Weihnachten 2013 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen

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13.07.2015 Aufrufe

Die letzten Tage in AllensteinVon Horst Günter Benkmann (Nach eigenen Erlebnissen und Berichten)Dienstag,16. Januar 1945101 Luftlagemeldungen beim Landratsamt.Die Allensteiner Schulenschließen wegen der Luftgefahr.Mittwoch, 17. JanuarAb 6.00 Uhr Alarmbereitschaft derGendarmerie. 9.00 Uhr Besprechungbeim Generalleutnant Gerhardt. Eingeladenwaren Behördenleiter, Wehrmachtund NSDAP. Gen.-Lt. Gerhardtgab seine Ernennung zum Kampfkommandantenvon Allenstein bekannt.Höchst oberflächlich undgleichgültig erklärte er während deretwa zweistündigen Besprechungmehrfach, dass die ganze Besprechungnur eine Formsache sei, derenAbhaltung er pflichtgemäß zu meldenhabe. Es hätte alles nichts mit einemErnstfall zu tun. Daran wäre ja garnicht zu denken. Wir sollten daher diehier gehörten Dinge nur persönlichzur Kenntnis nehmen und nichts weiterdarauf veranlassen. Bezüglich einerVerteidigung der Stadt lagen völligunklare Verhältnisse wegen desEinsatzes von Wehrmacht undVolkssturm vor. „Es wird zu einemErnstfalle nie kommen“, erklärte ausdrücklichGen.-Lt. Gerhardt. Auchseitens der Kreisleitung herrschte offensichtlichInteressenlosigkeit. U. a.erklärte Gen.-Lt. Gerhardt, dassselbstverständlich die Hauptstraßendurch die Gendarmerie für dieWehrmacht freizuhalten wären. Ichglaubte einwenden zu müssen, dassin einem etwaigen Ernstfalle sämtlicheStraßen verstopft sein würden,weil ich aus der Unterbringung desKreises Lyck hierin einige Erfahrungenhatte. Auf diese Frage erhielt ichdie Antwort, ich sollte die Dinge nichtzu ernst nehmen. Vormittags Bombenabwurfin Lengainen.Donnerstag, 18. JanuarMielau und Soldau gefallen. – Telegrammevom Landeswirtschaftsamt,dass Kohlenzufuhr nach Ostpreußengesperrt ist.20.00 Uhr Besprechung beim Kreisleiter.Dort Bekanntgabe einer Weisungvon Königsberg, dass eineRäumung von Allenstein überhauptnicht in Frage käme. – Alarmbereitschaftbei der Wehrmacht. UnbewaffneteEinheiten werden an dieFront geschickt.Freitag, 19. JanuarVormittags achtmal Fliegeralarm.Dann wird wegen der Frontnähe keinAlarm mehr gegeben. Zwei größereAngriffe auf Allenstein. Schäden amBahnhof, angeblich etwa 45 Tote. ImLandkreis Bombenabwürfe in Wartenburg,Lengainen, Groß Trinkhausund Grieslienen. – Mit Landkreis keineFernsprechverbindung vom Landratsamtmehr. Nur noch vereinzelteAnrufe vom Land zur Stadt. – VomReichsverteidigungskommissar ausKönigsberg kommt ein Räumungsbefehlfür das Gebiet südlich der LinieStabigotten-Passenheim. Das warendie Gebiete von zwei Ortsgruppender NSDAP im Südzipfel des Landkreises.Weitere Räumungsvorbereitungenausdrücklich verboten. EineRäumungsfrist ist mir nicht mehr inErinnerung. Sie muss aber mehrereTage betragen haben. Der KreismedizinalratDr. Kempe versucht, die16

Krankenhäuser von Allenstein undWartenburg zu evakuieren. Er erhältaus Königsberg einen persönlichenAnruf des stellv. ReichsverteidigungskommissarsDargel: „Wenn Sienoch ein Wort von Räumung sprechen,lasse ich Sie auf dem Marktplatzvon Allenstein erschießen!“20.00 Uhr Anruf des Kreisleiters: „DieLage wird bereinigt!“Sonnabend, 20. JanuarNeidenburg besetzt. Auf Allensteinzwei Luftangriffe. Angeblich etwa 30Tote.Um 0.00 Uhr fahre ich mit demKreisbauernführer nach Wuttrienen,um die am Vortrage angeordneteRäumung durchzuführen. Niemandwollte dort den Ernst der Lage begreifen.Man glaubte sogar, sich demRäumungsbefehl widersetzen zukönnen. Verschiedentlich wurde ichvon einzelnen Bauern beiseite genommenund gefragt, ob es nichtgenüge, der Form halber zu räumen.Man wollte nur ein Stück in den Waldfahren. Es sollte am kommenden Tagegetreckt werden. Unterbringungsollte in den nördlichen Teilen desKreises erfolgen. Darum kümmertesich niemand, da niemand die Absichthatte, überhaupt so weit zu fahren.Als ich gegen Mittag zurückfuhr,traf ich bereits einzelne Trupps versprengterSoldaten. Ich rief dieDienststelle des Gen.-Lt. Gerhardt anund teilte ihm meine Beobachtungenbetreffend der offensichtlich geflüchtetenSoldaten mit. Man erklärte mir,man wollte sie in Allenstein aufgreifen.Auf meinen Hinweis, dass dievon Volkssturm und Wehrmacht bewachtenPanzersperren auf denStraßen den immer stärker werdendenVerkehr störten und diese imErnstfalle doch keinen Panzer aufhaltenkönnten, da die Äcker steinhartgefroren wären, erwiderte man mir,das ginge mich nichts an. Bei derRegierung versuchte ich von OberregierungsratDr. Große-Beilage die beiihm liegenden versiegelten Räumungsanordnungenfür einige Industriebetriebedes Kreises zu erhalten.Er händigte sie mir nicht aus mit derBegründung, dass er von Königsbergnoch keine Anweisung dazu habe.Gegen 13.00 Uhr Anruf des Regierungspräsidenten,dass die Lage sehrernst sei und das Verbrennen der Geheimaktenvorbereitet werden solle.Gegen 14.00 Uhr versuchte ich, mitdem Kreisbauernführer nach Grieslienenzu fahren, um die gleiche Besprechungwie vormittags nun dortdurchzuführen. Die Fahrt war nichtmehr möglich, da die Straße in RichtungHohenstein völlig mit Flüchtlingenverstopft war. Wie ich späterhörte, hat die Besprechung unter Leitungdes Ortsgruppenleiters stattgefunden.Die geplante vorsorglicheRäumung ist dann durch die Verhältnisseüberholt worden.Gegen 16.00 Uhr wurde Osterodevon den Russen besetzt. Abends erreichteder Feind Gimmendorf, KreisNeidenburg (30 km von Allenstein). Ab17.00 Uhr wurden auf der Straße Hohenstein-Allensteinmindestens 1000fliehende Soldaten ohne Führung, ohneWaffen und meist ohne Koppelgesehen. Da sie in Allenstein nichtbeobachtet wurden, haben sie dieStadt umgangen und sich nicht beider Sammelstelle gemeldet.Flüchtlingszüge fuhren aus demRäumungsgebiet von den BahnhöfenGrieslienen, Stabigotten, Alt-Märtinsdorfund Neu-Bartelsdorf.17

Krankenhäuser von Allenstein undWartenburg zu evakuieren. Er erhältaus Königsberg einen persönlichenAnruf des stellv. ReichsverteidigungskommissarsDargel: „Wenn Sienoch ein Wort von Räumung sprechen,lasse ich Sie auf dem Marktplatzvon Allenstein erschießen!“20.00 Uhr Anruf des Kreisleiters: „DieLage wird bereinigt!“Sonnabend, 20. JanuarNeidenburg besetzt. Auf Allensteinzwei Luftangriffe. Angeblich etwa 30Tote.Um 0.00 Uhr fahre ich mit demKreisbauernführer nach Wuttrienen,um die am Vortrage angeordneteRäumung durchzuführen. Niemandwollte dort den Ernst der Lage begreifen.Man glaubte sogar, sich demRäumungsbefehl widersetzen zukönnen. Verschiedentlich wurde ichvon einzelnen Bauern beiseite genommenund gefragt, ob es nichtgenüge, der Form halber zu räumen.Man wollte nur ein Stück in den Waldfahren. Es sollte am kommenden Tagegetreckt werden. Unterbringungsollte in den nördlichen Teilen desKreises erfolgen. Darum kümmertesich niemand, da niemand die Absichthatte, überhaupt so weit zu fahren.Als ich gegen Mittag zurückfuhr,traf ich bereits einzelne Trupps versprengterSoldaten. Ich rief dieDienststelle des Gen.-Lt. Gerhardt anund teilte ihm meine Beobachtungenbetreffend der offensichtlich geflüchtetenSoldaten mit. Man erklärte mir,man wollte sie in Allenstein aufgreifen.Auf meinen Hinweis, dass dievon Volkssturm und Wehrmacht bewachtenPanzersperren auf denStraßen den immer stärker werdendenVerkehr störten und diese imErnstfalle doch keinen Panzer aufhaltenkönnten, da die Äcker steinhartgefroren wären, erwiderte man mir,das ginge mich nichts an. Bei derRegierung versuchte ich von OberregierungsratDr. Große-Beilage die beiihm liegenden versiegelten Räumungsanordnungenfür einige Industriebetriebedes Kreises zu erhalten.Er händigte sie mir nicht aus mit derBegründung, dass er von Königsbergnoch keine Anweisung dazu habe.Gegen 13.00 Uhr Anruf des Regierungspräsidenten,dass die Lage sehrernst sei und das Verbrennen der Geheimaktenvorbereitet werden solle.Gegen 14.00 Uhr versuchte ich, mitdem Kreisbauernführer nach Grieslienenzu fahren, um die gleiche Besprechungwie vormittags nun dortdurchzuführen. Die Fahrt war nichtmehr möglich, da die Straße in RichtungHohenstein völlig mit Flüchtlingenverstopft war. Wie ich späterhörte, hat die Besprechung unter Leitungdes Ortsgruppenleiters stattgefunden.Die geplante vorsorglicheRäumung ist dann durch die Verhältnisseüberholt worden.Gegen 16.00 Uhr wurde Osterodevon den Russen besetzt. Abends erreichteder Feind Gimmendorf, KreisNeidenburg (30 km von Allenstein). Ab17.00 Uhr wurden auf der Straße Hohenstein-Allensteinmindestens 1000fliehende Soldaten ohne Führung, ohneWaffen und meist ohne Koppelgesehen. Da sie in Allenstein nichtbeobachtet wurden, haben sie dieStadt umgangen und sich nicht beider Sammelstelle gemeldet.Flüchtlingszüge fuhren aus demRäumungsgebiet von den BahnhöfenGrieslienen, Stabigotten, Alt-Märtinsdorfund Neu-Bartelsdorf.17

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