sp ortu nterric h t - Hofmann Verlag
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Sportwissenschaft und Schul<strong>sp</strong>ort<br />
prüfen. Dabei sind die Auswahl der<br />
behandelten Probleme und die<br />
konkrete Umsetzung in einer U<strong>nterric</strong>htsreihe<br />
nur in enger Zusammenarbeit<br />
mit der Sportpädagogik/<br />
-didaktik sinnvoll.<br />
In der Regel können die Aufgaben<br />
der Anwendungsforschung nur<br />
durch U<strong>nterric</strong>htsexperimente erfüllt<br />
werden, bei denen die Präferenz<br />
von interner oder externer<br />
Validität sorgfältig abgewogen werden<br />
muss. Auch bringen U<strong>nterric</strong>htsexperimente<br />
im Schul<strong>sp</strong>ort<br />
forschungsmethodische Konsequenzen<br />
mit sich, da bei<strong>sp</strong>ielsweise<br />
die Teilnehmer wohl immer Klassen<br />
oder Kurse sein werden und<br />
nicht die Individuen und die Rekrutierung<br />
sich primär an den Vorgaben<br />
des Schulsystems orientieren<br />
muss (Pflichtu<strong>nterric</strong>ht, Wahlkurs<br />
oder freiwillige Teilnahme vs. randomisierte<br />
Zuordnung).<br />
Exemplarisch seien an dieser Stelle<br />
Untersuchungen vorgestellt, in denen<br />
die Aussagekraft der experimentellen<br />
Vorgehensweise in zwei<br />
klassischen Domänen (Methodenund<br />
Inhalt<strong>sp</strong>lanung) der U<strong>nterric</strong>htsforschung<br />
gezeigt wird.<br />
● In einer Untersuchung von Diekmann<br />
& Letzelter (1987) nahmen<br />
132 Schüler teil, von denen die 66<br />
Angehörigen der Trainingsgruppe<br />
zusätzlich zum Sp<strong>ortu</strong><strong>nterric</strong>ht ein<br />
12-wöchiges Training<strong>sp</strong>rogramm<br />
zur Kraftentwicklung (2 Trainingseinheiten<br />
à 30 min) absolvierten<br />
und dabei langfristig stabile Trainingsgewinne<br />
erzielten. Besonders<br />
interessant an der Untersuchung ist<br />
das längsschnittliche Design, da die<br />
Intervention in 3 aufeinander folgenden<br />
Jahren (durchschnittliches<br />
Lebensalter der Teilnehmer 8, 9 und<br />
10 Jahre) jeweils in den 12 Wochen<br />
nach den Sommerferien erfolgte.<br />
Zu ähnlich überzeugenden Ergebnissen<br />
führte die Studie von Reuter<br />
(2003) bei 207 Schülerinnen und<br />
Schülern. Ein 2-mal wöchentlich<br />
über 9 Wochen durchgeführtes<br />
„sanftes“ Krafttraining mit 3 Sätzen<br />
pro Übung mit jeweils 20–25 Wiederholungen<br />
und einer nach dem<br />
subjektiven Belastungsempfinden<br />
gewählten Trainingsintensität (Vorgabe:<br />
wiederholte Bewältigung des<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2,4<br />
50,7<br />
0,7<br />
Abb. 1: Ergebnisse eines U<strong>nterric</strong>htsexperimentes mit einer 9-wöchigen Intervention<br />
zur Verbesserung der Maximalkraft bei Unter- und Mittelstufenschülern<br />
(Reuter, 2003, S. 217; Erläuterungen im Text)<br />
Trainingsgewichtes bis zum Empfinden<br />
„es wird schwer“) führte bei<br />
Schülern der 5./6. (Unterstufe) und<br />
9./10. Klassen (Mittelstufe) zu beeindruckenden<br />
Trainingsgewinnen<br />
bei der Maximalkraft zwischen 17<br />
und 50 Prozent (vgl. Abb. 1). Besonders<br />
hervorzuheben ist wiederum<br />
die Stabilität des Maximalkraftzuwachses,<br />
der 3 Monate nach Trainingsende<br />
im Mittel der untersuchten<br />
Klassen noch immer bei ca.<br />
125% des Eingangsniveaus lag.<br />
Die Autoren der beiden U<strong>nterric</strong>htsexperimente<br />
ziehen übereinstimmend<br />
folgende Schlüsse aus<br />
ihren Untersuchungen: 1. Die<br />
(Schnell- bzw. Maximal-)Kraft entwickelt<br />
sich außer aufgrund von<br />
Reifung<strong>sp</strong>rozessen auch durch gezieltes<br />
Training im untersuchten Lebensalter;<br />
2. Trainingsgewinne sind<br />
auf jeder Altersstufe und auf jedem<br />
Niveau zu erzielen; 3. Ein einmal<br />
durch Training erworbener substanzieller<br />
Leistungszuwachs bleibt<br />
zumindest 3 Monate bis hin zu<br />
1 Jahr lang überwiegend erhalten,<br />
d. h. in den Training<strong>sp</strong>ausen tritt<br />
keine vollständige Rückbildung der<br />
Leistungsfähigkeit ein.<br />
Besonders das letzte Ergebnis ist als<br />
ermutigend zu bezeichnen, da es<br />
bedeutet, dass akzentuierte Trai-<br />
Maximalkraftveränderungen (in %)<br />
Bankdrücken Latziehen Crunch Beinpressen<br />
ningsinterventionen im Schul<strong>sp</strong>ort<br />
nicht als „Strohfeuer“ betrachtet<br />
werden müssen, sondern dass<br />
nachhaltige Effekte erzielt werden<br />
können. Ähnliche überdauernde<br />
Effekte wurden in der Greifswalder<br />
Längsschnittstudie 1975–1982<br />
(Hirtz, 1985) zur Körperkoordination,<br />
sowie in weiteren Studien zur<br />
Laufausdauer (Bumb, 1995, und<br />
Hausbei, 1995; zit. nach Bös, 1999),<br />
Kraftausdauer (Reuter, 2003) oder<br />
zur allgemeinen körperlichen Fitness<br />
(Scholtes, 1990; zit. nach Bös,<br />
1999) erzielt, die auf einen fähigkeits<strong>sp</strong>ezifisch<br />
akzentuierenden<br />
Sp<strong>ortu</strong><strong>nterric</strong>ht und die Berücksichtigung<br />
von trainingswissenschaftlichem<br />
Basiswissen zur Trainingssteuerung<br />
in der Grundschule<br />
und in der weiterführenden Schule<br />
zurückzuführen sind.<br />
Diese Befunde stehen nicht in<br />
Übereinstimmung mit den konventionellen<br />
laiezistischen Annahmen<br />
zur Adaptation, die grundsätzlich<br />
beim Ausbleiben von Anpassungsreizen<br />
als reversibel betrachtet wird.<br />
Möglicherweise liegt im Schulalter<br />
eine Wechselwirkung mit den Reifung<strong>sp</strong>rozessen<br />
vor, die zu überdauernden<br />
Gewinnen aus einzelnen<br />
Interventionen führt. Es ist somit<br />
nicht gerechtfertigt, die Anwen-<br />
6 <strong>sp</strong><strong>ortu</strong><strong>nterric</strong>ht, Schorndorf, 56 (2007), Heft 1<br />
29,6<br />
0,7<br />
23,0<br />
1,0<br />
17,2<br />
Kontrollgruppen Unterstufe (n = 28) Trainingsgruppen Unterstufe (n = 37)<br />
Kontrollgruppen Mittelstufe (n = 23) Trainingsgruppen Mittelstufe (n = 31)<br />
1,3<br />
40,7<br />
1,1<br />
21,4<br />
1,8<br />
39,1<br />
3,1<br />
23,2