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SFT 12/84 - Science Fiction Times

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<strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong> <strong>Times</strong> <strong>12</strong>/19<strong>84</strong> 5von Aufbau und Zerfall eines Imperiumsmit den Metaphern Raum, Zeit, Evolution,Herrschaft, Rebellion und Symbioseumschreibt.Formal wie inhaltlich finden wir trotzgewisser Ähnlichkeiten im Aufbau – z.B.in den Anhängen, Appendizes, Registernusw., die eine Art Eigenkommentar desjeweiligen Werks darstellen – geradezugegensätzliche Grundaussagen in THELORD OF THE RINGS und DUNE.Tolkiens fast vollkommene Abstinenzvom Zeitgeschehen (das Werk wurdewährend des Zweiten Weltkrieges unddanach geschrieben) führt zwangsläufigzu allegorischen Deutungsversuchen,obgleich sich der Autor gerade dagegenwehrte. Er wollte „bloß“ ein Märchenerzählen. Und Märchen spielen in einerzeitlosen Vergangenheit, die keinendirekten Bezug zur Gegenwart zuläßt.Frank Herbert dagegen widmet seineSerie den „Trokkenland- Ökologen“,Vorkämpfern und Pionieren einer suchendenund irrenden Menschheit also,die die Wüste in ein wasserreiches Paradiesverwandeln wollen. Tolkiens Weltbleibt immer die alte Welt, entrückt inmythische Vergangenheit, kein versunkenerKontinent, der irgendwann wiederauftauchen wird, sondern ein hyperboreischesLand, gleich weit entfernt vomalten wie vom neuen Paradies. DUNEist dagegen durchtränkt vom Pathos einerneuen Erde, einer neuen Welt. Beialler Nüchternheit der Diktion spürenwir – und das in der zweiten Hälfte deszwanzigsten Jahrhunderts – die AufbruchstimmungAmerikas, des neuenKontinents, den Gesang der „Grashalme“Walt Whitmans. DUNE scheint ausdunklen AnHingen in eine lichterfüllteZukunft zu weisen. Sein Pathos ist dasPathos Nietzsche-Zarathustras: „DerÜbermensch sei der Sinn der Erde!“Und: „So sollt ihr laufen, ihr großen undkleinen Ströme!“Verstärkt wird dieser Effekt durch dasökologische Krisenbewußtsein unsererTage, das zur Zeit des Erscheinens vonDUNE am stärksten in den USA entwickeltwar. Herbert griff alle diese Elemente– zukunftsweisende, aktuelle und mythischeAspekte – auf und verknüpfte siezu einem vielschichtigen Gesamtkunstwerk,dessen langfristige und dauerhafteWirkungen durch seine überdimensionaleepische Struktur verbürgt werden.Dennoch schlug DUNE – wie wir sahen– bereits bei seinem Erscheinen einund begründete Frank Herberts Erfolgals Schriftsteller. Die DUNE-Rezeptionallerdings liegt im argen und hat – zumindestin Europa und Deutschland –noch nicht begonnen. Es sind keinerleibemerkenswerte Ansätze zu sehen, undda, wo sie sich vorwagen, gehen sie imEinheitsbrei der <strong>Science</strong> <strong>Fiction</strong>-Kritikmeistens gleich wieder unter.Ich habe bereits an anderer Stelleauf die exemplarische Bedeutung vonDUNE und seinen beiden Nachfolgernhingewiesen 4 . Inzwischen ist 1981 dervierte Roman mit dem Titel GOD EM-PEROR OF DUNE (dt. Der Gottkaiserdes Wüstenplaneten) erschienen und hatdie zyklische Absicht, die der Autor mitseiner Werkfolge realisieren will, vollendsdeutlich gemacht.HALB MENSCH, HALBSANDWURMAuch der gesellschaftskritische, jaherrschaftssoziologische Charakter derTetralogie wird jetzt offenbar. Er manifestiertsich in einem unter evolutions- undsystemtheoretischen Aspekten rückläufigenProzeß: Nachdem die Nomaden indie Wüste geflohen und ein wasserreichesParadies errichtet haben, schaffensie ein Wüstenreservat, in dem der GottkaiserLeto II. – halb Mensch, halb Sandwurm– lebt, um sich selbst· und seineneue Umgebung zu vernichten und denalten Zustand des Planeten – die Wüste –wiederherzustellen. Frank Herbert ist damitder Intention von DUNE und seinerdetaillierten Gestaltung treu gebliebenund hat seine epische Dimension nocherweitert und vertieft. Der Gottkaisermit der Forellenhaut verwandelt sich indas, was er vernichtet hat, nimmt mehrund mehr die Gestalt des Sandwurms derWüste an und verteilt seine Gehirnmasseauf den Wurmkörper, den „pre-worm“.Leto geht mit seinem großen GegnerShai-Hulud eine Symbiose ein undschürt die Rebellion gegen sich. selbst,um den Wüstenbewohnern die Wüsteund ihren alten Gott zurückzugeben.GOD EMPEROR OF DUNE ist einBuch des Glaubens und des Unglaubens.Ein Buch über absolute Herrschaft, Tyrannei,Rebellion und Anarchie, überReligionen und ihre Ursprünge, überIIden Anfang und das Ende eines Kampfsum die Macht. Herbert beschreibt gewissermaßenden sich selbst aufzehrendenMythos als Prozeß der Evolutionin Phasen zunehmender Erkenntnis, dieins Bodenlose führt. Diese Erkenntnisist zugleich ein dialektischer Prozeß derSelbstfindung und Selbstauflösung derhandelnden und redenden Figuren. DasEpos figuriert als dramatischer Dialog.Gespräche und Sentenzen tauchen unterim breiten Strom der Erzählung, dersich kataraktartig ins Meer des Offenenergießt.Eine Interpretation des DUNE-Zyklusund seiner einzelnen Teile kann nur Erfolghaben, wenn sie den fiktionalenRahmen, der das Ganze – Anfang undEnde, Ende und Anfang – trägt, berücksichtigtund den mehrfachen Verfremdungseffekt,der mit der Textur derGeschichte selbst verwoben ist, genaubeachtet. In allen vier Romanen sindZitate aus Schriften, Dokumenten undHandbüchern, die von handelnden Personen(z.B. Prinzessin Irulan) verfaßtsind, den einzelnen Handlungsabläufender Erzählung vorangestellt.Dieser fortlaufende und werkimmanenteKommentar verstärkt immermehr den Eindruck, daß es sich bei demRoman um eine Chronik tatsächlicherEreignisse handelt. Diese doppelte Verfremdungund Fiktionalisierung stelleneinen direkten Bezug zur Realität imräumlichen wie im zeitlichen Sinne her:Selbstverständlich denkt Herbert nichtan galaktische Zivilisationen, sondern anirdische Verhältnisse. Selbstverständlichstellt er keinen historischen oder exotischenFeudalismus dar, sondern kritisiertdie moderne Sklaverei und Leibeigenschaftin der hochindustrialisierten undspätkapitalistischen amerikanischen Gesellschaft.DUNE ist im Grunde eine literarischeManifestation soziologischer Erkenntnisse,wie sie C. Wright Mills in seinemBuch THE POWER ELITE (1956) formulierthat. Die Gesellschaft der VereinigtenStaaten wird beherrscht von Elitenwirtschaftlicher, militärischer undpolitischer Macht. Hinzu kommen nochMutterkomplex und Impotenzfurchtder männlichen Amerikaner, auf die alserster Geoffrey Gorer in seiner völkerpsychologischenStudie THE AMERI-CANS (1949) hinwies, um die Macht derFrauenvereine in den USA zu erklären.Der Orden „Bene Gesserit“ in DUNE

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