Herbert Bach EIN SCHNURKERAMISCHES SKELETT MIT ...

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**HerbertBachEIN SCHNURKERAMISCHES SKELETT MIT ZWEIFACHERSCHÄDELTREPANATION AUS WECHMAR, KR. GOTHAAm 12. April 1948 wurde von H. Kaufmann in der Kiesgrube von KarlJohn bei Wechmar (Kr. Gotha), 76 m nördlich der Straße Wechmar- Wandersiebenund 155 m östlich des Schmallgrabens (Brückenrand), 0,5 m unterBodenoberkante, in einer mit tiefschwarzem Humus ausgefüllten Mulde einrechtsseitig liegender Hocker gefunden. Beigaben in Form von SteinundKnochengeräten sowie Keramik weisen das Grab eindeutig der Schnurkeramikzu. Der Grabinhalt ist dem Kreisheimatmuseum Gotha zugeführtworden, wo das Skelett unter der Katalog-Nr. E 2707 aufbewahrt wird. DenHerren Dr. Motschmann und Dipl.-phil. Hennig vom genannten Museumsei auch an dieser Stelle für die freundliche Überlassung des Skeletts zumZwecke einer anthropologischen Untersuchung herzlich gedankt.Die hellbraun gefärbten Knochen befinden sich substanzmäßig in einemrelativ guten Erhaltungszustand. Der Schädel und die meisten Skelettknochenwaren jedoch vielfach zerbrochen, konnten aber im Institut fürAnthropologie und Völkerkunde der Friedrich- Schiller- Universität Jenaweitgehend wieder zusammengesetzt werden. Im einzelnen sind folgendeSkeletteilevorhanden:Kranium ohne rechtes Jochbein und Keilbein; größere Defekte im Bereichder re. Oberkieferhälfte, des II. Pterion, dem lateralen Abschnitt desre. Parietale, der re. Seite der Schädelbasis und des re. aufsteigenden UnterkieferasteVom re. Schläfenbein ist nur ein Fragment erhalten, für dasbei der Rekonstruktion aber kein Anschluß mehr vorhanden war. ImFrontzahngebiet hat der Alveolarrand des Unterkiefers einen Substanzverlusterlitte, n.Vom postkranialen Skelett liegen vor: re. Clavicula (Extremitas acromalisfehlt, Extr. sternalis defekt); II. Clavicula (nur Corpus claviculae erhalten);10 Rippenfragmente; 1 Fragment des Atlas (re. Hälfte); 1 Fragm. des Epistropheu(II. Hälfte mit Dens epistrophei); Fragm. von 4 Halswirbeln mitRandzackenbildung; Fragm. von 2 Lendenwirbeln; Fragm. der re. Scapulamit Fossa articularis und Processus caracoides; re. Humerus (Caput humerifehlt, Epicondylus ulnaris defekt); II. Humerusdiaphyse; re. Ulna (distales

**<strong>Herbert</strong><strong>Bach</strong><strong>EIN</strong> <strong>SCHNURKERAMISCHES</strong> <strong>SKELETT</strong> <strong>MIT</strong> ZWEIFACHERSCHÄDELTREPANATION AUS WECHMAR, KR. GOTHAAm 12. April 1948 wurde von H. Kaufmann in der Kiesgrube von KarlJohn bei Wechmar (Kr. Gotha), 76 m nördlich der Straße Wechmar- Wandersiebenund 155 m östlich des Schmallgrabens (Brückenrand), 0,5 m unterBodenoberkante, in einer mit tiefschwarzem Humus ausgefüllten Mulde einrechtsseitig liegender Hocker gefunden. Beigaben in Form von SteinundKnochengeräten sowie Keramik weisen das Grab eindeutig der Schnurkeramikzu. Der Grabinhalt ist dem Kreisheimatmuseum Gotha zugeführtworden, wo das Skelett unter der Katalog-Nr. E 2707 aufbewahrt wird. DenHerren Dr. Motschmann und Dipl.-phil. Hennig vom genannten Museumsei auch an dieser Stelle für die freundliche Überlassung des Skeletts zumZwecke einer anthropologischen Untersuchung herzlich gedankt.Die hellbraun gefärbten Knochen befinden sich substanzmäßig in einemrelativ guten Erhaltungszustand. Der Schädel und die meisten Skelettknochenwaren jedoch vielfach zerbrochen, konnten aber im Institut fürAnthropologie und Völkerkunde der Friedrich- Schiller- Universität Jenaweitgehend wieder zusammengesetzt werden. Im einzelnen sind folgendeSkeletteilevorhanden:Kranium ohne rechtes Jochbein und Keilbein; größere Defekte im Bereichder re. Oberkieferhälfte, des II. Pterion, dem lateralen Abschnitt desre. Parietale, der re. Seite der Schädelbasis und des re. aufsteigenden UnterkieferasteVom re. Schläfenbein ist nur ein Fragment erhalten, für dasbei der Rekonstruktion aber kein Anschluß mehr vorhanden war. ImFrontzahngebiet hat der Alveolarrand des Unterkiefers einen Substanzverlusterlitte, n.Vom postkranialen Skelett liegen vor: re. Clavicula (Extremitas acromalisfehlt, Extr. sternalis defekt); II. Clavicula (nur Corpus claviculae erhalten);10 Rippenfragmente; 1 Fragment des Atlas (re. Hälfte); 1 Fragm. des Epistropheu(II. Hälfte mit Dens epistrophei); Fragm. von 4 Halswirbeln mitRandzackenbildung; Fragm. von 2 Lendenwirbeln; Fragm. der re. Scapulamit Fossa articularis und Processus caracoides; re. Humerus (Caput humerifehlt, Epicondylus ulnaris defekt); II. Humerusdiaphyse; re. Ulna (distales


Ende fehlt); II. Ulna (Olecranon und distales Ende fehlen); re. Radius (Capitulumradu defekt, Processus styloides fehlt); II. Radius (Capitulum raduund distales Ende defekt); Fragm. von 4 re. Metacarpalia, einer Phalanxmediae und von 2 II. Metacarpalia der Hände; 5 Fragm. des II. und 2 Fragm.des re. Hüftbeins; 1 Fragm. des Kreuzbeins; re. Femur (Condylus tibialis,C.fibularis, Trochanter major und Tr. minor defekt); II. Femur (Tr. majorfehlt, Caput femoris defekt); re. und II. Fibuladiaphyse; von den Fußknochen:re. und II. Calcaneus, Talus, Os cuboides, O. cuneiforme III, re.O. cuneiforme IT, alle 5 II. Metatarsalia (defekt), II. Phalanx proximalis hallucisI und Fragmentevon 4 Metatarsalia.Der Schädel macht einen kräftigen Eindruck. In der N o r m a. f r o n t a -1j s ist das waagerecht gegliederte, mittelgroße Gesicht breit und niedrigmit einem kräftig ausgeprägten Relief. Es hat einen eckigen Umriß, einehohe und breite Stirn, die im Gesamteindruck überwiegt. Die Nase istmittelhoch und mittelbreit; die Sutura nasofrontalis ist bogenförmig; dieleicht asymmetrischen Nasalia sind im Unterabschnitt defekt; die Aperturahat einen birnenförmigen Umriß mit einem anthropinen Unterrand unddefekter Spina nasalis. Die Orbitae haben eine rechteckig- niedrige Formbei schwach nach außen-unten geneigter Querachse und mittelhohem Orbitaldach.Das kräftige Jochbein ladet lateral weit aus und besitzt ein starkausgeprägtes Relief am Unterrand. Die große Unterkieferwinkelbreite fügtsich harmonisch in das Gesamtbild ein.InderNorma lateralis erscheint der Gesichtsschädel im Verhältniszum Hirnschädel mittelgroß. Bei einem sehr kräftigen Uberaugenrelief(Glabella = BROCA V—VI) steigt der Sagittalumriß im Bereich der mittelhohenUnterstirn verhältnismäßig stark nach hinten an, geht dann in eineflachgewölbt ansteigende OberstirnundScheitelpartie über, um vom etwa3 cm hinter dem Bregma liegenden Vertex an in einer etwas stärker gerundetenKurve bis zum Opisthocranion nach schräg hintenunten abzufallen.Der 55 mm über dem Lambda beginnende und bis zum Lambda reichendeProfilknick ist auf eine in der Mediansagittalebene liegende Trepanationsöffnungzurückzuführen. Eine deutliche Einziehung befindet sich zwischender Linea nuchae terminalis und der Linea plani nuchalis. Das Opisthocranionliegt 40 mm unter dem Lambda und 40 mm über dem Inion. Derpostauriculare Längenanteil beträgt etwas mehr als 1/2 der Gesamtlänge desSchädels. Unmittelbar über dem Tuber parietale sin. befindet sich einegroße Trepanationsöffnung. Die Lineae temporales sind mäßig stark entwickelt,ebenso die Tubera parietalia, wohl ist aber ein deutlich kantigesUmbiegen des Stirnbeins zur Schläfe hin zu beobachten. Die Pteriongegendist beiderseits defekt, gleichfalls der Margo parietalis des nur noch II. vor-


handenen Os temporale. Letzteres ist durch eine kräftige, nach dem Lambdaweisende Crista supramastoidea und einen großen Processus mastoides gekennzeicAst breit und niedrig.Der Astwinkel des Unterkiefers ist klein, der aufsteigendeIn der Norma verticalis ist der Umriß des Schädels ovoid. Dieleichte Asymmetrie ist auf eine post mortale Schädigung der rechten Seitezurückzuführen. Der Schädel ist sehr lang und fast noch als schmal zu bezeichnenDie größte Schädelbreite liegt im zweiten Fünftel von hinten. DerJochbogen ist phänozyg.InderNorma occipitalis zeigt der Schädel eine hohe und schmaleHausform mit schwach nach unten divergierenden Seitenwänden. Der Umrißdes flachbogig gewölbten Schädeldaches ist linksseitig durch die imParietale befindliche Trepanation gestört. Die Eurya liegen beiderseits aufdem Angulus mastoides. Das Hinterhauptrelief ist sehr kräftig.In der N o r m a b a s i 1 a r is läßt sich eine schwache Prominenz desbreit- elliptischen Gaumens und ein verhältnismäßig weit rückwärts gelegenesovales Foramen magnum feststellen. Die Incisura mastoidea istschmal und flach, die Fossa mandibularisdagegen tief.Die Schädeldachnähte befinden sich im Anfang einer fortschreitendenVerknöcherung. Auf der Glabella ist ein supranasaler Nahtrest (12 mmlang) vorhanden. Die Reste einer Sutura squamoso-mastoideo finden sichauf dem nur II. noch vorhandenenWarzenfortsatz.Der Unterkiefer war zu Lebzeiten noch voll bezahnt. Post mortem sinddie beiden II. Incisiven und der Caninus verlorengegangen. Im Oberkieferfehlen (intra vitam) der re.2.Molar, der II. 1.Molar und (post mortem) der2. und 3.II. Molar. Beim II. 1.Molaren hat sich ein größerer ostitischer Prozeßabgespielt. Im Bereich der anschließenden beiden Molaren ist der Oberkieferdefekt, ebenso im Bereich des re. Caninus und des 1. Prämolaren, dieaber beide isoliert vorhanden sind. Der Alveolarrand zeigt eine mittlereAtrophie. Die Bißform war ein Aufbiß. Am Oberkiefer befindet sich eingroßes Trema. Ein beträchtlicher Unterschied besteht in dem Abkauungsgradder Zähne des UnterundOberkiefers. Sind die unteren Zähne nurbis zu einem mittleren Grade abgekaut, so hat die Abrasion der Oberkieferzähne- bis auf den mit Karies behafteten re. M3 — die Schmelzgrenze bereitsüberschritten.Es besteht kein Zweifel, daß es sich um ein männliches Skelett handelt.Auf Grund des Nahtbefundes und der Abrasion der Zähne dürfte es derfrühmaturen Altersstufe angehören.Die bei der kraniometrischen Bearbeitung ermittelten Werte sind inTab. I zusammengestellt. Zum Vergleich sind die Mittelwerte und die


Bezeichnung nach MartinSchnurkeramikerVmin..maxGrößte Hirnschädellänge (1) 202 188,7 178-206 24Glabello-Inionlänge (2) 191 179,0 166-200 19Nasion-Inionlänge (2a) 185 175,9 168-195 11Größte Hirnschädelbreite (8) 137 133,7 120-155 22Kleinste Stirnbreite (9) 105 97,8 88-104 22Größte Stirnbreite (10) 120 110,8 107-128 20Biauricularbreite (11) (130) 116,5 104-128 10Größte Hinterhauptsbreite (12) 116 107,3 98-119 16Ohr- Bregmahöhe (20) 122 — —' —Horizontalumfang (23) 548 517,9 495-555 15Mediansagittalbogen (25) 388 377,5 355-420 17Mediansag.-Frontalbogen (26) 132 128,5 123-135 4Mediansag.-Parietalbogen (27) 134 127,8 121-133 4Mediansag.-Occipitalbogen (28) 122 118,8 108-136 4Mediansag.-Frontalsehne (29) 118 110,5 106-112 4Mediansag.-Parietalsehne (30) 119 115,4 108-119,5 4Mediansag.-Occipitalsehne (31) 100 96,5 90-105 4Obergesichtsbreite(43) 110 103,3 95-110 14Jochbogenbreite(45) (142) 127,3 109-140 11Gesichtshöhe(47) 108 116,3 101-131 12Obergesichtshöhe(48) 65 69,5 62-83 18Orbitaibreite (51) 45 41,3 38-45 16Orbitalhöhe (52) 31 32,5 28-37 17Nasenhöhe (55) 51 49,8 3860 17Kondylenbreite des UK (65) (122) 119,5 114-125 5Winkeibreite des UK (66) (102) 99,0 85-109 14Kinnhöhe (69) (33) 33,2 28-40 15Asthöhe des UK (70) re. 68 64,6 5871 5Astbreite des UK (71) re. I 37 31,5 28-35 5Längenbreitenindex (8: 1) 67,8 70,6 63,1-77,0 22Längenohrhöhenindex (20:1) 60,4 — — —Tr. Frontoparietalindex (9: 8) 76,6 73,8 66,1-81,6 21Tr. Frontalindex (9: 10) 87,5 83,8 76,9-88,3 19Tr. Parietooccipitalindex (12:8) 84,7 80,5 74,6-87,5 17Sag. Frontoparietalindex (27:26) 101,5 101,4 89,7-114,8 21Sag. Frontalindex (29:26) 89,4 88,3 85,5-93,6 20Gesichtsindex (47:45) (76,1) 90,2 83,8-100,0 5Obergesichtsindex(48:45) (45,8) 53,1 44,2-58,3 11Jugomandibularindex (66:45) (71,8) 76,1 67,5-80,3 6Orbitalindex (52: 51) 68,9 79,3 62,2-94,8 17Index d. Unterkieferastes (71:70) 54,4 48,6 42,1-53,5 12Tr. Kraniofazialindex (45:8) (103,6) 95,8 88,6—(102,9) 11Frontobiorbitalindex (9: 43) 95,4 93,8 87,6-99,1 13Jugofrontalindex (9: 45) (73,9) 76,7 70,0-80,7 11


Variationsbreite der bisher veröffentlichten männlichen Schnurkeramikeraus Mitteldeutschland beigefügt, wie sie von BACH (1959/60) zusammengesteworden sind. Die Gegenüberstellung zeigt, daß der Schädel ausWechmar in fast allen absoluten Maßen größer ist als der Durchschnittder übrigen Schnurkeramiker; nur die Gesichtshöhe, die Obergesichtshöheund die Orbitalhöhe sind niedriger. Dagegen liegen die wichtigsten Breitenmaßedes Gesichts, wie kleinste Stirnbreite, Obergesichtsbreite, Jochbogenbreiteund Orbitalbreite, an der oberen Variationsgrenze. Nach Ausweisder berechneten Indices kann man den Schädel als hyperdolichokran,hypermegasem, parallelstirnig, hinterhauptsbreit, orthometop, hypereuryprosopeuryen (fast noch hypereuryen) und chamäkonch bezeichnen. SeinerKapazität nach ist der Schädel mit 1540 cm3 (nach Pearson berechnet)aristencephal.Der morphologische und metrische Befund ergibt demnach, daß bei demSchnurkeramiker aus Wechmar vorwiegend cromagnide-dalofaelide Merkmalevorhanden sind; die Höhe des Hirnschädels läßt einen teutonordidenEinschlag vermuten. Er fügt sich somit typologisch zwanglos in das bisherbekannte Bild von den mitteldeutschen Schnurkeramikern ein. In metrischerHinsicht wird durch ihn allerdings die Variationsbreite einiger Maßeetwas vergrößert. Hierdurch wird wieder die von BACH (1961a) geäußerteVermutung bestätigt, daß wir trotz der relativ großen Zahl von bearbeitetenSchädeln der mitteldeutschen Schnurkeramiker noch nicht hinreichendüber deren Variationsbreite orientiert sind.Die beiden Trepanationsöffnungen am Hirnschädel waren dem Ausgräbebei der Bergung des Skeletts nicht aufgefallen, sondern wurdenerst bei einer näheren Durchsicht der Schädelbruchstücke vom Verfasserentdeckt. Abgesehen von kleinen Partien an der über dem Lambda befindlichenTrepanation, konnten die Ränder der beiden Schädelöffnungen beider Präparation lückenlos aneinandergefügt werden.Die Längsachse der fast symmetrischen lang- elliptischen Trepanation aufdem linken Parietale divergiert leicht nach vorn mit der Sutura sagittalis.Der Vorderrand des Lumens reicht im Bereich zwischen den beiden Lineaetemporales fast bis an die Sutura coronalis heran und erstreckt sich vonhier aus 69 mm hinterhauptwärts. Die größte Breite des Lumens beträgt34 mm. Zu dieser in der Tabula interna gelegenen Öffnung flacht sich dieKnochenwand des Parietale auf einer Breite von 8 bis 17 mm ab. Der aufder Tabula externa gemessene Böschungsaußenrand hat eine Länge von98 mm und eine Breite von 49 mm. Der Knochenrand ist vollständig vernarbt.Am stirnwärtigen Teil des Unterrandes ist es zur Bildung voneinigen Osteophyten gekommen. Die Röntgenaufnahme zeigt gegenüber


— wie bei den meisten anderen trepanierten Schädeln auch -, welche indikationenfür die Trepanationen vorgelegen haben.Bei dem Wechmarer Schädel ist es auffällig, daß die Sulci arteriarumin die facies cerebralis des linken Parietale wesentlich tiefer eingeprägt sindals beim rechten Parietale. Dazu kommt auf der linken Seite unterhalb dergroßen Trepanation - vor allem nahe des Margo squamosus - eine ausgeprägteReliefbildung in Form von knotenartigen Verdickungen bzw.entsprechenden Vertiefungen. Nach Ansicht von Herrn Prof. Dr. F. Bolek,Direktor des Pathologisch- Anatomischen Instituts der Friedrich- Schiller- UniversitätJena, läßt dieser Befund vermuten, daß sich in der Nähe derOberfläche der linken Hirnhemisphäre ein Prozeß abgespielt hat, der zueiner Druckerhöhung auf die Schädelinnenwand führte und der wahrscheinlicdurch einen Abszeß, Tumor o. ä. verursacht worden war. Manwird kaum fehl gehen, eine Ursache dieser Art als Grund für mindestenseine der beiden Trepanationen anzusehen. Wahrscheinlich lag aber fürbeide Trepanationen die gleiche Indikation vor, da wohl kaum anzunehmenist, daß über die Öffnung der Schädeldecke hinaus ein Eingriff in das Gehirnerfolgte, um den Krankheitsherd zu beseitigen. Die Beschwerden hörtenvermutlich nach der ersten Operation nicht auf und gaben so Veranlassunfür eine zweiteTrepanation.Abgesehen von einer Fraktur des linken Radius und deutlicher Randzackenbian den Halswirbelkörpern, sind keine pathologischen Erscheinunam postkranialen Skelett festzustellen. Wohl könnte aber nachder Meinung von Herrn Prof. Dr. G. Henkel', Direktor der Abt. Prothetikund Kieferorthopädie an der Universitätszahnklinik Jena, der unterschiedlicAbkauungsgradder Zähne u. U. auf die gleiche Ursache zurückzuführensein, die letztlich zu den Trepanationen führte. Es sind Fälle bekannt,wo Hirnschädigungen bei Kindern zu Schädigungen der Zahnanlagengeführt haben, die allerdings auf eine Gesichtshälfte beschränktwaren. Ausgeschlossen scheint, daß irgendwelche direkten mechanischenEinwirkungen beim Kauen den unterschiedlichen Abkauungsgrad vonOberundUnterkiefergebiß bei dem Wechmarer Schnurkeramiker verursachthaben, da dann OberundUnterkiefer in gleicher Weise betroffensein müßte. Sicher haben also endogene Faktoren eine Rolle gespielt. Dajedoch in der klinischen Praxis offenbar derartig extreme Fälle bisher nichtbeobachtet wurden, lassen sich nähere Aussagen vorläufig nicht machen.Das postkraniale Skelett macht einen sehr kräftigen Eindruck, doch sinddie meisten Knochen leider sehr defekt. In der Tabelle II sind einige Maße1) Den Herren Prof. Dr. Boick und Prof. Dr. Henkel sei auch an dieser Stellefür ihre freundlichen Beratungen herzlichst gedankt.


der Femora mitgeteilt, die den von GRIMM (1959, S. 212) bei den SchafstädterSchnurkeramikern ermittelten Durchschnittswerten gegenübergestelltsind (einige Werte sind aus den von Grimm angegebenen Individualmaßenneu berechnet; in Klammern steht die Anzahl der gemessenenFemora).Tabelle II: Maße der FemoraNr. und Bezeichnungdes Maßes nach MartinWechmarC. I,Schafstädt1 Größte Länge 484 485 , —2 Ganze Länge - 483 421,7 (9)6 Schaftmitte, sag. Durchm. 32 33 26,2 (13)7 Schaftmitte, tr. Durchm. 31 33 26,2 (13)8 Schaftmitte, Umfang 102 102 85,1 (8)15 Collum, vert. Durchm. 38 — j 32,4 (10)16 Collum, sag. Durchm. 29 — 26,8 (11)18 Caput, vert. Durchm. 53 — 43,6 (10)19 Caput, tr. Durchm. 52 52 44,8 (10)21 Epikondylenbreite - 85 [72,0 (4)8:2 Längendickenindex - 21,1 19,9 (7)Alle an den Wechmarer Femora ermittelten Werte liegen außerhalb deroberen Variationsgrenze der männlichen Schnurkeramiker aus Schafstädt.Abgesehen von einigen wenigen Längenmaßen (zum Zwecke der Körper. höhenberechnung)liegen leider keine am postkranialen Skelett der übrigenSchnurkeramiker gewonnenen Meßwerte vor, so daß vorerst nicht mit Bestimmtheitgesagt werden kann, ob die Skelettmaße der Schafstädter fürdie Mehrzahl der Schnurkeramiker typisch sind oder ob sie sich - zumindestteilweise - durch geringere Werte unterscheiden, wie auf Grund dergrazileren Schädel vermutet werden kann (vgl. GRIMM 1958, S. 314). DieKörperhöhe des Wechmarer Individuums betrug - unter Berücksichtigungder linken Tibia (ganze Länge 412 mm, mediale Länge 406 mm) — nachManouvrier berechnet 175,3 cm und nach Breitinger 174,7 cm, während diemännlichen Schafstädter nach Manouvrier nur 162,6 cm groß waren(GRIMM 1959, S. 210).Die erwähnte Fraktur des linken Radius befindet sich etwas oberhalb derDiaphysenmitte und ist unter Bildung von einigen spornartigen Osteophytengut verheilt. Von dorsal gesehen sind allerdings die Längsachsen derbeiden Knochenhälften bei etwa gleichem Richtungsverlauf um ungefähr1 cm gegeneinander versetzt. Von lateral gesehen ist nur eine geringeKnickung der Diaphysenlängsachse festzustellen. Es ist nicht anzunehmen,


daß die Fraktur nach ihrer Heilung zu einer Beeinträchtigung der Armfunktiongeführt hat.Abschließend sei bemerkt, daß auf dem seit 1937 bekannten Begräbnisplatz"Altfeld", auf dem das Skelett gefunden wurde, außer Gräbern ausder Zeit der Schnurkeramik auch bronzezeitliche Bestattungen, Gräber vonGlockenbecherleuten und zahlreiche Gräber aus der späten Römerzeit ausgegrabenworden sind. FLORSCHÜTZ (1939, S. 15) vermutet, daß die Grabanlageder in der Nähe gelegenen Furt durch die Apfelstädt (damals einmächtiger Fluß in Westthüringen) ihre Entstehung verdankt. Bei Hochwasserwaren die durchziehenden Menschen gezwungen, an dieser Stellelängere Zeit zu rasten. Ihre Toten haben sie dann in unmittelbarer Nähebegraben. Sollte diese Vermutung zutreffen, dann wäre damit zu rechnen,daß unser Schnurkeramiker kein bei Wechmar "Einheimischer", sondern ein"Fremder" war. Vielleicht kann die leider noch ausstehende genauere Analyseder Grabbeigaben eine Klärung dieser Frage bringen.Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der beschriebene Schnurkeramikeaus Wechmar sich in das bisher bekannte Bild von den mitteldeutschenSchnurkeramikern gut einfügt, wenn auch einige Maße überderen Variationsbreite hinausgehen. Die extrem große und eine kleinereTrepanation des Hirnschädels ließen es wert erscheinen, den Fund gesondertvorzulegen.Literaturverzeichnis<strong>Bach</strong>, H. (1959/60): Der Schädel eines Mannes der Einzeigrabkultur von Nienburg,Kr. Bernburg (Wiss. Zeitschr. d. Friedrich-Schiller- Universität Jena 9,Math.-Nat. Reihe, H. 1/2).— (1961a): Ein schnurkeramischesSkelett aus Wechmar mit zweifacher Schädeloperatio(Der Friedenstein, Febr.), Gotha. (Kurzer Vorbericht).— (1961b): Ein Kinderskelett der Schnurkeramiker aus Erfurt (Ausgrabungenund Funde 6, H. 5), Berlin.— (1961e): Anthropologische Untersuchung von Skelettmaterial aus der Michaeliskirchzu Jena und Wenigenjena. Beitrag zur anthropologischenBevölkerungsgedes Thüringer Raumes (Math.-nat. Habilitationsschrift), Jena(Maschinenschrift).— (1962): Krankheiten und Verletzungen des vorund(Urania 25, H. 3), Leipzig/Jena, Berlin.frühgeschichtlichenMenschenF 1o r se h ü t z, G. (1939): Die vor- germanischen Gräber des Altfeldes bei Wechmarim Landkreise Gotha (Der Spatenforscher4, Folge 1), Jena.G r imm, H. (1958): Die Schnurkeramiker von Schafstädt (Jahresschr. f. MitteldeutscheVorgeschichte41/42), Halle.


Grimm, H. (1959): Weitere Untersuchungen über vorgeschichtlicheMenschenrestevon Schafstädt (Jahresschr.f. Mitteldeutsche Vorgeschichte43), Halle.H e b e r er, G. (1938): Die mitteldeutschen Schnurkeramiker (Veröffentl. d.Landesanstalt f. Volkheitskunde z. Halle 10).Kaufmann, H. (1942): Steinpackungsgräber der späten Bronzezeit vom Altfeldbei Wechmar, Ldkr. Gotha (Der Spatenforscher 7, Folge 5/6), Jena.R e e h e, 0. (1908): Zur Anthropologie der jüngeren Steinzeit in Schlesien undBöhmen (Archiv f. Anthropologie 35, H. 2/3).S e h r ö d e r, G. (1957): Radiologische Untersuchungen an trepanierten Schädeln(Zeitschrift f. Morphologie und Anthropologie 48, H. 3).

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