3.3.2 Strukturfunktionalistische Erklärung von - marinahennig.de
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mehr Prestige und verlangt schwerwiegen<strong>de</strong>re Verantwortlichkeiten als früher.<br />
In <strong>de</strong>n verzweigten Konsequenzen dieses Differenzierungs- und Aufstiegsprozesses lassen sich die zentralen<br />
Probleme <strong>de</strong>r Beziehung zwischen Persönlichkeit <strong>de</strong>s Individuums und sozialem und kulturellem<br />
System ausmachen. Persönlichkeit ist das organisierte System <strong>de</strong>s Verhaltens eines einzelnen leben<strong>de</strong>n<br />
Organismus auf <strong>de</strong>r symbolischen Ebene. Seine Geschichte als Persönlichkeit fängt mit <strong>de</strong>n einfachen<br />
intrafamilialen Beziehungen nach <strong>de</strong>r Geburt und in <strong>de</strong>r frühen Kindheit an. Von dort muß dieses System<br />
sich aus<strong>de</strong>hnen und differenzieren, und es kann in gewissem Sinne seinem Ursprung niemals entkommen.<br />
Sowohl die wichtigsten Merkmale seiner organischen Ausstattung wie seine frühen Persönlichkeitscharakteristika<br />
gehören unauflöslich zu dieser Sphäre <strong>de</strong>r ,Macht <strong>de</strong>r Vergangenheit'. Diese<br />
frühen Ausgangspunkte bil<strong>de</strong>n ein untilgbares Moment <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität je<strong>de</strong>r erwachsenen Person.<br />
(aus: Parsons, Talcott, Der Stellenwert <strong>de</strong>s I<strong>de</strong>ntitätsbegriffs in <strong>de</strong>r allgemeinen Handlungstheorie, in: Rainer Döbert,<br />
Jürgen Habermas und Gertrud Nunner-Winkler (Hrsg.), Entwicklung <strong>de</strong>s Ich, Köln, Kiepenheuer und Witsch, 1977,<br />
S. 74 f.)<br />
63 I<strong>de</strong>ntität als Kern <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />
In seiner Abhandlung „Der Stellenwert <strong>de</strong>s I<strong>de</strong>ntitätsbegriffs in <strong>de</strong>r allgemeinen Handlungstheorie" setzt<br />
Parsons <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Ichs aus <strong>de</strong>r Instanzenlehre <strong>von</strong> Freud in seiner genetischen, strukturellen und<br />
funktionalen Be<strong>de</strong>utung mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität gleich ...<br />
In diesem Zusammenhang kann das Ich bzw. die I<strong>de</strong>ntität als Kern <strong>de</strong>s Persönlichkeitssystems angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auch als jener komplexe Mechanismus, <strong>de</strong>r nicht nur sich selbst gegenüber <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten<br />
Ansprüchen an<strong>de</strong>rer Systeme balanciert, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r auch das Individuum in <strong>de</strong>r Einzigartigkeit<br />
seiner Umweltbeziehungen austariert. Ihm kommt also eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> und zentrale Funktion<br />
und Be<strong>de</strong>utung im Sozialisationsprozeß zu. Es ist interessant, daß bereits bei Parsons dieser Gedanke<br />
herausgearbeitet wor<strong>de</strong>n ist, <strong>von</strong> ihm aber in seinem Struktur-funktionalistischen Erkenntnisinteresse<br />
zurückgebun<strong>de</strong>n wird an das System. Die I<strong>de</strong>ntität ist also noch nicht zu sich selbst befreit – wie z.<br />
B. bei G. H. Mead – son<strong>de</strong>rn an das System gebun<strong>de</strong>n. Dies zeigt sich in folgen<strong>de</strong>n Punkten: Das Sozialsystem,<br />
mit <strong>de</strong>m das Person- und Organsystem in Verbindung steht, regelt wesentlich die Integrati-on<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Systeme, mithin auch die Integration <strong>de</strong>s Ich. Rollenlernen be<strong>de</strong>utet in diesem Sinne, also<br />
nun nicht alleine das Lernen <strong>de</strong>r Rollen, die für die eigene Person <strong>von</strong> Be<strong>de</strong>utung sind, son<strong>de</strong>rn auch die<br />
<strong>de</strong>r jeweiligen an<strong>de</strong>ren Personen im System. Daher müssen die Bedürfnispositionen, die aus <strong>de</strong>m Es<br />
kommen, immer in Beziehung gestellt wer<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n Rollenerwartungen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren an das han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong><br />
Subjekt. Das Ich, das diese Balancierungsleistung nun zu vollziehen hat, wird sich unter <strong>de</strong>m Anspruch <strong>de</strong>r<br />
Integration an das Sozialsystem anpassen müssen, mit an<strong>de</strong>ren Worten, es wird sein Be-dürfnissystem<br />
<strong>de</strong>n allgemeinen Rollenerwartungen unterordnen. Man kann daher auch <strong>von</strong> einem Inte-grationstheorem<br />
sprechen. Dabei wird unter Theorem eine Art Lehrsatz verstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r wissen-schaftlichen<br />
Weiterarbeit dient und daher keine Norm darstellt.<br />
2. In bezug auf das Personsystem kommt <strong>de</strong>m Ich, wie oben dargestellt, die Funktion <strong>de</strong>s „Tores zur<br />
Welt" o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Balancierung zu. Aufgrund <strong>de</strong>s Integrationspostulats muß das Ich das Personsystem aber an<br />
das Sozialsystem anpassen o<strong>de</strong>r mit diesem i<strong>de</strong>ntisch wer<strong>de</strong>n lassen. Das be<strong>de</strong>utet, daß die Wertorientierungen<br />
<strong>de</strong>r Umwelt in das Personsystem hineingenommen wer<strong>de</strong>n. Das hieraus abgeleitete I<strong>de</strong>ntitätstheorem<br />
besagt nun, daß das Personsystem sich an die Normen <strong>de</strong>r Sozialisation, die im Sozialsystem<br />
vorgegeben sind, anpaßt.<br />
3. Die Rollensysteme sind alle positional geregelt. Es bestehen Systeme <strong>von</strong> Rollen, die durch die Hierarchisierung<br />
<strong>de</strong>r Positionen für Konformität <strong>de</strong>r Handlungen und <strong>de</strong>s Verhaltens in <strong>de</strong>n einzelnen Subsystemen<br />
sorgen. Das be<strong>de</strong>utet, daß die Hierarchie <strong>de</strong>r Rollen und die damit verbun<strong>de</strong>nen Positionsinformationen<br />
sowohl die Reproduktion <strong>de</strong>s Systems als auch die Persönlichkeitsentwicklung und<br />
Anpassung <strong>de</strong>s Individuums garantieren. Es kann daher <strong>von</strong> einem Konformitätstheorem gesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Konformitätstheorem, das I<strong>de</strong>ntitätstheorem und das Integrationstheorem sind sozusagen als die<br />
Garanten dafür anzusehen, daß sich das Person- und das Organsystem als Subsystem <strong>de</strong>s Sozialsystems<br />
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