihrer Methodik und ihren Ergebnissen<br />
dargestellt. Dabei geht es beim gesteuerten Ansatz um das Aushan<strong>de</strong>ln in Bezug auf<br />
das Aussehen öffentlicher städtischer Räume. Hierbei stellt <strong>Graffiti</strong> eine Möglichkeit dar,<br />
die aber häufig stark durch städtische Organisationen / Institutionen reglementiert wird.<br />
Beim initiativen Ansatz wird <strong>Jugend</strong>lichen mit Hilfe pädagogischer und künstlerischer<br />
Unterstützung die Möglichkeit gegeben, das Äußere ihrer <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung<br />
durch <strong>Graffiti</strong> zu gestalten. Der kommunikative Ansatz geht vor allem <strong>de</strong>r Frage nach,<br />
inwieweit <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen durch die Ausdrucksform <strong>Graffiti</strong> die<br />
Option - eine Aussage im öffentlichen urbanen Raum treffen zu können - offen steht<br />
und inwiefern sie dadurch das Stadtbild verän<strong>de</strong>rn. Abschließend wer<strong>de</strong>n die<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>r Ansätze in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschie<strong>de</strong>n vergleichend<br />
dargestellt.<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n widmet sich die Arbeit zunächst <strong>de</strong>r Bestimmung einzelner Begriffe.<br />
2
2. Zusammenhang <strong>Jugend</strong>, öffentlicher Raum, Aneignung und <strong>Graffiti</strong><br />
Der <strong>Jugend</strong>begriff ist durch Heterogenität bzgl. seiner Konzepte, Betrachtungsweisen<br />
und Definitionen in <strong>de</strong>n Sozial- und weiteren Wissenschaften gekennzeichnet. Einigkeit<br />
besteht in <strong>de</strong>r Herausbildung <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong> als eigenständige Phase seit Beginn <strong>de</strong>s 20.<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts (vgl. San<strong>de</strong>r 2000). Infolge wird <strong>Jugend</strong> als eine altersspezifische<br />
Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter verstan<strong>de</strong>n. Zu einer<br />
klareren Abgrenzung <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>phase wer<strong>de</strong>n jedoch verschie<strong>de</strong>ne Kriterien<br />
herangezogen.<br />
Ein Kriterium, <strong>de</strong>m unterschiedliche Gewichtung in Ansätzen <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>forschung<br />
zukommt, ist die Festlegung <strong>de</strong>r Altersgrenze. Schrö<strong>de</strong>r (2005) grenzt die <strong>Jugend</strong>phase<br />
im Zeitraum von 9 bis 30 Jahren ein. Nach dieser Definition beginnt die <strong>Jugend</strong>phase<br />
mit <strong>de</strong>m Einsetzen <strong>de</strong>r Pubertät und frühen Adoleszenz. Kennzeichnend hierfür sind<br />
sowohl die biologischen Verän<strong>de</strong>rungen bei 9 bis 13 Jährigen auf <strong>de</strong>m Weg zur<br />
biologischen Reife als auch die daraus folgen<strong>de</strong>n subjektiven psychischen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen bei 14 bis 16 Jährigen.<br />
In <strong>de</strong>r darauf folgen<strong>de</strong>n mittleren Adoleszenz wird sowohl die biologische Reife im Alter<br />
von 14 bis 16 Jahren erlangt als auch gesellschaftliche Rollen übernommen und soziale<br />
Beziehungen außerhalb <strong>de</strong>s Elternhauses, bspw. in peer groups, erprobt. Aufgrund <strong>de</strong>r<br />
gewachsenen und qualitativen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Cliquen und Szenen <strong>Jugend</strong>licher,<br />
wer<strong>de</strong>n diese zu einem zentralen Sozialisationsfaktor. Im Alter von 18 bis19 Jahren wird<br />
darüber hinaus die ökonomische Unabhängigkeit vorbereitet bzw. teilweise erlangt.<br />
Die späte Adoleszenz umfasst junge Erwachsene im Alter von 18-19 Jahren und 25-30<br />
Jahren (vgl. Schrö<strong>de</strong>r 2005: 90 ff.). Hier zeigt sich, dass das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Adoleszenz<br />
ungleich schwieriger zu <strong>de</strong>finieren ist (vgl. San<strong>de</strong>r).<br />
Ein weiteres Kriterium <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>phase ist die I<strong>de</strong>ntitätsbildung. In dieser wird eine<br />
Persönlichkeitsstruktur entwickelt, Individualität profiliert und sich gegenüber An<strong>de</strong>ren,<br />
insbeson<strong>de</strong>re Erwachsenen, abgegrenzt (vgl. Schrö<strong>de</strong>r 2005: 90 ff.). Ein notwendiger<br />
Versuch I<strong>de</strong>ntität zu gewinnen und/o<strong>de</strong>r zu behaupten besteht beispielsweise in <strong>de</strong>r<br />
symbolischen Besetzung und/o<strong>de</strong>r Aneignung <strong>de</strong>s Lebensraums. Das Raum und<br />
I<strong>de</strong>ntität einan<strong>de</strong>r bedingen ver<strong>de</strong>utlicht Schumann an <strong>de</strong>r hohen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />
Kin<strong>de</strong>rzimmers, <strong>de</strong>mnach die Aneignung <strong>de</strong>s Raums die Möglichkeit zur<br />
3
4<br />
Individualisierung im familiären Bereich bietet. Raumaneigung fin<strong>de</strong>t darüber hinaus<br />
auch in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit statt. Die beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r öffentlichen Räume für<br />
das soziale Lernen, Interagieren und die I<strong>de</strong>ntitätsbildung hebt u.a. Frey (2004) hervor.<br />
<strong>Jugend</strong>liche lernen hier insbeson<strong>de</strong>re durch die Begegnung mit Peers Raum zu<br />
ergreifen, sich darin zu positionieren und sich auf diese Weise Raum anzueignen. Die<br />
Raumaneigung dient hierbei u.a. <strong>de</strong>r Entstehung von Freundschaften und in<br />
soziokulturelle Milieus hinein zu wachsen – folglich <strong>de</strong>r sozialen Integration. Dabei<br />
gewinnt <strong>de</strong>r öffentliche urbane Raum in <strong>de</strong>r mittleren und späteren Adoleszenz<br />
zunehmend an Be<strong>de</strong>utung, <strong>de</strong>nn in diesen Phasen verknüpfen sich verstärkt<br />
Individualität und soziale Integration bei <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntitätsbildung. Übergreifend lässt sich<br />
feststellen, dass <strong>Jugend</strong>liche, gera<strong>de</strong> in Bezug auf das informelle Lernen, <strong>de</strong>n<br />
öffentlichen Raum brauchen. Hier kann soziale Kompetenz in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Gruppen, <strong>de</strong>r Umgang mit Frem<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r neuen Situationen erprobt wer<strong>de</strong>n. Neue<br />
Gegebenheiten führen zu einem erweiterten Handlungsraum und damit zu einem<br />
größeren Verhaltensrepertoire. Dieses erhöht infolge die personale Kompetenz (vgl.<br />
Deinet 2004: 177). <strong>Jugend</strong>liche eignen sich aufgrund <strong>de</strong>ssen, auch außerhalb <strong>de</strong>r<br />
Normorientierung, öffentlichen urbanen Raum mit jugendkulturellen Formen an. Dies<br />
geschieht u.a. durch <strong>Graffiti</strong>.<br />
Nach Frey konstituiert sich dieser öffentliche urbane Raum erst durch <strong>de</strong>ssen Nutzung<br />
(vgl. Frey 2004: 223 f.). D.h. also die durch Han<strong>de</strong>ln erfolgte Aneignung von Räumen,<br />
begrün<strong>de</strong>t und modifiziert <strong>de</strong>n Raum. Ebenso wirken die räumlichen Strukturen wie<strong>de</strong>r<br />
auf die Personen ein. Der öffentliche Raum stellt damit das Resultat eines langen<br />
wechselseitigen Prozesses dar (vgl. Frey 2004: 219 ff.). Eine allgemeingültige Definition<br />
existiert allerdings nicht. Vielmehr <strong>de</strong>terminieren auch hier verschie<strong>de</strong>ne Merkmale wie<br />
Zugänglichkeit, Nutzungsformen, <strong>de</strong>mokratische Repräsentanz, Kommunikation,<br />
Interaktion und I<strong>de</strong>ntität (vgl. Frey 2004: 223) <strong>de</strong>n Begriff. Eine mögliche Annäherung<br />
kann über spezifische Räume, welche die Stadt kennzeichnen, wie beispielsweise<br />
Fußgängerzonen, Passagen- o<strong>de</strong>r natürliche Räume wie Stadtwäl<strong>de</strong>r, Seeufer,<br />
erfolgen. Zur Begriffsbestimmung eignen sich sowohl die sich im öffentlichen Eigentum<br />
befindlichen Plätze, Parks und Promena<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Stadt als auch die Flächen, die<br />
unabhängig vom Eigentumsrecht, von <strong>de</strong>r Öffentlichkeit genutzt wer<strong>de</strong>n. Darüber<br />
hinaus wer<strong>de</strong>n öffentliche Gebäu<strong>de</strong> und Universitäten, durch bestimmte Nutzungszeiten<br />
o<strong>de</strong>r -gruppen bestimmt. Ebenso wie öffentlich nutzbare, aber in Privateigentum<br />
befindliche Räume, etwa Einkaufspassagen und Bahnhöfe. Weitere
5<br />
Begriffsbestimmungen schließen Straßen, Stadtautobahnen, Parkplätze und<br />
Bahngelän<strong>de</strong> ein. Klaus Selle schlägt <strong>de</strong>mgemäß vor, <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
urbanen Raumes nach Erkenntnisinteresse und Verwendungszweck zu <strong>de</strong>finieren (vgl.<br />
Selle 2002: 25). Dementsprechend erfolgt eine nähere Bestimmung innerhalb <strong>de</strong>r<br />
einzelnen Ansätze (siehe Kapitel 3).<br />
Unabhängig von <strong>de</strong>r näheren Bestimmung <strong>de</strong>s öffentlichen urbanen Raumes sind<br />
allgemeine Entwicklungen von Nutzungs- und Aneignungskonflikten im öffentlichen<br />
Raum erkennbar. Diese Nutzungs- und Aneignungskonflikte stehen in Abhängigkeit<br />
zum Machtpotential <strong>de</strong>r sozialen Akteure. Bourdieu ver<strong>de</strong>utlicht dieses Machtpotential<br />
anhand von Kapitalarten und Kapitalvolumen. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich um verschie<strong>de</strong>ne<br />
Ressourcen, die einer Person in unterschiedlichem Maße zur Verfügung stehen.<br />
Bourdieu differenziert dabei zwischen ökonomischem, kulturellem, sozialem und<br />
symbolischem Kapital. Unter ökonomischem Kapital subsumiert Bourdieu<br />
beispielsweise Finanzen, Eigentum an Produktionsmitteln und Immobilien. Das<br />
kulturelle Kapital bezieht sich nach Bourdieu u.a. auf Bildung, Wissen und Kulturgüter<br />
(Kunstwerke), und unter sozialem Kapital lassen sich unter an<strong>de</strong>rem freundschaftliche,<br />
verwandtschaftliche o<strong>de</strong>r auch berufliche Beziehungen fassen (vgl. Bourdieu 1997: 49-<br />
79). Unter symbolischem Kapital versteht Bourdieu die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Anerkennung<br />
<strong>de</strong>r drei Kapitalsorten die sowohl Individuen als auch Gruppen durch Verwendung <strong>de</strong>s<br />
gesellschaftlichen Symbolsystems gewinnen können. Dies beinhaltet beispielsweise<br />
das jeweilige Renommee o<strong>de</strong>r Prestige (vgl. Schilcher 2005).<br />
Anhand <strong>de</strong>s jeweiligen Kapitalvolumens ist eine materielle und o<strong>de</strong>r symbolische<br />
Aneignung im öffentlichen urbanen Raum möglich. Darüber ereignen sich in <strong>de</strong>m<br />
öffentlichen urbanen Raum, laut Frey, Machtkämpfe um seltene öffentliche und private<br />
Güter. Eine größere Machtposition ergibt sich <strong>de</strong>mzufolge aus <strong>de</strong>m Besitz einzelner<br />
Kapitalsorten und <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Kapitalvolumens <strong>de</strong>r einzelnen sozialen Akteure (vgl. Frey<br />
2004: 224). Dabei unterschei<strong>de</strong>t Frey, bezugnehmend auf Bourdieu, zwischen <strong>de</strong>r<br />
Aneignung von Dingen und urbanen öffentlichen Räumen (vgl. Frey 2004: 225). Zur<br />
Aneignung öffentlicher Räume rechnet hier Frey die Aneignung von Haltungen und<br />
Verhaltensweisen hinzu (vgl. ebenda). Dabei differenziert Frey unter <strong>de</strong>r Aneignung<br />
öffentlicher Räume wie<strong>de</strong>rum drei Formen <strong>de</strong>r Aneignung. Dies sind die Aneignung von<br />
Raumverhältnissen, die Aneignung von Spielregeln und die Aneignung von<br />
Dienstleistungen und Gütern. Unter <strong>de</strong>r Aneignung von Raumverhältnissen versteht
6<br />
Frey das Erlernen und Übernehmen von Praktiken <strong>de</strong>r Positionierung <strong>de</strong>r sozialen<br />
Akteure im Raum. Hierzu zählt beispielsweise <strong>de</strong>r Umgang mit Raumverhältnissen,<br />
Raum zu ergreifen, Raum anzuerkennen, Grenzen zu überschreiten und neue Grenzen<br />
zu setzen. Unter <strong>de</strong>r Aneignung von Spielregeln versteht Frey das institutionalisierte<br />
und normative Regulationssystem und <strong>de</strong>ssen Regeln. Damit erfolgt eine soziale<br />
Kontrolle individueller Verhaltensweisen. „Das Erkennen dieser unterschiedlichen<br />
Spielregeln kann nun dazu führen, dass man auf diese Spielregeln einwirkt. Durch die<br />
physische Präsenz bestimmter „Kapitalträger“ im Raum, kann dieser gefüllt wer<strong>de</strong>n und<br />
mit eigenen Symbolen o<strong>de</strong>r Handlungen belegt wer<strong>de</strong>n.“ (Frey 2004: 226)<br />
Als letzte Form innerhalb <strong>de</strong>r Aneignung <strong>de</strong>s öffentlichen urbanen Raums nennt Frey<br />
die Aneignung von Gütern und Dienstleistungen. Hierbei ver<strong>de</strong>utlich Frey vor allem,<br />
dass die Ungleichheitsordnung städtischer Strukturen, über die Klassen- und<br />
Geschlechtszugehörigkeit, an das Individuum gebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und daraus die<br />
Ausprägung <strong>de</strong>s Raumes manifestiert wird. Ausschließlich im Zusammenhang mit<br />
benachteiligten Stadtquartieren weist Frey darauf hin, dass „vor allem Kin<strong>de</strong>rn und<br />
<strong>Jugend</strong>lichen (…) damit die Möglichkeit genommen (ist), sich die kulturellen und<br />
sozialen Praktiken <strong>de</strong>r Mehrheitsgesellschaft anzueignen“ (vgl. ebenda). Darüber<br />
hinaus stellt sich die Frage inwieweit Kin<strong>de</strong>rn und <strong>Jugend</strong>lichen auch außerhalb<br />
benachteiligter Stadtquartiere <strong>de</strong>r Zugang zu kulturellen und sozialen Praktiken <strong>de</strong>r<br />
Mehrheitsgesellschaft offen steht.<br />
Diese Formen ver<strong>de</strong>utlichen die Nutzungs- und Aneignungskonflikte, die sich innerhalb<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen urbanen Raums ergeben. Daraus lässt sich die frappieren<strong>de</strong><br />
Chancenungleichheit in <strong>de</strong>r Nutzung <strong>de</strong>s öffentlichen Raums ableiten. Insbeson<strong>de</strong>re in<br />
<strong>de</strong>r Herausbildung <strong>de</strong>s öffentlichen Stadtbil<strong>de</strong>s zeigt sich, dass durch bewusst platzierte<br />
Symbole und Zeichen konstituiert, insbeson<strong>de</strong>re von ausgewählten sozialen Gruppen<br />
eine Selbstdarstellung und das Einbringen von Wertpräferenzen legitimiert wird (vgl.<br />
Frey 2004: 224). Augenscheinlich mögen alle sozialen Akteure die gleichen Chancen<br />
haben sich die öffentlichen urbanen Räume anzueignen, jedoch ist es von <strong>de</strong>r Kapitalart<br />
und <strong>de</strong>m Kapitalvolumen abhängig. Dies führt zu einem öffentlichen Image <strong>de</strong>s<br />
Stadtraums, in <strong>de</strong>m sich eine Vielzahl „ausgewählter“ lokaler Kulturen offenbaren.<br />
<strong>Jugend</strong>kulturen entwickeln aber, trotz <strong>de</strong>r im urbanen öffentlichen Raum funktionalen<br />
Zwecksetzung, vielfältige Strategien <strong>de</strong>r konkreten symbolischen Aneignung zu<br />
eigensinnigen Zwecken (vgl. Scherr 2004: 172). Eine Form <strong>de</strong>r symbolischen
7<br />
Aneignung ist <strong>Graffiti</strong> (Reutlinger 2005: 402). Im Zusammenhang mit subkulturellen Auf-<br />
und Inschriften verwen<strong>de</strong>te 1967 Robert Reisner als erster <strong>de</strong>n Begriff <strong>Graffiti</strong><br />
(http://www.schule.bremen.<strong>de</strong>/graffiti/gft/gfta/gft10.html#gft31). Zu Beginn <strong>de</strong>r 70er<br />
Jahre entstehen <strong>Graffiti</strong> als suburbane <strong>Jugend</strong>kultur in <strong>de</strong>n New Yorker Stadtteilen<br />
Bronx, Brooklyn und Queens. Erst um 1980 greift diese jugendkulturelle Bewegung auf<br />
Europa über. Die <strong>Jugend</strong>lichen orientieren sich an <strong>de</strong>n New Yorker Sprayern und<br />
übernehmen <strong>de</strong>ren Bild- und charakteristische Sprachstile, aber auch Musik und<br />
Kleidung haben in diesem Zusammenhang ein großes I<strong>de</strong>ntifikationspotential. Bis heute<br />
ist <strong>de</strong>r "inoffizielle" Charakter einer Botschaft, wie er sich bereits in <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>r<br />
New Yorker <strong>Graffiti</strong>szene fin<strong>de</strong>t, ein fester Bestandteil <strong>de</strong>r Bestimmung <strong>de</strong>s Begriffs<br />
<strong>Graffiti</strong>. So auch in <strong>de</strong>r Definition <strong>de</strong>s Wiener Psychologen Norbert Siegl: "<strong>Graffiti</strong><br />
(Einzahl Graffito) ist ein Oberbegriff für viele thematisch und gestalterisch<br />
unterschiedliche Erscheinungsformen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass es sich<br />
um visuell wahrnehmbare Elemente han<strong>de</strong>lt, welche "ungefragt" und meist anonym, von<br />
Einzelpersonen o<strong>de</strong>r Gruppen auf frem<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r in öffentlicher Verwaltung befindlichen<br />
Oberflächen angebracht wer<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Variante <strong>de</strong>s graffiti-writings <strong>de</strong>r<br />
Sprayer bezieht <strong>de</strong>r Begriff auch offiziell ausgeführte Auftragsarbeiten und künstlerische<br />
Produktionen mit ein" (http://www.graffitieuropa.org/<strong>de</strong>finition.htm).<br />
Zusammenfassend lässt sich also bisher festhalten, dass <strong>Jugend</strong> eine altersspezifische<br />
Übergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter ist. Zur Herausbildung ihrer<br />
I<strong>de</strong>ntität brauchen Heranwachsen<strong>de</strong> die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m sie umgeben<strong>de</strong>n<br />
Raum. In öffentlichen Räumen wer<strong>de</strong>n in<strong>de</strong>s Aneignungshandlungen von <strong>Jugend</strong>lichen<br />
blockiert. Trotz<strong>de</strong>m entwickeln <strong>Jugend</strong>kulturen vielfältige Strategien, wie beispielsweise<br />
<strong>Graffiti</strong>, zur konkreten symbolischen Aneignung <strong>de</strong>s öffentlichen urbanen Raums.<br />
3. Ansätze <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> durch <strong>Graffiti</strong><br />
Wie unterschiedlich sich die Art und Weise <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> durch <strong>Graffiti</strong> gestaltet,<br />
wird noch immer in <strong>de</strong>n Darstellungen <strong>de</strong>r Szene häufig außer Acht gelassen. Dieser<br />
Differenzierung widmet sich daher das folgen<strong>de</strong> Kapitel anhand dreier Ansätze.<br />
3.1 Zum gesteuerten Ansatz<br />
Zunächst wird <strong>de</strong>r Fokus auf die gesteuerte Aneignung gelegt, nachfolgend wer<strong>de</strong>n die<br />
initiative Aneignung und die kommunikative Aneignung dargestellt.
3.1.1 Zum theoretische Ansatz <strong>de</strong>r gesteuerten Aneignung<br />
Dahingehend soll noch einmal <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>s „städtischen“ und damit urbanen weiter<br />
ausgeführt wer<strong>de</strong>n. Siebel versteht unter Urbanität eine Lebensweise, die sich durch<br />
Intellektualität und Distanziertheit auszeichnet (Selle 2003: 115 u. 117). Urbanität lässt<br />
sich ausführen als ein dichtes Nebeneinan<strong>de</strong>r von Fremdheiten, was Aggressionen und<br />
Abneigung hervorrufen kann („Urbanität ist gezähmte Abneigung“) (Selle 2003: 117).<br />
Aufgrund dieser Tatsache spricht Siebel von einer guten Stadt, wenn sie zum einen<br />
Sicherheit und Ordnung bietet, zu<strong>de</strong>m aber auch Raum für Unordnung und<br />
Unsicherheit, unter Umstän<strong>de</strong>n auch Aktivitäten gegen die öffentliche Ordnung zulässt.<br />
Die Unüberschaubarkeit <strong>de</strong>r Stadt ist dafür wesentliche Voraussetzung. Damit sind in<br />
<strong>de</strong>n Städten die ausgefallensten Verhaltensweisen o<strong>de</strong>r Bedürfnisse möglich. Durch die<br />
Anonymität <strong>de</strong>r Großstadt wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rartige Individualitäten nicht sofort sanktioniert und<br />
auf eine gängige Norm hin angepasst. Neben diesem Emanzipationsgedankens <strong>de</strong>r<br />
Stadtkultur, <strong>de</strong>r im Hinblick auf die jugendlichen Sprayer einen Entwurf von Urbanität<br />
zeichnet, <strong>de</strong>r Nischen für das Ausleben ihrer <strong>Jugend</strong>kultur bietet (Selle 2003: 117),<br />
muss die Stadt aber auch <strong>de</strong>m Bedürfnis nach Heimat, nach einem Ort <strong>de</strong>r<br />
I<strong>de</strong>ntifikation, an <strong>de</strong>m man erkannt wird und an<strong>de</strong>re wie<strong>de</strong>r erkennt und Ort <strong>de</strong>r<br />
Aneignung o<strong>de</strong>r Vertrautheit nachkommen. Die Stadt muss somit in Wi<strong>de</strong>rsprüchen<br />
gedacht wer<strong>de</strong>n. Dabei geht es um Ordnung und Chaos, Öffentlichkeit und Privatheit,<br />
Gleichgültigkeit und zielbewusstem eigenem Engagement <strong>de</strong>r Großstädter, einer<br />
vertrauten Nachbarschaft und einem Offenlassen <strong>de</strong>r Optionen (Selle 2003: 120).<br />
Öffentliche Räume, so fährt Herlyn fort, verlieren aber mit zunehmen<strong>de</strong>r sozialer<br />
Selektivität und einem offensichtlichen Trend zur Privatisierung an ihrer<br />
charakteristischen städtischen Vielfalt. Wohnquartiere und städtische Peripherien sind<br />
insbeson<strong>de</strong>re durch halb-öffentliche Räume <strong>de</strong>terminiert, die zum einen einer unklaren<br />
Bestimmung unterliegen o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>nen die genannte großstadttypische soziale Distanz<br />
oftmals weitgehend fehlt (Selle 2003: 123 f.). Um an dieser Stelle <strong>de</strong>m städtischen<br />
Charakter mit seinen Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten und <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Bedürfnissen<br />
<strong>de</strong>r Großstadt-Bewohner gerecht zu wer<strong>de</strong>n, bedarf es nach Herlyn <strong>de</strong>r „Revitalisierung<br />
öffentlicher Räume“, was wesentliche Aspekte unserer, wie wir es in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Arbeit bezeichnen wollen, Kategorie <strong>de</strong>r gesteuerten Aneignung von städtischem<br />
öffentlichem Raum anspricht. Herlyns Schwerpunkte einer stabilen lokalen Öffentlichkeit<br />
sind dabei: Die Ermöglichung von Begegnungen, Kontrolle und Sicherung <strong>de</strong>r<br />
öffentlichen Räume, För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r öffentlichen Stadtteilkultur und Schaffung von<br />
ästhetischer Akzeptanz. Dabei geht es immer wie<strong>de</strong>r darum Monofunktionalisierungen<br />
8
9<br />
zu verhin<strong>de</strong>rn und die Attraktivität <strong>de</strong>r öffentlichen Räume durch Kooperation <strong>de</strong>r<br />
unterschiedlichen Akteure (Bewohner und soziale Institutionen, kommunale<br />
Einrichtungen usw.) zu erhöhen. Die Bedürfnisse und Ansprüche <strong>de</strong>r Stadtbewohner an<br />
die Ausgestaltung städtischer Räume, im herangezogenen Text von Herlyn bezogen<br />
auf Wohnquartiere, sollen dabei wahrgenommen und nach einem gemeinsamen<br />
Aushandlungs- und Diskussionsprozess entsprechend weitgehend realisiert wer<strong>de</strong>n. Im<br />
Punkt <strong>de</strong>r Schaffung von ästhetischer Akzeptanz weist Herlyn explizit, in Anlehnung an<br />
die Heimats- und I<strong>de</strong>ntifikationsfunktion <strong>de</strong>r Stadt, auf die emotional-ästhetische<br />
Bindung hin. Nur aufgrund einer emotionalen Bejahung von Struktur und Aussehen <strong>de</strong>s<br />
Wohn- und Lebensraumes, sind die Bewohner bereit sich dafür zu engagieren und dort<br />
zu bleiben. Der öffentliche Raum nimmt durch seine relativ großen Möglichkeiten <strong>de</strong>r<br />
Nutzung und Gestaltung eine beson<strong>de</strong>rs wichtige Stellung in <strong>de</strong>r Stadtstruktur ein.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re das Mittel <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n Kunst bewertet auch <strong>de</strong>r Autor als sehr<br />
schwierig. Wünsche und Bewertungen sind dahingehend zum einen gruppenspezifisch,<br />
z.B. je nach Alter, Lebenslauf und Milieu sehr divers (Selle 2003: 124 ff.).<br />
Überträgt man nun <strong>de</strong>n dargestellten Gedankengang auf die jugendlichen <strong>Graffiti</strong>-<br />
Sprayer, so soll hier die These aufgestellt wer<strong>de</strong>n, dass <strong>Jugend</strong>liche die Stadt, in <strong>de</strong>r<br />
sie wohnen als Ort <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntifikation ansehen und sie sich dort heimisch fühlen wollen.<br />
Um das zu erreichen, wollen sie ihre Bedürfnisse in <strong>de</strong>m öffentlichen Raum <strong>de</strong>r Stadt<br />
einbringen – im eigenen Wohnbezirk, aber auch, wie wir erweitern wollen, darüber<br />
hinaus. Die Art <strong>de</strong>s Bedürfnisses, anhand <strong>de</strong>ssen Aneignung stattfin<strong>de</strong>t, grün<strong>de</strong>t, wie in<br />
Kapitel zwei dargestellt, auf jugendlichem Abgrenzungswillen von <strong>de</strong>r Erwachsenenwelt<br />
in <strong>de</strong>r Adoleszenzphase, um ihre eigene I<strong>de</strong>ntität zu fin<strong>de</strong>n. Auch diese, von <strong>de</strong>r<br />
Verhaltensnorm abweichen<strong>de</strong>n Bedürfnisse <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong>szene bedürfen in einer „guten<br />
Stadt“ <strong>de</strong>r Anerkennung und Integration. Das benannte Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />
unterschiedlichster Bedürfnisse in <strong>de</strong>r Stadt, was in eine Kooperation, in einen<br />
Aushandlungsprozess mün<strong>de</strong>n sollte, kann auch als eine „Steuerung“ bezeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n, um ein „zuviel“ o<strong>de</strong>r „zu-wenig“ <strong>de</strong>s Vorkommens bzw. <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong><br />
einer bestimmten städtischen Gruppierung o<strong>de</strong>r eines einzelnen Akteurs zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Die konkurrieren<strong>de</strong>n Nutzungsinteressen und Symboliken bil<strong>de</strong>n, wie auch Stephan<br />
Lenz beschreibt, bestehen<strong>de</strong> Machtverhältnisse ab und stellen diese auch immer<br />
wie<strong>de</strong>r neu her (Selle 2003: 156).<br />
Aufgrund dieser Tatsache kommt <strong>de</strong>m Moment <strong>de</strong>r Steuerung, <strong>de</strong>r Definitionsmacht<br />
über die zugelassenen Nutzungsformen auch ein beson<strong>de</strong>res Gewicht zu. Der Gefahr<br />
<strong>de</strong>r Verdrängung unerwünschter Submilieus, in<strong>de</strong>m sie als Störfaktoren einer
10<br />
bestimmten maßgeben<strong>de</strong>n Vorstellung von <strong>de</strong>r Qualität und <strong>de</strong>m Aussehen urbaner<br />
Räume tituliert wer<strong>de</strong>n (Selle 2003: 157) muss in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung<br />
beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit geschenkt wer<strong>de</strong>n.<br />
Dem Prozess <strong>de</strong>r Steuerung, <strong>de</strong>r vor allem in <strong>de</strong>r Großstadt umgesetzt wird und dort<br />
eine wesentliche Rolle spielt und wie er ganz unterschiedlich abläuft, möchte ich im<br />
Folgen<strong>de</strong>n mit Hilfe <strong>de</strong>r durchgeführten Interviews nachgehen. Damit soll eine<br />
systematische Hypothesentestung <strong>de</strong>r soeben dargestellten Theorie geleistet wer<strong>de</strong>n<br />
(Deppermann 1999: 102).<br />
3.1.2 Darstellung <strong>de</strong>r Forschungsmetho<strong>de</strong><br />
Die verwen<strong>de</strong>ten Interviews sind im Rahmen einer qualitativen Befragung mittels eines<br />
Leitfrageninterviews (Mayer 2002: 46 f.), was die freiwillige Teilnahme <strong>de</strong>r<br />
Interviewpartner voraussetzt, wobei die konkrete Formulierung und Reihenfolge <strong>de</strong>r<br />
Fragen variieren und <strong>de</strong>r Interviewpartner frei auf die Fragen antworten kann, (Mayring<br />
1995: 44) entstan<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>n drei städtischen Akteuren, die für <strong>de</strong>n gesteuerten<br />
Ansatz befragt wur<strong>de</strong>n han<strong>de</strong>lt es sich um zwei sogenannte Experten (weitere<br />
Erläuterungen und Definitionen zum Expertenbegriff in 3.2.2), d.h. Vertreter von<br />
Institutionen o<strong>de</strong>r städtischen Organisation (Mitarbeiterin <strong>de</strong>r PR-Abteilung <strong>de</strong>r<br />
Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE in Berlin-Hohenschönhausen, Mitarbeiterin <strong>de</strong>r<br />
PR-Abteilung <strong>de</strong>r technischen Fachhochschule Berlin-Wedding). Sie versuchen<br />
zwischen unterschiedlichsten Interessen einen Kompromiss herzustellen Bei <strong>de</strong>r vierten<br />
Person han<strong>de</strong>lt es sich um Gino Fuchs, einem älteren jugendlichen Sprayer, <strong>de</strong>r als<br />
Selbständiger Auftragsarbeiten übernimmt. Diese drei herangezogenen Interviews<br />
können keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben. Sie sollen als ausgewählte<br />
Beispiele aus unterschiedlichsten städtischen Bereichen Berlins dienen, anhand <strong>de</strong>rer<br />
zum einen die Existenz dieser Kategorie <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> nachgewiesen, zum<br />
an<strong>de</strong>ren diese vertiefter und angereicherter mit <strong>de</strong>ren subjektiven Erfahrungswelten und<br />
Motivationen erfasst wer<strong>de</strong>n soll. Nachzugehen ist dabei <strong>de</strong>n Fragen, welche<br />
Interessen nach welchen Kriterien und in welchem Ausmaß eine Umsetzung im<br />
städtischen Erscheinungsbild <strong>de</strong>r öffentlichen Räume erfahren haben (Macht).<br />
In <strong>de</strong>r Kategorie <strong>de</strong>r gesteuerten Aneignung wird grundlegend von einem relativ<br />
geringen Macht- und Einflusspotential <strong>de</strong>r sprayen<strong>de</strong>n <strong>Jugend</strong>lichen in <strong>de</strong>r Stadt<br />
ausgegangen. Die Interviews, die anhand eines Leitfa<strong>de</strong>ns geführt wur<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong>n<br />
vollständig transkribiert, nach<strong>de</strong>m sie zuvor auf Tonband aufgenommen wur<strong>de</strong>n.<br />
Dadurch liegt das Datenmaterial fortlaufend relativ unverfälscht vor, es lässt sich somit
11<br />
auch <strong>de</strong>r Kontext wie<strong>de</strong>rherstellen und Feinheiten nachvollziehen und analysieren<br />
(Froschauer/Lueger 1998: 61).<br />
3.1.3 Ergebnisse <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>ninterviews<br />
Die Mitarbeiterin <strong>de</strong>r Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE (Frau R.) fasst die<br />
emotionale Bindung und I<strong>de</strong>ntifikation, das „Sich-zuhause-fühlen“ an einem Ort/in<br />
einem Bereich <strong>de</strong>r Stadt unter <strong>de</strong>r Begrifflichkeit <strong>de</strong>r „Wohnumfeldgestaltung“, worin<br />
entsprechend die <strong>Graffiti</strong>s in speziellen Durchgängen <strong>de</strong>r Häuser fallen, die <strong>de</strong>n<br />
Ausgangspunkt für eine Interviewanfrage bei <strong>de</strong>r HOWOGE für uns darstellten.<br />
Weiterhin betont Frau R. eine offensive Umgehensweise mit sprayen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn und<br />
<strong>Jugend</strong>lichen unterschiedlichen Alters, trotz<strong>de</strong>m die nur „…´nen verschwin<strong>de</strong>nd kleinen<br />
Teil <strong>de</strong>r Bewohner [darstellen], die also sozusagen dann bei vielen ´n Ärgernis<br />
hervorrufen“ (Interview HOWOGE: 2).<br />
Die Motive von Seiten <strong>de</strong>r Wohnungsbaugesellschaft für jegliches Zulassen von o<strong>de</strong>r<br />
sogar einer Motivation zu <strong>Graffiti</strong> in <strong>de</strong>n öffentlichen Räumen <strong>de</strong>s Wohnbereichs<br />
bestehen im Einfluß auf die Gestaltung <strong>de</strong>r Wän<strong>de</strong> („…Wohnumfeld ooch gemacht und<br />
´ham dazu diverse <strong>Jugend</strong>liche aufgerufen, weil <strong>de</strong>n alten …ehem… Sprayerethos, <strong>de</strong>n<br />
kennt ja inzwischen fast je<strong>de</strong>r, dass ´ne besprühte Fläche nich wie<strong>de</strong>rbesprüht wird<br />
(recht schnell hintereinan<strong>de</strong>r) – das ist eigentlich <strong>de</strong>r Sinn. ….und ist noch was, was<br />
auch von <strong>de</strong>n Bewohnern wirklich angenommen wird…, ne? Also es ist nich so… das<br />
wird dann von ihnen schon… (zögernd) verstan<strong>de</strong>n! Eher, als wenn da irgendwelche<br />
Krakel sind… o<strong>de</strong>r irgendwelche nicht zu <strong>de</strong>chiffrieren<strong>de</strong>n Geschichten… da können sie<br />
damit anfangen!“ (Interview HOWOGE: 2).<br />
Dass <strong>Graffiti</strong>s entstehen scheint unvermeidlich, doch Ausmaß und Aussehen stehen<br />
zur Disposition. Die Bezeichnung <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong>s als „Krakel“ o<strong>de</strong>r „Geschmiere“, wie Sie<br />
einige <strong>Graffiti</strong>-Formen auch im Fortgang bezeichnet, <strong>de</strong>utet auf die ein<strong>de</strong>utig negative<br />
Bewertung <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Mieter wie auch <strong>de</strong>r HOWOGE-Mitarbeiterin hin. Fortführend<br />
steckt dies auch in <strong>de</strong>r juristischen Bewertung <strong>de</strong>r HOWOGE als Sachbeschädigung<br />
(„… es is ne Sachbeschädigung, das is Tatsache –) (Interview HOWOGE: 7). Insofern<br />
gilt es im Aushandlungsprozess zwischen <strong>Jugend</strong>lichen, <strong>de</strong>r HOWOGE und ihren<br />
Mietern insgesamt die <strong>Graffiti</strong>-Schä<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>m ihrem Wohnungsbestand (50.000 €) zu<br />
reduzieren und <strong>de</strong>m ästhetischen Empfin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r übrigen Bewohner<br />
entgegenzukommen („die Passanten, die vorbeikommen, die fin<strong>de</strong>n das gut, die fin<strong>de</strong>n<br />
das in Ordnung, weil es sieht eben… es sieht eben aus wie Bild (lacht)“) (Interview
12<br />
HOWOGE, 10). Daneben spricht Frau R. im Hinblick auf die <strong>Jugend</strong>lichen von einer<br />
Notwendigkeit diese in die Gesellschaft einzubin<strong>de</strong>n (Interview HOWOGE: 8 u. 5). Sie<br />
betont auch die Zielsetzung <strong>de</strong>r HOWOGE nicht nur Gebäu<strong>de</strong> zu verwalten, son<strong>de</strong>rn<br />
auch Aktivitäten im Kin<strong>de</strong>r- und <strong>Jugend</strong>freizeitbereich zu unterstützen. Der Effekt<br />
daraus habe wie<strong>de</strong>r direkte, angestrebte positive, Auswirkungen auf <strong>de</strong>n<br />
Häuserbestand <strong>de</strong>r Wohnungsbaugesellschaft („…wir sind eben <strong>de</strong>r Meinung, wenn<br />
man also vernünftige Freizeitangebote schafft– und da gehört das (<strong>Graffiti</strong>-Angebote)<br />
eben auch dazu – dann machen die Kin<strong>de</strong>r einfach nicht die Häuser kaputt“) (Interview<br />
HOWOGE: 5).<br />
Der Umfang <strong>de</strong>r Steuerung, <strong>de</strong>nn „…wir wollen se schon steuern in <strong>de</strong>m Prozess – das<br />
möchten wir schon gerne als Hauseigentümer…“ (Interview HOWOGE: 9) anhand von<br />
einschränken<strong>de</strong>n Vorgaben für die jugendlichen Sprayer, bezieht sich nach ihren<br />
Angaben lediglich auf ein Verbot von rassistischen, sexistischen Äußerungen o<strong>de</strong>r<br />
politischer Propaganda bei von ihnen erlaubten, <strong>Graffiti</strong>s. Grundsätzlich sind es die<br />
<strong>Jugend</strong>lichen, die ein <strong>Graffiti</strong> Projekt anstoßen müssen, insofern als dass sie eine<br />
bestimmte Wand vorschlagen und einen Entwurf für ein <strong>Graffiti</strong> an dieser Stelle<br />
einreichen. Aufgrund solcher spontaner einzelner Anfragen stimmt die HOWOGE dann<br />
zu o<strong>de</strong>r lehnt die Anfrage ab (Interview HOWOGE: 17).<br />
Nicht erlaubtes, also illegales Sprayertum entspricht gera<strong>de</strong> durch seine<br />
Unerwünschtheit <strong>de</strong>r Sachbeschädigung und wird von <strong>de</strong>r HOWOGE reglementiert.<br />
<strong>Jugend</strong>liche, die „erwischt“ wer<strong>de</strong>n, müssen diese <strong>Graffiti</strong>s „entfernen und sozusagen<br />
freiwillige soziale Arbeit leisten“ (Interview HOWOGE: 7). Zu<strong>de</strong>m wird es sehr positiv<br />
bewertet und geför<strong>de</strong>rt, dass auch die übrigen Mieter eine gewisse soziale Kontrolle<br />
über die jugendlichen Sprayer ausüben („…sind schon froh, wenn… wenn die Mieter<br />
och ´nen…´nen Auge haben… und die <strong>Jugend</strong>lichen ooch ansprechen (entschie<strong>de</strong>n)<br />
(Interview HOWOGE: 14).<br />
Ein Sich-Einbringen <strong>de</strong>r jugendlichen Sprayer mit ihren Interessen ist durch die<br />
Mieterzeitschrift, Mieterversammlungen o<strong>de</strong>r das Instrument <strong>de</strong>r Mieterbefragung,<br />
insbeson<strong>de</strong>re bei Fragen <strong>de</strong>r Wohnumfeldgestaltung, möglich und gewünscht, wird<br />
jedoch von <strong>de</strong>n <strong>Jugend</strong>lichen kaum genutzt (Interview HOWOGE: 9, 18,19).<br />
Insgesamt betont Frau R. die Ausbalancierung <strong>de</strong>r Bewohnerinteressen („...das sind<br />
alles Grenzen…es hat immer alles Grenzen… es is eben schwer das auszuloten…“)<br />
(Interview HOWOGE: 15) als gelungen, was sie an einer hohen Wohnzufrie<strong>de</strong>nheit
13<br />
festmacht. Dadurch „funktioniert“, wie sie es formuliert, <strong>de</strong>r Kiez und macht ein Zuhause<br />
aus, was das angestrebte Ziel <strong>de</strong>r HOWOGE (Interview HOWOGE: 5) ist.<br />
Bei <strong>de</strong>m zweiten Interviewpartner Gino Fuchs, ein in Berlin tätiger Auftrags-<strong>Graffiti</strong>-<br />
Künstler, stellt allein seine Entscheidung für eine Tätigkeit als Auftragskünstler einen<br />
Kompromiss dar zwischen zunächst einmal zwischen seiner Lei<strong>de</strong>nschaft <strong>Graffiti</strong>s zu<br />
entwerfen und dann zu realisieren - („…hauptsächlich geht’s mir eigentlich darum,<br />
irgendwie äh Sachen, die in meinem Kopf entstehen, halt auf die Wän<strong>de</strong> zu bringen.“)<br />
(Interview Gino Fuchs: 10) und auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite Geld für <strong>de</strong>n Lebensunterhalt zu<br />
verdienen. Er hat sich schon relativ zu Beginn seiner Sprayer-Karriere auf Aufträge<br />
konzentriert bzw. Bil<strong>de</strong>r in Absprache mit <strong>de</strong>n Eigentümern o<strong>de</strong>r Verwaltern gemalt.<br />
Auch innerhalb gegenwärtiger Aufträge geht es immer wie<strong>de</strong>r um Übereinkünfte und<br />
Aushandlungsprozesse zwischen <strong>de</strong>n beteiligten Akteuren.<br />
Motive <strong>de</strong>r Auftraggeber seien, nach Gino Fuchs, dass <strong>Graffiti</strong> wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>n besten<br />
<strong>Graffiti</strong>schutz (Kostengrün<strong>de</strong>) darstellt und dass darunter gerne eine „schöne, kunstvolle<br />
Form“ gewählt wird (Interview Gino Fuchs: 5 f. u. 27) und bspw. für Firmen o<strong>de</strong>r auch<br />
für Privatpersonen bestimmte Formen von <strong>Graffiti</strong> als Deko fungieren. (Interview Gino<br />
Fuchs: 8, 13). Aufgrund <strong>de</strong>r Auftragsarbeit jedoch, so betont er selbst („…ick male zwar<br />
so noch <strong>Graffiti</strong>, wat also och mehr zur Szene zugeordnet wer<strong>de</strong>n kann, aber die<br />
Auftragsarbeiten sind halt irgendwie nicht <strong>Graffiti</strong>, so, weil das sind einfach Aufträge, da<br />
ist halt och meistens in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n, wat ich für <strong>Graffiti</strong> halte, also<br />
wat <strong>de</strong>finitiv dazugehört, sind halt die janzen Bil<strong>de</strong>r, die man sieht an <strong>de</strong>r Bahnlinie, an<br />
<strong>de</strong>n Zügen, an Häuserwän<strong>de</strong>n, was och immer...“) (Interview Gino Fuchs: 1) stellt sich<br />
die Frage, ob seine Bil<strong>de</strong>r noch unter <strong>de</strong>n <strong>Graffiti</strong>begriff im engeren Sinn fallen.<br />
Beteiligt sind in <strong>de</strong>m Aushandlungsprozess die Auftraggeber, inzwischen zählen dazu<br />
Bezirksämter, Firmen, Agenturen, Wohnungsbaugesellschaften und Privatleute und<br />
Gino Fuchs (+ evtl. weitere). Nach<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Anfangszeit (vor 10 Jahren) die<br />
Entlohnung, man könnte es auch nennen: Honorierung, lediglich in Essen und Trinken<br />
o<strong>de</strong>r 50 Mark bestand, was noch nicht einmal für die Materialkosten reichte, ist die<br />
Bezahlung zunehmend angestiegen. Dies entwickelte sich entsprechend paralleler<br />
Fortentwicklung seines Könnens und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen zunehmen<strong>de</strong>n Popularität<br />
durch Mundpropaganda, Internet und größerem Repertoire seiner Bil<strong>de</strong>r im öffentlichen
14<br />
Raum und auch durch Illustrationen in seinen zwei Büchern (Interview Gino Fuchs: 5 f.<br />
u. 8 f.).<br />
Daraufhin hat sich auch bis zum heutigen Zeitpunkt verän<strong>de</strong>rt von welcher Seite die<br />
Initiative für die Gestaltung einer Wand ausgeht. Inzwischen ist es nicht mehr Gino<br />
Fuchs, <strong>de</strong>r eine Anfrage stellt, son<strong>de</strong>rn die (öffentlichen) Institutionen o<strong>de</strong>r private<br />
Akteure, die ihn ansprechen. Die Auftraggeber lassen ihm immer mehr Freiraum<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>r Gestaltung seiner Bil<strong>de</strong>r („Ab ’nem bestimmten Punkt war dann och<br />
egal, ach die haben jesagt: „Mach einfach!“, geben mir halt einfach nur ein Thema vor<br />
und ich kann mich da halt auslassen. Ick hab da och mehr o<strong>de</strong>r weniger fast alle<br />
Freiheiten, die man haben kann“) (Interview Gino Fuchs: 2, 5, 10). Die<br />
Preisvorstellungen können inzwischen zunächst durch Gino Fuchs vorgegeben<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn „man muss sich einfach mal äh vor Augen halten, dass das einfach Geld<br />
kostet, so, Kunst muss kosten“ (Interview Gino Fuchs: 14).<br />
Dem städtischen politischen Begegnen dieser <strong>Jugend</strong>kultur <strong>de</strong>s <strong>Graffiti</strong> (seiner Ansicht<br />
nach ca. 10.000 aktiver Sprayer in Berlin) durch zunehmen<strong>de</strong> Verbote, Verfolgung<br />
durch Hubschrauber und Dezimierung <strong>de</strong>r legalen Flächen, packe das Problem nicht an<br />
<strong>de</strong>n Wurzeln, son<strong>de</strong>rn treibe auch die kreativen Sprayer dazu, illegal zu malen<br />
(Interview Gino Fuchs: 17 f.).Insgesamt geht Gino Fuchs, anhand <strong>de</strong>r Feedbacks und<br />
Erfahrungen aufgrund seiner Tätigkeit, von einer langsam aber wachsen<strong>de</strong>n<br />
Anerkennung von <strong>Graffiti</strong> als Kunstform aus. <strong>Graffiti</strong> gehöre auch einfach in <strong>de</strong>n<br />
öffentlichen Raum (Interview Gino Fuchs: 24 f.).<br />
Vor <strong>de</strong>m Hintergrund dieser Aussage hat sich auch Gino Fuchs` Auftrag mit <strong>de</strong>r<br />
Technischen Fachhochschule Berlin entwickelt, was zu <strong>de</strong>r nächsten Interviewpartnerin<br />
Frau J., Leiterin <strong>de</strong>r dortigen Pressestelle, führt.<br />
Die allgemein wachsen<strong>de</strong> Anerkennung von <strong>Graffiti</strong> lässt sich bei Frau J. unter <strong>de</strong>r<br />
Aussage („..das war natürlich auch eine unglaublich medienwirksame Aktion. Wir hatten<br />
hier ganz viel Presse… Wir haben auch zu diesem Tag, wo gesprüht wur<strong>de</strong>, die Presse<br />
eingela<strong>de</strong>n… für uns [<strong>de</strong>r Hochschule]ganz gut“) (Interview TFH: 10) wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n. In<br />
<strong>de</strong>m fixieren<strong>de</strong>n Prozess, <strong>de</strong>r durch viele Vorgaben und langwieriges Abgleichen<br />
geprägt war, waren hier die TFH - dabei an erster das Präsidium, aber auch die<br />
Professoren, die PR-Abteilung und die Studieren<strong>de</strong>n – <strong>de</strong>r Denkmalschutz und Gino<br />
Fuchs die städtischen Akteure.
Ziele und Motivationen lagen zum einen darin, dass die Hochschule ihren Namen in<br />
Form eines Schriftzuges auf <strong>de</strong>r weit einsehbaren Außenwand notwendig platzieren<br />
wollte. Es ging darum etwas zielgruppengerechtes, die jugendlichen Stu<strong>de</strong>nten<br />
Repräsentieren<strong>de</strong>s und auch das inhaltliche Angebot <strong>de</strong>r Hochschule darstellen<strong>de</strong>s<br />
Innovatives und Fortschrittliches zu eruieren und gestalten zu lassen (Interview TFH: 1,<br />
4, 10). Im Weiteren nimmt auch Frau J. das Moment <strong>de</strong>s <strong>Graffiti</strong>schutzes auf („…weil<br />
auf dieser Wand bot sich immer viel Fläche für… eh... für die die Sprayer… und seit das<br />
<strong>Graffiti</strong> von Herrn Fuchs da ist... eh… eh... bleibt das halt… ist ja wohl <strong>de</strong>r „Respect“…)<br />
(Interview TFH: 4). Die Studieren<strong>de</strong>n, d.h. die Architekten stan<strong>de</strong>n, unter <strong>de</strong>r<br />
Argumentation es passe nicht zu <strong>de</strong>m Bauwerk, <strong>Graffiti</strong> eher kritisch gegenüber. Der<br />
Denkmalschutz, als weiterer <strong>de</strong>terminieren<strong>de</strong>r Faktor, strebte, aus <strong>de</strong>m Grund, dass <strong>de</strong>r<br />
Autofahrer, durch die weite Einsehbarkeit <strong>de</strong>r Fläche, „zu lange auf <strong>de</strong>m <strong>Graffiti</strong> klebt<br />
und sich zu… (langgezogen) wenig um <strong>de</strong>n Verkehr kümmert“ (Interview TFH: 5) ein<br />
möglichst unscheinbares Aussehen an. Für Gino Fuchs bestand, nach Ansicht von Frau<br />
J. <strong>de</strong>r Anreiz in <strong>de</strong>r Außergewöhnlichkeit, auch durch die Medienwirksamkeit, dieses<br />
Projektes. Seine in <strong>de</strong>m ganzen Aushandlungsprozess schließlich 30 Entwürfe<br />
orientierten sich jedoch <strong>de</strong>finitiv an einem farbigeren Konzept (Interview Gino Fuchs:<br />
15).<br />
<strong>Graffiti</strong> sei, so schließt sich Frau J. auch in diese Richtung tendieren<strong>de</strong> Aussagen von<br />
Gino Fuchs und Frau R. an und spitzt sie in <strong>de</strong>r Aussage „Kunst,… wenn es… toleriert<br />
ist und wenn es sozusagen vom Hausbesitzer gedul<strong>de</strong>t ist, find ich das erstrebenswert.<br />
Mich ärgert´s nur wenn ich Hausbesitzer wäre und ich kriege sozusagen illegale <strong>Graffiti</strong><br />
o<strong>de</strong>r nur Schmierereien – da find ich immer noch mal ´ner großer Unterschied, ob man<br />
wirklich plakativ wen erkennt o<strong>de</strong>r ob´s nur um diese Schriftzüge geht“ (Interview TFH:<br />
6) zu.<br />
Diese geschil<strong>de</strong>rte Form <strong>de</strong>s Kompromisses stellt das Ergebnis <strong>de</strong>r Kategorie <strong>de</strong>r<br />
gesteuerten Aneignung dar und veranschaulicht sich in <strong>de</strong>n realisierten <strong>Graffiti</strong>s.<br />
<strong>Graffiti</strong>s fin<strong>de</strong>n danach nur Akzeptanz und Anerkennung von Seiten <strong>de</strong>r „nicht-<br />
sprayen<strong>de</strong>n“ gesellschaftlichen Akteure, wenn sie legal und in <strong>de</strong>r Form „erkennbarer<br />
und leserlicher“ Bildmotive gestaltet sind. In diesem Fall wer<strong>de</strong>n die <strong>Graffiti</strong>s sogar als<br />
Kunst anerkannt. Aufgrund <strong>de</strong>r Untersuchung und Erfahrungen bei einem Sprayer-<br />
Treffen in <strong>de</strong>r Wuhlhei<strong>de</strong>/Köpenick erschließt sich, dass es in erster Linie für die Gruppe<br />
<strong>de</strong>r jugendlichen Sprayer dieser <strong>Jugend</strong>kultur, <strong>de</strong>ren Motivation in einem künstlerisch<br />
15
16<br />
Tätigwer<strong>de</strong>n und in einer Partizipation hinsichtlich <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>s Stadtbil<strong>de</strong>s liegt,<br />
ein Kompromiss nicht nur erwägenswert, son<strong>de</strong>rn auch positiv für sie selbst nutzbar ist.<br />
3.2 Zum initiativen Ansatz<br />
Der initiative Ansatz ist das Bin<strong>de</strong>glied bei <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Formen<br />
von <strong>Raumaneignung</strong>. Einerseits zwischen <strong>de</strong>m künstlerischen Auftragssprühen bzw.<br />
<strong>de</strong>r Fassa<strong>de</strong>ngestaltung durch <strong>Graffiti</strong>künstler, wie es im gesteuerten Ansatz<br />
thematisiert wird. An<strong>de</strong>rerseits die <strong>Raumaneignung</strong> durch freies bzw. illegales Sprühen<br />
wie es im kommunikativen Ansatz ver<strong>de</strong>utlicht wird.<br />
Beim initiativen Ansatz steht das Sprühen unter pädagogischer Anleitung in einem<br />
institutionalisierten öffentlichen Raum im Vor<strong>de</strong>rgrund. Zum besseren Verständnis sei<br />
an dieser Stelle kurz <strong>de</strong>r Hintergrund erläutert. Die Betreuer <strong>de</strong>r<br />
<strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung Wedding stellten einen Antrag auf finanzielle Unterstützung<br />
zur jugendgerechten Gestaltung <strong>de</strong>s bis dato recht tristen <strong>Jugend</strong>la<strong>de</strong>ns. Infolge <strong>de</strong>r<br />
erfolgreichen Antragsstellung wur<strong>de</strong>n zwei freischaffen<strong>de</strong> <strong>Graffiti</strong>-Künstler engagiert die,<br />
die künstlerische Leitung <strong>de</strong>s Projekts umsetzten und die <strong>Jugend</strong>lichen pädagogisch,<br />
sowie bei Bedarf künstlerisch, anleiteten.<br />
3.2.1 Zur Theorie <strong>de</strong>r initiativen Aneignung<br />
Im zweiten Kapitel wur<strong>de</strong> bereits auf die Vielzahl vorhan<strong>de</strong>ner Definitionen <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Raums hingewiesen. An dieser Stelle soll <strong>de</strong>r öffentliche Raum nun<br />
spezifisch für <strong>de</strong>n initiativen Ansatz <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n. Nach Nissen (1998: 168 ff.)<br />
existieren drei Typen von öffentlichen Räumen: zum einen „öffentliche Freiräume“,<br />
welche Grünflächen, Parks, Spielplätze, Straßenräume einschließen, <strong>de</strong>s weiteren<br />
„öffentlich zugängliche verhäuslichte Räume“ wie Kaufhäuser, U-Bahnhöfe und<br />
schließlich „institutionalisierte öffentliche Räume“ wie Vereine, Kirchenräume etc., in<br />
<strong>de</strong>nen Freizeitangebote für <strong>Jugend</strong>liche stattfin<strong>de</strong>n. Unter <strong>de</strong>n dritten Typ lässt sich die<br />
DRK Freizeiteinrichtung im Wedding fassen. Als Merkmale institutionalisierter<br />
öffentlicher Räume wer<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> Kennzeichen erörtert: zum einen das<br />
Vorhan<strong>de</strong>nsein fester Öffnungszeiten und zum an<strong>de</strong>ren durch <strong>de</strong>n Träger o<strong>de</strong>r die<br />
Institution gesetzte gesellschaftliche Normen (z.B. die Grundsätze <strong>de</strong>s DRK in Bezug<br />
auf die <strong>Jugend</strong>arbeit). Es wird von Nissen (vgl. ebenda) konstatiert, dass <strong>Jugend</strong>liche<br />
ihre Freizeit häufig unter institutionalisierten Bedingungen in für sie „spezialisierten<br />
Binnenräumen“ anstatt in öffentlichen Räumen verbringen. Diese Entwicklung wird auf<br />
<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l öffentlicher Räume zurückgeführt.
17<br />
Deinet (2005: 220 ff.) greift diesen Gedankengang auf und bestätigt die Verdrängung<br />
von <strong>Jugend</strong>lichen aus <strong>de</strong>m öffentlichen Raum durch Funktionalisierung und Verplanung<br />
<strong>de</strong>r Flächen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass sich <strong>Jugend</strong>liche ungeachtet<br />
<strong>de</strong>ssen Räume aneignen und es somit nicht um die Struktur <strong>de</strong>r Räume geht, son<strong>de</strong>rn<br />
um <strong>de</strong>ren Qualitäten bzw. inne liegen<strong>de</strong>n Möglichkeiten.<br />
Die qualitative Verbindung von Subjekt und Ort wird über <strong>de</strong>n theoretischen Hintergrund<br />
<strong>de</strong>s Aneignungskonzeptes nach Leontjew hergestellt. Die Entwicklung <strong>de</strong>s Menschen<br />
wird dabei als tätige Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit seiner Umwelt, sowie als<br />
Aneignungsprozess <strong>de</strong>r gegenständlichen und symbolischen Kultur dargestellt. Die<br />
Umwelt wird als eine schon durch menschliche Tätigkeit erschaffene bzw. verän<strong>de</strong>rte<br />
aufgefasst. Der Aneignungsprozess gestaltet sich somit als ein aktiver Prozess, in <strong>de</strong>m<br />
gesellschaftliche Sachverhalte, Be<strong>de</strong>utungen und Kompetenzen individuell be- und<br />
verarbeitet wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Der Aneinungsbegriff kann nach Deinet (vgl. ebenda) anhand von folgen<strong>de</strong>n Merkmalen<br />
erfasst wer<strong>de</strong>n: vorausgesetzt wird eine eigentätige Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r<br />
Umwelt, das kann u.a. durch die Gestaltung von Räumen mit Symbolen geschehen.<br />
Durch eine Inszenierung o<strong>de</strong>r Verortung in öffentlichen institutionalisierten Räumen,<br />
erfolgt eine Erweiterung <strong>de</strong>s Handlungsraumes, d.h. es wer<strong>de</strong>n neue Möglichkeiten die<br />
in Räumen liegen, ent<strong>de</strong>ckt. Mit einer Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r vorgegebenen Situationen und<br />
Arrangements wer<strong>de</strong>n motorische, gegenständliche und kreative Kompetenzen<br />
erweitert. Infolge<strong>de</strong>ssen kann ein größeres Verhaltensrepertoire und erworbene<br />
Fähigkeiten in neuen Situationen erprobt wer<strong>de</strong>n.<br />
Auf Basis <strong>de</strong>r vorgestellten Annahmen wur<strong>de</strong> ein leitfa<strong>de</strong>ngestütztes Interview für die<br />
<strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung Wedding entwickelt. Der generelle theoretische Hintergrund<br />
und die Durchführung dieses Leitfa<strong>de</strong>ns ist Thema <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Absatzes.<br />
3.2.2 Darstellung <strong>de</strong>r Forschungsmetho<strong>de</strong><br />
Die zu befragen<strong>de</strong> Grundgesamtheit beim initiativen Ansatz wird <strong>de</strong>finiert, als alle am<br />
<strong>Graffiti</strong>-Projekt in <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung <strong>de</strong>s DRK aktiv gestalterisch<br />
(<strong>Jugend</strong>liche), pädagogisch anleitend (Betreuer, <strong>Graffiti</strong>-Künstler), sowie<br />
weisungsbefugt (Kreisgeschäftsführer) beteiligten Personen.<br />
Mittels eines Leitfa<strong>de</strong>ninterviews wur<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n einzig teilnehmen<strong>de</strong>n Mädchen im<br />
Alter von 14 bzw. 16 Jahren befragt. Die Befragung von fünf exemplarisch<br />
ausgewählten männlichen <strong>Jugend</strong>lichen im Alter von 14 – 22 Jahren erfolgte durch ein
18<br />
leitfa<strong>de</strong>ngestütztes Gruppeninterview. Damit sollten eventuell vorhan<strong>de</strong>ne<br />
Hemmschwellen abgebaut, aber auch unterschiedliche Ansichten <strong>de</strong>terminiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine nach Geschlechtern getrennte Durchführung <strong>de</strong>r Interviews mit <strong>de</strong>n <strong>Jugend</strong>lichen<br />
erwies sich als sinnvoll, um stören<strong>de</strong> Einflüsse zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
Darüber hinaus wur<strong>de</strong>n Experteninterviews mit <strong>de</strong>m Kreisgeschäftsführer <strong>de</strong>s DRK und<br />
zwei Betreuern <strong>de</strong>r DRK <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung geführt. Nach Meuser / Nagel (1991:<br />
443 ff.) wer<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> Personen als Experten <strong>de</strong>finiert: „wer in irgen<strong>de</strong>iner Weise<br />
Verantwortung trägt für <strong>de</strong>n Entwurf, die Implementierung o<strong>de</strong>r die Kontrolle einer<br />
Problemlösung o<strong>de</strong>r wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über<br />
Personengruppen o<strong>de</strong>r Entscheidungsprozesse verfügt.“ Experten verfügen somit über<br />
Fachwissen und auch Entscheidungskompetenzen, darüber hinausgehend sind sie<br />
wichtige Informanten über die Kontextbedingungen <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns <strong>de</strong>r eigentlichen<br />
Zielgruppe <strong>de</strong>r Untersuchung, beim initiativen Ansatz respektive die <strong>Jugend</strong>lichen (vgl.<br />
ebenda). Ein Experteninterview wird mittels eines leitfa<strong>de</strong>ngestützten Interviews<br />
erhoben und folgt <strong>de</strong>ssen Prinzipien. Das Instrument <strong>de</strong>s leitfa<strong>de</strong>ngestützten Interviews<br />
wur<strong>de</strong> bewusst und aufgrund <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Vorteile ausgewählt: die Fragen sind so<br />
gewählt, dass alle im Vorfeld als relevant ermittelten Themenbereiche angesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n. Eine offene Frageformulierung stellt sicher, dass auch die narrativen<br />
Potenziale <strong>de</strong>s Befragten genutzt wer<strong>de</strong>n können. Die Spezifik <strong>de</strong>s Leitfa<strong>de</strong>ninterviews<br />
ermöglicht eine flexible Gesprächsführung, somit kann auf unerwartet angesprochene<br />
Themenbereiche durch <strong>de</strong>n Interviewten reagiert wer<strong>de</strong>n. Eine Vergleichbarkeit mit<br />
an<strong>de</strong>ren Interviews, <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r gleiche Leitfa<strong>de</strong>n zugrun<strong>de</strong> liegt ist gegeben (vgl.<br />
Marotzki 2003).<br />
Die Interviews entstan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r DRK <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung Wedding auf freiwilliger<br />
Basis und unter <strong>de</strong>r Verwendung eines Tonbandmitschnitts. Eine Auswertung und<br />
Darstellung erfolgt auf Basis <strong>de</strong>r transkribierten Interviews (vgl. Mayer 2002: 47 ff.).<br />
Die projektanleiten<strong>de</strong>n <strong>Graffiti</strong>-Künstler stan<strong>de</strong>n für das Leitfa<strong>de</strong>ninterview lei<strong>de</strong>r nicht<br />
zur Verfügung. Im Zuge <strong>de</strong>r teilnehmen<strong>de</strong>n Beobachtung <strong>de</strong>s <strong>Graffiti</strong> Projekts, wur<strong>de</strong>n<br />
jedoch viele <strong>de</strong>r später im Leitfa<strong>de</strong>ninterview gestellten Fragen schon im Vorfeld<br />
beantwortet.<br />
Im nächsten Abschnitt sollen die einzelnen Themenbereiche <strong>de</strong>s Leitfa<strong>de</strong>ns analysiert<br />
und ausgewertet wer<strong>de</strong>n.
3.2.3 Ergebnisse <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>ninterviews<br />
Die durchgeführten leitfa<strong>de</strong>ngestützten Interviews gingen in ihrer Fragestellung<br />
folgen<strong>de</strong>n fünf Themenbereichen nach: erstens die Aneignung öffentlichen urbanen<br />
Raums durch <strong>Graffiti</strong> fin<strong>de</strong>t in Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Erwachsenwelt statt.<br />
Zweitens die I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>m Raum erfolgt über einen aktiven Prozess <strong>de</strong>r<br />
Aneignung. Drittens <strong>Raumaneignung</strong> ist immer zeitlich begrenzt. Viertens <strong>de</strong>r<br />
persönliche Blickwinkel auf <strong>Graffiti</strong> und die Umgestaltungsaktion durch <strong>Graffiti</strong>. Und<br />
fünftens die geschlechtsspezifische Aneignung öffentlicher Räume.<br />
Zu erstens: die Aneignung öffentlichen urbanen Raums durch <strong>Graffiti</strong> fin<strong>de</strong>t in<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Erwachsenwelt statt. Die <strong>Jugend</strong>arbeit selbst sieht sich im<br />
Vergleich zu an<strong>de</strong>ren Institutionen (z.B. Schule) als einen wenig vor<strong>de</strong>finierten Ort, an<br />
<strong>de</strong>m eine selbsttätige, eigensinnige Raumbildung für <strong>Jugend</strong>liche möglich ist. Die<br />
Gestaltung von Räumen im Sinne eines Aneignungsraums ist also ein Ziel von<br />
<strong>Jugend</strong>arbeit, um die Selbstbildung von <strong>Jugend</strong>lichen, ihre Kompetenzen zur<br />
Verän<strong>de</strong>rung, zur Gestaltung eigener Situationen und damit zur Erweiterung ihres<br />
Handlungsrepertoires zu för<strong>de</strong>rn (vgl. Deinet 2004: 187). Die Wichtigkeit dieser<br />
Komponenten für die soziale Integration und die soziale, sowie personelle Kompetenz<br />
wur<strong>de</strong> im zweiten Kapitel erläutert.<br />
Der abgefragte Aspekt, dass die Aneignung öffentlichen urbanen Raums durch <strong>Graffiti</strong><br />
in Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Erwachsenwelt stattfin<strong>de</strong>t, stellt sich als ein Aushan<strong>de</strong>ln<br />
zwischen Erwachsenen (pädagogische Betreuer, Kreisgeschäftsführer) und <strong>de</strong>n<br />
<strong>Jugend</strong>lichen dar. Dieser Aushandlungsprozess ergab sich aus folgen<strong>de</strong>n<br />
Erfor<strong>de</strong>rnissen: erstens die <strong>Jugend</strong>lichen in ihrer Gesamtheit gerecht zu partizipieren,<br />
aber gera<strong>de</strong> auch in Bezug auf das oben dargestellte Selbstverständnis von<br />
<strong>Jugend</strong>arbeit. Zweitens die <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung jugendgerecht, jedoch gleichsam<br />
als solche nach außen zu repräsentieren, d.h. die Angebote und <strong>de</strong>r Träger sollten in<br />
Form gegenständlicher Bil<strong>de</strong>r klar ersichtlich sein (Anliegen <strong>de</strong>r pädagogischen<br />
Betreuer / Kreisgeschäftsführung). Und drittens um sicherzustellen, dass keine<br />
politische, rassistische o<strong>de</strong>r sexuelle Botschaft gesprüht wird. Der<br />
Aushandlungsprozess selbst gestaltete sich wie folgt: die <strong>Jugend</strong>lichen gestalten<br />
eigene Entwürfe mit Berücksichtigung <strong>de</strong>r genannten Bedingungen (Träger / Angebote<br />
<strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung bildlich erkennbar, keine politischen, rassistischen o<strong>de</strong>r<br />
sexuelle Botschaften). Die <strong>Jugend</strong>lichen wählten zusammen mit <strong>de</strong>n pädagogischen<br />
19
20<br />
Betreuern in <strong>de</strong>mokratischer Abstimmung die besten Entwürfe aus und legten sie <strong>de</strong>m<br />
Kreisgeschäftsführer vor, <strong>de</strong>r sie genehmigte.<br />
Dass die <strong>Jugend</strong>lichen sich bei <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong>-Gestaltungsaktion nur bedingt an die<br />
ausgehan<strong>de</strong>lten / abgestimmten Vorgaben <strong>de</strong>r gegenständlichen Darstellung gehalten<br />
haben, wird wie folgt durch einen pädagogischen Betreuer kommentiert: „Allerdings<br />
mussten wir die <strong>Jugend</strong>lichen oft auch darin bremsen (...), dass sie ihre Namen überall<br />
durch die Gegend sprühen (...)“. Trotz<strong>de</strong>m konnte letztendlich je<strong>de</strong>r seinen Namen<br />
sprühen, da es sich als ein vorrangiges Ziel <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>lichen offenbarte. Hier zeigt<br />
sich, dass <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtungen als Rückzugsraum zur „Entfaltung jugendlichen<br />
Eigensinns“ fungieren (Scherr 2004: 169)<br />
Zweitens: die I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>m Raum erfolgt über einen aktiven Prozess <strong>de</strong>r<br />
Aneignung. Durch die Aneignung vorhan<strong>de</strong>nen Raumes schaffen sich <strong>Jugend</strong>liche<br />
eigene Räume. Die Wichtigkeit eigener Räume für <strong>Jugend</strong>liche, im Sinne eines eigenen<br />
Zimmers zur Individualisierung, wur<strong>de</strong> bereits im zweiten Kapitel hervorgehoben. Der<br />
Prozess <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> im öffentlichen Raum hingegen, ist be<strong>de</strong>utend für die<br />
soziale Integration im Zusammenhang mit Freundschaften und das Hineinwachsen in<br />
soziokulturelle Milieus. Das Erlangen sozialer I<strong>de</strong>ntität erfolgt immer auch in einem<br />
Balanceakt zwischen Integration und Individuation (vgl. Schumann). Das soll das<br />
folgen<strong>de</strong> Zitat exemplarisch unterstreichen: „Wir haben gleich gesagt, wir wollen am<br />
Basketballkorb malen, damit man wenn man reinkommt das gleich sieht. Weil das ist<br />
eine schöne Aussicht von weitem. Und wenn wir Basketball spielen, können wir unsere<br />
Namen gleich sehen“ (Interview Mädchen).<br />
Zum dritten abgefragten Aspekt, <strong>Raumaneignung</strong> ist immer zeitlich begrenzt, wer<strong>de</strong>n<br />
folgen<strong>de</strong> Aussagen getroffen. Einigkeit besteht bei <strong>de</strong>n <strong>Jugend</strong>lichen und<br />
pädagogischen Betreuer bezüglich <strong>de</strong>r Längerfristigkeit <strong>de</strong>r Fassa<strong>de</strong>ngestaltung im<br />
oberen Bereich <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung. Hier wer<strong>de</strong>n die Angebote <strong>de</strong>r<br />
Einrichtung gegenständlich verbildlicht. Diese Darstellung wird von allen Beteiligten als<br />
sehr gelungen empfun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>mentsprechend lobend erwähnt. In Bezug auf die<br />
gestalteten umliegen<strong>de</strong>n Flächen haben die <strong>Jugend</strong>lichen, sowie die pädagogischen<br />
Betreuer eine unterschiedliche Sichtweise. „(...) die Wän<strong>de</strong> sind zur freien Gestaltung<br />
da. Also wenn irgendwann ganz neue Kids wollen (...) kann man das auch wie<strong>de</strong>r<br />
übersprühen“ (Interview pädagogischer Betreuer).
21<br />
Die interviewten Mädchen scheinen sich <strong>de</strong>n Querellen um ihre <strong>Graffiti</strong> und möglicher<br />
Konsequenzen bewusst zu sein (näheres unter <strong>de</strong>m fünften Aspekt), zur<br />
Dauerhaftigkeit ihrer <strong>Graffiti</strong> sagen sie: „Das wissen wir nicht - keine Ahnung -<br />
hoffentlich bleibt es so lange wie wir es möchten. (...) mich interessiert nur mein Name,<br />
sonst gar nichts“.<br />
Zu viertens: <strong>de</strong>r persönliche Blickwinkel auf <strong>Graffiti</strong> und die Umgestaltung durch die<br />
<strong>Graffiti</strong>aktion. Für die interviewten Mädchen erschöpft sich <strong>de</strong>r Begriff <strong>Graffiti</strong> in <strong>de</strong>n<br />
Worten: „Malen o<strong>de</strong>r sprühen mit <strong>de</strong>r Spraydose an <strong>de</strong>r Wand.“ Die<br />
Umgestaltungsaktion selbst kommentieren sie mit <strong>de</strong>n Worten „..war mal was an<strong>de</strong>res<br />
das so zu machen, an <strong>de</strong>r Wand zu sprühen, <strong>de</strong>n Namen zu verewigen – genau (...) es<br />
ging auch um die Farben, damit es ein bisschen bunter aussieht und so (...). Weil ich<br />
male gerne...“ (Interview Mädchen). Die Gruppendiskussion mit <strong>de</strong>n männlichen<br />
<strong>Jugend</strong>lichen brachte folgen<strong>de</strong> Ergebnisse auf die Frage, was <strong>Graffiti</strong> für sie sei: „Das<br />
ist ein Hobby“. Ein etwas später dazu gekommener junger Erwachsener antwortete:<br />
„Das ist für Leute die eigentlich keinen Sinn mehr im Leben haben, die machen das nur<br />
aus Langeweile (...), die sprühen überall rum, U-Bahn, S-Bahn (...)“. Die umgestaltete<br />
<strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung gefiel ihm gut, „(...) weil ich daran gearbeitet habe“. Auf die<br />
Nachfrage, was er <strong>de</strong>nn im Zuge <strong>de</strong>r Umgestaltungsaktion gemacht habe, antwortete<br />
er: „(...) wir haben kein <strong>Graffiti</strong> gemacht, son<strong>de</strong>rn wir haben gestrichen“<br />
(Gruppendiskussion mit männlichen junge Erwachsenen). Die abschließend geführte<br />
Diskussion unter <strong>de</strong>n <strong>Jugend</strong>lichen selbst en<strong>de</strong>te mit <strong>de</strong>n Worten „Auch so das Hobby“.<br />
Der befragte Kreisgeschäftsführer <strong>de</strong>s DRK begrün<strong>de</strong>te seine Entscheidung für die<br />
Unterstützung <strong>de</strong>s Projektes wie folgt: „Es han<strong>de</strong>lt sich hier um ein Objekt, das von<br />
<strong>Jugend</strong>lichen auch genutzt wird, mit <strong>de</strong>m sich <strong>Jugend</strong>liche auch i<strong>de</strong>ntifizieren, das<br />
entsprechend wenig attraktiv wirkte bzw. immer wie<strong>de</strong>r dazu herausgefor<strong>de</strong>rt hat, auch<br />
beschmiert zu wer<strong>de</strong>n. So dass meine Hoffnung war, dadurch dass man es für ein<br />
künstlerisches Projekt unter Beteiligung <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>lichen freigibt, entsprechend zwei<br />
Fliegen mit einer Klappe schlägt. Wäre das gleiche geschehen ohne mich zu fragen,<br />
(...) hätte ich das nicht positiv eingeschätzt“ (Interview Kreisgeschäftsführer).<br />
Zu fünftens: die geschlechtsspezifische Aneignung öffentlicher Räume.<br />
Geschlechtsspezifische Unterschie<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> von <strong>Jugend</strong>lichen<br />
wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Literatur beschrieben, wur<strong>de</strong>n im Leitfa<strong>de</strong>ninterview als Themenkomplex<br />
aber nicht abgefragt. Aufgrund <strong>de</strong>r bereits beschriebenen narrativen Spezifik von
22<br />
Leitfa<strong>de</strong>ninterviews, stellte sich dieser Aspekt als relevant heraus. Zwei Mädchen<br />
sprühten als erste ihre Namen an die Wand. Einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n interviewten<br />
pädagogischen Betreuer kommentierte das wie folgt: „...aber`s war auf je<strong>de</strong>n Fall `n<br />
ganz ganz harter Kampf am Anfang, weil (...) die ersten bei<strong>de</strong>n, die überhaupt gesprüht<br />
haben, waren halt Mädchen und die <strong>Graffiti</strong>s sind halt relativ groß ausgefallen, (...)<br />
doppelt o<strong>de</strong>r dreifach so groß wie die an<strong>de</strong>ren und die Jungs haben wirklich zwei Tage<br />
extrem Stunk gemacht, sind überhaupt nicht damit klar gekommen, dass <strong>de</strong>s da dran<br />
stand.“ Des weiteren wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Betreuern die Befürchtung artikuliert, dass die<br />
Jungen diese <strong>Graffiti</strong> einfach übersprühen wür<strong>de</strong>n. Für Braun (2004: 38) ist das eine<br />
typische Form <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> von Mädchen, die häufig über eine<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit an<strong>de</strong>ren Menschen erfolgt. Auch <strong>de</strong>r Wunsch nach mehr<br />
Gestaltungsmöglichkeiten in <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtungen wird öfter von Mädchen<br />
geäußert.<br />
Zusammenfassend lässt sich für <strong>de</strong>n initiativen Ansatz konstatieren, dass <strong>Graffiti</strong> als<br />
jugendspezifische Ausdrucksform für die beteiligten <strong>Jugend</strong>lichen keine Rolle spielt.<br />
Hierbei geht es um eine <strong>Raumaneignung</strong> im Sinne einer Be<strong>de</strong>utungsverleihung,<br />
Benennung und weitergehend um eine Markierung durch die Darstellung <strong>de</strong>s eigenen<br />
Namens (vgl. Kruse/Graumann 1990: 127). Die pädagogischen Betreuer bestätigen<br />
dies: „(...) also die wollten dann gar nicht selber sprühen, aber wollten, dass ihr Name<br />
dort ist“.<br />
3.3 Zum kommunikativen Ansatz<br />
Im Anschluss an die Darlegungen <strong>de</strong>s gesteuerten und initiativen Ansatzes bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r<br />
kommunikative Ansatz <strong>de</strong>n dritten Schwerpunkt. Beim gesteuerten Ansatz waren<br />
Überschneidungen <strong>de</strong>r hegemonialen Kultur und jugendkultureller Ausdrucksformen zu<br />
verzeichnen. Ein bestimmtes ästhetisches Design wur<strong>de</strong> hier durch bewusst platzierte<br />
Bil<strong>de</strong>r konstituiert. Der initiative Ansatz zeigte die Schaffung bzw. Gestaltung eines<br />
jugendgemäßen Raums im öffentlichen Raum. Bei diesen Formen <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong><br />
bleibt die funktionale Zwecksetzung <strong>de</strong>s urbanen öffentlichen Raums unangetastet. Die<br />
<strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen haben sozial anerkannte Praktiken <strong>de</strong>r<br />
Aneignung und Positionierung von Dingen und Personen im öffentlichen Raum erlernt<br />
und übernommen. „Allerdings ging und geht eine solche Aneignung häufig auch mit<br />
<strong>de</strong>linquenten Verhaltensweisen einher, genauer, Delinquenz ist eine Möglichkeit – unter<br />
mehreren – zur Schaffung von 'jugendlichem' Raum“ (Merkens/Zinnecker 2005: 15).
23<br />
Dieser Möglichkeit folgt die Untersuchung anhand <strong>de</strong>s Ansatzes <strong>de</strong>r kommunikativen<br />
Aneignung.<br />
3.3.1 Zur Theorie <strong>de</strong>r kommunikativen Aneignung<br />
Theoretischen Hintergrund für diesen Ansatz bil<strong>de</strong>n sowohl die zum Vergleich aller<br />
Ansätze in Kapitel zwei dargestellten Grundlagen als auch die im weiteren vorgestellten<br />
I<strong>de</strong>en von Jean Baudrillard u.a. Rammstedt erklärt Kommunikation innerhalb <strong>de</strong>r<br />
Kommunikationsforschung als „Informationsübertragung zwischen Menschen“ und „als<br />
die Weitergabe - von Adressen - von Adressanten - an Adressaten“<br />
(Fuchs/Klima/Lautmann/Rammstedt/Wienold 1977: 397). In <strong>de</strong>r Informationstheorie wird<br />
darüber hinaus von Sen<strong>de</strong>r und Empfänger gesprochen (vgl. ebenda: 398). Der<br />
Kommunikationsprozess wird im Wesentlichen mit Hilfe von Zeichen und Co<strong>de</strong>s<br />
vermittelt.<br />
Baudrillard veranschaulicht in seinem Aufsatz „Kool Killer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Aufstand <strong>de</strong>r<br />
Zeichen“ (2005/Org.1976) insbeson<strong>de</strong>re die Be<strong>de</strong>utung von <strong>Graffiti</strong> als Zeichen und<br />
Co<strong>de</strong>s, welche von <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen als ein „neuer Typus <strong>de</strong>r<br />
Intervention in die Stadt“ getragen wird (Baudrillard 2005: 120). So sagt auch Bieber:<br />
„Überfallartig treten die <strong>Graffiti</strong> im öffentlichen Raum auf, missachten gesellschaftliche<br />
Normen und bleiben dabei unfassbar“ (1997: 264). Ausgehend von <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r<br />
<strong>Graffiti</strong>szene in <strong>de</strong>n New Yorker Ghettos Anfang <strong>de</strong>r siebziger Jahre entwickelt<br />
Baudrillard das Bild einer Stadt als neutralisierten, homogenisierten Raum <strong>de</strong>r<br />
Indifferenz „und <strong>de</strong>r sich durchkreuzen<strong>de</strong>n Segregation <strong>de</strong>r städtischen Ghettos, <strong>de</strong>r<br />
Zuweisung von Vierteln, Rassen, bestimmten Altersgruppen“ (Baudrillard 2005: 121;<br />
vgl. Merkens/Zinnecker 2005). In <strong>de</strong>r Stadt wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mnach „alle Gewohnheiten, alle<br />
Augenblicke <strong>de</strong>s Alltagslebens (...) durch vielfältige Co<strong>de</strong>s auf einen bestimmten<br />
Zeit/Raum festgelegt“ (ebenda). Hier sind „Wohnen, Verkehr, Arbeit, Freizeit, Spiel,<br />
Kultur – lauter Begriffe, die auf <strong>de</strong>m Schachbrett <strong>de</strong>r Stadt austauschbar sind“<br />
(Baudrillard 2005: 122). <strong>Graffiti</strong> greife hingegen die Macht dieser Co<strong>de</strong>s und Zeichen<br />
an. Statt <strong>de</strong>r totalen „Austauschbarkeit aller Elemente in einem funktionalen Ensemble,<br />
in <strong>de</strong>m je<strong>de</strong>s nur als strukturaler, <strong>de</strong>m Co<strong>de</strong> entsprechen<strong>de</strong>r Term einen Sinn bekommt“<br />
(Baudrillard 2005: 123) bil<strong>de</strong>ten <strong>Graffiti</strong> „ein symbolisches Netz“ (Baudrillard 2005:<br />
124). Allerdings stellen <strong>Graffiti</strong> nach Baudrillard nicht die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Sprüher zur<br />
Schau, son<strong>de</strong>rn letztere wollen die <strong>Graffiti</strong> und ihre „Unbestimmtheit gegen das System“<br />
(Baudrillard 2005: 123) selbst wen<strong>de</strong>n. Baudrillard geht aber noch weiter: er spricht von<br />
<strong>Graffiti</strong> als leere Signifikanten und bloße Namen, die nichts be<strong>de</strong>uten „Es ist diese
24<br />
Leere, die ihre Kraft ausmacht“ (Baudrillard 1978: 30). Ein als <strong>Graffiti</strong> verwen<strong>de</strong>tes<br />
Pseudonym ist „eine symbolische Matrikel, die dazu da ist, das gewöhnliche<br />
Benennungssystem durcheinan<strong>de</strong>r zu bringen“ (Baudrillard 2005: 123). Eine ähnliche<br />
These vertritt Bieber: „Wichtigste Strategie <strong>de</strong>s <strong>Graffiti</strong>-Writings war die sub- und<br />
gegenkulturelle Um<strong>de</strong>utung bekannter, weithin sichtbarer Zeichenwelten im öffentlichen<br />
Raum <strong>de</strong>r urbanen Zentren [...]“ (2005: 265).<br />
Auf <strong>de</strong>m theoretischen Hintergrund basierend konzentrierte sich die Forschungsgruppe<br />
zur Klärung <strong>de</strong>s kommunikativen Ansatzes, neben strukturellen Merkmalen <strong>de</strong>r Szene,<br />
auf vier wesentliche Aspekte, welche sodann Kategorien <strong>de</strong>r Auswertung bil<strong>de</strong>ten.<br />
Dies waren erstens die Überschneidungen und Abgrenzungen zu <strong>de</strong>n vorhergehen<strong>de</strong>n<br />
Ansätzen <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong>. Hier lag das Interesse zum einen in <strong>de</strong>r Wahrnehmung<br />
und Beurteilung von kommerziellen und pädagogischen Räumen durch die Sprayer und<br />
zum an<strong>de</strong>ren an <strong>de</strong>n Motiven <strong>de</strong>r Sprayer zur Favorisierung <strong>de</strong>s öffentlichen Raums<br />
und <strong>de</strong>r Differenzierung und Formen <strong>de</strong>r Anerkennung im öffentlichen Raum innerhalb<br />
und außerhalb <strong>de</strong>r Szene.<br />
Zweitens die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Szene für Sprayer. Hier lag das Interesse vor allem in <strong>de</strong>n<br />
Eigenschaften, Handlungsoptionen und Beurteilung <strong>de</strong>r jeweiligen sozialen Positionen<br />
<strong>de</strong>r Szene und <strong>de</strong>r damit im Zusammenhang stehen<strong>de</strong>n Anerkennung <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Mitglie<strong>de</strong>r.<br />
Drittens die Spezifik <strong>de</strong>s Mediums Sprache in <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong>-Szene und die aktive<br />
Einflussnahme auf das Stadtbild durch <strong>Jugend</strong>liche und junge Erwachsene. Zum einen<br />
wur<strong>de</strong>n Formen und Inhalte <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Stadtbil<strong>de</strong>rn und zum an<strong>de</strong>ren<br />
die Be<strong>de</strong>utung, Deutung und Um<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Stadtbil<strong>de</strong>s durch Sprayer fokussiert.<br />
Ferner lag ein unmittelbares Interesse in <strong>de</strong>r Erkundung <strong>de</strong>r Motive und Ziele <strong>de</strong>r<br />
Um<strong>de</strong>utung von Stadtbil<strong>de</strong>rn.<br />
Viertens die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung und Sichtweise <strong>de</strong>r Sprayer mit und auf Erwachsene<br />
beziehungsweise <strong>de</strong>r hegemonialen Kultur.<br />
3.3.2 Darstellung <strong>de</strong>r Forschungsmetho<strong>de</strong><br />
Mittels eines Leitfa<strong>de</strong>ninterviews wur<strong>de</strong>n sodann sechs hauptsächlich männliche<br />
<strong>Jugend</strong>liche und junge Erwachsene im Alter von 17 bis 25 Jahren zur Erhebung <strong>de</strong>r<br />
Daten interviewt. Der Interview-Leitfa<strong>de</strong>n bot einerseits Orientierung an <strong>de</strong>n zuvor<br />
festgelegten Kategorien und an<strong>de</strong>rerseits viele Spielräume in <strong>de</strong>n Frageformulierungen,<br />
Nachfragestrategien und in <strong>de</strong>r Abfolge <strong>de</strong>r Fragen (hierzu siehe auch Kapitel 3.2.2). In
25<br />
erster Linie ging es im kommunikativen Ansatz um das Verstehen und Erkennen <strong>de</strong>r<br />
Aneignung öffentlicher urbaner Räume durch „illegale“ Sprayer. In <strong>de</strong>r Folge wur<strong>de</strong>n die<br />
Interviews transkribiert und ausgewertet. Leitprinzip <strong>de</strong>r Auswertungsstrategie war <strong>de</strong>r<br />
Austausch zwischen Material und theoretischem Vorverständnis. Es war <strong>de</strong>mnach ein<br />
Wechselspiel auf <strong>de</strong>r Basis von Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit Literatur und<br />
Theorietraditionen einerseits und Interviews und Beobachtungen an<strong>de</strong>rerseits. Im<br />
Verlauf dieses Austauschprozesses entwickelten sich folgen<strong>de</strong> Ausdifferenzierungen<br />
<strong>de</strong>r theoretischen Vorannahmen.<br />
3.3.3 Ergebnisse <strong>de</strong>r Leitfa<strong>de</strong>ninterviews<br />
Ausgehend von einzelnen Kriterien, wie <strong>de</strong>r Entfaltung <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität und <strong>de</strong>r<br />
wachsen<strong>de</strong>n sozialen Integration - insbeson<strong>de</strong>re innerhalb <strong>de</strong>r mittleren und späten<br />
Adoleszenz, wur<strong>de</strong> sowohl durch die teilnehmen<strong>de</strong> Beobachtung bei Veranstaltungen,<br />
als auch durch die Interviews <strong>de</strong>r weitreichen<strong>de</strong> Einfluss von Gleichaltrigen auf die<br />
Sozialisation <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen <strong>de</strong>utlich. Vor Beginn <strong>de</strong>s<br />
Sprayens bestand bei einem Großteil <strong>de</strong>r Befragten bereits ein Interesse an Kunst,<br />
Graphik o<strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong>. Allerdings führte dieses Interesse nicht dazu, ausschließlich<br />
kommerzielle und/o<strong>de</strong>r pädagogische Angebote wahrzunehmen. Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n<br />
mehrheitlich pädagogische Angebote bei <strong>de</strong>n Befragten abgelehnt. So sagte ein<br />
Mädchen beispielsweise: „Also bei <strong>de</strong>n Kursen ist das so als ob man jeman<strong>de</strong>m<br />
beibringt, ähm, zu schreiben. (...) Wenn man das so lernt sind das halt solche<br />
vorgegebenen Maße. Das fin<strong>de</strong> ich halt nicht so gut“ (Puppet, Februar 2006). Bei allen<br />
Befragten bil<strong>de</strong>ten Gleichaltrige, unabhängig von gezielten institutionellen Angeboten,<br />
<strong>de</strong>n Anstoß zum Kennenlernen und zur aktiven Teilnahme an <strong>de</strong>r Szene. Hier wur<strong>de</strong>n<br />
primär Klassenkamera<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Bekannte aus <strong>de</strong>m unmittelbaren Wohnumfeld genannt.<br />
Welche Motive haben die <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen aber über das bloße<br />
Interesse an <strong>Graffiti</strong> hinaus diese im öffentlichen urbanen Raum zu sprühen? In allen<br />
Interviews zeigte sich, dass das primäre Motiv <strong>de</strong>r Sprayer darin liegt, sich selbst in<br />
dieser Welt auszudrücken und wie<strong>de</strong>rzufin<strong>de</strong>n. Hierzu sagte ein junger Mann<br />
beispielsweise: „(...) Ich habe jetzt was gefun<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r Form, wie die Gesellschaft, wie<br />
alles funktioniert. Hier kann ich total ich selbst sein, einfach, wie alle an<strong>de</strong>ren ihre<br />
I<strong>de</strong>ntitäten auch präsentieren wollen“ (Shek, Juni 2005). Dem eigenen und individuellen<br />
Stil kommt dabei eine hohe Be<strong>de</strong>utung zu. „Dabei ist <strong>de</strong>r individuelle Style als Ausdruck<br />
<strong>de</strong>r eigenen Person mit <strong>de</strong>m Wunsch verbun<strong>de</strong>n, als unverwechselbare Persönlichkeit
26<br />
wahr- und ernstgenommen zu wer<strong>de</strong>n“ (Schlobinski/Heins 1998: 41). Ein Mädchen<br />
sagte hierzu: „Das sind einfach Gefühle und die Farben drücken aus, wie ich mich in<br />
<strong>de</strong>m Moment gera<strong>de</strong> fühle. Ob ich dunkel male o<strong>de</strong>r hell. Also ich mal’ meistens<br />
Charaktere. (...) o<strong>de</strong>r manchmal hab ich einfach hingesprüht „Kill your lover“ und, weiß<br />
nicht, wenn ich wütend auf meinen Exfreund war. O<strong>de</strong>r solche Sachen“ (Puppet,<br />
Februar 2006).<br />
Inwieweit aber wird dabei von <strong>de</strong>n <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen eine<br />
konkrete Aussage an die Öffentlichkeit transportiert? Nach Baudrillard stellten <strong>Graffiti</strong><br />
bloße Namen dar, die keinerlei weitere Aussage treffen wollten. Es ginge vielmehr<br />
darum das gewöhnliche Benennungssystem aus <strong>de</strong>r Fassung zu bringen (vgl.<br />
Baudrillard 2005: 123). Kann trotz<strong>de</strong>m noch davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass diese<br />
Ausdrucksform <strong>de</strong>r Selbststilisierung dient o<strong>de</strong>r darüber hinaus als direkte Botschaft?<br />
Hier zeigte sich eine große Differenz zwischen <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Jugend</strong>lichen und jungen<br />
Erwachsenen. Bei Einzelnen lag das Interesse ausschließlich in <strong>de</strong>r Selbstdarstellung<br />
und so zugleich <strong>de</strong>r öffentlichen Stilisierung <strong>de</strong>r eigenen I<strong>de</strong>ntität. Der Großteil <strong>de</strong>r<br />
Befragten wen<strong>de</strong>te sich darüber hinaus vor allem an die Szene und <strong>Graffiti</strong>-<br />
Interessierte. Dies setzte in<strong>de</strong>s kein unmittelbares Interesse an einer Rückmeldung<br />
dieser Zielgruppen voraus, <strong>de</strong>nn alle Interviewte waren sich bewusst, dass ihr<br />
individueller Ausdruck nur von einer Min<strong>de</strong>rheit verstan<strong>de</strong>n wird und <strong>de</strong>r<br />
Gesamtbevölkerung im Grun<strong>de</strong> verschlossen bleibt. In einzelnen Fällen war die<br />
Botschaft viel weitreichen<strong>de</strong>r. So bekun<strong>de</strong>te beispielsweise ein Mädchen auf die<br />
Nachfrage an wen sich die „Message“, die sie verbreiten wolle, richte: „An die Welt. Ja,<br />
das ist einfach so wie wenn Menschen Gedichte schreiben und die vorlesen“ (Puppett,<br />
Februar 2006). Eine sich wechselseitig aufeinan<strong>de</strong>r beziehen<strong>de</strong> Kommunikation, wie in<br />
<strong>de</strong>ren Begriffsbestimmung (siehe 3.3.1) ver<strong>de</strong>utlicht, fin<strong>de</strong>t ausschließlich innerhalb <strong>de</strong>r<br />
Szene auf öffentlichen Veranstaltungen, Konzerten, an legalen Wän<strong>de</strong>n (hall of fames),<br />
Szenelä<strong>de</strong>n, Treffpunkten (corners), usw. statt. Hier treffen sich die <strong>Jugend</strong>lichen und<br />
jungen Erwachsenen ganz gezielt auch zum Austausch von Erfahrungen und I<strong>de</strong>en. Ein<br />
weiterer Anlaufpunkt zum Austausch von Informationen ist inzwischen das Internet.<br />
Zahlreiche Internetseiten bieten u.a. die Möglichkeit, Arbeiten zu präsentieren,<br />
Veranstaltungen anzukündigen o<strong>de</strong>r Kontakt zu an<strong>de</strong>ren Sprayern aufzunehmen.<br />
Sekundäres Motiv war hingegen die Verän<strong>de</strong>rung bzw. Zerstörung <strong>de</strong>s Stadtbil<strong>de</strong>s. So<br />
wur<strong>de</strong> nur vereinzelt auf Verän<strong>de</strong>rung bzw. Aufhebung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n öffentlichen Räumen
27<br />
durch ihre gesellschaftliche Machtstruktur innewohnen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung als Motivation für<br />
das Sprühen von <strong>Graffiti</strong> hingewiesen. Ein <strong>Jugend</strong>licher berichtete beispielsweise: „(...)<br />
will ich sozusagen meine Umwelt mitgestalten und ziemlich viele Fassa<strong>de</strong>n sind einfach<br />
nur ö<strong>de</strong>, trist und weiß ich nicht. Und irgendwie manchmal sind so Farbkleckse da drauf<br />
gar nicht schlecht und das zeigt auch so ein bisschen mehr Individualität und nicht so<br />
ne monotone Gleichartigkeit irgendwie“ (Gast 13, Januar 2006). Alle <strong>Jugend</strong>lichen und<br />
jungen Erwachsenen waren sich hingegen <strong>de</strong>r sich aus <strong>Graffiti</strong> entwickeln<strong>de</strong>n<br />
Nutzungs- und Aneignungskonflikte im öffentlichen urbanen Raum bewusst. So sagte<br />
beispielsweise ein junger Mann: „(...) man läuft durch die Stadt, man sieht alles:<br />
bezahlte und kontrollierte Darstellungen von irgendwas, alles kontrolliert, alles<br />
Normalzustand, genormt. Man braucht gar nicht mehr hingucken. Es ist so alles nur ein<br />
Wischwasch so. Und dadurch, ähm, sind die Flächen halt alle angenehm dadurch und<br />
<strong>de</strong>swegen wird überall hin gemalt (...)“ (Shek, Juni 2005).<br />
Darüber hinaus hatten alle Befragten Erfahrungen mit privaten Sicherheitsdiensten<br />
und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Polizei. Dies führte in einzelnen Fällen zu Strafprozessen, aber nicht zu<br />
einer grundsätzlichen Verhaltensän<strong>de</strong>rung. Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n entwe<strong>de</strong>r verstärkt<br />
legale Flächen genutzt o<strong>de</strong>r einzelne öffentliche Räume vermie<strong>de</strong>n. Dazu noch mal<br />
<strong>de</strong>rselbe junge Mann: „Straße ist mir sozusagen eigentlich zu gefährlich, weil es gibt zu<br />
viele Leute, die was dagegen haben. Und ob’s nun Polizei ist o<strong>de</strong>r nicht – da kann man<br />
immer irgendwie auf die Schnauze kriegen und kann sehr schnell erwischt wer<strong>de</strong>n. S-<br />
Bahn mag ich, also an <strong>de</strong>r S-Bahnstrecke mag ich sehr gerne, weil es schon etwas<br />
ruhiger ist“ (Gast 13, Januar 2006). Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt hier eine<br />
empirische Studie <strong>de</strong>s Instituts für Soziologie an <strong>de</strong>r Universität Halle/Wittenberg<br />
(Sackmann 2006: 11-20), welche u.a. <strong>de</strong>r Frage nachging, ob das Anbringen von<br />
illegalen <strong>Graffiti</strong> durch härtere Strafen reduziert wer<strong>de</strong>n könnte. Dabei kamen sie zu<br />
<strong>de</strong>m Ergebnis, dass in Folge polizeilicher Erfassung die Befragten 0 % weniger, 80 %<br />
gleichviel und 20% mehr sprühten.<br />
Es wäre nun eine Möglichkeit anzunehmen, die Szene habe einen <strong>de</strong>rart großen<br />
Einfluss auf das Verhalten <strong>de</strong>r Einzelnen, dass diese trotz <strong>de</strong>r erfahrenen Restriktionen<br />
weiterhin sprühten. Die Strukturen <strong>de</strong>r Szene stellten sich in<strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>n Befragungen<br />
als differenzierter dar. Bei allen Befragten waren, wie gesagt, Gleichaltrige <strong>de</strong>r Anstoß<br />
zum Kennenlernen und zur Teilnahme an <strong>de</strong>r Szene, jedoch bil<strong>de</strong>ten nicht immer die<br />
szenespezifischen Gruppen (Crews) <strong>de</strong>n unmittelbaren Bezugsrahmen. Ein Teil <strong>de</strong>r<br />
Befragten gab an, sich zwar mit an<strong>de</strong>ren Sprühern zu treffen und ggf. auch<br />
gemeinsame Aktionen „zu starten“, aber keiner festen Gruppe anzugehören. Ein
28<br />
an<strong>de</strong>rer Teil gab an, vor allem auf Veranstaltungen o<strong>de</strong>r anlässlich einzelner Aktionen<br />
zu sprühen und hier mit an<strong>de</strong>ren Sprühern mittelfristig in Kontakt zu treten. Allerdings<br />
verwiesen alle <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen darauf, sich regelmäßig mit, im<br />
unmittelbaren Freun<strong>de</strong>s- und Bekanntenkreis befindlichen, Sprayern zu treffen. Die, in<br />
<strong>de</strong>r Literatur häufig aggressive Struktur <strong>de</strong>r Szene konnte in<strong>de</strong>s nicht bestätigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Keiner <strong>de</strong>r Befragten gab an, bei einem „Kampf“ zwischen Crews beteiligt gewesen zu<br />
sein. Alle Stellungnahmen hierzu gab es vom „Hören sagen“. Hingegen bestätigten alle<br />
befragten Sprayer, dass Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Qualität und Quantität <strong>de</strong>r Arbeiten und<br />
darausfolgend im Ansehen eines Sprayers gemacht wür<strong>de</strong>n. Im engen Zusammenhang<br />
damit steht wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r öffentliche urbane Raum. Qualität und Quantität eines Graffito<br />
wer<strong>de</strong>n nicht nur an <strong>de</strong>ssen Stil, son<strong>de</strong>rn ebenso an <strong>de</strong>ssen öffentlicher<br />
Repräsentativität gemessen. Hier spielen ebenso die Wahrnehmbarkeit an einer Wand,<br />
die Streuung im Stadtbild und die Gefahr <strong>de</strong>s Erwischtwer<strong>de</strong>ns eine Rolle.<br />
Zusammenfassend stellen sich die Ergebnisse <strong>de</strong>s kommunikativen Ansatzes wie folgt<br />
dar: Die Befragten stehen zwar durchaus in einem aktiven dynamischen Prozess <strong>de</strong>r<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung und Interaktion mit und im öffentlichen urbanen Raum, in<strong>de</strong>s<br />
erscheint die <strong>Raumaneignung</strong> nur als Mittel zum Zweck <strong>de</strong>r Selbststilisierung. Eine<br />
direkte Auseinan<strong>de</strong>rsetzung und Interaktion mit <strong>de</strong>r Erwachsenenwelt fin<strong>de</strong>t nicht statt.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen nutzen die <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen Pseudonyme. Diese<br />
verbergen einerseits ihre I<strong>de</strong>ntität und sichern so sowohl eine weitgehen<strong>de</strong><br />
Konsequenzlosigkeit <strong>de</strong>r Regelüberschreitung als auch eine hohe Aufmerksamkeit von<br />
öffentlichen Medien und Institutionen. An<strong>de</strong>rerseits sind die Personen hinter <strong>de</strong>n<br />
Pseudonymen innerhalb <strong>de</strong>r Szene häufig bekannt und ermöglichen so eine<br />
weitreichen<strong>de</strong> Anerkennung innerhalb <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong>szene. Entgegen <strong>de</strong>m Ansatz<br />
Baudrillards han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>n <strong>Graffiti</strong> in Berlin aktuell <strong>de</strong>mnach nicht nur um eine<br />
symbolische Matrikel, wie sie sich für die Gesamtbevölkerung darstellt. Sie ist darüber<br />
hinaus innerhalb <strong>de</strong>r Szene ein Zeichen <strong>de</strong>r individuellen I<strong>de</strong>ntität. Aus diesen<br />
Ergebnissen heraus stellt sich unter an<strong>de</strong>rem die Frage, ob es sich bei illegalem<br />
Sprühen nicht um einen Übergangsritus von <strong>de</strong>r Kindheit zum Erwachsensein han<strong>de</strong>lt.<br />
Hierfür wür<strong>de</strong>n, die im Zusammenhang von <strong>Graffiti</strong> stehen<strong>de</strong>n Ausdrucksformen <strong>de</strong>s<br />
Rap und <strong>de</strong>s Breakdance sprechen. Alle Formen ermöglichen eine Form <strong>de</strong>r<br />
Selbststilisierung und Anerkennung im Wettbewerb mit An<strong>de</strong>ren und bieten somit die<br />
Möglichkeit einer „symbolischen“ Auseinan<strong>de</strong>rsetzung.
4. Fazit<br />
Nach <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r einzelnen Ansätze <strong>de</strong>r <strong>Raumaneignung</strong> wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n<br />
die Ergebnisse <strong>de</strong>r drei Ansätze anhand einzelner Aspekte, in ihren Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschie<strong>de</strong>n, miteinan<strong>de</strong>r verglichen.<br />
In allen drei Ansätzen setzen sich die <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen in<br />
unterschiedlicher Form mit <strong>de</strong>r Erwachsenenwelt auseinan<strong>de</strong>r. Bei <strong>de</strong>r gesteuerten und<br />
initiativen Aneignung ist es möglich, von einer Auseinan<strong>de</strong>rsetzung in Form eines<br />
gemeinsamen Aushandlungsprozesses mit <strong>de</strong>r Erwachsenenwelt zu sprechen. Diese<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung gestaltet sich hingegen beim kommunikativen Ansatz als<br />
Abgrenzung und Gegenüberstellung zur Erwachsenenwelt.<br />
Ausgehend von <strong>de</strong>r Annahme, die Aneignung sei zeitlich begrenzt, ist die Gestaltung<br />
im gesteuerten und initiativen Ansatz im Großen und Ganzen auf lange Sicht als<br />
<strong>Graffiti</strong>schutz gegen weniger ästhetische <strong>Graffiti</strong> konzipiert. Darüber hinaus dient die<br />
Gestaltung <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong> als „Visitenkarte“ <strong>de</strong>s jeweiligen städtischen Akteurs. Dem<br />
gegenüber unterliegen die <strong>Graffiti</strong> im kommunikativen Ansatz bereits in <strong>de</strong>r<br />
Entstehungsphase auf Grund <strong>de</strong>r Risikofaktoren, wie das Übermalen eines <strong>Graffiti</strong>,<br />
einer zeitlichen Begrenzung. Zum an<strong>de</strong>ren stehen die <strong>Graffiti</strong> sowohl im Gegensatz zu<br />
<strong>de</strong>n Interessen einzelner Gruppen <strong>de</strong>r Szene als auch <strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung und sind<br />
darausfolgend ständigen Verän<strong>de</strong>rungen und <strong>de</strong>r Gefahr <strong>de</strong>r Beseitigung ausgesetzt.<br />
Ähnliches lässt sich für <strong>de</strong>n initiativen Ansatz sagen, <strong>de</strong>nn durch die individuelle Form<br />
<strong>de</strong>r Darstellung an <strong>de</strong>n umliegen<strong>de</strong>n Mauern (Sprühen <strong>de</strong>s eigenen Namens) sind die<br />
<strong>Graffiti</strong> an die aktuelle Benutzergruppe <strong>de</strong>r Institution gebun<strong>de</strong>n. Falls die<br />
Benutzergruppe wechselt, wird diese <strong>de</strong>n Wunsch äußern die umliegen<strong>de</strong>n<br />
Wandflächen vermutlich wie<strong>de</strong>rum selbst umzugestalten. Die erneute bewusste<br />
Wandgestaltung unterliegt beim gesteuerten Ansatz hingegen ausschließlich <strong>de</strong>r<br />
Institution selbst.<br />
Die Aneignung von Räumen gestaltet sich darüber hinaus bei allen drei Ansätzen als<br />
aktiver Prozess, d.h. die Individuen nutzen durch ihr Han<strong>de</strong>ln sowohl die Möglichkeit<br />
zur Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Stadtbil<strong>de</strong>s als auch zur individuellen Darstellung. Dem<br />
gesteuerten und initiativen Ansatz ist zu<strong>de</strong>m die öffentliche Repräsentation einer<br />
Institution gemein. Hingegen ist die bewusste Überschreitung sozialer Regeln und<br />
institutionelle Ungebun<strong>de</strong>nheit ein Merkmal <strong>de</strong>s kommunikativen Ansatzes.<br />
29
Stattgefun<strong>de</strong>ne I<strong>de</strong>ntifizierung mit <strong>de</strong>n öffentlichen Räumen war eine Intention <strong>de</strong>r<br />
Auftraggeber im gesteuerten Ansatz. Im initiativen und kommunikativen Ansatz<br />
geschieht die I<strong>de</strong>ntifikation nicht unmittelbar über die öffentlichen urbanen Räume,<br />
son<strong>de</strong>rn über die <strong>Graffiti</strong> selbst. Dies geschieht partiell ebenfalls im gesteuerten Ansatz.<br />
Hier i<strong>de</strong>ntifiziert sich <strong>de</strong>r ausführend Sprüher über seine Bil<strong>de</strong>r.<br />
Während es im gesteuerten Ansatz um unerlässliche o<strong>de</strong>r in Einzelfällen gewünschte<br />
<strong>Graffiti</strong> geht, begrenzen sich die <strong>Graffiti</strong> im initiativen Ansatz unmittelbar auf das<br />
Territorium <strong>de</strong>s <strong>Jugend</strong>la<strong>de</strong>ns. Im kommunikativen Ansatz ist u.a. die Quantität ein<br />
Kriterium <strong>de</strong>r Anerkennung individueller / kollektiver Leistungen innerhalb <strong>de</strong>r<br />
<strong>Graffiti</strong>szene. Es fin<strong>de</strong>n sich bspw. ein und dieselben <strong>Graffiti</strong> im gesamten Stadtbild.<br />
Hinsichtlich <strong>de</strong>r jeweiligen Machtverhältnisse im öffentlichen urbanen Raum, wie sie<br />
nach Bourdieu im zweiten Kapitel ausführlicher dargestellt wer<strong>de</strong>n, ergibt sich für <strong>de</strong>n<br />
gesteuerten Ansatz: In <strong>de</strong>n entstan<strong>de</strong>nen Bil<strong>de</strong>rn symbolisiert sich das Ergebnis <strong>de</strong>s<br />
Aushandlungsprozesses zwischen <strong>de</strong>n städtischen Akteuren anhand <strong>de</strong>r Aspekte: Ort<br />
<strong>de</strong>r Darstellung, gesamte Zahl <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong> im Stadtgebiet und Form <strong>de</strong>r Darstellung,<br />
wodurch sich die verschie<strong>de</strong>nen Kapitalformen offenbaren. Beteiligt sind zum einen das<br />
kulturelle und symbolische Kapital <strong>de</strong>r jugendlichen Sprayer und auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />
das überwiegend ökonomische Kapital <strong>de</strong>r Auftraggeber, was zu einer farbloseren<br />
Ausführung und <strong>de</strong>zimierten Anzahl <strong>de</strong>r zugelassenen <strong>Graffiti</strong> führt.<br />
Im initiativen Ansatz zeigte sich nachstehen<strong>de</strong>s Verhältnis von Kapitalarten und<br />
Kapitalvolumen. Die engagierten <strong>Graffiti</strong>künstler und das notwendige Material wer<strong>de</strong>n<br />
mit Hilfe <strong>de</strong>s pädagogischen Personals durch externe Finanziers gesichert, d.h. das<br />
ökonomische und kulturelle Kapital wird bei <strong>de</strong>r Umgestaltung <strong>de</strong>r<br />
<strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung nicht von <strong>de</strong>n beteiligten jugendlichen Akteuren selbst<br />
geschaffen. Demgegenüber verfügen die Pädagogen über ein hohes Maß an sozialem<br />
Kapital in Form von Netzwerken innerhalb ihres Arbeitsumfel<strong>de</strong>s. Den <strong>Jugend</strong>lichen<br />
wird somit im Zuge <strong>de</strong>r Umgestaltung <strong>de</strong>r <strong>Jugend</strong>freizeiteinrichtung die symbolische<br />
<strong>Raumaneignung</strong> erst ermöglicht.<br />
Hinsichtlich <strong>de</strong>s kommunikativen Ansatzes sind vor allem Planung und Funktion <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Raums zu unterschei<strong>de</strong>n. Hierin manifestieren sich die verschie<strong>de</strong>nen<br />
30
31<br />
Kapitalarten, -volumen und Machtverhältnisse. Die Planung <strong>de</strong>s öffentlichen urbanen<br />
Raums steht dabei im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n<br />
ökonomischen Kapitalvolumen. Hier wird von Seiten <strong>de</strong>r Sprayer kein Einfluss<br />
genommen. Die jeweilige Funktion <strong>de</strong>s öffentlichen Raums hingegen wird zunächst<br />
erkannt und in <strong>de</strong>r Folge mit Hilfe <strong>de</strong>s Sprühens, ge- bzw. zerstört und zum Teil<br />
umfunktionalisiert. Dabei erwerben die <strong>Jugend</strong>lichen und jungen Erwachsenen vor<br />
allem innerhalb <strong>de</strong>r <strong>Graffiti</strong>szene, aufgrund ihres kulturellen Kapitals, symbolisches<br />
Kapital, d.h. sie erwerben die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Anerkennung ihres kulturellen Kapitals<br />
durch die Störung bzw. Umfunktionalisierung <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Symbolsystems.<br />
Anhand <strong>de</strong>s vorangehen<strong>de</strong>n Vergleichs <strong>de</strong>r Ergebnisse ver<strong>de</strong>utlichen sich vor allem die<br />
Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s jeweiligen Ansatzes. Wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung nur auf eine generelle Aneignung <strong>de</strong>s öffentlichen urbanen Raums<br />
durch <strong>Graffiti</strong> hingewiesen, so zeigt sich hier, dass die Differenzierung <strong>de</strong>r<br />
<strong>Raumaneignung</strong> gera<strong>de</strong> in Hinblick auf <strong>Graffiti</strong> verfeinerte entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Ergebnisse<br />
ermöglicht. Diese zeichnen sich durch eine Verknüpfung von individuellen Motiven mit<br />
<strong>de</strong>r gesellschaftlichen Beurteilung von <strong>Graffiti</strong> aus.
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34
6. Anhang<br />
6.1 Bil<strong>de</strong>r zum gesteuerten Ansatz<br />
Quelle: Durchgang im Wohnbereich HOWOGE<br />
Quelle: Fassa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Technischen Fachhochschule Berlin (TFH)<br />
35
6.2. Bil<strong>de</strong>r zum initiativen Ansatz<br />
Quelle: <strong>Jugend</strong>la<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Deutschen Roten Kreuzes in Berlin / Wedding<br />
36
6.3 Bil<strong>de</strong>r zum kommunikativen Ansatz<br />
Quelle: wask & puppet im Priesterweg in Berlin/ Schöneberg<br />
Quelle: Bams & Gast 13 am Ostkreuz in Berlin / Friedrichshain<br />
37