Mehrfachbelastungen durch Pestizide auf Mensch und Umwelt

Mehrfachbelastungen durch Pestizide auf Mensch und Umwelt Mehrfachbelastungen durch Pestizide auf Mensch und Umwelt

05.12.2012 Aufrufe

10. Fazit und Ausblick Um die 40% aller analysierten Obst- und Gemüseproben in Deutschland sind mit mehr als einem Pestizid belastet. Bei 12 Obst- und Gemüsesorten sind mehr als 50% aller Proben mehrfach be- lastet; bei 32 Sorten wurden mehr als 10 Pestizide in einer Probe gefunden. Die am häufigsten ver- zehrten Sorten haben hohe Mehrfachbelastungsquoten: Bei mehr als der Hälfte der Äpfel und Ba- nanen und 40% der Tomaten werden mindestens zwei Pestizide gefunden. Diese Sorten werden von Kindern besonders gerne gegessen. Die Vielfalt der Wirkungen von Pestizid-Wirkstoffen, die sich untereinander oder mit anderen Schadstoffen oder Umweltparametern addieren oder verstärken, ist sehr groß: Es werden Nerven- schäden (Parkinson, Verhalten, neuromotorische Fähigkeiten, Aufmerksamkeit), Genitalmissbildun- gen, DNA-Schäden, Leukämie, Immuntoxizität und, in Bezug auf Umweltorganismen, unter ande- rem diverse toxische Wirkungen und erhöhte Virusanfälligkeit beschrieben. Die Liste der in der vorliegenden Studie als mit Pestiziden kombinatorisch wirksam identifizierten Stoffe bzw. Parameter ist lang: Schwermetalle, Weichmacher, PCBs, PAKs, APEOs, Nanopartikel; Pharmaka; Nährstoffe, Naturstoffe; Jod, Glutamat und natürliche Stressparameter wie Salzgehalt, UV-Licht, Temperatur oder andere Organismen. Zudem können Pestizidwirkstoffe in ihrer Formulie- rung eine zum Teil deutlich höhere Toxizität aufweisen als alleine (Richard 2005, Cox und Surgon 2006, Deardorff 2009, Romano 2010). In Kindern und Erwachsenen und in der Umwelt wird ein ganzer Cocktail von Pestizidwirkstoffen und anderen Schadstoffen gefunden; darunter auch solche, die in wissenschaftlichen Studien addi- tive oder synergistische Wirkungen gezeigt haben. Die Konzentrationen, die hierbei in wissenschaft- lichen Untersuchungen Schäden gezeigt haben, liegen in einigen Fällen auf der Höhe von im Men- schen und in der Umwelt gefundenen Konzentrationen. Sehr wenig bekannt ist über die Auswirkungen von komplexen Stoffgemischen, besonders in der Umwelt. Nahezu nichts bekannt ist über die Auswirkungen gepulster, also nicht zeitgleicher, sondern zeitlich aufeinanderfolgender Expositionen. Hierbei spielt wohl auch die Reihenfolge der Belastungen eine Rolle (Stelmashook 2007, Ashauer 2007, Mangano 2009, Johnson 2009). Am Anfang der Forschung stehen auch Wechselwirkungen mit nanoskalierten Stoffen, vor allem in der Umwelt. Die Regulierungsbehörden haben bisher Mehrfachrückstände in Lebensmitteln bei der Risikobewer- tung nur ansatzweise berücksichtigt. Derzeit werden von EU-Behörden Methoden für die Bewertung von Kombinationswirkung von Pestiziden geprüft, die jedoch noch erhebliche methodische und Da- ten-Lücken aufweisen. Behörden und Wissenschaftler diskutieren über Methoden und Wege der Bewertung von Kombinationswirkungen. Alle möglichen Stoffkombinationen zu testen, ist unmöglich. Es steht zu befürchten, dass die Bemü- 54

hungen zu einer abgestimmten, umfassenden Test- und Bewertungsmethodik noch Jahre bis Jahr- zehnte benötigen werden. Dass jedoch selbst bei so starken Hinweisen wie bei Parkinson (s.S. 20ff.) noch keine Maßnahmen ergriffen werden, stimmt für eine zukünftige Verbesserung der Situa- tion für Verbraucher und Umwelt gegenüber Mehrfachbelastungen skeptisch. Um Schäden durch Kombinationswirkungen an Mensch und Umwelt zu vermeiden, sollten so bald wie möglich Maßnahmen im Sinne der Vorsorge ergriffen werden. In der behördlichen Risikobewer- tung von Pestizidrückständen werden beim Aufstellen von Grenzwerten (z.B. ADI) schon seit Jahren so genannte „Sicherheitsfaktoren“ für die Unsicherheiten von im Tierversuch ermittelter, toxikologi- schen Daten verwendet. Die ergänzende Einführung eines Faktors für die Mehrfachbelastung (oder „Vorsorgefaktor“) wäre ein Instrument zur Minimierung der Wahrscheinlichkeit einer Schädigung und damit des Risikos von Schäden an Mensch und Umwelt. 55

10. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Um die 40% aller analysierten Obst- <strong>und</strong> Gemüseproben in Deutschland sind mit mehr als einem<br />

Pestizid belastet. Bei 12 Obst- <strong>und</strong> Gemüsesorten sind mehr als 50% aller Proben mehrfach be-<br />

lastet; bei 32 Sorten wurden mehr als 10 <strong>Pestizide</strong> in einer Probe gef<strong>und</strong>en. Die am häufigsten ver-<br />

zehrten Sorten haben hohe Mehrfachbelastungsquoten: Bei mehr als der Hälfte der Äpfel <strong>und</strong> Ba-<br />

nanen <strong>und</strong> 40% der Tomaten werden mindestens zwei <strong>Pestizide</strong> gef<strong>und</strong>en. Diese Sorten werden<br />

von Kindern besonders gerne gegessen.<br />

Die Vielfalt der Wirkungen von Pestizid-Wirkstoffen, die sich untereinander oder mit anderen<br />

Schadstoffen oder <strong>Umwelt</strong>parametern addieren oder verstärken, ist sehr groß: Es werden Nerven-<br />

schäden (Parkinson, Verhalten, neuromotorische Fähigkeiten, Aufmerksamkeit), Genitalmissbildun-<br />

gen, DNA-Schäden, Leukämie, Immuntoxizität <strong>und</strong>, in Bezug <strong>auf</strong> <strong>Umwelt</strong>organismen, unter ande-<br />

rem diverse toxische Wirkungen <strong>und</strong> erhöhte Virusanfälligkeit beschrieben.<br />

Die Liste der in der vorliegenden Studie als mit <strong>Pestizide</strong>n kombinatorisch wirksam identifizierten<br />

Stoffe bzw. Parameter ist lang: Schwermetalle, Weichmacher, PCBs, PAKs, APEOs, Nanopartikel;<br />

Pharmaka; Nährstoffe, Naturstoffe; Jod, Glutamat <strong>und</strong> natürliche Stressparameter wie Salzgehalt,<br />

UV-Licht, Temperatur oder andere Organismen. Zudem können Pestizidwirkstoffe in ihrer Formulie-<br />

rung eine zum Teil deutlich höhere Toxizität <strong>auf</strong>weisen als alleine (Richard 2005, Cox <strong>und</strong> Surgon<br />

2006, Deardorff 2009, Romano 2010).<br />

In Kindern <strong>und</strong> Erwachsenen <strong>und</strong> in der <strong>Umwelt</strong> wird ein ganzer Cocktail von Pestizidwirkstoffen<br />

<strong>und</strong> anderen Schadstoffen gef<strong>und</strong>en; darunter auch solche, die in wissenschaftlichen Studien addi-<br />

tive oder synergistische Wirkungen gezeigt haben. Die Konzentrationen, die hierbei in wissenschaft-<br />

lichen Untersuchungen Schäden gezeigt haben, liegen in einigen Fällen <strong>auf</strong> der Höhe von im Men-<br />

schen <strong>und</strong> in der <strong>Umwelt</strong> gef<strong>und</strong>enen Konzentrationen.<br />

Sehr wenig bekannt ist über die Auswirkungen von komplexen Stoffgemischen, besonders in der<br />

<strong>Umwelt</strong>.<br />

Nahezu nichts bekannt ist über die Auswirkungen gepulster, also nicht zeitgleicher, sondern zeitlich<br />

<strong>auf</strong>einanderfolgender Expositionen. Hierbei spielt wohl auch die Reihenfolge der Belastungen eine<br />

Rolle (Stelmashook 2007, Ashauer 2007, Mangano 2009, Johnson 2009).<br />

Am Anfang der Forschung stehen auch Wechselwirkungen mit nanoskalierten Stoffen, vor allem in<br />

der <strong>Umwelt</strong>.<br />

Die Regulierungsbehörden haben bisher Mehrfachrückstände in Lebensmitteln bei der Risikobewer-<br />

tung nur ansatzweise berücksichtigt. Derzeit werden von EU-Behörden Methoden für die Bewertung<br />

von Kombinationswirkung von <strong>Pestizide</strong>n geprüft, die jedoch noch erhebliche methodische <strong>und</strong> Da-<br />

ten-Lücken <strong>auf</strong>weisen. Behörden <strong>und</strong> Wissenschaftler diskutieren über Methoden <strong>und</strong> Wege der<br />

Bewertung von Kombinationswirkungen.<br />

Alle möglichen Stoffkombinationen zu testen, ist unmöglich. Es steht zu befürchten, dass die Bemü-<br />

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