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Ps 122 EIN LIED ZUR WALLFAHRT NACH ... - vaticarsten.de

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JOHANNES – GUTENBERG – UNIVERSITÄT MAINZ<br />

Fachbereich Katholische Theologie<br />

Seminar Altes Testament<br />

"3000 Jahre Jerusalem. Übungen zu atl. Texten über Jerusalem"<br />

Sommersemester 1999<br />

F. Sedlmeier und E. Grißmer<br />

Carsten Leinhäuser<br />

Diplomtheologie, 2. Semester<br />

Saarstraße 20<br />

55<strong>122</strong> Mainz<br />

Tel.: 06131 / 322.221


INHALT:<br />

Seite:<br />

Inhalt: 2<br />

<strong>Ps</strong> <strong>122</strong>: Ein Lied zur Wallfahrt nach Jerusalem 3<br />

I.) Einleitung ........................................................................................................................ 4<br />

II.) Die Wallfahrtspsalmen............................................................................................... 5<br />

II.1.) Zur Überschrift________________:......................................................................... 5<br />

II.2.) Die Genese <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen 120 bis 134 ........................................................................ 6<br />

III.) <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>: Ein Wallfahrtspsalm............................................................................... 8<br />

III.1.) Aufbau und Form von <strong>Ps</strong> <strong>122</strong>.................................................................................... 8<br />

III.2.) Die Beschreibung <strong>de</strong>r Stadt Jerusalem und <strong>de</strong>r Bezug <strong>de</strong>s Beters zu "seiner" Stadt. 11<br />

III.3.) Die Wünsche und Bitten für Jerusalem................................................................... 12<br />

IV.) Fazit - Aus Liebe zu all' meinen Brü<strong>de</strong>rn.........................................................14<br />

Literaturangabe: .................................................................................................................... 16<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 2


<strong>Ps</strong> <strong>122</strong> <strong>EIN</strong> <strong>LIED</strong> <strong>ZUR</strong> <strong>WALLFAHRT</strong> <strong>NACH</strong> JERUSALEM<br />

<strong>122</strong>:1 [Ein Wallfahrtslied Davids.] Ich freute mich, als man mir sagte: «Zum Haus <strong>de</strong>s Herrn wollen<br />

wir pilgern.» 42,5; Jes 2,3<br />

<strong>122</strong>:2 Schon stehen wir in <strong>de</strong>inen Toren, Jerusalem:<br />

Wörtlich: Schon stehen unsere Füße in <strong>de</strong>inen Toren.<br />

<strong>122</strong>:3 Jerusalem, du starke Stadt, dicht gebaut und fest gefügt. 48,13f<br />

<strong>122</strong>:4 Dorthin ziehen die Stämme hinauf, die Stämme <strong>de</strong>s Herrn,<br />

wie es Israel geboten ist, <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn zu preisen. Dtn 16,16<br />

<strong>122</strong>:5 Denn dort stehen Throne bereit für das Gericht, die Throne <strong>de</strong>s Hauses David.<br />

Dtn 17,8f; 1 Kön 7,7; 2 Chr 19,8<br />

<strong>122</strong>:6 Erbittet für Jerusalem Frie<strong>de</strong>n! Wer dich liebt, sei in dir geborgen. Tob 13,14<br />

<strong>122</strong>:7 Frie<strong>de</strong> wohne in <strong>de</strong>inen Mauern, in <strong>de</strong>inen Häusern Geborgenheit.<br />

Wörtlich: in seinen Palästen Geborgenheit.<br />

<strong>122</strong>:8 Wegen meiner Brü<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong> will ich sagen: In dir sei Frie<strong>de</strong>.<br />

<strong>122</strong>:9 Wegen <strong>de</strong>s Hauses <strong>de</strong>s Herrn, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen. 26,8; 128,5<br />

Querverweise:<br />

Die <strong>Ps</strong>almen<br />

26:8 Herr, ich liebe <strong>de</strong>n Ort, wo <strong>de</strong>in Tempel steht, die Stätte, wo <strong>de</strong>ine Herrlichkeit wohnt.<br />

42:5 Das Herz geht mir über, wenn ich daran <strong>de</strong>nke: / wie ich zum Haus Gottes zog in festlicher<br />

Schar, mit Jubel und Dank in feiern<strong>de</strong>r Menge.<br />

48:13 Umkreist <strong>de</strong>n Zion, umschreitet ihn, zählt seine Türme!<br />

128:5 Es segne dich <strong>de</strong>r Herr vom Zion her. Du sollst <strong>de</strong>in Leben lang das Glück Jerusalems<br />

schauen<br />

Das Buch Jesaja<br />

2:3 Viele Nationen machen sich auf <strong>de</strong>n Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg <strong>de</strong>s<br />

Herrn und zum Haus <strong>de</strong>s Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfa<strong>de</strong>n wollen<br />

wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung <strong>de</strong>s Herrn, aus Jerusalem sein Wort.<br />

Das Buch Deuteronomium<br />

16:16 Die Verpflichtung zu Wallfahrten: 16,16f<br />

Dreimal im Jahr sollen alle <strong>de</strong>ine Männer hingehen, um das Angesicht <strong>de</strong>s Herrn, <strong>de</strong>ines<br />

Gottes, an <strong>de</strong>r Stätte, die er auswählt, zu schauen: am Fest <strong>de</strong>r Ungesäuerten Brote, am<br />

Wochenfest und am Laubhüttenfest. Man soll nicht mit leeren Hän<strong>de</strong>n hingehen, um das<br />

Angesicht <strong>de</strong>s Herrn zu schauen,<br />

Das Buch Tobit<br />

13:14 Verflucht sind alle, die dich hassen, auf ewig gesegnet alle, die dich lieben.<br />

Gen 12,3<br />

Das Buch Genesis<br />

12:3 Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, <strong>de</strong>n will ich verfluchen. Durch dich<br />

sollen alle Geschlechter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> Segen erlangen.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 3


I.) Einleitung<br />

Jerusalem – dieses Wort weckt gewaltige Ströme von Assoziation in <strong>de</strong>n Köpfen vieler<br />

Menschen. Jerusalem als Stadt Gottes – als Stadt <strong>de</strong>r Religionen – als Stadt <strong>de</strong>r Kriege und<br />

<strong>de</strong>s Hasses – als Stadt <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns.<br />

Bereits seit König David, welcher das Zentralheiligtum in Jerusalem errichtete, in<strong>de</strong>m er die<br />

Bun<strong>de</strong>sla<strong>de</strong> in die Stadt hereinbrachte, wer<strong>de</strong>n Wallfahrten zum Berg Zion durchgeführt. Auf<br />

oft beschwerlichen Wegen näherten und nähern sich die Pilger <strong>de</strong>r Stadt, in <strong>de</strong>r Erwartung,<br />

dort eine Begegnung mit Gott zu haben. Faszination ging in allen Zeiten von diesem Ort aus –<br />

die Erwartungen <strong>de</strong>r Pilger wur<strong>de</strong>n mal mehr und mal weniger erfüllt.<br />

Ihre Erfahrungen wur<strong>de</strong>n weitererzählt und oft auch festgehalten. Eines dieser Zeugnisse ist<br />

<strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, welcher <strong>de</strong>m Leser von <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s Pilgers und von <strong>de</strong>m Erleben <strong>de</strong>s<br />

Weges nach Jerusalem berichtet. Dieser <strong>Ps</strong>alm befin<strong>de</strong>t sich innerhalb <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almenreihe 120<br />

bis 134, welche die Überschrift tragen:<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 4


II.) Die Wallfahrtspsalmen<br />

II.1.) Zur Überschrift_______________________:<br />

<strong>Ps</strong> <strong>122</strong>: sîr hamma a lôt ledavid<br />

� Das Wort (sîr) wird im Handwörterbuch AT 1 übersetzt mit: Singen, Gesang. Es steht<br />

auch für JHWH-Lie<strong>de</strong>r und Zionslie<strong>de</strong>r. ist also ein (Lob)lied.<br />

� (hamma a lôt) 2 kommt von <strong>de</strong>m Verb (ma a lôt), welches mit<br />

"hinaufsteigen" o<strong>de</strong>r "hinaufreisen" übersetzt wird.<br />

� Das Zusammenspiel dieser Worte als Überschrift für die <strong>Ps</strong>almen 120-134 wirft<br />

unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten auf. Verschie<strong>de</strong>ne Übersetzungen wer<strong>de</strong>n<br />

angeboten, wobei einige Übersetzungen <strong>de</strong>utlich favorisiert wer<strong>de</strong>n. 3<br />

a) Das Wort "ma a lôt" wird mit "Stufenlie<strong>de</strong>r" übersetzt. Diese Erklärung ist wohl die<br />

Älteste. Sie ist im Mischnatraktat Middot bezeugt. Mit dieser Übersetzung wird<br />

Beziehung hergestellt zu <strong>de</strong>n Gesängen <strong>de</strong>r Leviten. Diese wur<strong>de</strong>n während <strong>de</strong>s<br />

Laubhüttenfestes beim Herabsteigen <strong>de</strong>r fünfzehn Tempelstufen vom Laienvorhof<br />

zum Frauenvorhof dargebracht. Hierfür spricht, daß eine Parallele besteht zwischen<br />

<strong>de</strong>n <strong>Ps</strong>almen und <strong>de</strong>n Tempelstufen, welche nämlich jeweils fünfzehn an <strong>de</strong>r Zahl<br />

sind.<br />

b) Die alte Kirche übersetzte die <strong>Ps</strong>almenüberschrift mit "Gesang <strong>de</strong>r Hinaufzüge". Sie<br />

stellt damit <strong>de</strong>n Bezug her zu <strong>de</strong>n Heimkehren<strong>de</strong>n Exulanten vom Babylonischen Exil.<br />

In Esr 7,9 wird mit hamma a la <strong>de</strong>r Hinaufzug bezeichnet.<br />

c) W. Gesenius versteht unter <strong>de</strong>r Überschrift nicht <strong>de</strong>n Bezug auf die Tempeltreppen,<br />

welche hinaufgestiegen wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen an sich, welche sich<br />

an <strong>de</strong>m sogenannten Stufenrhytmus orientieren.<br />

d) M. Dahood übersetzt anhand eines strittigen Qumranbelegs mit "song of extolments"<br />

(Lied <strong>de</strong>r Erhebungen/ Preislied)<br />

1<br />

Gesenius W., Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, S.823.<br />

2<br />

ebd., S.446.<br />

3<br />

Glie<strong>de</strong>rung übernommen von: Seybold K., Die Wallfahrtspsalmen. Studien zur Entstehungsgeschichte von<br />

<strong>Ps</strong>alm 120-134, S.14-16.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 5


e) - "Wallfahrtslied". Diese Übersetzung ist wohl die Geläufigste<br />

und am wenigsten Umstrittene. Sie ist belegt in <strong>de</strong>r Verbalbe<strong>de</strong>utung von ala, welche<br />

das Hinaufziehen im Pilgerzug zum Jerusalemer Tempel bezeichnet. Es wird also eine<br />

Wallfahrt beschrieben und somit die Übersetzung "Wallfahrtslied" nahegelegt.<br />

Da die Übersetzungen a) bis d) ein<strong>de</strong>utige Schwächen aufweisen, wird in <strong>de</strong>n meisten<br />

Fällen mit <strong>de</strong>r Überschrift "Wallfahrtslie<strong>de</strong>r" gearbeitet. Diese rückt die <strong>Ps</strong>almen in ein<br />

bestimmtes Licht, unter welchem sie betrachtet wer<strong>de</strong>n; jedoch sagt sie noch nicht viel<br />

über die Entstehung <strong>de</strong>r einzelnen Texte aus, welche im Einzelnen geklärt wer<strong>de</strong>n muß.<br />

II.2.) Die Genese <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen 120 bis 134<br />

� Die gemeinsame Überschrift, welche die <strong>Ps</strong>almen miteinan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>t läßt die<br />

Vermutung entstehen, daß es sich um eine Sammlung ähnlich einem <strong>Ps</strong>alter han<strong>de</strong>lt. In<br />

dieser Sammlung gilt <strong>de</strong>r hier behan<strong>de</strong>lte ψ<strong>122</strong> als "Prototyp <strong>de</strong>r Gattung" und ist somit<br />

gleichsam Musterbeispiel für seine Gruppe.<br />

Der Wallfahrtscharakter zeichnet sich jedoch nicht in allen <strong>de</strong>r 15 <strong>Ps</strong>almen so ein<strong>de</strong>utig ab<br />

wie in diesem. Zu<strong>de</strong>m sagt die Überschrift von <strong>Ps</strong>almen nicht zwangsläufig etwas über<br />

<strong>de</strong>ren Inhalt aus. In unserem Fall scheint es jedoch tatsächlich starke Verbindungen<br />

zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Texten zu geben.<br />

� Die literarkritische Analyse <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen führt zu <strong>de</strong>m Ergebnis, daß es in diesen jeweils<br />

zwei Schichten gibt: Eine Grundschicht, welche meist poetisch geprägt ist, und eine<br />

Bearbeitungsschicht. 4<br />

Die Basistexte waren ursprünglich wohl Volkslie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ärmeren Bevölkerung, welche<br />

sich in diesen stark gesellschaftskritisch äußert. Die Bearbeitungsschicht hingegen ist<br />

theologisch-dogmatisch geprägt. Beson<strong>de</strong>rs auffällig ist dabei die redaktionelle<br />

Liturgisierung <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen. So führt beispielsweise die Zufügung <strong>de</strong>s Namens Zion hin<br />

zum Gebrauch <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen bei Wallfahrten nach Jerusalem.<br />

Diese bei<strong>de</strong>n Schichten sind sprachlich miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n und im Text verwoben.<br />

� Die Grundtexte <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen (also die Basis ohne redaktionellen Anhänge) weisen eine<br />

Vielzahl von <strong>Ps</strong>almengattungen auf. Erstaunlich ist beson<strong>de</strong>rs die Kürze dieser<br />

Grundtexte, welche meist nur ein Drittel <strong>de</strong>r normalen <strong>Ps</strong>almenlänge beträgt.<br />

4 siehe: Seybold K., Die Redaktion <strong>de</strong>r Wallfahrtspsalmen, S.251f.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 6


Auch die Herkunft <strong>de</strong>r einzelnen <strong>Ps</strong>almen zeigt einen erstaunlichen Horizont, da<br />

geographisch weite Gebiete erfaßt wer<strong>de</strong>n (z.B.: Zion, Jerusalem, Hermon (N), Negeb<br />

(S), Ephrata-Bethlehem in Juda, Qedar (O)).<br />

� Gemeinsamkeiten liegen in <strong>de</strong>r Abgrenzung <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen nach außen, <strong>de</strong>r Kürze <strong>de</strong>r<br />

<strong>Ps</strong>almen 120-134 und <strong>de</strong>n ähnlichen Schlußformeln (Segensworte). Zu<strong>de</strong>m gibt es<br />

Verbindungen durch Wie<strong>de</strong>rholungen in verschie<strong>de</strong>nen <strong>Ps</strong>almen und in <strong>de</strong>r Häufung <strong>de</strong>r<br />

Begriffe Zion, Israel und Jah. Mit Ausnahme von <strong>Ps</strong> 132 bestehen sie aus Versen mit<br />

ungleichen Versglie<strong>de</strong>rn. Diese Form wird "Qina-Form" genannt.<br />

Viele <strong>de</strong>r Gemeinsamkeiten sind wohl erst durch die redaktionelle Überarbeitung<br />

entstan<strong>de</strong>n. 5<br />

� Die zeitliche Entstehung <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen läßt sich nur schwerlich verallgemeinern. <strong>Ps</strong>alm 127<br />

läßt sich zum Beispiel sehr gut datieren, da er Kritik am persischen Steuersystem übt.<br />

Judäa und Galiläa gehörten im 5. und 4. Jahrhun<strong>de</strong>rt zur persischen Satrapie Transeufrat.<br />

<strong>Ps</strong> 132 und <strong>Ps</strong> 134 sind vielleicht in Jerusalem eigens für die Sammlung geschaffen<br />

wor<strong>de</strong>n. Die zeitliche Genese <strong>de</strong>r Basistexte ist also im Einzelfall zu prüfen.<br />

� Die Zusammenstellung <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almen erfolgte vermutlich (Zenger) im 4. Jahrhun<strong>de</strong>rt v.<br />

Chr. durch die Jerusalemer Priesterschaft, welche die Sammlung für<br />

Zionspilger(gruppen) zusammenstellte.<br />

� Es wur<strong>de</strong> auch versucht, einen Wallfahrtsweg aus dieser <strong>Ps</strong>almengruppe zu<br />

rekonstruieren. Dies gelang jedoch nie wirklich zufrie<strong>de</strong>nstellend, da die <strong>Ps</strong>almen, wie<br />

bereits erwähnt, aus ganz verschie<strong>de</strong>nen Gegen<strong>de</strong>n Palästinas stammen und<br />

unterschiedliche Themen haben.<br />

� Die <strong>Ps</strong>almen entwickelten sich teilweise also erst durch die Redaktion zu<br />

Wallfahrtslie<strong>de</strong>rn. In <strong>de</strong>ren Zentrum steht Jerusalem als Ziel <strong>de</strong>r Reise, welches besungen<br />

und gesegnet wird. Auch vom Segen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Stadt entströmt, wird gesungen. (z.B.: <strong>Ps</strong><br />

128,5 / <strong>Ps</strong> 133,3)<br />

� Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Nachforschungen von C.<br />

Westermann. Er stellt nämlich fest, daß die <strong>Ps</strong>almen 120-134 Lie<strong>de</strong>r einer<br />

gottesdienstlichen Gemeinschaft darstellen könnten. Dabei ist nur <strong>Ps</strong> <strong>122</strong> ein wirkliches<br />

Wallfahrtslied. Die Zionslie<strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>125, 126, 132 bil<strong>de</strong>n gemeinsam mit diesem <strong>de</strong>n Kern<br />

<strong>de</strong>r Sammlung. <strong>Ps</strong> 134 ist die Schlußdoxologie <strong>de</strong>rselben. 6<br />

5 siehe: Seybold K., Die Redaktion <strong>de</strong>r Wallfahrtspsalmen, S.257-261.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 7


III.) <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>: Ein Wallfahrtspsalm<br />

III.1.)Aufbau und Form von <strong>Ps</strong> <strong>122</strong> 7<br />

� <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong> ist das "typische" Beispiel für einen Wallfahrtspsalm. Es ist das Lied eines<br />

einzelnen Sängers, welcher Erinnerungen an seine Wallfahrt preisgibt und für Jerusalem<br />

betet. Das Versmaß ist bestimmt durch das Metrum 3 + 2.<br />

� zum Aufbau <strong>de</strong>s <strong>Ps</strong>alms:<br />

a) In <strong>de</strong>n Versen 1 und 2 wird von <strong>de</strong>r Vorfreu<strong>de</strong> zu Beginn <strong>de</strong>r Wallfahrt und von ihrem<br />

Ziel, nämlich Jerusalem, gesprochen.<br />

b) Die Verse 3 bis 5 sind stark zionistisch geprägt; hier setzt also das Loblied auf die<br />

Stadt Jerusalem ein.<br />

c) Mit <strong>de</strong>n Versen 6 bis 9 schließt das Lied mit Wünschen und Segenssprüchen. Diese<br />

gelten sowohl <strong>de</strong>n Menschen die "Jerusalem lieben" als auch <strong>de</strong>r Stadt selbst.<br />

� Nach dieser groben Beschreibung <strong>de</strong>s <strong>Ps</strong>alms, welche <strong>de</strong>m Leser eine Ahnung <strong>de</strong>s<br />

Aufbaus geben soll, wer<strong>de</strong>n nun die einzelnen Verse genauer untersucht. In <strong>de</strong>n<br />

Einzelfällen gibt es große Differenzen in <strong>de</strong>r Deutung und Übersetzung. Beson<strong>de</strong>rs ist<br />

dies <strong>de</strong>r Fall bei <strong>de</strong>n Versen 2, 3, 5.<br />

Gestaltung und Interpretation <strong>de</strong>r Verse:<br />

a) Vers 1: Der <strong>Ps</strong>almist erinnert sich an die Freu<strong>de</strong>, welche er empfand, als ihm die<br />

bevorstehen<strong>de</strong> Wallfahrt bekannt gemacht wur<strong>de</strong>. (siehe auch <strong>Ps</strong> 42,5 und Jes 2,3)<br />

b) Vers 2: Hier beginnt die hymnische Anre<strong>de</strong> an Jerusalem, welche in <strong>de</strong>n nächsten<br />

Versen fortgesetzt wird und das Lied um <strong>de</strong>n Charakter eines Zionlie<strong>de</strong>s erweitert.<br />

Der Sänger schil<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Moment <strong>de</strong>r Ankunft in <strong>de</strong>r Stadt. Hier ist allerdings die<br />

Zeitstufe kritisch zu bewerten 8 : Der Satz könnte sowohl präsentisch als auch präterial<br />

o<strong>de</strong>r sogar futuristisch gesehen wer<strong>de</strong>n. (Unsere Füße stehen/ stan<strong>de</strong>n/ wer<strong>de</strong>n stehen).<br />

Da die Übersetzung hier sehr kompliziert ist, möchte ich auf dieses Thema nicht näher<br />

eingehen.<br />

6 ebd., S.248.<br />

7 vergleiche: Kraus H.J., <strong>Ps</strong>almen 60-150, S.1015-1020.<br />

Donner H., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, S.189-198.<br />

Seybold K., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, S.478-480.<br />

8 siehe: Donner H., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, S.189f.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 8


Zu Bemerken ist allerdings, daß die Einheitsübersetzung <strong>de</strong>n Satz mit "schon stehen<br />

wir in <strong>de</strong>inen Toren" (richtiger: "schon stehen unsere Füße in <strong>de</strong>inen Toren,<br />

Jerusalem") übersetzt. Auch in <strong>de</strong>r einzigen exakten Parallelen zu V2 und in <strong>de</strong>n 57<br />

ähnlich gestalteten Sätzen <strong>de</strong>s AT gilt diese Deutung als die Richtige. (Donner, S.190)<br />

c) Vers 3: Auch hier sind sich die Übersetzer uneinig 9 : Die Konstruktion<br />

könnte sich auf Jerusalem als Versammlungsort o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n<br />

festgefügten Mauerring <strong>de</strong>r Stadt beziehen. Es stehen also folgen<strong>de</strong><br />

Übersetzungsmöglichkeiten zur Auswahl: "wo man zusammenkommt" o<strong>de</strong>r "wie eine<br />

wohlgebaute Stadt".<br />

Bei letzterer Interpretation gibt es wie<strong>de</strong>rum zwei Varianten zur Bestimmung <strong>de</strong>s<br />

Prädikats. Dieses könnte Vergleichsausdruck sein, also "das gebaute Jerusalem ist wie<br />

eine Stadt". Außer<strong>de</strong>m könnte es als passives Partizip aufgefaßt wer<strong>de</strong>n, was dann<br />

hieße "Jerusalem ist die gebaute als eine Stadt". Zur zeitlichen Einordnung <strong>de</strong>s <strong>Ps</strong>alms<br />

ist es wichtig zu erkennen, daß das Verb unbedingt im Sinn von<br />

"wie<strong>de</strong>raufbauen" zu <strong>de</strong>uten ist. Also ist hier vom nachexilischen Jerusalem die Re<strong>de</strong>.<br />

(siehe auch <strong>Ps</strong> 48,13)<br />

Herbert Donner nimmt als wahrscheinlichere Übersetzung die Erste an; also<br />

"Jerusalem ist gebaut, daß es eine Stadt sei, wo man zusammenkommt." Dafür spricht,<br />

daß die Wurzel in keiner unserer biblisch/ nachbiblisch Hebräischen<br />

Texten, noch in semitischen Sprachen je in <strong>de</strong>m architektonischen Sinn gebraucht<br />

wird. Die Deutung Donners wird auch in <strong>de</strong>r LXX und von Luther verwen<strong>de</strong>t.<br />

Ansonsten schließt sich dieser Meinung allerdings nur B. Duhm an. Die<br />

Einheitsübersetzung ließt: "Jerusalem, du starke Stadt, dicht gebaut und fest gefügt." 10<br />

d) Vers 4: Dieser Vers weißt nun die zentrale Rolle Jerusalems im Leben eines<br />

Gläubigen Ju<strong>de</strong>n auf. In Anlehnung an Dt 16,16 wird hier <strong>de</strong>m Gebot Israels Folge<br />

geleistet. Der zweite Teil <strong>de</strong>s Verses ist wahrscheinlich eine dogmatische Reminiszenz<br />

o<strong>de</strong>r ein erklären<strong>de</strong>r Zusatz. 11<br />

e) Vers 5: Die kritische Zeitstufe läßt hier die Übersetzungen "Dort stehen<br />

Gerichtsthrone" und "Dort stan<strong>de</strong>n Gerichtsthrone" zu. 12<br />

9<br />

siehe: Donner H., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, S.189.<br />

10<br />

ebd., S.193-195.<br />

11<br />

Seybold K., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, S.480.<br />

12<br />

siehe: Donner H., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, S.195-198.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 9


Zusätzlich entsteht hier die Frage über <strong>de</strong>n Sinn dieses Verses, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n ersten<br />

Blick wohl aus <strong>de</strong>m Rahmen herausfällt. In Jerusalem stan<strong>de</strong>n wohl Throne zum<br />

Gericht, welches von <strong>de</strong>n davidischen Herrschern ausgeübt wur<strong>de</strong>. Deren Be<strong>de</strong>utung<br />

im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Wallfahrt muß geklärt wer<strong>de</strong>n, wenn man <strong>de</strong>n <strong>Ps</strong>alm<br />

verstehen will. 13<br />

Verschie<strong>de</strong>ntlich wur<strong>de</strong> angenommen, daß die Stämme bei ihren Wallfahrten nach<br />

Jerusalem ihre bürgerlichen Streitereien schlichten ließen. Dies ist allerdings nirgends<br />

belegt und wird allein aus <strong>Ps</strong> <strong>122</strong>,5 herausge<strong>de</strong>utet. Auch die Vermutung, <strong>de</strong>r<br />

davidische König habe in Jerusalem das Gottesrecht über die Stämme verkün<strong>de</strong>t, ist<br />

eher unwahrscheinlich, da <strong>de</strong>r König nur geringe Funktionen in <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

hatte. Diese war eher gemeindlich geordnet. Zu<strong>de</strong>m wird die Wurzel in<br />

Verbindung mit <strong>de</strong>m König meist in <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung "regieren" statt "richten" benutzt.<br />

Des weiteren ist unklar, warum es mehrere Gerichtsstühle für einen König gegeben<br />

haben soll.<br />

Die Verbalform wird meist in präterialen Sinn gebraucht. Man müßte also<br />

übersetzen: "Dort stan<strong>de</strong>n Gerichtsthrone, Throne <strong>de</strong>s Hauses Davids." Dies gäbe<br />

einen Sinn, wenn es sich in V5 um eine Art "Rückerinnerung" <strong>de</strong>r Pilger han<strong>de</strong>ln<br />

wür<strong>de</strong>. Jene nahmen an, daß es sich in alten Zeiten so verhalten habe. In unserem Vers<br />

schil<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almist also seine Vorstellungen und "biblischen Erinnerungen", welche<br />

er hatte, als er auf <strong>de</strong>m Tempelplatz stand.<br />

f) Vers 6: Der <strong>Ps</strong>almist for<strong>de</strong>rt auf, für Jerusalem <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n zu erbitten. Außer<strong>de</strong>m gibt<br />

er seine Segenswünsche weiter für alle, die "Jerusalem lieben".<br />

g) Vers 7 und 8: Auch hier spricht <strong>de</strong>r Sänger wie<strong>de</strong>r Segenswünsche aus für Jerusalem.<br />

Einige Autoren (zum Beispiel Herr Seybold) interessieren sich beson<strong>de</strong>rs für die Stelle<br />

in Vers 8: "Wegen meiner Brü<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong> will ich sagen,..." Es wer<strong>de</strong>n<br />

Vermutungen aufgestellt, daß <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almist <strong>de</strong>n Segenswunsch für Jerusalem dadurch<br />

beschränke, daß er ihn nur "wegen" seiner Brü<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong> ausspreche. Jene<br />

Autoren stellen die Theorie auf, <strong>de</strong>r Sänger habe möglicherweise schlechte<br />

Erfahrungen mit <strong>de</strong>r Stadt gemacht und nehme nun seine Brü<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong> als<br />

Anlaß für <strong>de</strong>n Segen. 14<br />

13 siehe: Donner H., <strong>Ps</strong>alm<strong>122</strong>, S.195-198.<br />

14 siehe: Seybold K., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, S.480.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 10


Diese Theorie erscheint jedoch als sehr weit hergeholt und äußerst unrealistisch. Es ist<br />

fraglich, ob ein <strong>Ps</strong>almist einen solchen "Lobeshymnus" auf Jerusalem verfassen<br />

wür<strong>de</strong>, wenn er beabsichtigte, sein Unbehagen über diese Stadt darin auszudrücken.<br />

(Und dies auch nur in einem kleinen Versabschnitt!). Statt <strong>de</strong>ssen soll dieser Zusatz<br />

"wegen meiner Brü<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong>" wohl eher eine Verstärkung <strong>de</strong>s Segenswunsches<br />

bewirken. Die beson<strong>de</strong>re und starke Verbindung zu <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn und Freun<strong>de</strong>n gibt<br />

einen um so größeren Anlaß, die Stadt zu segnen. Der <strong>Ps</strong>almist vergleicht hier sein<br />

"Verhältnis" zu <strong>de</strong>r Stadt mit <strong>de</strong>r Verbindung zwischen Freun<strong>de</strong>n und Brü<strong>de</strong>rn. Diese<br />

Deutung paßt viel eher in das Gesamtbild <strong>de</strong>s <strong>Ps</strong>alms, welcher ein freudiges Loblied<br />

und Segenslied ist.<br />

h) Vers 9: Er ist wohl ein redaktioneller Zusatz. Nach Seybold könnte, wenn Vers 8<br />

alleine am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lie<strong>de</strong>s stün<strong>de</strong>, ein blasser Eindruck von Jerusalem stehen,<br />

welches "nur" wegen <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong> gesegnet wird. Es wird <strong>de</strong>r theologisch<br />

"bessere" Grund zum Segenswunsch angefügt, nämlich das Hause JHWH's. Der Herr<br />

soll <strong>de</strong>r Anlaß <strong>de</strong>r Wünsche sein. Im Allgemeinen wird <strong>de</strong>r letzte Vers zwar als<br />

redaktioneller Zusatz gesehen, allerdings nicht aus <strong>de</strong>r Vermutung Seybolds heraus.<br />

(Seine Theorie wur<strong>de</strong> im letzten Abschnitt bereits abgelehnt.)<br />

Fazit: Abgesehen von einigen Stellen ist <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong> wohl leicht zu <strong>de</strong>uten. Gut erkennbar<br />

sind außer<strong>de</strong>m die redaktionellen "Verbesserungen" (<strong>Ps</strong> <strong>122</strong>,4b.9), welche das Lied in das<br />

rechte theologische Licht rücken wollen.<br />

III.2.)Die Beschreibung <strong>de</strong>r Stadt Jerusalem und <strong>de</strong>r Bezug <strong>de</strong>s Beters zu<br />

"seiner" Stadt<br />

In II.1. wur<strong>de</strong>n einige Punkte vorweggenommen, die hier aus diesem Grun<strong>de</strong> nur kurz<br />

erwähnt wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Bereits in Vers 1 wird <strong>de</strong>r Stadt Jerusalem ein wichtiges Zugeständnis gemacht. Sie sei die<br />

Stadt, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Herr seine Wohnung hat. Allein diese Tatsache gibt <strong>de</strong>m Pilger Anlaß, sich<br />

<strong>de</strong>r Stadt verbun<strong>de</strong>n zu fühlen. Zugleich kann <strong>de</strong>r Leser die Freu<strong>de</strong> erkennen, welche wohl bei<br />

<strong>de</strong>r Wallfahrt und beson<strong>de</strong>rs beim erreichen <strong>de</strong>s Zieles empfun<strong>de</strong>n wird. Folgt man <strong>de</strong>r<br />

Einheitsübersetzung, ist wohl anzunehmen, daß die Nähe JHWH's <strong>de</strong>r Stadt Jerusalem <strong>de</strong>n<br />

Eindruck verleiht, sie sei dicht gebaut und fest gefügt. Diese imposante Stadt beeindruckt <strong>de</strong>n<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 11


<strong>Ps</strong>almisten ein<strong>de</strong>utig. Zu<strong>de</strong>m fühlt er sich verpflichtet, Jerusalem zu besuchen, da dies<br />

schließlich das Gebot Israel sei (V4). Die Liebe zum heiligen Berg Zion und damit auch zu<br />

Jerusalem ist außer<strong>de</strong>m ein traditionelles Kennzeichen jüdischer Frömmigkeit (vgl. 2 Sam<br />

5,9f / <strong>Ps</strong> 48;84;87;133;137).<br />

Jerusalem erscheint in <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong> also als starke, fest gefügte Stadt Gottes, welche es wert ist,<br />

besucht zu wer<strong>de</strong>n. Als Stadt JHWH's bleibt sie das Ziel und Zentrum <strong>de</strong>r Wallfahrt, auf das<br />

sich <strong>de</strong>r Pilger ganz ausrichtet.<br />

III.3.)Die Wünsche und Bitten für Jerusalem<br />

- salôm. 15 Dieser Begriff steht im Mittelpunkt <strong>de</strong>r Bitten und Wünsche <strong>de</strong>s<br />

<strong>Ps</strong>almisten für "seine" Stadt Jerusalem. Seine Wurzel hat salôm von <strong>de</strong>m Wort slm,<br />

was soviel be<strong>de</strong>utet wie "genug haben" o<strong>de</strong>r "wohlbehalten sein". Salôm ist im AT 237 mal<br />

zu fin<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Regel übersetzt man dieses Substantiv mit "Frie<strong>de</strong>" o<strong>de</strong>r "Glück" oft auch<br />

mit "Ganzheit" und zwar im Gegensatz zu Krieg, Feindschaft und Unglück. In <strong>de</strong>r LXX wird<br />

salôm etwas eingeengt mit ειρηνη übersetzt. Diese Einengung scheint aber dadurch<br />

verringert, daß sich ειρηνη mit <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>s salôm gefüllt hat. Salôm ist in <strong>de</strong>r Bibel noch<br />

in vielen an<strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utungen gebraucht und wird so zu einem schillern<strong>de</strong>m<br />

"Allerweltswort", was es keineswegs wertlos macht im Sinne einer "Inflation" seiner selbst.<br />

Zunächst ist es jedoch wichtig, die Grundbe<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Wortes ausfindig zu machen.<br />

Einige Autoren (z.B. Ernst Jenni) sehen das Substantiv salôm in <strong>de</strong>r Bibel zusammenhängend<br />

mit <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Bezahlens und Vergeltens (positiv und negativ). Am häufigsten wird nach<br />

diesen <strong>de</strong>r positive Sinn von "Genugtuung" benützt. Mit Frie<strong>de</strong> bezeichnet das AT somit oft<br />

einen Zustand, <strong>de</strong>r durch das empfangen von Ersatzleistungen – etwa nach einem Krieg –<br />

hervorgeht. Die Auffassung, salôm in diese Richtung zu <strong>de</strong>uten erscheint allerdings oft<br />

gezwungen und somit nicht genügend gerechtfertigt (Sten<strong>de</strong>nbach).<br />

15 siehe zu salom, etc.:<br />

Jenni E., Art. sim – genug haben, in: THAT II, Sp.919-935.<br />

Sten<strong>de</strong>nbach F.J., Art. salom, in: ThWAT VIII, Sp.12-46.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 12


Vielmehr bezeichnet salôm in <strong>de</strong>n biblischen Schriften die Tatsache <strong>de</strong>s "Heil-seins"<br />

und drückt damit all das aus, was sich <strong>de</strong>r alttestamentliche Mensch als Segensinhalt<br />

erwünscht. Beson<strong>de</strong>rs das körperliche und materielle Wohlergehen stehen hier im<br />

Vor<strong>de</strong>rgrund. Salôm ist also ursprünglich nicht als "Frie<strong>de</strong>" im Kontrast zum "Krieg" gedacht,<br />

son<strong>de</strong>rn es <strong>de</strong>ckt <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s sozialen Wohlergehens, <strong>de</strong>s Segens für <strong>de</strong>n Menschen.<br />

Auch in <strong>de</strong>n <strong>Ps</strong>almen ist salôm in verschie<strong>de</strong>nen Zusammenhängen zu fin<strong>de</strong>n. Dort<br />

be<strong>de</strong>utet es zum Beispiel Sicherheit, Kraft, Macht, Unversehrtheit, Gesundheit und <strong>de</strong>n<br />

Inbegriff <strong>de</strong>s Segens. In unserem <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong> ist salôm 3mal belegt. In V6, 7 und 8.<br />

Ein letzter Aspekt <strong>de</strong>s "salom" ist die Tatsache, daß <strong>de</strong>r Name Jerusalem volkstümlich<br />

als "Stadt <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns" ge<strong>de</strong>utet wird. Mag diese Übersetzung auch problematisch sein, kann<br />

man <strong>de</strong>nnoch nicht bestreiten, daß mit Jerusalem immer wie<strong>de</strong>r diese Eigenschaft verbun<strong>de</strong>n<br />

wird. So ist zum Beispiel für Pilger die Tradition entstan<strong>de</strong>n, daß sie vor <strong>de</strong>n Toren <strong>de</strong>r Stadt<br />

stehenblieben und ihr ihren Gruß entboten: salom. Dieser Frie<strong>de</strong>, welcher <strong>de</strong>r Stadt<br />

zugesprochen wur<strong>de</strong> ist auch eine <strong>de</strong>r messianischen Hoffnungen (vgl. Jes 11,6ff / Hos<br />

2,20ff).<br />

a) <strong>Ps</strong> <strong>122</strong>,6: Erbittet für Jerusalem Frie<strong>de</strong>n! Wer dich liebt, sei in dir<br />

geborgen.<br />

Das Jerusalem wohl schon immer eine Stadt <strong>de</strong>r Uneinigkeit und <strong>de</strong>s Unfrie<strong>de</strong>ns war<br />

(ganz im Gegensatz zu seiner eigentlichen Bestimmung als Stadt <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns), ist zu<br />

erkennen in Vers 6. Es ist notwendig, das dieser Wunsch ausgesprochen wird. Salôm<br />

ist hier also tatsächlich im Sinne <strong>de</strong>s politisch-militärischen Frie<strong>de</strong>ns zu lesen.<br />

In 6b sind mit <strong>de</strong>nen, die Jerusalem lieben wohl die Gläubigen gemeint, welche JHWH<br />

lieben. Denn die Stadt steht als seine Wohnung und unter seinem Schutz soll <strong>de</strong>r<br />

Gläubige geborgen sein.<br />

b) <strong>Ps</strong> <strong>122</strong>,7: Frie<strong>de</strong> wohne in <strong>de</strong>inen Mauern, in <strong>de</strong>inen Häusern<br />

Geborgenheit.<br />

Der Frie<strong>de</strong> (siehe V6) ist wohl ein sehr wichtiges Anliegen <strong>de</strong>s Pilgers, welcher hier<br />

seinen Wunsch wie<strong>de</strong>rholt. Wie in Vers 6 ist JHWH <strong>de</strong>rjenige, welcher die<br />

Geborgenheit in <strong>de</strong>n Häusern seiner Stadt geben soll.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 13


c) <strong>Ps</strong> <strong>122</strong>,8: Wegen meiner Brü<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong> will ich sagen: In dir sei<br />

Frie<strong>de</strong>.<br />

Wenn Jerusalem im Frie<strong>de</strong>n ist, so macht sich dieses salôm wohl auch für das Volk<br />

Gottes bemerkbar. Aus diesem weiteren Grund wünscht <strong>de</strong>r Pilger nunmehr zum<br />

dritten Mal <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n für die Stadt Jerusalem. Dieser Frie<strong>de</strong>n soll auch seinen<br />

Brü<strong>de</strong>rn und Freun<strong>de</strong>n gelten. Dadurch, daß diese von <strong>de</strong>m <strong>Ps</strong>almisten eingebracht<br />

wer<strong>de</strong>n, wird auch das Bild seiner Beziehung zu Jerusalem verlebendigt. Die Freu<strong>de</strong><br />

und "Liebe" <strong>de</strong>s <strong>Ps</strong>almisten zu seiner Stadt kommt ganz beson<strong>de</strong>rs zum Ausdruck.<br />

d) <strong>Ps</strong> <strong>122</strong>,9: Wegen <strong>de</strong>s Hauses <strong>de</strong>s Herrn, unseres Gottes, will ich dir<br />

Glück erflehen.<br />

Letztendlich ist es Gott, <strong>de</strong>r Herr selbst, <strong>de</strong>r in Jerusalem seine "Wohnung" hat. Er hat<br />

sich diese Stadt auserwählt. Aus diesem Grun<strong>de</strong> segnet <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almist die Stadt ein<br />

letztes mal. Beson<strong>de</strong>rs nimmt er dabei die Häuser <strong>de</strong>r Stadt und <strong>de</strong>ren Einwohner,<br />

letztendlich auch JHWH ins Blickfeld.<br />

IV.) Fazit - Aus Liebe zu all' meinen Brü<strong>de</strong>rn<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong> ist ein sehr lebendiger <strong>Ps</strong>alm mit vielen verschie<strong>de</strong>nen Deutungsmöglichkeiten.<br />

Die Beziehung zwischen Sänger und Stadt steht metaphorisch für die Beziehung <strong>de</strong>s Sängers<br />

zu seinem Gott. Die Begegnung mit <strong>de</strong>r Stadt während <strong>de</strong>r Wallfahrt ist zugleich eine<br />

Begegnung mit Gott, welchen man auf <strong>de</strong>r Reise zu seinem "Haus" besuchen möchte.<br />

Eschatologischer Charakter und Bezug zur Gegenwart:<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong> kann auch in unserem Leben eine wichtige Be<strong>de</strong>utung haben. Unser Suchen nach<br />

Gott ist ähnlich einer Wallfahrt. Auf <strong>de</strong>m Weg zum Ziel haben wir viele beschwerliche<br />

Strecken zu meistern. Die Kirche, welche wir heute als das "Haus Gottes" bezeichnen, ist<br />

zugleich mit Jerusalem unser Weg und unser Ziel. Ähnliche Eindrücke wie sie <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>almist<br />

hatte, begleiten uns auf <strong>de</strong>r "Wallfahrt". Freilich haben auch wir es heute immer wie<strong>de</strong>r nötig,<br />

<strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n zu erflehen für das Haus Gottes.<br />

Der Horizont sollte allerdings nicht dadurch verengt wer<strong>de</strong>n, daß wir all' die Aussagen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Ps</strong>alms ausschließlich auf die Kirche beziehen. Daß <strong>de</strong>r <strong>Ps</strong>alm <strong>de</strong>r jüdischen Tradition<br />

entspringt und daß diese Tradition unsere Quelle ist, wird heute zu oft vergessen. Die Stadt<br />

Jerusalem soll uns verbin<strong>de</strong>n mit unseren Brü<strong>de</strong>rn (Ju<strong>de</strong>n und Christen). Segen – salôm – soll<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 14


Jerusalem gewünscht wer<strong>de</strong>n und Glück, damit wir alle Geborgenheit fin<strong>de</strong>n können im<br />

Hause Gottes.<br />

Somit bleibt <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong> aktuell. Diese Stadt ist Ausgangspunkt und Zielpunkt unseres<br />

Glaubensweges, da wir uns hin zum himmlischen Jerusalem, zum Herrn selbst, ausrichten.<br />

Jerusalem will uns alle verbin<strong>de</strong>n und somit ihrem Namen als Stadt <strong>de</strong>s Herrn gerecht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Zuletzt darf nicht vergessen wer<strong>de</strong>n, die Freu<strong>de</strong> zu erwähnen, welche in fast allen<br />

Wallfahrtspsalmen zum Ausdruck kommt. Die Be-Geist-erung, <strong>de</strong>r Jubel, die Tränen und das<br />

Glück, welches <strong>de</strong>r Pilger bei <strong>de</strong>m Einzug in "seine" Stadt empfin<strong>de</strong>n darf. Allein die<br />

Vorfreu<strong>de</strong> auf diesen Augenblick sollte uns eine große Motivation sein, <strong>de</strong>n oft auch<br />

beschwerlichen Weg zur Stadt <strong>de</strong>s Herrn aufzunehmen, beziehungsweise weiterzuführen.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 15


Literaturangabe:<br />

� Donner H., <strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, in: <strong>de</strong>rs., Aufsätze zum Alten Testament aus vier Jahrzehnten.<br />

BZAW 224, Berlin u.a., 1994, S.189-198.<br />

� Gerleman G., Art. "genug haben", in: THAT II, München, 1976, Sp.919-935.<br />

� Gesenius W., Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament,<br />

Berlin u.a., 17 1962, S.446 u. S.823.<br />

� Kraus H.-J., <strong>Ps</strong>almen 60-150, Neukirchen-Vluyn, 5 1978, S.1015-1020.<br />

� Seybold K., Die Redaktion <strong>de</strong>r Wallfahrtspsalmen, in: ZAW 91, 1979, S.247-268.<br />

� Seybold K., Die Wallfahrtspalmen. Studien zur Entstehungsgeschichte von <strong>Ps</strong>alm 120-<br />

134, Neukirchen-Vluyn, 1978.<br />

� Seybold K., Die <strong>Ps</strong>almen. Handbuch zum Alten Testament, Bd. I/15, Tübingen, 1996,<br />

S.478-480.<br />

� Sten<strong>de</strong>nbach F.J., Art. salom, in: ThWAT VIII, Sp.12-46.<br />

� Zenger E., Ich will die Morgenröte wecken. <strong>Ps</strong>almenauslegungen, Freiburg, 1991, S.126-<br />

144.<br />

<strong>Ps</strong>alm <strong>122</strong>, Ein Wallfahrtspsalm. Seite 16

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