Projektbericht - marinahennig.de
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Humboldt Universität zu Berlin<br />
Philosophische Fakultät III<br />
Institut für Sozialwissenschaften<br />
Wintersemester 2004/2005 u.<br />
Sommersemester 2005<br />
PJ/S Individualisierung und soziale Beziehungen<br />
Dr. rer. soc. Marina Hennig<br />
<strong>Projektbericht</strong><br />
Eine Analyse <strong>de</strong>r Netzwerkstruktur <strong>de</strong>s Romans „Die Bud<strong>de</strong>nbrooks.<br />
Verfall einer Familie“ von Thomas Mann<br />
Ariane Frerking Matr.-Nr.: 172194<br />
Claudine Herrmann Matr.-Nr.: 174975<br />
Heike von Lyskowski Matr.-Nr.:197617<br />
Julia Kunze Matr.-Nr.:500773<br />
Susanne Borrmann Matr.-Nr.: 172774
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1. EINFÜHRUNG________________________________________________ 4<br />
2. THOMAS MANNS GESELLSCHAFTSROMAN DIE BUDDENBROOKS.<br />
VERFALL EINER FAMILIE________________________________________ 5<br />
2.1. ENTSTEHUNGSKONTEXT _______________________________________ 5<br />
2.2. AUFBAU DES ROMANS ________________________________________ 6<br />
2.3. HANDLUNG ________________________________________________ 8<br />
3. THEORETISCHE GRUNDLAGE DER ANALYSE ___________________ 10<br />
4. OPERATIONALISIERUNG _____________________________________ 14<br />
5. ERGEBNISSE – DATENAUSWERTUNG__________________________ 18<br />
5.1. DAS GESAMTNETZWERK______________________________________ 18<br />
5.2. DIE TEILNETZWERKE ________________________________________ 19<br />
5.2.1. Das Netzwerk familiärer Beziehungen ______________________ 19<br />
5.2.2. Das ökonomische Netzwerk ______________________________ 23<br />
5.2.3. Das Netzwerk freundschaftlicher Beziehungen _______________ 31<br />
6. ZWISCHENERGEBNISSE _____________________________________ 39<br />
6.1. DER VERGLEICH DER NETZWERKE FREUNDSCHAFTLICHER UND ÖKONOMISCHER<br />
BEZIEHUNGEN ________________________________________________ 39<br />
6.2. DER VERGLEICH DER NETZWERKE ÖKONOMISCHER UND FAMILIÄRER<br />
BEZIEHUNGEN ________________________________________________ 40<br />
7. ABSCHLIEßENDE BEMERKUNG _______________________________ 41<br />
8. LITERATURVERZEICHNIS ____________________________________ 43<br />
2
Abstract<br />
Das Thema <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit ist die Netzwerkanalyse <strong>de</strong>s Romans „Bud-<br />
<strong>de</strong>nbrooks. Verfall einer Familie“ von Thomas Mann und damit eine Dokumen-<br />
tenanalyse. In diesem Roman wird die Geschichte <strong>de</strong>r Kaufmannsfamilie Bud-<br />
<strong>de</strong>nbrook über vier Generationen erzählt. Die Geschichte spielt in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s<br />
19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, zu einer Zeit, in <strong>de</strong>r Revolutionen und Begehren <strong>de</strong>s einfa-<br />
chen Volkes die vorhan<strong>de</strong>nen gesellschaftlichen Strukturen zu verän<strong>de</strong>rn be-<br />
ginnen. Parallel dazu verschieben sich die Ehrenkodices im Geschäftsleben<br />
und traditionelle Werte bröckeln. Durch diese Verän<strong>de</strong>rungen wird <strong>de</strong>r unauf-<br />
haltsame Verfall <strong>de</strong>r Familie eingeleitet. Da die verinnerlichte Bürgerlichkeit <strong>de</strong>r<br />
Familie Bud<strong>de</strong>nbrook mit <strong>de</strong>n Ansprüchen <strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rten Gesellschaft nicht<br />
vereinbar ist.<br />
Das Ziel <strong>de</strong>r Netzwerkanalyse im Rahmen <strong>de</strong>s Projektseminars „Individualisie-<br />
rung und soziale Beziehungen“ ist es, die Gesamtnetzwerkstruktur <strong>de</strong>s Romans<br />
zu ermitteln, dazu wer<strong>de</strong>n ebenfalls je ein familiäres, ökonomisches und<br />
freundschaftliches Teilnetzwerk erstellt.<br />
3
1. Einführung<br />
Grundlage dieser Arbeit bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Roman „Bud<strong>de</strong>nbrooks. Verfall einer Familie“<br />
von Thomas Mann. Zur Entstehung <strong>de</strong>s Romans sagt Thomas Mann 1932 in<br />
einem Rundfunkvortrag in <strong>de</strong>r Reihe <strong>de</strong>r „Autobiografischen Plau<strong>de</strong>reien“ <strong>de</strong>s<br />
West<strong>de</strong>utschen Rundfunks:<br />
„Kein Gedanke, dies Verdienstliche könne etwa darin liegen, dass damit<br />
zugleich ein Stück <strong>de</strong>r Seelengeschichte <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Bürgertums überhaupt<br />
gegeben war. Und am allerwenigsten ließ ich mir ein drittes träumen: Dass das<br />
Interesse an diesem Buch sachlich, seelisch über Deutschland hinausreichen,<br />
das von dieser Geschichte <strong>de</strong>s Verfalls einer Familie ausländisches Bürgertum<br />
sich berührt, getroffen fühlt, dass es sich darin wie<strong>de</strong>r erkennen könnte, kurz,<br />
dass ich, in<strong>de</strong>m ich ein nach Form und Inhalten sehr <strong>de</strong>utsches Buch gab,<br />
gleich ein über<strong>de</strong>utsch-europäisches Buch, ein Stück Seelengeschichte <strong>de</strong>s<br />
europäischen Bürgertums überhaupt gegeben haben könnte. […] Was ich also<br />
mit <strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>nbrooks in jungen Jahren gegeben hatte, das hatte ich wie von<br />
ungefähr, unbewusst gegeben. Aber ich irrte mich sehr, wenn ich etwa glaubte,<br />
ich hätte es zufällig gegeben.“ 1<br />
Das spezifische Interesse <strong>de</strong>r Arbeit an <strong>de</strong>m Roman „Bud<strong>de</strong>nbrooks. Verfall<br />
einer Familie“ liegt im Hinblick auf die vorherige Aussage Thomas Manns, in <strong>de</strong>r<br />
Analyse <strong>de</strong>s epochenspezifisch, ausdifferenzierten Systems einer bürgerlichen<br />
Familie.<br />
Zum Einstieg in die Analyse dient zum besseren Verständnis <strong>de</strong>r Entstehungs-<br />
kontext sowie <strong>de</strong>r Verlauf und die Handlung <strong>de</strong>s Romans (Kapitel 2).<br />
Den Hintergrund zur Überprüfung <strong>de</strong>r Annahme, dass es sich bei <strong>de</strong>m Roman<br />
von Thomas Mann um die Darstellung einer klassischen bürgerlichen Familie<br />
han<strong>de</strong>lt, bil<strong>de</strong>n sowohl eine allgemein historisch fundierte familiensoziologische<br />
Forschung als auch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen Talcott Parsons` zur bürgerli-<br />
chen Familie (Kapitel 3). Bezüglich <strong>de</strong>r Darstellung von grundlegen<strong>de</strong>n Bezie-<br />
hungsstrukturen ist eine Übereinstimmung von historisch fundierter familienso-<br />
ziologischer Forschung und Roman anzunehmen. Mit <strong>de</strong>n von uns entwickelten<br />
nachfolgen<strong>de</strong>n Hypothesen und <strong>de</strong>ren Operationalisierung soll ein Überblick<br />
1 TRIANGEL Nr. 06/2005: Originaltitel: „Ein Apfel vom Baume Lübecks“<br />
4
über diese Beziehungsstrukturen ermöglicht wer<strong>de</strong>n. (Kapitel 4) Zur Offenle-<br />
gung dieser Strukturen wird <strong>de</strong>r bisher literaturwissenschaftlich weitgehend un-<br />
beachtete Ansatz <strong>de</strong>r Netzwerkanalyse verwandt. Eine spezifische Möglichkeit<br />
bietet uns hier die Dokumentenanalyse, <strong>de</strong>ren Wegbereiter Thomas Schweizer<br />
und Michael Schnegg sind. Sie ver<strong>de</strong>utlichten bereits En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre,<br />
dass fiktive Systeme, wie in <strong>de</strong>m hier analysierten Roman und ethnographische<br />
Fälle parallele Aufgaben zur analytischen Durchdringung aufwerfen 2 .<br />
Mit Hilfe <strong>de</strong>r Netzwerkanalyse wer<strong>de</strong>n sowohl das Gesamtnetzwerk als auch<br />
familiäre, ökonomische und freundschaftliche Teilnetzwerke erstellt. Dabei wird<br />
die zeitliche Entwicklung <strong>de</strong>r einzelnen Beziehungsmuster verfolgt und <strong>de</strong>r Ver-<br />
lauf <strong>de</strong>s fraglichen Verfalls skizziert (Kapitel 5). Abschließend wird <strong>de</strong>r theoreti-<br />
sche Hintergrund mit <strong>de</strong>n erarbeiteten Netzwerkstrukturen <strong>de</strong>s Romans abge-<br />
glichen und die aufgestellten Thesen überprüft(Kapitel 6).<br />
2. Thomas Manns Gesellschaftsroman Die Bud<strong>de</strong>nbrooks. Verfall<br />
einer Familie<br />
2.1. Entstehungskontext<br />
Kaum ein an<strong>de</strong>rer neuerer <strong>de</strong>utscher Roman hat international solche Breiten-<br />
wirkung und Rezeption erfahren wie das Erstlingswerk von Thomas Mann<br />
(1875-1955) Die Bud<strong>de</strong>nbrooks. Verfall einer Familie aus <strong>de</strong>m Jahr 1901. 1929<br />
erhielt Mann, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Roman mit nur 22 Jahren (1896) zu schreiben begann,<br />
dafür <strong>de</strong>n Nobelpreis für Literatur. Als Stoffgrundlage dienten ihm seine indivi-<br />
duelle Kindheitserfahrung und die Geschichte seiner Familie innerhalb <strong>de</strong>s Lü-<br />
becker Kaufmannsmilieus. Familiendokumenten, Briefe, gesammelte Anekdo-<br />
ten und <strong>de</strong>r Stammbaum <strong>de</strong>r Familie lieferten ebenso wie Informationen von<br />
Freun<strong>de</strong>n und Bekannten die Quellen zur Vorarbeit <strong>de</strong>s Werkes. Naturalistische<br />
Lebendigkeit erreicht dieser erste <strong>de</strong>utsche Gesellschaftsroman vor allem durch<br />
die authentische Beschreibung <strong>de</strong>r Topographie, Sozialstruktur und Historie <strong>de</strong>r<br />
freien Hansestadt Lübeck. Die Romanhandlung ist nicht nur sehr umfangreich,<br />
2 Vgl. Schweizer, T./Schnegg, M.: Die soziale Struktur <strong>de</strong>r „Simple Story“. Eine Netzwerkanaly-<br />
se<br />
5
son<strong>de</strong>rn auch komplex. Der zeitlich fiktionale Handlungsrahmen ist abgesteckt<br />
durch die Jahre 1835 bis 1877. Erzählt wird die Geschichte <strong>de</strong>r Kaufmannsfami-<br />
lie Bud<strong>de</strong>nbrook über vier Generationen hinweg und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nte Nie<strong>de</strong>rgang<br />
eines bürgerlich-patrizischen Hauses wird nachvollzogen, wobei Firmen- und<br />
Familienname gleichgesetzt sind. Die Handlung umfasst mehrere Hauptperso-<br />
nen und eine umfangreiche Anzahl von Nebenpersonen. Dies erschwert einen<br />
Gesamtüberblick aller Beziehungen.<br />
Thomas Mann äußerte sich zu <strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>nbrooks, als habe er damit nicht nur<br />
die Geschichte einer/seiner Familie erzählen wollen, „son<strong>de</strong>rn ein typisches<br />
Familienschicksal, das heißt in exemplarisch-symbolischer Weise die Geschich-<br />
te einer ganzen Klasse o<strong>de</strong>r Epoche geschrieben. 3 In <strong>de</strong>r literatur- und sozial-<br />
wissenschaftlichen Forschung brachte man bisher <strong>de</strong>n „Verfall“ <strong>de</strong>r Familie<br />
Bud<strong>de</strong>nbrook nicht exemplarisch mit <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Verhältnissen in<br />
Verbindung, son<strong>de</strong>rn suchte <strong>de</strong>ren Ursache vielmehr im seelisch-<br />
psychologischen Bereich. Detailliert wird in <strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>nbrooks <strong>de</strong>nnoch das<br />
bürgerliche Familienleben <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts auf folgen<strong>de</strong> Motivkomplexe<br />
hingeschil<strong>de</strong>rt: Heiratspolitik/ Familienhierarchien und wirtschaftliche Reproduk-<br />
tion; protestantische Ethik und Kaufmannsmoral; Tradition und Erneuerung.<br />
Diese Motive wer<strong>de</strong>n zusätzlich eingewoben in eine typische Geschlechterrol-<br />
len-Verteilung <strong>de</strong>r Epoche, was sich vor allem an <strong>de</strong>r Präsenz von <strong>de</strong>taillierten<br />
Frauenportraits im Buch zeigt.<br />
2.2. Aufbau <strong>de</strong>s Romans<br />
Die Fischer-Taschenbuchausgabe, auf die sich unsere Untersuchung stützt,<br />
umfasst 759 Seiten und ist in elf Teile mit jeweils mehreren Kapiteln geglie<strong>de</strong>rt.<br />
Obwohl <strong>de</strong>r Roman zeitlich 42 Jahre umfasst, greifen verschie<strong>de</strong>nen Rückblicke<br />
vor das Jahr 1835 zurück. So erscheinen die vier Generationen <strong>de</strong>r Bud<strong>de</strong>n-<br />
brooks nicht narrativ hintereinan<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn nebeneinan<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn außer Han-<br />
no (4.Generation) treten alle Hauptpersonen schon im ersten Teil auf. Das<br />
Hauptgewicht <strong>de</strong>r Erzählung liegt auf <strong>de</strong>r dritten Generation, d.h. <strong>de</strong>n Ge-<br />
3 Vogt 1995: 10f.<br />
6
schwistern Thomas, Christian, Antonie und Clara. Die männlichen Repräsen-<br />
tanten <strong>de</strong>r Familiengenerationen lassen sich grob durch ihre geistige Zugehö-<br />
rigkeit beschreiben. Johann B. (1.Generation, 1765-1842) lebt und <strong>de</strong>nkt in <strong>de</strong>n<br />
Vorstellungen <strong>de</strong>r Aufklärung, wohingegen sein Sohn Jean B. (2. Generation,<br />
Konsul, 1800-1855) als später Pietist auftritt. Der Senator Thomas B. (3. Gene-<br />
ration, 1826-1875) wen<strong>de</strong>t sich gegen En<strong>de</strong> seines Lebens <strong>de</strong>r Philosophie<br />
Schopenhauers und Nietzsches zu und sein Sohn Hanno (4. Generation, 1861-<br />
1877) erfährt sein weniges Glück beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Musik Richard Wagners.<br />
Alle Ereignisse sind zeitlich übersichtlich aufgebaut und zum großen Teil sind<br />
Menschen und wichtige Begebenheiten mit Datums- o<strong>de</strong>r Altersangaben verse-<br />
hen. Gegenstän<strong>de</strong>, Räume und Menschen wer<strong>de</strong>n ausführlich beschrieben. Ab<br />
<strong>de</strong>r Geburt Hannos wer<strong>de</strong>n die zeitlichen Sprünge in <strong>de</strong>r Handlung verringert<br />
und die Erzählzeit nähert sich <strong>de</strong>r erzählten Zeit an. Nur ein Zehntel <strong>de</strong>s Ge-<br />
samtumfangs <strong>de</strong>r Handlung ist <strong>de</strong>n Jahren 1835-1846 gewidmet.<br />
Bis in das zweite Kapitel bestimmt die 1. Generation die Erfolge <strong>de</strong>r Firma. Jean<br />
Bud<strong>de</strong>nbrook jun. waltet bis zu seinem Tod im 4. Teil. Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
kann bis zum siebten Teil geschäftliche und repräsentative Erfolge erzielen. Die<br />
nächsten vier Teile beschreiben in ausführlicher Weise vor allem die inneren<br />
Entwicklungen, die zu Thomas Tod führen. Mit <strong>de</strong>m zusätzlichen Ableben sei-<br />
nes einzigen kränkeln<strong>de</strong>n Nachfolgers Hanno (1861-1877)im elften Teil,<br />
schließt die Familiengeschichte quasi durch ihr eigenes Verschwin<strong>de</strong>n ab.<br />
Die motivgeschichtlich literarische Interpretation <strong>de</strong>s Werks legt beson<strong>de</strong>res<br />
Augenmerk auf <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Deka<strong>de</strong>nz, welchen Thomas Mann in seinem<br />
Doppelaspekt von Friedrich Nietzsche (1844-1900) übernommen hat. Es han-<br />
<strong>de</strong>lt sich dabei um <strong>de</strong>n Prozess biologischer Degeneration (Abnahme <strong>de</strong>r Vitali-<br />
tät und Geschäftstüchtigkeit) bei fortschreiten<strong>de</strong>r psychologischer Verfeinerung<br />
(Sensibilität und Künstler – bzw. Philosophentum). Diese doppelte Entwicklung<br />
bestimmt als wesentliches Kennzeichen die Romanhandlung, welche wie folgt<br />
zusammengefasst wer<strong>de</strong>n kann:<br />
7
2.3. Handlung<br />
Zu Beginn <strong>de</strong>s Romans geben Johann Bud<strong>de</strong>nbrook und seine Frau Antoinette<br />
im neuen Haus in <strong>de</strong>r Mengstraße ein Essen. Ihr Sohn Jean ist mit seiner Frau<br />
Elisabeth und <strong>de</strong>n drei Kin<strong>de</strong>rn Tony (8 Jahre), Thomas (10 Jahre) und Christi-<br />
an (7 Jahre) anwesend. Die ausführliche Beschreibung <strong>de</strong>s Mittagessens führt<br />
die Hauptpersonen ein und stellt auch eine Reihe von Nebencharakteren (Ver-<br />
wandte und Freun<strong>de</strong>) vor. Der zweite Teil beginnt mit <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s vierten<br />
Kin<strong>de</strong>s, Clara. Anhand <strong>de</strong>r Familienchronik wird in Rückblicken die Familien-<br />
und Firmengeschichte rekapituliert. Die erste Generation <strong>de</strong>r Bud<strong>de</strong>nbrooks tritt<br />
dann durch Versterben ab und <strong>de</strong>r Konsul Jean übernimmt mit seiner Frau die<br />
Geschäfte. Für die drei älteren Geschwister en<strong>de</strong>t die Kin<strong>de</strong>rzeit: Thomas tritt<br />
mit 16 Jahren in die Geschäfte ein; Christian fängt - zur Verstimmung <strong>de</strong>s Va-<br />
ters - an, für eine Schauspielerin zu schwärmen. Tony wird in das Mädchen-<br />
pensionat <strong>de</strong>r Sesemi Weichbrodt gegeben. Die Vermögens-Verhältnisse sind<br />
von 900 000 Mark Kurant <strong>de</strong>s verstorbenen Vaters auf 520 000 <strong>de</strong>s Konsuls<br />
gefallen.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n Teil tritt die dritte Generation in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund. Tony soll, ihrer<br />
anfänglichen Abneigung zum Trotz, mit einem Hamburger Geschäftsfreund <strong>de</strong>s<br />
Vaters verheiratet wer<strong>de</strong>n. Ihre Liebe zu <strong>de</strong>m Medizinstu<strong>de</strong>nten Morten<br />
Schwarzkopf in Travemün<strong>de</strong> en<strong>de</strong>t aus stan<strong>de</strong>srechtlichen Grün<strong>de</strong>n in einem<br />
Eklat. Ihre Aussicht auf ein stan<strong>de</strong>sgemäßes Leben und die Verpflichtung zur<br />
Familientradition lassen sie in die Heirat mit Bendix Grünlich einwilligen. An die-<br />
ser Stelle taucht ein im weiteren Verlauf wichtiges Handlungsmotiv auf: Das<br />
Äußerliche und Materielle, d.h. das Streben nach Ansehen und Geld.<br />
Im vierten Teil berichtet Tony ihrer Familie brieflich von ihrer Schwangerschaft.<br />
Die Bud<strong>de</strong>nbrooks wer<strong>de</strong>n sodann als Firma unter an<strong>de</strong>ren Konkurrenten in<br />
Lübeck beschrieben, wobei ihre altväterliche Geschäftsführung, gegenüber mo-<br />
<strong>de</strong>rneren und auch rücksichtloseren Firmen wie <strong>de</strong>n Hagenströms, schlechter<br />
abschnei<strong>de</strong>t. Bendix Grünlich ist bankrott, woraufhin Tony nach ihrer Scheidung<br />
von ihm mit <strong>de</strong>r Tochter Erika aus Hamburg zurückkehrt. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s vierten<br />
Teils stirbt <strong>de</strong>r Konsul.<br />
8
Die Testamentseröffnung im fünften Teil bringt wie<strong>de</strong>r die Vermögensbestän<strong>de</strong><br />
zum Vorschein. Das überlassene Kapital, mit <strong>de</strong>m nun Thomas seine Ge-<br />
schäftskarriere beginnt, beträgt 750 000 Mark Kurant. Auch Christian tritt nun in<br />
die Firma ein. Die jüngste Tochter Clara heiratet glücklicherweise <strong>de</strong>n Pastor<br />
Tiburtius. Thomas kündigt seine Heirat mit <strong>de</strong>r Amsterdamer Millionärstochter<br />
Gerda Arnoldsen an, die auch im Pensionat von Sesemi Weichbrodt erzogen<br />
wur<strong>de</strong>. Sie beziehen nach <strong>de</strong>r Hochzeitsreise ein neues Haus in <strong>de</strong>r Breiten<br />
Straße. Reichtum und Ansehen steigen zunehmend. Ein schlechtes Zeichen ist<br />
jedoch <strong>de</strong>r aufkommen<strong>de</strong> Streit zwischen <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>r bis zur Trennung<br />
<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n im sechsten Teil führt. Nochmals heiratet Tony, diesmal <strong>de</strong>n Münch-<br />
ner Herrn Permane<strong>de</strong>r, doch auch diese Ehe wird geschie<strong>de</strong>n. Damit ist Tony in<br />
<strong>de</strong>r patrizischen Gesellschaft Lübecks nicht mehr akzeptabel. Thomas kann,<br />
nach seinem Umzug in das neue Haus in <strong>de</strong>r Fischergrube zwar politische und<br />
geschäftliche Erfolge verzeichnen, lebt aber im persönlichen Bereich wie ein<br />
„distinguierter Aristokrat.“ 4<br />
Im siebten Teil la<strong>de</strong>n Thomas und Gerda zur Taufe ihres Sohnes Hanno ein.<br />
Thomas gewinnt gegen seinen Rivalen Hagenström die Wahl zum Senator.<br />
Christian kommt krank aus London zurück und Clara stirbt an Gehirntuberkulo-<br />
se. Thomas gerät über finanzielle Dinge in Streit mit seiner Mutter. Zur Sorge<br />
<strong>de</strong>r Familie trägt ebenso Hannos kränkliche und schwache Verfassung bei.<br />
Im neunten Teil wird, trotz <strong>de</strong>r sich zunehmend erschöpfen<strong>de</strong>n Geschäftserfol-<br />
ge von Thomas, das hun<strong>de</strong>rtjährige Firmenjubiläum gefeiert. Erika Grünlich hei-<br />
ratet, auf Tonys Anraten, Otto Weinschenk, <strong>de</strong>r aber bald durch einen kauf-<br />
männischen Betrug in soziale Deklassierung absinkt. Die schlechte Konstitution<br />
Hannos und sein Hang zur Kunst und Musik verstimmen <strong>de</strong>n Vater zunehmend<br />
und entfrem<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n voneinan<strong>de</strong>r. Im neunten Teil stirbt die alte Konsulin<br />
und die Brü<strong>de</strong>r Thomas und Christian streiten sich um das Erbe. Thomas ver-<br />
kauft das alte Haus an seinen Konkurrenten Hagenström. Der zehnte Teil be-<br />
schreibt weiterhin die schlechte geschäftliche und politische Situation. Das Fa-<br />
milienvermögen ist auf 600 000 Mark geschrumpft. Auch Thomas Beziehung zu<br />
seiner Frau verschlechtert sich zunehmend. Schließlich bricht er nach einem<br />
Zahnarztbesuch auf <strong>de</strong>r Straße zusammen und stirbt 1875.<br />
4 Müller, Fred 1988: 23<br />
9
Im letzten Teil wird die Firma unter großen Verlusten liquidiert. Christian heiratet<br />
die Lebefrau Aline Puvogel in Hamburg, wird aber bald von ihr in eine psychiat-<br />
rische Klinik verwiesen. In einem <strong>de</strong>r letzten Kapitel wird ein für Hanno grausa-<br />
mer Schulalltag beschrieben. Nur <strong>de</strong>r einziger Freund Kai und seine Flucht in<br />
die Musik helfen <strong>de</strong>m sensiblen Kind die Ungerechtigkeiten <strong>de</strong>r Welt zu ertra-<br />
gen. Im vorletzten Kapitel stirbt Hanno an Typhus.<br />
Am En<strong>de</strong> nehmen Tony, Erika, Sesemi Weichbrodt und weitere weibliche Fami-<br />
lienmitglie<strong>de</strong>r Abschied von Gerda, die wie<strong>de</strong>r zu ihrem Vater zurückzieht. Mit<br />
dieser kleinen Run<strong>de</strong> en<strong>de</strong>t die Romanhandlung. Die Männer aller Generatio-<br />
nen sind verstorben. Der erzwungene Auszug aus <strong>de</strong>m Familienhaus markiert<br />
<strong>de</strong>n Schlusspunkt <strong>de</strong>s Verfalls.<br />
3. Theoretische Grundlage <strong>de</strong>r Analyse<br />
Der Roman steht im Kontext <strong>de</strong>s Bürgertums bzw. <strong>de</strong>r bürgerlichen Gesell-<br />
schaft. Das Bürgertum ist eine Bezeichnung für jene Schichten, welche mit <strong>de</strong>r<br />
Entwicklung rationaler Wirtschafts- und Herrschaftsformen zu sozialem Einfluss<br />
und Ansehen gekommen waren. Zu ihnen wer<strong>de</strong>n vor allem Kaufleute, Fabrik-<br />
eigentümer, Bankiers, Beamte und Wissenschaftler gezählt 5 . Im Bergriff <strong>de</strong>s<br />
Bürgertums wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>mentsprechend alle sozialen Schichten zusammenge-<br />
fasst, welche seit <strong>de</strong>r Entstehung und Entwicklung <strong>de</strong>r Industriegesellschaft, <strong>de</strong>r<br />
Nationalstaaten und <strong>de</strong>r Ablösung feudal-aristokratischer Herrschaftssysteme<br />
durch <strong>de</strong>mokratische und rechtsstaatliche Ordnungssysteme bzw. durch konsti-<br />
tutionelle Monarchien, die allgemeine Moral und die Verhaltensorientierungen<br />
und <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r bürgerlichen Gesellschaft bestimmen.<br />
Die Herausbildung <strong>de</strong>r bürgerlichen Gesellschaft ist mit sich verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n so-<br />
ziokulturellen Prozessen verbun<strong>de</strong>n. So ist die bürgerliche Gesellschaft geprägt<br />
von einer Ausbreitung <strong>de</strong>r Wissenschaft, <strong>de</strong>s Individualismus und <strong>de</strong>s Libera-<br />
lismus. Freiheit, Individualität, Rationalität und Fortschritt wer<strong>de</strong>n zum Leitbild<br />
<strong>de</strong>r bürgerlichen Gesellschaft. Zu<strong>de</strong>m lässt sich eine Konzentration auf eine<br />
5 Vgl. Hillmann 1994: 118f.<br />
10
verstärkte wirtschaftliche Entwicklung, auf eine Ausbreitung <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls und<br />
auf eine Beschleunigung <strong>de</strong>r Urbanisierung festmachen. 6<br />
Bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts wur<strong>de</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Familie von<br />
„Haus“ bzw. „Haushalt“ gesprochen, <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache taucht das<br />
Wort „Familie“ erst En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts auf. Zu <strong>de</strong>m bestehen<strong>de</strong>n Haus-<br />
halt gehörten neben Familie ebenfalls Mäg<strong>de</strong>, Knechte und/o<strong>de</strong>r Dienstboten,<br />
Verwandte, usw. In einem <strong>de</strong>rartigen Haushalt wur<strong>de</strong> meist gemeinsam in <strong>de</strong>n-<br />
selben Räumen gearbeitet, gegessen und geschlafen. Räumliche Trennung<br />
und Privatsphäre gab es innerhalb <strong>de</strong>s Haushaltes für gewöhnlich nicht. Auch<br />
gegenüber <strong>de</strong>r dörflichen o<strong>de</strong>r städtischen Gemeinschaft waren die Haushalte<br />
offen und in ihrem Treiben für alle relativ transparent. 7 In Abgrenzung von Wirt-<br />
schaft und Politik sollte die Familie, auf Zuneigung und Liebe gegrün<strong>de</strong>t, eine<br />
entgegengesetzte Sphäre darstellen. Sie war ein durch das ausreichen<strong>de</strong> Ein-<br />
kommen <strong>de</strong>s männlichen Familienoberhauptes und Dienstboten freigesetzter<br />
Raum. Während die männlichen Bürger die Funktion innehatten, sich in <strong>de</strong>r<br />
konkurrieren<strong>de</strong>n Arbeitswelt zu bewähren, kam es <strong>de</strong>n Bürgerfrauen zu, die<br />
Familie als Erholungs- und Erziehungsstätte zu führen und aufrechtzuerhalten.<br />
Hier war es ihre Aufgabe, ein bürgerliches Ambiente zu schaffen, <strong>de</strong>n täglichen<br />
Haushalt zu leiten, <strong>de</strong>n Ehemann zu umsorgen, die Autorität <strong>de</strong>s Vaters zu fes-<br />
tigen und <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Erziehung zu bieten.<br />
Eine wesentliche Neuerung <strong>de</strong>s Bürgertums war die Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Kindheit<br />
als Eigenwelt mit beson<strong>de</strong>ren Rechten und Bedürfnissen. Es wur<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r-<br />
stuben eingerichtet, Kin<strong>de</strong>rklei<strong>de</strong>r entworfen und neue Kin<strong>de</strong>rbücher verfasst.<br />
Auch die Spielzeugindustrie florierte. Kirchenfeste wur<strong>de</strong>n zu Kin<strong>de</strong>rfesten,<br />
Weihnachtsmann und Osterhase als Gabenbringer und Erziehungshelfer hiel-<br />
ten Einzug in die Bürgerhäuser. Mehr und mehr rankte sich das Familienleben<br />
um die Kin<strong>de</strong>r, und die Verantwortung, ihre ersten Schritte ins Bürgerleben in<br />
die richtigen Bahnen zu lenken, wuchs. Die Mutterrolle erfuhr eine enorme Auf-<br />
wertung. Gleichzeitig ging damit aber auch eine Einengung <strong>de</strong>r weiblichen Auf-<br />
gaben und Aussichten auf die weibliche Berufung einher, während die männli-<br />
che Berufswelt immer mehr Perspektiven bot. Je konsequenter sich diese Ar-<br />
6 Ebd.<br />
7 Vgl. u.a. Ariès 1978, Mitterauer/Sie<strong>de</strong>r 1982, Wun<strong>de</strong>r 1992<br />
11
eitsteilung durchsetzte, <strong>de</strong>sto weiter drifteten die als männlich und weiblich<br />
<strong>de</strong>finierten Sphären auseinan<strong>de</strong>r. 8<br />
Die Unterordnung <strong>de</strong>r Frau in <strong>de</strong>r Familie und im Staat galt <strong>de</strong>n meisten Män-<br />
ner, auch <strong>de</strong>n Reformern, als natürlich. Im Verhältnis <strong>de</strong>r Geschlechter überleb-<br />
te die ständische Welt, die soziale Rollen als naturgegeben ansah und als gott-<br />
gewollt rechtfertigte, bis weit ins 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt hinein. Für die Frauen erwies<br />
sich <strong>de</strong>r Weg in die Mo<strong>de</strong>rne als weitaus langwieriger und steiniger, da ihn Hin-<br />
<strong>de</strong>rnisse blockierten, die in <strong>de</strong>r Mentalität <strong>de</strong>r meisten Männer und auch vieler<br />
Frauen tief verwurzelt waren.<br />
Heidi Rosenbaum gibt einen differenzierteren Einblick in die Entwicklungen <strong>de</strong>s<br />
Bürgertums. Sie unterschei<strong>de</strong>t zwischen zwei Zeitabschnitte <strong>de</strong>s Bürgertums:<br />
Einerseits das ausgehen<strong>de</strong> 18. Jh. und auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite die Zeit von 1870<br />
– 1914, die Zeit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Kaiserreiches, in <strong>de</strong>r sich in Deutschland das<br />
Bürgertum als eine sozial anerkannte Klasse durchsetzt. 9<br />
Prägend für das Bürgertum war vor allem das Wirtschaftsbürgertum, welches<br />
<strong>de</strong>n A<strong>de</strong>l mehr und mehr nachahmte. 10<br />
Die bürgerliche Kleinfamilie strebte zunehmend <strong>de</strong>n Rückzug in Privates, Intimi-<br />
tät und Häuslichkeit an. Mit <strong>de</strong>r allgemeinen Aristokratisierung <strong>de</strong>s Bürgertums<br />
übernahm insbeson<strong>de</strong>re das unternehmerische Bürgertum adlige Heiratsstrate-<br />
gien. Ehen wur<strong>de</strong>n in erster Linie zum Mittel <strong>de</strong>r Sicherung geschäftlicher Inte-<br />
ressen geschlossen. Liebe entstand dabei häufig im Einklang mit geschäftlichen<br />
Interessen. Es bestand kein Heiratszwang mehr, jedoch wur<strong>de</strong> die Ehe zur Ka-<br />
pitalbeschaffung, Geschäftes-Verbesserung und zum Ausschalten von Konkur-<br />
renz genutzt. 11<br />
Alles was zur Schwächung <strong>de</strong>r Familien führen konnte war verpönt, z.B. Schei-<br />
dung o<strong>de</strong>r eine nicht stan<strong>de</strong>sgemäße Heirat.<br />
8 Bud<strong>de</strong> 1994: 16ff.<br />
9 Vgl. Rosenbaum 1992: 252<br />
10 Vgl. Rosenbaum 1992: 311<br />
11 Vgl. Rosenbaum 1992: 333-334<br />
12
Talcott Parsons ließ dieses Familieni<strong>de</strong>al in <strong>de</strong>n fünfziger Jahren wie<strong>de</strong>raufle-<br />
ben und hat es als Kernfamilie beschrieben, in <strong>de</strong>r nur noch <strong>de</strong>r Kern <strong>de</strong>r Fami-<br />
lie, sprich Ehemann, Ehefrau und <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r in einem Haushalt lebten. 12<br />
Mit dieser „Verkleinerung“ <strong>de</strong>s Haushalts ging auch gleichzeitig eine neue Rol-<br />
lenverteilung einher. Dem Ehemann, als instrumenteller Führer 13 , kam die Auf-<br />
gabe <strong>de</strong>r Existenzsicherung <strong>de</strong>r gesamten Familie zu. Er war Besitzer und Ver-<br />
walter <strong>de</strong>s familiären Vermögens und schien durch Ausbildung, Beruf und auch<br />
über die Altersdifferenziertheit <strong>de</strong>s Paares welterfahren und überlegen. 14<br />
Auch die Rolle <strong>de</strong>r Frau unterzog sich in dieser Zeit einem Wan<strong>de</strong>l. Es war nur<br />
noch karitatives Engagement stan<strong>de</strong>sgemäß. Der Haushalt war zwar immer<br />
noch Lebensmittelpunkt <strong>de</strong>r Frau, jedoch fiel durch die Industrialisierung und<br />
die vergrößerte Konsumgesellschaft ein wichtiger Aufgabenbereich weg. Den<br />
Frauen fiel die Aufgabe zu, die Fassa<strong>de</strong> <strong>de</strong>r glücklichen Ehe aufrecht zu erhal-<br />
ten 15 Parsons bezeichnete ihr Rolle später auch als die <strong>de</strong>r expressiven Führe-<br />
rin, in <strong>de</strong>ren Hauptverantwortung die Erziehung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r liegt. 16<br />
Diese unterschiedliche Rollenverteilung führte zu einer großen Diskrepanz und<br />
die Frau als Gefährtin rückte in <strong>de</strong>n Hintergrund. Die Familie bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n Rück-<br />
zugsraum für <strong>de</strong>n Mann und galt als Ruhepol. Sie wur<strong>de</strong> die Energiequelle <strong>de</strong>s<br />
bürgerlichen Lebens, jedoch erst mit <strong>de</strong>r Trennung von Lebens- und Arbeitsbe-<br />
reichen. 17<br />
Der Wan<strong>de</strong>l von <strong>de</strong>r Großfamilie, bei <strong>de</strong>r mehrere Generationen unter einem<br />
Dach leben, hin zur Parsonschen Kernfamilie ist auch bei <strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>nbrooks<br />
nachzu- zeichnen. Während zu Beginn <strong>de</strong>s Buches noch 3 Generationen <strong>de</strong>r<br />
Familie unter einem Dach leben, grün<strong>de</strong>t die 3. Generation in <strong>de</strong>m Buch nach<br />
und nach eigene Haushalte und zieht aus.<br />
Es gibt noch weitere Merkmale, die darauf schließen lassen, dass es sich bei<br />
<strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>nbrooks um eine typische Bürgerfamilie dieser Zeit han<strong>de</strong>lt. Die Auf-<br />
gabe, die <strong>de</strong>r Frau im Bürgertum zukam, wird exemplarisch bei <strong>de</strong>r Beschrei-<br />
12<br />
Vgl. Parsons 1998 [1955]: 7<br />
13<br />
Vgl. Parsons 1998 [1955]: 46<br />
14<br />
Vgl. Hausen 1992, In Rosenbaum (Hrsg.): 342<br />
15<br />
Vgl. Rosenbaum 1992: 325<br />
16<br />
Vgl. Parsons: 46<br />
17<br />
Vgl. Rosenbaum 1992: 341<br />
13
ung <strong>de</strong>s Heiratsverhaltens <strong>de</strong>r weiblichen Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich, da das Bestre-<br />
ben eine „gute Partie“ zu machen, <strong>de</strong>r Liebe vorangestellt wird und sich beson-<br />
<strong>de</strong>rs Antonie Bud<strong>de</strong>nbrook <strong>de</strong>r Schmach einer Scheidung und <strong>de</strong>n Folgen für<br />
ihr Ansehen zweimal aussetzen muss.<br />
Die Rolle <strong>de</strong>s Mannes als Ernährer wird exemplarisch an <strong>de</strong>r Person Thomas<br />
Bud<strong>de</strong>nbrook beschrieben. Sein Bestreben seinen Sohn zu seinem Nachfolger<br />
zu erziehen und das Scheitern, zeigen welche Rolle <strong>de</strong>n Männern im Bürgertum<br />
zu kam und welchen Verlust es be<strong>de</strong>utete, wenn man keinen geeigneten Erben<br />
für sein Familienunternehmen heran ziehen konnte.<br />
4. Operationalisierung<br />
Aufgabe <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Netzwerkanalyse ist es die Strukturbeschreibung und -<br />
entwicklung und das Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Akteure unter strukturellen Bedingungen auf-<br />
zuzeigen. Ein Netzwerk ist <strong>de</strong>finiert „[…] als eine abgegrenzte Menge von Kno-<br />
ten o<strong>de</strong>r Elementen und <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>r zwischen ihnen verlaufen<strong>de</strong>n so ge-<br />
nannten Kanten“ 18 . Die Kanten sind dabei die zwischen <strong>de</strong>n Elementen o<strong>de</strong>r<br />
Knoten verlaufen<strong>de</strong>n Beziehungen o<strong>de</strong>r Relationen. „Über die gleiche Menge<br />
an Knoten können verschie<strong>de</strong>ne Netzwerke <strong>de</strong>finiert sein.“ 19<br />
Als Grundlage <strong>de</strong>r gesamten Analyse dient <strong>de</strong>r Gesamtüberblick über die An-<br />
zahl <strong>de</strong>r Personen als auch über <strong>de</strong>ren Beziehungen untereinan<strong>de</strong>r. Der Ro-<br />
man gibt dabei die Struktur zur Aufstellung und Unterglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r einzelnen<br />
Beziehungsmuster vor. Kennzeichnend für die Gestaltung <strong>de</strong>s Romans ist <strong>de</strong>r<br />
Einschnitt in das Familienleben durch <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s jeweilig geschäftsführen<strong>de</strong>n<br />
Mannes. Davon abhängig sind sowohl Zuständigkeiten als auch Besitzstän<strong>de</strong><br />
innerhalb <strong>de</strong>r familiären Struktur. Dies beeinflusst auch die ökonomischen Be-<br />
ziehungen. Wir benötigen zur Untersuchung <strong>de</strong>r Thesen außer <strong>de</strong>m Gesamt-<br />
netzwerk <strong>de</strong>mentsprechend noch weitere Teilnetzwerke. Diese Netzwerke wer-<br />
<strong>de</strong>n sowohl thematisch als auch zeitlich eingegrenzt, dadurch ist eine Untersu-<br />
18 Jansen 2003: 58<br />
19 Jansen 1999: 52<br />
14
chung <strong>de</strong>r Entwicklungen und Korrelationen <strong>de</strong>r einzelnen Teilnetzwerke mög-<br />
lich.<br />
Die zeitliche Eingrenzung erfolgte nicht in zeitgleiche Unterteilungen, son<strong>de</strong>rn<br />
aus <strong>de</strong>n einzelnen familiengenerativen Abschnitten <strong>de</strong>r Familie Bud<strong>de</strong>nbrook.<br />
Daraus ergibt sich, eine Unterglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Teile eins bis vier und <strong>de</strong>r Teile<br />
fünf bis zehn. Der Teil elf wird zwar geson<strong>de</strong>rt untersucht, umfasst aber einen<br />
relativ kleinen zeitlichen Abschnitt <strong>de</strong>s Romans.<br />
Die thematische Eingrenzung erfolgt über die Definition <strong>de</strong>r einzelnen Bezie-<br />
hungsformen familiärer, ökonomischer und freundschaftlicher Beziehungen.<br />
Die Definition familiärer Beziehungen ist wie folgt festgelegt: Familienmitglied ist<br />
man per Geburt, per Heirat o<strong>de</strong>r Adoption. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Fall, dass<br />
Thomas Mann Personen als Familienmitglie<strong>de</strong>r bezeichnet, dieses auch als<br />
solches erfasst. Bei einer Scheidung löst sich die familiäre Bindung auf und wird<br />
als solche nicht weiter verstan<strong>de</strong>n. Die zweite Möglichkeit eines Familienmit-<br />
glie<strong>de</strong>s nicht mehr in <strong>de</strong>n Teilnetzwerken aufzutauchen, ist <strong>de</strong>r eigene Tod, <strong>de</strong>r<br />
ebenfalls durch Thomas Mann so benannt wird. Ist dies nicht <strong>de</strong>r Fall, wur<strong>de</strong><br />
von einem weiteren Bestehen <strong>de</strong>r Beziehung ausgegangen, vorausgesetzt, die<br />
Person ist in späteren Kapiteln noch einmal genannt.<br />
Die Definition einer ökonomischen Beziehung und damit das Zustan<strong>de</strong>kommen<br />
<strong>de</strong>s ökonomischen Netzwerks wur<strong>de</strong>n wie folgt getroffen: Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
Umfangs und ihrer geringen Relevanz wur<strong>de</strong>n die Hausangestellten und Mitar-<br />
beiter <strong>de</strong>r Firma Bud<strong>de</strong>nbrook nicht als ökonomische Beziehung gewertet. Das<br />
heißt, Dienst- und Hausmädchen, Kontormitarbeiter und Lehrlinge gehören<br />
nicht zu diesem Netzwerk. Mitte <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts war <strong>de</strong>ren Status und<br />
Zugehörigkeit im Wan<strong>de</strong>l. Thomas Mann beschreibt <strong>de</strong>ren Status und Lebens-<br />
umstän<strong>de</strong> innerhalb <strong>de</strong>r Familie nicht näher. Daraus ergibt sich folgen<strong>de</strong> Defini-<br />
tion: Wer in <strong>de</strong>r Bürgerschaft Lübecks sitzt und somit repräsentative o<strong>de</strong>r admi-<br />
nistrative Ämter beklei<strong>de</strong>t, hat zu an<strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Bürgerschaft eine<br />
ökonomische Beziehung. Ebenso gilt dies für diejenigen Beziehungen, in <strong>de</strong>nen<br />
gegenseitiger Han<strong>de</strong>l mit materiellen Gütern stattfin<strong>de</strong>t. Nicht als solche gelten<br />
beispielsweise die Beziehungen zwischen Arzt und Patient, zwischen Barbier<br />
15
und Kun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Hebamme beziehungsweise Krankenschwester und Pflegebe-<br />
dürftigem.<br />
Bei <strong>de</strong>r Definition freundschaftlicher Beziehungen fokussieren Forscher zumeist<br />
ein bestimmtes Teilgebiet <strong>de</strong>s Phänomens freundschaftlicher Beziehungen.<br />
Hays 20 führt Aspekte auf, nach <strong>de</strong>nen die Freundschafts<strong>de</strong>finitionen variieren.<br />
Er nennt Lebenszyklus, soziokulturellen Hintergrund, die verschie<strong>de</strong>nen Ge-<br />
schlechter und die verschie<strong>de</strong>nen Entwicklungsstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r jeweiligen Freund-<br />
schaften. Freundschaftliche Beziehungen können <strong>de</strong>mnach sowohl Tätigkeiten<br />
wie das gemeinsame Tennisspiel, als auch das Führen von intimen Gesprä-<br />
chen beinhalten. Die Spannbreite ist groß und <strong>de</strong>mentsprechend ist die Festle-<br />
gung <strong>de</strong>s Begriffs problematisch.<br />
Einige Autoren stimmen allerdings darin überein, dass es sich bei freundschaft-<br />
lichen Beziehungen um eine persönliche Beziehung han<strong>de</strong>lt, die auf Freiwillig-<br />
keit und Gegenseitigkeit beruht und für eine unbestimmte Dauer eingegangen<br />
wird. Die Personen sind frei von bestimmten Rollenerwartungen, dass beinhal-<br />
tet dass die Beziehung nicht von Gesetzen und Regeln bestimmt wird. Die Re-<br />
levanz <strong>de</strong>r Gleichheit o<strong>de</strong>r Ähnlichkeit <strong>de</strong>r Beteiligten wird beson<strong>de</strong>rs hervorge-<br />
hoben.<br />
Der Soziologe Tönnies schreibt Freundschaft sei „...am ehesten gegeben durch<br />
Gleichheit o<strong>de</strong>r Ähnlichkeit <strong>de</strong>s Berufes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kunst.“ 21 Er geht davon aus,<br />
dass Arbeit einan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong> und Freundschaften entstehen lasse, und sie ein<br />
geistiges Band <strong>de</strong>r Beteiligten bewirke. Freundschaft ist nach dieser Definition<br />
mentaler Natur und beruht auf Zufall o<strong>de</strong>r freier Wahl. Für Tönnies, ein Zeitge-<br />
nosse <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Erzählzeit <strong>de</strong>s Romans, ist das Verständnis von<br />
Freundschaft im Bürgertum für diese Arbeit ein Anhaltspunkt. Zur Überprüfung<br />
<strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Hypothesen ist es jedoch notwendig einen eng am<br />
Roman gemessenen Begriff von Freundschaft beizubehalten. Aus <strong>de</strong>r Komple-<br />
xität <strong>de</strong>s Begriffs und einer vereinfachten Definition ergebe sich die Möglichkeit<br />
bestimmte Formen freundschaftlicher Beziehungen von einer Untersuchung<br />
auszuschließen. Es wer<strong>de</strong>n daher ausschließlich die von Thomas Mann als<br />
20 Hays 1988: 391<br />
21 Tönnies 1926 [1887]: 15<br />
16
freundschaftlich benannten wechselseitigen Beziehungen in die Analyse einbe-<br />
zogen.<br />
Die beschriebene Theorie gilt außer<strong>de</strong>m als Grundlage für die entwickelten<br />
Hypothesen.<br />
Durch die Trennung von Arbeitsplatz und Haushalt, könnte man davon ausge-<br />
hen, dass Männer durch ihre Arbeit bei <strong>de</strong>r sie mehr Zeit verbringen hauptsäch-<br />
lich ökonomische Beziehungen führen. Im Gegensatz dazu stehen die Frauen,<br />
welche im Bürgertum mehr „Freizeit“ hatten und somit auch mehr Zeit freund-<br />
schaftliche Beziehungen zu pflegen. Es han<strong>de</strong>lte sich im Falle <strong>de</strong>r Familie Bud-<br />
<strong>de</strong>nbrook um ein Familienunternehmen und somit ist die Annahme berechtigt,<br />
das mit sinken<strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r vor allem männlichen Mitglie<strong>de</strong>r auch die ökonomi-<br />
schen Kontakte abnehmen<br />
Aus diesen oben genannten Überlegungen wur<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> Schwerpunkte ge-<br />
setzt. Auf <strong>de</strong>ren Basis folgen<strong>de</strong> Hypothesen entwickelt wur<strong>de</strong>n:<br />
1. Die Anzahl <strong>de</strong>r ökonomischen Beziehungen steigt o<strong>de</strong>r fällt mit <strong>de</strong>n<br />
freundschaftlichen Beziehungen.<br />
2. Frauen im Bürgertum führen häufiger freundschaftliche Beziehungen. Im<br />
Gegensatz dazu führen Männer in dieser Zeit häufiger ökonomische Be-<br />
ziehungen.<br />
3. Je geringer die Anzahl <strong>de</strong>r Familienmitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>sto geringer die Anzahl<br />
<strong>de</strong>r ökonomischen Beziehungen.<br />
Zur Erfassung <strong>de</strong>r Datensätze und zur Visualisierung wur<strong>de</strong> das Datenauswer-<br />
tungsprogramm UCINET 6 genutzt. Mit Hilfe von Matrizen wur<strong>de</strong>n sowohl Per-<br />
sonen als auch <strong>de</strong>ren wechselseitige Beziehungen in einzelnen Abschnitten<br />
(Teilen/Kapitel) systematisch erfasst. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n mit Hilfe <strong>de</strong>s Pro-<br />
gramms die Erstellung von Netzwerken und die Differenzierung durch Attribute<br />
möglich. Die Attribute männlich/weiblich wur<strong>de</strong>n herangezogen, da diese, be-<br />
zogen auf die Untersuchung unserer Hypothesen, die jeweiligen Positionen im<br />
Netzwerk ver<strong>de</strong>utlichen. Diese Attribute wur<strong>de</strong>n im späteren Netzwerk farblich<br />
dargestellt, wobei die männlichen Knoten die Farbe blau und die weiblichen<br />
Knoten die Farbe rot erhielten. Außer<strong>de</strong>m ist noch die Farbe schwarz vorhan-<br />
<strong>de</strong>n. Bei diesen Knoten han<strong>de</strong>lt es sich um ganze Familien, da es nicht möglich<br />
17
war, bestimmten einzelnen Personen dieser Familie eine Beziehung zuzuord-<br />
nen. Das Gesamtnetzwerk ist nicht farblich unterschie<strong>de</strong>n. Darüber hinaus wer-<br />
<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Darstellung egozentrierter Netzwerke die umliegen<strong>de</strong>n Akteure in<br />
grün erscheinen.<br />
Des Weiteren ist es möglich einzelne Teilnetzwerke, egozentrierte Netzwerke<br />
und Auszüge aus <strong>de</strong>m Gesamtnetzwerk zu betrachten. Dies wur<strong>de</strong> vor allem<br />
dann genutzt, wenn bereits innerhalb <strong>de</strong>s Gesamtnetzwerks einzelne o<strong>de</strong>r meh-<br />
rere zentrale Akteure zu erkennen waren. Im Anschluss an das Gesamtnetz-<br />
werk wer<strong>de</strong>n diese im Einzelnen erläutert.<br />
5. Ergebnisse – Datenauswertung<br />
5.1. Das Gesamtnetzwerk<br />
Abb.: Das Gesamtnetzwerk <strong>de</strong>s Romans<br />
Das Gesamtnetzwerk <strong>de</strong>s Romans umfasst 183 Knoten. Davon sind 115 männ-<br />
lich und 55 weiblich. 13 Knoten sind ganzen Familien (Anzahl: 7) o<strong>de</strong>r Firmen<br />
18
(Anzahl: 6) zugeordnet. Aufgrund <strong>de</strong>r enormen Fülle an Akteuren bzw. Roman-<br />
figuren kann eine Analyse <strong>de</strong>s Gesamtnetzwerks <strong>de</strong>s Bud<strong>de</strong>nbrook-Romans im<br />
Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen wer<strong>de</strong>n. Die Teilnetzwerke wur<strong>de</strong>n in<br />
Bezug auf die Untersuchung <strong>de</strong>r Hypothesen hin geglie<strong>de</strong>rt.<br />
5.2. Die Teilnetzwerke<br />
5.2.1. Das Netzwerk familiärer Beziehungen<br />
Vorab muss zum Familiennetzwerk gesagt wer<strong>de</strong>n, dass eine Interpretation <strong>de</strong>r<br />
Teilnetzwerke nicht sehr aussagekräftig ist, da nur vorhan<strong>de</strong>ne Beziehungen<br />
dargestellt wer<strong>de</strong>n und die Beziehungen erst für die Betrachtung <strong>de</strong>r 3. These<br />
eine Rolle spielen.<br />
Abb.: Das gesamte Teilnetzwerk familiärer Beziehungen<br />
19
Es treten 87 Personen im Familiengesamtnetzwerk auf, von <strong>de</strong>nen 46 Männer<br />
und 41 Frauen sind. Hierbei sind alle Kombinationen von Netzwerken vorhan-<br />
<strong>de</strong>n.<br />
Die bei<strong>de</strong>n zentralen großen Netzwerke bil<strong>de</strong>n auch die zentralen Familien <strong>de</strong>s<br />
Buches, die Hagenströms und die Bud<strong>de</strong>nbrooks. Bei bei<strong>de</strong>n ist in <strong>de</strong>m allge-<br />
mein unübersichtlichen Teilnetzwerken jeweils eine Tria<strong>de</strong> zu erkennen.<br />
Es sind acht Dya<strong>de</strong>n und vier Tria<strong>de</strong>n zu sehen. Außer<strong>de</strong>m gibt es eine Quad-<br />
rupel und eine Quintupel.<br />
Um genauere Aussagen über die Eigenschaften <strong>de</strong>s Familiennetzwerkes ma-<br />
chen zu können und um in <strong>de</strong>r Lage zu sein, dieses mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Netzwer-<br />
ken (freundschaftlichen und ökonomischen) zu vergleichen, war es notwendig,<br />
die Netzwerke in Generationen aufzuteilen. Diese Teilnetzwerke wer<strong>de</strong>n im<br />
Folgen<strong>de</strong>n beschrieben.<br />
5.2.1.1. Das familiäre Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 (1835-1855)<br />
Abb.: Netzwerk familiärer Beziehungen, Teil 1 bis 4<br />
20
Im ersten Teilnetzwerk sind 58 Knoten zu sehen, von <strong>de</strong>nen 30 Männer sind<br />
und 28 Frauen.<br />
Auch hier sind die größten Teilnetzwerke wie<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>r Familie Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
und die <strong>de</strong>r Familie Hagenström. Beim Netzwerk <strong>de</strong>r Bud<strong>de</strong>nbrooks ist eine<br />
Beziehungskonstellation auffällig. Man sieht Akteur 130 (Frau Overdieck), wel-<br />
cher nur eine Beziehung zum Akteur 1 (Elisabeth Bud<strong>de</strong>nbrook) hat. Bei <strong>de</strong>n<br />
Hagenströms sind zwei Tria<strong>de</strong>n zu sehen, welche sich an das Teilnetzwerk an-<br />
schließen. Auffällig ist außer<strong>de</strong>m, dass bei <strong>de</strong>n Hagenströms mehr Männer (6)<br />
als Frauen (4) vorhan<strong>de</strong>n sind, wohingegen das Verhältnis bei <strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>n-<br />
brooks umgedreht ist. (13:14 )<br />
Des Weiteren sind auf <strong>de</strong>r Abbildung 5 Dya<strong>de</strong>n, eine Tria<strong>de</strong> und zwei Quadru-<br />
pel zu sehen.<br />
5.2.1.2. Das familiäre Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 5 bis 10 (1855-1875)<br />
Abb.: Netzwerk familiärer Beziehungen, Teile 5 bis 10<br />
21
Im zweiten Teilnetzwerk sind insgesamt 57 Knoten zusehen, von <strong>de</strong>nen 29<br />
Frauen und 28 Männer sind.<br />
Bei <strong>de</strong>m Teilnetzwerk <strong>de</strong>r Bud<strong>de</strong>nbrooks ist eine Quadrupel zwischen 55 (Ger-<br />
da Bud<strong>de</strong>nbrook), 181 (Herr Arnoldsen), 8 (Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook) und <strong>de</strong>r 182<br />
(Schwester Arnoldsen) zu erkennen. Bei <strong>de</strong>n Hagenströms ist nur die Tria<strong>de</strong><br />
zwischen <strong>de</strong>r 60 ( Konsul Huneus ) <strong>de</strong>r 73 (Herrmann Hagenström) und <strong>de</strong>r 114<br />
(Frl. Huneus) zu sehen.<br />
Auch hier sind in <strong>de</strong>m Hagenström Netzwerk wie<strong>de</strong>r mehr Männer (Anzahl: 7)<br />
als Frauen (Anzahl: 6), während es bei <strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>nbrooks mehr Frauen (An-<br />
zahl: 12) als Männer (Anzahl: 11) gibt. Außer<strong>de</strong>m ist es wichtig anzumerken,<br />
dass während das Hagenströmsche Netzwerk wächst (vorher 10 jetzt 13 Kno-<br />
ten), das Teilnetzwerk <strong>de</strong>r Bud<strong>de</strong>nbrooks kleiner wird (vorher 27 jetzt 23 Kno-<br />
ten). Außer<strong>de</strong>m sind in dieser Abbildung 5 Dya<strong>de</strong>n, 2 Tria<strong>de</strong>n und eine Quintu-<br />
pel zu sehen.<br />
5.2.1.3. Das familiäre Netzwerk <strong>de</strong>s Teils 11 (1875-1877)<br />
Abb.: Netzwerk familiärer Beziehungen, Teil 11<br />
22
Im dritten und letzen Teilnetzwerk ist die Anzahl <strong>de</strong>r Knoten auf 17 ge-<br />
schrumpft. Davon sind 8 Männer und 9 Frauen. Das Teilnetzwerk <strong>de</strong>r Ha-<br />
genströms ist nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n, da die Familienmitglie<strong>de</strong>r im letzen Kapitel<br />
nicht mehr erwähnt wer<strong>de</strong>n. Deshalb ist nur noch das sehr reduzierte Netzwerk<br />
Bud<strong>de</strong>nbrooks zu sehen, in <strong>de</strong>m es nur noch vier männliche und neun weibliche<br />
Knoten gibt. Damit ist das Netzwerk auf 13 Personen geschrumpft.<br />
Außer<strong>de</strong>m sind hier noch zwei Dya<strong>de</strong>n zu sehen, die bei<strong>de</strong> männlich sind.<br />
5.2.2. Das ökonomische Netzwerk<br />
Die Betrachtung <strong>de</strong>s gesamten Teilnetzwerks <strong>de</strong>r ökonomischen Beziehungen<br />
entfällt, da sich die Strukturen <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 und 5 bis 10 sich kaum unter-<br />
schei<strong>de</strong>n. Eine Zusammenführung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Teile wür<strong>de</strong> damit keine neuen<br />
graphischen Erkenntnisse liefern.<br />
5.2.2.1. Das ökonomische Gesamtnetzwerk <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 (1835-1855)<br />
Abb.: Das ökonomische Netzwerk, Teil 1 bis 4<br />
23
Grundlegend gehen wir bei <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>s ökonomischen Netzwerkes davon<br />
aus, dass Frauen gegenüber Männern keine zentralen Positionen einnehmen.<br />
Das ökonomische Netzwerk <strong>de</strong>r Kapitel eins bis vier umfasst 34 Knoten und 85<br />
Kanten. Hierbei sind nur drei Knoten weiblich (2, 43, 104). Ihnen kann <strong>de</strong>ment-<br />
sprechend keine beson<strong>de</strong>re Relevanz im ökonomischen Netzwerk beigemes-<br />
sen wer<strong>de</strong>n. Auffallend in diesem Netzwerk ist <strong>de</strong>r Stern, welcher sich aus <strong>de</strong>n<br />
Beziehungen <strong>de</strong>s Knotens 5 (Johann Bud<strong>de</strong>nbrook) ergibt. Dieser Stern ist<br />
hierbei nicht losgelöst vom übrigen Netzwerk, son<strong>de</strong>rn ist mit diesem über <strong>de</strong>n<br />
Knoten 5 weitläufig verbun<strong>de</strong>n.<br />
Zu<strong>de</strong>m lassen sich zwei Dya<strong>de</strong>n ausmachen. Die erste Dya<strong>de</strong> besteht aus <strong>de</strong>n<br />
Knoten 22 und 74, wobei <strong>de</strong>r Knoten 74 keine Einzelperson erfasst, son<strong>de</strong>rn<br />
eine Firma (Jakob Kröger, Dahlberg und Co.). Die zweite Dya<strong>de</strong> ergibt sich aus<br />
<strong>de</strong>r Beziehung zwischen <strong>de</strong>n Knoten 2 (Tony Bud<strong>de</strong>nbrook) und 104 (Frau<br />
Großgeorges) und ist also eine weibliche Konstellation.<br />
Zu<strong>de</strong>m lässt sich ein Triplett zwischen <strong>de</strong>n Knoten 3 (Johann Bud<strong>de</strong>nbrook) 28<br />
(Dietrich Ratenkamp) und 29 (Gelmaak) festmachen. Dieses Triplett weist kei-<br />
nerlei Verbindungen zum übrigen Netzwerk auf. Neun Knoten (8, 9, 30, 46, 47,<br />
58, 68, 73, 110) haben jeweils nur eine einzige Verbindung zu einem an<strong>de</strong>ren<br />
Knoten. Sie stehen außerhalb <strong>de</strong>s Gesamtnetzes und sind somit von geringer<br />
Be<strong>de</strong>utung.<br />
Fünf Knoten (43, 66, 99, 100, 108) weisen jeweils nur zwei Beziehungen auf.<br />
Auch sie nehmen damit keine relevanten Positionen in <strong>de</strong>m ökonomischen<br />
Netzwerk ein.<br />
Die übrigen Knoten haben jeweils fünf o<strong>de</strong>r mehr Beziehungen. Sie sind von<br />
zentraler Be<strong>de</strong>utung für das ökonomische Netzwerk. Ausgenommen <strong>de</strong>s Kno-<br />
ten 5, welcher wie bereits erwähnt einen Stern aufweist, unterschei<strong>de</strong>n sich die<br />
zentralen Knoten in ihren Positionen kaum. Differenzen bezüglich ihrer Rele-<br />
vanz sind folglich nicht auszumachen.<br />
Die zentralen Knoten sind alle männlich. Lediglich ein weiblicher Knoten (43)<br />
steht in Verbindung mit <strong>de</strong>m ökonomischen Netz. Aufgrund <strong>de</strong>r wenigen Bezie-<br />
hungen ist jedoch auch dieser von geringer Wichtigkeit. Unsere anfängliche<br />
Annahme hat sich also bewahrheitet.<br />
24
5.2.2.2. Das ökonomische Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4, die Bürgerschaft<br />
Abb.: Das Bürgerschaftsnetzwerk, Teil 1 bis 4<br />
Zur präziseren Darstellung nehmen wir jene Knoten heraus, die eine bis maxi-<br />
mal vier Beziehungen zu an<strong>de</strong>ren Knoten haben. Es lässt sich nun noch <strong>de</strong>utli-<br />
cher erkennen, dass die übrigen 13 männlichen Akteure sich aufgrund ihrer Be-<br />
ziehungen kaum unterschei<strong>de</strong>n. Vielmehr nehmen sie eine gleichwertige zent-<br />
rale Position im Netzwerk ein. Je<strong>de</strong>r dieser Personen ist <strong>de</strong>r Lübecker Bürger-<br />
schaft zuzurechen. Je<strong>de</strong>r Knoten in diesem Teilnetzwerk ist mit min<strong>de</strong>stens<br />
acht weiteren Knoten verbun<strong>de</strong>n.<br />
25
5.2.2.3. Die Position von Knoten 5 im ökonomischen Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4<br />
Abb.: Egozentriertes Netzwerk <strong>de</strong>s Akteurs 5 (Jean Bud<strong>de</strong>nbrook), Teile 1 bis 4<br />
Der zentralste Knoten <strong>de</strong>s ökonomischen Netzwerkes <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 ist, wie<br />
bereits erwähnt, Knoten 5 (Jean Bud<strong>de</strong>nbrook). Er weist die am häufigsten ver-<br />
netzte Position, mit 15 Kanten, auf. Auffallend ist hierbei, dass die eine Hälfte<br />
<strong>de</strong>r Beziehungen zu Einzelpersonen besteht. Der Stern ergibt sich daher zur<br />
Hälfte aus <strong>de</strong>n Beziehungen zu weiterhin unvernetzten Knoten. Die an<strong>de</strong>re<br />
Hälfte <strong>de</strong>r Beziehungen besteht zu Knoten, die ihrerseits eine starke Vernet-<br />
zung untereinan<strong>de</strong>r aufweisen.<br />
26
5.2.2.4. Das ökonomische Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 5 bis 10 (1855-1875)<br />
Abb.: Ökonomisches Netzwerk, Teile 5 bis 10<br />
Das ökonomische Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 5 bis 10 besteht ebenfalls aus 34 Knoten<br />
hat aber nur 70 Kanten. Es zeigt sich also im Verlauf von Teil 1 bis 10 eine Ab-<br />
nahme an Beziehungen von 15 Kanten bei einer gleich bleiben<strong>de</strong>n Anzahl von<br />
Akteuren. Wie<strong>de</strong>r sind nur drei Akteure weiblich (1, 51, 131). Das heißt, die<br />
Frauen besitzen auch hier keine Relevanz im ökonomischen Netzwerk. Ihre<br />
Platzierung innerhalb <strong>de</strong>s Netzes ist zu<strong>de</strong>m wenig zentral: Knoten 1 (Elisabeth<br />
Bud<strong>de</strong>nbrook) hat drei Beziehungen; Knoten 131 (Frau Huneus) und 51 (Se-<br />
semi Weichbrodt) haben jeweils nur eine Beziehung. Der Knoten 25 mit drei<br />
Kanten ist <strong>de</strong>r ganzen Familie Möllendorpf zugeordnet.<br />
Das ökonomische Netzwerk weist eine abgeschlossene Dya<strong>de</strong> auf, welche die<br />
reziproke Beziehung zwischen Knoten 127 (Herr Nie<strong>de</strong>rpauer) und Knoten 128<br />
(Herr Permane<strong>de</strong>r) beschreibt. Ebenfalls auffallend ist das Triplett, das wie die<br />
Dya<strong>de</strong> keine Verbindung zum sonstigen ökonomischen Netzwerk hat; es be-<br />
steht aus Knoten 115 (Herr Benthine), Knoten 105 (Kaufmann Sörenson) sowie<br />
Knoten 20 (Justus Kröger). Zehn Knoten haben nur eine ökonomische Bezie-<br />
27
hung zu einem an<strong>de</strong>ren Knoten und spielen <strong>de</strong>shalb eine untergeordnete Rolle.<br />
Hinzu kommt die bereits genannte Dya<strong>de</strong>. Knoten 142 und 153 pflegen jeweils<br />
zwei ökonomische Beziehungen plus die Knoten <strong>de</strong>s erwähnten Tripletts. Fünf<br />
<strong>de</strong>r Knoten weisen jeweils drei ökonomische Beziehungen auf (101, 16, 1, 25,<br />
50). Nur Knoten 171 hat vier ökonomische Beziehungen. Damit bleiben im<br />
Zentrum <strong>de</strong>s Netzwerks die zwölf Knoten übrig, die die relevanten und zentra-<br />
len Positionen im ökonomischen Netzwerk in Teil 5 bis 10 einnehmen und im<br />
folgen<strong>de</strong>n Kapitel dargestellt sind.<br />
5.2.2.5. Das ökonomische Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 5 bis 10, die Bürgerschaft<br />
Abb. : Das Bürgerschaftsnetzwerk, Teile 5 bis 10<br />
Die aus <strong>de</strong>m vorigen Kapitel erkannten Akteure sind in <strong>de</strong>r Graphik nochmals<br />
geson<strong>de</strong>rt zu sehen. Nimmt man bei <strong>de</strong>r graphischen Darstellung <strong>de</strong>s ökonomi-<br />
schen Netzwerks im Teil 5 bis 10 die Knoten heraus, die eine bis maximal vier<br />
Beziehungen zu an<strong>de</strong>ren Knoten haben, so kann man erkennen, dass die übri-<br />
gen männlichen 12 Akteure eine fast gleichwertig zentrale Rolle im Netzwerk<br />
einnehmen. Alle diese Personen sind wie in Teil 1 bis 4 Mitglied in <strong>de</strong>r Lübecker<br />
28
Bürgerschaft. Sie sind bis auf Knoten 9 (Christian Bud<strong>de</strong>nbrook) und 38 (And-<br />
reas Giesecke) untereinan<strong>de</strong>r mit min<strong>de</strong>stens 9 Kanten pro Knoten vernetzt.<br />
Das be<strong>de</strong>utet zu<strong>de</strong>m, dass die zuvor im gesamten Netzwerk ebenfalls mit vie-<br />
len Beziehungen ausgestatteten Knoten, die jetzt graphisch nur noch drei Kno-<br />
ten aufweisen, eine ökonomische Beziehungen zu teils unverbun<strong>de</strong>nen Knoten<br />
o<strong>de</strong>r kleinen Gruppen verhalten und damit weniger zentrale Platzierungen auf-<br />
weisen. Dies liegt vor allem im Falle von Knoten 9 (Christian Bud<strong>de</strong>nbrook) vor,<br />
auch sein Beziehungsgefüge bil<strong>de</strong>t graphisch einen Stern.<br />
Im Vergleich mit <strong>de</strong>m Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 bleiben drei Personen auch<br />
weiterhin in Teil 5 bis 10 ökonomische Akteure <strong>de</strong>r Bürgerschaft. Dies sind Kno-<br />
ten 24 (Holzhändler Oeverdieck), Knoten 34 (Hinrich Hagenström) und Knoten<br />
11 (Doktor Grabow).<br />
5.2.2.6. Die Position von Knoten 8 im ökonomischen Netzwerk <strong>de</strong>r Teile 5 bis<br />
10<br />
Abb.: Egozentriertes Netzwerk <strong>de</strong>s Akteurs 8 (Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook), Teile 5 bis 10<br />
29
Der am besten platzierte Knoten <strong>de</strong>s ökonomischen Netzwerks in Teil 5 bis 10<br />
ist Knoten 8 (Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook). Er hat die mächtigste Position mit 17 Kan-<br />
ten, wobei über die Hälfte <strong>de</strong>r Beziehungen zu an<strong>de</strong>ren, zentral platzierten<br />
Knoten verlaufen. 8 ist im Vergleich zu Knoten 5 (Jean Bud<strong>de</strong>nbrook) aus <strong>de</strong>n<br />
Teilen 1 bis 4 im ökonomischen Netzwerk mit zwei Knoten mehr vernetzt. Die<br />
dritte Firmengeneration konnte ihr ökonomisches Netz also ausweiten, da Tho-<br />
mas Bud<strong>de</strong>nbrook einen zentraleren Platz im ökonomischen Netz einnimmt als<br />
sein Vater. Er hat zu allen bereits festgestellten beziehungsreichen Personen<br />
eine direkte Beziehung.<br />
Die Knoten 46 (Herr Marcus), 101 (Makler Gosch), 16 (Senator Langhals) und<br />
11 (Doktor Grabow) bleiben aus <strong>de</strong>m Teil 1 bis 4 von Jean Bud<strong>de</strong>nbrook auch<br />
ökonomische Beziehungspartner von Thomas.<br />
5.2.2.7. Das ökonomische Netzwerk in Teil 11 (1875-1877)<br />
In Teil 11 ist das ökonomische<br />
Netzwerk auf 5 Knoten ge-<br />
schrumpft. Vier davon sind<br />
wie<strong>de</strong>rum männlich, einzig<br />
weiblicher Knoten ist 55 (Ger-<br />
da Bud<strong>de</strong>nbrook). Dieser nimmt allerdings <strong>de</strong>n zentralsten<br />
Platz, da er die Brü-<br />
ckenposition zwischen 101 zu 84 und 46 einnimmt. Interessanterweise bleiben<br />
die bei<strong>de</strong>n Akteure 46 (Herr Marcus) und 101 (Makler Gosch) von Teil 1 bis<br />
zum Teil 11 im ökonomischen Netz bestehen. Da im Roman die weiteren Per-<br />
sonen nicht mehr erwähnt wer<strong>de</strong>n, können auch keine Knoten interpretativ er-<br />
gänzt wer<strong>de</strong>n, da wir uns sonst auf <strong>de</strong>r Ebene von Spekulationen befin<strong>de</strong>n wür-<br />
<strong>de</strong>n.<br />
30
5.2.3. Das Netzwerk freundschaftlicher Beziehungen<br />
Im Anschluss an die Analyse <strong>de</strong>r familiären und ökonomischen Beziehungen<br />
bil<strong>de</strong>n die freundschaftlichen Beziehungen <strong>de</strong>n dritten Schwerpunkt <strong>de</strong>r Ausei-<br />
nan<strong>de</strong>rsetzungen. –<br />
Hypothese eins <strong>de</strong>r Untersuchung geht von einer Korrelation <strong>de</strong>r Anzahl öko-<br />
nomischer und freundschaftlicher Beziehungen aus. Diese Annahme wird in<br />
Kapitel 3 überprüft. Hypothese zwei <strong>de</strong>r Untersuchung geht davon aus, dass<br />
Frauen häufiger freundschaftliche Beziehungen führen als Männer (vgl. Hypo-<br />
these 2). Diese Annahme hat sich in <strong>de</strong>r Analyse nicht bestätigt hat. Der pro-<br />
zentuale Anteil <strong>de</strong>r von weiblichen Akteuren geführten freundschaftlichen Be-<br />
ziehungen beträgt im Gesamtnetzwerk (n=90) 46,667%. Hingegen beträgt <strong>de</strong>r<br />
prozentuale Anteil <strong>de</strong>r männlichen Akteure 53,333 (s.Abb.1).<br />
Bei genauerer Betrachtung ergeben sich stärkere Differenzen <strong>de</strong>r Akteure un-<br />
tereinan<strong>de</strong>r. Einige Akteure weisen (unabhängig vom Geschlecht) häufigere<br />
und/o<strong>de</strong>r weitreichen<strong>de</strong>re freundschaftliche Beziehungen auf als an<strong>de</strong>re. Insbe-<br />
son<strong>de</strong>re die Positionen <strong>de</strong>r Frauen ver<strong>de</strong>utlicht <strong>de</strong>ren Stellung im Netzwerk. Im<br />
Folgen<strong>de</strong>n wird daher das Gesamtnetzwerk <strong>de</strong>r Freundschaftsbeziehungen <strong>de</strong>s<br />
Romans mit seinen Beson<strong>de</strong>rheiten vorgestellt.<br />
5.2.3.1. Das Netzwerk <strong>de</strong>r freundschaftlichen Beziehungen und seine Teilnetz-<br />
werke<br />
Das Gesamtnetzwerk freundschaftlicher Beziehungen besteht aus 41 Knoten.<br />
Davon sind 13 weibliche (rot) und 26 (blau) männliche Akteure. Ein Knoten (88,<br />
im Folgen<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Darstellungen schwarz) ist, aufgrund <strong>de</strong>r Nennungen im<br />
Roman, einer ganzen Familie zugeordnet.<br />
Die drei weiblichen Akteure (1, 2, 55) nehmen eine zentrale Position ein. Sie<br />
haben insgesamt 28 direkte Freundschaftsbeziehungen. Diese Beziehungen<br />
wer<strong>de</strong>n sowohl zu Frauen als auch zu Männern geführt. Innerhalb <strong>de</strong>r Freund-<br />
schaftsbeziehungen dieser drei Akteure gibt es drei Überschneidungen. Insge-<br />
samt weisen sie sechs indirekte Beziehungen auf. Akteure, welche über größe-<br />
31
e Distanz zu erreichen sind, sind männlich und teilweise zu<strong>de</strong>m mit <strong>de</strong>n drei<br />
Akteuren verwandt.<br />
Abb.1: Gesamtnetzwerk <strong>de</strong>r freundschaftlichen Beziehungen<br />
Daneben gibt es <strong>de</strong>n zentraler Schnei<strong>de</strong>punkt (11) im Freundschaftsnetzwerk.<br />
Der Akteur 11 (Dr. Grabow) besitzt auf Grund seiner Machtposition im Netzwerk<br />
Einfluss. Dieser erschließt sich aus seiner zentralen Stellung. Die Kontaktper-<br />
sonen von Akteur 11 haben durch ihre zahlreichen Außenbeziehungen eben-<br />
falls eine zentrale Position. Sie stärken <strong>de</strong>n Akteur 11. Dieser muss über keine<br />
umfangreichen persönlichen Kontakte verfügen, son<strong>de</strong>rn kann innerhalb kurzer<br />
Schritte durch die Kontaktpersonen (1, 2, 8) auf zahlreiche weitere Verbindun-<br />
gen zurückgreifen. Diese Position ermöglicht ihm einen hohen Status.<br />
32
5.2.3.2.. Der doppelsternförmige Netzwerkausschnitt<br />
Der erste Netzwerkausschnitt, welcher sich aus <strong>de</strong>m kompletten Netzwerk<br />
freundschaftlicher Beziehungen ergibt, bil<strong>de</strong>t die Form eines Doppelsterns.<br />
Abb.: doppelsternförmiger Netzwerkausschnitt<br />
Dieser besteht aus 23 Knoten. Davon sind 12 Knoten weibliche und 11 männli-<br />
che Akteure. In diesem Ausschnitt heben sich die bei<strong>de</strong>n Akteure 1 (Elisabeth<br />
Bud<strong>de</strong>nbrook) und 2 (Tony Bud<strong>de</strong>nbrook) und Akteur 11 (Dr. Grabow) von <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren Akteuren ab. 1 und 2 führen die meisten direkten Beziehungen im<br />
Netzwerk und sind <strong>de</strong>shalb zentral. 11 ist ein Schnei<strong>de</strong>punkt zwischen <strong>de</strong>n bei-<br />
<strong>de</strong>n Akteuren. Je<strong>de</strong> Beziehung zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Gruppen müsste über ihn<br />
laufen. 1 und 2 haben kurze Distanzen zu <strong>de</strong>n sie direkt umgeben<strong>de</strong>n Akteuren.<br />
11 (Dr. Grabow) hat dabei im Durchschnitt die kürzeste Distanz zu allen Akteu-<br />
ren im Netzwerk.<br />
5.2.3.3. Die Kette<br />
Das Netzwerk aller freundschaftlichen Beziehungen weist darüber hinaus eine<br />
Kette auf. In <strong>de</strong>r Kette hat je<strong>de</strong>r Akteur bis auf die Außenakteure 84 und 117<br />
und <strong>de</strong>r Akteur 87 jeweils zwei direkte Beziehungen im Netzwerk. Die beste<br />
Erreichbarkeit <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Akteure besteht für <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Kette lie-<br />
gen<strong>de</strong>n Akteur 9 (Christian Bud<strong>de</strong>nbrook), <strong>de</strong>r <strong>de</strong>shalb die höchste Zentralität<br />
33
aufweist. Er erreicht alle Akteure über maximal drei Kanten. Die Akteure 84<br />
(Stephan Kistenmarker) und 117 (Herr Cremer) erreichen hingegen alle Akteure<br />
über maximal sechs Kanten. Insgesamt han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>r Kette, mit Aus-<br />
nahme <strong>de</strong>s Knoten 88 (Familie Bud<strong>de</strong>nbrook), ausschließlich um männliche<br />
Akteure.<br />
Abb.: Kette<br />
5.2.3.4. Die Verbindung zwischen Doppelstern und Kette<br />
Akteur<br />
11 (Dr. Grabow) hat zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Netzwerkausschnitten Dop-<br />
pelstern und Kette die kürzeste Distanz zu allen Akteuren im Netzwerk. Akteur<br />
11 ist <strong>de</strong>mentsprechend sowohl zentraler Schnei<strong>de</strong>punkt <strong>de</strong>r Akteure im Dop-<br />
pelstern, als auch <strong>de</strong>r Kette. Die Kette (als ein rein männliches Netzwerk) ist<br />
somit ausschließlich durch Akteur 11 (ebenfalls männlich) mit <strong>de</strong>n freundschaft-<br />
lichen Aktivitäten <strong>de</strong>s Doppelsterns verbun<strong>de</strong>n.<br />
34
Abb.: Doppelstern und Kette (zentraler Schnei<strong>de</strong>punkt Akteur 11)<br />
5.2.3.5. Der sternförmigen Netzwerkausschnitt<br />
Im dritten sternförmigen Netzwerk ist Akteur 55 (Gerda Bud<strong>de</strong>nbrook) zentral.<br />
Die weiteren Akteure sind hingegen verglichen damit peripher, da sie nur je-<br />
weils mit einer Beziehung zum Netzwerk verbun<strong>de</strong>n sind. Darüber hinaus ist<br />
<strong>de</strong>r Stern mit drei indirekten Beziehungen und einer direkten Beziehung zwi-<br />
schen <strong>de</strong>n Akteuren 55 und 2 (Tony Bud<strong>de</strong>nbrook) mit <strong>de</strong>m Doppelstern ver-<br />
bun<strong>de</strong>n.<br />
35
5.2.3.6. Die Freundschaftsbeziehungen in Anlehnung an das Sterben eines<br />
Familienoberhaupts<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die Freundschaftsbeziehungen in einzelne Zeiträume<br />
unterteilt. Sowohl die Entstehung als auch <strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>l freundschaftlicher Be-<br />
ziehungen wird durch die Betrachtung zeitlich begrenzter Abschnitte nachvoll-<br />
ziehbar. Die Unterglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Freundschaftsbeziehungen basiert <strong>de</strong>ment-<br />
sprechend auf <strong>de</strong>r zeitlichen Abfolge <strong>de</strong>s Romans. Begrenzt sind die einzelnen<br />
Netzwerke durch <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s je aktuellen männlichen Familienoberhaupts <strong>de</strong>r<br />
Familie Bud<strong>de</strong>nbrook.<br />
5.2.3.7. Die Freundschaftsbeziehungen in <strong>de</strong>n Teilen 1 bis 4 (1835-1855)<br />
Das System <strong>de</strong>r Freundschaftsbeziehungen in <strong>de</strong>n Teilen 1 bis 4 unterglie<strong>de</strong>rt<br />
sich in drei getrennte Netzwerke, davon sind zwei Netzwerke sternförmig.<br />
In <strong>de</strong>m ersten sternförmigen Netzwerk ist Akteur 1 (Elisabeth Bud<strong>de</strong>nbrook)<br />
zentral. Die weiteren Akteure sind dagegen in vergleichen<strong>de</strong>r Weise peripher.<br />
Sie sind untereinan<strong>de</strong>r kaum in die Aktivitäten <strong>de</strong>s Netzwerkes eingebun<strong>de</strong>n.<br />
Ebenso stellt es sich im zweiten Netzwerk dar. Dies ist ebenfalls ein sternförmi-<br />
ges Netzwerk. In diesem ist Akteur 2 (Tony Bud<strong>de</strong>nbrook) zentral. Die weiteren<br />
Akteure sind hier kaum in die Aktivitäten <strong>de</strong>s Netzwerkes eingebun<strong>de</strong>n.<br />
Abb.: Netzwerk <strong>de</strong>r freundschaftlichen Beziehungen, Teile 1 bis 4<br />
36
Das dritte Netzwerk ist eine Kette. In dieser haben nur Akteur 8 (Thomas Bud-<br />
<strong>de</strong>nbrook) und 38 (Andreas Giesecke) je zwei direkte Beziehungen im Netz-<br />
werk. Bei<strong>de</strong> Akteure können die weiteren Akteure über maximal 2 Kanten errei-<br />
chen. Es besteht in diesem Netzwerk daher keine ein<strong>de</strong>utige Zentralität. Insge-<br />
samt han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>r Kette um ausschließlich männliche Akteure.<br />
5.2.3.8. Die Freundschaftsbeziehungen in <strong>de</strong>n Teilen 5 bis 10 (1855-1875)<br />
Das System <strong>de</strong>r Freundschaftsbeziehungen in <strong>de</strong>n Teilen 5 bis 10 unterglie<strong>de</strong>rt<br />
sich in zwei getrennte Netzwerke. Im Vergleich zum Gesamtnetzwerk und zum<br />
Netzwerk <strong>de</strong>r Beziehungen in <strong>de</strong>n Teilen 1 bis 4 wird die Differenz <strong>de</strong>r zentralen<br />
Akteure (1, 2, 55) im Verlauf <strong>de</strong>s Romans <strong>de</strong>utlich. Die zentrale Position <strong>de</strong>s<br />
Akteurs 11 hingegen besteht sowohl im Gesamtnetzwerk als auch in <strong>de</strong>n Tei-<br />
len 1 bis 4 und 5 bis 10.<br />
Abb.: Netzwerk <strong>de</strong>r freundschaftlichen Beziehungen, Teile 5 bis 10<br />
Verglichen mit <strong>de</strong>n Netzwerken aus <strong>de</strong>n Teilen 1 bis 4 zeigt sich in <strong>de</strong>n Teilen 5<br />
bis 10 eine <strong>de</strong>utliche Strukturverän<strong>de</strong>rung. Das erste Netzwerk ist eine Trias<br />
bestehend aus <strong>de</strong>n Akteuren 1 (Elisabeth Bud<strong>de</strong>nbrook), 120 (Frau Köppen)<br />
und 121 (Lea Gerhardt). Verglichen mit <strong>de</strong>n Beziehungen <strong>de</strong>s Akteurs 1 in <strong>de</strong>m<br />
Zeitraum <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 zeigt sich hier eine klare Verringerung <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r<br />
Beziehungen und damit <strong>de</strong>r Einflussnahme <strong>de</strong>s Akteurs.<br />
37
Das zweite Netzwerk besteht aus drei Netzwerken. Das erste Netzwerk weist<br />
keine ein<strong>de</strong>utige Struktur auf. Es besteht aus je vier weiblichen und männlichen<br />
Akteuren. Akteur 55 (Gerda Bud<strong>de</strong>nbrook) nimmt dabei mit sechs direkten Be-<br />
ziehungen eine zentrale Position ein. Im Vergleich zum vorhergehen<strong>de</strong>n Zeit-<br />
raum (Teile 1 bis 4) war Akteur 55 bis dahin peripher. Das zweite Netzwerk ist<br />
eine Kette. In dieser Kette hat je<strong>de</strong>r Akteur bis auf die Außenakteure 84 und<br />
117 und <strong>de</strong>r Akteur 38 jeweils zwei direkte Beziehungen im Netzwerk <strong>de</strong>r Teile<br />
5 bis 10. Die beste Erreichbarkeit <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Akteure besteht für die in <strong>de</strong>r<br />
Mitte <strong>de</strong>r Kette liegen<strong>de</strong>n Akteure 9 (Christian Bud<strong>de</strong>nbrook) und 11 (Dr. Gra-<br />
bow), die <strong>de</strong>shalb die höchste Zentralität aufweisen. Akteur 9 erreicht alle Ak-<br />
teure über maximal drei Kanten. Während Akteur 11 <strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>punkt zwi-<br />
schen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Netzwerken ist. Die Außenakteure 84 und 117 erreichen hin-<br />
gegen alle Akteure über maximal sechs Kanten (Beziehungen). Insgesamt han-<br />
<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>r Kette unverän<strong>de</strong>rt um ausschließlich männliche Akteure.<br />
5.2.3.9. Die Freundschaftsbeziehungen im Teil 11 (1875-1877)<br />
Im Schlussteil 11 zeigt sich die Strukturverän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Freundschaftsbezie-<br />
hungen am stärksten. Gab es zwischen <strong>de</strong>n Zeiträumen <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 und<br />
<strong>de</strong>r Teile 5 bis 10 eine Zunahme sowohl <strong>de</strong>r Akteure als auch <strong>de</strong>r freundschaft-<br />
lichen Beziehungen untereinan<strong>de</strong>r, so zeigt sich hier eine entgegengesetzte<br />
Entwicklung. Das System <strong>de</strong>r Freundschaftsbeziehungen nimmt hier rapi<strong>de</strong> ab.<br />
Abb.: Netzwerk freundschaftlicher Beziehungen, Teile 5 bis 10<br />
38
6. Zwischenergebnisse<br />
In <strong>de</strong>n Ausführungen zum Bürgertum 22 wird mehrfach darauf hingewiesen, dass<br />
sich eine Entwicklung in Hinblick auf die Trennung von Öffentlichkeit und Pri-<br />
vatheit vollzog. Aufgabe <strong>de</strong>r weiblichen Mitglie<strong>de</strong>r war vor allem die <strong>de</strong>r Haus-<br />
haltsführung. Diese Zuständigkeit ordneten wir freundschaftlichen Beziehungen<br />
zu, <strong>de</strong>nn Freundschaft gilt heute als „[...] beson<strong>de</strong>rs persönlich gefärbte Form<br />
direkter sozialer Beziehungen die – ohne spezifische Rollenverpflichtung – frei-<br />
willig und auf längere, nicht fixierte Dauer eingegangen wird.“ 23 Diese These hat<br />
sich bei <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r Netzwerkstrukturen nicht bestätigt. Statt<strong>de</strong>ssen zeigt<br />
sich zum einen im Netzwerk freundschaftlicher Beziehungen eine minimal hö-<br />
here Anzahl <strong>de</strong>r männlichen Akteure. Zum an<strong>de</strong>ren hat sich auch im zeitlichen<br />
Verlauf <strong>de</strong>r freundschaftlichen Beziehungen gezeigt, dass vor allem Akteur 11<br />
(Dr. Grabow) die beständigste und zentralste Position einnimmt.<br />
6.1. Der Vergleich <strong>de</strong>r Netzwerke freundschaftlicher und ökonomischer<br />
Beziehungen<br />
Die Annahme einer Korrelation <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Teilnetzwerke ökonomischer und<br />
freundschaftlicher Beziehungen basiert auf Hypothese eins und zwei.<br />
In <strong>de</strong>r ersten Hypothese wur<strong>de</strong> angenommen, dass die Anzahl <strong>de</strong>r ökonomi-<br />
schen im Verhältnis zu <strong>de</strong>n freundschaftlichen Beziehungen im Romanverlauf<br />
steigt o<strong>de</strong>r fällt. Die ökonomischen Beziehungen nehmen bei gleich bleiben<strong>de</strong>r<br />
Anzahl von Akteuren von Teil 1 bis 4 und von Teil 5 bis 10 leicht zu. Im 11. Teil<br />
nimmt dagegen die Anzahl <strong>de</strong>r ökonomischen Beziehungen rapi<strong>de</strong> ab. Im Hin-<br />
blick auf die freundschaftlichen Beziehungen zeigt sich eine ähnliche Entwick-<br />
lung. Zwischen <strong>de</strong>n Zeiträumen <strong>de</strong>r Teile 1 bis 4 und 5 bis 10 nahmen sowohl<br />
die Anzahl <strong>de</strong>r Akteure (von 26 auf 29) als auch <strong>de</strong>r freundschaftlichen Bezie-<br />
22 Vgl. Jansen 2003: 51<br />
23 Vgl. Hillmann1994: 244<br />
39
hungen zu. Im 11. Teil zeigt sich parallel zu <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r ökonomischen<br />
Beziehungen wie<strong>de</strong>r eine gegenläufige quantitative Entwicklung. Im Ergebnis<br />
zeigt sich dies in <strong>de</strong>r minimalen Anzahl <strong>de</strong>r Beziehungen (2). Die erste These<br />
lässt sich daher insoweit bestätigen, als dass die Anzahl <strong>de</strong>r freundschaftlichen<br />
Beziehungen mit <strong>de</strong>r Anzahl an ökonomischen Beziehungen korreliert. Dies<br />
steht in Verbindung zu <strong>de</strong>n Ergebnissen <strong>de</strong>r zweiten These. In bei<strong>de</strong>n Netzwer-<br />
ken bestimmen vor allem männliche Akteure die quantitativen Strukturen. Die-<br />
ses führt zu einer Korrelation in <strong>de</strong>n zeitlichen Teilnetzwerken. Auffällig ist die<br />
konstante Be<strong>de</strong>utung, die Akteur 11 (Dr. Grabow) in allen ökonomischen und<br />
freundschaftlichen Teilnetzwerken durch seine Positionierung einnimmt.<br />
In <strong>de</strong>r zweiten Hypothese wird von einer quantitativen Dominanz <strong>de</strong>r männli-<br />
chen Akteure im ökonomischen Netzwerk im Gegensatz zu einer quantitativen<br />
Dominanz <strong>de</strong>r weiblichen Akteure im freundschaftlichen Netzwerk ausgegan-<br />
gen. Die Annahme, dass männliche Akteure eine höhere Anzahl ökonomischer<br />
Beziehungen aufweisen hat sich bestätigt. Die überdurchschnittliche Anzahl<br />
männlicher Akteure innerhalb <strong>de</strong>r ökonomischen Beziehungen weitet sich ent-<br />
gegen <strong>de</strong>r Annahme jedoch auch auf die freundschaftlichen Beziehungen aus.<br />
Nichts<strong>de</strong>stotrotz sind im Netzwerk freundschaftlicher Beziehungen die Positio-<br />
nen <strong>de</strong>r weiblichen Akteure zentraler als im ökonomischen Netzwerk. Insge-<br />
samt führen jedoch männliche Akteure mehr freundschaftliche und ökonomi-<br />
sche Beziehungen.<br />
6.2. Der Vergleich <strong>de</strong>r Netzwerke ökonomischer und familiärer Beziehungen<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die Ergebnisse <strong>de</strong>r Untersuchung <strong>de</strong>r ökonomischen und<br />
familiären Teilnetzwerke verglichen, um eine eventuelle Korrelation bezüglich<br />
<strong>de</strong>r Hypothesen festzustellen.<br />
Sowohl im familiären als auch im ökonomischen Netzwerk bleibt die Anzahl <strong>de</strong>r<br />
Akteure im zeitlichen Verlauf <strong>de</strong>s Romans bis zum Teil 10 im Wesentlichen<br />
konstant. Im ökonomischen Teilnetzwerk ist von Teil 1 bis 10 sogar ein leichter<br />
Anstieg <strong>de</strong>r Beziehungsanzahl zu bemerken. Die dritte These; Je geringer die<br />
40
Anzahl <strong>de</strong>r Familienmitglie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>sto geringer auch die Anzahl <strong>de</strong>r ökonomi-<br />
schen Beziehungen, lässt sich daher nicht verifizieren. In Bezug darauf ist auf-<br />
fällig, dass nach <strong>de</strong>m Tod von Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook, eine/ seine Frau die zent-<br />
rale Rolle im ökonomischen Netzwerk übernimmt. Im 11. Teil verringert sich<br />
dann aber die Anzahl <strong>de</strong>r Familienakteure rapi<strong>de</strong>, wie dies auch im ökonomi-<br />
schen Netzwerk dar Fall ist. Es ist daher richtig anzunehmen, dass die ökono-<br />
mischen Beziehungen mit <strong>de</strong>n familiären korrelieren. Allerdings ist dieses Er-<br />
gebnis vor allem <strong>de</strong>r Nicht-Erwähnung vorheriger Romanfiguren (z.B. <strong>de</strong>r Ha-<br />
genströms) geschul<strong>de</strong>t und untermauert weniger unsere These bezüglich <strong>de</strong>r<br />
gesellschaftlichen Verfalls-Situation <strong>de</strong>s Bürgertums.<br />
Im Verlauf <strong>de</strong>r zeitlich begrenzten familiären Teilnetzwerke halbiert sich die An-<br />
zahl <strong>de</strong>r männlichen Akteure, wohingegen die Anzahl <strong>de</strong>r Frauen konstant<br />
bleibt. Die zentrale Position weiblicher Akteure im zeitlichen Verlauf <strong>de</strong>r ökono-<br />
mischen Beziehungen nimmt Gerda Bud<strong>de</strong>nbrook ein. Ihre Position bestätigt<br />
sich nicht im familiären Netzwerk.<br />
7. Abschließen<strong>de</strong> Bemerkung<br />
Abschließend lassen sich einige wesentliche Ergebnisse <strong>de</strong>r Untersuchung<br />
festhalten. Eine literarische Fiktion kann keine empirisch-komplexen Strukturen<br />
<strong>de</strong>r bürgerlichen Wirklichkeit abbil<strong>de</strong>n. Entsprechend <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Strukturanalyse stand kein effektiver Datensatz zur Verfügung, <strong>de</strong>r umfassen<strong>de</strong><br />
Vergleichmöglichkeiten zulässt. Trotz einiger Unzugänglichkeiten bezüglich <strong>de</strong>r<br />
literarischen Form <strong>de</strong>s Untersuchungsgegenstan<strong>de</strong>s, sind die Ergebnisse be-<br />
friedigend und nähern sich wenig <strong>de</strong>r literarischen Interpretation. Einige grund-<br />
legen<strong>de</strong> bürgerliche Strukturmerkmale konnten in <strong>de</strong>m Roman „Bud<strong>de</strong>nbrooks.<br />
Verfall einer Familie“ durch die Netzwerke nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Feststellen lässt sich beispielsweise, dass in allen betrachteten Netzwerken<br />
eine quantitative Dominanz von männlichen Akteuren besteht. Die zugrun<strong>de</strong><br />
gelegte Theorie hat sich im Hinblick auf die bürgerliche Rolle <strong>de</strong>s Mannes bes-<br />
41
tätigt. Demgegenüber ist die heutige Auffassung über die freundschaftlichen<br />
Beziehungen <strong>de</strong>r Frauen außerhalb <strong>de</strong>r Familien strukturell nicht feststellbar.<br />
Des Weiteren konnte eine Korrelation familiärer und ökonomischer Beziehun-<br />
gen im Hinblick auf die vorangestellten Hypothesen nicht bestätigt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bürgerschaft, welche wesentliche ökonomische Beziehungen<br />
aufweisen, führen untereinan<strong>de</strong>r keine familiären Beziehungen. Daraus lässt<br />
sich bezüglich <strong>de</strong>r theoretischen Grundlagen schließen, dass die Familie Bud-<br />
<strong>de</strong>nbrook nach ökonomischen Kriterien ungünstige Heiratsstrategien verfolgt<br />
hat.<br />
Für weiterführen<strong>de</strong> Untersuchungen zu speziellen Themenfel<strong>de</strong>rn, böte es sich<br />
an, die zeitlichen Teilnetzwerkverläufe <strong>de</strong>r Familie Bud<strong>de</strong>nbrook herauszugrei-<br />
fen.<br />
42
8. Literaturverzeichnis<br />
Hays, Robert (1988): Friendship. In: Duck, Steve (Hrsg.), Handbook of personal<br />
Relationships. New York: John Wiley and Sons, Chichester, S. 391-408.<br />
Hillmann, Karl- Heinz (1994): Wörterbuch <strong>de</strong>r Soziologie. Stuttgart: Kröger 4.<br />
Auflage.<br />
Jansen, Dorothea (2003): Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Me-<br />
tho<strong>de</strong>n, Forschungsbeispiele. Opla<strong>de</strong>n: Leske + Budrich.<br />
Ludwig, M. H. (1979): Thomas Mann. Gesellschaftliche Wirklichkeit und Weit-<br />
sicht in <strong>de</strong>n Bud<strong>de</strong>nbrooks. Hollfeld: Beyer.<br />
Müller, Fred (1988): Thomas Mann. Bud<strong>de</strong>nbrooks. Ol<strong>de</strong>nbourg. Interpretatio-<br />
nen, in Bogdal (Hrsg.). München: Opla<strong>de</strong>n.<br />
Parsons, Talcott (1998) [1955]: Family socialization and interaction process.<br />
Glencoe: Free Press<br />
Rosenbaum Heidi (1992): Formen <strong>de</strong>r Familie. Frankfurt: Suhrkamp.<br />
Tönnies, Ferdinand (1992) [1887]: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin: Cur-<br />
tius.<br />
Vogt, Jochen (1995): Thomas Mann. Bud<strong>de</strong>nbrooks. München:Wilhelm Fink.<br />
43
Anhang<br />
44
Zeittafel<br />
• 1768<br />
Gründung <strong>de</strong>r Firma Joh. Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
• 1825<br />
Johann Bud<strong>de</strong>nbrook und Elisabeth Kröger heiraten<br />
• 1835<br />
Mitte Oktober: Familienfeier zur Einweihung <strong>de</strong>s neuen Hauses in <strong>de</strong>r<br />
Mengstraße<br />
Konsul Johann Bud<strong>de</strong>nbrook d. J. ist mit seiner Ehefrau Elisabeth, geb.<br />
Kröger seit 10 Jahren verheiratet<br />
Erbstreit mit Gotthold Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
• 1838<br />
Geburt Clara Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
Eltern seit 1825 verheiratet<br />
• 1842<br />
Jan.: Tod von Antoinette Bud<strong>de</strong>nbrook, geb. Duchamps, zweite Ehefrau von<br />
Johann Bud<strong>de</strong>nbrook d. Ä.<br />
März: Tod von Johann Bud<strong>de</strong>nbrook d. Ä., Konsul Johann Bud<strong>de</strong>nbrook ü-<br />
bernimmt die Firma<br />
Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook wird mit 16 Jahren Lehrling im Firmenkontor<br />
Konsul Johann Bud<strong>de</strong>nbrook 44 Jahre alt<br />
Antonie Bud<strong>de</strong>nbrook („Tony“) im Pensionat von Therese („Sesemi“)<br />
Weichbrodt<br />
• 1845<br />
Juni: Bendix Grünlich wirbt um Antonie Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
22. September: Antonie Bud<strong>de</strong>nbrook verlobt sich mit B. Grünlich<br />
• 1846<br />
Jahresbeginn: Heirat Antonie Bud<strong>de</strong>nbrook + Bendix Grünlich<br />
Thomas geht nach Amsterdam<br />
Christian geht nach London<br />
• 1848<br />
1.10. „Revolutschon“ in Lübeck; Konsul Bud<strong>de</strong>nbrook beruhigt das Volk<br />
8. Oktober: Geburt von Erika Grünlich<br />
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Tod von Lebrecht Kröger<br />
Klothil<strong>de</strong> Bud<strong>de</strong>nbrook 21 Jahre<br />
• 1850<br />
betrügerischer Bankrott Grünlichs; Rückkehr Antonies ins Elternhaus<br />
Februar: Ehescheidung Antonies<br />
Thomas Rückkehr aus Amsterdam<br />
• 1851<br />
Christian von London nach Valparaiso<br />
• 1855<br />
September: Konsul Johann Bud<strong>de</strong>nbrook d. J. stirbt mit 53 Jahren<br />
• 1856<br />
Thomas übernimmt die Leitung <strong>de</strong>r Firma<br />
Febr.: Rückkehr Christians, erfolgloser Einstieg in die Firma<br />
Mai: Gotthold Bud<strong>de</strong>nbrook stirbt im Alter von 60 Jahren<br />
Thomas wird nie<strong>de</strong>rländischer Konsul<br />
Juli: Verlobung Claras mit Pastor Tiburtius aus Riga<br />
Verlobung von Thomas mit Gerda Arnoldsen aus Amsterdam<br />
Dez.: Heirat von Clara<br />
• 1857<br />
Anfang d. J.: Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook heiratet Gerda Arnoldsen<br />
März: zieht mit seiner Frau in das Haus in <strong>de</strong>r Breiten Straße<br />
April: Tony lernt in München Alois Permane<strong>de</strong>r kennen<br />
Juni: geschäftliche Trennung von Thomas und Christian; Christian geht nach<br />
Hamburg<br />
Herbst: Tony heiratet Permane<strong>de</strong>r<br />
• 1858<br />
Frühjahr: Thomas B. 32 Jahre alt; Wahl in <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>r Büchener Bahn<br />
• 1859<br />
Nov.: Trennung und Scheidung Antonies von Permane<strong>de</strong>r; Rückkehr nach<br />
Lübeck<br />
• 1861<br />
15. April: Geburt von Justus Johann Kaspar (Hanno) Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
Christian nach London<br />
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• 1862<br />
Februar: Wahl Thomas B.s zum Senator, setzt sich gegen Hermann Ha-<br />
genström durch<br />
• 1863<br />
Herbst: Neubau <strong>de</strong>s Hauses in <strong>de</strong>r Fischergrube<br />
• 1864<br />
Frühjahr: Richtfest in <strong>de</strong>r Fischergrube<br />
Juli: Clara Tiburtius stirbt; ihr Ehemann erschleicht sich das Erbteil<br />
Deutsch-dänischer Krieg<br />
• 1866<br />
Preußisch-Österreichischer Krieg<br />
Verluste <strong>de</strong>r Firma Bud<strong>de</strong>nbrook in Frankfurt<br />
• 1867<br />
April: Erika Grünlich heiratet Hugo Weinschenk<br />
Christian in Lübeck<br />
• 1868<br />
Januar: Geburt von Elisabeth Weinschenk<br />
Mai: Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook kauft die Getrei<strong>de</strong>ernte von Gut Pöppenra<strong>de</strong><br />
„auf <strong>de</strong>m Halm“<br />
7. Juli: 100-jähriges Firmenjubiläum; Pöppenra<strong>de</strong>r Ernte durch Hagelschlag<br />
vernichtet, erhebliche Verluste <strong>de</strong>r Firma<br />
• 1870<br />
Letztes Weihnachtsfest in <strong>de</strong>r Mengstraße<br />
• 1871<br />
Januar: Hugo Weinschenk zu 3 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt<br />
Herbst: Konsulin Elisabeth Bud<strong>de</strong>nbrook stirbt<br />
Dezember: Hermann Hagenström erwirbt das Haus in <strong>de</strong>r Mengstraße<br />
• 1872<br />
Ferien in Travemün<strong>de</strong>; Hanno kränklich<br />
• 1873<br />
Anfang: Hugo Weinschenk aus <strong>de</strong>r Haft entlassen, geht nach England<br />
• 1874<br />
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Frühjahr/Sommer: Gerda Bud<strong>de</strong>nbrook 45 Jahre alt; musiziert mit Leutnant<br />
von Throta<br />
Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook 48 Jahre alt. Lektüre Schopenhauers, Testament<br />
• 1875<br />
Januar: Thomas Bud<strong>de</strong>nbrook stirbt<br />
• 1876<br />
Christian Bud<strong>de</strong>nbrook heiratet Aline Puvogel<br />
Liquidation <strong>de</strong>r Firma Bud<strong>de</strong>nbrook<br />
Herbst: Gerda zieht mit Hanno in eine Villa vor <strong>de</strong>r Stadt<br />
• 1877<br />
Anfang d. J.: Hanno 15 Jahre alt<br />
Frühjahr: Hanno stirbt an Typhus<br />
Herbst: Gerda verlässt nach 21 Jahren die Stadt; Rückkehr in die Nie<strong>de</strong>r-<br />
lan<strong>de</strong><br />
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