78 stand- punkt 14 markt- report - Goldman Sachs
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76 STANDPUNKT<br />
durch die Rohstoffpreise ausgelöste Schock<br />
nach und nach bewältigt werden wird. Unsere<br />
weltweiten Inflationsprognosen sind<br />
für dieses Jahr und auch für 2006 erstaunlich<br />
günstig. Die von den Notenbanken<br />
bereitgestellte Liquidität mag zwar auf<br />
längere Sicht zu einer Inflationszunahme<br />
führen, aber dieses Risiko kommt erst in<br />
etlichen Jahren zum Tragen.<br />
Falls die Überbewertung des Euros<br />
anhält, wird Euroland die Binneninflation<br />
deutlich unter das weltweite Inflationsniveau<br />
absenken müssen, um wettbewerbsfähig<br />
zu bleiben. Und schließlich besteht<br />
auch die Hoffnung, dass die europäischen<br />
Verbraucher von einer stärkeren Weitergabe<br />
niedriger internationaler Preise profitieren<br />
werden.<br />
Insgesamt weisen diese Faktoren darauf<br />
hin, dass die Preisstabilitätsrisiken<br />
eher abwärts als aufwärts gerichtet sind.<br />
Die Euroland-Inflationsrate dürfte sich<br />
2005 bei unter 2% einpendeln und einige<br />
Zeit dort verharren. Obwohl die EZB viele<br />
der oben dargelegten Auffassungen teilt,<br />
ist sie nach wie vor über aufwärts gerichtete<br />
Preisstabilitätsrisiken besorgt. Dafür<br />
lassen sich drei Gründe anführen: Erstens<br />
besteht bei der EZB der Eindruck, dass die<br />
geldpolitischen Rahmenbedingungen gegenwärtig<br />
extrem locker sind, was sich<br />
auch an dem niedrigen Zinsniveau zeigt.<br />
DAVID WALTON PROGNOSE GÜNSTIG<br />
KONSUMENTENPREISINDEX DER WÄHRUNGSUNION<br />
in Index-Punkten<br />
2,5<br />
2,3<br />
2,1<br />
1,9<br />
1,7<br />
1,5<br />
Eurostat Eurozone MUICP<br />
(Monetary Union Index of Consumer Prices)<br />
Year on Year; Konsumentenpreisindex der Währungsunion<br />
Dez 02 Mrz 03 Jun 03 Sep 03 Dez 03<br />
Mrz 04<br />
Jun 04<br />
Hier werden aber die Rolle des Wechselkurses<br />
und die Notwendigkeit übersehen,<br />
die Überbewertung des Euros durch niedrigere<br />
Zinsen aufzufangen. Zweitens war<br />
die Inflation in den letzten Jahren stets höher,<br />
als es die EZB und Ökonomen aus der<br />
Privatwirtschaft (wir eingeschlossen) prognostiziert<br />
hatten. Drittens will die EZB neben<br />
einem Rückgang der tatsächlichen Inflationszahlen<br />
vermutlich auch Anzeichen<br />
dafür sehen, dass die Inflationserwartungen<br />
nicht steigen.<br />
Inflationserwartungen:<br />
wenig Aufwärtsrisiken<br />
Die Inflationserwartungen lassen sich<br />
nicht ohne weiteres messen. Es gibt dafür<br />
eine Reihe unvollkommener Indikatoren.<br />
Dazu gehören etwa Erhebungen zu den<br />
Erzeugerpreisen, die aber für die Beurteilung<br />
der mittelfristigen Preiserwartungen<br />
nicht sonderlich nützlich sind. Für die<br />
EZB wäre es sicher beruhigend, wenn die<br />
Erzeugerpreiserwartungen in den nächsten<br />
Monaten zurückgingen. Angesichts des<br />
starken Euros und der Stabilisierung der<br />
Rohstoffpreise ist ein Rückgang auch<br />
wahrscheinlich.<br />
Eine besonders erfreuliche Entwicklung<br />
im letzten Jahr war die allmähliche<br />
Normalisierung der Inflationserwartungen<br />
der Privathaushalte, die inzwischen fast<br />
Sep 04<br />
Dez 04<br />
bei 2% „angekommen“ sind, nachdem sie<br />
über längere Zeit bei 4% lagen.<br />
Angesichts der historisch niedrigen<br />
Kapital<strong>markt</strong>zinsen kann man schwerlich<br />
argumentieren, dass die Finanzmärkte hohe<br />
Inflationserwartungen haben. Die bis<br />
ins 1. Halbjahr 2004 hinein bestehende<br />
Anspannung wegen des steigenden Ölpreises<br />
hat im 2. Halbjahr nachgelassen.<br />
Sowohl die langfristigen als auch die kurzfristigen<br />
Zinserwartungen sind in den letzten<br />
Monaten zurückgegangen.<br />
Schließlich schenkt die EZB auch den<br />
Inflationserwartungen, die in den Prognosen<br />
von Ökonomen zum Ausdruck kommen,<br />
große Beachtung. Bei der letzten<br />
Umfrage der EZB vom 4. Quartal 2004 bei<br />
Ökonomen verschiedener Banken, die von<br />
Berufs wegen Prognosen aufstellen, lag das<br />
arithmetische Mittel der Inflationserwartungen<br />
für September 2005 und 2006 bei<br />
jeweils 1,8%. In fünf Jahren wird mit einer<br />
Inflationsrate von 1,9% gerechnet.<br />
Insgesamt deuten die verschiedenen<br />
Indikatoren zu den Inflationserwartungen<br />
darauf hin, dass es mittelfristig sehr wenig<br />
aufwärts gerichtete Risiken gibt. Damit<br />
die EZB aber bereit ist, in diesem Jahr die<br />
Zinsen zu senken, müssen die Inflationserwartungen<br />
möglicherweise noch weiter<br />
zurückgehen. Dies ist auch unser Grundszenario.