Lea - VKE
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Sonderheft<br />
Juni 2012<br />
DAS MAGAZIN FÜR MARKENFÜHRUNG<br />
markenartikel<br />
60 Jahre<br />
SElEKtIvKoSMEtIK<br />
themen – trends – thesen
Wir gratulieren dem<br />
<strong>VKE</strong><br />
zu 60 erfolgreichen Jahren!<br />
www.cosmopolitan.de www.joy.de www.shape.de<br />
MVG MEDIEN VERLAGSGESELLSCHAFT MBH & CO.<br />
Arabellastraße 33 · 81925 München · Telefon (0 89) 92 34- 0 · Fax (0 89) 92 34 -183
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
» Die sehr persönliche Verbindung zum<br />
Konsumenten verleiht den selektiven<br />
Kosmetikmarken eine Position ganz<br />
besonderen Vertrauens.<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
mit dem vorliegenden Jubiläumswerk zum 60-jährigen Bestehen des <strong>VKE</strong>-Kosmetikverbandes möchten<br />
wir die Arbeit und Aufgaben des Verbandes darstellen. Zugleich wollen wir die wirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche Bedeutung der Prestigemarken im Bereich Kosmetik, Duft und Körperpflege hervorheben<br />
und ihre besondere Bedeutung für die Konsumenten darlegen.<br />
Bei den prestigeträchtigen, selektiven Kosmetikmarken baut sich in aller Regel nicht nur eine sehr persönliche,<br />
sondern auch eine sehr intensive Beziehung zwischen Konsument und Produkt beziehungsweise<br />
Marke auf. Diese Marken nutzt der Kunde nahezu jeden Tag, um sich zu profilieren und zu<br />
positionieren. Diese sehr persönliche Verbindung zum Konsumenten verleiht den Prestigemarken aus<br />
dem Kosmetikbereich eine Position ganz besonderen Vertrauens, die für die Hersteller Verpflichtung<br />
und Herausforderung zugleich ist.<br />
Für das MARKENARTIKEL-Team ist es eine besondere Ehre, zum 60-jährigen Bestehen des <strong>VKE</strong>-<br />
Kosmetikverbandes ein Sonderheft auf den Markt zu bringen. In diesem Sinne möchten wir uns bei<br />
dem Präsidenten Stephan Seidel, dem gesamten Vorstand und dem Geschäftsführer Martin Ruppmann<br />
für das Vertrauen und die Unterstützung bedanken.<br />
Wir wünschen dem <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband für die Zukunft weiterhin viel Erfolg und freuen uns auf<br />
die künftige Zusammenarbeit. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir eine anregende Lektüre.<br />
Peter Strahlendorf<br />
Chefredakteur MARKENARTIKEL<br />
Vanessa Göbel<br />
Chef von Dienst MARKENARTIKEL<br />
EDITORIAL 60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
3
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
4<br />
INHALT<br />
Kosmetik: Ein Markt in Bewegung 12<br />
Recht: Branche stärken 32<br />
Handel: Gemeinsam Wertschöpfung schaffen 48<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
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20<br />
24<br />
28<br />
32<br />
36<br />
39<br />
42<br />
46<br />
48<br />
50<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong>-KOSMETIKVERBAND<br />
Philipp Rösler, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:<br />
Kosmetikbranche ist wichtiger Wirtschaftsfaktor<br />
Franz-Peter Falke, Präsident des Markenverbandes: Enge Kooperation<br />
der Verbände für die Marke<br />
Nola Bergner, Vorsitzende des Bundesverbandes Parfümerien:<br />
Gemeinsam Position beziehen, Interessen der Branche wahren<br />
Dr. Rüdiger Mittendorff, Vorsitzender des IKW: Gemeinsame Ziele<br />
mit klarer Aufgabenteilung<br />
Interview: <strong>VKE</strong>-Präsident Stephan Seidel und <strong>VKE</strong>-Geschäftsführer<br />
Martin Ruppmann über Trends und Entwicklungen in der Branche<br />
Historie: Die Kultur des Schönen pflegen, Interessen der Hersteller<br />
selektiver Kosmetikprodukte in Gesellschaft und Politik vertreten<br />
Wertewandel: Self-Designing gewinnt an Bedeutung<br />
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Kosmetikmarkt: Veränderte Verbrauchergewohnheiten sorgen für<br />
dynamische Entwicklung des Kosmetiksegments<br />
Wachstum: Verbrauchern den Mehrwert der Produkte vermitteln<br />
Selektivvertrieb: Kartellrechtliche Rahmendaten anpassen<br />
Kaufprozess: Internet wird als Informations- und Inspirationsquelle<br />
immer wichtiger<br />
Interview: Steffen Seifarth, Coty Prestige, über den Kampf gegen<br />
Produkt- und Markenpiraterie und das Engagement der Branche<br />
Kosmetik-Index: Hersteller müssen glaubwürdig agieren und ihre<br />
propagierten Werte auch leben<br />
Interview: Andreas Sistig, Shiseido Deutschland, über die Zusammenarbeit<br />
mit dem Handel und das Thema Wertschöpfung<br />
Interview: Rolf Sigmund, L’Oréal Luxe, über Luxuskosmetik in der Werbung<br />
und die Besonderheiten der unterschiedlichen Werbekanäle<br />
Shopping-Erlebnis: Die Kunden mit guten Inszenierungen am POS in<br />
die Markenwelt entführen
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
52<br />
55<br />
58<br />
60<br />
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72<br />
74<br />
78<br />
IMPRESSUM<br />
»60 Jahre <strong>VKE</strong>«<br />
Markenartikel-Sonderheft<br />
Juni 2012<br />
Herausgeber:<br />
<strong>VKE</strong> - Verband der Vertriebsfirmen<br />
Kosmetischer Erzeugnisse e.V.<br />
Unter den Linden 42<br />
10117 Berlin<br />
Tel. +49 30/206168-22<br />
Fax. +49 30/206168-722<br />
E-Mail: info@kosmetikverband.de<br />
Produktmanagement:<br />
Antje Brüne, Martin Ruppmann<br />
Dufte: Bei der Parfumkreation entscheidet der richtige Riecher<br />
Interview: Michael Lindner, Annemarie Börlind, erläutert, worauf es<br />
bei grünen Produkten ankommt und warum Authentizität Trumpf ist<br />
POS: Kunden in einem ansprechenden Ambiente beraten<br />
Interview: Susanne Rumbler, Beauté Prestige International, über Düfte<br />
bekannter Designer und den Hauch der Verführung<br />
Authentischer Dialog: Über das Gestern, Heute und Morgen der<br />
Kosmetikwerbung<br />
Interview: Beate Fastrich, Estée Lauder, über Charity-Projekte<br />
mit persönlichem Hintergrund, Kontinuität und Authentizität<br />
Print: Verlage setzen auf opulente Bilderstrecken<br />
Trends: Produkte gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen,<br />
kognitive Dissonanzen vermeiden<br />
Präsentation: Kosmetik braucht Glory, Bravour und Joy<br />
Überblick: Informationen zum <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband<br />
Verlag:<br />
New Business Verlag GmbH & Co. KG<br />
Nebendahlstr. 16<br />
22041 Hamburg<br />
Fon: 040 / 60 900 9-0<br />
Fax: 040 / 60 900 9-15<br />
E-Mail: redaktion@markenartikel-magazin.de<br />
www.markenartikel-magazin.de<br />
Chefredakteur: Peter Strahlendorf (ps)<br />
Chef vom Dienst: Vanessa Göbel (vg)<br />
Redaktion:<br />
Uwe Käckenhoff (kae)<br />
Torsten Schöwing (tor)<br />
Autoren dieser Ausgabe (s. gekennzeichnete Beiträge)<br />
55<br />
Grafik/Layout: Daniela Rocksin<br />
Titelgestaltung: Anne Bartel (Fotos: fotolia)<br />
Geschäftsführung: Antje-Betina Weidlich-Strahlendorf<br />
Anzeigenleitung: Jens Jansen (-52)<br />
Anzeigendisposition: Silke-Reyher-Timmann (-54)<br />
Vertriebsmarketing: Birgit Jessen (-62)<br />
Vertrieb: Angelika Schmidt (Ltg. -65), Ingrid Siegmund<br />
Anzeigen-Preisliste: Nr. 35 vom 1. Januar 2012<br />
ISSN: 0342-1236<br />
Bankverbindung:<br />
Hamburger Sparkasse 12 17 / 13 13 23 (BLZ 200 505 50)<br />
Commerzbank 48 22 821 (BLZ 200 400 00)<br />
Ust.-Id.-Nr.: DE 217 920 773<br />
Nachhaltigkeit: Konsequent und authentisch<br />
62<br />
Werbung: Trends und Entwicklungen<br />
Das Heft und alle enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich<br />
geschützt.<br />
Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist<br />
die Verwertung nur mit schriftlicher Einwilligung des<br />
Verlages erlaubt.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Datenträger<br />
und Fotos wird keine Haft ung übernommen.<br />
Namentlich gekennzeichnete Fremdbeiträge geben<br />
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.<br />
Copyright Markenartikel 2012<br />
Druck: Lehmann Offsetdruck GmbH, Norderstedt<br />
Schutzgebühr: 15,- Euro<br />
INHALT<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
5
* Quelle: MA 2012 I; Basis: Frauen gesamt (35,92 Mio.);<br />
Brutto-Reichweite BUNTE, InStyle, ELLE, freundin, burda style (7,82 Mio.)<br />
Size<br />
Burda Style Group.
matters.<br />
Die Magazine der Burda Style Group faszinieren regelmäßig mehr als 7,82 Mio. Frauen*<br />
in Deutschland. Journalistische Kompetenz und starke Zeitschriftenmarken schaffen<br />
höchste Aufmerksamkeit für effi ziente Kommunikationskampagnen. Nur so kann man<br />
langfristig erfolgreich sein.<br />
Wir gratulieren dem <strong>VKE</strong> zum runden Geburtstag!<br />
Ab 18.08.<br />
monatlich!
60 JAHRE <strong>VKE</strong> GRUSSWORT MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
8<br />
Wichtiger Wirtschaftsfaktor<br />
in Deutschand<br />
»<br />
Ob Zahncreme, Duschgel oder Shampoo:<br />
Kosmetische Produkte sind<br />
fester Bestandteil unseres Alltags.<br />
Viel zu wenig bekannt ist aber, dass<br />
Kosmetika auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für<br />
unser Land sind. Allein im vergangenen Jahr erwirtschaftete<br />
die deutsche Kosmetikindustrie einen<br />
Jahresumsatz von rund 17 Milliarden Euro. Schönheitspflegeprodukte<br />
und Parfums haben daran den<br />
Löwenanteil.<br />
Geistiges Eigentum mit Nachdruck schützen<br />
Mir ist ein großes Anliegen, dass die Branche ihren<br />
erfolgreichen Wachstumskurs weiter fortsetzen<br />
kann. Deshalb setze ich mich für einen starken Industriestandort<br />
ebenso ein wie für fairen Wettbewerb<br />
im Vertrieb. Ein wichtiges Thema ist etwa der<br />
Kampf gegen Markenpiraterie: Gerade im mittel-<br />
und hochpreisigen, selektiven Kosmetikbereich stellen<br />
solche Fälschungen eine erhebliche Herausforderung<br />
dar. Der Schutz des geistigen Eigentums muss<br />
deshalb auf internationaler Ebene weiter vorangetrieben<br />
und zugleich national mit entsprechendem Nachdruck<br />
durchgesetzt werden.<br />
Der Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse<br />
e.V. hat sich in den 60 Jahren seines Bestehens<br />
einen herausragenden Ruf als kompetenter<br />
Ansprechpartner für alle Fragen der Kosmetikwirtschaft<br />
erarbeitet. Er hat es immer wieder verstanden,<br />
mit guten Argumenten für den Erhalt eines fairen<br />
Leistungswettbewerbs im Kosmetikmarkt zu kämpfen.<br />
Und er hat auch die Zukunft im Blick, etwa<br />
wenn es um die neuen Herausforderungen im Internethandel<br />
geht.<br />
Klare Werte und Optimismus als Fundament<br />
Klare Werte und Zukunftsoptimismus – das ist ein<br />
gutes Fundament, um Deutschland im internationalen<br />
Wettbewerb weiter nach vorn zu bringen. Bauen<br />
Sie darauf weiter auf! Ich gratuliere herzlich zum Verbandsjubiläum<br />
und wünsche dem <strong>VKE</strong> und seinen<br />
Mitgliedsunternehmen weiterhin viel Erfolg.<br />
Dr. Philipp Rösler<br />
Dr. Philipp Rösler ist seit Mai 2011 Bundesminister für<br />
Wirtschaft und Technologie. Zudem ist er Bundesvorsitzender<br />
der FDP und deutscher Vizekanzler. Zuvor war Rösler unter<br />
anderem Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie<br />
Bundesminister für Gesundheit.
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Einsatz für die Marke<br />
» Seit nunmehr 60 Jahren vertritt der<br />
<strong>VKE</strong>-Kosmetikverband die gemeinsamen<br />
Berufs- und Fachinteressen<br />
von Anbietern von Kosmetika mit ihren über 200<br />
sehr bekannten Marken. Dass Marken nicht nur gelebt,<br />
sondern immer wieder auch gepflegt und geschützt<br />
werden müssen, diese Grundüberzeugungen<br />
teilen der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband und der Markenverband.<br />
Gemeinsam zum Wohle der Marke<br />
Im Sinne der gemeinsamen Sache, der Marken, kooperieren<br />
der <strong>VKE</strong> und Markenverband seit zwölf<br />
Jahren sehr erfolgreich. Unter anderem bündeln sie<br />
ähnlich gelagerte vertriebs- und markenpolitische<br />
Interessen, vertiefen Expertise auf dem Gebiet des<br />
Markenaufbaus und der Markenpflege und vertreten<br />
selbstverständlich auch eine gemeinsame ordnungspolitische<br />
Linie auf den Gebieten des Marken- und<br />
Kartellrechts, zum Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie<br />
und mit Blick auf die Beziehungen zwischen<br />
Industrie und Handel.<br />
60 Jahre <strong>VKE</strong> bietet Gelegenheit zu herzlichem<br />
Glückwunsch, bestem Dank und hoffnungsfrohem<br />
Ausblick. Persönlich und im Namen des Markenverbandes<br />
beglückwünsche ich den <strong>VKE</strong> zu diesem runden<br />
Geburtstag und danke für die gute Zusammenarbeit<br />
zum Wohle der Marke.<br />
Dieser Dank schließt die Freude auf eine gemeinsame<br />
erfolgreiche Zukunft ein. Ich freue mich auf<br />
viele weitere Jahre und Jahrzehnte, in denen <strong>VKE</strong><br />
und Markenverband sich für ihre gemeinsame Leidenschaft<br />
einsetzen.<br />
Persönlich betrachte ich die Wirkung namhafter<br />
Marken im Verein mit ihren Konsumenten als Beitrag<br />
zur zeitgenössischen »Konsumkultur«. Marken<br />
sind die Juwelen einer modernen Gesellschaft und<br />
ihrer schöngeistigen Lebensart.<br />
Franz-Peter Falke<br />
GRUSSWORT<br />
Franz-Peter Falke, geschäftsführender Gesellschafter der Falke<br />
KGaA, ist seit 2005 Präsident des Markenverbandes, der 400<br />
markenorientierte Unternehmen der Konsum- und Gebrauchsgüterindustrie<br />
sowie der Dienstleistungswirtschaft organisiert.<br />
Der Textilunternehmer startete seine berufliche Karriere<br />
bei der Firma Dr. Oetker, bevor er in das Familienunternehmen<br />
wechselte. Er ist u. a. Mitglied im Beirat für Mittelstandsfragen<br />
beim Bundesministerium für Wirtschaft.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
9
60 JAHRE <strong>VKE</strong> GRUSSWORT MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
10<br />
Dynamik und Kontinuität<br />
» Mit seinem Gründungsjahr 1952 steht<br />
der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband geradezu<br />
stellvertretend für viele Bereiche der<br />
deutschen Wirtschaft, die nach dem<br />
Ende des zweiten Weltkrieges langsam, aber sicher zur<br />
Normalität zurückfanden. Das noch junge deutsche<br />
Staats- und Wirtschaftssystem begann sich nach dem<br />
Krieg neu zu erfinden, Baden-Württemberg wurde gegründet<br />
und auch die politische Interessenvertretung<br />
der Wirtschaft und mit ihr ihre Verbände und Organisationen<br />
wagten einen Neustart.<br />
Neues Lebensgefühl treibt Kosmetikbranche<br />
Der <strong>VKE</strong> war hier mit seinem Gründungsjahr 1952<br />
ganz vorne dabei. Nicht ohne Grund, denn nach den<br />
Erfahrungen und Entbehrungen des zweiten Weltkrieges<br />
standen Kosmetik und Luxusprodukte hoch im<br />
Kurs. Die deutschen Konsumenten hatten wieder Geld<br />
und wollten es auch ausgeben. Passé der alte Spruch:<br />
»Ein deutsches Mädchen schminkt sich nicht.« Brigitte<br />
Bardot und Zsa Zsa Gabor, stellvertretend für den neuen<br />
Lebensstil dieser Zeit, bereiteten den Boden für ein<br />
neues Lebensgefühl und damit auch für eine stürmische<br />
Entwicklung im Kosmetiksektor.<br />
Die Erwartungen der Verbraucher, ein breites Sortiment<br />
mit internationalen Luxusmarken in einem gehobenem,<br />
wertigen Umfeld mit hohen Ansprüchen an Service und<br />
Beratung kaufen zu können, führten zur Gründung der<br />
ersten Parfümerien und zur Entwicklung des selektiven<br />
Vertriebs. Diese Vertriebsform und mit ihr das Marken-<br />
und Kartellrecht wurden in der Folge zu einem der wichtigsten<br />
Betätigungsfelder des jungen <strong>VKE</strong>.<br />
Der Bundesverband Parfümerien, damals noch als Verband<br />
des Seifenhandels, konstituierte sich 1953. Die<br />
Folgen waren nicht unerheblich, denn von nun an waren<br />
unsere beiden Verbände, der eine auf Lieferanten-,<br />
der andere auf Handelsseite durch ein gemeinsames<br />
Schicksal verbunden. Bei allen natürlichen Gegensätzen<br />
galt es, vielfach gemeinsam Position zu beziehen<br />
und die Interessen der gesamten Branche zu wahren.<br />
Aufgaben werden komplexer<br />
Die Aufgaben für die Branche und damit für ihre Verbände<br />
werden seitdem ständig komplexer: angefangen<br />
von der Etablierung und Festigung des selektiven Vertriebssystems,<br />
über marken- und kartellrechtliche Fra-<br />
Nola Bergner, Bergner Parfum & Beauty aus Pfaffenhofen, ist<br />
seit 2012 Vorsitzende des Bundesverbandes Parfümerien.<br />
gestelllungen bis hin zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
oder zu wichtigen Themen wie Verbraucherschutz.<br />
Mit dem Internet hat sich die Situation zusätzlich verändert.<br />
Den vielen Chancen und Möglichkeiten, die es<br />
für die Branche zu ergreifen gilt, stehen auch neue Risiken<br />
und Herausforderungen des Vertriebsweges gegenüber:<br />
Ungeregelte Einfuhren aus dem außereuropäischen<br />
Ausland, nicht verkehrsfähige oder überalterte<br />
Ware sowie Fälschungen und Plagiate gefährden nicht<br />
nur den Verbraucher, sondern auch den guten Ruf unserer<br />
Produkte.<br />
Dennoch, das 60. Jubiläum des <strong>VKE</strong> ist ein Grund, positiv<br />
in die Zukunft zu blicken. Die Zusammenarbeit<br />
der beiden Verbände funktioniert – heute wie gestern –<br />
einwandfrei. Der Erfolg ist sichtbar: Auch nach 60 Jahren<br />
ist unsere Branche noch immer quicklebendig. Sie<br />
kann sogar mit einem überdurchschnittlichen Wachstum<br />
im Rücken in das Jubiläumsjahr des <strong>VKE</strong> starten.<br />
Damit das auch in Zukunft so bleibt, wünsche ich, zusammen<br />
mit meinen Kollegen aus Vorstand und Geschäftsführung,<br />
dem <strong>VKE</strong> auch weiterhin viel Erfolg bei<br />
unserer gemeinsamen Aufgabe: Der Wahrung der Interessen<br />
unserer Branche – gestern, heute, und morgen.<br />
Dufte Grüße,<br />
Nola Bergner
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Gemeinsam für<br />
die Schönheit<br />
»<br />
Als Vorstandsvorsitzender des IKW<br />
Industrieverband Körperpflege- und<br />
Waschmittel e. V. ist es mir eine besondere<br />
Freude, dem <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband<br />
zu seinem 60-jährigen Bestehen meine herzlichen<br />
Glückwünsche auszusprechen. Sowohl der <strong>VKE</strong><br />
als auch der IKW blicken auf eine lange Geschichte<br />
zurück. Bereits seit Jahrzehnten arbeiten die beiden<br />
Verbände auch eng zusammen. Dabei gibt es – nicht<br />
zuletzt historisch bedingt – eine klare Arbeitsteilung.<br />
Klare Aufgabentrennung trotz Überschneidungen<br />
So vertritt der <strong>VKE</strong> die Interessen der Importeure und<br />
Alleinvertriebshändler sowie der Lizenzhersteller ausländischer<br />
Fertigkosmetika wie auch der Anbieter,<br />
die im selektiven Vertrieb, besonders im mittel- und<br />
hochpreisigen Bereich, Kosmetika in Deutschland<br />
vertreiben.<br />
Der IKW hingegen repräsentiert gleichermaßen kleine,<br />
mittelständige und große Hersteller, hat jedoch<br />
insbesondere durch die Konzentration von Produktionsstandorten<br />
zunehmend auch solche Firmen unter<br />
seinen Mitgliedern, die in Deutschland keine eigene<br />
Herstellung mehr haben, sondern nur noch Produkte<br />
vertreiben. Aber auch der alleinige Vertrieb eines Produktes<br />
entlässt eine Firma nicht aus der Verantwortung,<br />
die – trotz einer EU-weit einheitlichen Gesetzgebung<br />
– nationalen Kennzeichnungsvorschriften zu<br />
erfüllen. Ein Schwerpunkt der IKW-Arbeit liegt daher<br />
in der Beratung der Firmen über die Anwendung<br />
und Auslegung aller produktbezogenen Vorschriften.<br />
Diese Entwicklung führte in den vergangenen Jahren<br />
durchaus zu Überschneidungen. Dies hat aber eher dazu<br />
geführt, dass die Zusammenarbeit beider Verbände<br />
– vor dem Hintergrund der klaren Aufgabentrennung<br />
– noch vertieft wurde.<br />
Hohes Ansehen durch fachliche Kompetenz<br />
Vor allem bei Vertriebsproblemen, Marktzugangsfragen<br />
und den daraus folgenden Anforderungen für die<br />
Depotkosmetik auf dem deutschen Markt suchen seine<br />
Mitgliedsfirmen gerne Rat beim <strong>VKE</strong>. Durch seine<br />
Kontakte mit den Vertretern der für diesen Teil der<br />
Branche typischen Vertriebskanäle, die Koordination<br />
der Arbeit der Fragrance Foundation Deutschland und<br />
der hervorragenden Platzierung der jährlichen Ver-<br />
WERTEWANDEL<br />
Dr. Rüdiger Mittendorff ist seit 1994 bei der Sebapharma GmbH<br />
& Co. KG in Boppard tätig und dort Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />
sowie Vertriebschef. Zuvor arbeitete er u.a. bei The Dial<br />
Corporation und Beiersdorf.<br />
leihung des deutschen Parfumduftpreises Duftstars<br />
erfüllt er seine Aufgaben in ausgezeichneter Form.<br />
Ebenso wie der IKW auf dem gesamten Gebiet der<br />
Herstellung kosmetischer Mittel und des Kosmetikrechts<br />
hat auch der <strong>VKE</strong> in den von ihm bearbeiteten<br />
Themen durch fachliche Kompetenz hohes Ansehen<br />
bei seinen Dialogpartnern erworben.<br />
Eine besondere Aufgabe sieht der <strong>VKE</strong> zudem in der<br />
Unterstützung seiner Mitglieder in der Bekämpfung<br />
von Produkt- und Markenpiraterie. Seine gemeinsam<br />
mit dem Markenverband hierzu entfalteten Aktivitäten<br />
sind natürlich auch für die Mitglieder des IKW<br />
sehr hilfreich. Wir freuen uns auf weitere Jahre der<br />
erfolgreichen Zusammenarbeit. Im Namen des IKW<br />
wünsche ich dem <strong>VKE</strong> alles Gute für die Zukunft.<br />
Dr. Rüdiger Mittendorff<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
11
60 JAHRE <strong>VKE</strong> IM GESPRÄCH MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
12<br />
Kompetent und<br />
konsequent<br />
Der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband steht seinen Mitgliedern in politischen,<br />
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Belangen mit Rat und Tat<br />
zur Seite. Präsident Stephan Seidel und Geschäftsführer Martin<br />
Ruppmann sprechen über die Herausforderungen des Marktes.<br />
MARKENARTIKEL: Vor 60 Jahren wurde der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband<br />
gegründet. Was waren in diesen Jahren einschneidende<br />
Veränderungen in der Kosmetikbranche?<br />
STEPHAN SEIDEL: 60 Jahre sind ein langer Zeitraum, und<br />
die Veränderungen gehen seit Ende der 1990er-Jahre<br />
immer schneller vonstatten. Die Halbwertszeit für<br />
Innovationen hat sich dramatisch verkürzt, und die<br />
Verbraucher sind informiert wie noch nie. Unsere<br />
Branche ist insofern mit einer herausfordernden Mischung<br />
aus gesellschaftlichen, technologischen, handelspolitischen<br />
und rechtlichen Entwicklungen konfrontiert,<br />
die alle auf ihre spezifische Art und Weise<br />
unseren Markt beeinflusst haben beziehungsweise<br />
weiterhin massiv beeinflussen.<br />
MARKENARTIKEL: Können Sie diese Entwicklungen erläutern?<br />
SEIDEL: Beispielsweise ist es spannend zu beobachten,<br />
wie sich die Einstellung von Männern zu Kosmetik verändert<br />
hat. Was heute fast selbstverständlich erscheint<br />
– etwa eigene Pflegeprodukte, der Besuch im Kosmetikstudio<br />
und vielleicht sogar die Verwendung von Gesichtspuder<br />
– war vor gut zehn Jahren nur etwas für<br />
eine sehr kleine Randgruppe. Oder nehmen Sie die weiterentwickelten<br />
Möglichkeiten, hochwirksame Inhaltsstoffe<br />
zu gewinnen, die den Konsumenten neue, fortschrittliche<br />
Produkte beschert haben. Aber auch die<br />
zunehmende Konzentration im Handel hat den Markt<br />
in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder sehr beeinflusst,<br />
bewegt ihn weiterhin und macht ihn in mancher<br />
Hinsicht leider recht unbeweglich.<br />
MARKENARTIKEL: Die Zusammenarbeit mit dem Handel<br />
gehört zu einem der wichtigsten Knackpunkte bei der<br />
Arbeit des <strong>VKE</strong>-Kosmetikverbandes...<br />
MARTIN RUPPMANN: Dem <strong>VKE</strong> als Fachverband geht es in<br />
seiner Arbeit vor allem darum, das Verständnis für Depotkosmetik<br />
zu stärken und auf allen politischen, wirtschaftlichen<br />
beziehungsweise gesellschaftlichen Ebe-<br />
nen zu manifestieren. Kernpunkte unserer Tätigkeit<br />
als wichtiger Meinungsbildner der Branche sind demzufolge<br />
der Erhalt und die Festigung des selektiven Vertriebssystems,<br />
der Schutz der Marke sowie die Information<br />
der Verbraucher. Und ja, besonders wichtig ist<br />
uns dabei auch die Sicherstellung einer fachlich kompetenten,<br />
autorisierten, im Sortiment umfassenden, qualitativ<br />
hochwertigen Distribution.<br />
SEIDEL: Die Schaffung beziehungsweise Erhaltung von<br />
Markenwerten am POS durch entsprechende Kommunikation<br />
mit unseren Handelspartnern ist uns sehr<br />
wichtig. Im Fokus steht dabei die konstruktive Ausgestaltung<br />
der Beziehungen zwischen Industrie und Handel.<br />
Dies ist nicht immer einfach und erfordert erhebliches<br />
Beharrungsvermögen.<br />
<strong>VKE</strong>-Präsident Stephan Seidel
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
<strong>VKE</strong>-Geschäftsführer Martin Ruppmann<br />
MARKENARTIKEL: Klingt, als seien die Beziehungen zum<br />
Handel nicht immer unproblematisch. Welche Herausforderungen<br />
gibt es?<br />
SEIDEL: Ich glaube, unsere Branche ist überwiegend von<br />
einer zielorientierten Zusammenarbeit zwischen Lieferanten<br />
und dem Einzelhandel geprägt. Natürlich<br />
gibt es immer wieder Punkte, wo es gewaltig knirscht.<br />
Punkte, wo handelsseitig Ideen entwickelt, Konzepte<br />
versucht oder Forderungen erhoben werden, die einer<br />
rechtlichen Prüfung nicht standhalten. Hier werden<br />
wir als Verband im Sinne unserer Mitglieder aktiv<br />
und versuchen, im gebotenen Rahmen des Kartellrechts<br />
tragfähige Lösungsangebote zu entwickeln. Eine<br />
besondere Herausforderung sind in diesem Zusammenhang<br />
sicherlich die fortgesetzte Preisfokussierung<br />
des Handels, die teilweise unbefriedigende Inszenierung<br />
von Markenwelten und eine unangemessen dominante<br />
Eigenmarkenpolitik.<br />
RUPPMANN: Zwei Projekte, die wir deshalb in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem Handel umgesetzt haben beziehungsweise<br />
gerade umsetzen, sind die Multi-Client-Studie<br />
»Duft & Kosmetik« zur Wahrnehmung des<br />
Parfümerie-Angebotes aus Kundensicht und der Branchenguide<br />
»Stammdatenaustausch Selektive Kosmetik«.<br />
MARKENARTIKEL: Welche Ziele verfolgen Sie mit den beiden<br />
Initiativen?<br />
RUPPMANN: Im Rahmen der Multi-Client-Studie wurden<br />
unter anderem Erkenntnisse zum Einkaufsverhalten<br />
und zum Thema Einkaufserlebnis gewonnen, die<br />
jetzt fundierte Hilfestellung bei der Optimierung des<br />
Category Managements bieten. Beim Branchenguide<br />
geht es darum, umfassende Möglichkeiten aufzuzeigen,<br />
wie insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen<br />
auf Basis bewährter Standards Artikelstammdaten<br />
austauschen, ihre Prozesseffizienz erhöhen, eine<br />
Steigerung der Wirtschaftlichkeit generieren und durch<br />
erhöhte Kundenzufriedenheit eine verbesserte Kundenbindung<br />
erreichen können.<br />
IM GESPRÄCH<br />
MARKENARTIKEL: Der <strong>VKE</strong> setzt sich damit klar für die<br />
Belange der Industrie ein.<br />
RUPPMANN: Die Bedeutung und Verwendung von Kosmetik<br />
in unserer Gesellschaft hat zugenommen und damit<br />
verbunden natürlich auch die wirtschaftlichen, sozialen<br />
und gesellschaftlichen Interessen der Beteiligten. Wichtig<br />
ist uns, in dem für uns relevanten Umfeld gehört zu<br />
werden. Dazu gehört es auch, Themen unter Umständen<br />
gar nicht erst groß zu machen. Wir agieren häufig<br />
schon im Vorfeld beratend und vermittelnd – aber<br />
eher im Hintergrund. Dabei kommt es beispielsweise<br />
darauf an, die bilateralen Beziehungen zwischen Handel<br />
und Industrie zu gestalten und dort konsequent tätig<br />
zu werden, wo es angemessen, notwendig und natürlich<br />
juristisch einwandfrei möglich ist.<br />
MARKENARTIKEL: Haben Sie ein Beispiel?<br />
RUPPMANN: Seinerzeit haben wir etwa unsere Mitglieder<br />
mit Rat und Tat durch die Karstadt-Insolvenz begleitet.<br />
Auch konnten eine Reihe unberechtigter Handelsforderungen<br />
zurückgewiesen werden. Zudem ist der <strong>VKE</strong><br />
durch konsequente PR-Arbeit sicherlich eine bedeutende<br />
Stimme, wenn es um das Thema Kosmetik geht.<br />
SEIDEL: Und das wird er bleiben. Ich bin jetzt seit vier<br />
Jahren Präsident des Kosmetikverbandes. Mein Ziel ist<br />
es, die exzellente Arbeit meiner Vorgänger auf hohem<br />
Niveau fortzuführen und dabei notwendige Anpassungen,<br />
Modernisierungen oder auch Optimierungen<br />
vorzunehmen. Ich denke, dies ist bislang im erforderlichen<br />
Maße gelungen. Wir arbeiten insgesamt strategischer.<br />
Die Mitglieder bringen sich in erfreulicher<br />
Weise ein und das Vorstandsteam ergänzt sich ideal.<br />
MARKENARTIKEL: Beste Voraussetzungen, um den Herausforderungen<br />
des Marktes zu begegnen.<br />
SEIDEL: Zu unseren Tätigkeitsschwerpunkten gehören ja<br />
insbesondere auch die Eindämmung des Graumarktes<br />
und der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie<br />
sowie das Eintreten für die Wahrung selektiver Ver-<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
13
» Wir müssen die Glaubwürdigkeit und<br />
Begehrlichkeit unserer Marken nachhaltig<br />
im Bewusstsein zu verankern.<br />
Stephan Seidel, <strong>VKE</strong>-Präsident<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong> IM GESPRÄCH MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
14<br />
triebssysteme. Hier gibt es noch viel zu tun – und das<br />
können wir nur gemeinsam schaffen.<br />
RUPPMANN: In diesem Zusammenhang ist auch enorm<br />
wichtig, einen klaren ordnungspolitischen Rahmen zu<br />
setzen, in dem wir mit unseren Geschäftspartnern auf<br />
der Basis eines fairen Leistungswettbewerbs perspektivisch<br />
agieren können. Selektive Vertriebssysteme mit<br />
ihren Feinheiten, die allen Beteiligten zugute kommen<br />
– also Industrie und Handel Wertschöpfung generieren<br />
lassen und den Konsumenten ganz besondere Einkaufserlebnisse<br />
mit erheblichem Mehrwert verschaffen<br />
–, müssen auch weiterhin möglich sein. Und mit Blick<br />
auf die Produkt- und Markenpiraterie fordern wir eine<br />
stringentere Umsetzung der vorhandenen gesetzlichen<br />
Vorschriften zur Eindämmung des Problems. Unter anderem<br />
setzen wir uns für die Einführung einer Mindestfreiheitsstrafe<br />
von einem halben oder besser einem Jahr<br />
für gewerblich begangene Schutzrechtsverstöße ein.<br />
MARKENARTIKEL: Forderungen, die sicher Gehör finden<br />
sollten. Schließlich ist der Wirtschaftsfaktor Kosmetik<br />
hierzulande nicht unerheblich.<br />
SEIDEL: Der <strong>VKE</strong> hat heute über 50 namhafte Mitgliedsunternehmen<br />
und repräsentiert einen Einverkaufs-Umsatz<br />
von knapp zwei Milliarden Euro in Deutschland.<br />
Unsere Mitglieder und deren Zulieferer, aber auch unsere<br />
Partner aus dem Handel, den Agenturen und den<br />
Medien stehen für tausende Arbeitsplätze. Und wir gehen<br />
auch für die Zukunft von einer kontinuierlich positiven<br />
Entwicklung aus. Wichtig ist natürlich außerdem<br />
die gesellschaftliche Bedeutung von Kosmetik.<br />
MARKENARTIKEL: Wie meinen Sie das?<br />
SEIDEL: Wer jeden Tag mit dem Thema Schönheit zu<br />
tun hat, weiß, wie elementar die Bedeutung von gutem<br />
Aussehen für nahezu alle Menschen ist. Und ich meine<br />
nicht nur diejenigen, die sich täglich an einem guten<br />
Duft erfreuen, die Spaß an den aktuellen Nagellackfarben<br />
haben und damit Akzente setzten, die vielleicht<br />
ein paar Hautunreinheiten mit einem neuen Make-up<br />
kaschieren oder diejenigen, die sich mit einer hochwertigen<br />
Pflege puren Luxus gönnen. Ich meine insbesondere<br />
die Frauen, die eine gesundheitlich bedingte Krise<br />
durchleben. Auch hier kann Kosmetik helfen, wieder<br />
ein Stück mehr Lebensqualität zu erlangen.<br />
MARKENARTIKEL: Inwieweit hat sich das Verbraucherverhalten<br />
denn mit den Jahren verändert – und was bedeutet<br />
das für die Vermarktung von Selektivkosmetik?<br />
SEIDEL: Die Verbraucher sind informierter und kritischer,<br />
sehr qualitäts- und zugleich äußerst preisbewusst.<br />
Zudem sind die Erwartungen an die Industrie<br />
immer weiter gestiegen: Neue Produkte müssen<br />
immer noch wirksamer sein. Für die Vermarktung<br />
der Selektivkosmetik bedeutete dies, auf Basis inhaltlich<br />
überdurchschnittlicher Produkte die richtige Verbraucheransprache<br />
zu finden, um die Glaubwürdigkeit<br />
und Begehrlichkeit unserer Marken nachhaltig<br />
im Bewusstsein zu verankern und den Mehrwert klar<br />
zu kommunizieren.<br />
MARKENARTIKEL: In diesem Zusammenhang spielt auch<br />
das Internet zunehmend eine wichtige Rolle. Wie sieht<br />
Ihrer Meinung nach das optimale Zusammenspiel zwischen<br />
On- und Offline aus?<br />
SEIDEL: Auf die weite Zukunft gesehen, wäre das bei der<br />
rasanten Entwicklung neuer Technologien und Möglichkeiten<br />
ein Blick in die Glaskugel. Mittelfristig und<br />
zum Teil auch kurzfristig bin ich jedoch sehr optimistisch,<br />
dass gerade die Kosmetikbranche prädestiniert<br />
ist für ein gutes Miteinander von On- und Offline. Das<br />
hat auch unsere aktuelle Untersuchung zu diesem Thema<br />
ergeben. Sie zeigt, dass Duft und Kosmetik vom<br />
Look and Feel und der Beratung im stationären Fachhandel<br />
leben. Nachkäufe dürfen dagegen auch schon<br />
mal im Internet erfolgen.<br />
MARKENARTIKEL: Wenn Sie jetzt einen Blick in die Zukunft<br />
werfen: Welches sind die größten Herausforderungen,<br />
denen sich der <strong>VKE</strong> künftig stellen muss?<br />
RUPPMANN: Das Tagesgeschäft hält immer wieder aufs<br />
Neue grundlegende Herausforderungen bereit. Wir<br />
sehen uns als aufmerksamer Marktbeobachter, der<br />
Trends und Entwicklungen aufgreift, analysiert,<br />
aufbereitet, diskutiert und Handlungs- oder Reaktionsmöglichkeiten<br />
ableitet. Das Thema Online- oder<br />
Multichannel-Handel ist und bleibt auf absehbare<br />
Zeit eines der schwierigen Themen, weil es äußerst<br />
vielschichtig ist. Zudem ist Nachhaltigkeit ein wichtiges<br />
Gebiet, das stark mit dem gesellschaftlichen<br />
Wertewandel verbunden ist und immer mehr Einzug<br />
auch in unsere Branche hält. Der <strong>VKE</strong> als Interessenvertreter<br />
der Selektivkosmetik muss sich daher<br />
den sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen<br />
und neuen Themen stellen. Verbandsarbeit ist<br />
eben nicht statisch, sondern in unserem Fall außerordentlich<br />
dynamisch.<br />
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60 JAHRE <strong>VKE</strong> VERBANDSHISTORIE MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
16<br />
Die Kultur des<br />
Schönen pflegen<br />
Als Interessenvertretung für hochwertige Kosmetika ist der <strong>VKE</strong>-<br />
Kosmetikverband vor 60 Jahren an den Start gegangen. Seitdem<br />
hat sich nicht nur der gesamte Kosmetikmarkt, sondern auch das<br />
Aufgabenspektrum des Verbandes stetig gewandelt und vergrößert.<br />
DEUTSCHLAND NIMMT ZUM ERSTEN MAL seit Kriegsende wieder<br />
an den Olympischen Spielen teil. Die Insel<br />
Helgoland kommt wieder unter deutsche<br />
Verwaltung. Japan und die Bundesrepublik<br />
nehmen diplomatische Beziehungen<br />
auf. Bundespräsident Heuss und Bundeskanzler<br />
Adenauer einigen sich auf<br />
das »Deutschlandlied« als Nationalhymne.<br />
Die Bundesrepublik wird Mitglied<br />
des Internationalen Währungsfonds<br />
und der Weltbank. Und der<br />
deutsche Theologe und Missionsarzt<br />
Albert Schweitzer erhält für<br />
sein Wirken den Friedensnobelpreis.<br />
Würde man all diese Ereignisse<br />
aus dem Jahre 1952 unter<br />
eine gemeinsame Formel<br />
bringen, könnte sie lauten:<br />
Rückkehr zur<br />
Normalität. International<br />
gewann<br />
Deutschland<br />
nach den Gräueltaten<br />
des Zweiten<br />
Weltkrieges<br />
wieder an Ansehen,<br />
und der Wiederaufbau<br />
des zerstörten<br />
Der Griff zum Schminkpinsel<br />
ist für Frauen inzwischen eine<br />
Selbstverständlichkeit.<br />
Foto: iStock Photo<br />
Landes lief auf Hochtouren.Wirtschaftswunder<br />
lautete das<br />
Wort der Stunde.<br />
Beste Rahmenbedingungen<br />
also, um im<br />
gleichen Jahr in Frankfurt<br />
am Main eine Interessenvertretung<br />
für<br />
hochwertige Kosmeti-<br />
ka zu gründen, den Verband der kosmetischen Einfuhrfirmen<br />
(<strong>VKE</strong>). Denn mit der zunehmenden Normalisierung<br />
des Alltags nach dem Krieg entstand immer<br />
stärker der Wunsch, wieder die Kultur des Schönen<br />
zu pflegen und zu leben – mit Genuss, Stil und Leidenschaft.<br />
Und genau für diese Werte steht der <strong>VKE</strong><br />
von Anfang an.<br />
Sprachrohr für Genuss, Stil und Leidenschaft<br />
Die Organisation, die Anfang 2007 ihren Sitz nach<br />
Berlin verlagerte, vertritt heute wie damals die gemeinsamen<br />
Berufs- und Fachinteressen der mit der Vermarktung<br />
von Parfums, Kosmetik und Körperpflegeprodukten<br />
befassten deutschen Distributeure und<br />
Herstellerfirmen.<br />
Die Zahl der Mitglieder wuchs dabei über die Jahre auf<br />
heute knapp sechzig vorwiegend selektiv vertreibende<br />
Tochterunternehmen ausländischer Stammhäuser beziehungsweise<br />
deutsche Kosmetikanbieter, die zusammen<br />
mehr als 200 zum Teil weltbekannte Marken anbieten<br />
und einen Deutschland-Umsatz von fast zwei<br />
Milliarden Euro repräsentieren.<br />
Der Verband vertritt dabei vor allem die Anbieter von<br />
Kosmetika des mittleren, hohen und höchsten Preissegments.<br />
Entscheidend sind aber keinesfalls Größe oder<br />
Umsatz der Einzelunternehmen, sondern die Einhaltung<br />
der qualitativen Kriterien des beratungsintensiven<br />
selektiven Vertriebs.<br />
Bei seiner Arbeit geht es dem <strong>VKE</strong> seit Anbeginn vor<br />
allem darum, das Eigenverständnis der Depotkosmetik<br />
zu stärken und auf allen politischen und wirtschaftlichen<br />
Ebenen zu manifestieren. Stark im Fokus steht<br />
dabei, die Position des selektiven Vertriebssystems<br />
weiter zu festigen und Imagepflege für den gehobenen<br />
Konsum zu betreiben. Sichergestellt werden soll eine<br />
fachlich kompetente, autorisierte, im Sortiment umfassende,<br />
qualitativ hochwertige und trotzdem breite<br />
Distribution – ein Anspruch, den besonders auch der<br />
im Januar 2001 gegründete Arbeitskreis »Selektiver
Quelle: Brigitta KA 2012<br />
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
KONSUMENTINNEN ZWISCHEN MARKENTREUE UND PROBIERLUST<br />
Dekorative Kosmetik Make-up, Nagellack,<br />
Lippenstift, Wimperntusche usw.<br />
Gesichtspflege Tagescreme, Nachtcreme,<br />
Reinigungs-milch, Gesichtsmaske<br />
usw.<br />
Körperpflege Seife, Deodorant, Bade-/<br />
Duschzusätze usw.<br />
Haarpflege Shampoo, Haarkur, Haarspray,<br />
Tönungsmittel usw.<br />
Düfte Parfüm, Eau de Cologne, Eau de<br />
Toilette<br />
Ich kaufe aus<br />
Überzeugung<br />
immer die<br />
gleiche Marke<br />
Vertrieb und Recht« verfolgt. Gestärkt werden sollen<br />
insbesondere auch das Anspruchsbewusstsein und der<br />
Produktinformationsgrad beim Verkaufspersonal in<br />
den deutschen Parfümieren und Drogerien.<br />
Verbraucherschutzstandards sicherstellen<br />
Ein weiteres Tätigkeitsfeld des <strong>VKE</strong> als Industrieverband<br />
und damit Informationsdrehscheibe zwischen Experten<br />
aus Wissenschaft, Handel, Endverbrauchern,<br />
Verbänden und den Regierungsinstitutionen ist, die<br />
Einhaltung der hohen europäischen Verbraucherschutzstandards<br />
sicherzustellen. Ein anderes zentrales<br />
Anliegen ist die Bekämpfung der Produktpiraterie beziehungsweise<br />
der Einfuhr von Kosmetika über sogenannte<br />
Graumärkte sowie die Bewahrung eines fairen<br />
Wettbewerbs im Kosmetikmarkt.<br />
In diesem Zusammenhang spielt die 2001 mit dem<br />
Markenverband eingegangene enge Kooperation eine<br />
wichtige Rolle. Gemeinsam wurden gleich gelagete<br />
vertriebs- und markenpolitische Interessen gebündelt,<br />
ebenso die vorhandene Expertise auf dem Gebiet des<br />
Markenaufbaus, der Markenpflege und vor allem des<br />
Marken- sowie Kartellrechts.<br />
Produkt- und Markenpiraterie wird dabei als innovationsfeindlich,<br />
Gefahr für die Verbrauchersicherheit und<br />
Arbeitsplatzvernichter bekämpft. Allein 2011 wurden<br />
im Produktsegment Parfum und Kosmetik vom Zoll in<br />
Deutschland gefälschte Waren im Wert von 1,3 Millio-<br />
Ich habe eine<br />
bestimmte Auswahl<br />
von Marken,<br />
zwischen denen<br />
ich je nach Lust<br />
und Laune auswähle<br />
Ich habe eine bestimmte<br />
Auswahl<br />
von Marken, unter<br />
denen ich diejenige<br />
aussuche, die<br />
gerade besonders<br />
preisgünstig ist<br />
Ich nehme immer<br />
das Preisgünstigste,<br />
ohne auf die<br />
Marke zu<br />
achten<br />
Kaufe ich nie<br />
14 % 41 % 25 % 10 % 9 %<br />
31 % 33 % 24 % 8 % 4 %<br />
14 % 39 % 34 % 13 % 0 %<br />
23 % 37 % 30 % 9 % 0 %<br />
18 % 48 % 23 % 6 % 6 %<br />
Sonnenschutzmittel 18 % 25 % 32 % 18 % 7 %<br />
Zahnpflege Zahnpasta, Mundwasser,<br />
Zahnbürste usw.<br />
27 % 30 % 29 % 14 % 0 %<br />
Basis: 29,99 Mio. Frauen zwischen 14 und 70 Jahren<br />
VERBANDSHISTORIE<br />
Setze Frau früher meist auf eine einzige Lieblingsmarke, wählt sie heute nach Lust, Laune und Preis aus einer Gruppe verschiedener Produkte.<br />
nen Euro sichergestellt – bei einer vermutet sehr hohen<br />
Dunkelziffer gefälschter Kosmetika, die über nicht autorisierte<br />
Vertriebswege, etwa Internet-Auktionsplattformen,<br />
ihren Weg zum Verbraucher finden. Nicht zuletzt<br />
deshalb unterstützt der <strong>VKE</strong> das multilaterale<br />
Handelsabkommen ACTA, um die globale Verfolgung<br />
des Diebstahls von geistigem Eigentum zu ermöglichen.<br />
Auch die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den Schwerpunkten<br />
der <strong>VKE</strong>-Arbeit: Der Verband ist Ansprechpartner<br />
für alle Medien, wenn es beispielsweise um<br />
hochwertige Kosmetik, quantitative und qualitative<br />
trends und Entwicklungen im Markt, Konsumentenverhalten<br />
sowie alle Fragen rund um das Aufgabengebiet<br />
des Verbandes geht.<br />
Zudem versteht man sich als kompetenter Ansprechpartner<br />
im Falle diskriminierender oder diffamierender<br />
Äußerungen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel durch<br />
fragwürdige Berichte über vermeintlich gesundheitsgefährdende<br />
Inhaltsstoffe. Mit Hilfe von Experten aus<br />
Forschung und Wissenschaft erhalten die betroffenen<br />
Mitgliedsfirmen fundierte Argumentationshilfen.<br />
Doch auch ein wenig Glamour erlaubt sich der <strong>VKE</strong>:<br />
Der Verband koordiniert die Arbeit der Fragrance<br />
Foundation Deutschland, um der Banalisierung des<br />
Kulturguts Parfum entgegenzutreten und die Faszination<br />
Parfum zu fördern – etwa durch die jährliche Verleihung<br />
des deutschen Parfumpreises »Duftstars« im<br />
Rahmen einer aufwändigen Galaveranstaltung.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
17
60 JAHRE <strong>VKE</strong> VERBANDSHISTORIE MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
18<br />
PARFUM GEHÖRT INZWISCHEN FÜR VIELE ZUR TÄGLICHEN ROUTINE<br />
Wie häufig verwenden Sie Eau de<br />
Toilette oder Eau de Parfum?<br />
Täglich oder fast täglich<br />
3-4 Mal pro Woche<br />
1-2 Mal pro Woche<br />
1-2 Mal im Monat<br />
Seltener als einmal im Monat<br />
Nie<br />
18<br />
15<br />
12<br />
16<br />
Ein Markt in steter Bewegung<br />
Dass sich die Arbeit des <strong>VKE</strong> lohnt, zeigen nicht zuletzt<br />
die Zahlen. In einer repräsentativen Umfrage haben<br />
der Verband und TNS Infratest 1045 Männer und<br />
Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren zu ihren persönlichen<br />
Verwendungsgewohnheiten von Duft befragt.<br />
Fast die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer<br />
gaben dabei an, täglich Eau de Toilette oder Eau<br />
de Parfum zu verwenden. Für jeden Zweiten ist die<br />
Verwendung damit tägliche Routine. Bei den 18- bis<br />
34-Jährigen greifen sogar genau so viele Männer wie<br />
Frauen täglich zum Duft. Auffällig dabei: Selten- bzw.<br />
Nicht-Verwender gibt es nur wenige. Lediglich jeder<br />
fünfte Mann und noch weniger der Frauen verwenden<br />
niemals Eau de Toilette oder Eau de Parfum.<br />
Die Verwendung von Düften ist also für die meisten<br />
Menschen selbstverständlich geworden – nur noch<br />
wenige können sich einen Verzicht darauf vorstellen.<br />
Zwischen Frauen und Männern zeigen sich dabei nur<br />
geringfügige Unterschiede: Besonders bei den jungen<br />
Männern ist die Verwendung genauso selbstverständlich<br />
wie bei den Frauen.<br />
Auch wurden von <strong>VKE</strong> und TNS Infratest 507 Frauen<br />
im Alter zwischen 18 und 64 Jahren zu den Verwendungsgelegenheiten<br />
dekorativer Kosmetik befragt. Dabei<br />
beantworteten 22 Prozent der Konsumentinnen<br />
die Frage, zu welchen Gelegenheiten sie die von ihnen<br />
verwendete dekorative Kosmetik auftragen, mit<br />
»immer«. Zu Hause oder beim Sport legen Frauen jedoch<br />
deutlich weniger Wert darauf, sich zu schminken:<br />
Im Durchschnitt gaben hier nur knapp 10 Prozent der<br />
Frauen an, dekorative Kosmetik aufzutragen. Verlassen<br />
sie das Haus, ergibt sich jedoch ein ganz anderes<br />
Bild: Bereits bei alltäglichen Dingen wie dem Einkauf<br />
gaben 22 Prozent an, sich zu schminken.<br />
Geht es zu geselligen Anlässen wie Feierlichkeiten,<br />
8<br />
7<br />
5<br />
12<br />
13<br />
19<br />
Total Alter<br />
45<br />
30<br />
Frauen<br />
Männer<br />
18 - 34 35 - 54 55 - 64<br />
Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 1045 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren, Juni 2011, Deutschland<br />
Fast die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer verwenden täglich Eau de Toilette oder Eau de Parfum.<br />
20<br />
17<br />
12<br />
16<br />
6<br />
7<br />
7<br />
8<br />
19<br />
17<br />
37<br />
35<br />
15<br />
17<br />
13<br />
19<br />
9<br />
8<br />
5<br />
13<br />
26<br />
9<br />
17<br />
50<br />
21<br />
9<br />
11<br />
9<br />
8<br />
6<br />
3<br />
15<br />
13<br />
26<br />
44<br />
34<br />
in die Diskothek oder zu einem Date, so verwenden<br />
durchschnittlich 55 Prozent der befragten Konsumentinnen<br />
dekorative Kosmetik. Und besondere Gelegenheiten<br />
wie eine Hochzeit veranlassen sogar fast drei<br />
Viertel der Frauen sich zu schminken.<br />
Mascara ist dabei das Produkt, das Frauen am häufigsten<br />
verwenden: Zwei Drittel der 18- bis 64-Jährigen<br />
nutzen es mindestens einmal in der Woche. Zum<br />
Vergleich: Nagellack wird zwar auch von drei Viertel<br />
der Frauen gelegentlich verwendet, aber die meisten<br />
lackieren sich die Nägel eher zu besonderen Gelegenheiten<br />
– nur ein Viertel tut dies regelmäßig.<br />
Besonders verbreitet ist die Nutzung von Mascara unter<br />
jüngeren Frauen (18 bis 34 Jahre). Andere Produkte,<br />
die besonders von Jüngeren verwendet werden,<br />
sind Puder und Make-up, wobei letzteres auch von<br />
Frauen mittleren Alters öfter genutzt wird. Lippenstift<br />
und Lipliner dagegen nutzen die Jüngeren zwar gelegentlich,<br />
häufiger werden diese Produkte aber von<br />
Frauen über 35 Jahren verwendet.<br />
Optimistisch in die Zukunft<br />
Der Parfum- und Kosmetikmarkt entwickelt sich also<br />
beständig weiter, und auch die Unternehmen des<br />
selektiven Kosmetikvertriebs konnten 2011 auf das<br />
erfolgreichste Geschäftsjahr seit mehr zehn Jahren<br />
zurückblicken. Die vom <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband repräsentierten<br />
Unternehmen der mittel- und höherpreisigen<br />
Kosmetik melden für 2011 ein überdurchschnittliches<br />
Umsatzplus von 5,2 Prozent im Vergleich zum<br />
Vorjahr.<br />
Als Gründe dafür angesehen werden starke Qualitätsmarken,<br />
hohe Innovationskraft und konstruktive<br />
Lösungsansätze zur Fortentwicklung des Marktes.<br />
Zudem habe eine geänderte Absatzpolitik in den Parfümerien<br />
dazu geführt, den Konsumenten den Wert
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
MASCARA IST BEI DER DEKORATIVEN KOSMETIK BESONDERS BELIEBT<br />
Total 18-34 Jahre 35-49 Jahre 50-64 Jahre<br />
in % n=507 n=182 n=219 n=105<br />
Mascara<br />
Make-up<br />
Puder<br />
Lippenstift<br />
Rouge<br />
Lipliner<br />
Nagellack<br />
31<br />
27<br />
38<br />
von Marken noch deutlicher zu machen und damit ihr<br />
Vertrauen zurückzugewinnen.<br />
Aber es gibt auch immer wieder neue Herausforderungen.<br />
Beispielsweise hält es der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband<br />
auch in Zukunft für unerlässlich, dass seine Mitgliedsunternehmen<br />
der auch in der Kosmetikbranche<br />
wachsenden Nachfragemacht der Händler begegnen<br />
und überzeugende Konzepte von dort einfordern. Ferner<br />
gelte es, übermäßige regulatorische Eingriffe auf<br />
europäischer sowie nationaler Ebene zu verhindern,<br />
um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.<br />
Wie die Branche in 60 Jahren dasteht und welche Geschehnisse<br />
dann die Menschen bewegen werden, lässt<br />
51<br />
46<br />
45<br />
66<br />
58<br />
70<br />
66<br />
77<br />
83<br />
78<br />
76<br />
24<br />
24<br />
37<br />
38<br />
regelmäßige Verwendung Verwendung überhaupt<br />
(zumindest 1-2mal / Woche)<br />
Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 1045 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren, Juni 2011, Deutschland<br />
Dek. Kosmetik<br />
allgemein<br />
56<br />
55<br />
Klarer Favorit: Zwei Drittel der 18- bis 64-Jährigen nutzen Mascara mindestens einmal in der Woche, um sich zu schminken.<br />
ZU WELCHEN ANLÄSSEN DEKORATIVE KOSMETIK ZUM EINSATZ KOMMT<br />
56<br />
78<br />
68<br />
78<br />
77<br />
84<br />
82<br />
90<br />
26<br />
40<br />
35<br />
46<br />
52<br />
50<br />
63<br />
60<br />
71<br />
68<br />
73<br />
81<br />
79<br />
80<br />
Mascara Lippenstift Make-up<br />
in % n = 507 n = 422 n = 397 n = 392<br />
Bei besonderen Gelegenheiten (z.B. Hochzeit,<br />
Jubiläum, andere Feste/Feierlichkeiten)<br />
71<br />
76<br />
75<br />
74<br />
Wenn ich abends tanzen oder in eine Bar gehe<br />
55<br />
66<br />
58<br />
60<br />
Bei kulturellen Anlässen (Theater, Oper, Ausstellung<br />
etc.)<br />
55<br />
64<br />
56<br />
57<br />
Wenn ich abends Essen gehe<br />
47<br />
64<br />
52<br />
52<br />
Wenn ich ein Date habe<br />
52<br />
63<br />
51<br />
57<br />
Wenn ich ins Kino gehe<br />
Bei der Arbeit<br />
Wenn ich mich spontan mit engen Freunden treffe<br />
Beim Einkaufen<br />
Wenn ich mit meinem Partner/meiner Familie Zeit zu<br />
Hause verbringe<br />
Wenn ich alleine zu Hause bin<br />
Beim Sport<br />
Immer<br />
33<br />
31<br />
27<br />
22<br />
14<br />
9<br />
8<br />
53<br />
53<br />
47<br />
43<br />
27<br />
19<br />
17<br />
41<br />
Quelle: TNS Infratest, Repräsentative Online-Befragung, 507 Frauen ab 18 Jahre, Februar 2011, Deutschland<br />
22<br />
34<br />
30<br />
29<br />
24<br />
12<br />
8<br />
5<br />
18<br />
37<br />
37<br />
31<br />
25<br />
15<br />
9<br />
8<br />
25<br />
30<br />
39<br />
36<br />
33<br />
32<br />
51<br />
49<br />
sich heute natürlich noch nicht beantworten. Die nahe<br />
Zukunft aber, soviel lässt sich schon jetzt sagen,<br />
scheint vielversprechend. Das zeigen auch die aktuellen<br />
Einschätzungen der <strong>VKE</strong>-Mitgliedsunternehmen.<br />
Demnach erwarten 54 Prozent von ihnen für 2012 steigende<br />
Umsätze. Der <strong>VKE</strong> rechnet daher für das laufende<br />
Gesamtjahr mit Umsatzzuwächsen von bis zu drei<br />
Prozent. Dabei sehen die Firmen vor allem die Dekorative<br />
Kosmetik, Damendüfte sowie das Herrensegment<br />
als Wachstumssegmente. Denn Genuss, Stil und Leidenschaft,<br />
kurzum die Kultur des Schönen gilt es heute<br />
ebenso zu pflegen wie schon vor sechs Jahrzehnten<br />
bei der Gründung des <strong>VKE</strong>.<br />
Torsten Schöwing<br />
54<br />
63<br />
59<br />
58<br />
75<br />
77<br />
72<br />
VERBANDSHISTORIE<br />
Selbst zum Einkauf schminken<br />
sich 22 Prozent der Frauen. Und<br />
bei Hochzeiten verwenden sogar<br />
fast drei Viertel aller Frauen<br />
dekorative Kosmetik.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
19
60 JAHRE <strong>VKE</strong> WERTEWANDEL MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
20<br />
Die Versportung<br />
des Selbst<br />
Die Werte der Deutschen Wandeln sich. Freiheit, Familie und Gesundheit<br />
werden immer wichtiger. Dieser Wertewandel hat Auswirkungen<br />
auf den Kosmetikmarkt der Zukunft. Self-Designing<br />
gewinnt an Bedeutung.<br />
WIR HABEN GENAU HINGEHÖRT: Eine halbe Million Dokumente<br />
im Internet wurden ausgewertet, um mehr darüber<br />
zu erfahren, was die Deutschen denken und<br />
was ihnen wichtig ist. Herausgekommen ist eine Top<br />
10-Liste der wichtigsten Werte der Deutschen: der<br />
Werte-Index 2012. Auf den ersten drei Plätzen und<br />
damit die wichtigsten Werte der Deutschen: die Freiheit,<br />
die Familie und die Gesundheit.<br />
Freiheit bedeutet Autonomie<br />
Von den veränderten Bedürfnissen der Menschen ist<br />
die Kosmetikbranche unmittelbar betroffen. So steht<br />
mit der Freiheit zwar der gleiche Wert an der Spitze<br />
des Werte-Rankings wie schon in der ersten Auswertungs-Welle<br />
aus dem Jahr 2009. Doch das, was die<br />
Menschen mit dem Begriff Freiheit meinen, unterliegt<br />
einem Wandel – und dieser ist eng mit dem verknüpft,<br />
wofür die Kosmetikbranche steht. Denn Freiheit bedeutet<br />
heute nicht mehr freie Auswahl oder mehr Individualität,<br />
sondern Autonomie. Wir möchten selbstbestimmt<br />
leben, eigenständig an unserem Glück arbeiten<br />
– und Kosmetikprodukte können im besten Fall helfen,<br />
uns dieses gute Gefühl zu vermitteln.<br />
Ob es sich um ein Deo handelt, das 72 Stunden wirksam<br />
ist oder um ein Make-up, das den ganzen Tag<br />
hält, nicht abfärbt und angenehm in seiner Textur ist<br />
– gerade die Innovationen im Kosmetiksektor helfen<br />
den Menschen dabei, ein Leben nach ihren eigenen<br />
Vorstellungen und frei von Zwängen zu führen. Die<br />
Botschaft: Die Herausforderungen des Alltags sind<br />
spannend. Wir sollten optimal auf alle Eventualitäten<br />
vorbereitet sein.<br />
Das Bedürfnis nach dem Selbst-Design des eigenen<br />
Aussehens bekommt so in den nächsten Jahren immer<br />
stärker eine sportliche Note. Vor allem auf dem Wachstumsmarkt<br />
der Männerkosmetik werden sich die Umsätze<br />
mit diesem Produktversprechen ausweiten lassen.<br />
Die Unzufriedenheit des Mannes mit seinem Aussehen<br />
wächst, gleichzeitig aber auch die Bereitschaft mittels<br />
Kosmetik die Kontrolle über das Selbst zurückzugewinnen.<br />
Und so neue Freiheit zu erfahren.<br />
Tryvertising-Optionen versprechen Freiheit<br />
Auf der Vertriebsschiene sind es unter anderem die<br />
Tryvertising-Angebote, die auf dieses Konto einzahlen.<br />
Testangebote wie die amerikanische Birchbox.com<br />
stehen für die Lust am Ausprobieren. Zum Preis von<br />
zehn US-Dollar im Monat beziehungsweise 110 US-<br />
Dollar im Jahr bekommen die Kundinnen monatlich eine<br />
hochwertige, pinkfarbene Box per Post zugeschickt,<br />
die mit fünf Produktproben aus dem High End Beauty-Bereich<br />
gefüllt sind. Mit einem Bonuspunktesystem<br />
werden die Abonnenten beim Kauf der Originalgrößen<br />
belohnt und zum Weiterempfehlen in ihrem persönlichen<br />
Netzwerk animiert. Um das Bedürfnis männlicher<br />
Verwender nach Versportung des Selbst zu<br />
bedienen, wurde unlängst Hiskit.com gelauncht. Zu<br />
einem Preis von zwölf US-Dollar im Monat bekommen<br />
Männer hier ebenfalls Testboxen per Post zugeschickt<br />
– gefüllt mit Kosmetika, aber auch Unterwäsche, Parfumproben<br />
oder Telekommunikationsaccessoires.<br />
Eine andere Möglichkeit, die Kunden zum Kauf zu animieren<br />
und gleichzeitig ihr Bedürfnis nach Freiheit ernst<br />
zu nehmen, besteht in den vielfältigen neuen Virtual<br />
Makeover-Simulatoren. Diese machen es möglich, neue<br />
Produkte an einem Abbild seines Selbst auszuprobieren.<br />
Bildschirme in japanischen Shiseido-Filialen oder digitale<br />
Spiegel in britischen L’Oréal-Verkaufsstellen zeigen,<br />
wie die Zukunft in diesem Segment aussehen wird.<br />
Kosmetik ist auch Wärme und Pflege<br />
Der Wert, der den Deutschen derzeit am zweitwichtigsten<br />
ist, ist die Familie. Familie ist das Versprechen<br />
eines sicheren Hafens in einer unsicheren und zunehmend<br />
komplexen Welt. Wem Familie gelingt, der demonstriert<br />
Optimismus, Flexibilität, Selbstsicherheit<br />
und Belastungsfähigkeit – allesamt Attribute, die auch<br />
von den Herstellern von Kosmetikprodukten benutzt
Foto: iStock Photo<br />
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Virtual Makeover-Simulatoren wie digitale Spiegel in britischen L’Oréal-Verkaufsstellen zeigen, wie die Zukunft in diesem Segment aussehen wird.<br />
werden, um ihre Abverkaufszahlen zu erhöhen. Die<br />
Pflege von Haut und Haar, die dekorative Gestaltung<br />
des Selbst und die Kontrolle über Gestalt und Geruch<br />
des eigenen Äußeren ist die Schnittstelle zwischen Innen<br />
und Außen, zwischen Beruf und Familie.<br />
Selbstverständlich ist Familie dabei auch ein Synonym<br />
für Gemeinschaft. Der Wert, der auf Platz 4 im Ranking<br />
des Werte-Index landet – und der damit der größte<br />
Aufsteiger im Vergleich zur ersten Befragungswelle ist.<br />
Noch vor drei Jahren landete Gemeinschaft auf dem<br />
zehnten Rang. Heute signalisieren die hohe Einstufung<br />
von Familie und Gemeinschaft, dass es sich in Zukunft<br />
kein Hersteller mehr leisten kann, an diesem Bedürfnis<br />
vorbei neue Produkte und Services zu entwickeln. Vor<br />
allem kommunikativ wird es in den nächsten Jahren<br />
darum gehen, den Konsumenten Angebote zu unterbreiten,<br />
die ihre Sehnsucht nach einem neuen Wir-Gefühl<br />
aufgreifen. Gerade bei so intimen Produkten wie<br />
Kosmetika gilt es, Vertrauen zu schaffen und den Verwendern<br />
die Möglichkeit zu geben, sich mit Gleichgesinnten<br />
über die Produkte auszutauschen.<br />
WERTEWANDEL<br />
Neben den Unternehmens-Websites und Facebook-<br />
Profilen bieten sich dafür künftig Microblogs und<br />
Microsites an. Damit sind Webseiten mit wenigen Unterseiten<br />
und geringer Navigationstiefe gemeint, die geeignet<br />
sind, ein ganz spezielles Thema zu vertiefen oder<br />
zu einem Gespräch einzuladen.<br />
Ein Beispiel für eine Microsite in der Kosmetikbranche<br />
ist die »Make-up Lounge« von L’Oréal. Unter www.<br />
inside-loreal-paris.de/makeuplounge gibt es Schminktipps<br />
von Testimonial Miriam Jacks, die als Visagistin<br />
in amerikanischen TV-Shows auftritt. Dabei wird bewusst<br />
darauf verzichtet, das Angebot groß bekannt zu<br />
machen. Es geht vielmehr um das Gefühl, Insiderwissen<br />
innerhalb einer begrenzten Gruppe vermittelt zu<br />
bekommen, das es wert ist, weitergetragen zu werden.<br />
Healthstyle ist der neue Lifestyle<br />
Bei dem Trend, der auf Platz 3 des aktuellen Werte-<br />
Index landet, liegt die Verbindung zur Kosmetikindustrie<br />
ebenfalls nahe. Längst hat sich die Gesundheit<br />
weg von der Abwesenheit von Krankheit und<br />
Unternehmen müssen den Konsumenten Angebote<br />
unterbreiten, die ihre Sehnsucht nach<br />
einem neuen Wir-Gefühl aufgreifen. Es gilt,<br />
Vertrauen zu schaffen und den Verwendern<br />
die Möglichkeit zu geben, sich mit Gleichgesinnten<br />
über die Produkte auszutauschen.<br />
Neben Unternehmens-Websites und Facebook-Profilen<br />
bieten sich dafür Microblogs<br />
und Microsites an. Ein Beispiel ist die »Make-up<br />
Lounge« von L’Oréal.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
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60 JAHRE <strong>VKE</strong> WERTEWANDEL MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
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Die Menschen werden in Zukunft noch stärker als bisher versuchen werden, die Gestaltung ihres Aussehens selbst in die Hand zu nehmen.<br />
hin zu einem Synonym für Leistungsfähigkeit, persönliches<br />
Wohlgefühl, Schönheit und Jugendlichkeit<br />
entwickelt. Produkte im Grenzbereich zwischen der<br />
Kosmetik und der Medizin wie zum Beispiel Inneov<br />
boomen und symbolisieren einen Wachstumsmarkt,<br />
der sich aus dem anhaltenden Altersbeben in unserer<br />
Gesellschaft ergibt. Je älter wir werden, desto jünger<br />
möchten wir sein. Kosmetika können uns dabei helfen,<br />
diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen.<br />
Neben den Cosmeceuticals werden es die hochinnovativen<br />
Kosmetikprodukte sein, die in den nächsten Jahren<br />
für neue Umsätze sorgen werden. Die tiefe Sehnsucht<br />
nach Verjüngung auf Seiten der Konsumenten<br />
sorgt dafür, dass sich die Investitionen in die Entwicklung<br />
neuer Wirkstoffe und Wirkverfahren auszahlen.<br />
Hier sind vor allem Produkte auf der Basis von pflanzlichen<br />
Stammzellen, Gluco-Glycerol zur Aktivierung<br />
der Aquaporine, Apiaceen-Peptide und weiterhin Hyaluronsäure<br />
und Urea zu nennen. Aber auch Ungewöhnliches<br />
wie der Acerola-Extrakt als Inhaltsstoff<br />
in Kosmetika oder Anti Aging-Produkte mit Arctiin,<br />
das aus der Klettenfrucht gewonnen wird, werden den<br />
Markt verändern.<br />
Naturkosmetik kennt viele Spielarten<br />
Daneben werden die Umsätze im Bereich der Naturkosmetik<br />
weiter steigen – auch dafür sorgt die wachsende<br />
Bedeutung des Wertes Gesundheit. Unabhängig<br />
davon, dass es für die Konsumenten schwierig ist, den<br />
Unterschied zwischen zertifizierter und nicht zertifizierter,<br />
naturnaher und herkömmlicher Kosmetik zu<br />
durchschauen. Mit einem Umsatz von 800 Millionen<br />
Euro ist Deutschland europaweit der größte Markt für<br />
Naturkosmetik. Jeder achte der 12,6 Milliarden Euro,<br />
die die Deutschen im vergangenen Jahr für Pflegeprodukte<br />
ausgegeben haben, floss bereits in Naturkosmetik.<br />
Davon profitieren sowohl die klassischen<br />
Anbieter wie Weleda oder Dr. Hauschka als auch die<br />
großen Hersteller wie Beiersdorf, denen mit der Ein-<br />
führung der Serie Nivea Pure & Natural im Jahr 2011<br />
ein Riesenerfolg geglückt ist.<br />
Die Alten versuchen sich zu verjüngen, die Jungen spielen<br />
mit den Attributen des Alters und färben sich die<br />
Haare silbern – im Spiel mit dem Aussehen werden Bedürfnisse<br />
sichtbar, bei deren Befriedigung die Kosmetikbranche<br />
wertvolle Dienste leisten kann.<br />
Self Designing als Schlüssel zu Freiheit<br />
Der Werte-Index 2012 zeigt, dass die Menschen in Zukunft<br />
noch stärker als bisher versuchen werden, die<br />
Gestaltung ihres Aussehens selbst in die Hand zu nehmen.<br />
Das Self Designing ist der Schlüssel zu Freiheit,<br />
Gemeinschaftsgefühl und Gesundheit und wird zunehmend<br />
sportlich angegangen. Wir wünschen uns, von<br />
den Herstellern als Individuen ernst genommen zu werden<br />
– wenn wir uns im Beiersdorf Flagshipstore eine<br />
Analyse unserer Haut erstellen lassen oder von Rituals<br />
nach unseren Kosmetikvorlieben via Facebook oder<br />
Twitter gefragt werden. Und wir möchten darauf vertrauen<br />
können, dass die Produkte, die wir so nah an<br />
unser Gesicht, an Haut und Haar heranlassen, auch<br />
wirklich das halten, was sie versprechen.<br />
Prof. Peter Wippermann<br />
Peter Wippermann ist<br />
Gründer des Hamburger<br />
Trendbüros, ein Beratungsunternehmen<br />
für gesellschaftlichen<br />
Wandel.<br />
Seit 1993 ist er als Professor<br />
für Kommunikationsdesign<br />
an der Folkwang<br />
Universität der Künste<br />
tätig.<br />
Foto: iStock Photo
6oJahre<br />
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60 JAHRE <strong>VKE</strong> ZIELGRUPPENTRENDS MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
24<br />
Zielgruppentrends<br />
im Kosmetikmarkt<br />
In jüngerer Zeit haben sich vor allem die mittel- und höherpreisigen<br />
Segmente im Kosmetikmarkt dynamisch entwickelt. Veränderte<br />
Verbrauchergewohnheiten, aber auch soziodemografische<br />
Verschiebungen sind die Treiber des Wandels.<br />
IN DER GESAMTEN BEVÖLKERUNG ist der Wunsch nach einem<br />
gepflegten Äußeren in den vergangenen Jahren deutlich<br />
gewachsen. Dennoch ist der Kosmetikmarkt vor allem<br />
ein Frauenmarkt. Für die Damen spielen pflegende und<br />
dekorative Kosmetik sowie Düfte eine zentrale Rolle.<br />
Befragt nach 54 Themeninteressen, die den Bogen<br />
von Politik und Wirtschaft über Urlaub und Finanzen<br />
bis hin zu konkreten Produktmärkten spannen, nennen<br />
Frauen seit Jahren »Hautpflege, Körperpflege« als<br />
wichtigstes Thema. Knapp die Hälfte interessiert sich<br />
dabei in besonderem Maße für Themen und Produkte<br />
der pflegenden Kosmetik. Der Kreis der insgesamt Interessierten<br />
umfasst mehr als 90 Prozent.<br />
Auch die Themen Haarpflege und Frisuren, Make-up<br />
sowie Parfum/Düfte belegen Plätze im ersten Drittel<br />
des weiblichen Interessenspektrums. In der Altersgruppe<br />
der unter 30-jährigen Frauen ist dies noch deutlich<br />
stärker akzentuiert. Pflegende Kosmetik, Haarpflege<br />
und dekorative Kosmetik belegen die ersten drei Plätze.<br />
Das sind Ergebnisse der jährlich durchgeführten Allensbacher<br />
Markt- und Werbeträgeranalyse, die auch<br />
den Kosmetikmarkt untersucht.<br />
Männer: Interesse an Kosmetikthemen steigt<br />
In der männlichen Bevölkerung genießen Kosmetikthemen<br />
diese hohe Aufmerksamkeit nicht. Dennoch<br />
bietet gerade das Herrensegment den Herstellern und<br />
Distributeuren ein bedeutendes Entwicklungspotenzial.<br />
Seit Jahren wächst der Anteil vor allem junger<br />
Männer, die auf Styling und gepflegtes Aussehen<br />
Wert legen. Bei den unter 30-Jährigen ist ihr Anteil<br />
seit 1990 von 43 Prozent auf 56 Prozent gestiegen.<br />
Parallel hierzu ist das Interesse für Kosmetikthemen<br />
spürbar gewachsen. Inzwischen sind gut 70 Prozent<br />
der jungen Männer am Thema Haut- und Körperpflege<br />
interessiert und gut 62 Prozent am Thema Haarpflege/Frisuren<br />
(Grafik 1). Der engere Kreis der in besonderem<br />
Maße Interessierten ist in den vergangenen<br />
Jahren ebenfalls deutlich gewachsen, ist mit 22 beziehungsweise<br />
19 Prozent aber deutlich kleiner.<br />
In vielen Produktgruppen ist die Anzahl der jüngeren<br />
männlichen Verwender heute erheblich größer als vor<br />
20 Jahren. So benutzt heute jeder Zweite Haargel oder<br />
andere Produkte für das Haarstyling, 1990 waren es<br />
erst 17 Prozent. Spezielle Herrendüfte werden heute<br />
von 46 Prozent der jungen Männer getragen, 1990<br />
nur von 28 Prozent. 40 Prozent der Männer lassen<br />
sich dabei bei der Auswahl von Kosmetika und Düften<br />
beraten, 60 Prozent entscheiden darüber ganz allein.<br />
Frauen entscheiden in diesem Produktfeld häufiger<br />
autonom als Männer (zu 86 Prozent).<br />
In den vergangenen Jahren ist der Kreis der Verwenderinnen<br />
von Make-up weiter gestiegen. Nach den Photo<br />
jüngsten Erhebungen haben 48 Prozent der weiblichen<br />
iStock<br />
Bevölkerung zwischen 14 und 69 Jahren in den vergangenen<br />
sieben Tagen Produkte für ein Gesichts-Ma- Fotos:
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
GRAFIK 1: JUNGE MÄNNER LEGEN WERT AUF IHR STYLING<br />
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ke-up verwendet. 2005 lag der Anteil der Verwenderinnen<br />
bei 43 Prozent. Beim Augen-Make-up hat sich<br />
der Kreis der Verwenderinnen im gleichen Zeitraum<br />
von 46 Prozent auf 52 Prozent vergrößert.<br />
Auch die Verwendung von Damendüften ist weiter gestiegen<br />
– auf 66 Prozent. Hier lag die Hauptphase des<br />
Wachstums allerdings in der zweiten Hälfte der 1990er.<br />
Zwischen 1995 und 2000 erweiterte sich der Kreis der<br />
Verwenderinnen von Eau de Toilette oder Eau de Parfum<br />
von 45 auf 65 Prozent der Frauen bis 69 Jahre.<br />
Vor allem bei den unter 30-Jährigen liegen Produkte<br />
zur Haarentfernung im Trend. 45 Prozent der Frauen<br />
in dieser Altersgruppe benutzen Produkte für die Rasur<br />
TABELLE 1: FRAUEN NUTZEN ZEITSCHRIFTEN<br />
Reichweite<br />
in Prozent<br />
Affinitätsindex<br />
Gesamt 100,0 100<br />
Monatliche Frauenzeitschriften (Affinitätsindex > 150)<br />
Jolie 5,3 191<br />
Glamour 9,2 191<br />
InStyle 8,4 190<br />
Joy 5,2 186<br />
Myself 2,6 183<br />
Elle 6,2 169<br />
Vogue 7,5 169<br />
Shape 1,6 167<br />
Cosmopolitan 9,1 164<br />
Madame 2,7 164<br />
Laviva 2,6 164<br />
Maxi 4,7 154<br />
Basis: Bundesrepublik Deutschland, deutsche Bevölkerung, kosmetikinteressierte<br />
Frauen 14 bis 69 Jahre ( 8,37 Mio.)<br />
Quelle: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse, AWA 2011<br />
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von Beinen oder Achseln oder Cremes zur Entfernung<br />
der Haare. Vor zehn Jahren waren es erst 24 Prozent.<br />
Im vergangenen Jahrzehnt ist die Verwendung von<br />
Anti-Aging-Produkten kontinuierlich gestiegen. Heute<br />
nutzt nahezu ein Fünftel der Frauen bis 69 Jahre Antifaltencremes,<br />
mit denen die Alterung der Haut hinausgezögert<br />
werden soll. Vor allem Frauen ab 35 greifen<br />
zu Anti-Aging-Produkten. Am höchsten ist die Verwenderrate<br />
in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen,<br />
ohne aber in den anschließenden Altersgruppen<br />
abrupt abzufallen. Angesichts der zunehmenden Alterung<br />
der Gesellschaft wird dieses Produktsegment in<br />
Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.<br />
Kosmetikinteressierte Frauen sind printorientiert und lesen ein breites Spektrum von Zeitungen und Zeitschriften.<br />
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ZIELGRUPPENTRENDS<br />
Vor allem junge Männer legen zunehmend<br />
Wert auf ihr Aussehen.<br />
Bei den unter 30-Jährigen ist ihr Anteil<br />
seit 1990 von 43 Prozent auf 56<br />
Prozent gestiegen. Zudem sind gut<br />
70 Prozent der jungen Männer am<br />
Thema Haut- und Körperpflege interessiert<br />
und gut 62 Prozent am Thema<br />
Haarpflege/Frisuren.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
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60 JAHRE <strong>VKE</strong> ZIELGRUPPENTRENDS MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
26<br />
GRAFIK 2: FRAUEN VERWENDEN LÄNGER MAKE-UP<br />
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Einen großen Teil ihrer Dynamik beziehen die Kosmetikmärkte<br />
aus einer deutlichen Verschiebung der<br />
Altersschwellen für die Verwendung von dekorativer<br />
Kosmetik und eingeschränkt auch von pflegender<br />
Kosmetik. In der Vergangenheit lagen die Absatzpotenziale<br />
vor allem bei jüngeren Zielgruppen. In einer<br />
alternden Gesellschaft wäre dies automatisch mit<br />
Absatzverlusten verbunden, wenn es nicht durch steigende<br />
Absatzchancen in den höheren Altersgruppen<br />
kompensiert oder gar überkompensiert würde.<br />
Auch Ältere setzen auf Make-up<br />
Beispiel Augen-Make-up: Heute wie vor 30 Jahren ist<br />
die Verwenderrate in den jüngsten Altersgruppen am<br />
höchsten (Grafik 2). Während die Verwenderrate aber<br />
1980 schon in der Altersgruppe der 35- bis 39-jährigen<br />
Frauen deutlich zurückging, liegt sie heute bis zur Altersgruppe<br />
der 60- bis 64-Jährigen auf recht hohem Niveau<br />
und bricht erst bei den 65- bis 69-Jährigen scharf<br />
ein. Seit 1980 hat sich diese Altersschwelle um etwa<br />
30 Jahre nach oben verschoben. Der Kosmetikmarkt<br />
profitiert von einer mentalen Verjüngung der höheren<br />
Altersgruppen unserer Gesellschaft.<br />
Dass heute Frauen aller Altersgruppen regelmäßig<br />
Make-up und andere Kosmetikprodukte verwenden,<br />
führt zu einer stärker nach Preis und Qualität differenzierten<br />
Nachfrage. Gerade in den oberen sozialen<br />
Schichten nehmen viele Frauen erhebliche Unterschiede<br />
in der Qualität von Kosmetikprodukten wahr.<br />
Die Allensbacher Studie ‚Top Level – Freude am Luxus’<br />
belegt zudem, dass sich viele Damen für Neuheiten<br />
bei Kosmetika und Düften interessieren und<br />
eher als in anderen Produktbereichen bereit sind, für<br />
gute Qualität auch einiges auszugeben. Viele hochpreisige<br />
Marken konnten deshalb ihre Bekanntheit und ihre<br />
Verwendung erheblich steigern – gerade in der Zielgruppe<br />
der Frauen mit höherem Einkommen und mit<br />
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Vor allem jüngere Frauen nutzen<br />
Make-up. Während die Verwenderrate<br />
aber 1980 schon in der Altersgruppe<br />
der 35- bis 39-jährigen<br />
Frauen deutlich zurückging, liegt<br />
sie heute bis zur Altersgruppe der<br />
60- bis 64-Jährigen auf recht hohem<br />
Niveau und bricht erst bei den 65-<br />
bis 69-Jährigen scharf ein.<br />
hoher Ausgabebereitschaft für Kosmetik und Düfte.<br />
Die überwiegende Mehrheit der kosmetikinteressierten<br />
Frauen sind regelmäßige Nutzerinnen des Internets.<br />
Ganz selbstverständlich informieren sie sich<br />
dort über Produkte, lesen Testberichte, besuchen Seiten<br />
von Produzenten und nutzen Preisvergleichsmöglichkeiten.<br />
Sie tauschen sich überdurchschnittlich häufig<br />
in sozialen Netzwerken aus und informieren sich in<br />
Blogs. Mehr als zwei Drittel kaufen online ein, viele<br />
mit überdurchschnittlicher Kauffrequenz. Gleichzeitig<br />
ist die überwiegende Mehrheit der kosmetikinteressierten<br />
Frauen auch printorientiert: Sie lesen ein breites<br />
Spektrum von Zeitungen und Zeitschriften. Besonders<br />
nahe stehen ihnen Titel wie �������, �������, ����,<br />
����� oder ������������ (Tabelle 1).<br />
Dr. Johannes Schneller<br />
Dr. Johannes Schneller ist<br />
seit 1993 Leiter der Mediaforschung<br />
beim Institut<br />
für Demoskopie Allensbach<br />
und verantwortet u.a. die<br />
Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse<br />
AWA und die<br />
Allensbacher Computer- und<br />
Technik-Analyse ACTA.
VERFÜHREN<br />
IST EINE<br />
KUNST Madame,<br />
L´Officiel Hommes,<br />
Jolie, Petra und Für Sie<br />
gratulieren zu 60 Jahren <strong>VKE</strong>.<br />
www.bm-brandmedia.de
60 JAHRE <strong>VKE</strong> MEHRWERT MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
28<br />
Mehr-Wert schaffen<br />
Um auch künftig mehr Umsatz zu generieren, können die Hersteller<br />
von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten nicht mehr<br />
allein auf Mengenwachstum bauen. Es muss gelingen, den Verbraucher<br />
den Mehrwert der Produkte zu vermitteln.<br />
BANKEN- UND EURO-SCHULDENKRISE, internationale Spannungen<br />
und Kriege – all das beunruhigt den Verbraucher,<br />
lässt ihn aber in seinem persönlichen Umfeld<br />
nicht in eine Phase des Konsumverzichts fallen.<br />
Ganz im Gegenteil: Während der Wachstumstreiber<br />
in Deutschland jahrelang ausschließlich der Export<br />
war und die Deutschen energisch zu mehr Inlandskonsum<br />
gemahnt werden mussten, scheinen sie jetzt<br />
wach geworden zu sein. Der Geschäftsklimaindikator<br />
im Einzelhandel (Ifo Konjunkturtest März 2012) verzeichnet<br />
einen starken Anstieg. Die Einzelhändler berichten<br />
von einer deutlich verbesserten Geschäftssituation<br />
und sind auch hinsichtlich der Entwicklung in den<br />
kommenden Monaten sehr zuversichtlich (Chart 1).<br />
Umsatzsteigerungen durch Mengenwachstum<br />
Dies spiegelt sich auch in den Umsatzentwicklungen<br />
des Jahres 2011 wider: Die Abverkäufe wurden in den<br />
meisten Warenkörben wertiger. Mengenwachstum<br />
gab es nur noch in wenigen Bereichen – die Umsatzsteigerungen<br />
wurden durch höhere Preise beziehungsweise<br />
höherwertige Produkte erzielt. Die Verbraucher<br />
gaben ihr Geld gezielter aus und schauten auf Qualität.<br />
Grund waren im Bereich der Nahrungsmittel insbesondere<br />
die Lebensmittelskandale, aber auch gestiegenen<br />
Rohstoffpreisen, die zumindest teilweise an die<br />
Verbraucher weiter gereicht wurden.<br />
Der Warenkorb der Körperpflege/Kosmetik weist dahingegen<br />
auf den ersten Blick ein anderes Bild auf:<br />
Foto: fotolia
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
KÖRBERPFLEGE UND KOSMETIK ÜBERWIEGEND IM PLUS<br />
Körperpflege/Kosmetik: Umsatzverteilung nach Einkaufsstätten: Jahr 2010/2011<br />
Körperpflege/Kosmetik total 8,62 Mrd €; +1,1% VÄ vs Vorjahr in %<br />
Parf/KWH;<br />
22,2<br />
sonstige;<br />
9,6<br />
Discounter;<br />
8,7<br />
DM; 43,7<br />
VM; 15,9<br />
Discounter<br />
Verbrauchermärkte<br />
Drogeriemärkte<br />
Parfümerie/KWHs<br />
sonstige<br />
Quelle: SymphonyIRI Group - InfoScan Retailer; LEH>200m² + Drogeriemärkte inkl. Aldi, Parfümerien, KWHs, Apotheke*<br />
(*Apotheke für ausgewählte Kategorien) Januar – Dez 2011 vs. VJ<br />
Relativ geringe Umsatzzuwächse wurden durch Mengenwachstum<br />
erzielt, die Preise waren sogar leicht<br />
rückläufig (Chart 2). In diesen Zahlen stecken zwei<br />
sehr unterschiedliche Trends, die eng mit der Entwicklung<br />
einzelner Handelsschienen verbunden sind.<br />
Mit Ausnahme der deutlich rückläufigen Discounter<br />
und des kleinflächigen LEH gelang es in allen Kanälen,<br />
die Umsätze für Körperpflege/Kosmetik auszuweiten.<br />
Während die Drogeriemärkte sich weiterhin<br />
im scharfen Wettbewerb untereinander befanden, waren<br />
es die Verbrauchermärkte, die stärker in die Optik<br />
des Konsumenten gelangten. Höherwertige Ladenkonzepte<br />
und stärkere Konzentration auf diese<br />
Warenbereiche zeigten Erfolg. Gerade Rewe und Edeka<br />
sind in diesen Sortimentsbereichen stark vertreten<br />
und setzen ihre Politik auch 2012 ungebrochen fort:<br />
Eine komplette Handzettelseite nur mit Kosmetik- und<br />
Körperpflegeangeboten bei Rewe wie im Januar – ein<br />
Anblick, den man so viele Jahre nicht kannte. Im eher<br />
höherpreisig geprägten Umfeld der Parfümerien sowie<br />
ABVERKÄUFE WERDEN IN DEN WARENKÖRBEN WERTIGER<br />
FMCG, Entwicklung Abverkäufe in Wert und Stück, Preise 2010/2011<br />
FMCG Total<br />
Getränke<br />
Nahrungsmittel incl. Baby<br />
Gelbe und weiße Linien<br />
Süße und salzige Snacks<br />
Körperpflege inkl. Baypflege<br />
TK-Kost<br />
WPR<br />
Tiernahrung und -hygiene<br />
Papierwaren inkl. Frauenhygiene<br />
und Windeln<br />
restliche<br />
2,2<br />
3,9<br />
2,7<br />
5,1<br />
-0,3<br />
1,1<br />
1,1<br />
1,0<br />
-0,4<br />
-0,9<br />
0,5<br />
-2,9<br />
-1,0<br />
-1,3<br />
-2,0<br />
-2,3<br />
-2,3<br />
-0,4<br />
0,0<br />
0,7<br />
-6,3<br />
Veränderung Umsätze in % Veränderung Stückverkäufe in % Veränderung Preise in %<br />
Quelle: SymphonyIRI Group - InfoScan Retailer; LEH>200m² + Drogeriemärkte inkl. Aldi, C&C, Parfümerien, KWH; Getränkemärkte<br />
2,0<br />
-4,0<br />
15,4<br />
2,2<br />
1,7<br />
2,0<br />
Die meisten Einkaufsstätten konnten<br />
2011 ihre Umsätze mit Kosmetik-<br />
und Körperpflegeprodukten<br />
steigern. Verluste verbuchten allerdings<br />
die Discounter und der<br />
kleinflächige LEH.<br />
der Kauf- und Warenhäuser wurde mit einem Umsatzplus<br />
von zwei Prozent im zweiten Jahr hintereinander<br />
ein gutes Ergebnis erzielt. Konzentriert man sich<br />
auf die drei Kernbereiche – Düfte, dekorative Kosmetik<br />
und Gesichtspflege – war es sogar ein Plus von<br />
drei Prozent. Besonders hervorzuheben ist das positive<br />
Ergebnis bei den Karstadt, Kaufhof und Co. (Chart<br />
3). Endlich ein kleiner Hoffnungsschimmer nach den<br />
vergangenen Jahren kontinuierlichen Abwärtstrends.<br />
Der Hauch von nicht vergänglichem Luxus<br />
In diesem selektiven Umfeld gibt es mehrere Wachstumstreiber:<br />
Bei den Düften finden höherwertige und<br />
höherpreisige Neuheiten das Interesse des Kunden.<br />
Gleichzeitig erinnern sich einige Firmen verstärkt an<br />
ihre Kernkompetenzen und stellen die prestigehaltigen<br />
Fashionnamen wieder stärker in den Vordergrund.<br />
Klassiker wie Chanel und Dior verzeichnen hohe Zuwachsraten.<br />
Sie vermitteln dem Verbraucher gerade<br />
in unsicheren Zeiten einen Hauch von nicht vergäng-<br />
-12,9<br />
-0,9<br />
-1,5<br />
1,6<br />
3,3<br />
1,0<br />
1,9<br />
4,3<br />
3,5<br />
5,7<br />
6,5<br />
MEHRWERT<br />
Mengenwachstum gab es nur noch<br />
in wenigen Bereichen – die Umsatzsteigerungen<br />
wurden durch höhere<br />
Preise beziehungsweise höherwertige<br />
Produkte erzielt. Die Verbraucher<br />
gaben ihr Geld gezielter aus<br />
und schauten auf Qualität.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
29
60 JAHRE <strong>VKE</strong> MEHRWERT MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
30<br />
DÜFTE LASSEN DIE UMSÄTZE STEIGEN<br />
DÜFTE<br />
DEKORATIVE KOSMETIK<br />
GESICHTSPFLEGE<br />
Tsd.€<br />
Parfümerien<br />
KWH<br />
2010 2011 2010 2011<br />
VAE %<br />
+5<br />
61% 61% 61% 63%<br />
+4<br />
19% 19% 22% 21%<br />
-3<br />
20% 19% 17% 16%<br />
1.918.307 1.980.894 +3 370.204 380.274<br />
lichem Luxus – für den er dann auch bereit ist, hohe<br />
Preisniveaus zu akzeptieren.<br />
Die dekorative Kosmetik schafft es mittlerweile in Serie,<br />
Jahr für Jahr ihre Umsätze zu erhöhen. 2011 waren<br />
es vor allem Mascara und Nagellacke, die für Wachstum<br />
sorgten. Gerade bei den Nagellacken aber zeigt<br />
sich, wie schnelllebig die Mode ist: Während ähnlich<br />
wie bei den Düften die großen Designermarken<br />
Farbtrends vorgeben und es teilweise schaffen, durch<br />
Verknappung des Angebots regelrechte Hypes auszulösen,<br />
sind die Verfolger im preiswerten Einstiegsbereich<br />
mittlerweile fast zeitgleich mit ähnlichen Angeboten<br />
für den kleineren Geldbeutel anzutreffen. Beide<br />
Angebotsgruppen finden ihre Käufer. Allerdings ist es<br />
durchaus fraglich, ob sich die Parfümerie mit Nagellack-Angeboten<br />
für unter zwei Euro wirklich die Kunden<br />
heranzieht, die sie auf Dauer benötigen.<br />
Bleibt zuletzt noch der Blick auf die Gesichtspflege, das<br />
Sorgenkind des Jahres 2011 in allen Kanälen. Ob preiswert<br />
oder hohes Preisniveau, ob Apotheke oder Drogeriemarkt:<br />
Die Kundin cremt weniger. Liegt es an fehlenden<br />
neuen Angeboten? Die Neuheitenpalette war im<br />
vergangenen Jahr sehr übersichtlich, es wurde von Industrie<br />
und Handel wenig investiert. Oder mag es die<br />
Konsumentin lieber natürlich? Auch das ist ein Trend,<br />
der sich verstärkt hat. Insgesamt sieht es so aus, als<br />
hätte die Verbraucherin 2011 lieber ihre Restbestände<br />
verbraucht. Ein guter Punkt, um sie in diesem Jahr<br />
dort abzuholen und für neue Angebote zu gewinnen.<br />
Suche nach Sicherheit und Konsistenz<br />
Zusammenfassend kann man sagen: 2011 war für<br />
die Körperpflege/Kosmetik ein gutes Jahr. Aber was<br />
bringt die Zukunft? Das Stichwort Mehr-Wert zeigt<br />
den Weg: Gerade in der längerfristigen Betrachtung<br />
wird es zwangsläufig weniger Mengenkonsum geben.<br />
Umsatzwachstum durch höhere Preise ist auf Dauer<br />
nur machbar, wenn dem Verbraucher glaubhaft der<br />
VAE %<br />
+6<br />
-4<br />
+1<br />
3<br />
Konzentriert man sich auf die<br />
drei Kernbereiche Düfte, dekorative<br />
Kosmetik und Gesichtspflege,<br />
konnten Parfümerien sowie<br />
der Kauf- und Warenhäuser 2011<br />
ein Plus von drei Prozent erzielen.<br />
Mehr-Wert vermittelt wird. Gerade ein Konsument,<br />
der in anderen Lebensbereichen dauerhaft mit Wechsel<br />
und Unwegsamkeiten leben muss, sucht in seinem<br />
Konsumportfolio nach Sicherheit und Konsistenz über<br />
die Jahre. Eine kontinuierliche Markenpolitik, überzeugend<br />
kommuniziert, wird immer wichtiger.<br />
Hier spielt auch die Entwicklung der Alterspyramide<br />
eine große Rolle: Ältere Konsumenten verfügen über<br />
die Möglichkeiten, ihr Portfolio in der Kosmetik wertiger<br />
zu gestalten. Allerdings haben sie auch die notwendige<br />
Erfahrung, um Markenstrategien verstehen<br />
oder auch entlarven zu können. Die Pflege des Konsumenten<br />
– basierend auf dem Wissen um seine Wünsche<br />
– wird damit immer entscheidender.<br />
Sofern es Industrie und Handel schaffen, diese Punkte<br />
verstärkt und überzeugend aufzugreifen, dürfte die<br />
künftige Entwicklung der Körperpflege/Kosmetik in<br />
Deutschland weiterhin von einem Abwärtstrend verschont<br />
bleiben.<br />
Sabine Hefter<br />
Sabine Hefter ist Director<br />
Premium Cosmetics bei der<br />
SymphonyIRI Group. Seit<br />
1990 war sie federführend<br />
am Aufbau des selektiven<br />
Kosmetikpanels in Deutschland<br />
beteiligt und leitet diesen<br />
Themenbereich seit 1996 in<br />
eigener Verantwortung. Zuvor<br />
war sie in der Pharma-Industrie<br />
und bei der GfK tätig.
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60 JAHRE <strong>VKE</strong> SELEKTIVVERTRIEB MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
32<br />
Woher und wohin?<br />
Die Depotkosmetik hat stürmische Zeiten erlebt und ein sich<br />
ständig änderndes rechtliches Umfeld. Als eine der wenigen<br />
Branchen ist sie vom Selektivvertrieb geprägt. Ob das so bleibt, ist<br />
offen. Noch passen die kartellrechtlichen Rahmendaten nicht.<br />
IN DEUTSCHLAND RUHTE DER SELEKTIVVERTRIEB für Jahrzehnte<br />
auf zwei Säulen: einerseits dem Verbot der Ungleichbehandlung<br />
und andererseits der Freiheit der Hersteller<br />
zur Ausgestaltung ihres Absatzsystems nach eigenem<br />
Gutdünken. Für Markenartikel spielte der Selektivvertrieb<br />
dabei insbesondere als Mittel zur Abwehr<br />
des (imageschädlichen) Versandhandels eine wichtige<br />
Rolle. Auf Ebene der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />
(EWG) galt ebenfalls das Diskriminierungsverbot.<br />
Hier drohte allerdings das allgemeine<br />
Kartellverbot, von dem der Europäische Gerichtshof<br />
(EuGH) nur für »bedürftige Produkte« eine Ausnahme<br />
machen wollte. Zudem mußten Vertriebsbindungsverträge<br />
bei der Kommission zur Freistellung vom Kartellverbot<br />
angemeldet werden.<br />
Aura von Luxus: Düfte ebnen den Weg<br />
1992 brachten die Freistellungen der Kommission für<br />
Givenchy und Yves Saint Laurent (YSL) einen Durchbruch<br />
für die Branche, denn damit war die Zulässigkeit<br />
des Selektivvertriebs für Luxusparfums erstmals<br />
auf europäischer Ebene geklärt. Das verlor jedoch<br />
an Bedeutung, nachdem ab Mitte der 1990er-Jahre<br />
die Kommission den Selektivvertrieb für eine geplante<br />
Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) branchenunabhängig<br />
in den Blick nahm. Diese Verordnung<br />
2790/99 trat zur Jahrtausendwende in Kraft.<br />
Bereits zuvor waren die Verträge von Givenchy und YSL<br />
auf dem Prüfstand des EuGH, der mit einer Entscheidung<br />
vom Dezember 1996 beiden Unternehmen das<br />
Recht zur Lieferverweigerung gegenüber dem französischen<br />
Einzelhandelsriesen Leclerc zugesprochen hatte.<br />
Das Gericht bestätigte den Unternehmen eine Notwendigkeit<br />
zur Pflege und Aufrechterhaltung der »Aura von<br />
Luxus« als Besonderheit der Depotkosmetik.<br />
Die novellierte Gruppenfreistellungsverordnung Nr.<br />
330/10 vom 20. April 2010 schreibt die Vorgaben der<br />
ersten Verordnung fort. Sie bringt aber mit der nunmehr<br />
auch für den Handel geltenden Marktanteils-<br />
schwelle von 30 Prozent die Depotkosmetik vor allem<br />
hierzulande in Probleme. Denn der größte deutsche<br />
Händler überschreitet diese Schwelle, weshalb sich jeder<br />
Hersteller fragen muss, ob er ihn auch ohne den<br />
Schirm der Gruppenfreistellung weiter beliefert.<br />
Online-Handel: Gefahr für das Besondere<br />
Im Vorgriff auf die neue GVO hatte sich die Branche<br />
vehement einem Zwang zur Online-Zulassung wiedersetzt,<br />
denn die durch den EuGH geadelte »Aura<br />
von Luxus« war nach allgemeiner Ansicht im Internet<br />
existentiell bedroht. Am Ende konnte man sich<br />
schließlich mit der Kommission auf das Leitbild des<br />
Internet-Handels als »virtuelles Schaufenster« des<br />
physischen Ladengeschäfts verständigen.<br />
Wie wichtig das war, zeigte sich anläßlich der Belieferungsklage<br />
von Beautynet gegen Lancaster, die mit<br />
der BGH-Entscheidung »Depotkosmetik im Internet«<br />
vom November 2003 abgewiesen wurde. Der Bundesgerichtshof<br />
stellte dabei vor allem auf die Nähe des Internethandels<br />
zum Versandhandel als Rechtfertigung<br />
für die Zurückweisung des reinen Online-Handels ab.<br />
Lancaster hatte den Internetshop nicht mit Kosmetika<br />
beliefern wollen, weil das Web nicht den Grundsätzen<br />
selektiver Vertriebssysteme entspräche und somit nicht<br />
die »Aura des Luxus« gewährleiste.<br />
Die Kommission hatte sich bereits in den Leitlinien<br />
zur ersten GVO des Jahres 1999 bezüglich des Online-Handels<br />
an ihren Kriterien für zulässige und unzulässige<br />
Gebietsaufteilungen nach aktiven und passiven<br />
Verkäufen orientiert. Entsprechend definierte sie<br />
den Internet-Handel als passiven Verkauf. Damit wird<br />
es unmöglich, den Vertrieb über diesen Kanal zu verbieten.<br />
In den Leitlinien des Jahres 2011 wurden die<br />
Daumenschrauben zur erzwungenen Öffnung des Online-Vertriebs<br />
nochmals angezogen. Denn die bis dahin<br />
üblichen Klauseln zur mengenmäßigen Beschränkung<br />
des Online-Vertriebs zugunsten des Offline-Vertriebs<br />
wurden kategorisch als unzulässig erklärt.
Foto: fotolia<br />
Die Kosmetikbranche sieht<br />
die »Aura des Luxus« im<br />
Web bedroht.<br />
Damit können die Absatzwege<br />
heute nicht mehr nach eigenem<br />
Gutdünken ausgestaltet<br />
werden. Die Branche muss<br />
ihren Depositären den Internethandel<br />
freigeben. Sie hat jedoch<br />
die Möglichkeit zur Steuerung des<br />
Erscheinungsbildes und der Geschäftsabwicklung<br />
über gesonderte Internetkriterien in<br />
ihren Depotverträgen. Schon dieser Zwang ist abzulehnen.<br />
Zudem zeigen bereits einige Depositäre eine klare<br />
Tendenz, sich mit ihrem Online-Shop möglichst vom<br />
physischen Ladengeschäft (auch namensmäßig) abzusetzen,<br />
um dort eine reine Discounter-Vermarktungsstrategie<br />
zu verfolgen. Stand das Jahr 1996 noch ganz ist Zeichen<br />
von »AoL« (Aura of Luxury), so gibt 2012 Search<br />
Engine Optimizing (SEO) den Takt vor.<br />
Problematischer Markenschutz im Internet<br />
Vom markenrechtlichen Ausgangspunkt her sind fast<br />
alle Marken der Depotkosmetik »bekannte Marken«,<br />
die für sich einen erweiterten Schutz beanspruchen<br />
können. Von Dritten werden sie im Internet als Anker<br />
oder Navigationshilfen benutzt, um auf eigene<br />
Geschäftsangebote aufmerksam zu machen. Das beeinflusst<br />
die Hoheit des Markeninhabers über die<br />
Marke als Kommunikationsmittel. In diesem Zusammenhang<br />
geht es auch um die Reichweite des Schutzes<br />
gegen Bekanntheits- und Rufausbeutung bei der<br />
Markenverwendung auf unautorisierten Seiten – insbesondere<br />
im Rahmen der Suchwortwerbung. Zudem<br />
gewinnen Facebook und Co. an Bedeutung und erfordern<br />
von den Herstellern eine neue Politik.<br />
Zukünftig wird die Branche der Markendarstellung<br />
und Markenbenutzung ihrer Depositäre im Internet<br />
noch größere Aufmerksamkeit widmen müssen. Die<br />
Auseinandersetzungen über die Affiliate-Werbung und<br />
sonstige Aktivitäten zur Suchmaschinenoptimierung<br />
sind durch Anfragen aus Handelskreisen ins Rollen<br />
SELEKTIVVERTRIEB<br />
gebracht, aber längst noch nicht zu einem Abschluß<br />
gebracht worden. Es geht hierbei um Instrumente der<br />
Kundenerfassung und Kundensteuerung, die allesamt<br />
datenschutzrechtlich problematisch sind und es geht<br />
insbesondere um die gezielte Verlinkung von Inhalten<br />
autorisierter Seiten auf die Webseiten Dritter. Diese<br />
»Partnerschaften« mögen für den Online-Depositär<br />
nützlich sein, weil sie neuen Verkehr auf der eigenen<br />
Seite generieren. Allerdings geht damit genau<br />
das verloren, was der Selektivvertrieb bezweckt<br />
– die Herrschaft über das Erscheinungsbild<br />
des eigenen Markenauftritts<br />
auch am virtuellen Point of Sale.<br />
Bei Keyword-Werbung ist Google<br />
aufgrund der Entscheidung »Google<br />
France« des EuGH vom März 2010<br />
zwar zunächst aus der Schusslinie. Die<br />
Folgeentscheidungen »Ice.de«, »Bergspechte«,<br />
»Portakabin« und »Interflora« markieren jedoch eine<br />
Entwicklung zu erhöhten Anforderungen an die Werbenden<br />
und damit neue Gestaltungsformen von Markenrechtsverletzungen.<br />
Graumarkt: Kein unmittelbarer Rechtschutz<br />
Anfang der 1990er war hierzulande aufgrund der BGH-<br />
Entscheidung »Schweizer Loch« der Rechtsschutz gegen<br />
Außenseiter zusammengebrochen. Darunter versteht<br />
man nicht autorisierte Händler, die sich aus dem Graumarkt<br />
mit Ware versorgen. Bis dahin war der Außenseitervertrieb<br />
wettbewerbswidrig. Fortan galt auch das<br />
Dekodieren, das heißt die Entfernung oder Unkenntlichmachung<br />
von Kontrollnummern, nicht mehr als Wettbewerbsverstoß.<br />
Graumarktquoten im zweistelligen Prozentbereich<br />
waren danach keine Seltenheit mehr.<br />
Zehn Jahre später, im Juli 1999, konnte sich jedoch<br />
Lancaster nicht nur mit einem neuen Kodierungssystem<br />
auf der Grundlage der Chargennummer vor dem BGH<br />
durchsetzen. In der Entscheidung »Entfernung der Herstellungsnummer«<br />
nahm der BGH zugleich eine Richtungsänderung<br />
vor und bestimmte, dass es fortan auf<br />
die praktische Lückenlosigkeit nicht mehr ankomme.<br />
Anstelle dessen wurden die Kontrollinstrumente geschärft,<br />
mit denen die Vertriebsbinder ihr System überwachen<br />
sollten. Das zielte allerdings nicht mehr auf die<br />
Außenseiter, sondern auf die vertragsuntreuen Händler<br />
im System. Als Konsequenz dieser Entwicklung ist heute<br />
das früher erreichbare Verbot eines Außenseiterver-<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
33
60 JAHRE <strong>VKE</strong> SELEKTIVVERTRIEB MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
34<br />
triebs abgeschafft. Es ist durch einen Kontrollnummernschutz<br />
ersetzt, der eine Verpflichtung<br />
der Hersteller begründet, ihre Vertriebssysteme<br />
von innen her sauber zu halten.<br />
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass es zukünftig<br />
auch wieder zu einem unmittelbaren<br />
Rechtsschutz gegen Außenseiterangebote<br />
kommt, wenn sich die Grundsätze der »Dior/<br />
Copad«-Entscheidung des EuGH vom April<br />
2009 durchsetzen. Denn danach gehört die Sicherung<br />
einer angemessenen Luxusumgebung<br />
zum Qualitätssicherungssystem des Markeninhabers<br />
und ist damit markenrechtlich geschützt.<br />
Wer gegen vertragliche Vorgaben zur Sicherung<br />
der angemessenen Verkaufsumgebung verstößt<br />
und damit nachweislich das Markenimage beeinträchtigt,<br />
begeht nach dieser Entscheidung<br />
nicht nur selbst eine Markenrechtsverletzung, sondern<br />
er setzt zugleich die Ursache für ein markenrechtsverletzendes<br />
Verhalten seiner Abnehmer. Das ist neu und revolutionär,<br />
aber bislang auch reine Theorie.<br />
Ebay: Mühsames Miteinander<br />
Schon lange führt Ebay gegen die Kosmetikbranche einen<br />
versteckten Kampf, denn Ebay möchte auch Depositären<br />
der Luxuskosmetik den Betrieb eines Ebay-Shops<br />
ermöglichen. Das gipfelte 2009 in einer Grassroot-Campaign<br />
und dem an die EU-Kommission adressierten Papier<br />
»A Call for Action«, mit dem Ebay die Abschaffung<br />
des Selektivvertriebs als Handelshemmnis zwischen den<br />
Mitgliedsstaaten propagierte.<br />
Hierbei geht es Ebay auch um vorbeugenden Selbstschutz,<br />
denn obwohl sich abzeichnet, dass es einer<br />
der Haupthandelsplätze für Fälschungen und Nachahmungen<br />
ist, laufen die Hersteller bis heute mühsam<br />
den Einzelanbietern hinterher. Allerdings erging im Juni<br />
2011 auf eine von L’Oréal in England erhobene Klage<br />
hin ein richtungsweisendes Urteil des EuGH. Dabei qualifizierten<br />
die Richter nicht nur spezifisch Angebote von<br />
Parfumtestern oder Angebote von kosmetischen Produkten<br />
ohne Umverpackung als rechtswidrig. Vielmehr<br />
schufen sie erstmals auch die notwendigen Grundlagen<br />
für eine eigenverantwortliche Haftung des Plattformbetreibers.<br />
Danach ist er für rechtsverletzende Angebote<br />
auf seinem Portal (mit-)verantwortlich, wenn er die betroffene<br />
Marke selbst in der eigenen Suchwortwerbung<br />
für sich benutzt oder seinen Anbietern in sonstiger Weise<br />
aktive Verkaufsunterstützung zukommen lässt.<br />
Foto: fotolia<br />
Wohin geht die Reise? Zukünftig wird die Kosmetikbranche der<br />
Markendarstellung und Markenbenutzung ihrer Depositäre im Internet<br />
noch größere Aufmerksamkeit widmen müssen.<br />
Rufausnutzung durch Trittbrettfahrer<br />
Das Geschäft mit Duftnachahmungen wird professionell<br />
betrieben. Hersteller wie Bellure oder Kecofa<br />
haben ein breites Sortiment von »Markendüften«<br />
im Programm. Die dazu eingesetzten Duftvergleichslisten<br />
waren schon in den 1990er-Jahren von den deutschen<br />
Oberlandesgerichten einheitlich als unzulässige<br />
vergleichende Werbung oder als markenrechtsverletzende<br />
Rufausbeutung qualifiziert worden. Was aber<br />
die versteckteren Nachahmungsbotschaften anging, erlitten<br />
die der Markenhersteller gegen diese Trittbrett-<br />
Industrie mit der BGH-Entscheidung »Imitationswerbung«<br />
vom Dezember 2007 einen herben Rückschlag.<br />
»Icy Cold« sah »Cool Water« ähnlich, roch wie »Cool<br />
Water« und war angeblich doch nicht ausreichend klar<br />
als Imitationsprodukt zu erkennen. Sehr viel beherzter<br />
ging der Europäische Gerichtshof im Juni 2009 in der<br />
Entscheidung L’Oréal/Bellure das Thema an, indem er<br />
feststellte, dass der Hersteller Bellure sich mit seinen<br />
Nachahmungen von Lancôme-Düften in die Sogwirkung<br />
bekannter Marken begeben habe, um daraus unlauter<br />
für sich zu profitieren.<br />
Leider ist die Botschaft des EuGH in Deutschland immer<br />
noch nicht verstanden worden. Vor den hiesigen<br />
Gerichten bis hin zum BGH scheitern weiterhin auch<br />
klarste Fälle der Produktimitate und Rufausbeutung.<br />
Immerhin hatte der BGH kürzlich so weit ein Einsehen,<br />
dass er jetzt nicht nur den angeblich unwissenden<br />
Verbraucher berücksichtigt, der zum Beispiel in »Oracle«<br />
den bekannten Lancôme-Duft Miracle nicht erkennen<br />
soll, sondern auch die Händler derartiger Produkte,<br />
die natürlich ein ganz anderes Branchenwissen<br />
haben. Vielleicht klappt es ja damit.<br />
Testerhandel: Ungelöste Problematik<br />
Irgendwann wollten Coty Prestige und Ebay einmal ihre<br />
juristischen Positionen gerichtlich klären lassen. Sie<br />
verständigten sich auf Testerangebote beim Auktionshaus<br />
als den vermeintlich klarsten Fall einer Markenrechtsverletzung.<br />
Das ging gründlich daneben, denn<br />
sowohl das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg als<br />
auch der Bundesgerichtshof sahen die Markenrechte<br />
von Coty schon bei der Auslieferung an den Depositär<br />
erschöpft. Erst der Umweg über eine Vorlage des OLG<br />
Nürnberg brachte Abhilfe: Im Juni 2010 entschied der<br />
Europäische Gerichtshof im Verfahren »Coty/Simex«<br />
zu Recht, dass derjenige eine Markenrechtsverletzung<br />
begeht, der ein als unverkäuflich bezeichnetes Produkt,
»<br />
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
SELEKTIVVERTRIEB<br />
Die Hersteller müssen ihre Interessen<br />
artikulieren und die Eckpunkte des<br />
Selektivvertriebs verteidigen.<br />
35<br />
das dem Handel ausschließlich zu Werbezwecken überlassen<br />
wird, anbietet oder verkauft.<br />
Für die Zukunft wird sich daran mit Sicherheit nichts<br />
ändern. Allerdings geht die Problematik inzwischen<br />
deutlich weiter. Denn der Kosmetikbranche ist klar geworden,<br />
dass auch an sonstigen Werbemitteln wie Plakaten,<br />
Filmen, Fotos etc. Rechte Dritter existieren, deren<br />
Nutzung oft nur für eine gewisse Zeit gestattet ist.<br />
Die Hersteller müssen sich deshalb darauf einstellen, die<br />
Sachherrschaft und den Zugriff auf den einmal in den<br />
Handel gegebenen Werbemittel zu erhalten und sowohl<br />
die unkontrollierte Verbreitung im Internet als auch die<br />
Weiterbenutzung abgelaufener Rechte zu verhindern.<br />
Travel Retail: Sonderkonditionen gerechtfertigt<br />
Im Juni 1999 liefen die Ausnahmeregelungen zum steuerfreien<br />
Verkauf an Bord von Fähren, Flugzeugen und<br />
Flughäfen aus. Das bedeutete aber keineswegs das Ende<br />
für einen vom nationalen Binnenmarkt getrennten<br />
Absatzkanal. Duty Free existiert als Travel Retail weiter<br />
und wird weiterhin zu Sonderkonditionen beliefert,<br />
um die traditionell niedrigeren Preise zu halten. Den Depositären<br />
der nationalen Binnenmärkte ist das ein Dorn<br />
im Auge. Hier rechtfertigen jedoch die hohen Flächenkosten,<br />
die Lagerbedingungen und die besondere Nachfrage<br />
in den Absatzstätten sowohl die eingeschränkten<br />
Anforderungen an die Sortimentsführung als auch die<br />
günstigeren Konditionen. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot<br />
ist nicht zu befürchten.<br />
Die privilegierte Behandlung des Travel Retail-Geschäfts<br />
ist aber nur dann aufrecht zu erhalten, wenn sie den<br />
Charakteristika dieses Absatzkanals verpflichtet bleibt.<br />
Sowohl die Einrichtung von Border-Shops als auch die<br />
sich abzeichnende Aufnahme eines Internetvertriebes<br />
stehen damit nicht in Einklang. Hier sollte die Branche<br />
auf eine saubere Abgrenzung zwischen dem nationalen<br />
Selektivvertrieb und Travel Retail achten.<br />
Zwischen Datenschutz und Datennutzung<br />
Schon mit dem Engagement in sozialen Netzwerken und<br />
der eigenen Kundenkommunikation über Internet bewegen<br />
sich die Hersteller heute in einem Datenstrom und<br />
speichern dazu große Mengen persönlicher Daten. Bei<br />
der Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet stehen<br />
Auskünfte über die realen Namen der Anbieter mit<br />
an erster Stelle. Das setzt aber eine Vorratsdatenspeicherung<br />
der Internetunternehmen voraus, die bekanntermaßen<br />
rechtlich äußerst problematisch ist. In beiden<br />
Bereichen sind die Trennlinien zwischen Datennutzung<br />
und Datenschutz völlig ungeklärt. Möglicherweise liegt<br />
hier am Ende die Lösung in einer Trennung der Daten<br />
nach geschäftlichen und privaten Anbietern schon bei<br />
der Erfassung und Speicherung.<br />
Funktionentrennung von Herstellern und Handel?<br />
Die Grenzen zwischen Herstellern und Händlern verschmelzen<br />
zunehmend. So hat etwa LVMH Sephora gekauft<br />
und Douglas plant die Aufstockung des Umsatzanteils<br />
der Exklusiv- und Eigenmarken von bislang zehn<br />
auf zwanzig Prozent. Zudem rüsten immer mehr Hersteller<br />
ihre Websites auf E-Commerce um. Außerdem<br />
wächst die Kooperation zwischen Herstellern und Handel.<br />
Die Kosmetikproduzenten bieten unter anderem Exklusivlinien<br />
für einzelne Kunden an und Kooperationen<br />
im Marketing sind längst Alltag. Diesen Aktivitäten tragen<br />
die neuen Leitlinien zur Gruppenfreistellungsverordnung<br />
Rechnung, indem sie das Preisbindungsverbot<br />
für zeitlich begrenzte Werbeaktionen und für zeitlich<br />
begrenzte Markteinführungskampagnen lockern. Das<br />
Bundeskartellamt hat sich dem verweigert und 2011 mit<br />
einer »Handreichung« an Unternehmen des Lebensmittelhandels<br />
Kooperationen eine kategorische Absage erteilt.<br />
Das Amt geht weiterhin von einer strengen Funktionentrennung<br />
zwischen Herstellern und Handel aus.<br />
Das ist nicht mehr zeitgemäß und auch im Sinne des<br />
Wettbewerbs nicht förderlich.<br />
Für die Kosmetikbranche bleiben die Zeiten spannend.<br />
Nicht zuletzt der technische Forschritt und neue Urteile<br />
dazu sorgen dafür, dass der Markt sich verändert. Die<br />
Hersteller müssen ihre Interessen artikulieren und die<br />
Eckpunkte des Selektivvertriebs verteidigen. Das ist für<br />
ihr größtes Gut, die Marken, überlebensnotwendig. Das<br />
erhält den Verbrauchern eine echte Alternative zur reinen<br />
Bedarfsdeckung und sichert die Existenz eines Fachhandels,<br />
der diesen Namen verdient. Dr. Andreas Lubberger<br />
Rechtsanwalt Dr. Andreas<br />
Lubberger ist Mitbegründer<br />
der Berliner Sozietät Lubberger<br />
· Lehment. Zuvor war er unter<br />
anderem bei der Kanzlei Linklaters<br />
Oppenhoff & Rädler tätig.<br />
Er konzentriert sich auf die<br />
Bereiche Gewerblicher Rechtschutz<br />
und Selektivvertrieb.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong>
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KAUFPROZESS MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
36<br />
Die ungeschminkte<br />
Wahrheit über Kunden<br />
Konsumentinnen greifen aus unterschiedlichen Gründen zu<br />
Kosmetik und Parfum. Aber egal, welche Motivation den Kauf<br />
treibt: Das Internet wird als Informations- und Inspirationsquelle<br />
im Kaufprozess immer wichtiger.<br />
ONLINE VERÄNDERT VERHALTEN – und dies nachhaltig. Ob<br />
zur Information, Diskussion, Unterhaltung, ob zum<br />
Kaufen, Flirten, Arbeiten oder Spielen – das Internet<br />
gehört für breite Bevölkerungsschichten mittlerweile<br />
wie selbstverständlich zum täglichen Leben. Diese Veränderungsprozesse<br />
machen auch vor Marketing, Media<br />
und Handel nicht halt. Langjährig gelernte Entscheidungs-<br />
und Kaufprozesse werden auf den Kopf<br />
gestellt, Vertriebs-, Verkaufs- und Distributionsmechaniken<br />
greifen nicht mehr optimal. Handel und Markenführung<br />
müssen sich auf die neuen Begebenheiten<br />
einstellen und Strategien entwickeln, um Geschäftsmodelle,<br />
Vermarktungs- und Kommunikationskonzepte<br />
den neuen Rahmenbedingungen anzupassen.<br />
Diskussion über Kosmetik mit Fokusgruppen<br />
Wir haben uns die Frage gestellt, inwieweit dieser Wandel<br />
auch für die Produktbereiche Parfum und dekorative<br />
Kosmetik zutrifft. Wie stark haben sich durch<br />
Kauf- und Entscheidungsprozesse verändert? Wie müssen<br />
Media und Marketing auf diese Entwicklungen reagieren,<br />
um weiter erfolgreich zu sein? Um die Fragen<br />
beantworten zu können, war ein Forschungsszenario<br />
notwendig, das zum einen möglichst authentisch und<br />
lebensnah die Faszination von Parfum und Kosmetik<br />
auf Frauen in den Blick nimmt, zum anderen einen Einblick<br />
in Kauf- und Entscheidungsprozesse gewährleistet.<br />
Dafür boten sich qualitative Verfahren an, die im<br />
Rahmen der Studie zum Einsatz kamen. In einem ersten<br />
Schritt galt es, die Rolle und Funktion von Parfum<br />
und Kosmetik im Alltag zu verstehen. Das Verständnis<br />
über die psychologischen und gesellschaftlichen Mechanismen,<br />
die dabei eine Rolle spielen, ist entscheidend,<br />
da sie letztendlich unmittelbaren Einfluss auf<br />
Markenwahrnehmung und Kauf haben.<br />
Hierzu wurden mehrere qualitativ-psychologische Fokusgruppen<br />
mit Frauen zwischen 20 und 39 Jahren<br />
durchgeführt, die mindestens regelmäßig Markenkosmetik<br />
und Parfum kaufen und verwenden. Auf die-<br />
sen Ergebnissen aufbauend, wurde mit einer onlinebasierten<br />
»Insight Community« eingesetzt. Für zwei<br />
Wochen wurde zusammen mit dem Paneldienstleister<br />
Respondi eine Onlineplattform ins Leben gerufen und<br />
99 Konsumentinnen eingeladen, miteinander und mit<br />
Moderatoren über Beauty-Produkte zu diskutieren. Jede<br />
Teilnehmerin konnte einen Blog führen, in dem sie<br />
ihre Kauf- und Suchprozesse im Internet nachzeichnen<br />
und jeweils mit Links, Bildern und Erklärungen veranschaulichen<br />
konnte. In einem Forum wurden gezielt<br />
Themen gesetzt und Diskussionen unter den Verwenderinnen<br />
angeregt. In Echtzeit-Chats wurden Onlinefokusgruppen<br />
durchgeführt, um bestimmte Themen zu<br />
vertiefen. Insgesamt wurden über 1.100 Beiträge und<br />
mehr als 250 Blogbeiträge mit 380 Kommentaren generiert.<br />
Zusätzlich wurden knapp 100 Bilder hochgeladen,<br />
aus denen Insights aus dem unmittelbaren Alltag<br />
der Verwenderinnen gewonnen werden konnten.<br />
Rollenbilder wandeln sich<br />
Die Studie zeigt, dass Parfum und Kosmetik im Alltag<br />
von Frauen eine sehr wichtige Rolle spielen. Dies lässt<br />
sich unmittelbar aus der gesellschaftlichen und sozialen<br />
Lebenswirklichkeit heraus erklären. Denn das Aufbrechen<br />
tradierter Rollenbilder führt dazu, dass die<br />
Erwartungen an Frauen steigen. Zu den bestehenden<br />
Rollenbildern kommen weitere hinzu, die es zu erfüllen<br />
gilt. Frauen haben alles zu sein: liebende Ehefrau,<br />
fürsorgliche Mutter und fleißige Hausfrau, die gleichzeitig<br />
zielstrebig ihre Karriere vorantreibt und sich um<br />
ihr soziales und familiäres Umfeld kümmert.<br />
Frauen müssen immer wieder in die unterschiedlichsten<br />
Rollen schlüpfen. Und genau hier entfalten Beauty-<br />
Produkte auf der psychologischen Ebene ihre Stärke.<br />
Denn ihnen wohnt das Versprechen der Wandlungsfähigkeit<br />
inne und damit die Möglichkeit, verschiedene<br />
Rollenbilder einnehmen zu können. Dabei kann<br />
das Wandlungsversprechen durchaus unterschiedlich<br />
sein: Profilierungsstrategien dienen beispielsweise da-
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Quelle: MediaCom / Foto: Beauty International<br />
zu, aus der Menge herauszustechen, aufzufallen sowie<br />
Einzigartigkeit und Individualität zu vermitteln. Knallige<br />
Farben, ein extravaganter Look sowie schwere und<br />
markante Düfte helfen, den eigenen Charakter zu unterstreichen.<br />
Uniformierungsstrategien dienen dahingegen<br />
der Anpassung. Sie helfen dabei, nicht aufzufallen,<br />
mit dem Mainstream zu gehen und sich beinahe<br />
unsichtbar zu machen. Gedeckte Farben und dezente<br />
Düfte sind Teil dieser Strategie.<br />
Käufertypen: von emotional bis funktional<br />
In der Studie haben sich verschiedene Käufertypen herauskristallisiert.<br />
Insgesamt wurden sieben Konsumententypen<br />
identifizieren, mit zum Teil völlig unterschiedlichen<br />
Needs und Motivationen. Dabei lassen sich<br />
emotionale und funktionale Käufe unterscheiden.<br />
������������ Das Auffüllen des zur Neige gehenden<br />
Bestandes ist die funktionalste Kaufvariante und nur in<br />
sehr geringem Maße emotional aufgeladen. Der Kaufentscheidungsprozess<br />
ist stark verkürzt, da man genau<br />
weiß, was man will. Bei diesem Käufertyp dominieren<br />
faktische Überlegungen wie Preis, Verfügbarkeit, Geschwindigkeit<br />
und Einfachheit.<br />
����������������Der Vorratskauf gehört nur auf den ersten<br />
Blick zu den funktionalen Käufen. Das Bunkern<br />
wird von den Verwenderinnen auch als Angstkauf geschildert.<br />
Hat man einmal das richtige Parfum gefunden,<br />
das zur eigenen Persönlichkeit passt, weckt dies<br />
gleichzeitig Befürchtungen, dass dieser Artikel in absehbarer<br />
Zeit nicht mehr verfügbar sein könnte. Es<br />
wird gelagert und gehamstert.<br />
��� ��������������� Hier steht eindeutig das Einkaufserlebnis<br />
im Vordergrund. Das Produkt ist eher<br />
nebensächlich. Die Frauen verglichen den Einkauf mit<br />
einem Wellness-Erlebnis, bei dem Wohlfühlen und Entspannen<br />
an erster Stelle stehen. Zum Einkauf sind Parfümerien<br />
gut geeignet, wo man Produkte ausprobieren<br />
kann und vom Personal beraten wird. Eindeutige Botschaft:<br />
»Hier stehe ich im Mittelpunkt.«<br />
KAUFPROZESS<br />
Kosmetikkäufe werden<br />
von unterschiedlichen<br />
Bedürfnissen getrieben.<br />
Entsprechend gibt es<br />
emotionale und funktionale<br />
Käufe.<br />
������������� Stress mit dem Chef? Ärger mit Kunden<br />
oder Streiti mit dem Partner? Dies wird von vielen<br />
Frauen mit kleinen Frustkäufen im Bereich der dekorativen<br />
Kosmetik kompensiert – als kleine Trostpflaster.<br />
Ob Lipgloss oder Nagellack, gerade die niedrigpreisigen<br />
Produkte dienen dazu, Frust und Verärgerung im<br />
Alltag zu kompensieren.<br />
�������������� Den Ersatzkauf kann man als eine Art Sicherheitskauf<br />
beschreiben, bei dem man zu Bewährtem<br />
greift, wenn einen der Mut zur Veränderung verlässt.<br />
Frauen mit dem Wunsch nach einem Typwechsel testen<br />
am POS verschiedene Dinge aus, fallen aber dann doch<br />
wieder in die eigene Komfortzone zurück und kaufen<br />
die Artikel, die sie sonst immer kaufen.<br />
������������ Auch als situativer Spontankauf zu bezeichnen,<br />
der sehr stark impulsgetrieben ist und als<br />
kleine Freude den Alltag versüßt. Diesen Lustkäufen<br />
geht keine konkrete Einkaufsverfassung voraus, sondern<br />
sie können spontan durch externe Impulse ausgelöst<br />
werden – etwa durch ein interessantes Onlinewerbemittel<br />
oder POS-Aktivitäten. Zwischen Impuls und<br />
Kauf liegen oftmals nur wenige Minuten.<br />
��������������� Diese Käufe sind klassische Zusatzkäufe<br />
im Zuge einer ausgiebigen Shopping-Tour. Oftmals<br />
kombiniert mit Bekleidungskäufen werden hier<br />
Kosmetikartikel mit dem Ziel gekauft, das Einkaufserleben<br />
zu komplettieren oder zu verlängern. Zum<br />
Hauptkauf werden noch weitere Kleinigkeiten zum<br />
Verwöhnen hinzugekauft, die in der ohnehin schon beträchtlichen<br />
Gesamtsumme des Einkaufes kaum auffallen.<br />
Auch dies ist ein emotionaler Kauf, der im Rausch<br />
des Hauptkaufes mitgenommen wird.<br />
Wie man sieht, ist Kauf nicht gleich Kauf. Somit kann<br />
es keine singuläre Antwort auf die Frage geben, was<br />
diesen nun eigentlich treibt. Jeder Kauf hat seine eigenen<br />
Gesetze. Diese zu verstehen, in entsprechende<br />
Kommunikationskonzepte zu übersetzen und passende<br />
Off- und Online-Touchpoints optimal zu nutzen, ist<br />
aus Media- und Marketingsicht existenziell.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
37
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KAUFPROZESS MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
38<br />
ZUSAMMENSPIEL VON ON- UND OFFLINE IM KAUFPROZESS<br />
Inspiration, Entscheidung und Kauf<br />
Eine Frage, die die Studie beantworten sollte, ist die<br />
nach dem Zusammenspiel von Online und Offline auf<br />
dem Weg zum Kauf der Kosmetika. Es zeigte sich, dass<br />
es drei Stufen auf diesem Pfad gibt: Inspiration und Information,<br />
Entscheidung und Kauf.<br />
Inspiration findet kontinuierlich statt, unabhängig von<br />
einem geplanten Kauf. Inspirieren lassen sich die Kosmetikkundinnen<br />
dabei sowohl explizit durch Werbung,<br />
Produktbesprechungen in Zeitschriften/Blogs und die<br />
Präsentation am POS, als auch implizit – das heißt<br />
spontan aus dem Kontext heraus. Online spielt bei beiden<br />
Aspekten eine wichtige Rolle, denn die Frauen nutzen<br />
unterschiedliche Quellen und tauschen sich in Social<br />
Networks über Kosmetik aus. Insbesondere bei<br />
Düften spielt aber die sinnliche Wahrnehmung am POS<br />
eine wesentliche Rolle bei der Inspiration.<br />
Aus der Inspiration und der gesammelten Information<br />
speist sich die Produktentscheidung. Hier spielt die<br />
sinnliche Erfahrung eine zentrale Rolle. Der ganzheitliche<br />
Eindruck – Verpackung, Flakon, persönliche Beratung<br />
und das Produkterleben – bilden den Rahmen<br />
für die Entscheidung. Den meisten Frauen ist am POS<br />
die Möglichkeit des direkten Vergleichs der Produkte<br />
wichtig. Online holen sie sich dahingegen rationalen<br />
Input – zum Beispiel über Inhaltsstoffe, vor allem in<br />
Zusammenhang mit Allergien und Hautunverträglichkeiten,<br />
und ethische Aspekte wie Tierschutz.<br />
Klaus Stinnertz ist Director Media<br />
Research bei der MediaCom<br />
– Agentur für Mediaberatung<br />
in Düsseldorf. Er verantwortet<br />
den Bereich der Konsumentenforschung<br />
und beschäftigt<br />
sich schwerpunktmäßig mit<br />
qualitativen Methoden sowie<br />
der Zielgruppen-, Medien- und<br />
Werberezeptionsforschung.<br />
Quelle: MediaCom<br />
Je nach Käufertyp finden Inspiration<br />
und Information, Entscheidung<br />
und Kauf online oder im<br />
stationären Handel statt. Die<br />
Offline-Tester lassen sich zum<br />
Beispiel im Web inspirieren und<br />
informieren sich dort, im Entscheidungsprozess<br />
testen sie<br />
die Produkte offline, bevor sie<br />
sie im Internet kaufen.<br />
Zwar wird die Kaufentscheidung also letztlich unverändert<br />
wesentlich vom direkten Erlebnis vor Ort geprägt.<br />
Nichtsdestotrotz können Marken durch Online-<br />
Kommunikation ihren Käuferinnen die Entscheidung<br />
leichter machen. Neben Werbung und der Kommunikation<br />
über Fashion- und Beautyblogs können sie<br />
beispielsweise Farbberatung, virtuelle Stylingtest etc.<br />
anbieten. Dadurch erhalten die interessierten Frauen<br />
nicht nur die von ihnen gewünschten Informationen,<br />
sondern die Marke wird als serviceorientiert und offen<br />
wahrgenommen.<br />
Der Mix aus On- und Offline macht’s<br />
Unternehmen sollten es den Kundinnen so leicht wie<br />
möglich machen, sich im Web über die Marke umfassend<br />
zu informieren. So können sie sie durch das virtuelle<br />
Markenerlebnis inspirieren, so dass die Marke<br />
anschließend am POS im Relevant Set ist.<br />
Je nach Funktion, die der Kauf für die Frau erfüllt, wird<br />
der Entscheidungsprozess unterschiedlich stark von der<br />
direkten Erfahrung im Store und der indirekten Information<br />
im Internet beeinflusst. Allerdings spielt das<br />
Web im Kaufprozess eine immer wichtigere Rolle, um<br />
etwas über Marke und Produkt zu erfahren. Die Kommunikationsstrategie<br />
sollte dem Rechnung tragen. Unternehmen<br />
müssen beginnen, On- und Offline stärker<br />
miteinander zu verzahnen.<br />
Jörg Blumtritt, Klaus Stinnertz.<br />
Jörg Blumtritt ist Managing<br />
Director bei MediaCom<br />
Science, der Forschungsunit<br />
von MediaCom. Zuvor war er als<br />
European Operations Officer<br />
in der Geschäftsleitung des<br />
Bewegtbildvermarkters Tremor<br />
Media. Weitere Stationen waren<br />
ProSiebenSat.1 Media, El Cartel<br />
Media und Hubert Burda Media.
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Billig gekauft,<br />
teuer bezahlt<br />
Zu den großen Aufgaben der Kosmetikbranche gehört, die<br />
Produkt- und Markenpiraterie einzudämmen, erklärt Steffen<br />
Seifarth, Regional Vice President DACH/Eastern Europe bei<br />
Coty Prestige und Vizepräsident im <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband.<br />
MARKENARTIKEL: In den vergangenen Jahrzehnten ist Produkt-<br />
und Markenpiraterie gerade auch in der Kosmetikindustrie<br />
zu einem ernst zu nehmenden Thema<br />
geworden. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten<br />
Faktoren, die zum Anstieg dieser Wirtschaftskriminalität<br />
geführt haben?<br />
STEFFEN SEIFARTH: Gefälscht wird, was der Verbraucher<br />
schätzt und gerne kauft. Das rückt die bekannten und<br />
mit Prestige behafteten Produkte in den Fokus. Verführt<br />
wird der Verbraucher dann noch durch die beliebte<br />
Jagd nach einem Schnäppchen – doch das bedeutet<br />
am Ende: billig gekauft, aber teuer bezahlt.<br />
MARKENARTIKEL: Wie meinen Sie das?<br />
SEIFARTH: Ein geringer Aufwand in der Produktion –<br />
von der Ausbeutung der Arbeiter unter unmöglichen<br />
Arbeitsbedingungen bis hin zu verbotener Kinderar-<br />
Steffen Seifarth ist bei Coty Prestige Regional Vice<br />
President der Region DACH/Eastern Europe sowie<br />
Vizepräsident im <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband.<br />
PRODUKTPIRATERIE<br />
beit – stehen so ergaunerte hohe Gewinnmargen gegenüber.<br />
Das Entdeckungs- und Verfolgungsrisiko ist<br />
durch aufgespaltete Strukturen gering, und die ausgesprochenen<br />
Strafen fallen oftmals lächerlich niedrig<br />
aus. So erreicht man keine wirksame Abschreckung.<br />
MARKENARTIKEL: Warum ist den Fälschern so schwer beizukommen?<br />
SEIFARTH: Der Hersteller kann die Fälscher meist erst<br />
am Ende der Kette packen und muss von da an mühsam<br />
den Weg zurückverfolgen – wenn es denn überhaupt<br />
geht. Simple Verkaufsmöglichkeiten in Kleinstmengen,<br />
zum Beispiel Straßenhändler, Flohmärkte<br />
oder Urlaubsbasare, bedeuten eine einfache Distribution<br />
ohne Nachwehen und allzu große Kosten. Und<br />
dann kommt das große dunkle Feld des weltweiten Internetvertriebes<br />
dazu, der das Verfolgungsrisiko nochmals<br />
dramatisch nach unten sacken lässt. Kurz, mit<br />
Fälschungen kann man schnell auf Kosten anderer und<br />
der Gesundheit des Verbrauchers Geld machen, ohne<br />
dass eine empfindliche Strafe winkt.<br />
MARKENARTIKEL: Nicht alle Verbraucher haben überhaupt<br />
das Bewusstsein, dass gefälschte Ware häufig<br />
minderwertig oder sogar gesundheitsgefährdend ist.<br />
Wie versucht der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband, die Öffentlichkeit<br />
über das Thema aufzuklären?<br />
SEIFARTH: Entsprechende Anfragen von Verbrauchern<br />
werden von uns beantwortet oder an die betroffene<br />
Firma weitervermittelt. Der <strong>VKE</strong> arbeitet hier Hand in<br />
Hand mit dem Aktionskreis der deutschen Wirtschaft<br />
gegen Produkt- und Markenpiraterie, kurz APM, der<br />
sich dieser Aufgabe als spezialisierter Verband widmet.<br />
Es gibt eine ständige Wanderausstellung, die in<br />
den ECE-Einkaufscentern zu sehen ist und die wir finanziell<br />
unterstützen. Allerdings scheint der Lernprozess<br />
eher langsam voran zu schreiten und wird immer<br />
wieder von der Aussicht auf einen günstigen Kauf gestört.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
39
60 JAHRE <strong>VKE</strong> PRODUKTPIRATERIE MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
40<br />
dukt- und Markenfälscher offensichtlich immer geschickter<br />
und professioneller vorgehen und sich<br />
verstärkt mit anderen Bereichen der organisierten<br />
Kriminalität verbünden, zum Beispiel auf Vertriebswege<br />
des internationalen Drogenhandels zurückgreifen.<br />
Auch kommen gefälschte Waren immer stärker<br />
auf dem Postweg und in kleineren Einheiten ins Land<br />
und nicht mehr im Container – für Zoll und Industrie<br />
eine neue Stufe im Kampf gegen die Fälscher. Wie<br />
kann man diesen Entwicklungen aus Ihrer Sicht am<br />
effektivsten entgegentreten?<br />
SEIFARTH: Einerseits durch eine intensive Zusammenarbeit<br />
mit Behörden und Zoll – es werden regelmäßige<br />
und weltweite Zollschulungen durch sehr viele<br />
Herstellerfirmen veranstaltet. Andererseits aber auch<br />
durch Verbesserung der Produktsicherung, etwa die<br />
Markierung zur Verfolgbarkeit, sowie die Verfolgung<br />
durch die Hersteller mittels ihrer spezialisierten Abteilungen.<br />
Weiter durch eine Nulltoleranz-Politik der<br />
Herstellerfirmen. Und schließlich durch zusätzliche<br />
Ermittlungen durch Detekteien in den Herstellerländern.<br />
Eine große Rolle spielt auch die enge Zusammenarbeit<br />
mit dem Markenverband als Sprachrohr<br />
der gesamten Markenwirtschaft und der Erfahrungsaustausch<br />
mit anderen Markeninhabern.<br />
Noch nicht alle wissen, dass<br />
die Qualität gefälschter Ware<br />
häufig minderwertig ist.<br />
Fotos: iStock Photo MARKENARTIKEL: Sie haben schon angedeutet, dass Pro-<br />
Die Aussicht auf einen günstigen Kauf lässt einige Verbraucher zu billigen<br />
Fälschungen greifen. Auf deren Gefahren weist eine Kampagne<br />
des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) hin.<br />
MARKENARTIKEL: Was könnte man noch tun?<br />
SEIFARTH: Weiter wünschen wir uns den Ausbau der<br />
vormals ATLAS genannten E-Agent-Datenbank. Diese<br />
überregionale Datenbank des Zolls sollte auch die<br />
Polizei nutzen können – bislang ist der E-Agent noch<br />
eine reine Zolldatenbank. Verbrechensbekämpfung<br />
muss also vernetzter werden. Die Zuständigkeitsbereiche<br />
von Zoll und Polizei sollten in den Ländern<br />
klar positioniert sein und Grenzkontrollen an neuralgischen<br />
Punkten verstärkt werden, zum Beispiel an<br />
einigen Grenzübergängen zwischen Tschechien und<br />
Deutschland. Zudem ist der Tatbestand der Markenverletzung<br />
vom Nebenstrafrecht ins Strafgesetzbuch<br />
zu transferieren.<br />
MARKENARTIKEL: Welche Maßnahmen erwarten Sie dabei<br />
konkret von der Politik?<br />
SEIFARTH: Dass die vorhin genannten Maßnahmen als<br />
Ziele der Politik erkannt und aufgenommen werden<br />
und in eine entsprechende Gesetzgebung münden. Weiter<br />
eine intensivere internationale Zusammenarbeit der<br />
Behörden sowie politischer Druck auf Länder, in denen<br />
Fälschungen hauptsächlich hergestellt werden.<br />
MARKENARTIKEL: Wie könnten auch die Betreiber von<br />
Handelsplattformen stärker in die Pflicht genommen<br />
werden? Durch das Internet ist der Handel mit gefälschter<br />
Ware ja deutlich leichter geworden.<br />
SEIFARTH: Einmal direkt durch die Maßnahmen der Her-
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Etliche Firmen leiden unter Fälschungen. Darum fordert der <strong>VKE</strong>, den Tatbestand der Markenrechtsverletzung ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.<br />
steller, etwa intensive Überwachung von Angeboten<br />
im Internet, das Einschalten von Anwälten und privaten<br />
Ermittlern sowie die Ergreifung entsprechender<br />
rechtlicher Maßnahmen. Das Problem ist häufig, dass<br />
die dahinter stehenden Personen und Strukturen nicht<br />
leicht zu indentifizieren sind oder falsche Daten und<br />
Adressen hinterlegt haben. Ein weiteres Problem ist<br />
die Flut der Überwachungsarbeit und darauf folgender<br />
Maßnahmen. Wenn man jeden Tag 1.000 neue Auktionen<br />
zu überwachen hat und nur zehn Prozent davon<br />
rechtsverletzend sind, ertrinkt man förmlich in Arbeit –<br />
von den Kosten und dem Zeitaufwand ganz zu schweigen,<br />
bis man alle Fakten für eine rechtliche Maßnahme<br />
hat und bis dann das Gericht ein Urteil fällt, das<br />
dann noch an den Richtigen zugestellt werden muss.<br />
MARKENARTIKEL: Kein leichtes Unterfangen also…<br />
SEIFARTH: Ohne eine tatkräftige Mithilfe und Verantwortung<br />
der Betreiber von Handelsplattformen ist<br />
dieser Kampf nicht zu führen, geschweige denn zu<br />
gewinnen. Leider ist die Rechtslage aufgrund des Telemediengesetzes<br />
und der sogenannten E-Commerce-<br />
Richtlinie nicht sehr günstig, und die Internet-Service-Provider<br />
bieten meist nur eine Entfernung der<br />
rechtsverletzenden Auktion an – das sogenannte Notice-and-Take-Down.<br />
Das ist aber keine dauerhafte<br />
Lösung: Die Fälschung verschwindet nur vom Bildschirm,<br />
sie wird aber nicht aus dem Wirtschaftskreislauf<br />
entfernt und kann jederzeit wieder eingestellt<br />
werden oder bei einem anderen Anbieter auftauchen.<br />
Gerade die Handelsplattformen im Internet sind deshalb<br />
aufgerufen, ihren Anteil zu tragen und Initiative<br />
und Verantwortung zu übernehmen. Einiges wird auf<br />
diesem Feld schon getan, nur reicht es oftmals nicht.<br />
Der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband setzt sich dafür ein, dass<br />
die Sicherheit im Netz verbessert wird.<br />
PRODUKTPIRATERIE<br />
MARKENARTIKEL: Was muss die Kosmetikbranche beim<br />
Thema Produkt- und Markenpiraterie künftig noch<br />
stärker schaffen?<br />
SEIFARTH: Eine noch intensivere Aufklärung und Sensibilisierung<br />
des Verbrauchers über mögliche Risiken<br />
und Nebenwirkungen von Fälschungen. Hier können<br />
Politik und Medien wertvolle Unterstützungsleistungen<br />
erbringen. Leider beobachten wir eine Zunahme<br />
von Ex-Officio-Fällen, in denen die Behörde<br />
aus eigenem Betreiben vorgeht, ohne dass die betroffenen<br />
Markeninhaber informiert oder beteiligt werden.<br />
Hier gehen wertvolle Informationen für den<br />
Markeninhaber verloren. Nicht dass dies falsch verstanden<br />
wird: Wir begrüßen es, wenn die Behörden<br />
aus eigenem Antrieb handeln, nur darf der Austausch<br />
und Informationsfluss zum Hersteller nicht versiegen,<br />
nur weil die Behöre selbst ermittelt. Auch wird<br />
durch verbesserte Produktionsmethoden der Fälscher<br />
die Erkennbarkeit für den Verbraucher immer<br />
schwieriger, insbesondere im Internet, wenn nach<br />
einem Bild gekauft wird. Die Produktmarkierungen<br />
der Hersteller können nicht die Vorsorge und Eigenverantwortung<br />
des Verbrauchers ersetzen.<br />
MARKENARTIKEL: Was raten Sie deshalb dem Verbraucher?<br />
SEIFARTH: Er sollte, ob in einem Geschäft oder im Internet,<br />
nur bei einer vertrauensvollen Stelle kaufen.<br />
Den Händler um die Ecke kennen die meisten und<br />
können ihn bei Fragen oder Problemen leicht aufsuchen<br />
oder anrufen. Meist hat er auch eine Internetseite<br />
oder einen Internetshop. Das Risiko, hereingelegt<br />
zu werden, ist zwar gestiegen und steigt weiter.<br />
Wer aber weiß, bei wem er kauft, der fährt sicher.<br />
Interview: Torsten Schöwing<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
41
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KOSMETIK-INDEX 2012 MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
42<br />
Verbünde Dich mit denen,<br />
die Deine Werte teilen<br />
Die Welt und damit die Werte der Menschen wandeln sich rasant.<br />
Unternehmen müssen darauf reagieren und klar aufzeigen,<br />
wofür sie und ihre Marken stehen. Nur wer glaubwürdig agiert<br />
und die propagierten Werte auch lebt, wird erfolgreich sein.<br />
Der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband hat 2011 erstmals den<br />
Kosmetikindex veröffentlicht. Er soll abbilden, welche<br />
Bedeutung Kosmetik für Konsumenten hat. Untersucht<br />
werden Anschaffungsneigung, Ausgabebereitschaft sowie<br />
die Bereitschaft zu Verzicht. Dafür werden über<br />
1.000 Personen zu ihrer Einstellung gegenüber Kosmetikprodukten<br />
befragt, aber auch zu anderen Lifestyle-<br />
Produkten wie Designerkleidung, Wellnessangeboten<br />
und Accessoires. Die positive Botschaft: Bezogen auf<br />
Anschaffungsneigung, Ausgabebereitschaft und Verzichtsbereitschaft<br />
sind die Daten 2012 grundsätzlich<br />
stabil geblieben (Abb. 1).<br />
Darüber hinaus wurde nach dem persönlichen Involvement<br />
und der gesellschaftlichen Bedeutung von Lifestyle-Produkten<br />
und speziell Kosmetikprodukten gefragt.<br />
Hier ist das Bild schon differenzierter: Während<br />
grundsätzlich das persönliche Involvement wie 2011<br />
auf einem relativ stabilen Niveau bleibt, wird die gesellschaftliche<br />
Bedeutung von Kosmetik zukünftig eher<br />
geringer eingeschätzt als noch im vergangenen Jahr<br />
(Abb. 2). Warum ist das so? Sind es die gesellschaft-<br />
Kosmetikprodukte<br />
Kosmetikindex 2012 vs 2011<br />
%<br />
99<br />
(Düfte, Gesichtspflege-, Schminkprodukte)<br />
99<br />
Wellnessbehandlungen<br />
89<br />
(z.B. Massagen, Kosmetikbehandlungen usw.)<br />
96<br />
Bekleidung von Designermarken<br />
Accessoires<br />
(z.B. Schmuck, Uhren, Taschen)<br />
Durchschnitt: Lifestyle-Index<br />
lichen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen,<br />
die die Konsumenten verhalten stimmen. Ist es<br />
nach den vielen Krisen nicht mehr opportun, sich selbst<br />
etwas zu gönnen? Fakt ist, dass wir uns in einem beschleunigten<br />
gesellschaftlichen Wandlungsprozess befinden,<br />
auf den sich auch die Kosmetikindustrie einstellen<br />
muss. Im Kern wird es darum gehen, sich von den<br />
Vorstellungen und Werten sowie dem Bild des Konsumenten<br />
des 20. Jahrhunderts endgültig zu lösen. Das<br />
bedeutet, dass auch Marketing- und Kommunikationsstrategien<br />
grundlegend überdacht werden müssen.<br />
Eine Welt im Wertewandel<br />
Wie rasant sich die Welt und damit die Werte der Menschen<br />
wandeln, können wir fast täglich beobachten:<br />
Wer hätte vor einem Jahr mit einem so breiten Anti-Atomkraft-Konsens<br />
gerechnet oder damit, dass Revolutionen<br />
so viele Staaten des Mittleren Ostens und<br />
Nordafrikas erfassen? Wer ahnte, dass Baden-Württemberg<br />
einen grünen Ministerpräsidenten wählen und<br />
die Piraten-Partei eine Chance haben würde, die dritt-<br />
ABB. 1: WEITERHIN POSITIVE EINSTELLUNG ZUM BEAUTY-KONSUM<br />
Der Kosmetik-Index bleibt - wie der Lifestyle-Index insgesamt -stabil.<br />
Geringerer Wert für Wellnessbehandlungen.<br />
Repräsentative Online-Befragung , 2011 n=1034, 2012 n=1049 (jeweils Februar)<br />
Indexwerte zwischen 0 und 200<br />
2012 2011<br />
39<br />
43<br />
52<br />
55<br />
72<br />
72<br />
Quelle: TNS Infratest
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
…die Bedeutung der Lifestyle-Kategorien im gesellschaftlichen<br />
Gesamtkontext wird dagegen geringer eingeschätzt als 2011.<br />
Kosmetikprodukte<br />
(Düfte, Gesichtspflege-, Schminkprodukte)<br />
Wellnessbehandlungen<br />
(z.B. Massagen, Kosmetikbehandlungen usw.)<br />
Bekleidung von Designermarken<br />
Accessoires<br />
(z.B. Schmuck, Uhren, Taschen)<br />
2011<br />
stärkste politische Macht im Land zu werden? All dies<br />
sind Anzeichen eines fundamentalen Wertewandels.<br />
Diesen dokumentiert der Werte-Index 2012 – ein Kooperationsprojekt<br />
von Trendbüro und TNS Infratest.<br />
Er belegt, wie häufig und in welchen Kontexten zwölf<br />
grundlegende Werte im Web besprochen werden. Dazu<br />
wurden über 500.000 Online-Beiträge analysiert<br />
(siehe Kasten). Demnach stehen Freiheit, Familie, Gesundheit,<br />
Gemeinschaft und Sicherheit ganz oben auf<br />
der Werteskala. Klassischer ökonomischer Erfolg wird<br />
gegenüber persönlichen Zielen und dem eigenen Wohlbefinden<br />
deutlich unwichtiger (Abb. 3).<br />
Für die Kosmetikbranche bedeutet dies, dass man sich<br />
vom alten Konsumentenbild verabschieden muss. Kosmetik<br />
und Luxusprodukte ändern als Insignien des Erfolges<br />
ihre Bedeutung. Gleichzeitig werden Gesundheit<br />
und Aussehen zu wichtigen Erfolgsfaktoren. Sie müssen<br />
sich aber in neuen Bedeutungen und Kontexten<br />
wiederfinden und einen neuen Sinn stiften.<br />
Kosmetik im Kontext von Gesundheit – das ist sicherlich<br />
noch greifbar und auch für die Marketingabtei-<br />
Verliert allgemein<br />
an Wichtigkeit (5)<br />
lungen der großen Kosmetikunternehmen umsetzbar.<br />
Aber nehmen wir den wichtigsten Aufsteiger des Werte-Index<br />
2012: den Wert »Gemeinschaft«. Wie aber<br />
wird er für Unternehmen greifbar?<br />
Gemeinschaft bietet Rückhalt in Vertrauenskrise<br />
Angesichts einer unsicheren Zukunft, in der staatliche<br />
Institutionen immer weniger Sicherheit bieten, wird<br />
Rückhalt verstärkt in übersichtlichen und gleich gesinnten<br />
Gemeinschaften und Netzwerken gesucht –<br />
auch ein Ausdruck einer tiefgreifenden Vertrauenskrise<br />
in staatliche Institutionen und Organisationen.<br />
Unternehmen und Marken können sich als Unterstützer<br />
von Gemeinschaften positionieren – wobei hier<br />
nicht allein die Marke, sondern gemeinsame Werte und<br />
Ziele im Mittelpunkt stehen. Marken, die bereits über<br />
Communities im Netz verfügen, können sich glücklich<br />
schätzen. Sie aufmerksam, wertschätzend und auf Augenhöhe<br />
zu pflegen, ist Pflicht. Zusätzlich kann diese<br />
Beziehung gestärkt werden, wenn gemeinsame Erlebnisse<br />
auch im realen Raum ermöglicht werden. Ziel<br />
METHODE DES WERTE-INDEX<br />
Der Werte-Index analysiert die User-Diskussion im deutschsprachigen Web sowohl quantitativ als auch qualitativ. Grundlage des Werte-Index<br />
2012 ist eine Social Media-Analyse. Dabei wurden Einträge der Nutzer auf unterschiedlichen Plattformen inhaltlich analysiert und ausgewertet.<br />
Die Methode zeigt, welche Werte für Menschen so wichtig sind und sie so bewegen, dass sie von sich aus darüber diskutieren. Die Vorteile:<br />
Zum einen wird der Themenfokus nicht durch Forscher gesetzt, sondern durch die User. Zum anderen nehmen die Nutzer im Internet kein<br />
Blatt vor den Mund – zum Teil auch befördert durch die Anonymität im Netz. Die einbezogenen Quellen und Instrumente sollten eine möglichst<br />
breite thematische Ausrichtung besitzen und von einem großen Userkreis genutzt werden. Deshalb wurden die Top-Sites aus dem Alexa-Ranking<br />
(www.alexa.com) und den deutschen Blogcharts (www.deutscheblogcharts.de) als Quellen herangezogen.<br />
Im Rahmen der Sichtung von Beiträgen traten viele Besonderheiten zu Tage, die zu der Entscheidung führten, die Inhaltsanalyse manuell durchzuführen<br />
– also durch Menschen, die interpretieren. So mussten beispielsweise Nutzer-Meinungen von redaktionellen und werblichen Beiträgen<br />
getrennt werden. Zudem führt die Längenbegrenzung auf Twitter zu extrem verdichteten, schwer interpretierbaren Beiträgen. Überdies<br />
sollten Re-Tweets (einfaches Wiederholen/Weiterleiten des Beitrages einer anderen Person) nicht als eigenständige Meinungsäußerungen<br />
interpretiert werden. Nicht zuletzt wurde durch die manuelle Bearbeitung ausgeschlossen, dass Beiträge auftauchten, die nicht im Sinne des<br />
gesuchten Inhalts waren (die Formulierung »das ist echt krank« wurde so weder im Sinne von ‚Echtheit‘ noch von ‚Gesundheit/Krankheit‘ interpretiert).<br />
Analysiert wurden Beiträge, die zwischen dem 1. März 2010 und dem 28. Februar 2011 erschienen sind.<br />
4 2<br />
2012<br />
Gewinnt allgemein<br />
an Wichtigkeit (1)<br />
Quelle: TNS Infratest ABB. 2: GESELLSCHAFTLICHER STELLENWERT VON KOSMETIK NIMMT LEICHT AB<br />
KOSMETIK-INDEX 2012<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
43
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KOSMETIK-INDEX 2012 MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
44<br />
»GEMEINSCHAFT« IST DER AUFSTEIGERWERT<br />
sollte sein, Kunden, Fans und Vertreter der Marke sowie<br />
die Mitarbeiter zusammenzubringen. Sie sollten an<br />
der Markengeschichte teilhaben.<br />
Was so einfach klingt, ist für viele Marken eine große<br />
Herausforderung. Beispiele der jüngsten Vergangenheit<br />
zeigen, dass sich manche Markenartikler im Übergang<br />
von der Industrie- zur Netzwerkökonomie noch<br />
schwer tun. Nur ein Beispiel: Ein großer Versicherer,<br />
der mit einer neuen Werbekampagne im Jahr 2011<br />
auf die Themen »Vertrauen« und »Transparenz« setzte<br />
und dann am Verhalten der eigenen Mitarbeiter und<br />
Führungskräfte scheiterte. Aber auch abseits dieses<br />
prominenten Beispiels beobachten wir, dass nur wenige<br />
Unternehmen intern auf den Umgang mit ihren eigenen<br />
Werten eingestellt sind. Was bedeutet es tatsächlich,<br />
einen Dialog mit Konsumenten zu führen? Wie<br />
gewinne ich das Vertrauen der Konsumenten?<br />
Reputation wird zum zentralen Erfolgsfaktor<br />
Unternehmens- oder Markenreputation sind die Summe<br />
der gelebten Werte. Aber: Eine aktuelle Untersuchung<br />
des Hernstein-Institutes belegt, dass mehr als die<br />
Hälfte aller Unternehmen in Deutschland keine Werte<br />
für sich definiert haben, weder in Bezug auf eine Führungsphilosophie,<br />
noch auf eine Vision oder Mission.<br />
Wofür steht mein Unternehmen? Wofür stehen meine<br />
Marken? Und wofür arbeiten meine Mitarbeiter? Wer<br />
nicht weiß, wie er sich seinen Mitarbeitern und Kunden<br />
erklären soll beziehungsweise wofür er steht, wird<br />
zukünftig am Markt verlieren.<br />
Während man in der alten Logik der Industrie-Ökonomie<br />
und in Zeiten klassischer »One-Way-Kommunikation«<br />
als Unternehmen oder Marke Reputation<br />
schlichtweg behaupten konnte, wird sie heute tagtäglich<br />
auf den Prüfstand gestellt. Es wird in Foren diskutiert,<br />
und Blogger verbreiten ihre Meinungen und Botschaften<br />
in rasender Geschwindigkeit und erreichen<br />
Millionen. Facebook und der »Like-it-Botton«sind die<br />
neuen Währungen für die Reputation von Unternehmen<br />
und Marken.<br />
Reputation spiegelt dabei das Vertrauen in Unternehmen<br />
und ihre Marken wider. Vertrauen muss man sich<br />
aber erarbeiten. Und Vertrauen entsteht heute zunehmend<br />
über gemeinsame Werte. Unternehmen müssen<br />
ihre Werte mit ihren Mitarbeitern und Kunden teilen.<br />
Gleichzeitig müssen sie sich mit den sich weiter und<br />
schneller verändernden Wertvorstellungen ihrer Kunden<br />
vertraut machen beziehungsweise sich selbst daran<br />
messen lassen. In diesem Zusammenhang wird der<br />
soziale und gesellschaftliche Kontext auch das Konsumentenverhalten<br />
beeinflussen.<br />
Reputation beziehungsweise das Management von Reputation<br />
ist Beziehungsmanagement. Wie in zwischenmenschlichen<br />
Beziehung geht es darum, Gemeinsamkeiten<br />
oder Selbstähnlichkeiten zu erkennen und zu<br />
fördern sowie die gegenseitigen Wertvorstellungen zu<br />
akzeptieren und immer wieder miteinander abzugleichen.<br />
Wer sich darauf nicht einlässt, wird verlieren.<br />
Entsprechend sind Unternehmen heute mehr denn je<br />
gefordert, diese Beziehungsarbeit zu leisten. Mehr denn<br />
je, um glaubwürdig das Vertrauen der Konsumenten zu<br />
erreichen. Beziehungsarbeit ist Dialog. Und was für die<br />
meisten zwischenmenschlichen Beziehungen gilt, gilt<br />
auch für die Beziehung zwischen Marken und Konsumenten:<br />
Es lohnt sich.<br />
Jens Krüger<br />
Jens Krüger ist Sectorhead<br />
und Geschäftsführer von TNS<br />
Infratest Consumer & Retail,<br />
Hamburg. Er ist bereits<br />
seit 17 Jahren in verschiedenen<br />
Positionen bei TNS<br />
Emnid, danach TNS Infratest,<br />
beschäftigt. Zuletzt war er<br />
Sales Director für Consumer<br />
& Retail.<br />
Quelle: Werte-Index 2012 / Fotos: iStock Photo, fotolia
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Wertschöpfung schaffen<br />
Die Zusammenarbeit mit dem Handel stellt die Kosmetikbranche<br />
vor einige Herausforderungen. Aber nur gemeinsam können beide<br />
Seiten die Gunst der Konsumenten gewinnen, sagt Andreas Sistig,<br />
Geschäftsführer und Vice President der Shiseido Deutschland GmbH.<br />
MARKENARTIKEL: Die Beziehung zum Handel ist geprägt<br />
von einem steten Auf und Ab. Klar ist aber: Ohne einander<br />
geht es nicht.<br />
ANDREAS SISTIG: In der Tat sind Handel und Industrie wie<br />
die beiden Seiten einer Münze. Erst zusammen bilden<br />
sie den Wert. Die Qualität der Beziehungen wurde und<br />
wird dabei auch heute noch im Wesentlichen von den<br />
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
geprägt.<br />
MARKENARTIKEL: Wobei die deutsche Handelslandschaft<br />
mit ihrer vielfältigen Parfümerielandschaft durchaus<br />
etwas Besonderes ist...<br />
SISTIG: Der rasante Aufstieg der deutschen Wirtschaft<br />
in der Nachkriegszeit mit seinen vielfältigen Existenzgründungen<br />
war der prägende Faktor für die bis heute<br />
immer noch mittelstandsstarke Parfümerielandschaft<br />
Deutschlands. Damals hatten wir einen klaren Verkäufermarkt,<br />
in dem das Angebot überschaubar war.<br />
Es gab viele potenzielle Kunden, und so mancher Außendienstmitarbeiter<br />
hatte sogar seinen eigenen Fahrer,<br />
um dorthin zu gelangen. Auch gab es einen sogenannten<br />
Gebietsschutz für den Händler, der den<br />
eigenen Standort sicherte und die lästige Konkurrenz<br />
fernhielt.<br />
MARKENARTIKEL: Aber nicht nur die Handelslandschaft<br />
boomte. Auch die Industrie profitierte von den<br />
postiven Entwicklungen.<br />
SISTIG: Der stetige Zuwachs von Parfümeriestandorten<br />
und die hohen Margen lockten in den 1980ern und zu<br />
Andreas Sistig ist seit 2007 Geschäftsführer der Shiseido Deutschland<br />
GmbH, Düsseldorf, und fungiert seit 2010 zusätzlich als Vice President. In<br />
dieser Funktion leitet er das Unternehmen an der Seite von Präsident Yoshinori<br />
Nishimura. Vor seiner Zeit bei Shiseido war Sistig bei LVMH als General<br />
Manager bei Guerlain Parfumeur tätig. Weitere Stationen waren Unilever<br />
und Revlon. Sistig ist Mitglied des Vorstands des <strong>VKE</strong>-Kosmetikverbandes.<br />
HANDELSBEZIEHUNGEN<br />
Beginn der 1990er-Jahre auch die großen Industriekonzerne<br />
an, die in ihrem angestammten Massenmärkten<br />
ebenfalls mit Sättigungsproblemen zu kämpfen hatten.<br />
So manche Luxusmarke wechselte damals den Besitzer.<br />
Stetiges Wachstum und eine Flut von Neuheiten<br />
vor allem im Duftsegment bescherten bis vor etwa 14<br />
Jahren beiden Seiten ein gutes Auskommen. Nun ist<br />
aber auch im Luxusmarkt die Sättigung eingetreten.<br />
Für den einen oder anderen kommt dies völlig überraschend,<br />
man ist nicht ausreichend darauf vorbereitet.<br />
MARKENARTIKEL: Welche Möglichkeiten gibt es, um auf<br />
diese Entwicklungen zu reagieren?<br />
SISTIG: Letzte Ausweichmöglichkeiten bieten bisher<br />
noch das Nischengeschäft oder das wachsende Pre-<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
45
60 JAHRE <strong>VKE</strong> HANDELSBEZIEHUNGEN MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
46<br />
Hochklassiges Angebot: Hersteller und Handel bieten den Kunden am POS exzellente Einkaufserlebnisse und eine perfekte Beratung.<br />
miumsegment, aber auch hier kann man nicht endlos<br />
die Preisschraube nach oben drehen. Wir müssen<br />
schmerzlich feststellen, dass aus unserem Verkäufermarkt<br />
heute ein Käufermarkt geworden ist. Damit<br />
haben sich auch die Spielregeln massiv verändert.<br />
MARKENARTIKEL: Der Konsument hat also das Sagen?<br />
SISTIG: Es gibt ein Überangebot von Ware und Verkaufsstellen,<br />
und wir müssen um den Konsumenten<br />
kämpfen. Den Chauffeur gibt es schon lange nicht<br />
mehr ebenso wenig wie den Gebietsschutz in seiner<br />
ursprünglichen Form. Zuwächse werden heutzutage<br />
sowohl auf Handels- als auch auf Herstellerseite teilweise<br />
teuer erkauft. Mit zunehmender Sättigung tritt<br />
aber auch der Serviceaspekt unseres Luxusgeschäftes<br />
wieder stärker in den Vordergrund, was wiederum<br />
neue Chancen eröffnet.<br />
MARKENARTIKEL: Inwiefern neue Chancen?<br />
SISTIG: Zu unserer Aufgabe als Hersteller gehört es,<br />
die Einhaltung der strengen selektiven Vertriebskriterien<br />
zu überwachen. So können wir zusammen mit<br />
unseren Handelspartnern dem Endverbraucher ein<br />
luxuriöses Einkaufserlebnis aus erstklassigen Produkten,<br />
exzellenter Beratung und hochwertigem Ambiente<br />
anbieten.<br />
MARKENARTIKEL: Das selektive Vertriebsbindungssystem<br />
hat also aus Ihrer Sicht Vorteile für Hersteller, Handel<br />
und Verbraucher?<br />
» bilden sie den Wert.<br />
Andreas<br />
SISTIG: Es hilft uns enorm, die Wertschöpfung für alle<br />
Beteiligten aufrecht zu erhalten. Der Hersteller kann<br />
sich sicher sein, dass die Produkte in einem für die Marke<br />
hochwertigen Umfeld verkauft werden. Der Handel<br />
hat mit seinem hochklassigen Angebot die Gewissheit,<br />
dass seine Investitionen in Ausstattung und Service<br />
auch finanzierbar bleiben. Und der Endverbraucher<br />
erhält dafür ein exzellentes Einkaufserlebnis und eine<br />
perfekte Beratung. Ohne den Vertrag dürfte jeder alles<br />
verkaufen. Der Vertriebskanal Parfümerie würde gerade<br />
in der jetzigen Marktsituation kollabieren. Deshalb<br />
ist es sowohl für unsere Handelspartner als auch<br />
für uns Hersteller unabdingbar, auf die Einhaltung des<br />
Vertrages zu setzen.<br />
MARKENARTIKEL: Gerade bei Kosmetika ist die Präsentation<br />
das A und O. Ein starker Einzelhandel lebt von Individualität<br />
und Facettenreichtum. Mit welchen Konzepten<br />
kann der Handel Ihrer Ansicht nach punkten?<br />
SISTIG: In einer Welt global agierender Marken ist es<br />
nicht zu verhindern, dass viele der Beteiligten im Handel<br />
dasselbe Sortiment haben. Man findet dieses Phänomen<br />
auch international, da sich die Umsätze auf wenige<br />
große Konzerne verteilen. Wenn natürlich alle<br />
allen alles verkaufen wollen, gibt es keine Individualität<br />
mehr und das Angebot verschwimmt. Es gibt drei<br />
Ansätze, dies zu verhindern.<br />
MARKENARTIKEL: Und die wären?<br />
SISTIG: Neben der individuellen Sortimentsauswahl be-<br />
Handel und Industrie sind wie die beiden<br />
Seiten einer Münze. Erst zusammen<br />
Sistig, Shiseido
Foto: KDW - Kaufhaus des Westens<br />
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Ohne das stationäre Geschäft geht es auch in Zukunft nicht, denn Marken brauchen eine Bühne, auf der sie inszeniert werden.<br />
steht die Möglichkeit, sich klar für Marken zu entscheiden<br />
und ihnen eine Bühne für die Inszenierung<br />
zu bieten. Das kann ein Wettbewerber in der gleichen<br />
Stadt mit einer anderen Marke tun. Über eine derartige<br />
qualitative Differenzierung des Sortiments kann<br />
einem Standort mehr Individualität verliehen werden.<br />
Der zweite Ansatz ist das Geschäft selbst. Standort<br />
und Ausstattung müssen von Zeit zu Zeit überdacht<br />
werden. Kunden wollen interessiert und überrascht<br />
werden. Wenn man sich die Entwicklung so mancher<br />
Drogeriemarktketten anschaut, ist eindeutig der<br />
Schritt zu höherwertigen Einkaufserlebniswelten zu<br />
sehen. Das wird den Parfümerieeinzelhandel und seine<br />
Partner wiederum unter Zugzwang bringen.<br />
MARKENARTIKEL: Sie sprachen noch eine dritte Möglichkeit<br />
an. Was meinen Sie konkret?<br />
SISTIG: Hier geht es um den Service und die Beratung,<br />
das eigentliche Herzstück unseres gemeinsamen Geschäfts.<br />
Nur in ganz wenigen Märkten finden sich<br />
noch ein so großer Enthusiasmus seitens der Inhaber<br />
und ein so hohes Potenzial an Fachkräften mit Spezialwissen<br />
wie im Parfümeriemarkt. Zudem bietet die<br />
Industrie ständig Weiterbildungsprogramme an, mit<br />
denen sich Know-how nachrüsten lässt.<br />
MARKENARTIKEL: Aber welche Rolle spielen stationäre<br />
Einkaufsstätten in der multimedialen Einkaufswelt<br />
überhaupt noch? Sind sie in Zeiten des Internethandels<br />
nicht längst überholt?<br />
SISTIG: Der Online-Shop ist lediglich das virtuelle<br />
Schaufenster des stationären Geschäfts. Ohne das<br />
stationäre Geschäft geht es in unserer Branche einfach<br />
nicht. Auch wenn über das Internet mehr und<br />
mehr gekauft wird, so bedeutet das aber noch längst<br />
nicht, dass künftig alles nur noch dort verkauft wird.<br />
Das Internet ist eine gute Ergänzung und steht keinesfalls<br />
im Widerspruch zur Parfümerie als stationärem<br />
Geschäft.<br />
» Der Online-Shop ist lediglich<br />
das virtuelle Schaufenster des<br />
stationären Geschäfts.<br />
Andreas<br />
Sistig, Shiseido<br />
HANDELSBEZIEHUNGEN<br />
MARKENARTIKEL: Im Web müssen dabei die hohen qualitativen<br />
Ansprüche des selektiven Systems genauso gelten<br />
wie im stationären Handel. Wie kann es gelingen,<br />
auch in diesem Vertriebskanal die Aura des Besonderen<br />
darzustellen?<br />
SISTIG: Zunächst bleibt festzustellen, dass die Autorisierung<br />
des Online-Handels nur für stationäre Händler<br />
gelten kann, die das Geschäft verstehen. Trittbrettfahrern<br />
und Glücksrittern haben wir als Hersteller<br />
bereits massiv den Riegel vorgeschoben. Es wurde zudem<br />
bei den Depot-Verträgen für die Web-Shops viel<br />
Energie darauf verwendet, dass die Kriterien unseres<br />
selektiven Vertriebsbindungssystems auch im Internet<br />
gewahrt bleiben. Gefahr droht aber in erster Linie<br />
aus den Lücken des Systems. So wird beispielsweise<br />
unkontrolliert Ware unter Vernichtung jeglicher<br />
Luxusaspekte eingeschleust. Herausforderungen wie<br />
die Problematik des Graumarktes werden wir nur im<br />
partnerschaftlichen Miteinander lösen können.<br />
Interview: Vanessa Göbel<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
47
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KOSMETIK- UND PARFÜMWERBUNG MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
48<br />
»Träume und Wünsche<br />
entstehen lassen«<br />
Kosmetik- und Parfumwerbung besetzt einen festen Platz in der<br />
Werbelandschaft. Über die Besonderheiten der unterschiedlichen<br />
Werbekanäle sprachen wir mit Rolf Sigmund, Geschäftsführer<br />
L’Oréal Luxe und Vizepräsident im <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband.<br />
MARKENARTIKEL: 60 Jahre <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband spiegeln<br />
zugleich sechs Jahrzehnte Kosmetik- und Parfumwerbung.<br />
Was waren aus Ihrer Sicht in dieser Zeit<br />
die einschneidenden und besonders markanten Veränderungen?<br />
ROLF SIGMUND: Die Kosmetik- und Parfumwerbung ist zu<br />
einem wichtigen Pfeiler der Werbewirtschaft geworden.<br />
Die Frauenzeitschriften werden heute entscheidend<br />
von der Kosmetikwerbung geprägt. Im Laufe<br />
der Zeit hat es die Kosmetikindustrie verstanden,<br />
nicht nur Konzepte zu vermitteln, sondern auch den<br />
direkten Kontakt mit den Produkten durch aufwendige<br />
Testmuster in Form von Sachets und Dufttestmustern,<br />
sogenannten Scent Strips oder Scent Sceals,<br />
in direkter Verbindung mit den Anzeigen zu ermöglichen.<br />
Darüber hinaus ist die Fernsehwerbung heute<br />
ein fester Bestandteil der Werbestrategie, insbesondere<br />
für Duftkampagnen. Dasselbe gilt für den Bereich<br />
Internet, der uns eine optimale Ansprache von jungen<br />
Zielgruppen ermöglicht.<br />
MARKENARTIKEL: Die Produkte Ihrer Branche sprechen<br />
zahlreiche Sinne an, besonders stark den Geruchs-<br />
und Tastsinn. Wie kann es gelingen, diese zentralen<br />
Produktbesonderheiten in eher visuell geprägten Medien<br />
wie Print und Fernsehen beim Konsumenten angemessen<br />
zu kommunizieren?<br />
SIGMUND: Das gelingt sehr gut durch die Einbindung<br />
von Produktproben wie den bereits erwähnten Sachets<br />
für Pflege- und Make up-Produkte sowie durch Dufttestmuster,<br />
die in eine Anzeige integriert sind.<br />
MARKENARTIKEL: Durch das von Ihnen bereits angesprochene<br />
Internet ist in jüngerer Vergangenheit ein neuer,<br />
auch für Ihre Branche sehr wichtiger Kommunika-<br />
Rolf Sigmund ist Geschäftsführer von L’Oréal Luxe Germany und Vizepräsident im Vorstand<br />
des <strong>VKE</strong>-Kosmetikverbandes sowie der Fragrance Foundation Deutschland.<br />
tionskanal hinzugekommen. Welche Bedeutung und<br />
Chancen sehen Sie in diesem Medium für die Kosmetik-<br />
und Parfumbranche?<br />
SIGMUND: Das Internet erlaubt uns, unsere Konzepte<br />
und Produkte noch genauer zu erklären und wichtiges<br />
Hintergrundwissen zu vermitteln. Zudem erreichen<br />
wir über das Internet insbesondere die junge Zielgruppe<br />
sehr gut.<br />
MARKENARTIKEL: Das wohl wichtigste Marketinginstrument<br />
beim Kosmetik- und Parfumkauf ist dennoch<br />
wohl immer noch der Point of Sale, an dem sich je-
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
doch hunderte von Marken tummeln. Wie gelingt den<br />
Waren dort eine adäquate Präsentation und welche<br />
Wünsche haben Sie für die Warenpräsentation speziell<br />
an den Handel?<br />
SIGMUND: Der große Wunsch an den Handel ist, sich zu<br />
fokussieren, denn es gilt: weniger ist mehr. Es ist niemanden<br />
gedient, ein Maximum von Marken in gleicher<br />
Form darzustellen. Stattdessen sollten die wichtigen<br />
Ankermarken besonders herausgestellt werden.<br />
Der Konsument fühlt sich sicherer, wenn er die Top-<br />
Marken, die ihm bereits bekannt sind, schnell am<br />
Point of Sale erkennen kann.<br />
MARKENARTIKEL: Manche Marktbeobachter beklagen allerdings<br />
eine Austauschbarkeit der Markenwelten von<br />
Kosmetik und Parfums. Wie können sich Marken dennoch<br />
differenzieren und Akzente setzen?<br />
SIGMUND: Aus meiner Sicht können sich Marken durch<br />
eine klare Positionierung und durch einzigartige, echte<br />
Innovationen abgrenzen.<br />
MARKENARTIKEL: Werfen wir zum Schluss noch einen<br />
Blick nach vorne: Welches sind nach Ihrer Meinung<br />
in absehbarer Zukunft die zentralen Herausforderungen,<br />
Chancen und Gefahren für die Kosmetik-<br />
und Parfumwerbung?<br />
SIGMUND: Es muss uns mehr denn je gelingen, das Besondere<br />
hervorzuheben und damit Wünsche zu kreieren,<br />
die dem Konsumenten noch gar nicht bewusst<br />
sind. Unsere Werbung soll nicht Bedürfnisse befriedigen,<br />
sondern Träume und Wünsche entstehen lassen.<br />
Die Kosmetikwerbung muss dabei aber glaubhaft bleiben.<br />
Es ist mehr denn je wichtig, die Balance zu finden<br />
zwischen perfekter Schönheit, die gleichzeitig als<br />
erreichbar und erstrebenswert gilt.<br />
Interview: Torsten Schöwing<br />
KOSMETIK- UND PARFÜMWERBUNG<br />
In Berichten, aber auch<br />
Anzeigen gehört Kosmetik<br />
zu den zentralen Themen<br />
vieler Zeitschriften.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
49
60 JAHRE <strong>VKE</strong> EINKAUFSERLEBNIS MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
50<br />
Erlebniswelt Marke<br />
Ein besonderes Shopping-Erlebnis und ein Sortiment mit exklusiven<br />
Selektivmarken begeistern Kunden und sorgen für Emotionalität.<br />
Marken müssen deshalb am POS Geschichten erzählen und<br />
authentisch auftreten, um ihre Faszination erlebbar zu machen.<br />
ÜBER TRENDS, AUSSICHTEN UND CHANCEN des Kosmetikmarktes<br />
sprach MARKENARTIKEL mit den Geschäftsführern<br />
der Beauty Alliance Deutschland,<br />
Ulrich Schwarze und Christian Lorenz, sowie mit<br />
Markus Mackedanz, Category-Manager Parfümerie/Kosmetik<br />
bei der Galeria Kaufhof.<br />
MARKENARTIKEL: Starke Qualitätsmarken, hohe Innovationskraft<br />
und konstruktive Lösungsansätze beflügeln<br />
den Kosmetikkonsum. Welche Trends beobachten<br />
Sie?<br />
CHRISTIAN LORENZ: Starke Marken mit Fashion-Hintergrund<br />
entwickeln sich überdurchschnittlich gut. Dies<br />
gilt nicht nur national, sondern europaweit. Diesen<br />
Marken gelingt es, ihre dominante Position weiter<br />
auszubauen. Wir können weiterhin beobachten, dass<br />
mit Technologieprodukten hohe Umsätze generiert<br />
werden können. Hier entscheidet der Innovationszyklus<br />
über den künftigen Erfolg. Der Markenaufbau<br />
Christian Lorenz ist Geschäftsführer der<br />
Beauty Alliance Deutschland.<br />
Ulrich Schwarze ist Sprecher der Geschäftsführung<br />
der Beauty Alliance Deutschland.<br />
und ein Sortimentsgeschäft treten hier in den Hintergrund.<br />
Zudem entwickelt sich eine Fangemeinde<br />
für besondere Marken mit hoher Selektivität, sogenannte<br />
»Spezialitäten« oder auch Nischenmarken.<br />
Diesen gelingt es, eine hohe Emotionalität im Einkaufserlebnis<br />
zu schaffen und den Wunsch nach Individualität<br />
zu unterstreichen.<br />
MARKUS MACKEDANZ: Die Kunden schätzen einerseits die<br />
große Vielfalt eines Warenhauses: Die Parfümerien<br />
dort sind einzigartige Markenbühnen für hochwertige<br />
Kosmetik- und Parfümerieartikel. Hier finden sie<br />
eine große Auswahl an Premiummarken und in direkter<br />
Anbindung beispielsweise auch Produkte der<br />
Naturkosmetik. Andererseits können sie sich darauf<br />
verlassen, dort Produkte zu finden, die zu ihrem persönlichen<br />
Lebensstil passen. Galeria Kaufhof setzt<br />
im Parfümerie-Bereich auf modulare Sortimentskonzepte,<br />
die auf die individuellen Kundenbedürfnisse<br />
und Standortbedingungen zugeschnitten sind und<br />
den täglichen Luxus erlebbar machen.<br />
Markus Mackedanz ist Category-Manager<br />
Parfümerie/Kosmetik bei Galeria Kaufhof.
Foto: iStock Photo<br />
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Parfümerien in Warenhäusern sind einzigartige Markenbühnen für hochwertige Kosmetik- und Parfümerieartikel.<br />
MARKENARTIKEL: Das zunehmende Pflegebewusstsein<br />
bei Männern wird oft als Wachstumsgarant genannt.<br />
Sehen Sie diese Entwicklung auch?<br />
MACKEDANZ: Im europäischen Vergleich bietet der deutsche<br />
Markt hier noch Potenzial. Besonders bei den selektiven<br />
Marken sind die Wachstumsprognosen sehr positiv.<br />
LORENZ: Das Männersegment wächst im selektiven<br />
Handel langsam, aber langfristig. Grundsätzlich sehen<br />
wir, dass der Einstieg im Wesentlichen über Duft<br />
und Körperpflege geschieht. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass die klassische selektive Parfümerie auf ihr<br />
Hauptklientel – die weibliche Kundschaft – ausgerichtet<br />
ist. Wir müssen darauf achten, die Parfümerien als<br />
Einkaufs- und Erlebniswelt auch für die Männer attraktiv<br />
zu machen und dem anders gelagerten Einkaufsverhalten<br />
der Männer gerecht zu werden.<br />
MARKENARTIKEL: Stationärer Fachhandel versus multimediale<br />
Einkaufswelt. Was bedeutet dies für eine Multichannel-Marketingstrategie?<br />
ULRICH SCHWARZE: Der Online-Bereich gewinnt im gesamten<br />
Handel an Bedeutung, ist aber ein sehr rationales<br />
Geschäft. Das stationäre Fachgeschäft kann<br />
dagegen mit Emotionen punkten. Der direkte Dialog<br />
zwischen Fachverkäuferin und Kundin kann im<br />
Online-Handel nicht abgedeckt werden. Für uns gilt<br />
es, beide Ansätze strategisch miteinander zu kombinieren.<br />
Wir müssen allerdings darauf achten, dass<br />
die technischen Elemente das Geschäft nicht überfrachten<br />
und so integriert werden, dass das emotionale<br />
Einkaufserlebnis erhalten bleibt.<br />
MACKEDANZ: Eine integrierte Kommunikation ist hier<br />
von ganz entscheidender Bedeutung. Wir verstehen<br />
uns als Multichannel-Retailer, der das Beste aus virtueller<br />
und realer Filialwelt miteinander verbindet.<br />
Von dieser engen Vernetzung des stationären Warenhausgeschäftes<br />
mit unserem Online-Shop profitieren<br />
unsere Kunden und diese Botschaft gilt es verstärkt<br />
über die verschiedenen Medien zu spielen.<br />
EINKAUFSERLEBNIS<br />
MARKENARTIKEL: Inwieweit hat und wird sich vor diesem<br />
Hintergrund die Warenpräsentation im klassischen<br />
Fachhandel wandeln?<br />
SCHWARZE: Bei der eigentlichen Warenpräsentation gibt<br />
es – aus unserer Sicht – keine Veränderungen durch<br />
Multichannel-Ansätze. Das Verhalten der Kundin bei<br />
der Suche nach Produkten und der Einschätzung der<br />
Sortimente ist seit vielen Jahren gleich. Wir ergänzen<br />
die Präsentation zum Beispiel durch eine Doppelplatzierung<br />
mit bewegten Bildern. Wir sehen dies<br />
allerdings als eine Fortentwicklung, nicht als einen<br />
grundsätzlichen Wandel.<br />
MARKENARTIKEL: Das Einkaufslebnis wird von starken<br />
Marken geprägt. Was bedeutet das für die selektiven<br />
Kosmetikmarken?<br />
MACKEDANZ: Wir wollen auch zukünftig Trends setzen.<br />
Gemeinsam mit unseren Partnern der selektiven<br />
Marken erarbeiten wir klar strukturierte Warenpräsentationen<br />
und schaffen mit ausgesuchten<br />
Aktionen sowie überzeugenden Produkten ein einzigartiges<br />
Beauty-Shopping-Erlebnis für unsere Kunden.<br />
Und das funktioniert nur mit qualifizierten und<br />
motivierten Mitarbeitern. Für die fachliche Kompetenz<br />
nutzen wir interne Schulungsprogramme genauso<br />
wie Angebote der Markenindustrie.<br />
LORENZ: Starke Marken leben von der Geschichte, die<br />
sie erzählen. Diese beeinflusst auch das Dufterlebnis.<br />
Daher prägen starke Marken mit einer starken Visualisierung<br />
bereits im Vorfeld das Kauferlebnis und somit<br />
auch die Erwartung der Kundin. Ein prägnantes<br />
Beispiel hierfür sind die bereits erwähnten Fashionmarken.<br />
In vielen Einkaufskanälen wird dieses Bild<br />
jedoch brüchig: Das gilt vor allem für die Einkaufsstätten,<br />
die dem Wunsch nach Emotionalität und Erlebniswelt<br />
nicht gerecht werden und der Kauf von<br />
Preis und Masse bestimmt wird.<br />
Umfrage: Uwe Käckenhoff<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
51
60 JAHRE <strong>VKE</strong> DUFTMARKETING MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
52<br />
Der richtige Riecher<br />
Um herauszufinden, welcher Duft zu einer Kosmetikmarke passt,<br />
sind zahlreiche Tests nötig. Denn der erste Eindruck ist wichtig.<br />
Nur wenn Geruch und Aussehen den Konsumenten überzeugen,<br />
wird er ein Produkt auch kaufen.<br />
MIT JEDEM ATEMZUG VERARBEITEN WIR Geruchsinformationen<br />
aus der Umwelt: Ist ein Duft bekannt? Ist er angenehm<br />
oder nicht? Welche Informationen liefert der Duft über<br />
das Produkt? An derartigen Fragen orientieren sich<br />
Verbraucher implizit, wenn sie sich beispielsweise für<br />
ein Kosmetikprodukt entscheiden. So fand eine japanische<br />
Studie in Tiefeninterviews heraus, dass Verwender<br />
von Pflegeprodukten einen angenehmen Duft als<br />
»Muss« voraussetzen.<br />
Der Produktduft ist wichtig, da er neben dem Aussehen<br />
für den ersten Eindruck verantwortlich ist und<br />
Der Duft prägt die Produkterfahrung<br />
und ist neben dem Aussehen für den<br />
ersten Eindruck entscheidend.<br />
damit die Produkterfahrung prägt. Ein besonders angenehmer<br />
Duft kann sogar zu einer verstärkten Verwendung<br />
führen. Darüber hinaus beurteilen Konsumenten<br />
anhand des Geruchs auch die Qualität und<br />
die Glaubwürdigkeit des Produktversprechens, insbesondere<br />
dann, wenn sie die Wirksamkeit kosmetischer<br />
Produkte nicht unmittelbar überprüfen können. Hersteller<br />
von Kosmetika stehen deshalb vor der schwierigen<br />
Frage, welche Düfte sie in ihren Produkten verwenden<br />
sollen.<br />
Differenzierung und Wiedererkennung<br />
Zunächst ist die strategische Entscheidung zu treffen,<br />
ob der Duft als Markenduft für alle Produkte einer<br />
Marke beziehungsweise Markenfamilie<br />
verwendet werden soll oder ob jedes<br />
Produkt einen eigenen Duft erhält. Ein<br />
prägnanter Markenduft bietet<br />
gute Differenzierungsmöglichkeiten<br />
und einen<br />
hohen Wiedererkennungswert.Immerhin<br />
hielten in der zitierten<br />
Studie nur<br />
zwei der Befragten<br />
den Duft ihrer Produkte<br />
für einzigartig.<br />
Da die Duftakzeptanz<br />
die Akzeptanz<br />
der Markenfamilie beeinflusst,<br />
hat die Kreation<br />
bei Markendüften<br />
eine große Verantwortung.<br />
Produktdüfte als anderes Extrem<br />
haben den Vorteil, dass die<br />
Verbraucher den Produktnutzen bes- Photo<br />
ser nachvollziehen können, sofern der Geruch den ge-<br />
iStock<br />
weckten Erwartungen entspricht. So erwartet man bei<br />
einem als mild ausgelobten Reinigungsversprechen ei- Fotos:
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Konsumenten beurteilen anhand des Geruchs auch die Qualität und die Glaubwürdigkeit des Produktversprechens.<br />
nen anderen Duft als bei einer Intensivreinigung. Das<br />
Produkt gewinnt damit an Glaubwürdigkeit, kann jedoch<br />
gleichzeitig an Einzigartigkeit einbüßen, wenn<br />
man nur auf produkttypische Düfte zurückgreift. Als<br />
Kompromiss zwischen beiden Extremen bietet sich die<br />
Kombination aus wieder erkennbarem Markenkernduft<br />
und produktweise variierenden Duftnuancen an.<br />
Erwartungen der Verbraucher berücksichtigen<br />
Die wesentliche Anforderung an einen Duft ist dessen<br />
hohe Akzeptanz. Immer wieder zeigen aber Auswahltests,<br />
dass Verbraucher keine eindeutigen Präferenzen<br />
für die eine oder andere Duftalternative zeigen. Dadurch<br />
werden je nach gewählter Strategie weitere Duftmerkmale<br />
bedeutsam, die die Produktwahrnehmung<br />
und -beurteilung beeinflussen können. Hierzu gehören<br />
die Bedürfnisse und Erwartungen der Verbraucher sowie<br />
die Marken- und Produktpositionierung.<br />
Erwartungen werden etwa durch die Inhaltsstoffe geweckt<br />
(z.B. Pfirsichöl), die sich geruchlich im Produkt<br />
wiederfinden können. Auch das Nutzenversprechen<br />
spielt eine Rolle, wie das Beispiel des Reinigungsversprechens<br />
zeigt. Die empfundene Duftqualität ist insbesondere<br />
für hochpreisige Kosmetikprodukte relevant.<br />
Darüber hinaus kann man die Duftkongruenz zur Produkt-<br />
und Markengestaltung beachten, zum Beispiel<br />
die Duftpassung zu verwendeten Farben, Bildern, der<br />
Verpackung und dergleichen. Sogar implizite Verwendungsmotive<br />
der Verbraucher (z.B. Bedürfnis nach Sicherheit<br />
oder nach Machtstreben) können berücksichtigt<br />
werden. Neben psychologischen Aspekten spielen<br />
natürlich auch Kosten, Hauthaftung der Düfte, rechtliche<br />
Rahmenbedingungen und dergleichen eine Rolle<br />
bei der Duftsuche.<br />
Explizite & implizite Verarbeitung von Information<br />
Damit der Duft das Image und die Positionierung einer<br />
Marke unterstützen kann, muss überprüft werden,<br />
ob die Kreationen von den Konsumenten in der beab-<br />
DUFTMARKETING<br />
sichtigten Art und Weise wahrgenommen und beurteilt<br />
werden. Die sensorische Produktforschung stellt<br />
für diese Aufgabe verschiedene Ansätze zur Verfügung.<br />
Aufgrund der Erkenntnisse der Neurowissenschaften<br />
erscheint es sinnvoll, zwischen expliziten beziehungsweise<br />
bewussten sowie impliziten beziehungsweise unbewussten<br />
Prozessen im Zusammenhang mit der Verarbeitung<br />
olfaktorischer Markeninformationen zu<br />
unterscheiden, wobei die impliziten Prozesse eine weitaus<br />
wichtigere Rolle spielen.<br />
Zur Erfassung der bewussten Verarbeitung olfaktorischer<br />
Markenreize kommen affektive Konsumententests<br />
zum Einsatz, die als Präferenz- oder Akzeptanztest<br />
angelegt sind. Bei letzterem müssen die<br />
Testpersonen anhand einer Ratingskala angeben, wie<br />
sie einen Duft isoliert (»Blindtest«) beziehungsweise<br />
im Markenkontext (»informierter Test«) beurteilen.<br />
Der normale Mensch kann jedoch aufgrund der Besonderheiten<br />
der Verarbeitung olfaktorischer Reize<br />
im Gehirn (z.B. unzureichende olfaktorische Sprache;<br />
starke Integration bei der Verarbeitung unterschiedlicher<br />
Sinneseindrücke) nicht angeben, auf welchen<br />
Wahrnehmungen seine Beurteilung eines Duftes beruht.<br />
Er kann folglich nicht verbalisieren, welche Eigenschaften<br />
für dessen spontane ganzheitliche Beurteilung<br />
verantwortlich sind.<br />
Olfaktorischer Fingerabdruck für jeden Duft<br />
Im Rahmen der sensorischen Produktforschung kommt<br />
deshalb die sogenannte deskriptive Analyse zum Einsatz.<br />
Eine sorgfältig ausgewählte und in der olfaktorischen<br />
Wahrnehmung intensiv geschulte Gruppe von<br />
Personen ist in der Lage, mithilfe einer eigens für diese<br />
Aufgabe entwickelten Sprache sowie geeigneter Referenzreize<br />
jeden komplexen Duft in seine wahrnehmbaren<br />
olfaktorischen Bestandteile zu zerlegen und somit<br />
Unterschiede zu beschreiben und zu quantifizieren. Das<br />
Ergebnis der deskriptiven Analyse ist ein „olfaktorischer<br />
Fingerabdruck“ für jeden analysierten Duft. Die<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
53
60 JAHRE <strong>VKE</strong> DUFTMARKETING MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
54<br />
Damit der Duft das Image einer Marke unterstützen kann, muss die Kreationen von den Konsumenten in der beabsichtigten Art wahrgenommen werden.<br />
multivariate Verknüpfung der Ergebnisse eines affektiven<br />
Tests mit den Ergebnissen der deskriptiven Analyse<br />
liefert schließlich Hinweise für Produktentwicklung<br />
und Markenmanagement gleichermaßen: Es lassen sich<br />
die Duftbestandteile und deren Intensitäten identifizieren,<br />
welche die Gesamtbeurteilung eines Duftes positiv<br />
beziehungsweise negativ beeinflussen.<br />
Verfahren wie die klassischen affektiven Konsumententests,<br />
die die bewussten Anteile der Verarbeitung von<br />
Markendüften erfassen, berücksichtigen jedoch nicht<br />
die mangelnde Fähigkeit zur Introspektion – insbesondere<br />
in Bezug auf Wahrnehmung und Beurteilung olfaktorischer<br />
Reize. Das heißt, dass die Befragten nicht<br />
in der Lage sind, ihre affektive Reaktion auf einen Duft<br />
zuverlässig anzugeben, weil es ihnen nicht möglich ist,<br />
die Ergebnisse ihrer unbewussten Wahrnehmungs- und<br />
Beurteilungsprozesse gegenüber dem interessierenden<br />
Stimulus aus dem Gehirn abzurufen.<br />
Passende Assoziationen wecken<br />
In jüngster Zeit haben deshalb Ansätze zur Erfassung<br />
der unbewussten Verarbeitung olfaktorischer Markenreize<br />
an Bedeutung gewonnen, von denen die reaktionszeitbasierten<br />
Verfahren die beste theoretische Fundierung<br />
sowie die größte Praxisrelevanz aufweisen. Ihr<br />
Grundgedanke besteht darin, durch die Messung der<br />
Schnelligkeit, mit der Probanden auf die präsentierten<br />
Dr. Patrick Hehn arbeitet als<br />
Duftwirkungsforscher für das<br />
Institut für Sensorikforschung<br />
und Innovationsberatung<br />
in Göttingen. Er ist zudem Lehrbeauftragter<br />
für Duftmarketing<br />
an der Hochschule Harz in<br />
Wernigerode.<br />
Stimuli reagieren, Informationen über die durch einen<br />
Duft ausgelösten Reaktionen beziehungsweise Assoziationen<br />
der Probanden zu gewinnen. Beim Forced<br />
Choice Assoziationstest (FCC) werden den Probanden<br />
am Bildschirm – zusammen mit dem Markenduft<br />
– nacheinander verschiedene beschreibende und bewertende<br />
Begriffe sowie Bilder präsentiert. Sie müssen<br />
innerhalb kürzester Zeit (2 bis 3 Sekunden) entscheiden,<br />
ob der jeweilige Stimulus zum Duft passt oder<br />
nicht. Auf diese Weise gelingt es, die unbewusste Entscheidung<br />
bezüglich der Reaktion auf den Duft (positive<br />
oder negative Valenz) sowie die Assoziationen, die<br />
durch den Duft ausgelöst werden, zu erfassen.<br />
Wer weiß, welcher Duft zu seiner Marke passt, kann<br />
dem Wettbewerb den entscheidenden Schritt voraus<br />
sein. Nur wenn Geruch und Produktversprechen stimmig<br />
sind, entsteht beim Konsumenten ein konsistentes<br />
Bild. Gerade im Kosmetikbereich sollten Hersteller<br />
deshalb darauf achten, sich mit ihrem Produkt zu differenzieren,<br />
aber sich gleichzeitig nicht zu weit von den<br />
gelernten Gerüchen der Kategorie zu entfernen. Die<br />
Kaufentscheidung wird letztendlich auch danach gefällt,<br />
welches Produkt man »am besten riechen kann.«<br />
Dr. Patrick Hehn, Prof. Dr. Andreas Scharf<br />
Prof. Dr. Andreas Scharf lehrt<br />
Betriebswirtschaft, insbesondere<br />
Marketing, an der Fachhochschule<br />
Nordhausen und<br />
ist wissenschaftlicher Leiter<br />
des Instituts für Sensorikforschung<br />
und Innovationsberatung<br />
in Göttingen.
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Ohne Rücksicht<br />
geht es nicht<br />
Nachhaltigkeit spielt in der Kosmetikbranche eine immer wichtigere<br />
Rolle. Ein Unternehmen, das hier bereits seit Jahrzehnten<br />
vorbildlich agiert, ist die Naturkosmetikmarke Annemarie Börlind.<br />
Börlind-Chef Michael Lindner erläutert, worauf es bei grünen<br />
Produkten ankommt und warum Authentizität Trumpf ist.<br />
MARKENARTIKEL: Ihr Unternehmen produziert bereits<br />
seit 1959 Naturkosmetikprodukte. Zu einer Zeit, als<br />
Cremes und Schminke ohne Silikone, Paraffine, Erdölprodukte,<br />
Duft-, Farb- und Konservierungsstoffe<br />
noch als Wald-und-Wiesen-Pflege belächelt wurden.<br />
Heute wird das Thema Nachhaltigkeit von Unternehmen<br />
zunehmend forciert. Wie kommt es, dass es<br />
ein solcher Dauerbrenner geworden ist?<br />
MICHAEL LINDNER: Verantwortung und Respekt für Natur<br />
und Umwelt wie auch für Mensch und Gesellschaft<br />
sind heute für den nachhaltigen Erfolg eines<br />
Unternehmens unverzichtbar. Um es ganz deutlich<br />
zu sagen: Ohne Rücksicht auf Umwelt und ohne einen<br />
achtsamen Umgang mit unterpriviligierten Menschen<br />
aus anderen Kulturkreisen ist die Zukunft von<br />
uns allen gefährdet. Das erkennen immer mehr Konsumenten<br />
aus allen sozialen Schichten, so dass zunehmend<br />
mehr Kaufentscheidungen neben den Kriterien<br />
Wirksamkeit und Verträglichkeit auch unter<br />
den genannten Gesichtspunkten getroffen werden.<br />
MARKENARTIKEL: Auch die Kosmetikindustrie hat das<br />
längst erkannt. Immer mehr Hersteller setzten auf<br />
die Sogkraft der grünen Produkte und bringen neue<br />
Marken und Ranges auf den Markt.<br />
LINDNER: Nach meinem Dafürhalten ist dies ein Muss für<br />
alle Markenverantwortlichen. Die stark wachsende<br />
Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen mit einem<br />
grünen Mehrwert ist unübersehbar. Dieser Trend wird<br />
sich in den kommenden Jahren noch fortsetzen, ja verstärken.<br />
Durch ein nachhaltiges Produktsortiment lassen<br />
sich daher für jeden nachhaltig aufgestellten Kosmetikhersteller<br />
neue Kundengruppen sowie gute zusätzliche<br />
Umsatz- und Profilierungschancen erschließen.<br />
MARKENARTIKEL: Worauf müssen die Hersteller achten,<br />
die ihre Produkte natürlicher machen wollen?<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Michael Lindner leitet als geschäftsführender Gesellschafter die<br />
Geschäfte der Börlind Gesellschaft für kosm. Erzeugnisse mbH in<br />
Calw, zu der die Marken Annemarie Börlind, Tautropfen und Dado<br />
Sens gehören. Das Unternehmen unterstützt zahlreiche sozioökologische<br />
Initiativen: Über das Projekt KOOFA bezieht Börlind<br />
Öle aus Bio-Anbau. Das Rosenextrakt stammt aus dem Zahra<br />
Rosewater-Projekt, durch das 1.500 Menschen ein gesichertes<br />
Einkommen erhalten. Aus den Gewinnen werden Waisenhäuser<br />
und ein Frauenhaus für Ex-Prostituierte finanziert. In Mali, von wo<br />
der Großteil der bei Börlind verwendeten Karitébutter stammt,<br />
unterstützt Börlind das Projekt Häuser der Hoffnung e.V., das unter<br />
anderem finanzielle Mittel für den Aufbau der Infrastruktur, die<br />
Schulung und Ausbildung qualifizierter Fachkräfte und den Erwerb<br />
nachhaltiger Produktionsmaschinen bereitstellt.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
55
60 JAHRE <strong>VKE</strong> NACHHALTIGKEIT MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
56<br />
Frauen in Mali sammeln die Nüsse der Karitébäume, aus denen Shea-Butter gewonnen wird. Börind unterstützt zusammen mit »Häuser der<br />
Hoffnung e.V.« ein sozio-ökologisches Projekt vor Ort. Im Rahmen dieser Initiative werden unter anderem qualifizierte Fachkräfte ausgebildet und<br />
Mittel für den Erwerb nachhaltiger Produktionsmaschinen bereitgestellt.<br />
LINDNER: Als erstes ist es natürlich notwendig, dass die<br />
Inhaltsstoffe möglichst natürlichen Ursprungs sein<br />
sollten. Dabei muss streng darauf geachtet werden,<br />
dass dies nicht auf Kosten der Natur erfolgt – beispielsweise<br />
durch Raubbau oder Monokultur. Dies kann sichergestellt<br />
werden durch autorisierte Kontrollinstitute,<br />
die weltweit vor Ort tätig sein müssen. Auch die<br />
Verpackung sollte möglichst umweltneutral sein.<br />
MARKENARTIKEL: Die Konsumenten legen auch Wert auf<br />
eine umweltneutrale Verpackung?<br />
LINDNER: Ich bin mir sicher, dass Verbraucher eines Tages<br />
darauf achten werden, ob beispielsweise Verkaufsdisplays,<br />
die nur kurzfristig den Verkauf ankurbeln<br />
sollen, aus wiederverwertbaren oder zumindest umweltneutralen<br />
Materialien hergestellt wurden – oder<br />
ob sie die Umwelt stark belasten.<br />
MARKENARTIKEL: Für die Unternehmen geht es bei dem<br />
Thema allerdings um weit mehr als bloße Image-Politur.<br />
Nachhaltigkeit ist längst eine wirtschaftliche<br />
Notwendigkeit geworden zu sein Kunden machen<br />
ihre Kaufentscheidung zunehmend auch vom Charakter<br />
des Unternehmens abhängig, das hinter den<br />
Marken steht. Ist diese Erkenntnis in den Köpfen der<br />
Kosmetikbranche angelangt?<br />
LINDNER: Ich bin überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit<br />
bereits sehr stark im Bewusstsein der Unternehmensverantwortlichen<br />
verankert ist. Das zeigt<br />
sich deutlich in ihrem sozialen Engagement und<br />
schlägt sich in zahlreichen umwelt-entlastenden<br />
Maßnahmen nieder. Es ist zu wünschen, dass sich<br />
künftig immer mehr Entscheidungsträger aus Industrie,<br />
Handel und Dienstleistung des global bedeutsamen<br />
Themas einer nachhaltigen Unternehmensführung<br />
annehmen und neben Worten zunehmend auch<br />
Taten sprechen lassen.<br />
MARKENARTIKEL: Wie meinen Sie das?<br />
LINDNER: Es ist wichtig, dass eine Nachhaltigkeitskommunikation<br />
nicht zum reinen Marketing- oder PR-<br />
Tool herabgewürdigt wird, sondern vielmehr authentischer<br />
Ausdruck einer gelebten Umweltphilosophie<br />
ist – fest verankert in den jeweiligen Unternehmensleitbildern.<br />
MARKENARTIKEL: Kann es dabei hilfreich sein, weltweit<br />
gültige Standards zu entwickeln? Unternehmen definieren<br />
ihre Anforderungen an sozial und ökologisch<br />
verantwortungsvolles Handeln bisher meist selbst.<br />
LINDNER: Entscheidender als ein Industriestandard sind<br />
meines Erachtens die transparente Kommunikation<br />
von Produkt- und Unternehmensqualitäten sowie die<br />
jeweiligen CSR-Standards. Aus diesem Grund haben<br />
wir uns bei Börlind für eine individuelle und unabhängige<br />
Zertifizierung durch ECO Control entschieden.<br />
So werden für den Verbraucher auch nachhaltige<br />
und soziale Aspekte unserer Kosmetik verständlich<br />
und nachvollziehbar.<br />
MARKENARTIKEL: Wer authentisch agiert, ist also klar<br />
im Vorteil.<br />
LINDNER: Man kann auf Dauer nur das nach Außen<br />
tragen, was tatsächlich auch an Substanz vorhanden<br />
ist. Früher oder später wird jedem Verbraucher<br />
klar, welche Unternehmen authentisch und transparent<br />
arbeiten und bei welchen Anbietern nur Greenwashing<br />
getrieben wird. Daher ist Ehrlichkeit nicht<br />
nur ein Gebot für Anstand in der Wirtschaft, sondern<br />
vor allem auch Voraussetzung für den langfristigen<br />
wirtschaftlichen Erfolg.<br />
Interview: Vanessa Göbel
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
NATURKOSMETIK: WACHSENDES MARKTSEGMENT<br />
Neben Börlind haben heute zahlreiche Newcomer-Marken das grüne Segment für sich entdeckt. Denn Umweltbewusstsein ist en vogue und<br />
längst nicht mehr nur etwas für spleenige Aktivisten. Klar, dass davon auch die Naturkosmetik profitiert. Das Segment boomt. Insbesondere<br />
in Deutschland: Der hiesige Naturkosmetikmarkt ist der umsatzstärkste in Europa. Nach der sprunghaften Entwicklung in den vergangenen<br />
Jahren hat sich das Wachstum 2011 zwar etwas verlangsamt. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete das Marktsegment nach der Definition<br />
von Branchenexpertin Elfriede Dambacher einen Zuwachs von 2,5 Prozent auf 815 Millionen Euro (2010: 795 Mio. Euro). In den vergangenen fünf<br />
Jahren erwirtschaftete der Teilmarkt ein Umsatzplus von 200 Millionen Euro. Die Zeichen stehen jedoch weiterhin auf Wachstum. Der Marktanteil<br />
der Naturkosmetik am Gesamtkosmetikmarkt stieg in Deutschland von 6,3 Prozent im Jahr 2010 auf 6,5 Prozent im Jahr 2011. Zum Vergleich:<br />
Laut der Leitmesse für Naturkosmetik Vivanes liegt der Anteil von Naturkosmetik in den meisten anderen europäischen Ländern bei<br />
drei bis vier Prozent. Der Durchschnitt für Europa liegt bei zwei Prozent. Hinzu kommt die naturnahe Kosmetik, die hierzulande im vergangenen<br />
Jahr stark zulegen konnte und laut der Gesellschaft für Konsumforschung GfK auf einen Marktanteil von 7,8 Prozent kommt.<br />
Die gute Entwicklung lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass neben tradierten Namen wie Annemarie Börlind, Dr. Hauschka oder<br />
Weleda heute auch neue grüne Labels um die Gunst der Kundinnen buhlen. Zudem feilen Firmen wie L´Oréal oder Clarins an ihrem Öko-Image<br />
und entwickeln grüne Subranges. Außerdem ist die Verfügbarkeit von Naturkosmetik und naturnaher Kosmetik gestiegen. Die Produkte sind<br />
inzwischen fast überall verfügbar und werden nicht mehr nur im Biofachhandel verkauft. Der Naturkosmetik-Markt und der naturnahe Markt<br />
bleiben deshalb wichtige Wachstumsmotoren in der Kosmetikbranche.<br />
Laborchefin Guylaine LeLoarer weist<br />
eine malische Mitarbeiterin des<br />
Karitébutter-Projekts in die Qualitätsstandards<br />
von Börlind ein.<br />
LABELS FÜR NATURKOSMETIKPRODUKTE<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Zu den bekanntesten Zeichen zählt das BDHI-Prüfsiegel »Kontrollierte Natur-Kosmetik« des Bundesverbandes Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen<br />
für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel e.V. Der BDHI kontrolliert jedes Produkt auf Konformität<br />
zum BDIH-Standard. Mehr Informationen unter www.ionc.info.<br />
Ein weiteres bekanntes Siegel kommt von Ecocert, einer der größten Bio-Zertifizierungsorganisationen der Welt. Der Verband zertifiziert neben<br />
Rohstoffen auch Kosmetikprodukte mit den Labeln »Ökologische und biologische Kosmetik« sowie »Biologische Kosmetik« (www.ecocert.de).<br />
Auch die Inspektions- und Zertifizierungsstelle EcoControl zertifiziert ökologische Produkte und Qualitätssicherungs-Systeme im Non-Food Bereich.<br />
Die Bewertung für Natur- und Biokosmetik erfolgt gemäß BDIH-, COSMOS- und NaTrue-Standards. EcoControl kontrolliert auch die Hausstandards<br />
von Firmen mit ökologischen Produkten und schließt bei der Bewertung soziale/nachhaltige Fragen mit ein. Die Grundlagen für die Zertifizierung<br />
sind unter www.eco-control.com veröffentlicht.<br />
Der BDIH (Deutschland), Bioforum (Belgien), Cosmebio & Ecocert (Frankreich), Icea (Italien) und die Soil Association (Großbritannien) haben 2009<br />
zudem den COSMOS-Standard veröffentlicht, einen harmonisierten europäischen Naturkosmetikstandard. Er soll die Vergleichbarkeit möglich machen<br />
und Mindeststandards setzen, ohne die nationalen Systeme abzuschaffen. Weitere Details unter www.cosmos-standard.org.<br />
Das Naturkosmetik- Siegel NaTrue wurde 2007 von mehreren europäischen Herstellern von Natur- und Biokosmetik gegründet. Der wissenschaftliche<br />
Ausschuss des international tätigen, nicht gewinnorientierten Verbandes hat die Vergabekriterien des Labels definiert und entwickelt sie<br />
kontinuierlich weiter. Zertifiziert wird in drei Qualitätsstufen: Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bio-Anteil und Biokosmetik. Weitere Informationen<br />
unter www.natrue.org.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
57
60 JAHRE <strong>VKE</strong> EINKAUFSERLEBNIS MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
58<br />
Illustration: IRMA. 2012,www.irmasworld.com<br />
Ein Stück vom Glück<br />
Wer Prestigekosmetik kauft, gönnt sich damit auch ein Stück<br />
Luxus. Das Einkaufserlebnis muss deshalb stimmen. Die Kunden<br />
wollen in einem ansprechenden Ambiente beraten werden.<br />
DIE UNTERNEHMENSBERATUNG Roland Berger Strategy Consultants<br />
beziffert den deutschen Luxusmarkt auf 12,9<br />
Milliarden Euro – ein Plus von 16 Prozent im Vergleich<br />
zu 2011. Auch der <strong>VKE</strong>-Kosmetikverband meldet ein<br />
Wachstum. Die Umsätze der Mitglieder wuchsen 2011<br />
um 5,2 Prozent auf nunmehr fast 1,8 Milliarden Euro.<br />
Damit liegt die Wachstumsrate für Prestigekosmetik<br />
allerdings deutlich unter der im Luxusbereich insgesamt.<br />
Woran liegt das? Der Kosmetikmarkt hat mit<br />
Markenpiraterie und Preiserosion zu kämpfen. Ständige<br />
Billigpreisaktionen, nicht nur im Internet, belasten<br />
die Margen der Branche.<br />
Dabei spielt gerade bei Luxus- und Prestigeprodukten<br />
der Preis eine zentrale Rolle in der Markenführung. So<br />
sagte Christian Courtin, Clarins, in einem Interview<br />
in der Zeitschrift ���������: »Wenn wir morgen ein<br />
außergewöhnliches Produkt zu einem niedrigen Preis<br />
anbieten wollten, würde es sich nicht verkaufen. Die<br />
Kundin lässt sich auch vom Preis in ihrer Wahl bestätigen.«<br />
Peter Wiedemann, Parfümerie Wiedemann, ergänzt:<br />
»Nur die Industrie kann eine Luxusmarke aufbauen,<br />
wobei der Fachhandel die Markenwelt dann<br />
auch entsprechend weiterleben muss.«<br />
Online-Handel gewinnt an Bedeutung<br />
Allerdings wird heute nicht mehr nur im Fachhandel gekauft.<br />
Online-Shopping nimmt langsam zu, allerdings<br />
liegt der Anteil am weltweiten Gesamtmarkt mit drei<br />
Prozent noch im sehr niedrigen Bereich. In Deutschland<br />
gehört Douglas zu den größten Multi-Channel-Händlern.<br />
Hier sind der stationäre Handel und der Online-<br />
Shop eng verzahnt. In den Filialen stehen beispielsweise<br />
Terminals, an denen nicht vorrätige Produkte über<br />
das Internet geordert und nach Hause oder in die Filiale<br />
geschickt werden können. Andersherum hat jede Douglas-Parfümerie<br />
ein eigenes Profil, so dass sich Kunden<br />
im Web über aktuelle Angebote, Serviceleistungen oder<br />
Events in ihrer Filiale informieren können.<br />
Das Internet ist damit vor allem vor dem Kauf zur Informationsbasis<br />
geworden ist – die Lust am Einkauf<br />
mit allen Sinnen kann es nicht ersetzen. Das emotionale<br />
und multisensuale Kauferlebnis ist und bleibt das<br />
beste Kundenbindungsinstrument des klassischen POS.<br />
»Gerade zum Kauf von Düften kommen die Kunden<br />
gern in meine Parfümerie, auch wenn sie sich vorher<br />
im Internet umgesehen haben«, so Tanja Bublitz von<br />
der Parfümerie Brückner in München. Ein Problem dabei<br />
ist allerdings, dass gerade die Jüngeren keine Bedienung<br />
mehr gewohnt sind. Wiedemann: »Wenn der jüngere<br />
Kunde sich auf eine Fachberatung einlässt, dann<br />
muss sich ein ‚Wow-Effekt’ einstellen.«<br />
Im stationären Handel führen eine unscharfe Positionierung<br />
und mangelnde Beratungskompetenz schnell<br />
dazu, dass neue Mitbewerber auf den Plan treten. Michaela<br />
Andraschko von der kleinen Theatiner Parfümerie<br />
in München warnt deshalb: »Die zukünftige Kon-
Foto: Douglas<br />
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Der stationäre Handel muss mit gezielten Aktivitäten und Sortimenten, die auf den Standort zugeschnitten sind, kundenindividuelle Wünsche befriedigen<br />
kurrenz der Parfümerie wird die gut geführte Apotheke<br />
werden.« Um der Konkurrenz zu begegnen, wird gezieltes<br />
Shoppermarketing immer wichtiger für den Erfolg.<br />
Es gilt, den Menschen in seiner spezifischen Individualität<br />
zu erreichen. Das bestätigt Helmut Baurecht,<br />
Geschäftsführer Artdeco: »Das Thema Individualität<br />
muss mehr in den Mittelpunkt der Verkaufsbemühungen<br />
gestellt werden. Der Fachhandel muss auch<br />
Nischenprodukte anbieten, die in den Massmarket-Kanälen<br />
oft nicht verfügbar sind.«<br />
Individuelle Angebote für die Kunden entwickeln<br />
Für den Handel bedeutet das, mit gezielten Aktivitäten<br />
die gestiegenen kundenindividuellen Wünsche zu befriedigen<br />
– und die Aufenthaltsqualität zu steigern. Sortimente,<br />
die auf den Standort zugeschnitten sind und<br />
die Erweiterung der Palette um Naturkosmetikprodukte<br />
sind nur Möglichkeiten, um die Attraktivität zu<br />
erhöhen. Die Parfümerie-Abteilung muss zur Markenbühne<br />
werden und Luxus erlebbar machen.<br />
Der zwischenmenschliche Kontakt am POS bleibt das<br />
A und O. Ein freundliches Wort, ein Lächeln und das<br />
spürbare und authentische Interesse für die Fragestellungen<br />
der Kunden spielen auch heute noch eine entscheidende<br />
Rolle. »Empathie ist sicher der zentrale<br />
Faktor«, sagt Michael Rotermund, Douglas. »Kunden<br />
wünschen sich eine individuelle Beratung – kompetent,<br />
freundlich und auf Augenhöhe. Sie erwarten, dass auf<br />
ihre Wünsche eingegangen wird und sie bestmöglichen<br />
und persönlichen Service genießen.«<br />
Philipp Riediger ist Gesellschafter<br />
und Mitglied der Geschäftsleitung<br />
bei der POS-Marketing-Agentur<br />
Combera, wo er seit knapp 30 Jahren<br />
tätig ist. Zudem leitete er die<br />
Plattform POS-Kommunikation im<br />
GWA Gesamtverband Kommunikationsagenturen<br />
e. V. und gehörte<br />
dem GWA-Vorstand an.<br />
EINKAUFSERLEBNIS<br />
Ein eindeutiges Profil, das vom Wettbewerb abhebt, eine<br />
Konzentration auf die wichtigsten Erfolgsfaktoren,<br />
die das entsprechende Geschäft aus der Austauschbarkeit<br />
und Beliebigkeit hebt und ihm zu einer treuen<br />
Kundschaft verhilft – das strebt der Douglas-Konzern<br />
für jede Filiale an. Damit gehen auch die anderen Anbieter<br />
konform. »Das Geschäft selbst muss eine begehrenswerte<br />
Marke werden, dann kommt die Frequenz<br />
automatisch!«, ist Bublitz überzeugt.<br />
Konsum wird auch wesentlich durch unsere innere<br />
Wertewelt bestimmt. Dadurch dokumentieren wir, wo<br />
wir gerade gesellschaftlich verortet sind. Haben wir<br />
uns für den Kauf einer teuren Handtasche entschieden,<br />
wollen wir den Kaufakt in entsprechendem Rahmen<br />
zelebrieren. Das Objekt der Begierde wird dann<br />
nicht per Web bestellt. Für den Kauf braucht man eine<br />
Bühne. Die beste Einkaufsstraße der Stadt, die man mit<br />
der Einkaufstüte entlang schlendern kann und auf der<br />
der Markenname prangt – damit jeder sieht, wo man<br />
gerade herkommt. Das ist wahres Einkaufserlebnis.<br />
»Endverbraucher sollten immer das Gefühl haben, eine<br />
echte Zusatzleistung zu erhalten, wenn sie sich in das<br />
Fachgeschäft begeben«, rät Baurecht. BMW macht es<br />
vor: Der Autobauer übergibt seine Neuwagen in der<br />
BMW-Welt auf einer VIP-Plattform. Nicht umsonst<br />
heißt die Zauberformel der POS-Marketer »identifikatorische<br />
Selbsterhöhung« – mit den Marken der Prestigekosmetik<br />
kaufe ich mir ein kleines Stück des großen<br />
Glücks und kann es stolz nach Hause tragen.<br />
Philipp Riediger, Luitgard Will<br />
Luitgard Will ist spezialisiert<br />
auf die Durchführung von<br />
Projekten und Kundenveranstaltungen<br />
und führte die<br />
Interviews für Combera durch.<br />
Ihr Steckenpferd ist die Kosmetikindustrie,<br />
in der sie 1999<br />
ihre Kariere startete.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
59
60 JAHRE <strong>VKE</strong> DESIGNER-DÜFTE MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
60<br />
Duft als persönlichstes<br />
Accessoire des Designers<br />
Düfte bekannter Designer sind auf dem Vormarsch. Über Besonderheiten,<br />
aber auch Gefahren dieses Segments sprachen wir mit<br />
Susanne Rumbler, Geschäftsführerin von Beauté Prestige International<br />
und Präsidentin der Fragrance Foundation Deutschland.<br />
MARKENARTIKEL: Designer-Düfte haben in den vergangenen<br />
Jahren im Markt deutlich an Bedeutung gewonnen.<br />
Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Gründe<br />
für diese Entwicklung?<br />
SUSANNE RUMBLER: Es sind immer die Emotionen. Nur<br />
wenige künstlich aufgebaute Marken können in ihrer<br />
Aussagekraft so lebendig und so einzigartig Menschen<br />
faszinieren wie ein anderer Mensch – in diesem Fall ein<br />
Designer. Mit seinem Namen kommuniziert ein Designer<br />
auch ein Image, das im Idealfall Prestige und eine<br />
hohe Begehrlichkeit besitzt. Wenn es vielen Konsumenten<br />
aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich<br />
ist, die Mode eines Designers zu tragen, so möchten<br />
sie doch eines seiner luxuriösen Accessoires besitzen<br />
– auch, um sich damit ihrer Umwelt als Kenner auszuweisen.<br />
Der Duft ist ein Teil des Designers, seines<br />
Universums. Der Duft ist das persönlichste Designer-<br />
Accessoire.<br />
MARKENARTIKEL: Welche Rolle spielen Designer-Düfte,<br />
betrachtet man den Gesamt-Duftmarkt: Sind sie<br />
dort eher ein Nischenthema oder stehen sie für breite<br />
Marktanteile?<br />
RUMBLER: Sowohl als auch. Der Herrenduft »Le Male«<br />
von Jean Paul Gaultier beispielsweise steht seit seiner<br />
Lancierung 1996 auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Alle<br />
sieben Sekunden wird ein »Le Male«-Flakon verkauft.<br />
Daneben gibt es Designer-Düfte, die Klassiker<br />
sind und seit Jahren mit schönen Verkaufszahlen erfreuen.<br />
Oder auch schnell abstürzende Shooting-Stars.<br />
Dann existieren zahlreiche Designer-Düfte mit geringen<br />
Marktanteilen, die in Nischen heimisch sind. Einige<br />
werden nach einer gewissen Zeit sogar ganz vom<br />
Markt genommen.<br />
MARKENARTIKEL: Was sollten Unternehmen grundsätzlich<br />
berücksichtigen, wenn Sie im bereits hart umkämpften<br />
Duftmarkt ihr Portfolio um einen Designer-<br />
Duft ausbauen wollen?<br />
Susanne Rumbler ist Geschäftsführerin von Beauté Prestige International<br />
(BPI), Düsseldorf, sowie Präsidentin des Vorstands der Fragrance<br />
Foundation Deutschland.<br />
RUMBLER: Zunächst einmal müssen sie einen Designer<br />
mit Zukunftspotenzial entdecken und gewinnen. Bei<br />
der Entwicklung des Duftes muss dann zwingend an<br />
seinen individuellen Werten und seiner Identität festgehalten<br />
werden, was bis in die kleinsten Details des<br />
Produktauftritts kommuniziert werden sollte. Natürlich<br />
könnte ich das um zahlreiche Kriterien weiterführen<br />
– doch selbst wenn alles richtig gemacht würde,<br />
ist und bleibt ein neuer Designer-Duft immer auch ein<br />
großes Abenteuer.<br />
MARKENARTIKEL: Wo ist so ein Abenteuer aus Ihrer Sicht<br />
besonders geglückt?<br />
RUMBLER: Ein schönes Beispiel ist Narciso Rodriguez.<br />
Als Beauté Prestige International 2005 seinen ersten<br />
Duft »For Her« lancierte, war der Designer in<br />
Deutschland kaum bekannt. Inzwischen wird der Na-
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Der Herrenduft »Le Male« von Jean Paul Gaultier steht seit seiner<br />
Lancierung im Jahr 1996 auf Platz 1 der Bestsellerlisten.<br />
me Narciso Rodriguez eher mit Duft als mit Mode assoziiert.<br />
Bei der Entwicklung des Duftes haben wir das<br />
Duftprodukt gemeinsam mit dem Designer Schritt für<br />
Schritt entwickelt. Das in jedem Detail hochwertige<br />
Ergebnis entspricht in seiner Absolutheit dem Designer.<br />
Der Duft hat eine hohe, besondere Begehrlichkeit<br />
und ist auch wirtschaftlich erfolgreich.<br />
MARKENARTIKEL: Tatsächlich können Designer in unserer<br />
Mediengesellschaft schnell zu Stars avancieren, durch<br />
Misserfolge oder Skandale – siehe das Beispiel John<br />
Galliano – aber ebenso schnell von der Bildfläche verschwinden.<br />
Inwieweit gefährdet dies das Geschäft mit<br />
Designer-Düften und wie kann man solchen Risiken<br />
am besten begegnen?<br />
RUMBLER: Risiken sind nie völlig auszuschließen. Designer<br />
sind immer hochsensible Menschen – Künstler,<br />
die auch ihre Welt, ihre Marke, ihr Image leben.<br />
Ein permanenter, enger persönlicher Kontakt,<br />
Bei den Duftstars 2011 wurde<br />
der Marc Jacobs-Duft »Lola«<br />
für sein Flakon-Design ausgezeichnet.<br />
DESIGNER-DÜFTE<br />
wie ihn das Haus Beauté Prestige International mit<br />
seinen Designern pflegt, bedeutet gegenseitige Nähe<br />
und bringt beiden Seiten Vorteile. Wir respektieren<br />
uns sehr und mögen uns.<br />
MARKENARTIKEL: Sind bei der werblichen Kommunikation<br />
für Designer-Düfte eigentlich Faktoren zu beachten,<br />
die sich von denen für andere Düfte stark unterscheiden?<br />
RUMBLER: Der werbliche Auftritt kommuniziert immer<br />
Sprache und Identität des Designers – seine Ästhetik,<br />
seine Haltung und Werte, seine Welt, sein Corporate<br />
Design.<br />
MARKENARTIKEL: Und wie steht Deutschland im internationalen<br />
Vergleich bei der Produktgruppe der Designer-Düfte<br />
da: Ist die Bedeutung dieser Produkte<br />
hierzulande eher größer oder eher geringer als in anderen<br />
Industrienationen?<br />
RUMBLER: Bei unseren vier Designern steht Deutschland<br />
mit an erster Stelle.<br />
MARKENARTIKEL: Wagen Sie bitte noch einen Blick in<br />
die Zukunft: Wie wird sich wahrscheinlich das Geschäft<br />
und Potenzial von Designer-Düften in der Zukunft<br />
entwickeln – ist mit einem weiteren Wachstum<br />
zu rechnen?<br />
RUMBLER: Gegenseitige Verdrängung ist eine mögliche<br />
Option: Der Wettbewerb wird noch härter. Ich denke<br />
aber, dass allgemein die Suche nach Orientierung und<br />
Identifikation zunimmt. Menschen möchten sich stylen,<br />
ihre Persönlichkeit unterstreichen, sich selbst ein<br />
Image geben. Dafür ist ein Designer-Duft, der gleichzeitig<br />
ein Statement ist, wunderbar geeignet. Er gehört<br />
einfach dazu. Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit an<br />
Designer-Düften entspricht der wachsenden Individualisierung<br />
der Menschen.<br />
Interview: Torsten Schöwing<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
61
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KOSMETIKWERBUNG MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
62<br />
Suche nach dem<br />
authentischen Dialog<br />
Ästhetik, Markenwelten, Kommunikationskanäle und Testimonials:<br />
Über das Gestern, Heute und Morgen der Kosmetikwerbung diskutierten<br />
wir mit den Agenturchefs Martin Blach (Hirschen Group),<br />
Uli Veigel (Grey Group) und Penelope Winterhager (Draftfcb).<br />
MARKENARTIKEL: Was waren aus Ihrer Sicht in den vergangenen<br />
Jahrzehnten die markantesten Änderungen<br />
in der Ästhetik und Art der Kosmetikwerbung und<br />
mit welchen weiteren Veränderungen rechnen Sie in<br />
absehbarer Zukunft?<br />
ULI VEIGEL: Seit vielen Jahren ist eine Abkehr vom diktierten,<br />
oberflächlichen Schönheitsideal zu erkennen.<br />
Das persönliche Lebensgefühl – also das »Ich fühle<br />
mich wohl in meiner Haut« – gewinnt an Bedeutung.<br />
In den 1990er-Jahren wurde die Faszination für das<br />
etwas weniger Perfekte entdeckt und etwas später<br />
dann die Faszination für das wirklich Ehrliche. Calvin<br />
Klein etwa warb mit extrem unterernährten Mo-<br />
Die Anzeigen mit Top-Model Kate Moss als Testimonial für<br />
Calvin Klein sind bereits Klassiker der Werbegeschichte.<br />
dels, und später zeigte Dove Frauen, wie sie wirklich<br />
sind. In diesem Kontext hat der authentische<br />
Dialog eine große Bedeutung für die Kommunikation<br />
bekommen und wird der kommunikative Mega-Trend<br />
für die kommenden Jahre oder sogar Jahrzehnte<br />
werden. Wenn Kosmetikmarken es schaffen,<br />
perfekte Werbewelten mit dem authentischen Dialog<br />
zu verbinden, können sie langfristig noch erfolgreicher<br />
sein.<br />
MARTIN BLACH: Tatsächlich sind die zentralen Aspekte der<br />
Kosmetikwerbung geprägt vom Wunsch der Konsumentinnen<br />
nach Natürlichkeit, Purheit und Authentizität.<br />
Während der Trend zum Einsatz normaler<br />
Frauen in der Werbung, also das angesprochene Thema<br />
Authentizität, meiner Ansicht nach seinen Höhepunkt<br />
erreicht hat, wird der Mega-Trend Natürlichkeit<br />
auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen.<br />
PENELOPE WINTERHAGER: Im Markt findet eine fortlaufende<br />
Perfektionierung von Schönheit statt – die Sehnsucht<br />
nach Perfektion ist ungebrochen. Dies manifestiert<br />
sich im Produktdesign, bei der Auswahl der<br />
Models und im Ausschöpfen aller Möglichkeiten der<br />
digitalen Bildbearbeitung. Immer schneller, länger,<br />
glatter, makelloser: In einer Zeit von 96-Stunden-<br />
Deos und 12-in-1-Anti-Falten-Produkten bleiben die<br />
»Ich-will-so-bleiben-wie-ich-bin«-Konzepte immer<br />
weiter zurück. Der Kundenwunsch, dass Kosmetikprodukte<br />
ihre Schönheit perfektionieren, setzt sich immer<br />
weiter durch, egal ob in China, Brasilien oder in<br />
Deutschland.<br />
MARKENARTIKEL: Neben der Ästhetik und den Inhalten<br />
haben sich zuletzt auch die Werbekanäle verändert.<br />
So ist im Mediamix eine Verlagerung von den klassischen<br />
Medien hin zum Internet zu beobachten. Wie<br />
können Anbieter hochwertiger Prestige-Kosmetik im<br />
Netz sinnvoll Flagge zeigen?<br />
WINTERHAGER: Flagge zeigen allein reicht eben nicht. Die<br />
Aufgabe ist, echten Mehrwert zu schaffen – Online
Mit einer großen Werbekampagne brachte Beauté Prestige International 2011 den Duft des Modedesigners Elie Saab auf den Markt.<br />
wie Offline. Für Kosmetikmarken ist dies von höchster<br />
Wichtigkeit, weil wir wissen, wie hoch der Wissens-<br />
und Mitteilungswunsch von Konsumenten in diesem<br />
Bereich ist. Produktvielfalt, schnelle Innovationszyklen<br />
und auch der Trend zu DIY-Profi-Produkten für Zuhause<br />
beflügeln das Bedürfnis, mehr wissen zu wollen<br />
und in den Dialog mit der Marke zu treten.<br />
BLACH: In Bezug auf den Mediamix ist das Internet inzwischen<br />
ein zentrales Medium, um gewisse Zielgruppen<br />
überhaupt noch zu erreichen. Abgesehen davon<br />
bietet es aber vor allem für Prestige-Marken mannigfaltige<br />
Möglichkeiten, vielfältig<br />
zu agieren. Als High<br />
Interest-Produkt im Bereich<br />
Kosmetik gehört einerseits<br />
der gesamte Bereich<br />
der Beratung dazu,<br />
aber auch die Welt der<br />
Marke an sich.<br />
VEIGEL: Die klassische und<br />
die digitale Kommunikationsmaßnahme<br />
müssen<br />
sich ergänzen und dürfen<br />
nicht unabhängig voneinander betrachtet werden.<br />
Kosmetikmarken sollten die digitalen Kanäle und<br />
Plattformen verstärkt nutzen, um in den Kontakt mit<br />
den Konsumenten zu treten.<br />
MARKENARTIKEL: Und was genau will der Konsument<br />
von heute?<br />
VEIGEL: Er will involviert werden, sich austauschen und<br />
mitentscheiden. Das sind wichtige Identifikationskriterien.<br />
Reversa zum Beispiel zeigt, wie man eine Premium-Hautcreme<br />
für die Zielgruppe 40 Plus in einem<br />
sehr hochwertigen Online-Kontext bewerben kann.<br />
Darüber hinaus zeigt Reversa, dass sie mit der Verlagerung<br />
zu Online den Medienkonsum ihrer Zielgruppe<br />
verstanden haben, denn diese Frauen haben eine<br />
hohe Affinität zu Online-Kanälen.<br />
KOSMETIKWERBUNG<br />
MARKENARTIKEL: Einigen Beobachtern gilt die Parfum-<br />
und Kosmetikwerbung allerdings als relativ austauschbar,<br />
die Markenwelten ähneln sich. Wie kann<br />
es Marken gelingen, aus dieser scheinbaren Gleichförmigkeit<br />
auszubrechen?<br />
VEIGEL: Indem sie die klassischen Kommunikationsregeln<br />
– Beauty Shots, Anti-Aging-Fokus – verstehen<br />
lernen, um sie dann im nächsten Schritt zu brechen,<br />
wie es zum Beispiel Dove gemacht hat. Die Marke<br />
hat einen negativ besetzten Begriff durch einen positiven<br />
ersetzt: Die Pflegeserie für reifere Damen heißt<br />
heute Pro-Aging statt Anti-Aging.<br />
Oder noch ein-<br />
Martin Blach, CEO und geschäftsmal das Beispiel Reversa:<br />
führender Gesellschafter der Hir- Die Marke hat gestützt<br />
schen Group, Hamburg: »Die zentra- auf dem zielgruppenrelelen<br />
Aspekte der Kosmetikwerbung vanten Insight, dass sich<br />
sind geprägt vom Wunsch der Kon- über 90 Pozent der Frauen<br />
sumentinnen nach Natürlichkeit, über 40 Jahren mit einem<br />
Purheit und Authentizität.« zehn oder 15 Jahre jüngeren<br />
Partner wohlfühlen,aufmerksamkeitsstark<br />
und sehr erfolgreich<br />
die gelernten Regeln gebrochen und die Zielgruppe<br />
im Innersten berührt. Denn die Marke hat nicht mit<br />
der Wirkung der Hautcreme an sich geworben, sondern<br />
auf überraschende und provokante Art und Weise<br />
mit der Nebenwirkung, für junge, knackige Männer<br />
attraktiv zu sein.<br />
WINTERHAGER: Wenn Markenwelten sich so sehr ähneln,<br />
dass sie austauschbar werden, sind sie keine mehr.<br />
Allerdings wissen wir, dass eine Marke bestimmte<br />
Codes in einer Kategorie benutzen muss, um erfolgreich<br />
zu sein. Ein Deodorant verkauft sich nur, wenn<br />
man spezifische Schlüsselbilder berücksichtigt, die direkt<br />
den Autopiloten des menschlichen Gehirns ansprechen.<br />
Die Schwierigkeit liegt darin, die richtige<br />
Balance zwischen eigenen, differenzierenden Marken-<br />
Codes und passenden Kategorie-Codes zu finden und<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
63
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KOSMETIKWERBUNG MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
64<br />
Parfümwerbung setzt häufig auf Celebrities. Für den Dior-Duft »J‘adore« beispielsweise ist Schauspielerin Chalize Theron im Werbeeinsatz.<br />
denen treu zu bleiben. Strategische Markenführung<br />
heißt auch, konsequent Nein zu sagen zu taktischen<br />
Inhalten, Ideen und Gestaltungen, um die Markenwelt<br />
zu schützen. Dies gilt umso mehr, wenn man international<br />
über diverse Produktkategorien und Lizenzbereiche<br />
agiert. Erfolgreiche Modemarken sind hier die<br />
besten Beispiele. Wenn diese nicht konsequent Nein<br />
sagen würden, wären sie nur austauschbare Fahnen<br />
am sich saisonal ändernden Modehimmel.<br />
BLACH: In der Werbung<br />
wird viel mit Categorie-<br />
Codes gearbeitet. Das gilt<br />
ganz besonders für die<br />
Kosmetikkommunikation:<br />
Only Beauty sells Beauty,<br />
Models, große Packshots,<br />
mindestens fünf Produktbenefits<br />
usw. sind Aspekte,<br />
die für jede Arbeit<br />
berücksichtigt werden<br />
müssen. Einige davon sind<br />
sehr sinnvoll. Dennoch ist<br />
es wünschenswert, wenn mehr Marken nicht nur den<br />
Mut haben, diese Codes zu hinterfragen, sondern sie<br />
auszutauschen. Dove hat dies vor einigen Jahren überaus<br />
erfolgreich mit der bereits erwähnten Initiative für<br />
wahre Schönheit und durch den Austausch der Models<br />
gegen normale Frauen geschafft.<br />
MARKENARTIKEL: Doch trotz dieser neu entdeckten Liebe<br />
für normale Models: Gerade auch die Parfum- und<br />
Kosmetikwerbung setzt häufig auf Stars als Testimonials<br />
– eine zu begrüßende oder eher eine zweifelhafte<br />
Entwicklung?<br />
BLACH: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. In diesem<br />
Fall gilt die vorhin angesprochene Regel: Only<br />
Beauty sells Beauty. Über Celebrities definieren sich<br />
weltweite Schönheitsstandards. Daher ist es ein legi-<br />
timer Ansatz, diesen Mechanismus für die Kommunikation<br />
einzusetzen. Die Gefahr ist jedoch die Austauschbarkeit<br />
der Kampagnen. So ist es durchaus zu<br />
begrüßen, wenn eine Marke einen anderen Weg einschlägt.<br />
Tabac Origial startete beispielsweise gerade<br />
eine Kampagne unter dem Motto »Entweder Mann<br />
hat Charakter. Oder nicht.« Hier bleibt es nicht bei<br />
der bloßen Abbildung der prominenten, aber auch<br />
nichtprominenten Testimonials. Zentrales Element<br />
der Kampagne ist vielmehr<br />
ihre Vorstellung als<br />
Uli Veigel, Chairman & CEO der Grey<br />
Menschen mit Geschichten<br />
und Charakter.<br />
Group Germany & CEE, Düsseldorf: WINTERHAGER: Man muss<br />
»Wenn Kosmetikmarken es schaf- da differenzieren. In der<br />
fen, perfekte Werbewelten mit dem Parfumwerbung und bei<br />
authentischen Dialog zu verbinden, dekorativer Kosmetik<br />
können sie langfristig noch erfolg- werden Celebrities oft<br />
reicher sein.«<br />
eingesetzt – und zwar zu<br />
Recht. Die Produkte stehen<br />
für Glamour, sinnliche<br />
Welten, Verschönerung<br />
in Reinkultur. Ein Celebrity verkörpert dies<br />
im Idealfall und sorgt für schnellen und bleibenden<br />
Imagetransfer.<br />
MARKENARTIKEL: Und im klassischen Kosmetikbereich,<br />
also der Gesichts- und Hautpflege?<br />
WINTERHAGER: Dort werden deutlich weniger Testimonials<br />
eingesetzt. Hier geht es weniger darum, sich in<br />
Welten und Images einzukaufen, sondern einen konkreten<br />
Produktnutzen wie etwa straffere oder ebenmäßigere<br />
Haut, mehr Feuchtigkeit oder eine Verminderung<br />
der Hautalterung zu bewerben. Testimonials<br />
bergen dann eher die Gefahr, den Benefit oder die<br />
spezielle Formel zu überstrahlen oder sorgen beim<br />
Verbraucher für eine gefühlte Beliebigkeit des Produkts.
Die Hautcreme-Marke Reversa wirbt provokant mit der Nebenwirkung, Frauen für junge, knackige Männer attraktiv zu machen.<br />
VEIGEL: Wenn das Testimonial glaubwürdig ist und zur<br />
Marke passt, kann es bei dem Aufbau der Markenbekanntheit<br />
und Markenidentifikation effektiv helfen.<br />
Allerdings erhöht sich die Gefahr der Austauschbarkeit,<br />
denn gerade in der Kosmetikbranche werben viele<br />
Marken mit makellosen Testimonials. Ich bin überzeugt,<br />
dass insightgetriebene Kommunikation langfristig<br />
erfolgreicher ist.<br />
MARKENARTIKEL: Eine andere<br />
Herausforderung bei<br />
der Kommunikation für<br />
Kosmetik und Parfums<br />
ist, dass die Produkte<br />
zwar zahlreiche Sinne ansprechen,<br />
diese zentralen<br />
Produkteigenschaften<br />
aber nur schwer in visuell<br />
geprägten Medien wie<br />
Print und TV auszudrücken<br />
sind – oder?<br />
WINTERHAGER: Jede Marke,<br />
jedes Produkt tut gut daran, die Sinne zu nutzen. Da<br />
sind Düfte und Kosmetik keine Ausnahme: Auch Autos,<br />
Schokolade oder Putzmittel verkaufen sich besser<br />
über eine multisensorale Botschaftsebene: dem<br />
direkten Erleben. Print oder TV allein helfen nur begrenzt<br />
dabei, ein sinnesfreudiges Produkt wie Körpercreme<br />
effektiv zu platzieren. Allerdings sind sie aus<br />
guten Gründen ein häufig genutzter Baustein in einer<br />
Kampagnen-Architektur. Nehmen wir moderne Hotels,<br />
Airlines und hippe Casual Wear-Marken – auch<br />
diese kommunizieren mit Duft und Sensorik, brauchen<br />
aber dennoch Medien wie Online, Print und TV. Ein<br />
weiterer wichtiger Baustein ist das Packaging: Duschprodukte<br />
in transparenten Verpackungen, die das Duscherlebnis<br />
ins Regal übersetzen, helfen enorm bei der<br />
Kommunikation. Damit sind wir in einem der Kern-<br />
KOSMETIKWERBUNG<br />
bereiche zeitgemäßer Markenführung, dem Shopper-<br />
Marketing.<br />
VEIGEL: Man kann mit einem guten Insight oder einem<br />
geeigneten Celebrity die Produkteigenschaft emotional<br />
sehr gut aufladen. Aber auch der persönliche sensorische<br />
Eindruck gewinnt an Bedeutung. Deshalb ist<br />
es auch für Kosmetikmarken so wichtig, mit dem Konsumenten<br />
außerhalb von Modeläden und Parfümerien<br />
in den direkten Dialog zu treten und ihn zu involvieren.<br />
Ein schönes Beispiel ist der<br />
Schwarzkopf Pop up-Store,<br />
der anlässlich des Eurovisi-<br />
on Song Contest 2011 vier<br />
Penelope Winterhager, President<br />
Wochen in Düsseldorf auf-<br />
bei Draftfcb Hamburg: »Im Markt<br />
gestellt wurde. Er war ne-<br />
findet eine fortlaufende Perfektioben<br />
Shop auch Salon, Café<br />
nierung von Schönheit statt – die<br />
und Event-Location. Oder<br />
Sehnsucht nach Perfektion ist un-<br />
das Beispiel Esteé Lauder<br />
gebrochen.«<br />
aus den USA: Dort wurden<br />
die Kunden aktiv mit<br />
in die Produktentwicklung<br />
einbezogen.<br />
BLACH: Bewegtbilder sprechen viele Sinne gleichermaßen<br />
an. Für unseren Kunden New Yorker Fragrances<br />
etwa haben wir die Assoziationen, die ein Duft auslösen<br />
kann, in ein Feuerwerk aus Bildern übersetzt,<br />
die in einem sehr schnell geschnittenen TV-Spot zusammengefügt<br />
sind. Da Düfte aber bei jedem Menschen<br />
unterschiedliche Gefühle auslösen, werden in<br />
dieser Kampagne die Verbraucher selbst dazu aufgerufen,<br />
ihr Kopfkino mit Hilfe eines Clip-Makers bei<br />
Facebook in Bildern sichtbar zu machen. Unter dem<br />
Claim »How does it smell to you« kann jeder aus einer<br />
riesigen Menge vorproduzierter Web-Clips und<br />
Bilder seine ganz persönliche Assoziationskette zusammenstellen<br />
und mit anderen teilen.<br />
Interview: Torsten Schöwing<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
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60 JAHRE <strong>VKE</strong> CHARITY-PROJEKTE MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
66<br />
Einsatz für die gute Sache<br />
Unternehmen aus der Kosmetikbranche stecken einen Teil ihrer<br />
Erlöse in Charity-Projekte. Das Engagement hat oft einen sehr<br />
persönlichen Hintergrund. Beate Fastrich, Geschäftsführerin Estée<br />
Lauder, erklärt, warum Kontinuität und Authentizität zentral sind.<br />
Beate Fastrich ist Geschäftsführerin der Estée Lauder<br />
Companies GmbH in München.<br />
MARKENARTIKEL: Die Estée Lauder Companies engagieren<br />
sich vor allem im Kampf gegen Aids und Brustkrebs. Die<br />
Initiativen gehen zurück auf persönliche Erfahrungen.<br />
BEATE FASTRICH: Evelyn Lauder selbst erkrankte Anfang der<br />
1990er an Brustkrebs. Ihr wurde damals bewusst, wie<br />
wichtig eine frühe Diagnose der Krankheit für die Heilung<br />
ist. Wird Brustkrebs in einem frühen Stadium diagnostiziert,<br />
überleben heute 90 Prozent der Betroffenen<br />
mehr als fünf Jahre. Deshalb hat Evelyn Lauder 1992<br />
die Kampagne »Bewusstsein für Brustkrebs« gegründet.<br />
MARKENARTIKEL: Seitdem ist die pinkfarbene Schleife zu<br />
einem weltbekannten Symbol der Initiative geworden.<br />
FASTRICH: Ja, und die Überlebensquote nach der Diagnose<br />
von Brustkrebs – übrigens die zweithäufigste Krebsart<br />
– ist deutlich gestiegen. Die 1993 ebenfalls von Evelyn<br />
Lauder initiierte Breast Cancer Research Foundation<br />
konnte dank Spenden von über 315 Millionen Dollar,<br />
die an die profiliertesten Krebsforscher medizinischer<br />
Einrichtungen weltweit gingen, außerdem belegen, dass<br />
Brustkrebs auch genetisch bedingt sein kann. Darüber<br />
hinaus konnten durch die Arbeit der Stiftung maßgeschneiderte<br />
Therapien entwickelt und über die Existenz<br />
der Brustkrebs-Stammzellen aufgeklärt werden.<br />
MARKENARTIKEL: Sie unterstützen die Frauen auch während<br />
und nach der Behandlung.<br />
FASTRICH: Wir und andere Partner aus der Kosmetikindustrie<br />
geben jährlich mehr als 6.000 Brustkrebspatientinnen<br />
in Seminaren Schmink- und Pflegetipps und<br />
stellen Produkte zur Verfügung, die im Umgang mit der<br />
Krankheit helfen.<br />
MARKENARTIKEL: Auch mit MAC engagieren Sie sich.<br />
FASTRICH: Auslöser für die Begründung der Kampagne<br />
war ebenfalls die persönliche Betroffenheit. Als immer<br />
mehr Freunde und Bekannte der MAC-Gründer Frank<br />
Angelo und Frank Toskan an HIV erkrankten, beschlossen<br />
die beiden 1994, den MAC Aids Fund ins Leben<br />
zu rufen. Sie wollten damit eine größere Aufmerksamkeit<br />
für die Krankheit und ihre Bekämpfung erreichen.<br />
MARKENARTIKEL: Auf welche Erfolge sind Sie hier besonders<br />
stolz?<br />
FASTRICH: Seit der Gründung konnten über 220 Millionen<br />
US Dollar durch den Verkauf der Viva Glam-<br />
Lipsticks und -Glosses eingenommen und an entsprechende<br />
Initiativen weitergegeben werden. Dank<br />
prominenter Testimonials wie Ricky Martin und aufsehenerregender<br />
Kampagnen konnte zudem eine breite<br />
Öffentlichkeit erreicht und viel für die finanzielle<br />
und medizinische Unterstützung von Erkrankten getan<br />
werden.<br />
MARKENARTIKEL: Bekannte Testimonials und publikumswirksame<br />
Aktionen helfen, das Bewusstsein für Brustkrebs-Früherkennung<br />
und Aids-Prävention in der Öffentlichkeit<br />
zu schärfen.<br />
FASTRICH: Es ist wichtig, dass wir immer wieder auf die<br />
Bedeutung der Früherkennung von Brustkrebs hin-
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
CHARITY-PROJEKTE<br />
Um auf die »Bewusstein für Brustkrebs«-Kampagne aufmerksam zu machen, werden jedes Jahr zahlreiche Gebäude weltweit pink angestrahlt.<br />
weisen und auf die Möglichkeiten der Prävention von<br />
Aids. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, setzen<br />
wir auf Aktionen wie die pinkfarbene Beleuchtung<br />
von Bauwerken im Rahmen der »Bewusstsein für<br />
Brustkrebs«-Kampagne. Allein im Oktober 2011 wurden<br />
rund 200 Wahrzeichen weltweit pink illuminiert.<br />
Seit dem Jahr 2000 haben wir bereits über 600 Gebäude<br />
in pinkfarbenes Licht gehüllt. Und bei der MAC<br />
»Viva Glam«-Initiative sorgen aufsehenerregende Anzeigen<br />
für eine stetig wachsende Aufmerksamkeit. Alle<br />
Anzeigen sind speziell für die Kampagnen gestaltet.<br />
Dass unsere Medienpartner wie Burda, Gruner + Jahr<br />
oder Marquard Media sie kostenfrei in ihren Publikationen<br />
veröffentlichen, ist eine immense Hilfe, für die wir<br />
uns an dieser Stelle noch einmal bedanken möchten.<br />
MARKENARTIKEL: Welche Engagements werden künftig im<br />
Fokus der Kosmetikbranche stehen?<br />
FASTRICH: Alle Themen, die für unsere Konsumenten<br />
wichtig sind, sind auch relevant für eine Charity. Die<br />
persönliche Betroffenheit sowie die Kontinuität des<br />
Engagements sorgen in unserem Fall für eine hohe<br />
Ricky Martin engagiert sich für die »Viva Glam«-Inititative von MAC.<br />
Authentizität und Glaubwürdigkeit. Wir setzen auf<br />
Kontinuität, da nur so langfristig Erfolge verzeichnet<br />
werden können. Konkret bedeutet das, dass unsere<br />
seit 20 Jahren bestehende Kampagne »Bewusstsein<br />
für Brustkrebs« genauso weitergeführt werden wird<br />
wie die »Viva Glam«-Initiative. Das schließt jedoch<br />
nicht aus, dass sich andere Marken unseres Portfolios<br />
zusätzlich in anderen Feldern engagieren.<br />
MARKENARTIKEL: So wie etwa La Mer und Aveda.<br />
FASTRICH: La Mer unterstützt seit 2006 die Organisation<br />
Oceana, die sich dem Schutz der Meere verschrieben<br />
hat. Und Aveda veranstaltet im Rahmen seiner<br />
bereits seit 1999 existierenden Umweltkampagne jährlich<br />
im April den Aveda Earth Month. Das weltweite<br />
Netzwerk der Marke konnte dadurch bislang mehr<br />
als 22 Millionen US Dollar für Umweltprojekte auf der<br />
ganzen Welt sammeln.<br />
MARKENARTIKEL: Auch Umweltprojekte werden also unter-<br />
stützt.<br />
FASTRICH: Ja. Origins fördert zu Beispiel mit der 2009<br />
gestarteten »Plant-A-Tree«-Kampagne Aufforstungsprojekte<br />
weltweit. Dabei wurden bisher mehr als<br />
153.000 Bäume gepflanzt. Unterstützt wurde das<br />
Programm auch durch die »Origins Rocks Earth<br />
Month«-Konzerte, die in New York, Taiwan und Berlin<br />
stattgefunden haben. Im Rahmen des »Return to<br />
Origins Recycling-Program« können Kunden zudem<br />
leere Kosmetikverpackungen an ausgewählten Origins-Verkaufsstellen<br />
gegen ein Origins-Produkt in limitierter<br />
Auflage eintauschen. Und last but not least<br />
engagiert sich die Marke DKNY durch den Einkauf<br />
von Rohstoffen für die Düfte pureDKNY Vanilla und<br />
pureDKNY Verbena für das Programm »Access Africa«.<br />
Die Initiative fördert die Einrichtung von dörflichen<br />
Spar- und Kreditvereinen in 39 afrikanischen<br />
Ländern und hilft so der lokalen Bevölkerung bei dem<br />
Aufbau eigener Unternehmen. Interview: Vanessa Göbel<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
67
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KOSMETIKBERICHTERSTATTUNG MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
68<br />
Inspiration und Nutzwert<br />
Die Berichterstattung über Kosmetik nimmt in vielen Zeitschriften<br />
einen breiten Raum ein. Die Leser suchen Orientierung und<br />
fundierte Beratung in Sachen Schönheit und Pflege. Um dies zu<br />
bieten, arbeiten die Verlage eng mit den Herstellern zusammen.<br />
(Umfrage: Christine Lübbers)<br />
»Unsere Leserinnen sind höchst anspruchsvoll und neugierig. Sie möchten alles<br />
erfahren – von den neuesten Trends aus der Pflegewelt bis hin zu den neuesten<br />
Kreationen der Make-up-Künstler. Dazu gehören natürlich das Wissen über die<br />
effizienteste Anwendung und die besten Tricks für optimales Aussehen.<br />
Wir genießen die Zusammenarbeit mit der Kosmetikindustrie sehr. Diese Branche<br />
ist kreativ, emotional, kooperativ und dynamisch. Das erfreut uns und unsere Leserinnen<br />
und fordert auch uns zu kreativen Kooperationshöchstleistungen heraus,<br />
die fast immer zu gemeinsamen Erfolgen führen.<br />
Schaut man sich die Werbung an, so hat sie sich generell in eine sehr emotionale<br />
Richtung entwickelt. Kampagnen erzählen Geschichten – Märchen werden wahr<br />
und der Held ist das Produkt. Diese Kreationen werden mittlerweile auf vielen unterschiedlichen<br />
Medienkanälen inszeniert, so dass ein wahres Feuerwerk entsteht<br />
und die Verbraucher in verschiedenen Situationen mit den zahlreichen Facetten der<br />
Produkte konfrontiert werden. Ein sehr gelungenes Beispiel ist die aktuelle Elie Saab-Kampagne: Dieses großartige<br />
Motiv mit diesem fantastischen Duft macht jede Frau sofort zum Star.<br />
Waltraut von Mengden, Geschäftsführerin MVG<br />
»Im Vergleich zu Mode ist Kosmetik etwas leichter Erreichbares: Die Leserinnen<br />
können sich eher die Wimperntusche eines Luxuslabels wie Chanel<br />
leisten als ein Versace-Kleid für 4.000 Euro. Wenn ich mir die Berichterstattung<br />
über Düfte, Make-up und Co. anschaue, dann wird deutlich, dass im Laufe der<br />
Jahrzehnte immer mehr und immer unterschiedlichere Produkte auf den Markt gekommen<br />
sind: von der Öko- bis zur Discounter-Tusche. Der Beratungsbedarf wird<br />
daher immer größer. Unter anderem wird etwa das Thema Inhaltsstoffe immer<br />
wichtiger, Naturkosmetik und Nachhaltigkeit gewinnen ebenfalls an Bedeutung.<br />
Wir setzen in unserem Heft auf hochwertige Fotoproduktionen und arbeiten dabei<br />
mit internationalen Fotografen und Visagisten zusammen. Dabei bedienen wir<br />
zwei Seiten: Obwohl wir eine luxuriöse und opulente Optik zeigen, versuchen wir<br />
die Trends von den Catwalks der Welt so herunterzubrechen, dass sie jede Frau<br />
morgens im Badezimmer nachmachen kann.<br />
Die Zusammenarbeit mit der Industrie ist über die Jahre immer enger geworden. Jeder<br />
Kosmetikhersteller hat eine klare Vorstellung davon, wie er sein Produkt inszeniert sehen will. Wir stimmen<br />
uns häufig eng ab. Kampagnen, an die ich mich gerne erinnere? Wenn ich an meine Teenagerzeit denke, war es<br />
die »CK One«-Kampagne von Calvin Klein, die mich sehr beeindruckt hat. Aktuell ist es die Dior-Kampagne zu<br />
»J‘adore« mit Charlize Theron. Da finde ich sowohl den Spot als auch die Anzeigenkampagne extrem gelungen.<br />
Nina Maurischat, Chefredakteurin »Petra«
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
KOSMETIKBERICHTERSTATTUNG<br />
»Wir haben die Anzahl der Beautyseiten seit März vergangenen Jahres fast verdoppelt.<br />
Für uns gilt die Devise: »Weniger ist mehr.« Das bedeutet, dass wir<br />
den einzelnen Produkten einen größeren Raum einräumen und sachliche und/oder<br />
emotionale Begründungen schaffen, warum eine Konsumentin zu dem einen oder<br />
anderen Produkt greifen sollte. Unser Konzept zeichnet sich vor allem durch überraschende<br />
Momente aus. Wir wollen keine standardmäßigen, saisonalen Themenwiederholungen.<br />
Wir wollen über visuelle und sachliche Zugänge Neugierde bei unseren<br />
Leserinnen wecken. Generell ist festzustellen, dass im Pflegebereich wissenschaftliche<br />
Ansprüche und Wirkungsnachweise, aber auch natürliche Bestandteile wie pflanzliche,<br />
natürliche Inhaltsstoffe im Vordergrund der Neulancierungen stehen.<br />
Wir haben einen sehr intensiven und aktiven Dialog mit unseren Partnern aus der<br />
Industrie. Schaut an sich die Werbekampagnen der Hersteller an, muss ich sagen:<br />
Was den Konsumenten gefällt, ist gute Werbung. In der Vergangenheit hat es immer<br />
wieder Innovationen gegeben – beispielsweise das Zeigen von schönen nackten Frauen- oder Männerkörpern.<br />
Charles Revson, Gründer des Revlon-Konzerns, hat mal gesagt: »In den Fabriken stellen wir Kosmetikartikel her;<br />
über die Ladentheke verkaufen wir Hoffnung auf Schönheit.« Ann Thorer, Chefredakteurin »Maxi«<br />
»Als �������������1996 startete, wurden wir für die Pflegeseiten belächelt –<br />
nach dem Motto: »Wie, jetzt wollt Ihr den Männern auch noch beibringen,<br />
wie sie ihre Nägel schneiden müssen…«! Inzwischen ist Pflege für Männer generell<br />
akzeptiert. ������������ hat da viel wichtige Basisarbeit geleistet. Unsere Leser erwarten<br />
auch im Bereich Pflege Orientierung und alltagstauglichen Nutzwert. Was<br />
nützt mir eine Doppelseite mit wahllos zusammen gewürfelten Produkten aus den<br />
neusten PR-Meldungen, die aber nicht eingeordnet und bewertet sind und von denen<br />
ich als Leser nicht weiß, wann und wofür sie mir wirklich nutzen?<br />
Die aktuellen Trends sind bei der Männerkosmetik ganz klar eine weitere Ausdifferenzierung<br />
der Produkte sowie eine Entwicklung zu mehr Einfachheit. Ein Pflegeprodukt<br />
muss das Leben erleichtern – sei es bei der Rasur oder indem ein Duft<br />
seinen Träger mit bestimmten Attributen auflädt.<br />
Ich glaube, dass die Kraft der Marke auch in der Werbung immer wichtiger wird.<br />
Eine nach wie vor absolut prägende Kampagne ist für mich die Werbung für Yves Saint Laurents Duft »Pour<br />
Homme« aus dem Jahr 1971: mutig und auf die wesentliche Botschaft reduziert. Seither wird sie immer wieder<br />
in anderen Duft- und Modekampagnen für Männer mehr oder weniger gelungen zitiert.<br />
Wolfgang Melcher, Chefredakteur »Men‘s Health«<br />
»Kosmetik nimmt einen immer höheren Stellenwert in ��� ein. Wie wichtig das<br />
ist, sehen wir auch an den vielfältigen Anfragen unserer Leserinnen. In allererster<br />
Linie wollen wir sie beraten: Was steht mir? Was macht mich jünger? Was lässt<br />
mich strahlen? Großen Wert legen wir zudem auf Aktualität, in dem wir jede Woche<br />
über die neuesten Produkte und Beauty-Trends berichten und diese auch bewerten.<br />
Die Zusammenarbeit mit der Industrie wird dabei erfreulicherweise immer besser<br />
und intensiver, so dass wir immer öfter auch eigene Beauty-Produktionen in Zusammenarbeit<br />
mit unterschiedlichen Marken umsetzen können.<br />
Sabine Bartels, Chefredakteurin »<strong>Lea</strong>«<br />
Foto: Enver Hirsch<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
69
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KOSMETIKBERICHTERSTATTUNG MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
70<br />
»Da wir eine gut ausgebildete und gebildete Leserschaft erreichen, ist das Interesse<br />
an einem gepflegten Auftritt selbstverständlich. Beauty-Themen werden<br />
von unserer Zielgruppe zunehmend mehr eingefordert. Entsprechend haben wir<br />
den Eigenproduktionsaufwand vergrößert und stellen mehr Seiten im Heft zur Verfügung.<br />
Besonderen Wert legen unsere Leserinnen auf Pflege und Düfte, etwas weniger<br />
auf aktuelle Make-up-Trends. Zur Inspiration sind diese natürlich auch wichtig.<br />
Aber der eigene Stil steht bei unseren Leserinnen im Vordergrund. Im Bereich<br />
Düfte dominiert deshalb der Wunsch nach Individualität. Jeder sucht nach seiner<br />
eigenen unverkennbaren Duftspur – eine Vielzahl an exklusiven Nischenmarken<br />
wie Jo Malone oder Creeds konnte sich in den vergangenen Jahren am Markt etablieren.<br />
Convenience ist ein weiterer Trend in der Kosmetik. Von Shampoos mit<br />
integriertem Kur-Anteil, Make-up mit Anti-Age-Effekt und bis zum Multitasker<br />
Blemish Balm sieht man, dass Konsumenten verstärkt zu Produkten greifen, die<br />
mehrere Beauty-Bedürfnisse in einem Schritt befriedigen.<br />
Wir legen großen Wert auf den persönlichen und kontinuierlichen Kontakt zu den Entscheidern der Kosmetikbranche.<br />
Unsere Chefredakteurin sowie unsere Sales Directorin und ich besuchen Kunden regelmäßig vor<br />
Ort. Die Ressortleiterin Beauty ist in direktem Austausch mit den PR-Verantwortlichen, um stets up to date<br />
zu sein, was die neuesten Trends anbelangt. Was wir in punkto Werbung sehen, ist, dass der Konsument sehr<br />
viel stärker persönlich angesprochen wird. Themen wie Individualität treten auch hier gegenüber einem statisch<br />
vorgegeben Schönheitsideal zurück. Schön ist, was gefällt. Der eigene Style, der Ausdruck der eigenen<br />
Persönlichkeit rückt in den Mittelpunkt.<br />
Katarzyna Mol-Wolf, Herausgeberin »Emotion«<br />
»Unsere Leserinnen sind stark an Beauty-Tipps, Infos und Trends interessiert.<br />
In der Regel beinhaltet jede Ausgabe der �������� circa 15 Seiten Beauty – mit<br />
steigender Tendenz. Da �������� seit Anfang 2010 auf professionelle Models verzichtet,<br />
orientieren sich unsere Tipps am echten Leben. Wir schminken Frauen mit toller<br />
Ausstrahlung, die aber durchaus Schlupflider, Fältchen, Pigmentflecke haben – wie<br />
unsere Leserinnen eben auch. Was uns auszeichnet, ist, dass wir unsere Leserinnen<br />
in die Geschichten einbinden. Wir haben in jedem Heft einen Leserinnen-Test und<br />
veröffentlichen die Ergebnisse. Bei all unseren Angeboten legen wir großen Wert auf<br />
gut recherchierte Beiträge. Jedes von uns vorgestellte Produkt wurde durch die Redaktion<br />
getestet, und wir arbeiten mit unabhängigen Experten zusammen.<br />
Die Zusammenarbeit mit der Kosmetikbranche ist sehr gut. Wir freuen uns über<br />
den Blick ins Nähkästchen, sehen uns gern Labors an und sprechen mit Chemikern<br />
oder Dermatologen, die uns mit Hintergrundwissen versorgen. Gern machen<br />
wir Beauty-Reportagen wie die Reise um die Welt mit Chanel: Wir zeigen die Stationen, die notwendig sind,<br />
um eine Hightech-Creme entwickeln zu können.<br />
Zu den Trends in der Werbung, die wir feststellen, gehört, dass Kosmetik wissenschaftlicher geworden ist:<br />
Aussagen sind fundierter, es gibt mehr Experten, Studien und Nachweise. Ein weiterer interessanter Aspekt:<br />
Nachdem eine Zeitlang Models extrem glatt retuschiert wurden, dürfen sie jetzt auch mehr Ecken und Kanten<br />
und Lachfältchen haben.<br />
Christa Möller, Beauty-Directorin »Brigitte«
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
KOSMETIKBERICHTERSTATTUNG<br />
»Neben Mode ist Beauty das wichtigste Thema in unserem Magazin, wobei<br />
wir den Bereich Beauty sehr weit fassen: Dazu gehören neben Produktinformationen<br />
zu Pflege (Gesicht, Körper, Haare), Make-up und Düften auch die Themenfelder<br />
Styling, Gesundheit, Wellness, Spas, Fitness und Psychologie. Ein wichtiges<br />
Thema ist außerdem der Bereich Anti-Aging, ein Wort, das man bis vor einigen<br />
Jahren scheu umschrieben oder ganz vermieden hat, das heute aber selbstbewusst<br />
ausgesprochen wird. Unsere Leserinnen schätzen die opulente, emotionale Inszenierung<br />
in Form von Fotos oder Illustrationen einerseits, die Lust machen auf das Thema<br />
Beauty. Andererseits sind sie hoch interessiert an seriöser Information, Experten-Interviews<br />
und wissenschaftlichen News. Außerdem wollen die Leserinnen auf<br />
dem neuesten Stand sein in Sachen Trends, Hotspots und Lifestyle.<br />
Die Zusammenarbeit mit den verschiedensten Vertretern der Kosmetikindustrie, mit<br />
Wissenschaftlern und Ärzten, aber auch mit Designern und Stylisten funktioniert<br />
wunderbar – es ist eine Win-Win-Situation par excellence.<br />
Katrin Riebartsch, Chefredakteurin »Madame«<br />
»Der Wunsch nach Schönheit ist eines der ganz großen Grundbedürfnisse von<br />
Frauen. Allein deshalb werden erfolgreiche Frauenzeitschriften diesem Thema<br />
große Aufmerksamkeit widmen. Mit emotionalen Bilderwelten zu animieren<br />
und inspirieren gelingt nur den Magazinen, das ist der große Benefit des Mediums<br />
Print. Dazu kommt die Glaubwürdigkeit redaktioneller Berichterstattung und Empfehlung.<br />
In den Titeln der Burda Style Group finden sich nahezu alle denkbaren Facetten:<br />
Beim People-Magazin ����� spielt das Thema klassische Kosmetik auf den<br />
ersten Blick eine untergeordnete Rolle, dafür werden Bildergalerien von den roten<br />
Teppichen sehr wohl wegen den Looks der Stars gelesen. Eine ���� schwelgt in opulenten<br />
Bilderwelten und präsentiert Beauty ähnlich großzügig, artifiziell und optisch<br />
anspruchsvoll wie Mode oder Kunst. Mittendrin will eine �������� Lust auf<br />
Kosmetik machen und gleichzeitig praktische Tipps zu Produkten, Looks und Forschungsergebnissen<br />
geben.<br />
Die Industrie weiß sehr wohl um die nachhaltige Wirkung der Magazine und arbeitet auf allen Ebenen mit<br />
den Verlagen eng zusammen. Die Beauty-Industrie ist nach wie vor die größte werbungtreibende Branche im<br />
Bereich Frauenzeitschriften. Es gab und gibt wunderschöne Anzeigenmotive. Die Rolle und Bedeutung prominenter<br />
Testimonials hat dabei in den vergangenen Jahren weiter zugenommen und spiegelt einen Trend wider,<br />
der auch redaktionell eine große Rolle spielt. Ein Magazin-Konzept wie ������� basiert auf dieser Dimension<br />
öffentlicher Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Die Inszenierungen sind schön, luxuriös und berührend.<br />
Monika Fendt , Director Marketing der Burda Style Group<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
71
60 JAHRE <strong>VKE</strong> ERFOLGSFAKTOREN MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
72<br />
Verführung pur<br />
Kosmetikhersteller müssen mit der Zeit gehen und ihre Produkte<br />
und deren Verpackungen gesellschaftliche Entwicklungen<br />
anpassen. Dabei sollten sie aber sanft vorgehen, um kognitive<br />
Dissonanzen zu vermeiden.<br />
SCHLIESSEN SIE FÜR EINEN MOMENT die Augen. Denken Sie an<br />
Marilyn Monroe, einige Tropfen Chanel No. 5, den<br />
Flakon in der zart schimmernden Hand der Schauspielerin.<br />
Spüren Sie den verführerischen Moment? Bestimmt,<br />
denn Marilyn Monroes berühmtes Zitat »Zum<br />
Schlafen trage ich nur ein paar Tropfen Chanel Nº 5«<br />
hat sich in unsere Erinnerung eingegraben.<br />
Dass sich diese gut 90 Jahre alte Marke mit ihrer klaren,<br />
eigenständigen und zeitlos schönen Verpackung<br />
so stark in unserem Bewusstsein verankern konnte,<br />
verdankt Chanel sicher nicht allein der blonden Ikone<br />
und dem sinnlich betörenden Duft, sondern auch der<br />
Fähigkeit, eine starke Markenpersönlichkeit zu entwickeln,<br />
die Kontinuität und Konsistenz im Auftritt mit<br />
sanftem Wandel gekonnt vereint. Neben all den schönen<br />
Frauen, die über die Jahre für die Marke warben<br />
wie Catherine Deneuve, Carole Bouquet, Nicole Kidman<br />
oder Audrey Tautou, hat Chanel Nº 5 es verstanden,<br />
dem Markenkern treu zu bleiben und gleichzeitig<br />
gesellschaftliche Entwicklungen und Trends zu berücksichtigen,<br />
ohne sich selbst im Dickicht der Möglichkeiten<br />
zu verirren. Die große Kunst einer langfristig<br />
erfolgreichen Markenführung lebt vom Verzicht auf<br />
ständige Veränderung.<br />
Luxusmarken müssen sich treu bleiben<br />
Die Selektivkosmetik hat es ganz offensichtlich verstanden,<br />
ihren Marken über längere Zeiträume einen<br />
unverwechselbaren Auftritt und unverwechselbare<br />
Verpackungen zu schenken. Unbestritten hat sie<br />
es in punkto Markenführung einfacher als der Massenmarkt:<br />
Das Gefühl von Luxus folgt weltweit gleichen<br />
Vorstellungsbildern. Egal ob in Beijing, New York,<br />
Dubai, Moskau oder Paris. Wer sich Luxusartikel leisten<br />
kann, den stört es nicht, dass er einer bestimmten<br />
Klientel angehört. Statusgefühl und Prestige sprechen<br />
weltweit die gleiche Sprache, auch was die Verpackung<br />
betrifft. Je exklusiver, desto klarer und einprägsamer<br />
die Formel des Erfolges.<br />
Hohe Kontinuität im Auftritt der Marke – auch und<br />
gerade mit Blick auf die Verpackung. Dennoch ist bei<br />
aller Fokussierung auf den Markenkern und die Positionierung<br />
der Marke ein wacher Blick auf Markttendenzen<br />
und Trends unverzichtbar. Gesellschaftliche<br />
Entwicklungen formen und gestalten Lebenswelten<br />
und die Vorstellungen davon, wie Menschen leben<br />
wollen und was sie attraktiv und begehrenswert finden.<br />
Megatrends wie Nachhaltigkeit, demografischer<br />
Wandel oder Digitalisierung stehen im stetigen Wechselspiel<br />
mit den Gefühlen und Bedürfnissen der Kunden,<br />
seinen Bedürfnissen und Ansichten. So beeinflussen<br />
sie auch unmittelbar das Kaufverhalten.<br />
Nachhaltigkeit: Zwischen Wunsch und Pflicht<br />
Der Kauf eines Kosmetikproduktes hat immer etwas<br />
Sinnliches und Emotionales. Wer eine Luxusmarke erwirbt,<br />
erwirbt damit auch ein bestimmtes Lebensgefühl.<br />
Dazu gehört eine entsprechende Wertigkeit von<br />
Produkt und Verpackung. Und doch meldet sich bei<br />
aller Emotionalität die Ratio zu Wort.<br />
Hochwertigkeit und Luxuriösität alleine reichen schon<br />
lange nicht mehr. Die Ansprüche, die Kunden an Produkt<br />
und Unternehmen stellen, gehen weit darüber hinaus.<br />
Neben Fragen nach Inhaltsstoffen und Produktionsbedingungen<br />
stehen Aspekte wie umwelt- und<br />
klimagerechter Einsatz der Mittel im Zentrum des Interesses,<br />
insbesondere was Materialien und Produktionsverfahren<br />
betrifft. Überdimensionierte Verpackungen<br />
ohne Zusatznutzen, mit Lacken und übermäßigem Einsatz<br />
von Plastik- und Kunststoff landen langfristig auf<br />
dem Minuskonto einer Marke. Innovationswille beim<br />
Einsatz umweltverträglicher Mittel und Materialien<br />
zahlt langfristig positiv auf die Marke ein.<br />
Der alte Traum von ewiger Jugend und Schönheit fasziniert<br />
die Menschheit noch immer. In eindrücklichen<br />
Zeilen dichtete Goethe denn auch: »Warum bin ich Vergänglich?<br />
O Zeus? So fragte die Schönheit. Macht dich<br />
doch, sagte der Gott, nur das Vergängliche schön. Und
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Chanel Nº 5 hat es verstanden, dem Markenkern treu zu bleiben<br />
und gleichzeitig gesellschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen,<br />
ohne sich im Dickicht der Möglichkeiten zu verirren.<br />
die Liebe, die Blumen, der Tau und die Jugend vernahmens.<br />
Alle gingen sie weg, weinend von Jupiters Thron.«<br />
Der Wunsch nach lebenslanger Schönheit<br />
Je älter die Menschen werden, desto intensiver wird<br />
das Bedürfnis lebenslanger Schönheit. Und weil sich<br />
die Altersgrenze für ein aktives und jugendorientiertes<br />
Leben längst nach oben verschoben hat, heißt dies: Immer<br />
mehr Menschen suchen Produkte, die Falten glätten,<br />
Tränensäcke kaschieren oder Cellulite verhindern.<br />
Nichtsdestotrotz sind Verpackungen gefordert, die in<br />
Aufmachung, Lesbarkeit und Handhabbarkeit den Ansprüchen<br />
einer älteren Zielgruppe entsprechen, ohne<br />
ihr das Gefühl zu vermitteln, alt zu sein.<br />
Die Frage, welches Produkt das Richtige ist, beantworten<br />
immer mehr jene Produkte und Verpackungen, die<br />
Pharmazie und Wissenschaft vermitteln, denn sie bedienen<br />
ein Sicherheitsbedürfnis. Auf der Suche nach<br />
Produkten, die seriös und vertrauensvoll das Schönheitsversprechen<br />
einlösen, greifen die Menschen zunehmend<br />
auch zu Kosmetik aus der Apotheke oder zu<br />
Kosmetik, die medizinischen Ansprüchen gerecht wird.<br />
Dies muss ohne Frage auch die Verpackung berücksichtigen.<br />
Design und Formgebung, die mitunter eher<br />
an medizinische als an kosmetische Erzeugnisse erinnern,<br />
sind keine Seltenheit mehr – nicht nur in pharmazeutischer<br />
Umgebung.<br />
Digital kann das sinnliche Erleben nicht ersetzen<br />
Das Internet bietet unbegrenzte Möglichkeiten. Aber:<br />
Es kann uns auch überfordern mit seinen ständigen Informationen,<br />
Aktualisierungen und Neuigkeiten. Und<br />
ja, Online kann emotional sein – weil involvierend,<br />
aktivierend oder auch unterhaltsam, spielerisch und<br />
faszinierend. Das für Kosmetik darüber hinaus entscheidende,<br />
sinnliche Kauferlebnis hingegen vermag sie<br />
nicht zu ersetzen. Die Stärken des Internet liegen in<br />
einem anderen Bereich, nämlich der Orientierung und<br />
Inszenierung: Für den informationshungrigen Verbrau-<br />
ERFOLGSFAKTOREN<br />
cher bietet sich eine neue Plattform – etwa über Apps,<br />
die sich mit Features und relevanten Informationen<br />
über Unternehmen und Produkt befassen oder in die<br />
Unternehmens- und Markenwelt entführen.<br />
Kosmetikbranche muss glaubwürdig bleiben<br />
Gesellschaftliche Trends haben unbestritten großen<br />
Einfluss auf Emotionalität und Rationalität der Menschen.<br />
Und so kommt kein Unternehmen umhin, sich<br />
mit ihnen auseinanderzusetzen. Viele Trends werden<br />
an uns vorbeirauschen, ohne nennenswert Spuren zu<br />
hinterlassen. Andere hingegen werden unsere Welt, unser<br />
Denken und unser Handeln verändern, nicht nur<br />
am POS oder in der Welt der Verpackung. Integriert<br />
und verankert in der Unternehmensstrategie und konsequent<br />
in alle Unternehmensbereiche übertragen, können<br />
Marken glaubwürdig bleiben, dem Verbraucher<br />
langfristig Orientierung bieten und kognitive Dissonanzen<br />
vermeiden.<br />
Dennoch sollten Sie sich nicht davor fürchten, auch die<br />
Verpackung Ihrer starken Marken mit der Zeit gehen<br />
zu lassen! Aber seien Sie sanft! Vielleicht landen Sie<br />
dann als nächstes in der Hand einer berühmten Ikone..<br />
Prof. Uli Mayer-Johanssen<br />
Prof. Uli Mayer-Johanssen ist Chairwoman<br />
of the Executive Board der<br />
Corporate Identity-Agentur MetaDesign.<br />
Sie ist Gastprofessorin<br />
an der UdK Berlin sowie Dozentin<br />
an der Europäischen Wirtschaftschule<br />
ESCP-EAP Berlin und am<br />
Institut für Kulturmanagement der<br />
FU Berlin.<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
73
60 JAHRE <strong>VKE</strong> MESSEN MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
74<br />
Der perfekte Auftritt<br />
Mit einer Mischung aus Glory, Bravour und einer Prise Joy können<br />
Kosmetikhersteller auf Messen ein Hochgefühl bei den Besuchern<br />
auslösen. Dabei dürfen sie die Kunden aber nicht visuell überfordern,<br />
warnt Entertainment-Berater Dr. Christian Mikunda.<br />
Wichtig ist, dass die Kunden die Produkte am Stand ausprobieren können.<br />
MARKENARTIKEL: Herr Mikunda, Sie sagen, dass Sie ein<br />
großer Fan von Messen sind, warnen aber vor der<br />
visuellen Reizüberflutung. Was meinen Sie damit<br />
genau?<br />
DR. CHRISTIAN MIKUNDA: Auf Messen findet man häufig<br />
das Phänomen der Überfrachtung. Dem Besucher werden<br />
auf den Ständen so viele Angebote präsentiert,<br />
dass er den Überblick verliert und völlig orientierungslos<br />
ist. Er kann das ganze visuelle Chaos nicht ordnen<br />
oder keine Angebote identifizieren, die ihn interessieren.<br />
Die akustische und visuelle Reizüberflutung führt<br />
zu einem Zustand der kompletten Überforderung.<br />
MARKENARTIKEL: Was bedeutet das konkret im Falle der<br />
Kosmetikbranche?<br />
MIKUNDA: Die Aussteller sollten sich bei der Präsentation<br />
fokussieren und nicht versuchen, ihre komplette Warenfülle<br />
zu zeigen. Gerade bei Veranstaltungen, wo es<br />
um viele kleinteilige Objekte geht wie bei Kosmetikprodukten.<br />
Ordnung in der visuellen Präsentation ist<br />
wichtig – etwa, indem man aus Lippenstiften ein interessantes<br />
Muster kreiert oder einen Farbfächer. Reizüberflutung<br />
muss vermieden werden. Weniger ist mehr.<br />
Das, was man präsentiert, muss dafür umso besser gezeigt<br />
werden.<br />
MARKENARTIKEL: Und was kann man als Unternehmen<br />
noch tun, den Kunden ein möglichst angenehmes Erlebnis<br />
zu bieten?<br />
MIKUNDA: Viele haben erkannt, dass sie Kunden verlieren,<br />
weil diese aufgrund der Überforderung resigniert<br />
aufgeben. Deshalb setzen inzwischen viele Messestände<br />
auf Chillout-Bereiche. Das sind zum Beispiel Lounges,<br />
in die sich der Kunde zurückziehen und erholen<br />
kann.<br />
MARKENARTIKEL: Hier dürfte die Kosmetikindustrie die<br />
Nase vorn haben, die sich ja mit Beauty-Lounges und<br />
Spa-Bereichen auskennt. Fotos: Beauty International / Messe Düsseldorf
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
MIKUNDA: Die Branche lebt davon, dass die Kunden die<br />
Produkte und Anwendungen ausprobieren können. Das<br />
ist auch für die Messen von Vorteil. Hier können die<br />
Kosmetikhersteller beispielsweise Minibehandlungen<br />
anbieten oder das Make-up auffrischen. Somit sind gerade<br />
die Unternehmen aus dem Beauty-Bereich dazu<br />
prädestiniert, den Druck aus Messen herauszunehmen<br />
MESSEN<br />
und den Besuchern ein angenehmes Erlebnis zu bieten.<br />
Damit die Kosmetikbranche einen perfekten Auftritt<br />
hinlegt, muss die Mischung aus Glory und Bravour<br />
stimmen.<br />
MARKENARTIKEL: Die Mischung aus Glory und Bravour?<br />
MIKUNDA: Ja. Glory sorgt zum einen für ein erhebendes<br />
15. – 17. März 2013 16. – 18. März 2013 16. – 17. März 2013<br />
Internationale Leitmesse<br />
Kosmetik, Nail,<br />
Fuß, Wellness, SPA<br />
www.beauty.de<br />
» Damit die Kosmetikbranche einen<br />
perfekten Auftritt hinlegt, muss die<br />
Mischung aus Glory und Bravour<br />
stimmen.<br />
Dr.<br />
Die Leitmessen für Profi s<br />
Fachmesse – Show – Kongress<br />
für die internationale<br />
Friseurbranche<br />
www.top-hair-international.com<br />
Christian Mikunda<br />
Fachmesse für<br />
Maskenbildner und<br />
Visagisten<br />
www.make-up-artist-show.de<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
75<br />
Düsseldorf:<br />
it’s time for the best
60 JAHRE <strong>VKE</strong> MESSEN MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
76<br />
Der Messestand muss zum Markenerlebniszentrum werden. Keine künstliche Scheinwelt, sondern eine echte, authentische Erlebniswelt.<br />
Gefühl. Schauen Sie sich die Counter der Kosmetikindustrie<br />
in den großen Kauf- und Warenhäusern an.<br />
Die setzen auf architektonische Elemente der emotionalen<br />
Überhöhung und sehen zum Teil aus wie kleine<br />
Tempel mit Säulen, Baldachinen und viel weißer Farbe.<br />
Sie haben eine eigene Corporate Architecture, die<br />
beim Kunden ein Gefühl der Erhabenheit auslöst. Und<br />
Bravour bedeutet, dass man die Besucher eines Shops<br />
oder eines Messestandes fasziniert. Das erreicht man<br />
zum Beispiel mit gutem Personal. Vorführen ist wieder<br />
in. Es braucht Leute, die die Faszination der Produkte<br />
auch rüberbringen können. Ein Messestand muss einer<br />
Dramaturgie des Begehrens folgen.<br />
MARKENARTIKEL: Einer Dramaturgie des Begehrens?<br />
MIKUNDA: Die Besucher sollen sich ein bisschen verlieben<br />
in das, was ihnen da gezeigt wird. Dafür kann es<br />
hilfreich sein, zentrale Produkte in Rahmen oder auf<br />
Drehscheiben hervorzuheben – sie quasi auf dem Präsentierteller<br />
zu zeigen. Kosmetikhersteller müssen aber<br />
vorsichtig sein, dass sie ihre Produkte nicht zu sehr<br />
überhöhen und sie am Ende zu sakral daherkommen.<br />
MARKENARTIKEL: Zuviel Glory ist also auch nicht gut?<br />
MIKUNDA: Was den Kunden anbelangt, ist Glory schon<br />
wichtig. Das hat mit Apotheose zu tun, was wörtlich<br />
übersetzt soviel wie Gottwerdung heißt. Eine solche<br />
emotionale Überhöhung löst man aus, indem man Kunden<br />
auf einen besonderen Hocker setzt, sie anstrahlt<br />
und verwöhnt. Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn man<br />
eine Beauty-Behandlung bekommt und quasi in eine<br />
Göttin verwandelt wird. Dabei sollte man die Kunden<br />
nicht zu sehr den gaffenden Blicken aussetzen. Das<br />
Schminken sollte in einer Art Minikokon stattfinden.<br />
MARKENARTIKEL: Den Kunden sollte man also verwöhnen.<br />
MIKUNDA: Ja, und genauso wie sie den Messebesucher<br />
in Szene setzen, können Hersteller auch ihre Produkte<br />
präsentieren. Kosmetiktiegel und Flakons sind<br />
oft kleine Kunstwerke. Da bietet es sich an, sie beispielsweise<br />
auf einem Podest zu platzieren und anzustrahlen.<br />
Aber man muss aufpassen, dass man die<br />
Produkte nicht zu sehr überhöht. Sonst werden Marken<br />
schnell als hochmütig wahrgenommen. Die Kunden<br />
finden dann keinen Zugang zu ihr und fühlen<br />
sich nicht wohl. Um das zu verhindern, ist Bravour<br />
ganz wichtig.<br />
MARKENARTIKEL: Wie kann das genau aussehen?<br />
MIKUNDA: Bravour bedeutet, dass die Hersteller ihre<br />
Stärke und Kompetenz erlebbar machen müssen. Das<br />
ist heute wichtiger denn je. Kosmetik hat man auf der<br />
Haut. Deshalb wollen die Menschen zunehmend wissen,<br />
welche Inhaltsstoffe in den Cremes und Düften<br />
Dr. Christian Mikunda gilt als »Vordenker neuer Erlebniswelten«.<br />
Er lehrte u.a. in Wien, war Gastreferent an der Harvard University<br />
in Boston und Gastprofessor in Tübingen. Er berät Unternehmen<br />
zu Themen wie Brandlands, POS-Gestaltung und Retail-Architektur.
MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
Gerade bei kleinteiligen Produkten ist Ordnung in der visuellen Präsentation wichtig. Reizüberflutung muss vermieden werden.<br />
enthalten sind, woher die Produkte kommen und wer<br />
dahinter steht. Der Preis wird immer weniger zum entscheidenden<br />
Kaufkriterium. Deshalb ist es auch wichtig,<br />
dass die Messebesucher erleben, was mit ihnen<br />
passiert, wenn sie etwas anwenden. Neben Bravour<br />
ist aber auch eine Prise Joy ganz wichtig.<br />
MARKENARTIKEL: Eine Prise Joy…<br />
BV Konsumigere Marken wie Sephora machen vor, wie<br />
es geht. Die Präsentation ist hochwertig und gleichzeitig<br />
lebhaft – fast wie auf einem orientalischen<br />
Markt. Mehr Spaß würde gerade einigen der hochpreisigeren<br />
Kosmetikmarken gut tun. Luxusmarken<br />
auf der ganzen Welt haben das erkannt und versuchen<br />
gerade, sich mit einem deutlichen Schuss Joy auch jünger<br />
zu positionieren. Etwa Louis Vuitton: Das Unternehmen<br />
hat in Japan bunte Taschen herausgebracht,<br />
die von Mangakünstlern designed worden sind. Und<br />
im Londoner Flagshipstore gibt es eine hydraulische<br />
Wand, die durch den Laden fährt und immer wieder<br />
den Blick auf andere Taschen frei gibt.<br />
MARKENARTIKEL: Ein Schuss Verspieltheit auch als Gegengewicht<br />
zu zuviel Luxus…<br />
MIKUNDA: Indem sie sich zugänglicher und spritziger<br />
präsentieren, öffnen sich die Hersteller der luxuriösen<br />
Kosmetikprodukte für neue Zielgruppen. Diese<br />
suchen nach Marken, die nicht zu abgehoben daherkommen.<br />
Man darf auch nicht vergessen, dass<br />
die Menschen heute psychologisch länger jung bleiben.<br />
Wer jetzt 50 Jahre alt ist, fühlt sich wie früher<br />
jemand mit 30 Jahren. Mehr Spaß tut deshalb gerade<br />
einigen der hochpreisigeren Kosmetikmarken gut.<br />
Es ist auch nicht so schwer, sich als Glory-Marke eine<br />
Prise Joy zu verpassen, um damit etwas verspielter<br />
und jünger zu werden. Das darf allerdings dann<br />
nicht zu viel werden.<br />
MESSEN<br />
MARKENARTIKEL: Sonst endet es wieder mit der anfangs<br />
angesprochenen visuellen Reizüberflutung.<br />
MIKUNDA: Richtig. Joy darf nicht in visuelle Überfülle<br />
ausarten. Deshalb braucht man an einem Stand ein<br />
stringentes Ordnungsprinzip. Ich bin mir aber sicher,<br />
dass gerade Kosmetikhersteller die richtige Mischung<br />
aus Glory, Bravour und Joy auf Messen und am POS<br />
finden. Sie haben die besten Voraussetzungen dafür,<br />
ihre Auftritte emotional zu gestalten, denn ihre Produkte<br />
sind an sich schon sehr emotional. Und Nähe<br />
entsteht nicht durch rationale Argumente, sondern<br />
dadurch, dass man für die Besucher emotionale Momente<br />
schafft. Der Messestand muss zum Markenerlebniszentrum<br />
werden. Keine künstliche Scheinwelt,<br />
sondern eine echte, authentische Erlebniswelt.<br />
Ein Messeauftritt ist wie ein Theaterstück, das jeden<br />
Tag neu inszeniert werden und gepflegt werden<br />
muss. Die dadurch ausgelösten Hochgefühle führen<br />
dazu, dass der A.I.M.E-Wert hochgeht.<br />
MARKENARTIKEL: Der A.I.M.E.-Wert?<br />
MIKUNDA : Ja, der Amount of invested mental elaboration.<br />
Wenn der Wert hoch ist, ist man emotional<br />
aufgekratzt und fühlt sich beschwingt. Die Aufmerksamkeit<br />
geht hoch, die Sinne werden geschärft und<br />
man fühlt sich wohl. Dann wendet man sich auch<br />
mit erhöhter Aufmerksamkeit dem Informationsangebot<br />
zu. Deshalb wirken Orte, die mit der richtigen<br />
Dosierung an Emotion arbeiten, verkaufsfördernd.<br />
Wenn eine Messe emotional ist und nicht nur<br />
brutal verkaufen will, dann sind die Chancen für<br />
Geschäftsabschlüsse viel größer. Denn wenn ich in<br />
Hochstimmung bin, kaufe ich doch eher etwas, als<br />
wenn ich mich komplett überfordert fühle und frustriert<br />
aufgebe.<br />
Interview: Vanessa Göbel<br />
60 JAHRE <strong>VKE</strong><br />
77
60 JAHRE <strong>VKE</strong> KONTAKT MARKENARTIKEL SONDERHEFT<br />
78<br />
<strong>VKE</strong> - Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e.V.<br />
Unter den Linden 42<br />
10117 Berlin<br />
Tel. +49 30/206168-22<br />
Fax. +49 30/206168-722<br />
E-Mail: info@kosmetikverband.de<br />
Präsident: Stephan Seidel (Clarins GmbH)<br />
Vizepräsidenten: Steffen Seifarth (Coty Germany GmbH)<br />
Rolf Sigmund (L’Oréal Deutschland GmbH)<br />
Schatzmeister: Thomas Schnitzler (Nobilis Fragrances GmbH)<br />
Weitere Vorstandsmitglieder: Bart de Boever (LVMH Parfums & Kosmetik GmbH)<br />
Beate Fastrich (Estée Lauder Companies GmbH)<br />
Susanne Rumbler (Beauté Prestige International GmbH)<br />
Andreas Sistig (Shiseido Deutschland GmbH)<br />
Kooptiertes Vorstandsmitglied: Michael Lindner (Börlind Gesellschaft für Kosmetische Erzeugnisse mbH)<br />
Ehrenvorsitzende: Maria Augustin<br />
Gunter Thoß (Börlind Gesellschaft für Kosmetische Erzeugnisse mbH)<br />
Geschäftsführer: Martin Ruppmann<br />
Mitglieder des <strong>VKE</strong> sind:<br />
ARTDECO Cosmetic GmbH<br />
ARS Parfum Creation & Consulting GmbH<br />
AHAVA Cosmetics GmbH<br />
Beaute Prestige International GmbH<br />
Börlind Gesellschaft für kosmetische Erzeugnisse mbH<br />
Beauty Brands International GmbH<br />
BULGARI Deutschland GmbH<br />
BCG Baden-Baden Cosmetics Group AG<br />
Chanel GmbH<br />
c.l.u.b. UNIQUE BRANDS International GmbH<br />
Clarins GmbH<br />
Dermapharm AG<br />
Dr. Babor GmbH & Co.<br />
DISTRICT TWO GmbH<br />
Estée Lauder Companies GmbH<br />
FUJIFILM Deutschl./Ndl. der FUJIFILM Europe GmbH<br />
LVMH Parfums & Kosmetiks GmbH<br />
Division Guerlain<br />
ITF Germany GmbH<br />
I.P.D. International Perfume Distribution GmbH<br />
Kanebo Cosmetics Deutschland GmbH<br />
Klapp Cosmetics GmbH<br />
KSAR GmbH<br />
La mer Cosmetics AG<br />
La Prairie Group Deutschland GmbH<br />
Coty Germany GmbH<br />
Ligne St. Barth GmbH<br />
L‘Oreal Deutschland GmbH<br />
Louis Widmer GmbH<br />
LVMH Parfums & Cosmetics<br />
Parfums Christian Dior GmbH<br />
LR Health & Beauty Systems GmbH<br />
LUXESS GmbH<br />
Maria Galland GmbH<br />
Maxim Markenprodukte GmbH & Co. KG<br />
Division Créateur Cosmétiques<br />
MBR Medical Beauty Research GmbH<br />
Mäurer + Wirtz GmbH & Co. KG<br />
Markwins International GmbH<br />
MASTER BRANDS e.K.<br />
Nobilis Fragrances GmbH<br />
P&G Prestige Products GmbH<br />
LVMH Fragrance Brands<br />
PUIG Deutschland GmbH<br />
Richemont Northern Europe GmbH<br />
Cartier Parfums<br />
SA.G Perfumes Distribution<br />
SanderStrothmann GmbH<br />
Shiseido Deutschland GmbH<br />
Sisley Deutschland Vertriebs GmbH<br />
SOTHYS - Euro-Kosmetik GmbH<br />
Swiss Mountain Cosmetics GmbH & Co. KG<br />
Straub GmbH Div. Straub Beauté Selective<br />
THOMAS SABO GmbH & CO. KG<br />
Troll Cosmetics GmbH
Shampoo<br />
Shaahmpoo<br />
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