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Zur Zivilverteidigung im Bezirk Suhl und ihrem Ende - AGGI-INFO.DE

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Gotthard Illing, <strong>Suhl</strong><strong>Zur</strong> <strong>Zivilverteidigung</strong> <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong> <strong>und</strong> <strong>ihrem</strong> <strong>Ende</strong>Seit der Wende in der DDR <strong>und</strong> der deutschen Vereinigung ist ein Jahrzehnt vergangen. Zujener Zeit war ich <strong>im</strong> Stab der <strong>Zivilverteidigung</strong> (ZV) des <strong>Bezirk</strong>es <strong>Suhl</strong> in verantwortlicherPosition tätig. Nachfolgend möchte ich einige Gedanken über <strong>und</strong> praktische Erfahrungenaus der damaligen Zeit äußern.Im Herbst des Jahres 1989 griffen gesellschaftliche Unruhe <strong>und</strong> Reformbestrebungen inzunehmendem Maße auch auf die südthüringische Region der DDR über. Vorbote einerWende der politischen Verhältnisse war die rapide ansteigende Zahl der Ausreiseanträge.Tausende zogen mit brennenden Kerzen in den Händen durch die Straßen, bildetenLichterketten <strong>und</strong> belagerten die Gebäude der SED <strong>und</strong> der Staatsorgane. Im <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong><strong>und</strong> in den Kreisen wurden Dienststellen der Staatssicherheit gestürmt <strong>und</strong> besetzt. In denBetrieben <strong>und</strong> örtlichen Verwaltungen aler Ebenen bildeten sich „R<strong>und</strong>e Tische“, die fürdemokratische Verhältnisse sorgen <strong>und</strong> Reformen durchsetzen sollten. Vertreter des„Neuen Forum“ nahmen regelmäßig an den Sitzungen des Rates des <strong>Bezirk</strong>es teil, bis derVorsitzende durch einen der CDU angehörenden Regierungsbevollmächtigten ersetztwurde.Für die in den Gebäuden der örtlichen Räte untergebrachten ZV-Stäbe machten sich einigeSicherheitsmaßnahmen erforderlich. Erste Aufgabe war, die <strong>im</strong> Stab befindlichenHandfeuerwaffen <strong>und</strong> die Sprengmittel für Gefahrenfälle nicht in Falsche Hände fallen zulassen. Sie wurden restlos in die Waffenkammer des Wehrbezirkskommandos überführt.Eine weitere Aufgabe bestand darin, die <strong>im</strong> Stab gelagerten vertraulichen Unterlagen,Dienstvorschriften <strong>und</strong> andere Dokumente zu sichten, auszusondern, an ihre Herausgeberzurückzuführen oder ihre nun überflüssig gewordenen Gehe<strong>im</strong>haltungsgrade aufzuheben.Das alles erfolgte verantwortungsbewußt <strong>und</strong> straff organisiert. Der Dienst wurde nur nochin Zivil durchgeführt–der entsprechende Befehl der Hauptverwaltung <strong>Zivilverteidigung</strong> warsicherlich in diesen unruhigen, emotionsgeladenen Monaten eine berechtigteVorsichtsmaßnahme.Bürgerrechtler, die überall gegen Machtmißbrauch <strong>und</strong> Privilegien auftraten griffen auch dieZV mit oftmals ungerechtfertigten Unterstellungen an. So wurde uns vorgeworfen, zugroßzügig mit Personal <strong>und</strong> Technik ausgestattet zu sein oder daß die ehrenamtlichenKommandeure der Formationen ein erhebliches Entgelt erhalten würden (tatsächlich 100 bis500 Mark jährlich für ihre in der Freizeit geleistete Ausbildungstätgkeit). Die ZVAngehörigen,zu Recht stolz darauf, stets selbstlos für das Wohl des Volkes gehandelt zu haben,reagierten teils gelassen, teils empört. Nach einiger Zeit verstummten die Verleumdungenvon selbst.Zu den Aufgaben der ZV gehörte ursprünglich auch der Schutz vor den Wirkungen vonchemischen <strong>und</strong> Kernwaffen. Etwa seit Anfang der 80er Jahre verbreitete sich aber dieErkenntnis, daß es in einem mit Kernwaffen <strong>und</strong> anderen modernen Waffenarten geführtenKrieg für niemand <strong>und</strong> nirgends einen zuverlässigen Schutz geben würde.Deshalb erfolgte bereits ab 1984 eine Hinwendung der ZV zum Katastrophenschutz. In denWendetagen wurde jedoch von manchem Bürgerrechtler nicht akzeptiert, daß damit nichtzugleich eine sofortige <strong>und</strong> vollständige Abkehr von jeglichem bisher praktizierten Schutzvor chemischen <strong>und</strong> Kernwaffen verb<strong>und</strong>en sein konnte.Im Übrigen ist es völlig haltlos, die Tätigkeit der ZV für die Verteidigung als verwerflichdarzustellen–handelte sie doch wie in allen Staaten <strong>im</strong> Rahmen der Landesverteidigungüblich nach völkerrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen (1) als zivile Hilfsorganisation. Ob es um denEinsatz bei Waffenwirkungen in einem Krieg oder bei Auswirkungen von technischen <strong>und</strong>Naturkatastrophen geht, <strong>im</strong>mer hatte die ZV die Bevölkerung zu schützen, humane Hilfegegenüber Mensch <strong>und</strong> Tier zu leisten.


Die Ausbildung der Stäbe <strong>und</strong> Kräftegruppen der ZV für Handlungen <strong>im</strong> Krieg <strong>und</strong> <strong>im</strong>Katastrophenschutz hatte allerdings analoge Inhalte. Schäden infolge von Kriegshandlungen<strong>und</strong> infolge von Katastrophen sind in der Regel ähnlich strukturiert <strong>und</strong> erfordern demzufolgevergleichbare Schutz- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen. Auch <strong>im</strong> Katastrophenschutz istalso die Schutzausbildung für den Fall des Ausritts von Strahlen oder chemischenSubstanzen unverzichtbar. Da es in vielen Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft usw. eine<strong>im</strong>mer größer werdende Anzahl von auf Strahlenbasis arbeitenden Geräten gibt, ist dieGefahr von Strahlenunfällen täglich vorhanden <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer mehr gegeben.Die ZV <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong> hat z.B. schon vor der Wende die Sicherheit der <strong>im</strong> Kaliwerk Merkersarbeitenden Ammoniakfabrik einschließlich des gefahrlosen Transports ihrer Erzeugnissegeübt <strong>und</strong> streng kontrolliert.Auch die geschützte Unterbringung der Bevölkerung beschäftigte die ZV noch weit in dasJahr 1990 hinein. Dazu waren von uns alle erdenklichen Möglichkeiten vorzubereiten, wieBergwerke <strong>und</strong> andere unterirdische Anlagen, Keller, Stollen der verschiedensten Art –sogar die in vielen Dörfern existierenden Bierkeller. Schutzräume in Wohnneubautenwurden in den letzten Jahren der DDR aus Sparsamkeitsgründen nur noch selten eingerichtet.Speziell für die ZV angelegte Bunker gab es <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong> nur einige wenige, die vorwiegendfür Beobachtungszwecke (Luft- <strong>und</strong> Territoriumsübewachung) best<strong>im</strong>mt waren.Jedoch wandten sich Bürgerrechtler, die von einem Bunker Kenntnis erhalten hatten, fast<strong>im</strong>mer zuerst an den Stab der ZV.Das geschah beispielsweise auch <strong>im</strong> Falle des Bunkers bei Allzunah. Diese große Anlagewar von der Staatssicherheit erbaut worden. Wir waren davon nicht unterrichtet. Nebeneinem tiefen Bunker mit getarntem Eingang <strong>und</strong> mehreren Arbeits- <strong>und</strong> Wohnräumen füreine größere Besatzung, der auch über autonome Stromversorgungs- <strong>und</strong> Frischluftsystemeverfügte, gab es überirdisch Garagen, Lagergebäude <strong>und</strong> sogar Wohnhäuser für dasBedienungspersonal. Die Kosten für den Unterhalt der Anlage betrugen schon 1989monatlich 20.000 Mark. Als wir <strong>im</strong> Winter 1989/90 klären sollten, wie der Bunker einersinnvollen Verwendung zugeführt werden könnte, lehnten wir angesichts der <strong>im</strong>mensenKosten eine Übernahme in die Verantwortung der ZV ab. Heute gibt es dort wegenfehlender sonstiger Verwendungsmöglichkeiten lediglich ein „Bunkermuseum“, das abersicher nur auf Zeit existiert.Ein anderer Fall: Im Feinmeßgerätewerk <strong>Suhl</strong> gab es einen in den Berghang getriebenenStollen. Da sich auf dem Berg die <strong>Bezirk</strong>sverwaltung der Staatssicherheit befand, berichtetenZeitungen, der Stolen sei ein gehe<strong>im</strong>er Ausgang aus der „Stasi-Zentrale“ Das aberwar Unsinn. Der zum Stab der ZV gehörige Bauingenieur, ein sachk<strong>und</strong>iger Fachmann,konnte die Tatsachen richtigstellen. Den Stollen gab es bereits während des ZweitenWeltkrieges <strong>im</strong> früher hier existierenden Krieghoff- Werk. Er diente als Luftschutzkeller fürPersonal <strong>und</strong> Ausrüstung. Gleich nach 1945 war er teilweise zugeschüttet worden. Mit der„Stasi“ hate das gar nichts zu tun. Auch denen, die später in diesem Stolen sogar dasBernsteinz<strong>im</strong>mer vermuteten, platzten bald die Illusionen.Für den Katastrophenschutz <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong> waren hauptsächlich Naturereignisse wieHochwasser an Werra, Schleuse <strong>und</strong> Ulster, Starkschneefälle, orkanartige Stürme <strong>und</strong>Waldbruch typisch. Zwischen 1980 <strong>und</strong> 1990 leistete die ZV <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong> mindestens 18Einsätze zu Winterereignissen, Hochwasserlagen, Starkniederschlägen <strong>und</strong> zur Schadensbeseitigungnach orkanartigen Stürmen. Die freiwilligen Helfer erbrachten dabeih<strong>und</strong>erttausende Einsatzst<strong>und</strong>en, oft in ihrer Freizeit. Der Stab des <strong>Bezirk</strong>es arbeitetezusammengerechnet fast ein ganzes Jahr <strong>im</strong> Diensthabenden System zur Führung dieserEinsätze.Andere Schadensfälle kamen noch hinzu: Waldbrände, Salmonellen in einer Gemeinschafts


küche, ein <strong>im</strong> Wasserschutzgebiet umgestürzter <strong>und</strong> teilweise ausgelaufener Treibstoffwagen,die Verunreinigung des Flüßchens Itz durch Gülle, gebietsweise aufgetretenePflanzenkrankheiten u.a. Solche Dinge kamen aber in weitaus geringerem Maße vor alsNaturereignisse. Im Zusammenhang mit diesen Dingen hatte sich die ZV auch mit Fragendes Umweltschutzes zu befassen.Nachdem 1981/82 zwei verheerende Hochwasser der Werra Schäden in Höhe von 88Millionen Mark angerichtet hatten, wurde für Südthüringen ein umfangreiches Hochwasserschutzprogrammverwirklicht. Der Bau der Talsperre Ratscher, der Flutmulde <strong>im</strong> Stadtgebietvon Meiningen <strong>und</strong> des Rückhaltebeckens Gr<strong>im</strong>melshausen, die Erhöhung desDurchflußvermögens durch Gewässerausbau, die Befestigung der Uferbereiche <strong>und</strong> derBau neuer Brücken waren nur einige Maßnahmen dieses Programms. Damit wurde dieGefährdung der Menschen, der wirtschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Werte deutlich vermindert.Das fand sowohl bei den beteiligten ZV-Angehörigen als auch bei der Bevölkerung großeZust<strong>im</strong>mung.Manchmal mußten Einsätze <strong>und</strong> Ausbildungsmaßnahmen auch dazu genutzt werden, rasch<strong>und</strong> billig Aufgaben zu lösen, die durch Führungsschwächen oder wegen anderer Prioritätenliegengeblieben waren bzw. deren baldige Erledigung durch Beschwerden der Bevölkerunggefordert wurde.Schon seit einigen Jahren hatte sich der Stab der <strong>Zivilverteidigung</strong> mit Problemen desvorbeugenden Katastrophenschutzes beschäftigt. In enger Zusammenarbeit mit derTechnischen Hochschule (jetzt Technische Universität) Ilmenau wurden neben denProjekten „Operative Wassermengenvorhersage für das Flußgebiet der Wera“ <strong>und</strong> „Ausbau<strong>und</strong> Steuerung des Fernwasserversorgungssystems Südthüringen“ auch eine umfassendeGefährdungsanalyse für den gesamten <strong>Bezirk</strong> erarbeitet. Den Ratsvorsitzenden des <strong>Bezirk</strong>s<strong>und</strong> der Kreise wurden damit auf wissenschaftlicher Gr<strong>und</strong>lage Mittel in die Hand gegeben,um sachk<strong>und</strong>ige Führungsentscheidungen zu treffen, technischen <strong>und</strong> Naturkatastrophenvorzubeugen bzw. dabei entstehende Schäden beträchtlich zu verringern. Wegen der auchdamals knappen finanziellen <strong>und</strong> materiellen Mittel konnten allerdings die Konsequenzenaus den gewonnenen Erkenntnissen nur schleppend umgesetzt werden.Aus dieser Gefährdungsanalyse ging damals auch hervor daß es <strong>im</strong> Raum Bad Salzungendurch den Kaliabbau einen Bereich nicht unbeträchtlicher tektonischer Gefährdung gab. Derverheerende Gebirgsschlag vom 13. März 1989, vergleichbar einem Erdbeben der Stärke5,6 erinnerte in fataler Weise an die vorliegenden Einschätzungen. Im Epizentrum wurdendie Gebäude der Gemeinde Völkertshausen zu Dreiviertel zerstört oder beschädigt, Häuser<strong>und</strong> Straßendecken gerissen, Dächer beschädigt, Schornsteine verschoben oderabgestürzt. Der Glockenturm der Kirche war einsturzbedroht. Zum Glück gab es keinenennenswerten Personenschäden, wenn man von einem gebrochenen Arm absieht.Bald wurde deutlich, daß die Schäden an der Bausubstanz nicht durch bloße Instandsetzungzu beheben waren. Viele private <strong>und</strong> kommunale Häuser mußten abgerissen <strong>und</strong>neu aufgebaut werden. Das war durch die ehrenamtlichen Kräfte der ZV nicht zu bewältigen.Darum wurde eine größere Anzahl von Bausoldaten eingesetzt <strong>und</strong> alles erforderlicheBaumaterial zentral bereitgestellt. Den ganzen Prozeß der Schadensbeseitigung <strong>und</strong> desNeuaufbaus leitete eine Regierungskommission, führungsmäßig sichergestellt von den ZV-Stäben des <strong>Bezirk</strong>s <strong>und</strong> des Kreises.Von Anfang an gab es über die Ursachen allerlei Erklärungen <strong>und</strong> gegenseitigeBeschuldigungen zwischen Ost <strong>und</strong> West. Die DDR-Seite beschuldigte den hessischenKalibetrieb Philippsthal, unberechtigt Kalilauge <strong>im</strong> Grenzgebiet verpreßt zu haben. Dagegenwußte man jenseits der Grenze, daß <strong>im</strong> Kalibetrieb Merkers Raubabbau betrieben würde<strong>und</strong> die Ursache des Gebirgsschlags der Zusammenbruch von 3000 Stützpfeilerneines Grubenfeldes gewesen sei. Die letztere war denn auch nach der Wende die


vorherrschende, genaugenommen einzig gültige Erklärung.Im Unterschied zu anderen B<strong>und</strong>esländern (z.B. Brandenburg) brachten diejenigen, die aber1990 Verantwortung für die Region übernahmen, der ihnen angebotenen aktuellenGefährdungsanalyse wenig Interesse entgegen–vielleicht wegen mangelnder Kompetenz,aus Ignoranz oder Mißtrauen gegenüber allem zu DDR-Zeiten Geschaffenen.Nach der Vereinigung wurden bekanntlich die Thüringer Kalibetriebe an den hessischenKali-<strong>und</strong>-Salz-Konzern verschleudert, der sich dadurch sanierte, danach die meistenBetriebe seines einstigen Konkurrenten schloß, gleichzeitig aber das Recht erhielt, grenzüberschreitendin Thüringen abzubauen. Im November 1996 sowie <strong>im</strong> Januar <strong>und</strong> Juli 1997gab es wiederholt Meldungen über Erschütterungen in der dortigen Kaliregion, die dieEinwohner der Gemeinden zwischen Sünna <strong>und</strong> Deicheroda in erhebliche Unruheversetzten. (2) Nun trägt dafür aber eindeutig die Firma Kali <strong>und</strong> Salz die Verantwortung.Mit der weiteren Reduzierung der Schutzkonzeption auf Natur- <strong>und</strong> technische Katastrophenhing die 1990 erfolgte Umbenennung der <strong>Zivilverteidigung</strong> der DDR in „Zivilschutz“ (ZS)zusammen. Ein weiterer, vielleicht entscheidender Gr<strong>und</strong> für diese Namensänderung warjedoch die Vorbereitung auf die Einheit Deutschlands. In den ersten Monaten des Jahres1990 wurde die Einheit von beiden seiten als unausweichlich erkannt, wenn sie auchanfangs auf dem Wege über eine Konföderation erreicht werden sollte. Da in derB<strong>und</strong>esrepublik die Aufgaben des Katastrophenschutzes vom Zivilschutz erfüllt wurden,sollten die entsprechenden Strukturen auch <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong> angepaßt werden. Uns an der„Basis“ wurden dazu von der zentrale, der Hauptverwaltung <strong>Zivilverteidigung</strong>/Zivilschutzmehrere Konzeptionen übergeben. Sie waren jedoch hektisch erarbeitet <strong>und</strong> erschienennicht ausgereift <strong>und</strong> konnten letztlich wegen des Vereinigungstempos nicht durchgeführtwerden.Nach Öffnung der Grenze wurde mit den Katastrophenschutzorganen unserer unmittelbarenNachbarn, den <strong>Bezirk</strong>sregierungen von Ober- <strong>und</strong> Unterfranken sowie dem LandratsamtCoburg Verbindung aufgenommen. Journalisten aus dem Freistaat Bayern wurden über denbeginnenden Austausch von Informationen <strong>und</strong> Schutzmaßnahmen unterrichtet. In derTageszeitung „Fränkischer Tag“ <strong>und</strong> in Radio Bayern I, Sender Würzburg, gab es Beiträgezum grenzüberschreitenden Katastrophen- <strong>und</strong> Havarieschutz. Nach einer Lehrvorführungdes Technischen Hilfswerks (THW) <strong>im</strong> Institut des ZS Beeskow berieten die Stabschefs derdrei Thüringer <strong>Bezirk</strong>e (Erfurt, Gera, <strong>Suhl</strong>) mit Vertretern des THW aus Bonn Probleme derZusammenarbeit <strong>und</strong> der Schaffung einer gleich oder ähnlich aufgebauten Organisation inThüringen.Leider mußten diese Bemühungen kurz nach <strong>ihrem</strong> erfolgreichen Beginn wiederabgebrochen werden. Die Presse, u.a. die Kölner Zeitung „Express“, hate eine Verleumdungskampagnegegen die ZV/ZS <strong>und</strong> selbst gegen B<strong>und</strong>esinnenminister Schäublegestartet, der angeblich „he<strong>im</strong>lich damit begonnen habe, in der DDR eine ZV <strong>und</strong> ein THWmit ehemaligen Stasi-Angehörigen, die aus SED-Betriebskampfgruppen kämen,aufzubauen“ (3). Obwohl das ales offensichtlich erlogen war, wies Schäuble das THW an,alle Kontakte sofort zu unterlassen. Deshalb erklärten dessen Vertreter gleich zu Beginn derzweiten Zusammenkunft, ungenehmigt <strong>und</strong> letztmalig erschienen zu sein.Als aus der Losung „Wir sind das Volk“ schließlich die Parole „Wir sind einVolk“ gewordenwar, als <strong>im</strong> Juli 1990 die deutsche Einheit in Form des schnellen Anschlusses der DDR andie B<strong>und</strong>esrepublik unmittelbar bevorstand, war auch das <strong>Ende</strong> der <strong>Zivilverteidigung</strong> oderdes Zivilschutzes der DDR unausweichlich <strong>und</strong> absehbar geworden.Auch <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong> fand stat, was in den „Thesen zur ZV der DDR“ völig zutrefendbeschrieben wird: „Bald wurde jedoch deutlich, daß die BRD-Organe darauf orientiert waren,ihr Interesse auf die materiellen Werte des DDR-ZS zu beschränken.“ (4) Im <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong>betraf das ein Volumen von etwa 40 Millionen Mark.Die Stäbe der ZV wurden nun abgewickelt. Eine Reihe von hochqualifizierten Mitarbeitern


wurde nach gegenseitiger Vereinbarung entlassen. Anderen konnten Arbeitsplätze vermitteltwerden oder sie wurden einer Umschulung zugeführt. Der Rest verblieb in der sogenanntenArbeitsgruppe „Auflösung“, um bis <strong>Ende</strong> 1990 „das Licht auszumachen“.Da das neugebildete Land Thüringen nicht wie andere Länder der B<strong>und</strong>esrepublik in <strong>Bezirk</strong>euntergliedert wurde, waren auch alle Versuche vergeblich, auf dieser Ebene Katastrophenschutzorganezu schaffen.Die <strong>Bezirk</strong>sschule der ZV <strong>Suhl</strong> auf dem recht ansehnlich gelegenen Aschenhof wurde <strong>im</strong>Juli 1990 laut einem Beschluß des Ministerrats der DDR aufgelöst. Das Objekt wurde inEigentum des Landes Thüringen überführt. In Verantwortung des Finanzministeriums wurdees zunächst als Verwaltungsschule genutzt. In der alle Lehrgänge der neu entstehendenÄmter stattfanden. Mitte 1997 wurde es an die Landesentwicklungsgesellschaft übrgeben.Kurze Zeit danach stelte man fest, daß ein 1951 erfolgter Gr<strong>und</strong>bucheintrag „Eigentum desVolkes“ keine Enteignung darstele. Somit sei die „Europäische Geselschaft für Kur <strong>und</strong>Erholung (EGK)“, die den Aschenhof 1921 einmal erworben hatte, <strong>im</strong>mer noch derrechtmäßige Eigentümer. Sie solle aber die inzwischen aufgewandten Investitionsmittel inMillionenhöhe zurückzahlen. So ist das ganze Rückübertragungsverfahren <strong>im</strong>mer noch inder Schwebe. Allen noch vorhandenen Mitarbeitern wurde zum 01. Oktober 1998 gekündigt,Schulungsstätte, Restaurant <strong>und</strong> Pension sind geschlossen. Das sind besteVoraussetzungen für den Verfall einer Stätte, in der 14 Jahre lang die ZV <strong>und</strong> danach dasLand Thüringen fruchtbare Ausbildungstätigkeit durchführten.Die freiwilligen, teilweise über Jahrzehnte bestehenden Formationen der ZV lösten sich mitder Stillegung der Bereitstellungsbetriebe auf, wenn das nicht schon vorher geschehen war.Die Technik <strong>und</strong> die Bestände der ZV-Lager wurden je nach ihrer Herkunft den örtlichenVerwaltungen übergeben, verkauft oder zentral gesammelt. Was weiter damit geschah,entzieht sich unserer Kenntnis. Für uns kam es darauf an, daß die Abgabe geordnetgeschah <strong>und</strong> daß wir saubere Finger behielten.Das war das <strong>Ende</strong> von 35 Jahren <strong>Zivilverteidigung</strong> <strong>im</strong> <strong>Bezirk</strong> <strong>Suhl</strong>.Anmerkungen(1) Siehe Ergänzungsprotokoll I vom 01. Juni 1977 zum IV. Genfer Abkommen vom 12.August 1949(2) Siehe „Freies Wort“ vom 08. Juli 1997(3) Siehe „Freies Wort“ vom 07. Juni 1990(4) Werner Sedlick u.a., Thesen zur <strong>Zivilverteidigung</strong>, in: Information Nr. 2 derArbeitsgruppe Geschichte der NVA <strong>und</strong> Integration ehemaliger Angehöriger der NVA inGesellschaft <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eswehr be<strong>im</strong> Landesvorstand Ost des DBwV, Berlin 1997, S. 32

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