GIESSEREI-RUNDSCHAU 60 (2013) HEFT 3/4Konzernstrategie „CleanProduc tion“ (siehe auch Nachhaltigkeitsberichtder BMW AG [10]).Daher nur eine kurze Zusammenfassung:Bisher beruhte die Aushärtung von Sandkernen mithandelsüblichen organischen Bindersystemen auf katalytisch(Coldbox durch Amin) oder thermisch (Warmbox,Hotbox) eingeleiteten Vernetzungsreaktionen (Polymerisation).Die harzumhüllten Quarzsandkörner werdendurch kleberähnliche Binderbrücken bei der Sandkernfertigungmiteinander verbunden. Beim Gießen kommt eszum Kontakt mit der heißen Schmelze und daher zu Zersetzungsreaktionender organischen Binderanteile, ähnlicheiner Verbrennung unter Sauerstoffmangel mit entsprechenderRauchentwicklung.Die neuen wasserglasbasierten Silikatbinder sind vonihrer chemischen Struktur dem Quarzsand sehr ähnlich.Die Aushärtung des Kernes erfolgt über eine Polykondensationsreaktion,bei der Wasser abgespalten wird. DerKernsand muss also „nur“ durch das heiße Kernschießwerkzeugmit Heißluftspülung getrocknet werden [11].Die organische Rauch- und Kondensatentwicklung wirktsich negativ auf• die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter,• die Bauteilfestigkeit,• die Taktzeit,• die Anlagen- und Werkzeugverfügbarkeit sowie• die Abluftreinigung und den daraus resultierendenEnergieverbrauch aus.Der Wegfall dieser Verbrennungsprodukte führt zu vielenVorteilen, diese lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:• die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter• die Qualität und die Festigkeit der Bauteile• die KostenDie großen technologischen Anstrengungen mussten bisherim Feld der vorgelagerten Kernfertigung erbracht werden,um die Serieneinführung dieser anspruchsvollenTechnik überhaupt zu ermöglichen. Die Vorteile, basierendauf der neuen Bindertechnologie, haben sich im erstenAnsatz natürlich auch auf die nachfolgende Kokillengieß-und Werkzeugtechnologie ausgewirkt. Daher kurzdie Zusammenfassung der zu diesem frühen Zeitpunktbereits erzielten Optimierungspotenziale im Gießprozess,basierend auf dem Einsatz von anorganisch gebundenenSandkernen:• Taktzeit–15 Prozent• Produktivität+15 Prozent• Werkzeuginstandhaltung–50 Prozent• Werkzeugstandzeit+25 ProzentErst nach einer umfassenden Serienerfahrung über mehrereMillionen Bauteile sowie viele unterschiedliche Bauteil-und Werkzeugkonstruktionsstände (Kurbelgehäuse,Zylinderköpfe für Otto und Dieselmotoren, Fahrwerksteile)ist eine zusammenfassende Bewertung dieser Technologieund ihrer Potentiale möglich. Nun können auch alte,eingefahrene Grenzen der Werkzeug- und Gießkonzeptentwicklungneu bewertet und ggf. überfahren werden.5. Gießtechnik für Kurbelgehäuseder 3. GenerationDie bereits dargelegten Entwicklungen in der Motorentechnikhaben eine neue Betrachtung der Gießtechnik fürKurbelgehäuse erforderlich gemacht. Die strategische Ableitungeines Zielekataloges für ein neues Gieß- undWerkzeugkonzept führt zu folgenden Prämissen:1. Deutliche Steigerung der Festigkeit im Zylindersteg(Aufladung)2. Leichte Steigerung der Festigkeit im Lagerstuhl3. LDS-Tauglichkeit des Gefüges (Laufflächenbeschichtung)4. Absenkung der Taktzeit5. Reduktion des Kreislaufmaterials6. Hohe Dichtheitsanforderung nach Bearbeitung imZylindersteg/Zuganker7. Reduzierung des Kokillenverschleißes (Standzeit,Wartungskosten)8. Nutzung vorhandener Strukturen und WerkzeugkonzepteNach verschiedenen umfangreichen Konzeptuntersuchungenstellte sich nur eine Lösung als zielführend heraus:Die Basis ist die Speisung im thermischen Zentrum!Dies ist der Bereich, wo ohne massive Werkzeugbeeinflussungder Hotspot am Ende der Erstarrung entsteht.Das thermische Zentrum liegt in der Mitte des Zylindersegmentsim Bereich Lagerstuhl/unterer Totpunkt desKolbens. Alle bisherigen Lösungen waren durch die langenNachspeisewege (wegen der Bauhöhe) von oben nachunten oder von unten nach oben kompromissbehaftet.Speziell die Anforderung „Dichtheit der Zugankerbohrungen“führte immer wieder zu prozessualen Einschränkungen,wie lange Erstarrungszeiten oder beheizten Bereichendes Werkzeuges. Damit steigt natürlich der Verschleißund die Wartungsintensität der Gießkokillen. Erstdie umfangreiche Erfahrung im Kokillenguss mit anorganischgebundenen Sandkernen (z.B. Fahrwerksteile mitKernen und innenliegenden Speisern) und die konsequenteNutzung deren Vorteile, speziell• hohe thermische Stabilität• hohe chemische Stabilität• „Rauchfreiheit“ bzw. die sehr geringe Kondensatbildungzeigten diesen Weg als gangbar auf.5.1. Zentralspeiserkonzept:Technische UmsetzungBild 7 zeigt die Anordnung der Speiserkerne in der geöffnetenGießkokille. Die Einzelspeiser werden in einerhochautomatisierten Kernschießanlage mit Mehrfachwerkzeuggefertigt, anschließend manuell in die Kokilleeingelegt und sind im vergossenen Zustand nur 500 gschwer. Dieser fertigungstechnische Mehraufwand gehtnatürlich in die Gesamtbetrachtung des Systems ein.Bild 8 zeigt den nächsten Arbeitsschritt in der Kerneinlegereihenfolge.Das mit dem Wasserpumpenkern (FunktionsintegrationWasserpumpengehäuse ins Kurbelgehäuse)vormontierte Wassermantelkernpaket kann wegen desgeringen Gewichtes auch beim Sechszylindermotor manuellin die Kokille eingelegt werden. Aufwendige Kerneinlegevorrichtungen,die die Zugänglichkeit der Kokilleund die Platzsituation für den Mitarbeiter erschweren,müssen nicht eingesetzt werden. Die Kokille schließt, derKokillenhohlraum wird mit Aluminium gefüllt. Die an derStahlkokille anliegenden Bereiche erstarren zuerst, speziellgilt das für den Lagerstuhl, den Zylindersteg undauch den Zugankerbereich. Dies führt zu kurzen Erstarrungsintervallenund einem geringen Dendritenarmabstand(DAS). Natürlich kommt der Kokillenentlüftungeine entscheidende Rolle zu. Die erwärmte Luft aus dem82
HEFT 3/4 GIESSEREI-RUNDSCHAU 60 (2013)Bild 7: Speiserkerne in der Kokille.Kokillenhohlraum und die zwischen den anorganisch gebundenenSandkernen eingelagerte Luft muss entweichenkönnen. Das Risiko der Versottung der Entlüftungskanaleist jedoch durch die „Rauchfreiheit“ massiv reduziert.Der Erstarrungsstart an der Oberfläche der Stahlkokilleführt zu geringen Oberflächentemperaturen des Gießwerkzeugsund damit auch zu gesteigerten Wartungsintervallen,geringeren Wartungsaufwendungen und längererKokillenlebensdauer. Die Erstarrung von außen nachinnen führt ebenso zu einer „Halbierung der Speisungswege“– von oben zum Zentralspeiser und zeitgleich vonunten zum Zentralspeiser – und damit zu einer deutlichenAbsenkung der Erstarrungszeit. Die Bauteilkonstruktionist in weiten Bereichen vom Basismotor abgeleitet,auch die Kokillenkonstruktion kann trotz stark veränderterErstarrungsmorphologie vom Basismotor konzeptionellübernommen werden; die Anschlüsse undGestellmaße sind unverändert. Das neue Werkzeug- undErstarrungskonzept „Zentralspeiser“ kann also in bestehendeStrukturen integriert werden.Bild 8: Speiserkerne und Wassermantel-Wasserpumpenkernpaketin der Kokille.5.2. Zentralspeiserkonzept:Festigkeits- und KostenvorteileDie weit verbreitete, klassische Niederdruckerstarrung(von oben nach unten, vom Brennraum zur Ölwannenfläche)führt zu einem sehr guten DAS im Stegbereich, aberzu deutlich langsamerer Erstarrung im Lagerstuhl (sieheBild 9, Kokillenguss 1. Gen.). Die Drehung der Erstarrungsrichtung(Kokillenguss 2. Gen.) verbessert die Lageim Lagerstuhl drastisch, aber führt zu einem Ansteigendes DAS im Bereich des Zylindersteges. Das neue Zentralspeiserkonzeptverbindet die Vorteile der beiden undführt sowohl im Lagerstuhl, aber speziell im Zylindersteg,zu deutlich reduzierten DAS-Werten. Durch die konstruktivenEinschränkungen (Zylindersteg, Lagerbreite)hat die Motorkonstruktion in diesen Bereichen nur wenigSpielraum und ist daher auf ein extrem gutes Gussgefügeangewiesen.Die DAS Verteilung der drei Konzepte ist in Bild 10dargestellt (links oben 1. Generation, rechts oben 2. Generation,Mitte unten 3. Generation mit Zentralspeiser).Es ist erkennbar, dass das neue Zentralspeiserkonzept zuDAS Vorteilen in allen Bauteilbereichen führt. Diewärmste Stelle (thermisches Zentrum, Anbindung desSpeisers) und damit die Stelle mit dem lokal höchstenDAS liegt im Bereich des unteren Totpunktes des Kolbens,eine Stelle, die sowohl mechanisch als auch thermischnicht übermäßig belastest ist. Auch der Zugankerbereicherstarrt sehr schnell und kann von außen über dieKokille beeinflusst werden. Die Neigung zur Undichtheitnach der mechanischen Bearbeitung sinkt drastisch, dieAbdichtquoten sind verschwindend gering. Die Beschichtungstauglichkeit(LDS anlog neuer Vierzylinder-Ottomotor) wurde anhand von Schliffen und Stichversuchenbestätigt; auf eine Umsetzung innerhalb der aktuellenDieselmotorenfamilie wurde verzichtet.Die aus der strategischen Ableitung des Zielkatalogesstammenden Punkte können zusammenfassend positivbewertet werden:1. Deutliche Steigerung derFestigkeit im Zylindersteg (Aufladung) erledigt2. Leichte Steigerung der Festigkeit im Lagerstuhl erl.Bild 9: Vergleich des DAS in kritischen Bereichen des Kurbelgehäuses.3. LDS Tauglichkeit des Gefüges(Laufflächenbeschichtung)erl.4. Absenkung der Taktzeit -20%5. Reduktion des Kreislaufmaterials-85%6. Hohe DichtheitsanforderungZylindersteg/Zugankererl.7. Reduzierung Kokillenverschleißerl.8. Nutzung vorhandener StrukturenundWerkzeugkonzepte erl.83