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Söflinger Anzeiger

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14 | <strong>Söflinger</strong> <strong>Anzeiger</strong> Kultur Ausgabe 02/10 | Juni 2010 Ausgabe 02/10 | Juni 2010Kultur <strong>Söflinger</strong> <strong>Anzeiger</strong> | 15Im Bild von Johannes Fraidel„Die <strong>Söflinger</strong> Bürgerwehr“Der MalerDas Ulmer Museum besitztein Bild des am 2. Mai 1819in Söflingen geborenenKunstmalers Johannes Fraidel, dasdie Bürgerwehr von Söflingen zeigt.Noch zu seinen Lebzeiten schenktees der Künstler seiner Heimatgemeinde,die es im Rathaussaalaufhängte. 1931 kam es ins UlmerMuseum. Einige seiner Porträtshaben im Münchner NationalmuseumPlatz gefunden. Darüber hinausgibt es von ihm weitere Gemälde,Bleistiftskizzen, Feder zeichnungenund Aquarelle, die sich z.T. in Privatbesitzbefinden. Seine andauerndeKrankheit zwang den ledigenKünstler 1847 von München zurücknach Söflingen, wo er bis zu seinemTod im Haus seiner Eltern wohnte.Im „Ulmer Intelligenzblatt“ vom30.10.1849 erschien anl. des Todesvon Johannes Fraidel ein Nachruf:„Am letzten Samstag, 27. Oktober,wurde in Söflingen ein reichesKunsttalent zu Grabe getragen:Herr Johannes Fraidel, daselbst. Ermachte seine Studien in München.Seine Bilder auf den Ausstellungendes dortigen Kunstvereins fandendie Anerkennung der Laien undMeister. Auch hier befinden sich einigePortraits von ihm, die hinsichtlichder Auffassung und der Farbentechnikzu den besten Leistungen indiesem Genre zählen.“Eine BildbeschreibungDer VordergrundDas Bild des Johannes Fraidelstammt aus dem Jahr 1848. Er wolltemit seinem Werk nicht nur 36einzelne Bürgerwehrmitglieder porträtieren,er wollte auch seine Heimatund deren Umgebung zeigen.Die <strong>Söflinger</strong> Bürgerwehr bestanddamals aus zwei Kompanien mitzusammen 250 Mitgliedern. Fraidelstellte die 36 Einzelmitgliederauf die Anhöhe oberhalb des <strong>Söflinger</strong>Friedhofes, etwa in Höhe derheutigen Pfarrer-Weser-Straße. DieBürgerwehr nimmt dabei die ganzeBildbreite in Anspruch. In derBildmitte sehen wir zwei Offizierehoch zu Ross: den Befehlshaberim Majorsrang und seinen Adjudanten,einen Oberleutnant. Linksdes Befehlshabers steht ein Bürgerwehrmannmit Muskete und aufgepflanztemBajonett. Es folgen fünfOffiziere und der Bürgerwehrarzt.Nach der Lücke ist ein Bürgerwehrmannin Profilstellung abgebildet.Daneben stehen zwei Tamboure mitweißem Helmbusch, dazwischenein Oberfeldwebel und ganz linksdrei Mann, davon zwei Feldwebelund ein Oberfeldwebel. Vor den beidenTambouren stehen zwei Buben,davon einer mit Kindergewehr undaufgepflanztem Bajonett unter demArm. Ein weiterer Bub steht vornebeim Bürgerwehrarzt mit den Händenauf dem Rücken; er richtet denBlick auf die Reiter. Rechts des Befehlshabersund seines Adjudantensehen wir vier sonntäglich gekleideteHerren in Zivil. Vorne steht derGemeindepfleger mit langen Rohrstiefeln,daneben der Schultheißmit Stock, beide mit Zylinderhutund langem Rock. Dahinter entdeckenwir den Ortspfarrer (mit Brille)und den Vikar. Dann folgt dieBürgerwehrmusikkapelle mit demKapellmeister und 12 Musikanten.Hinter den im Porträt festgehaltenenPersonen schließt sich dieMasse der Bürgerwehrmänner an,die aber nicht zu identifizieren ist.Weiter hinten erkennt man einenMann sowie drei Frauen und einkleines Mädchen. Sie sind gekommen,um das seltene Schauspielder gesamten Bürgerwehr mit ihrerMusikkapelle und den bunten Uniformenzu betrachten. An der linkenBildseite erscheint im Westen derehemalige Klosterziegelstadel mitBrennöfen, Trockenhütten, Ökonomie-und Wohngebäuden. Derdamalige Pächter hatte den Betrieb1807 vom bayerischen Staat erworben– Söflingen gehörte ja nach derSäkularisation bis 1810 zu Bayern.Bis in die zweite Hälfte des 19. Jh.wurde er noch weitergeführt. DieserZiegelstadel stand etwa unterhalbder heutigen <strong>Söflinger</strong> Hautklinik,im Winkel zwischen Maienwegund Harthauser Straße. Bei den imrechten Bildrand (Osten) stehendenHäusern handelt es sich um das damaligeNeubaugebiet mit der Glocken-,Brunnen- und Seilergasse, inSöflingen als „Bethlehem“ bekannt,da es auf dem Gewann „Herrgottsäcker“errichtet wurde. Auf dernördlichen Talseite erkennt mandie mit einer durchlaufenden Obstbaumreihebepflanzte BlaubeurerStraße zwischen Blaubeurer Tor undder damaligen Grabenbruck (heuteetwa Lupferbrücke) in Söflingen.Der HintergrundAls Hintergrund zeigt sich demBetrachter der Rand der Albhochfläche.Auf der linken Bildflächegeht es hoch zum Eselsberg, derdann nach Osten ins Lehrer Talabfällt. Weiter nach Osten erkenntman das gerade im Bau befindlichegroße Bauwerk der BundesfestungUlm mit der Wilhelmsburgüber dem Michelsberg.Die BürgerwehrSeit Jahrhunderten gab es inDeutschland Bürgerwehren undGarden zur Stadtverteidigung, diemeisten wurden aber wieder aufgelöst,etwa in Ulm. Hier bestand von1829 bis 1855 eine Bürgerwehr mitSchützenkompanie und Garde zuPferd. Wie nötig diese war, zeigt einVorfall vom 17.6.1849: Im damaligenLokal „Römischer Kaiser“ –später „Deutscher Kaiser“ auf demJudenhof war es im Tanzsaal zwischendem Militär und der Polizei zuschweren Streitereien gekommen.Im Verlauf der Auseinandersetzungen,die später als Judenhofkrawallein die Geschichte eingingen, wurdesogar ein unbeteiligter jungerMann erschossen. Zur Schlichtungmusste die Ulmer Bürgerwehr gerufenwerden. Einige Bürgerwehrenbestehen heute noch, wennauch mit veränderten Aufgaben:sie betrachten sich als die Bewahrereiner Tradition, verbunden mit örtlichemBrauchtum. So gibt es z.B.in näherer Umgebung noch Bürgerwehren(in Klammern die Gründungsjahre)in Ehingen (1243), Dietenheim(1313) oder Saulgau (1320).Durch die Napoleonischen Kriegewurde das alte Deutsche Reich zerstört.Feudale Sonderrechte undkleinstaatliche Zersplitterungenwurden überwunden. So wurde z.B.Württemberg 1806 Königreich vonNapoleons „Gnaden“, erhielt Oberschwabenund viele kirchliche Gebiete,und es wurde festgelegt, dassder seit dem Mittelalter herrschendeFeudalismus abgeschafft werdenwürde. Aber spätestens mit demWiener Kongress von 1815 und dem„Wirken“ des Fürsten Metternichbegann die Wiederherstellung dervorrevolutionären Zustände und dieUnterdrückung freiheitlicher Bestrebungendurch verwaltungs- undverfassungsrechtliche Vorschriften.Im Februar 1848 wurde in Frankreichder König abgesetzt und die 2.Frz. Republik ausgerufen. Im Folgemonatgab es auch in Deutschlandgewalttätige Ausschreitungen gegendie Feudalherrschaft. Eine dergroßen Forderungen dieser Revolutionwar die „Volksbewaffnung“.<strong>Söflinger</strong>BürgerwehrDas liberale Bürgertum war gegendie ins Wanken geratene Front deralten Gewalten angetreten und verlangtenach einer Umgestaltung derpolitischen Verhältnisse in Deutschland.So sollte auch das Wehrwesenauf eine gänzlich neue, volkstümlicheGrundlage gestellt werden unddas Heer als Machtinstrument derFürsten durch eine Volkswehr ersetztwerden. Als aber Ende Märzdas Gerücht aufkam, 40000 Franzosenseien in Baden eingedrungen,um ihre früheren Gebietezurück zu erobern, beschloss derwürtt. Landtag gewissermaßenüber Nacht die Ablösung der Lehnsherrschaftund zur Abwehr der Invasiondie landesweite Aufstellungvon Bürgerwehren. Diese wurdenauf Grund des Gesetzes „die Volksbewaffnungbetreffend“ vom 1. 4.1848 eingerichtet, das König WilhelmI. von Württemberg erlassenhatte. Darin heißt es u.a.: „ Die Bürgerwehrhat die Bestimmung, dieWehrhaftigkeit der Staatsbürger zubefördern, Verfassung und Gesetzezu beschützen und die öffentlicheOrdnung und Ruhe aufrecht zu erhalten.In sämtlichen Gemeindendes Landes sind Bürgerwehren zuerrichten“. Es folgen Bestimmungenz.B. über Dienstverpflichtungen,Ausnahmen davon, Gliederungender Bürgerwehr, Verwaltungund Bewaffnung. Natürlich durfteeine Verfügung „betreffend dasVerhältnis des stehenden Heereszu der Bürgerwehr“ nicht fehlen.Zum Dienst in der Bürgerwehrwaren im Allgemeinen alle volljährigen,im Gemeindebezirk wohnendenBürger bis zum erfüllten50. Lebensjahr verpflichtet. Dagegenmussten Personen, die ausbestimmten Gründen ausgeschlossenwaren, einen jährlichen Geldbeitragleisten. Bei nicht mehr alsacht jährlichen Übungen mussteder Gebrauch der Waffen und des„militärischen Schrittes“ eingeübtwerden. Die Bewaffnung bestand ineiner leichten Muskete mit Bajonettund Patronentasche. Die Kleidungsollte einfach, aber gleichförmigsein, und - jeder Bürgerwehrmannmusste seine Ausrüstung aus eigenenMitteln bestreiten! Aus einerkgl. Verordnung vom 1. 6. 1848geht ergänzend hervor: „ Zur Teilnahmean der Bürgerwehr sindauch solche verpflichtet, welchendie Ausrüstung, deren Anschaffungihnen aus eigenen Mitteln schwerfallen würde, durch die Gemeindebesorgt wird “. Obwohl sich das Gerüchtüber den Einmarsch der Franzosenals unwahr erwies, zog sichdas Ringen um eine neue Form des100 JahreWehrwesens weiter durch die ganzeRevolution. Ein entscheidenderDurchbruch gelang aber nicht, dasich die revolutionären Kräfte uneinigwaren. Zwar besaß die Volksbewaffnungin vielen Städten des KönigreichsWürttemberg eine bis insMittelalter zurückreichende ununterbrocheneTradition, der sich dasBürgertum im 19. Jh. durchaus verpflichtetfühlte, gegen die allgemeineEinführung einer Bürgerwehrin Württemberg herrschte aber vorallem in den kleineren Städten undin ländlichen Gemeinden fast überalleine große Abneigung. Zudemverloren die Bürgerwehren mit derEntwicklung des stehenden Heeresan Bedeutung. Deshalb erhielt dasBürgerwehrgesetz am 3. 10. 1849eine Neufassung. Die wichtigsteÄnderung lautete: „ Wenn . . . füreine Gemeinde die Aufbringungder Kosten der Bürgerwehr besondersbedrückend ist, kann zeitweisegestattet werden, die Bildung derBürgerwehr aufzuschieben“ . Der<strong>Söflinger</strong> Gemeinderat beschloss inseiner Sitzung vom 3. 6. 1850, „dassman um Aufschub der Bildung einerBürgerwehr dahier einkommen wolle“.Diesem Antrag wurde noch imOktober desselben Jahres entsprochen– daraufhin wurde die <strong>Söflinger</strong>Bürgerwehr aufgelöst. GenaueUnterlagen darüber sind aber nichtvorhanden. Otto Schempp (Quellen: F. Becker)Dampfkraftwerk UlmEnergie für Generationen.Dampfkraftwerk Ulm · Maschinenhaus um 1914

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