8Ronald M.Hahn<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> <strong>12</strong>/19<strong>84</strong>Anläßlich seines Besuches in derBundesrepublik (Grund: die Promotiondes am 14.<strong>12</strong>.19<strong>84</strong> anlaufenden FilmsDER WÜSTENPLANET) stieg deramerikanische SF-Autor Frank Herbertauch für zwei Tage in Hamburg ab. Die<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong>, aktuellen Trendswie immer auf der Spur, schickte RonaldM. Hahn, ihren Reporter zur besonderenVerwendung, deswegen auf eine intergalaktischeSondermission. Nachfolgendseine Eindrücke.MitFrankHerbertan derAlsterFrank Herbert (neuerdings ohne Bart)und Ronald M. Hahn (neuerdings mitBart). Foto: Wolfgang Jeschke1.Zunächst mal: Ich verdanke Frank Herbertsehr viel. Hätte er nicht diverse Bücherüber den Wüstenplaneten Arrakisund die dort heimischen Sandwürmerund Fremen geschrieben, wäre ich heutegewiß nicht da, wo ich bin: an einemholzwurmzerfressenen Schreibtisch ineinem feuchten Kellergewölbe, das mirals Produktionsstätte von Geistesblitzendient und wo ich mich nach bestem Wissenund Gewissen bemühe, der Existenzeines „freien“ (hi, hi!) Schriftstellers positiveAspekte abzugewinnen.Begonnen hat alles im Spätsommer1977: Heyne-SF-Herausgeber WolfgangJeschke, der unglaublicherweisedas Risiko eingehen wollte, Frank HerbertsTrilogie um den Wüstenplanetenin ungekürzter Form (!) auf den Marktzu bringen (ein Unterfangen, das bei dendamaligen Taschenbuchpreisen geradezuselbstmörderisch war), fragte michauf der Frankfurter Buchmesse, ob ichLust & Laune hätte, das kommende Jahrin der Gesellschaft höchst merkwürdigerMenschen & Lebewesen zu verbringen.Ich sollte Frank Herberts überall geprieseneWerke übersetzen! Natürlich warich von den Socken (und zwar absolutely!).Was hatte ich bis dahin übersetzt?Nur ein paar Räuberpistolen (deren Titelich wohl besser verschweige). Dennoch,die Aufgabe reizte mich (ganz zu schweigenvon der Kohle, die ich dafür kriegensollte). Ich schlug ein. Die Bücher kamen1978 auf den deutschen Markt. Alledrei auf einmal. Wow! Sie waren dick.Außergewöhnlich dick für die damaligenTaschenbuchverhältnisse. Und das Tollstewar: Sie gingen weg wie die sprichwörtlichenwarmen Semmeln. Sie gingenab wie die Feuerwehr – und das war dasletzte, was ich von umfangreichen Wälzerndieser Art erwartet hätte! Währendalle Welt des Lobes voll war und mancheKollegen mir schulterklopfend zugestanden,irgendwann würde auch gewiß ausmir noch „ein richtiger Pukallus“ l werden,legte ich meinen alten Job zu denAkten. Und seitdem mache ich das, wasFrank Herbert auch macht: Ich schreibe<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>.2.Die Verkehrsverbindungen meinten esnicht gerade gut mit mir, als ich mich –am 14.10.19<strong>84</strong> auf den Weg nach Hamburgmachte, um mich ins noble AtlanticHotel zu begeben, wo der Heyne Verlagund der Neue Constantin Filmverleih zueinem offiziellen Presserummel geladenhatten, Und da, in einer Lobby, in derauch „The Beast of Berlin“ (Kaiser Willi)an der Wand hing, begegnete ich ihmzum ersten Mal: Frank Herbert, der lautCharles Platt wie der Heilige Nikolausaussehen soll. Aber weit gefehlt: Frankwar kaum zu erkennen, denn er hattesich von seinem langen Rauschebartgetrennt: „Endlich kann ich mich malwieder in der Öffentlichkeit sehen lassen,ohne daß man mich sofort erkennt.“Ein Mann wie er, der in den USA aufallen Bestsellerlisten gestanden hat (undsteht), den man von einem TV-Senderzum anderen geschleift hat, als seineBücher zu diesen grandiosen Erfolgenwurden, der keine Buchmesse oder SF-Tagung besuchen kann, ohne auf Anhiebeinen Pulk von Autogrammjägern anzulocken,konnte sicher nichts anderes tun,um sich ein bißchen Privatsphäre zu erhalten.Im Hotel gaben sich die Journalistenim wahrsten Sinne des Wortes gegenseitigdie Klinke in die Hand. SogarDER SPIEGEL, der über <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>im allgemeinen selten nette Worte verliert(kein Wunder, wenn man nur denBodensatz der utopischen Literatur indie Finger bekommt und die Perlen ausdem riesigen Angebot unserer Tage nichtherauszufischen vermag) war baff angesichtsdes rüstigen Anfangssechzigers,der sich wortgewandt zu äußern wußte.Alle angereisten TV- und Zeitungskorrespondentenhatten augenscheinlich einentypischen „SF-Spinner“ erwartet, der anUFOs glaubt und von kleinen grünenMännchen träumt, also einen Vertreter1) Zur Information: Horst Pukallus ist so ziemlichder beste SF-Übersetzer des Heyne-Verlags.
<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> <strong>12</strong>/19<strong>84</strong> 9jener Spezies flinker Zeilenschinder , diegeistig zwar nicht sonderlich viel draufhaben,aber über jede Menge Sendungsbewußtseinverfügen. Tja, das war ‚neÜberraschung, was, Jungs? Die Reaktionder Pressevertreter war unisono: „DerMann ist ja toll! Das hätt ich ja gar nichterwartet!“Und wie ist Frank Herbert – so alsMensch? Verdorben vom kommerziellenErfolg seiner Bücher? Ein selbstzufriedenerMillionär, der mit gelangweiltemPokerface Hof hält? Eine SF-Diva?‚Nichts dergleichen. Frank HerbertsReaktion, als die Interviews endlich zuEnde waren: „Die hiesige Presse ist ganzanders als die amerikanische . Alle hattensich bestens vorbereitet; die meistenJournalisten hatten meine Bücher sogargelesen. Und niemand hat mir die blödeFrage gestellt, woher ich ‚diese verrücktenIdeen‘ habe.“3.Am Abend: Signierstunde in der SF – undFantasy-Spezialbuchhandlung Loock.Dutzende von SF-Lesern drängen sichauf engstem Raum; manche sind sogaraus anderen Städten angereist – irgendwiescheinen sie alle Wind von der Sachebekommen zu haben, obwohl erst seit einerWoche feststeht, daß Frank HerbertHamburg besucht. Der Autor sitzt hintereinem gewaltigen Tisch und signiert, signiert,signiert. Und dabei fällt mir eineEigenart auf: Den gedruckten Namen aufdem sogenannten „Schmutztitel“ streichter durch, setzt seinen handschriftlichendarunter. Als er Stunden später – erschöpft– fertig ist, sagt er: „Habt ,ihrmeinen Superfan gesehen? Da war einer,der hat garantiert dreißig Titel angeschleppt– in allen möglichen Sprachen.“Das erste, was einem auffällt, wenn manFrank Herbert begegnet: Der Mann hatHumor. Und er ist herzlich (immerhinhat er seinen Übersetzer sofort ansHerz gedrückt!). Außerdem , ist er aufeine eigentümliche Weise ‚‘unamerikanisch‘‘,d.h. er spricht so, daß man ihntatsächlich auf Anhieb verstehen kann,beherrscht darüber hinaus mit Bravourdas britische Englisch (das er astreinwährend des Abendessens parodierte),weiß beträchtlich viel über die Bundesrepublik,zeigt Interesse an allem, waser hier erstmals sieht, und hat nicht malSchwierigkeiten, eine deutsche Speisenkartezu dechiffrieren. SF -Kongresse ,besucht er – im Gegensatz zu manchenseiner amerikanischen Kollegen, die aufderartigen Tagungen zu wohnen scheinen– fast nie, was damit zu tun hat, daßer tatsächlich eine Menge Zeit in seineBücher investiert und es noch nie im Lebenüber sich gebracht hat, irgendeinenStoff in vier Wochen herunterzufetzen. Eine Arbeitsweise, die sich, wie mansieht, im Endeffekt auch auszahlt.„Und wie geht‘s nun weiter mit derSaga?“ frage ich ihn.„Es gibt bald einen sechsten Band.Der Arbeitstitel lautet CHAPTER-HOUSE DUNE.“„Und anschließend, Frank?“ „Na ja,mal sehen“, sagt er. „Einen siebentenTeil gibt‘s sicher auch noch.“„Und dann?“Er zwinkert mir zu. Und ich denke:Na prima, da wird also auch noch 1987der Schornstein rauchen ...