Mehrfachbelastungen durch Pestizide auf Mensch und Umwelt

Mehrfachbelastungen durch Pestizide auf Mensch und Umwelt Mehrfachbelastungen durch Pestizide auf Mensch und Umwelt

05.12.2012 Aufrufe

2. Vorwort des Herausgebers Täglich kommen wir mit unterschiedlichsten Chemikalien in Kontakt: Mit chemisch behandelter Klei- dung, mit Gebrauchsgegenständen und Spielwaren, die zum Beispiel Weichmacher enthalten, und nicht zuletzt mit Nahrungsmitteln, die mit Zusatzstoffen und Pestiziden belastet sind. Insektizide, Herbizide und Fungizide sollen unerwünschte Insekten, Wildkräuter oder Pilzbefall in Schach hal- ten. Pestizide sind also giftig, und das nicht immer nur für die Zielorganismen. Manche Pestizide können Allergien auslösen. Andere haben fruchtbarkeits- oder erbgutschädigen- de, einige auch krebserzeugende Eigenschaften. Manche Pestizide können das Hormonsystem schädigen. In vielen Gemüse- und Obstsorten aus konventionellem Anbau ist die Konzentration einzelner Wirkstoffe zwar geringer als noch vor wenigen Jahren. Aber der Erfolg hat einen Beige- schmack: die Anzahl der in Obst und Gemüse identifizierten Substanzen stieg stetig an. Einige Zahlen aus dem aktuellen Greenpeace-Ratgeber 3 „Essen ohne Pestizide“ belegen, dass der Trend zur mehrfachen Belastung mit Pestizidwirkstoffen anhält. Herkunftsbezogen enthielten Tafeltrauben im Schnitt bis zu neun Pestizide, Erdbeeren sieben, Kopfsalat sechs. Spitzenreiter im Jahr 2010 waren eine Johannisbeer-Probe aus Deutschland mit 17 Pestiziden und eine Probe türkischer Ta- feltrauben mit 24 Pestiziden. Die Lebensmittelüberwachung Nordrhein-Westfalen hat vor wenigen Tagen die Auswertung der 2011 untersuchten Obst- und Gemüse veröffentlicht, Tafeltrauben ent- hielten bis zu 13 Pestizid-Wirkstoffe. Die vorliegende Studie zeigt deutlich, dass die Entwicklung hin zu steigender Mehrfachbelastung vorher nicht gekannte Probleme in der Bewertung von Pestizid-Wirkstoffen nach sich zieht. Bislang werden fast alle Pestizidwirkstoffe in Deutschland und in der EU einzeln bewertet. Bei der Festset- zung von Pestizid-Grenzwerten wird das Risiko durch die Kombination verschiedener Chemikalien viel zu wenig beachtet. Die staatliche Risikobewertung hat dafür bisher keine Grenzwerte für Le- bensmittel abgeleitet. Die Studie zeigt jedoch, dass sich die Wirkungen mehrerer gleichzeitig vor- handener Chemikalien verstärken können auch schon in geringen Konzentrationen, wie sie in der Umwelt oder in menschlichem Blut gefunden werden. Wie eingangs erwähnt, ist der Mensch jedoch nicht nur einer Vielzahl von Pestizid-Wirkstoffen aus- gesetzt. Die Studie zeigt, dass sich die gesundheitsschädigende Wirkung von Pestiziden zum Bei- spiel auch in Kombination mit Weichmachern, erhöhen kann. Weichmacher werden in Verpackun- gen von Fleisch und Käse eingesetzt. Die Wissenschaft kann experimentell keinen eindeutigen Beleg für Kombinationswirkungen von Mehrfachbelastungen im Niedrigdosisbereich liefern. Die Studie zeigt aber, dass ausreichend Ver- dachtsmomente für ein solches Risiko vorliegen. Nach Auffassung von Greenpeace dürfen in solch einer Situation keine Kompromisse zu Lasten der Gesundheit und der Umwelt gemacht werden. Der vorbeugende Gesundheits- und Verbraucherschutz lässt nur eine Regel zu: Es gelten das Vor- sorgeprinzip und das Minimierungsgebot. Die Belastung mit Pestizid-Cocktails muss so gering wie 3 http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/chemie/Essen_ohne_Pestizide.pdf 6

irgend möglich sein. Greenpeace hat für den Pestizid-Ratgeber daher ein Bewertungssystem für Rückstände von Pestizid-Wirkstoffen eingeführt, das Mehrfachbelastungen anhand eines Summen- grenzwertes berücksichtigt. 4 Ein weiterer Aspekt ist der Umweltschutz: Auch heute noch landen ca. 30.000 Tonnen Pestizidwirk- stoffe allein auf deutschen Äckern. Manche Substanzen sind ökotoxisch, das heißt, sie schädigen das Ökosystem in besonderem Maße. Der Pestizideinsatz der vergangenen 50 Jahre hat die Arten- vielfalt in Europa bereits um die Hälfte verringert. Pestizide werden weltweit eingesetzt und können sich im globalen Warenhandel weit verbreiten. Spuren von Pestiziden lassen sich überall finden: Im Boden, im Wasser und in der Luft, sogar im Fett der arktischen Eisbären. Das besonders häufig in Obst und Gemüse gefundene umweltschädliche Insektizid Chlorpyrifos kam in 64 Lebensmitteln aus 45 Ländern vor. 5 Erst kürzlich wurde nachgewiesen, dass deutlich mehr Insektizide in deut- schen Gewässern landen, als von den Behörden für die Zulassungsberechnung angenommen wird. 6 Die vorliegende Studie zeigt, dass Effekte kombinatorischer Wirkungen auch im Ökosystem vorliegen. Maßnahmen im Sinne des Vorsorgekonzepts sind dringend geboten. Greenpeace fordert: - Bewertung von Pestizidrückständen nach dem Vorsorgeprinzip - Keine Risikobewertung nur auf Grundlage von Einzelstoffkonzentrationen - Berücksichtigung des Risikos gesundheitsschädlicher Wirkungen bei Kombination von meh- reren Schadstoffen auch im Niedrigdosisbereich; insbesondere wenn hormonell wirksame Schadstoffe vorliegen - Das Aufstellen eines Summengrenzwertes für Pestizide in Lebensmitteln, analog zum schon lange bestehenden Summengrenzwert für Trinkwasser - Ein Pestizidreduktionsprogramm, das diesen Namen verdient; das heißt, die konsequente Förderung der Umstellung auf biologische Pflanzenschutz-Methoden beinhaltet. Manfred Santen, Hamburg, 24.08.2012 4 5 http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/chemie/FS_Greenpeace_Bewertungssystem_fuer_Pestiz ide_neu2012.pdf http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/chemie/Ratgeber_Essen_ohne_Pestizide/Hintergrundinf o_Greenpeace-Pestizid-Ratgeber_2012_0204.pdf 6 http://www.uni-koblenz-landau.de/aktuell/archiv-2012/pm-eu-zulassung-pflanzenschutzmittel 7

irgend möglich sein. Greenpeace hat für den Pestizid-Ratgeber daher ein Bewertungssystem für<br />

Rückstände von Pestizid-Wirkstoffen eingeführt, das <strong>Mehrfachbelastungen</strong> anhand eines Summen-<br />

grenzwertes berücksichtigt. 4<br />

Ein weiterer Aspekt ist der <strong>Umwelt</strong>schutz: Auch heute noch landen ca. 30.000 Tonnen Pestizidwirk-<br />

stoffe allein <strong>auf</strong> deutschen Äckern. Manche Substanzen sind ökotoxisch, das heißt, sie schädigen<br />

das Ökosystem in besonderem Maße. Der <strong>Pestizide</strong>insatz der vergangenen 50 Jahre hat die Arten-<br />

vielfalt in Europa bereits um die Hälfte verringert. <strong>Pestizide</strong> werden weltweit eingesetzt <strong>und</strong> können<br />

sich im globalen Warenhandel weit verbreiten. Spuren von <strong>Pestizide</strong>n lassen sich überall finden: Im<br />

Boden, im Wasser <strong>und</strong> in der Luft, sogar im Fett der arktischen Eisbären. Das besonders häufig in<br />

Obst <strong>und</strong> Gemüse gef<strong>und</strong>ene umweltschädliche Insektizid Chlorpyrifos kam in 64 Lebensmitteln<br />

aus 45 Ländern vor. 5 Erst kürzlich wurde nachgewiesen, dass deutlich mehr Insektizide in deut-<br />

schen Gewässern landen, als von den Behörden für die Zulassungsberechnung angenommen<br />

wird. 6 Die vorliegende Studie zeigt, dass Effekte kombinatorischer Wirkungen auch im Ökosystem<br />

vorliegen.<br />

Maßnahmen im Sinne des Vorsorgekonzepts sind dringend geboten. Greenpeace fordert:<br />

- Bewertung von Pestizidrückständen nach dem Vorsorgeprinzip<br />

- Keine Risikobewertung nur <strong>auf</strong> Gr<strong>und</strong>lage von Einzelstoffkonzentrationen<br />

- Berücksichtigung des Risikos ges<strong>und</strong>heitsschädlicher Wirkungen bei Kombination von meh-<br />

reren Schadstoffen auch im Niedrigdosisbereich; insbesondere wenn hormonell wirksame<br />

Schadstoffe vorliegen<br />

- Das Aufstellen eines Summengrenzwertes für <strong>Pestizide</strong> in Lebensmitteln, analog zum schon<br />

lange bestehenden Summengrenzwert für Trinkwasser<br />

- Ein Pestizidreduktionsprogramm, das diesen Namen verdient; das heißt, die konsequente<br />

Förderung der Umstellung <strong>auf</strong> biologische Pflanzenschutz-Methoden beinhaltet.<br />

Manfred Santen,<br />

Hamburg, 24.08.2012<br />

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http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/chemie/FS_Greenpeace_Bewertungssystem_fuer_Pestiz<br />

ide_neu2012.pdf<br />

http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/chemie/Ratgeber_Essen_ohne_<strong>Pestizide</strong>/Hintergr<strong>und</strong>inf<br />

o_Greenpeace-Pestizid-Ratgeber_2012_0204.pdf<br />

6 http://www.uni-koblenz-landau.de/aktuell/archiv-2012/pm-eu-zulassung-pflanzenschutzmittel<br />

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