RUBITEC perfekt - Ruhr-Universität Bochum
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1. April 1998 RUBENS 3<br />
Moralisch und „politisch korrekt“<br />
steht die Frauenforschung<br />
ja mit der weißen Weste<br />
da. Da unterscheidet sich Deutschland<br />
in nichts von Amerika. Hat sie<br />
doch mit Patriarchatskritik und -<br />
analysen, den Konzepten von<br />
„gender“ und Infragestellung des<br />
strengen Korsetts von „Weiblichkeit“<br />
so manchen förderlichen Streit<br />
erfolgreich vom Zaun gebrochen. Es<br />
geht schließlich um Frauen, Gleichheit,<br />
Menschenrecht. Die hohe Standarte<br />
des brennenden Gewissens<br />
nahm sie von der politischen Frauenbewegung.<br />
Es ist bekannt, daß<br />
aus ihren Kinderschuhen die<br />
Frauenforschung hervorging. Doch<br />
längst sind sie ihr zu eng geworden<br />
und nur noch manch vergilbtes Poster<br />
hinter buntem Deco-Rahmen<br />
über der Badewanne erinnert an<br />
alte Zeiten. Mit stillschweigendem<br />
feministischen Imperativ blieb an<br />
Frauenforschung trotz allem ein kritischer<br />
Anspruch haften, der seinen<br />
Marsch durch die Institutionen aufnahm.<br />
Einen Eindruck davon lieferten<br />
elf engagierte Wissenschaftlerinnen,<br />
die interdisziplinär auf dem<br />
Februarworkshop der RUB-Marie-<br />
Jahoda-Professur darum rangen,<br />
„Rasse“ und „Rassismus“ begrifflich<br />
zu bestimmen und abzugrenzen.<br />
Anders als sonst ging es diesmal<br />
nicht allein um sie selbst, sondern,<br />
dem Veranstaltungsmotto gemäß,<br />
über die Schwierigkeiten von<br />
„gender“ und „race“ im deutschen<br />
Kontext nachzudenken. Ein empfindliches<br />
Thema für die Wächterinnen<br />
über Quote und Rechtmäßigkeit,<br />
deren politische Korrektheit<br />
hier so manchen Grauschleier abbekam.<br />
Rassismus ohne Rassen<br />
Wie die kanadische Gastprofessorin<br />
Dr. Ruth Roach Pierson in ihrem<br />
Eingangsreferat hervorhob, brachten<br />
Rassismus, Imperialismus und<br />
Kolonialismus die Konstruktionen<br />
von „Rasse“, „Geschlecht“ und<br />
„Klasse“ hervor, die untrennbar miteinander<br />
verwoben sind. In Deutschland<br />
aber sei es unmöglich, mit<br />
dem Rassenbegriff umzugehen und<br />
ihn auf Menschen zu beziehen.<br />
Schuld daran ist ihrer Meinung nach<br />
die nationalsozialistische Vergangenheit<br />
und der biologistische Bezug<br />
auf die Tierwelt. Demgegenüber<br />
hielt die Oldenburger Kunsthistorikerin<br />
Prof. Dr. Silke Wenk entgegen,<br />
daß bei Pierson „das Geschlecht rassisch<br />
und damit biologistisch“ geprägt<br />
sei.<br />
Der Terminus „Rasse“ und mit ihm<br />
die Rassenforschung verschwand<br />
spätestens nach dem 2. Weltkrieg<br />
aus der deutschen geisteswissen-<br />
Foto: Struchtemeier<br />
Political correctness<br />
mit Grauschleier<br />
Der Kommentar zum Workshop<br />
schaftlichen Forschung. An Stelle<br />
des nunmehr politisch unkorrekten<br />
Begriffs gab es nichts Neues und<br />
machte sich diffuses Unbehagen<br />
breit. Denn trotz des industrialisierten<br />
Völkermords an Roma, Jüdinnen<br />
und Juden setzte sich rassistisches<br />
Denken - nun unterschwellig - kontinuierlich<br />
in der deutschen Gesellschaft<br />
fort. Bei der Staatsbürgerschaftsfrage<br />
zählt heute immer noch<br />
das Recht der Abstammung, statt das<br />
der Herkunft. „Wie sollen wir ‘race’<br />
übersetzen“ oder „wie heute über<br />
Rassismus sprechen, ohne den<br />
Rassenbegriff zu verwenden“, lauteten<br />
dringlich gestellte Fragen der<br />
Veranstalterinnen. Ebenso drängte<br />
sich die Vergleichbarkeit nationalsozialistischer<br />
Verbrechen auf - ob es<br />
Parallelen im zerstörerischen Umgang<br />
Kanadas mit seinem indianischem<br />
Erbe gibt.<br />
Fettnäpfchen getroffen<br />
Obwohl vom Auditorium ersehnt,<br />
ergab die siebenstündige Zusammenkunft<br />
letztlich keine befriedigenden<br />
Antworten. Der Workshop<br />
offenbarte zwar gesellschaftliche<br />
und politische Defizite in Deutschland,<br />
zwar differenzierte er zwischen<br />
Rassismus aufgrund von Sprache<br />
oder Hautfarbe, auch beleuchtete<br />
frau diverse moderne Theorien<br />
und Auseinandersetzungen und kreierte<br />
statt der mißkreditierten Termini<br />
neue wie „Rassizität“. Zudem<br />
schlug die Weimarer Sozialhistorikerin<br />
Dr. Anja Baumhof alternative<br />
Bezeichnungen wie „Ethnie“,<br />
„Ethnizität“ oder „Abstammung“<br />
vor. Jedoch schaffte es die wissenschaftliche<br />
Frauenforschung nicht,<br />
fernab ihrer Selbstgespräche und<br />
von ihrem akademischen Elfenbeinturm<br />
herab in Kontakt mit den Bedürfnissen<br />
und Interessen der eigentlichen<br />
Zielgruppen im Publikum<br />
- Migrant/innen und politisch<br />
Aktive in der Migrationsarbeit - zu<br />
treten und ergänzend die Selbstbezeichnungen<br />
zu erfragen. Da hätte<br />
sich der bisherige Kenntnisstand<br />
nämlich erweitert, daß „Herkunft“<br />
auch ein operables Wort ist und<br />
man „Ausländer“ oder „Zigeuner“ -<br />
wie auf dem Podium ganz ungeniert<br />
- schon lange nicht mehr sagt, weil<br />
die Betroffenen dies als diskriminierend<br />
diskreditierten. Dort also, wo<br />
frau sich geschickt bemühte, einen<br />
schwierigen Begriff sauber zu umschiffen,<br />
manövrierte sie sich im<br />
künstlich geschaffenen Porzellanladen<br />
blauäugig in bekannte Fettnäpfchen.<br />
Schade. Breitere Internationalität<br />
mit Ländern des Südens<br />
und mehr Praxisbezug hätten dem<br />
Workshop besser getan.<br />
tas<br />
Die Teilnehmerinnen<br />
des Workshops auf<br />
einen Blick<br />
Foto: Lehrstuhl für Datenverarbeitung/SAB<br />
Landeanflug. Noch eine<br />
Rundschleife über dem<br />
schmucken Wohnkomplex.<br />
Relaxen pur verheißt der einladende<br />
Blick von oben auf den blauen<br />
Swimmingpool. Ein karierter Sonnenschirm<br />
spannt sich dem Licht<br />
entgegen, unter ihm zwei Longdrinks<br />
zum Zugreifen neben bunt<br />
gestreiften Liegestühlen. “We invite<br />
you to dive into MyWorld”, kommt<br />
eine sonore Männerstimme aus dem<br />
Off. Dazu Klavierterzen wie von Richard<br />
Clayderman. So scharf geht es<br />
dann zum Pool hinab, als ob man in<br />
ihm landen wolle. Abrupt, aber sanft<br />
endet die Reise vor einer Blockhütte,<br />
ihre Tür einladend geöffnet.<br />
Ein weicher Sessel wartet auf die<br />
Ankömmlinge. Das riesige Fenster<br />
gibt den Blick auf die weite Parklandschaft<br />
frei. Ankunft in MyWorld.<br />
Datenparadies<br />
Augen auf. MyWorld ist kein neu<br />
entdecktes karibisches Paradies aus<br />
dem 98er Sommerkatalog, sondern<br />
das Abbild eines bloßen Traums. Es<br />
entstand auf vektorieller 3D-Datenbasis,<br />
ermöglicht - künstlich nachgestellt<br />
- zum ersten Mal datentechnisch<br />
aufbereitetes räumliches<br />
Empfinden und symbolisiert virtuell<br />
die plastische Wohnlandschaft<br />
MyWorld. Ihre Schöpfer sind der<br />
Dipl.-Ing. Stefan A. Benk (30) und<br />
die Studenten Christian Trzensky<br />
(28) und Thomas Niebur (27) vom<br />
RUB-Lehrstuhl für Datenverarbeitung<br />
bei Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Weber<br />
(Fakultät für Elektrotechnik).<br />
Um ins Datenparadies zu gelangen,<br />
entwickelten sie RoundView, das<br />
Flugzeug, das landet, oder den Körper,<br />
der sich auf die Sonnenstühle<br />
navigiert und es sich bequem<br />
macht, um dann - qua stereoskopischer<br />
Projektion - in das 360-Grad-<br />
Panorama hineinzuschauen.<br />
Ein menschliches Auge schaut immer<br />
gezielt, links aber anders als<br />
rechts. An seinen Rändern und in<br />
der Ferne wird das Geschehen nur<br />
unscharf wahrgenommen. Das Bild<br />
im satten Gelb an der hinteren<br />
Wand der Blockhütte ist nicht eindeutig<br />
bestimmbar - außer als Bild.<br />
Diese biologische “Unschärfe”<br />
gleicht RoundView spielend aus, indem<br />
es mit direktem Zoom auf die<br />
maisgelbe Landschaft ein bekanntes<br />
Gemälde von Vincent van Gogh offenbart.<br />
“Virtuell konnte ich mir<br />
endlich einen van Gogh leisten”, erfüllte<br />
sich der Projektleiter Benk einen<br />
real lang gehegten Wunsch.<br />
Virtuelles reisen<br />
Mit Roundview in<br />
Myworld<br />
Und das auf einem gewöhnlichen<br />
“486er-Rechner”. Das Programm ermöglicht<br />
genauestes Sehen und<br />
stellt die Bildsegmente in “Echt-<br />
Zeit” dar. Man muß nicht mehr warten,<br />
um sich vom ungenauen ins genaue<br />
Sehen zu klicken und lang<br />
Däumchen drehen, bis sich das erwartete<br />
Bild schrittweise aufbaut.<br />
RoundView gleitet - programmiert<br />
mit Borlands Delphi 3.0. - schnell<br />
und präzise per gedrückter Maustaste<br />
zum erwünschten Objekt hin,<br />
und die Reisenden merken nicht,<br />
daß sich zur Linken und Rechten ein<br />
Bild auf- oder abbaut, so als ob man<br />
eben mit Volldampf am Bahnhof von<br />
Klein und Groß Zastrow vorbeirast.<br />
Die Wissenschaftler des Daten-<br />
Highway fanden mit ihrer 3000-<br />
Arbeitsstundenleistung zum “gezielten<br />
Fern-Sehen” nicht nur bei Architekt/innen<br />
Interesse, sondern auch<br />
in der Flugindustrie. Denn Round-<br />
View kann im Tower Gefahrenquellen<br />
simulieren wie Radarausfall<br />
oder das Zusammenprallen zweier<br />
Flugzeuge und ist deshalb einsetzbar<br />
zu Schulungszwecken. Aber<br />
auch große Schlachten könnten mit<br />
RoundView ausgefochten werden<br />
und - losgelöst vom Forschungsvorhaben<br />
- in den Händen olivgrüner<br />
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Die drei<br />
von My World<br />
Strategen ein zweites virtuelles Vietnam<br />
oder Irak schaffen. Aber bislang<br />
ist MyWorld einmalig und hat<br />
noch nichts von seiner Unschuld<br />
eingebüßt. Zukunftsweisend will<br />
das forschende Dreigestirn auch<br />
reale Welten digitalisieren und<br />
nahm schon Arbeiten zum Projekt<br />
Unibruecke in Angriff.<br />
Preis für beste Köpfe<br />
Mit RoundView qualifizierten sich<br />
Stefan A. Benk, Christian Trzensky<br />
und Thomas Niebur auf der Karlsruher<br />
Februarmesse “Learntec ‘98” als<br />
“einer der 30 besten Köpfe, Ideen<br />
und Produkte” und erhielten wegen<br />
der “zukunftsorientierten und innovativen<br />
Idee sowie der guten Vermarktung<br />
und Präsentation der Forschungsergebnisse”<br />
den Borland-<br />
Preis von der Industriellen-Jury.<br />
Nun winkt den Softwareexperten im<br />
August eine viertägige Reise ins<br />
amerikanische Denver auf die<br />
Borland’s Developers Conference.<br />
Die Datentüftler sind mit dem Preis<br />
mehr als zufrieden. Virtuell zu reisen<br />
reicht schließlich doch nicht. tas<br />
Destination: http://www.etdv.ruhruni-bochum.de/dv/aktuell.html