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Harald Welzer: Das gehirn ist ein bio-kulturelles organ - Wissen ...

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<strong>Harald</strong> <strong>Welzer</strong>: "<strong>Das</strong> Gehirn <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> <strong>bio</strong>-<strong>kulturelles</strong> Orga... http://www.tagesspiegel.de/wissen/das-<strong>gehirn</strong>-<strong>ist</strong>-<strong>ein</strong>-b...<br />

unter den Bedingungen s<strong>ein</strong>er jeweiligen h<strong>ist</strong>orischen und kulturellen Umgebung. Es<br />

<strong>ist</strong> also in jeder Hinsicht <strong>ein</strong> <strong>bio</strong>-<strong>kulturelles</strong> Organ.<br />

Und was können die Hirnforscher von Ihnen lernen?<br />

<strong>Das</strong>s wir das menschliche Gehirn nicht verstehen, wenn wir es erstens als individuelles<br />

Organ und zweitens r<strong>ein</strong> <strong>bio</strong>logisch betrachten. Menschliche Gehirne entwickeln sich in<br />

Interaktion mit anderen Gehirnen. <strong>Das</strong> Gedächtnis eignet sich deshalb für <strong>ein</strong>e<br />

interdisziplinäre Betrachtung besonders gut, von der Medizin über die<br />

Neurowissenschaften bis hin zur Literaturwissenschaft.<br />

Was haben Sie für Erfahrungen mit der Interdisziplinarität gemacht,<br />

deren Nutzen ja nicht unumstritten <strong>ist</strong>?<br />

An der Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlern <strong>ist</strong> für mich spannend, dass wir so<br />

unterschiedliche Methoden anwenden. Und dass unsere Gütekriterien für Studien und<br />

für Texte so verschieden sind. Über die Schwierigkeiten, die das beim gem<strong>ein</strong>samen<br />

Publizieren verursacht, könnte man <strong>ein</strong> eigenes Buch schreiben.<br />

Als Sozialwissenschaftler haben Sie sich auch damit beschäftigt, dass<br />

Erinnerungen k<strong>ein</strong>e verlässlichen h<strong>ist</strong>orischen Dokumente sind. In Ihrer<br />

Untersuchung „Opa war k<strong>ein</strong> Nazi“ haben Sie herausgefunden, dass viele<br />

junge Deutsche überzeugt sind, ausgerechnet in ihrer Familie habe es zur<br />

Zeit des Nationalsozialismus nur aufrechte Demokraten und mutige<br />

Menschen gegeben. Ist es verzeihlich, sich die Vergangenheit immer<br />

wieder „passend“ zu machen?<br />

Man muss Erinnerungen von der funktionalen Seite aus betrachten. Sie dienen dazu,<br />

sich auf Vergangenes beziehen zu können, um für die Zukunft zu planen. Insofern <strong>ist</strong> es<br />

egal, woraus jemand s<strong>ein</strong>e Erinnerung schöpft, ob aus Filmen, Büchern oder<br />

Gesprächen. Wird das sozial problematisch, erfolgt ja me<strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e Korrektur, bei<br />

politischen Themen ergeben sich daraus üblicherweise öffentliche Debatten.<br />

Wie etwa die Debatten über die Generation der 68er.<br />

Wer sich <strong>ein</strong>er Generation zugehörig fühlt, muss eben auch die entsprechenden<br />

Erinnerungen haben. Denn <strong>ein</strong>e Generation <strong>ist</strong> <strong>ein</strong>e Alterskohorte, die sich auch als<br />

Erinnerungsgem<strong>ein</strong>schaft definiert. Notfalls „erfindet“ sich jemand, der zur<br />

68er-Generation gehört, noch <strong>ein</strong>e „wilde“ Phase dazu, in der er demonstriert oder<br />

randaliert hat.<br />

Nicht gerade die besten Voraussetzungen für exakte<br />

Geschichtsschreibung.<br />

Soziale Wahrheiten entstehen eben im Austausch, im Gespräch, anders als<br />

wissenschaftliche Wahrheiten, für die Daten und deren transparente Verarbeitung<br />

maßgeblich sind. Ich bin dafür, beides gut aus<strong>ein</strong>anderzuhalten.<br />

Was <strong>ist</strong> dann aus Ihrer Sicht <strong>ein</strong> gutes Gedächtnis?<br />

2 von 3 04.02.2011 11:46

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