Auf dem Weg zu einer Kartographie der Literaturübersetzung ... - Petra
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16PETRA _ <strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zu</strong> <strong>einer</strong> <strong>Kartographie</strong> <strong>der</strong> Literaturüberset<strong>zu</strong>ng in Europa1 Siehe da<strong>zu</strong> die Veröffentlichungauf <strong>der</strong> Website <strong>der</strong> Délégationgénérale à la langue française etaux langues de France:www.dglf.culture.gouv.fr/publications/publications.htm[Stand: 21. Oktober 2011]2 Siehe unter: „Meine politischenSchwerpunkte“,http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/vassiliou/about/priorities/index_de.htm3 Die Zahlen stammen aus <strong>einer</strong>Notiz <strong>der</strong> GeneraldirektionBildung und Kultur <strong>zu</strong>mPETRA-Projekt, die diesemArtikel beigefügt ist.4 In diesem Jahr wird <strong>der</strong> Preisam 7. Dezember verliehen.Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> diesjährigenJury ist Julian Barnes, Gewinnerdes Booker Prize 2011.Drei Jahre nach den Konferenzen <strong>zu</strong>r Mehrsprachigkeit, die im Rahmen <strong>der</strong> französischen EU-Ratspräsidentschaft im September 2008 1 in Paris stattfanden, kommt man nicht umhin fest<strong>zu</strong>stellen,dass das „europäische Überset<strong>zu</strong>ngsprogramm“, das von allen Seiten gefor<strong>der</strong>t wurde,nur ein Versprechen geblieben ist und dass die ambitionierten Arbeitsansätze, die LeonardOrban, <strong>der</strong> Kommissar für Mehrsprachigkeit, 2008 vorlegte, in <strong>der</strong> Schwerpunktset<strong>zu</strong>ng undden Programmen <strong>der</strong> Europäischen Kommission kaum berücksichtigt wurden. Wo ein starkeseuropäisches Engagement für die Mehrsprachigkeit <strong>zu</strong> erwarten gewesen wäre – geradeim Zusammenhang mit kulturellen Dynamiken und den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> europäischenStaatsbürgerschaft –, hat in Wirklichkeit ein Rück<strong>zu</strong>g stattgefunden, <strong>der</strong> sich nicht <strong>zu</strong>letzt in<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>abschaffung des Postens eines Kommissars für Mehrsprachigkeit ausdrückte. DiesesThemenfeld unterliegt nunmehr <strong>der</strong> Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit undJugend, Androulla Vassilliou, die das Thema Mehrsprachigkeit allerdings vorrangig unter <strong>dem</strong>Aspekt des Sprachenlernens behandelt 2 .Wenngleich das PETRA-Projekt <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Mehrsprachigkeit nicht nachgeht, bildet diesedoch den Hintergrund, vor <strong>dem</strong> das Projekt entstanden ist. Sie verdient also unsere <strong>Auf</strong>merksamkeit.Es ist nicht <strong>zu</strong> leugnen, dass Mehrsprachigkeit und literarische Überset<strong>zu</strong>ng innerhalbdes Kulturprogramms <strong>der</strong> Europäischen Union, dessen Anteil am Gesamtetat wie<strong>der</strong>umverschwindend gering ist, ihren Platz haben. Jedoch bilden sie nach den Informationen <strong>der</strong>Generaldirektion Bildung und Kultur <strong>der</strong> Europäischen Kommission im Vergleich <strong>zu</strong>m jährlichenGesamtbudget des Kulturprogramms einen sehr kleinen Teilbereich, mit einem Anteil von unter10 %. Die Überset<strong>zu</strong>ngsför<strong>der</strong>ung bzw., um genau <strong>zu</strong> sein, die För<strong>der</strong>ung literarischer Übersetzerist verglichen mit <strong>dem</strong> finanziellen Bedarf all<strong>zu</strong> gering und steht in keinem Verhältnis <strong>zu</strong><strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Projekte, die <strong>der</strong> sprachlichen Vielfalt in <strong>der</strong> Literatur durch Festivals, Veranstaltungen,die Bildung von Netzwerken u. a. Ausdruck verleihen. Es muss aber dringend daraufhingewiesen werden, dass die Bedeutung <strong>der</strong> literarischen Überset<strong>zu</strong>ng nicht allein in <strong>der</strong> Wertschät<strong>zu</strong>ng<strong>der</strong> Mehrsprachigkeit durch die Überset<strong>zu</strong>ng liegt. Die literarische Überset<strong>zu</strong>ng ist<strong>der</strong> Dreh- und Angelpunkt eines wahrhaft interkulturellen Europas, insofern sie die Sprachen alsKulturen, als eigene Welten betrachtet. Das Programm <strong>zu</strong>r Überset<strong>zu</strong>ngsför<strong>der</strong>ung, das über eindurchschnittliches Jahresbudget von € 3 Mio. verfügt 3 , beschränkt sich jedoch ausschließlichauf „fiktionale“ Werke (<strong>zu</strong> denen auch die Lyrik gezählt wird). Es übergeht damit eine zentrale<strong>Auf</strong>gabe <strong>der</strong> literarischen Überset<strong>zu</strong>ng in unseren mo<strong>der</strong>nen Gesellschaften: die Überset<strong>zu</strong>ngvon Ideen, Debatten und Wissen, die Öffnung eines öffentlichen europäischen Raums, in <strong>dem</strong>nicht eine einzige Sprache mit ihren Kategorien, ihren Begriffen, ihrer Art <strong>der</strong> Weltdarstellungdominiert. Darüber hinaus spornt das Programm <strong>zu</strong>r Überset<strong>zu</strong>ngsför<strong>der</strong>ung die Verlage da<strong>zu</strong>an, die Preisträger des Europäischen Literaturpreises <strong>zu</strong> übersetzen, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> EuropäischenKommission unterstützt wird. Hier stellen sich zwei Fragen: Aus welchem Grund sollten Preisträgerbevor<strong>zu</strong>gt behandelt werden? Lässt sich das literarische Leben und Wirken auf Etikettereduzieren? Und aus welchem Grund werden die mit einem Preis <strong>der</strong> Europäischen Kommissionausgezeichneten Autoren bevor<strong>zu</strong>gt behandelt gegenüber an<strong>der</strong>en preisgekrönten Autoren, beispielsweiseden Gewinnern des Preises des Europäischen Buches 4 , des zweiten EuropäischenLiteraturpreises, <strong>der</strong> vom Literaturverband „Association Capitale Européenne des Littératures“(ACEL) verliehen wird, o<strong>der</strong> irgendeines an<strong>der</strong>en nationalen, regionalen, von Stiftungen o<strong>der</strong>literarischen Gesellschaften vergebenen Preises? Diese Praxis gilt es ebenso <strong>zu</strong> hinterfragenwie die generelle Tendenz, Projekte <strong>zu</strong>r Überset<strong>zu</strong>ngsför<strong>der</strong>ung an Listen überset<strong>zu</strong>ngswürdigerAutoren <strong>zu</strong> orientieren, die auf ein weitverbreitetes Faible für Ranglisten setzt, die wie<strong>der</strong>umMarktgesetzen unterworfen sind – à la „Top Ten“ o<strong>der</strong> „Top 50“ <strong>der</strong> meistübersetzten Autoren.Bevor wir <strong>zu</strong>m Ende und Ausblick unserer kurzen Übersicht kommen, wollen wir nochauf das Programm für „Lebenslanges Lernen“ <strong>der</strong> Generaldirektion Bildung und Kultur <strong>zu</strong>sprechen kommen, das im Zeitraum von 2007-2013 ein Gesamtbudget von ca. € 7 Mrd.umfasste. Ein einziges von einem Dutzend Projekten, die in den vergangenen fünf Jahren mit