wagten, war es mit der Ruhe völligvorbei. Sie umschwirrten die Tanne,taumelten unbeholfen von Ast zu Ast,stürzten auf den Waldboden, wo siezitternd im Gras saßen. Einmal griff ereinen hilflosen Vogel und trug ihn zurückins Nest.Sicher sind es Zugvögel, dachte er.Zum Ende des Sommers fliegen siedavon, ihr Nest wird leer, zu <strong>Weihnachten</strong>kann ich die Tanne schlagen.Bei seinen Waldspaziergängen machteer regelmäßig Abstecher zu seinerTanne und zu den grauen Vögeln, diein dem Baum ihr Zuhause hatten. Erbeobachtete sie, studierte ihre Gewohnheiten,lauschte ihren Stimmen,versuchte sie zu zählen, was regelmäßigmisslang, weil sie ständig durcheinanderhüpften. Es hätte ihm einigesgefehlt, wenn sie im Spätsommer davongeflogenwären. Aber sie bevölkertennoch im September den Baum,saßen abwechselnd auf der Spitzeund trillerten in den Wald hinein. Siewurden so zutraulich, dass sie nichtdavonflogen, wenn er kam. Sie kanntenihn.Du kannst unmöglich eine Tanneschlagen, in der die Vögel ihr Zuhausehaben, dachte er. Wenn sie nicht inden Süden fliegen, musst du dir einenanderen Baum suchen.Nach dem Herbstregen entdeckte erin der Nähe seines Baumes Fußspuren.Jemand war um die Tanne gegangen,wie um sie anzuschauen, zubegutachten, ihren Wert zu taxieren.„Du hast noch andere Liebhaber“,sagte er lachend.Es wird so kommen, dass ein andererden Baum schlägt und mit nach Hausenimmt, fiel ihm ein, und du findestnur noch einen kahlen Stumpf vor. Ober ein Schild anbringen sollte? DieseTanne gehört mir!Im ersten Schnee sah sie wie verzaubertaus. Die Zweige neigten sich, alstrügen sie Trauer. Wenn die Vögelumherhüpften, staubte das weiße Pulverzur Erde.„Dich braucht man nicht zu schmücken“,sagte er. „Du bist schön genug.“Den Vögeln brachte er regelmäßigKörner und Brotkrümel, streute ihnendas Futter unter den Baum und sahzu, wie sie sich darüber hermachten.Wenn er kam, flogen sie ihm entgegen,sie saßen zu seinen Füßen. Als erihnen Körner hinstreckte, fraßen sieihm aus der Hand.Wir gehören zusammen, dachte er,der Baum, die Vögel und ich.Der Wald wurde düsterer. Es wirdZeit, den Baum zu schlagen, bevor einFremder es tut, dachte er. Die Vögelwerden sich einen anderen Baum suchenmüssen, oder sie fliegen dochnoch in den Süden.Eine Woche vor dem Fest besorgte ersich ein Beil, steckte es in einen Sackund ging, als der Abend dämmerte, inden Wald. Die Vögel erwarteten ihn,aber er hatte kein Futter für sie, erwollte nur die Tanne.„Ich muss es tun, bevor ein andererdich schlägt“, sagte er so laut, dassdie Vögel erschraken und davonflogen.Eine wilde Entschlossenheit packteihn. Er sah nur die Tanne, er wollte siehaben, ihm allein sollte sie gehören. Erwarf das Beil ins Gras, nahm Platz,steckte sich eine Zigarette an, bliesden Rauch so heftig in die Zweige,dass sie raschelten. Ruhig betrachteteer die Tanne. Wie majestätisch sie vor32
ihm stand. Ein Schauder lief ihm überden Rücken.„Keiner wird einen solchen Baum haben.Du wirst die Stube füllen, dasganze Haus wird nach Tannengründuften. Wir werden miteinander redenwie gute Bekannte. Über den Sommerwerden wir sprechen, die kleinengrauen Vögel und über <strong>Weihnachten</strong>.“Aber sie wird sterben, fiel ihm ein. Dasist nun mal so. Alle Weihnachtsbäumesterben mit einem letzten großen Fest.Die Nadeln vertrocknen, die Zweigewerden kahl, auch die schönstenBäume werden im Januar zum Fensterhinausgeworfen, damit die Müllleutesie aufsammeln und verbrennen.„Wenn ich wüsste, dass kein andererkäme, würde ich dich stehen lassen“,sagte er zu ihr. „In einem Jahr siehstdu noch schöner aus, und wir könntenwieder <strong>Weihnachten</strong> feiern.“Mit einer Taschenlampe leuchtete erden Stamm ab.„Niemand soll mir diese Tanne nehmen!“rief er, kniete nieder und suchtedie Stelle, an der er den ersten Schlagsetzen wollte. Da hörte er aus derFerne Stimmen. Jemand spaziertedurch den Wald, kam näher, Zweigeknackten. Er griff das Beil und krochunter das schützende Dach seinerTanne. Zum ersten Mal sah er sie voninnen, umspannte mit den Händenden schlanken Stamm, griff in dasausgelaufene Harz, das an seinenFingern kleben blieb und duftete.Ein Hund kläffte, eine Stimme redeteberuhigend auf das Tier ein.„Sieh mal den schönen Tannenbaum!“sagte eine Frau. „Wie gut, dass er soversteckt steht, sonst hätte ihn längstjemand geschlagen.“„Wir haben schon einen Baum“, antworteteder Mann. „Aber vielleicht holeich ihn im nächsten Jahr. Er siehtwirklich gut aus.“Als die Spaziergänger fort waren, krocher aus seinem Versteck. Er spürteSchweiß im Gesicht, und die Hand, diedas Beil führen sollte, zitterte.„Heute kann ich dich nicht schlagen“,sagte er zu der Tanne. „Ich werdemorgen kommen oder übermorgen.Warte auf mich.“Auch am nächsten Tag brachte er esnicht über sich.„Am Heiligen Abend werde ich dichholen, das ist früh genug“, sagte er.Es kam der Heilige Abend, ein trüberTag ohne Licht, auch fehlte es anSchnee. Er zog sich festlich an, setztedie Pelzmütze auf, streifte dickeHandschuhe über. Während die anderenzur Kirche gingen, wanderte erin den Wald, unter dem Arm eine vollgestopfteTüte und das geschärfteBeil. Die Tanne stand noch an ihremPlatz. Die Vögel kamen ihm entgegen.Er streute ihnen Futter auf den Weg.„Heute ist <strong>Weihnachten</strong>“, sagte er zuden Vögeln und zu der Tanne.Dann nahm er Lametta aus der Tüteund hängte es in die Zweige. DerSpitze gab er einen silbernen Stern,rote Kerzen steckte er auf. Als siebrannten, färbte sich der Wald wie imAbendrot. Er setzte sich ins Moos undschaute zu ihr auf. Er fror überhauptnicht, es war geradezu frühlingshaftmild. Dass sich Hasen und Rehe einfanden,um den geschmückten Baumzu bewundern, entsprach nicht derWirklichkeit, sondern seinen Wunschvorstellungen.Auch der Chor, der vonFerne Lieder sang, kam aus seinenKindertagen, ebenso das Glockengeläute.Er war allein mit seiner Tanne,und es war sehr still. Nicht einmal diekleinen grauen Vögel sangen.33
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