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Ausgegrenzt - Wie Roma in Deutschland Diskriminierung - WDR.de

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Zur Beachtung!Dieses Manuskript ist urheberrechtlichgeschützt. Der vorliegen<strong>de</strong> Abdruck ist nur zumprivaten Gebrauch <strong>de</strong>s Empfängers hergestellt.Je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re Verwertung außerhalb <strong>de</strong>r engenGrenzen <strong>de</strong>s Urheberrechtgesetzes ist ohneZustimmung <strong>de</strong>s Urheberberechtigtenunzulässig und strafbar. Insbeson<strong>de</strong>re darf erwe<strong>de</strong>r vervielfältigt, verarbeitet o<strong>de</strong>r zuöffentlichen <strong>Wie</strong><strong>de</strong>rgaben benutzt wer<strong>de</strong>n. Die<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Beiträgen dargestellten Sachverhalteentsprechen <strong>de</strong>m Stand <strong>de</strong>s jeweiligenSen<strong>de</strong>term<strong>in</strong>s.Beitrag:<strong>Ausgegrenzt</strong> - <strong>Wie</strong> <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung erlebenBericht:Datum: 14.03.2013Isabel Schayani, Peter OnnekenGeorg Restle: "Es gibt zur Zeit e<strong>in</strong>e Debatte <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, für die man sich eigentlich schämensollte. E<strong>in</strong>e Debatte um Arbeitsmigranten aus Südosteuropa, um Bürger aus EU-Mitgliedstaaten,um <strong>Roma</strong>. Ja, offenbar haben e<strong>in</strong>ige Städte große Probleme, offenbar gibt es krim<strong>in</strong>elle Ban<strong>de</strong>n,die mit Bulgaren o<strong>de</strong>r Rumänen übelste Geschäfte machen. Und ja, vielleicht gibt es auchkulturelle Berührungsängste. Aber kann man damit e<strong>in</strong>e menschenverachten<strong>de</strong> Hetzkampagnerechtfertigen, die EU-Bürger zu Parasiten erklärt? Offenbar fallen alle Hemmungen, wenn <strong>in</strong><strong>Deutschland</strong> über <strong>Roma</strong> gesprochen wird – auch beim Bun<strong>de</strong>s<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister. Und selten kommendie Betroffenen selbst zu Wort. Isabel Schayani und Peter Onneken haben <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>besucht, die so gar nicht <strong>in</strong> die gängigen Klischees passen wollen. Und sie räumen auch gleichmit e<strong>in</strong>igen an<strong>de</strong>ren Vorurteilen auf."____________________Duisburg-Rhe<strong>in</strong>hausen, -3°C, ziemlich kalt, Anwohner und Rechtsextreme br<strong>in</strong>gen sich aufTemperatur.Sprecher <strong>de</strong>r Pro NRW: „Hochfeld, Rhe<strong>in</strong>hausen und an<strong>de</strong>re Stadtteile s<strong>in</strong>d zurZigeunerhauptstadt gewor<strong>de</strong>n.“Demonstant: „Die machen doch unser Land kaputt.“Demonstant<strong>in</strong>: „Die sollen dableiben, wo sie s<strong>in</strong>d!“Demonstant: „Es geht wegen die S<strong>in</strong>tis und <strong>Roma</strong>s, dass die Bevölkerung möchte das nicht.“


Monitor vom 14.03.2013 - <strong>Ausgegrenzt</strong> - <strong>Wie</strong> <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung erleben 2 / 5Demonstant<strong>in</strong>: „Man muss <strong>de</strong>n <strong>Roma</strong>s mal sagen können: So geht es nicht.“Demonstant: „Wir sagen nicht, alle sollen vergast wer<strong>de</strong>n, alle <strong>Roma</strong>s. Son<strong>de</strong>rn wir sagen nur,so geht das halt nicht.“Parolen von rechts, längst angekommen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Gesellschaft. Beim Bun<strong>de</strong>s<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isterkl<strong>in</strong>gt das <strong>in</strong> diesen Tagen so.Bun<strong>de</strong>s<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister Friedrich: „Wenn jemand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>de</strong>res Land kommt, um dort sich <strong>in</strong> die[…] soziale Hängematte zu legen, […] dann hört <strong>de</strong>r Spaß auf. […] Und das ist e<strong>in</strong>e lei<strong>de</strong>r nichtunbeträchtliche Zahl, die hierher kommen, um abzusahnen. […] Die nur hier herkommt, umSozialleistungen zu bekommen. […] Das können wir nicht akzeptieren. […] Und zwar we<strong>de</strong>r ausBulgarien noch aus Rumänien.“Botschaften dieser Art hat Nad<strong>in</strong>e selbst mit Anfang 20 schon öfter gehört. Zwei Themenrauschen ihr gera<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Kopf: Ihre erste Uni-Klausur und die aufgeregte Diskussion überdie <strong>Roma</strong>. Nad<strong>in</strong>e Michollek, charmant, politisch <strong>in</strong>teressiert, e<strong>in</strong>e <strong>de</strong>utsche <strong>Roma</strong>. Damit geht sieaber nicht hausieren.Nad<strong>in</strong>e Mena Michollek: „Es ist halt glaube ich grad die Angst e<strong>in</strong>fach vor <strong>de</strong>r Reaktion. Weilman sieht ja tagtäglich, ... man sieht, was <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Medien berichtet wird, man hört natürlich dieLeute re<strong>de</strong>n, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Umkreis.“Seit e<strong>in</strong>ige Städte über Armutsflüchtl<strong>in</strong>ge aus Rumänen und Bulgarien klagen, versteht Nad<strong>in</strong>e,wer eigentlich geme<strong>in</strong>t ist: Die <strong>Roma</strong>. Talkshows, Zeitungen, Nachrichtensendungen machen mitbeim <strong>Roma</strong>-Bash<strong>in</strong>g. Und sagen es so:Quelle: N24: „E<strong>in</strong> heruntergekommenes Haus, davor e<strong>in</strong>e Müllkippe. Typisch für e<strong>in</strong>e <strong>Roma</strong>-Siedlung. Viele <strong>Roma</strong> und S<strong>in</strong>ti bekommen ihr Geld vom Staat.“Nad<strong>in</strong>e Mena Michollek: „Ich f<strong>in</strong>d halt das Problem ist durch so ne Darstellung, die <strong>in</strong> <strong>de</strong>nMedien halt gezeigt wird, betrifft es ja auch gleichzeitig mich o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Teile aus me<strong>in</strong>erFamilie. Weil genau diese Vorurteile, die da gezeigt wer<strong>de</strong>n, stoßen ja auch auf uns.“Genug für die Uni gelernt. Sie fährt heim. Und dieses <strong>Roma</strong>-Se<strong>in</strong> fährt irgendwie immer mit.Nad<strong>in</strong>e Mena Michollek: „Also bei mir persönlich war es irgendwie das erste Mal mit zehn, elfJahren, dass halt irgen<strong>de</strong><strong>in</strong> e<strong>in</strong> Freund von mir zu mir me<strong>in</strong>te irgendwie, dass <strong>de</strong>r nicht mit


Monitor vom 14.03.2013 - <strong>Ausgegrenzt</strong> - <strong>Wie</strong> <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung erleben 3 / 5irgendwie Zigeunerk<strong>in</strong><strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r so was spielen will. Was dann auch damals sehr hart für michwar.“Fortan hat Nad<strong>in</strong>e geschwiegen und nicht mehr gesagt, dass ihre Mutter <strong>Roma</strong> ist. Ihre Herkunfthat sie gehütet wie e<strong>in</strong> Geheimnis. Elizabeta Jonuz, Universitätsdozent<strong>in</strong> empfängt uns trotzAugenerkrankung. Sie ist selbst <strong>Roma</strong> und mit <strong>de</strong>m Schweigen aufgewachsen. Dann hat sie dazugeforscht und herausgefun<strong>de</strong>n, dass zigtausen<strong>de</strong> <strong>Roma</strong> aus Angst vor Diskrim<strong>in</strong>ierungschweigen.Dr. Elizabeta Jonuz, Universität Köln: „Wenn <strong>de</strong>utsche S<strong>in</strong>ti und <strong>Roma</strong> die Möglichkeit haben,ihre ethnische Zugehörigkeit im Verborgenen zu halten, so machen sie das auch. Also wenn sieanhand von phänotypischen Merkmalen wie dunkle Hautfarbe o<strong>de</strong>r dunkle Haarfarbe nichterkennt wer<strong>de</strong>n bzw. nicht angesprochen wer<strong>de</strong>n, dann sagen Sie nicht, dass es S<strong>in</strong>ti s<strong>in</strong>d bzw.<strong>Roma</strong> s<strong>in</strong>d.“Und zwar auch, um sich vor solchen Wahlkampf<strong>de</strong>batten zu schützen:Innenm<strong>in</strong>ister Friedrich: „Die hierher kommen, um abzusahnen, […] um Sozialleistungen zubekommen. […] Um dort sich <strong>in</strong> die soziale Hängematte zu legen, […] das wird Sprengstoff fürEuropa geben.“Stimmt nicht. Die meisten Rumänen und Bulgaren hier arbeiten und bekommen ke<strong>in</strong> Geld vomStaat. Zum Vergleich: 7,5 % <strong>de</strong>r Bevölkerung beziehen Sozialhilfe nach SGB II. Unter <strong>de</strong>nAuslän<strong>de</strong>rn liegt dieser Anteil bei 12,7 %. Betrachtet man nur Rumänen und Bulgaren, kommtman auf 10,4 %. Dass Rumänen und Bulgaren die Sozialkassen beson<strong>de</strong>rs belasten, ist falsch!Elisabeta Jonus versteht nicht, warum Rumänen und Bulgaren, ob Programmierer o<strong>de</strong>r Polier, zuEuropäern zweiter Klasse gemacht wer<strong>de</strong>n. Die Wissenschaftler<strong>in</strong> f<strong>in</strong><strong>de</strong>t diese Politik zynisch.Reporter<strong>in</strong>: „Was macht die Bun<strong>de</strong>srepublik? Die Bun<strong>de</strong>sregierung?“Dr. Elizabeta Jonuz, Universität Köln: „die Bun<strong>de</strong>sregierung, genau.“Reporter<strong>in</strong>: „Was macht die?“Dr. Elizabeta Jonuz, Universität Köln: „Die will sich <strong>de</strong>n Menschenmüll, also hier wenn es um<strong>Roma</strong> aus Rumänien und Bulgarien geht, vom Hals halten.“


Monitor vom 14.03.2013 - <strong>Ausgegrenzt</strong> - <strong>Wie</strong> <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung erleben 4 / 5<strong>Wie</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> Duisburg. Die Anwohner haben schlechte Erfahrungen im Alltag gemacht, sagen sie.Und haben nun dank Schützenhilfe von Rechts e<strong>in</strong> Klischee im Kopf:Reporter: „Haben Sie irgendwelche positiven Erfahrungen mal gemacht?“Demonstrant<strong>in</strong>: „Mit <strong>de</strong>nen, ne, wieso?“Demonstrant: „Ja, da wür<strong>de</strong> ich sagen, ich habe mal e<strong>in</strong> positives Erlebnis gehabt mit Zigeunern,Zigeunerkapelle <strong>in</strong> Budapest. Aber was an<strong>de</strong>res habe ich von <strong>de</strong>nen noch nichts gehört.“2. Demonstrant: „Positive, nie so noch nie, ne. Nur dass ich halt hart arbeite und dass ich solcheLeute halt mit me<strong>in</strong>en Steuergel<strong>de</strong>rn durchfüttere.“Angst vor <strong>de</strong>r Zigeuner<strong>in</strong>vasion? Die Zahlen zeigen etwas an<strong>de</strong>res. Die meisten <strong>Roma</strong> leben <strong>in</strong>Rumänien, aber auch <strong>in</strong> Län<strong>de</strong>rn wie Spanien, Frankreich und Italien. <strong>Deutschland</strong> steht gera<strong>de</strong>mal auf Platz 12 <strong>in</strong> Europa. Nad<strong>in</strong>e br<strong>in</strong>gt uns zu e<strong>in</strong>em, <strong>de</strong>r schweigt. Er kam als jugoslawischerKriegsflüchtl<strong>in</strong>g nach <strong>Deutschland</strong>. Er hat sich hochgearbeitet. Heute ist er e<strong>in</strong> erfolgreicherGeschäftsmann und hat neun Angestellte. Aber er will auf ke<strong>in</strong>en Fall erkannt wer<strong>de</strong>n. Warum?Stimme nachgesprochen: „Ich hab Angst vor <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n, dass ich me<strong>in</strong>e Kun<strong>de</strong>n verliere. Ichhabe Angst, dass alles, was ich mir aufgebaut habe, plötzlich weg ist. Ich habe mich maskiert.Ke<strong>in</strong>er weiß, dass ich <strong>Roma</strong> b<strong>in</strong>.“Reporter<strong>in</strong>: „Und das merkt ke<strong>in</strong>er?“Stimme nachgesprochen: „Ne<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong> Name könnte ja auch türkisch se<strong>in</strong>.“Reporter<strong>in</strong>: „Und ihre neun Mitarbeiter, die wissen nicht, wer sie eigentlich s<strong>in</strong>d?“Stimme nachgesprochen: „Ne<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>er weiß das.“Reporter<strong>in</strong>: „Und ihre K<strong>in</strong><strong>de</strong>r?“Stimme nachgesprochen: „Me<strong>in</strong>e Tochter ist jetzt neun. Ich sage ihr, du musst dich verstecken,unsere Sprache darfst du nicht vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren sprechen. Sag nicht, dass du <strong>Roma</strong> bist.“Nad<strong>in</strong>e lernt wie<strong>de</strong>r. Irgendwann hat sie sich entschie<strong>de</strong>n, offen zu sagen, wer sie ist, weil sieetwas verän<strong>de</strong>rn möchte.


Monitor vom 14.03.2013 - <strong>Ausgegrenzt</strong> - <strong>Wie</strong> <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung erleben 5 / 5Nad<strong>in</strong>e Mena Michollek: „Die Darstellung, die jetzt gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Medien aufgezeigt wird, ichme<strong>in</strong>e, das ist ja auch e<strong>in</strong> Teil von <strong>de</strong>r Deutschen Gesellschaft, da gezeigt wird. Und man sieht ja,wie die Reaktionen gegenüber <strong>Roma</strong> und S<strong>in</strong>ti s<strong>in</strong>d.“Zigeunerhauptstadt, Sprengstoff, Menschenmüll. Man kann schon verstehen, dass <strong>de</strong>utsche<strong>Roma</strong> sich vor uns verstecken.____________________

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