Vortrag von Prof. Dr. M. Böck über das - Institut für Klinische ...

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Aller guten Dinge sind 4: Die Blutgruppen und ihr Entdecker 09.01.2007 der Grundlagenwissenschaften gewöhnt. Es fiel ihm wohl schwer, zu akzeptieren, dass vieles, was man damals in der Medizin getan hat, zu einem großen Teil auf persönliche Erfahrung, Intuition und Gespür des Arztes basierte und nicht durch exakte, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse belegbar war – eine Tatsache, die übrigens heute trotz aller unbestreitbar vorhandenen modernen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht viel anders ist als vor 150 Jahren. Hinzu mag eine gewisse Enttäuschung Landsteiners gekommen sein, wenn er seine Erfolge im Reagenzglas mit denen am Patientenbett verglich. Tödliche Narkosezwischenfälle waren damals die Regel (es war die Zeit des Chloroforms gewesen), viele Patienten verbluteten (Bluttransfusionen wurden zum damaligen Zeitpunkt noch kaum angewandt, nur wenige mutige Chirurgen wagten das enorme Risiko dieses Eingriffes), bei vielen Krankheiten konnte man nur tatenlos dem natürlichen Verlauf zusehen. Dies alles dürfte nicht unwesentlich zu Landsteiners Entschluss beigetragen haben, der praktischen Medizin den Rücken zu kehren und wieder zu seiner geliebten „Theorie“ zurückzukehren. Landsteiner war 27 Jahre alt, als er die Chirurgische Klinik verließ. Mit Datum vom 18. Oktober 1895 ist ein Schriftstück von Max von Gruber, dem damaligen Vorstand des Hygiene-Institutes in Wien überliefert, in dem er das „löbliche Professoren-Collegium der Medizinischen Fakultät Wien“ bittet, die vom Kultusministerium bewilligte zweite Assistentenstelle seines Institutes einem gewissen Dr. Karl Landsteiner für die Zeit vom ersten Januar 1896 bis zum 31. Dezmeber 1897 zu geben. Der Bitte wurde entsprochen und so konnte Landsteiner wieder seine wissenschaftlichen Arbeiten aufnehmen. Allerdings änderte sich die Thematik seiner Forschungsrichtung grundlegend. Waren bisher seine Arbeiten nahezu ausschließlich chemischer Natur gewesen, wurde nun die bakteriologische Serologie sein Thema, eine Forschungsrichtung, der er zeitlebens treu bleiben sollte. Aus dieser Zeit stammen Arbeiten über die „Einverleibung sterilisierter Bacterienkulturen“, die „Bakteriendichtigkeit der Darmwand“ oder die „Wirkung des Choleraserums außerhalb des Tierkörpers“. Allerdings waren die Arbeitsbedingungen am Hygieneinstitut nicht gerade berauschend. Das Institut war damals in der sog. alten Gewehrfabrik in Wien untergebracht, einem relativ kleinen Gebäude, das neben der Hygiene noch die Anatomie, die Physiologie und die Embryologie beherbergte. Die Räumlichkeiten waren beengt, die Ausstattung schlecht und veraltet. Deshalb wechselte Landsteiner noch vor Ablauf seines Vertrages am 1. Juli 1897 in das pathologisch-anatomische Institut der Universität Wien. Für Anton Weichselbaum, den damaligen Direktor des Institutes, war Landsteiner wohl vor allem wegen seiner Kenntnisse der Mikrobiologie ein wertvoller Assistent, der von ihm sehr gefördert und auch später habilitiert wurde. Diese Zeit war wohl eine der, wenn nicht die intensivste Schaffensperiode Landsteiners überhaupt. In seiner Zeit am Pathologisch-anatomischen Institut veröffentlichte er insgesamt 75 hochkarätige wissenschaftliche Arbeiten (darunter jene, für die er 1930 den Nobelpreis erhielt). Daneben ist sein Fleiß aber auch daraus ersichtlich, dass Landsteiner 4

Aller guten Dinge sind 4: Die Blutgruppen und ihr Entdecker 09.01.2007 in den Jahren 1898 bis 1908 insgesamt 3639 Obduktionen eigenhändig durchführte – das ist etwa ein Fünftel aller Leichenöffnungen des Institutes in dieser Zeit. Seine schon sprichwörtliche Arbeitswut zeigt sich in einer Episode, die sein damaliger Schüler und späterer Primarius des Ospedale Maggiore in Triest, Adriano Sturli, in einem Brief vom 26. September 1961 plastisch schilderte: „…….Ich muss noch erwähnen, dass die letzten Arbeitsstunden am Nachmittag des 31. Dezember 1901 anfingen und ununterbrochen bis halb neun Uhr abends dauerten. Nur wir zwei waren ganz allein in dem stillen, öden, von allen verlassenen pathologischen Institut! Diese Stunden waren komisch-tragisch für mich: ich wäre gern schon viel früher mit meinen Freunden davongelaufen, um den Silvesterabend lustig zu verbringen. Landsteiner aber war freundlichst unerbittlich und so musste ich, nach seinen Weisungen, weiter Blutkörperchen waschen und verschiedene Seren vermischen, abzentrifugieren usw., musste Tierkohlenpulver mit Farbe sättigen und ähnliches, so wie eben die Experimente in der Publikation erklärt werden, mit Resultaten, die mich in Verwunderung versetzten und Landsteiner als selbstverständlich erwartete. Zuletzt verabschiedeten wir uns, müde aber ganz freundlich, uns ein glückliches neues Jahr wünschend!“ Soweit Adriano Sturli zum Silvesterabend 1901. In diese Zeit fällt auch Landsteiners Habilitation. 1902 wurde er als Mitglied der k.k. Gesellschaft der Ärzte in Wien aufgenommen. Im selben Jahr reichte er seine kumulative Habilitation ein, welche von Professoren Weichselbaum (seinem Chef) und Prof. Ludwig (einem Chemiker, dem damaligen Dekan) begutachtet wurden. Am 19. Mai 1903 wurde Landsteiner mit einem Schreiben des Ministers für Kultus und Unterricht als Privatdozent für pathologische Anatomie bestätigt. 5 Jahre später, am 1. Januar 1908 übernahm Landsteiner als 39-Jähriger die sog. Prosektur, d.h. die Abteilung für Pathologie des Wilhelminenspitals in Wien. Nachdem das Professorenkollegium der Universität Wien am 16. Juni 1909 seine Ernennung zum Professor mit 25 gegen 1 Stimme vorgeschlagen hatte, erfolgte am 9. Jänner 1911 (man beachte: fast 2 Jahre später) die Ernennung zum unbesoldeten Professor für pathologische Anatomie. Am Wilhelminenspital blieb Landsteiner bis zum Zusammenbruch der Donaumonarchie Ende 1918. Nach dem frühen Tod seines Vaters hing Landsteiner mit großer Liebe an seiner Mutter. Ihr Tod am 6. April 1908, kurz nach Übernahme der Prosektur am Wilhelminenspital traf in offenbar sehr. Die Jahre nach dem Tod seiner Mutter waren erfüllt mit einem enormen Pensum an Arbeit. Landsteiner, der schon immer viel und gern gearbeitet hatte, wurde in der Folge nahezu unermüdlich. Seine Tage waren mehr als ausgefüllt einerseits durch seine Tätigkeit am Wilhelminenspital, andererseits durch seine Forschungsaufgaben als Professor für pathologische Anatomie an der Universität Wien. Aus dieser Zeit resultiert eine Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen über die unterschiedlichsten 5

Aller guten Dinge sind 4: Die Blutgruppen und ihr Entdecker<br />

09.01.2007<br />

in den Jahren 1898 bis 1908 insgesamt 3639 Obduktionen eigenhändig durchführte –<br />

<strong>das</strong> ist etwa ein Fünftel aller Leichenöffnungen des <strong>Institut</strong>es in dieser Zeit. Seine schon<br />

sprichwörtliche Arbeitswut zeigt sich in einer Episode, die sein damaliger Schüler und<br />

späterer Primarius des Ospedale Maggiore in Triest, Adriano Sturli, in einem Brief vom<br />

26. September 1961 plastisch schilderte:<br />

„…….Ich muss noch erwähnen, <strong>das</strong>s die letzten Arbeitsstunden am Nachmittag des 31.<br />

Dezember 1901 anfingen und ununterbrochen bis halb neun Uhr abends dauerten. Nur<br />

wir zwei waren ganz allein in dem stillen, öden, <strong>von</strong> allen verlassenen pathologischen<br />

<strong>Institut</strong>! Diese Stunden waren komisch-tragisch <strong>für</strong> mich: ich wäre gern schon viel früher<br />

mit meinen Freunden da<strong>von</strong>gelaufen, um den Silvesterabend lustig zu verbringen.<br />

Landsteiner aber war freundlichst unerbittlich und so musste ich, nach seinen Weisungen,<br />

weiter Blutkörperchen waschen und verschiedene Seren vermischen, abzentrifugieren<br />

usw., musste Tierkohlenpulver mit Farbe sättigen und ähnliches, so wie eben die<br />

Experimente in der Publikation erklärt werden, mit Resultaten, die mich in Verwunderung<br />

versetzten und Landsteiner als selbstverständlich erwartete. Zuletzt verabschiedeten<br />

wir uns, müde aber ganz freundlich, uns ein glückliches neues Jahr wünschend!“<br />

Soweit Adriano Sturli zum Silvesterabend 1901.<br />

In diese Zeit fällt auch Landsteiners Habilitation. 1902 wurde er als Mitglied der k.k. Gesellschaft<br />

der Ärzte in Wien aufgenommen. Im selben Jahr reichte er seine kumulative<br />

Habilitation ein, welche <strong>von</strong> <strong>Prof</strong>essoren Weichselbaum (seinem Chef) und <strong>Prof</strong>. Ludwig<br />

(einem Chemiker, dem damaligen Dekan) begutachtet wurden. Am 19. Mai 1903 wurde<br />

Landsteiner mit einem Schreiben des Ministers <strong>für</strong> Kultus und Unterricht als Privatdozent<br />

<strong>für</strong> pathologische Anatomie bestätigt.<br />

5 Jahre später, am 1. Januar 1908 <strong>über</strong>nahm Landsteiner als 39-Jähriger die sog. Prosektur,<br />

d.h. die Abteilung <strong>für</strong> Pathologie des Wilhelminenspitals in Wien. Nachdem <strong>das</strong><br />

<strong>Prof</strong>essorenkollegium der Universität Wien am 16. Juni 1909 seine Ernennung zum <strong>Prof</strong>essor<br />

mit 25 gegen 1 Stimme vorgeschlagen hatte, erfolgte am 9. Jänner 1911 (man<br />

beachte: fast 2 Jahre später) die Ernennung zum unbesoldeten <strong>Prof</strong>essor <strong>für</strong> pathologische<br />

Anatomie. Am Wilhelminenspital blieb Landsteiner bis zum Zusammenbruch der<br />

Donaumonarchie Ende 1918.<br />

Nach dem frühen Tod seines Vaters hing Landsteiner mit großer Liebe an seiner Mutter.<br />

Ihr Tod am 6. April 1908, kurz nach Übernahme der Prosektur am Wilhelminenspital traf<br />

in offenbar sehr. Die Jahre nach dem Tod seiner Mutter waren erfüllt mit einem enormen<br />

Pensum an Arbeit. Landsteiner, der schon immer viel und gern gearbeitet hatte, wurde<br />

in der Folge nahezu unermüdlich. Seine Tage waren mehr als ausgefüllt einerseits<br />

durch seine Tätigkeit am Wilhelminenspital, andererseits durch seine Forschungsaufgaben<br />

als <strong>Prof</strong>essor <strong>für</strong> pathologische Anatomie an der Universität Wien. Aus dieser Zeit<br />

resultiert eine Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen <strong>über</strong> die unterschiedlichsten<br />

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