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Weihnachten 2013 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen

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ihm stand. Ein Schauder lief ihm überden Rücken.„Keiner wird einen solchen Baum haben.Du wirst die Stube füllen, dasganze Haus wird nach Tannengründuften. Wir werden miteinander redenwie gute Bekannte. Über den Sommerwerden wir sprechen, die kleinengrauen Vögel und über <strong>Weihnachten</strong>.“Aber sie wird sterben, fiel ihm ein. Dasist nun mal so. Alle Weihnachtsbäumesterben mit einem letzten großen Fest.Die Nadeln vertrocknen, die Zweigewerden kahl, auch die schönstenBäume werden im Januar zum Fensterhinausgeworfen, damit die Müllleutesie aufsammeln und verbrennen.„Wenn ich wüsste, dass kein andererkäme, würde ich dich stehen lassen“,sagte er zu ihr. „In einem Jahr siehstdu noch schöner aus, und wir könntenwieder <strong>Weihnachten</strong> feiern.“Mit einer Taschenlampe leuchtete erden Stamm ab.„Niemand soll mir diese Tanne nehmen!“rief er, kniete nieder und suchtedie Stelle, an der er den ersten Schlagsetzen wollte. Da hörte er aus derFerne Stimmen. Jemand spaziertedurch den Wald, kam näher, Zweigeknackten. Er griff das Beil und krochunter das schützende Dach seinerTanne. Zum ersten Mal sah er sie voninnen, umspannte mit den Händenden schlanken Stamm, griff in dasausgelaufene Harz, das an seinenFingern kleben blieb und duftete.Ein Hund kläffte, eine Stimme redeteberuhigend auf das Tier ein.„Sieh mal den schönen Tannenbaum!“sagte eine Frau. „Wie gut, dass er soversteckt steht, sonst hätte ihn längstjemand geschlagen.“„Wir haben schon einen Baum“, antworteteder Mann. „Aber vielleicht holeich ihn im nächsten Jahr. Er siehtwirklich gut aus.“Als die Spaziergänger fort waren, krocher aus seinem Versteck. Er spürteSchweiß im Gesicht, und die Hand, diedas Beil führen sollte, zitterte.„Heute kann ich dich nicht schlagen“,sagte er zu der Tanne. „Ich werdemorgen kommen oder übermorgen.Warte auf mich.“Auch am nächsten Tag brachte er esnicht über sich.„Am Heiligen Abend werde ich dichholen, das ist früh genug“, sagte er.Es kam der Heilige Abend, ein trüberTag ohne Licht, auch fehlte es anSchnee. Er zog sich festlich an, setztedie Pelzmütze auf, streifte dickeHandschuhe über. Während die anderenzur Kirche gingen, wanderte erin den Wald, unter dem Arm eine vollgestopfteTüte und das geschärfteBeil. Die Tanne stand noch an ihremPlatz. Die Vögel kamen ihm entgegen.Er streute ihnen Futter auf den Weg.„Heute ist <strong>Weihnachten</strong>“, sagte er zuden Vögeln und zu der Tanne.Dann nahm er Lametta aus der Tüteund hängte es in die Zweige. DerSpitze gab er einen silbernen Stern,rote Kerzen steckte er auf. Als siebrannten, färbte sich der Wald wie imAbendrot. Er setzte sich ins Moos undschaute zu ihr auf. Er fror überhauptnicht, es war geradezu frühlingshaftmild. Dass sich Hasen und Rehe einfanden,um den geschmückten Baumzu bewundern, entsprach nicht derWirklichkeit, sondern seinen Wunschvorstellungen.Auch der Chor, der vonFerne Lieder sang, kam aus seinenKindertagen, ebenso das Glockengeläute.Er war allein mit seiner Tanne,und es war sehr still. Nicht einmal diekleinen grauen Vögel sangen.33

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