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Vortrag von Prof. Dr. M. Böck über das - Institut für Klinische ...

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Aller guten Dinge sind 4: Die Blutgruppen und ihr Entdecker<br />

09.01.2007<br />

Heute wissen wir natürlich sehr viel mehr <strong>über</strong> die Blutgruppen als Landsteiner damals.<br />

Heute wissen wir, <strong>das</strong>s es nicht nur <strong>das</strong> ABO-Blutgruppensystem mit seinen 4 Blutgruppen<br />

gibt, sondern 28 weitere Blutgruppensysteme mit etwa 600 verschiedenen Antigenen<br />

(<strong>von</strong> denen übrigens <strong>das</strong> MN-System, <strong>das</strong> Rhesus-System und <strong>das</strong> P-System in<br />

den 40iger Jahren ebenfalls <strong>von</strong> Karl Landsteiner entdeckt und publiziert wurden); heute<br />

wissen wir <strong>von</strong> der Bedeutung und der klinischen Relevanz vieler Antikörper <strong>für</strong> die Bluttransfusion,<br />

<strong>für</strong> die Organtransplantation, <strong>für</strong> die Schwangerschaft und vieles mehr.<br />

Doch alles nahm seinen Ausgang <strong>von</strong> jener ebenso einfachen wie epochalen Erkenntnis<br />

Landsteiners <strong>über</strong> <strong>das</strong> Auftreten dieser Zellklumpen beim Zusammengeben <strong>von</strong> Serum<br />

und Erythrozyten verschiedener Menschen. Er legte den Grundstock, auf den die gesamte<br />

moderne Transfusionsmedizin aufbaut und nach dessen Prinzip wir auch heute,<br />

<strong>über</strong> 100 Jahre später, immer noch arbeiten.<br />

Wie ging es nun weiter mit jener Erkenntnis <strong>über</strong> die Blutgruppensysteme, nachdem sie<br />

im Jahre 1901 publiziert worden war? Eigentlich würde man erwarten, <strong>das</strong>s ein Aufschrei<br />

durch die Medizin gegangen wäre, <strong>das</strong>s angesichts der Lösung eines Jahrhunderte<br />

alten Problems nun der Fortschritt rasant seinen Lauf genommen hätte und <strong>das</strong>s<br />

ab dato viele Menschleben durch Bluttransfusionen hätten gerettet worden wären.<br />

Nichts wäre normaler gewesen, als <strong>das</strong>s Landsteiner – vergleichbar Konrad Röntgen,<br />

der seine Erkenntnis nur einige Jahre früher gemacht hatte und der dadurch innerhalb<br />

weniger Jahre weltberühmt wurde – <strong>über</strong>all bekannt und berühmt geworden wäre.<br />

Doch es passiert nichts – rein gar nichts. Landsteiners Erkenntnis <strong>über</strong> die Blutgruppen<br />

wurde schlichtweg <strong>von</strong> der medizinischen Wissenschaft der damaligen Zeit nicht zur<br />

Kenntnis genommen. Ja, viele unserer akademischen Kollegen belächelten leicht spöttisch<br />

die Erkenntnis jenes jungen Pathologen, ohne jemals einen ernsten Gedanken<br />

daran verschwendet zu haben.<br />

Obwohl Landsteiner eben jene, später Nobelpreis-gekrönte Arbeit mit den Worten<br />

schloss „ Endlich sei noch erwähnt, <strong>das</strong>s die angeführten Beobachtungen die wechselnden<br />

Folgen therapeutischer Menschbluttransfusionen zu erklären gestatten“ und spätestens<br />

mit diesem Satz die Bedeutung seiner Erkenntnis klar gewesen sein müsste, befand<br />

sich ein Jahrzehnt später, am Vorabend des ersten Weltkrieges, die Bluttransfusion<br />

noch immer im Experimentalstadium. Sie stellte <strong>das</strong> Steckenpferd einiger weniger, meist<br />

<strong>von</strong> den seriösen Kollegen nicht sehr ernst genommenen Sektierer dar und führte ein<br />

Schatten<strong>das</strong>ein in der medizinischen Wissenschaft.<br />

Als die Katastrophe im August 1914 dann mit ungeahnter Wucht <strong>über</strong> Europa hereinbrach<br />

konnten Bluttransfusionen allenfalls punktuell und nur ganz vereinzelt durchgeführt<br />

werden. Sie waren damals ein so seltenes Ereignis, <strong>das</strong>s jeder Fall einzeln publiziert<br />

wurde. So berichteter der Chirurg Coenen auf Seiten der Mittelmächte <strong>über</strong> 11 (!)<br />

Transfusionen auf den Hauptverbandsplätzen und den Feldlazaretten des ersten Welt-<br />

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