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Arbeitsmartpolitik Aktiv 1/13 - DSE Wien

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dse im dialogIM GESPRÄCH MIT HERBERT WALTHER„Arbeitslosigkeit istdie Achilles ferse derMarktwirtschaft“früher nur in Saisonberufen der Fall war, hatsich auch auf andere Branchen ausgeweitet.De facto subventioniert unser Arbeitslosenversicherungssystemsdiese Jobs. Die Grenzenzum Missbrauch des Systems durch Arbeitgebersind fließend. Ein „Experience Rating“könnte diese eingerissene Praxiseindämmen. Firmen, die mehr Arbeitslosig-rungswissen, das durch und in der Tätigkeitselbst erworben wird. Ich sehe den Trend zurVerlängerung der formalen Ausbildungszeiten– und der politische Druck in RichtungAkademisierung ist ja ein Teil davon - eherskeptisch. Da steht oft der Druck von Anbieternder Bildungsdienstleistungen dahinter.mäßigen Kontakt haben und die unternehmerischenPersonalbedürfnisse kennen.Aber man kann nicht alle Maßnahmen nurunter dem Arbeitsmarktaspekt diskutieren.Für besondere Problemgruppen, für Langzeitarbeitsloseoder für sozial weniger angepasstePersonen, müssen Programmeauch unter dem Aspekt der solidarischenDer WU-Professor spricht über Dynamiken am Arbeitsmarkt,berechenbare und schwer quantifizierbare Kosten der Arbeitslosigkeitund der arbeitsmarktpolitischen Bedeutung einesguten Bildungssystems.keit produzieren, sollen auch höhere Sozialversicherungsbeiträgebezahlen.<strong>Aktiv</strong>: Im Zusammenhang mit der Jugendarbeitslosigkeitwird oft von einer tickenden Zeitbombegesprochen…<strong>Aktiv</strong>: Wie beurteilen Sie den Nutzen aktiverArbeitsmarktpolitik?Walther: Es gibt zahlreiche Studien zurEvaluation im arbeitsmarktpolitischen Bereich.Besonders erfolgreich sind Qualifizierungsmaßnahmenfür Frauen für den Wie-Gesellschaft gesehen werden. Es gibt amArbeitsmarkt Menschen, die mit dieserenormen Druck- und Leistungsgesellschaftnicht mitkönnen. Um soziale Ausgrenzungund damit noch größere soziale Problemezu verhindern, kann es zweckmäßig sein,Walther: Da zeigt sich, welche Schlüsselrolledereinstieg. Wichtig ist, dass die Leute sorg-am zweiten Arbeitsmarkt einer sinnvollenein gutes Bildungssystem hat. Es geht umfältig beraten und ausgewählt werden. EsTätigkeit nachzugehen. Das kostet auchWirtschaftswissenschaft,reich, damit man sich klar macht, dass es einein ausdifferenziertes System, mit vielen fle-gibt aber auch Maßnahmen mit negativenwas, aber das ist eine politische Entschei-die ArbeitslosigkeitProblem gibt, aber alles – vom Umfang derxiblen Übergängen, das für verschiedeneBeschäftigungseffekten. Manche Teilneh-dung, ob die Gesellschaft bereit ist, diesesystematischSchwarzarbeit bis zu den Kosten von Depres-Gruppen, verschiedene Fähigkeit passend istmer hätten früher einen Job gefunden, wä-Kosten zu tragen. Wenn man sie nicht trägt,bagatellisiert,sionen – in pseudo-exakten Milliarden zuund eine frühe praktische Anbindung vor-ren sie nicht in ein solches Programm ein-dann hat man halt Probleme wie in Sanals ausschließli-beziffern, ist sicher nicht sinnvoll. Diesen ex-sieht. Die ziemlich undifferenzierte OECD-Fi-gebunden gewesen. Ich glaube, per Saldo,Francisco, wo man über die Obdachlosenches Resultattensiven, aber leider sehr modernen ökono-xierung auf die Akademikerquote übersiehtvon all dem, was ich gelesen habe, dass diequasi drübersteigt. Ich lebe lieber in einerfalscher An-mischen Imperialismus halte ich für unnötig.nicht nur, dass unsere mittelständisch domi-meisten Maßnahmen einen Sinn machen,Gesellschaft, die aktiv versucht, solche Pro-reize durch sozial-nierte Wirtschaft gut ausgebildete Fachkräf-aber jede einzelne Maßnahme sich nichtbleme zu mildern. Manche der Ausgegrenz-staatliche Institutionen interpretiert.<strong>Aktiv</strong>: Aus volkswirtschaftlicher Perspektive;te benötigt, die nicht erst über eine langewirklich rechnen wird. Im Grundsatz ist ei-ten finden ja auch wieder in den ersten Ar-pixelio/S. Hofschläger<strong>Aktiv</strong>: Welchen Stellenwert haben die Erkenntnisseder Marienthal-Studie von 1933 fürdie heutige Situation?Walther: Die Studie ist nach wie vor aktuell,es geht um die sozialen Folgen von Arbeits-<strong>Aktiv</strong>: Zu den Kosten der Arbeitslosigkeit…Walther: Es gibt volkswirtschaftliche Ansätzezur Berechnung der Kosten der Arbeitslosigkeit,die nicht nur die unmittelbaren Pro-Welche Ursachen halten Sie für relevant?Walther: Arbeitslosigkeit ist ein Grundübel,es ist die Achillesferse der Marktwirtschaft.Die Vorstellung, dass Probleme am Arbeitsmarktauch ihre Ursache immer am Arbeits-akademische Ausbildung berufsfähig werdenkönnen. Nehmen wir als Beispiel denTischler, der arbeitet heute mit CNC, sehr vielmit EDV, das ist in Wahrheit ein technischhoch komplexer Beruf geworden. Dennochne qualifizierende Arbeitsmarktpolitikwichtig. Wichtig ist natürlich, die Ausbildungauch auf die Bedürfnisse der Unternehmenabzustimmen, was aber nicht bedeutendarf, dass allgemein verwertbarebeitsmarkt zurück. Gerade bei Jugendlichenergibt ein Problem oft das andere.Auch sozial Ausgegrenzte haben Konsumwünsche:in der USA sitzen 2% der Menschenim Erwerbsalter im Gefängnis, inlosigkeit. Arbeitslosigkeit ist ein eminenterduktionsausfälle und die geringere Wert-markt haben, ist meines Erachtens falsch.wäre es unsinnig, daraus eine akademischeQualifikationen vernachlässigt werden. EsÖsterreich sind es 0,2 %, ein guter Sozial-sozialer Stressfaktor, der sich auch auf dieschöpfung berücksichtigen, sondern auchDer Arbeitsmarkt ist ein abgeleiteter Markt,Ausbildung zu machen. Der Großteil desbraucht eine starke Brücke zwischen Betrie-staat trägt auch dazu bei, dass wir alle si-Gesundheit der Menschen negativ auswirkt.den Gewinn an Freizeit. Die wirklichenauf dem sich meist ein Geschehen verdich-Wissens, das wir im Berufsleben brauchen,ben und den Arbeitsvermittlern – Vertrau-cherer leben.Arbeitslosigkeit macht die Menschen syste-volkswirtschaftlichen Kosten der Arbeitslo-tet, das sich auf anderen Märkten abspielt.ist ohnehin implizites Wissen, es ist Erfah-enspersonen, die branchenspezifisch regel-<strong>Aktiv</strong>: Vielen Dank für das Gespräch!matisch unglücklich. Wenn sich zwei Men-sigkeit sind aber die Potenziale, die nicht ge-Zum Beispiel ist der starke Anstieg der Ar-schen in der absolut gleichen sozialökonomischeSituation befinden (also sogar dasgleiche Einkommen haben), aber eine Personarbeitslos ist, so wird diese Person unglücklichersein als jene, die Arbeit hat. Die-nutzt werden. Die größte Verschwendungvon Ressourcen ist die nicht genutzte Arbeitskraft,das Talent, das verloren geht unddas einen freiwilligen Beitrag zum Wohlstandaller leisten könnte. Auch die negati-beitslosigkeit in Europa und den USA dieFolge der Finanz- und Eurokrise. In Österreichist jeder fünfte Beschäftigte einmal proJahr von Arbeitslosigkeit betroffen. DiesesRisiko ist aber sehr ungleich verteilt. Erfreuli-Um soziale Ausgrenzung zu verhindern,kann eine sinnvolle Tätigkeit am zweitenArbeitsmarkt zweckmäßig sein … es ist einepolitische Entscheidung, ob die Gesellschaftbereit ist, diese Kosten zu tragenser Effekt ist so stark, als wäre sie von einerven Gesundheitseffekte, die psychischencherweise wälzt sich in Österreich der Ar-mittleren in die letzte Einkommensstufe zu-Belastungen und die negativen Effekte aufbeitslosenpool relativ rasch um, denn dasrückgefallen. Wohlgemerkt: dieser stati-die Lebenszufriedenheit müssten bewertetwirkliche soziale Problem ist ja die Langzeit-stisch messbare Effekt der Arbeitslosigkeitwerden. Das alles ökonomisch zu quantifi-arbeitslosigkeit. Wird jemand temporär ar-auf das Wohlbefinden ist unabhängig vomzieren, ist methodisch sehr schwierig, oftbeitslos, ist das nicht so dramatisch. Auch daEinkommensverlust wirksam, der noch zusätzlichauftritt. Das ist ein harter Befund,auch unmöglich, aber meines Erachtensauch nicht immer sinnvoll. Die Ökonomisie-gibt es natürlich unterschiedliche Gründe. Inmanchen Branchen hat es sich eingebür-privatder zeigt, dass die Geschichte von der „freiwilligenArbeitslosigkeit“ ein ideologischverbrämtes Märchen ist. Es diente dazu, PolitikerInnendas schlechte Gewissen zu nehmen,wenn sie z.B. eine Geldpolitik befürworten,die sich ausschließlich auf Preisstabilitätkonzentriert. Es gab und gibt eineDominanz der neoliberalen Strömung in derrung sozialer Fragen hat ihre Grenzen, mancheskann man eben nur politisch diskutieren.Natürlich sind grobe Indikatoren hilf-gert, Arbeitskräfte mit einer Wiedereinstellungszusagetemporär „stempeln“ zuschi cken, um Lohnkosten zu sparen. Was„Die Vorstellung, dass Probleme am Arbeitsmarkt auch ihre Ursacheimmer am Arbeitsmarkt haben, ist meines Erachtens falsch.“pixelio/Karl-Heinz LaubeHerbert WaltherVolkswirt; seit 20 Jahren Professoran der WU <strong>Wien</strong>, Institut fürArbeitsmarkttheorie und -politik.Schwerpunkte: Wirtschaftspolitik,Arbeitsmarktökonomik, Organisationsökonomik,Verhaltensökonomik,Entscheidungstheorie.8 arbeitsmarktpolitik aktiv arbeitsmarktpolitik aktiv 9

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