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Arbeitsmartpolitik Aktiv 1/13 - DSE Wien

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dse denkfabrik?EDITORIALRund um den 1. Mai schrieb Franzobeleinen Aufsatz für den „Standard“mit dem Titel „Warum wirTITELGESCHICHTETeure Erwerbslosigkeitdie Arbeit abschaffen sollen“. Es ist einewohl satirisch gemeinte Polemik zumTag der Arbeit, die aber sehr zumNachdenken anregt – über die eigeneSituation, die Nachvollziehbarkeit dervon Franzobel gebrachten Argumente,die Bedeutung und mögliche Zukunftsszenarienvon Erwerbsarbeit.Erst wer keine Arbeit hat, lernt ihre Bedeutung zu schätzen. Arbeit alssoziale Schlüsselkategorie wirkt identitätsstiftend, vermittelt Status,Anerkennung und soziale Teilhabe. Persönlich wie gesellschaftlich gehtArbeitslosigkeit ins Geld, verursacht ökonomische, soziale undpolitische Kosten.„Net alles was an Wert hat,muss ah an Preis ham,aber mach des a mal wem klar.“Wolfgang AmbrosWir gehen es in dieser Nummer bodenständigeran und fragen nach Kostenvon Arbeitslosigkeit – individuelle wiegesellschaftliche. Wir fragen uns dasauch im Bewusstsein, dass heuer vor 80wDebatten über Arbeitslosigkeit werdenoft auch als ein Kampf um Zahlengeführt. Dabei interessieren vor allem:darunter zu verstehen ist und welcheBerechnungsansätze es gibt, erklärt HerbertWalther, Volkswirtschaftsprofessor an derlich zum Aufstieg der Nationalsozialistenbeitrug. Aber ist das nicht alles Geschichte?Ist der Arbeitslosigkeit durch die soziale Ab-Verhältnis zwischen Ursache und Wirkungist komplex, weitest gehend unbestrittensind die Forderungen nach gesundheits-mürbung der Arbeitslosigkeit entwickeln.„Beharrlichkeit zahlt sich aus“, zeigt auf eindrucksvolleWeise die Berufsgeschichte vonJahren die epochale und noch immerQuote und Dauer der Arbeitslosigkeit. ImWU <strong>Wien</strong>, in einem Interview S. 8-9.sicherung nicht längst der giftige Stachelförderlichen Arbeitsbedingungen und demHerrn Mohammadi (S. 7). Durch sein großeshoch relevante Studie „Die Arbeitslosenletzten AMS-Geschäftsbericht waren öster-Empirisch unbestritten macht anhaltendegenommen worden? Europaweit sind politi-Ausbau eines leistbaren psychotherapeuti-handwerkliches Geschick und seine Ent-von Marienthal“ erschienen ist. Und:reichweit über 246.000 Menschen Arbeit su-Arbeitslosigkeit systematisch unglücklich.sche Parteien mit offen rassistischen undschen Beratungsangebots.schiedenheit fand der Gehörlose mit HilfeEs ist 30 Jahre her, dass mit dem Endechend gemeldet, gut 76.700 davon sindAber Unglück ist schwer in Zahlen auszu-minderheitenfeindlichen Programmen er-Die Bedeutsamkeit der Arbeit liegt ebender Bandgesellschaft seinen Wunschberuf.der Vollbeschäftigung in Österreich zuschon mehr als ein Jahr arbeitslos. Das er-drücken. Denn die Funktion von Zahlen be-folgreich, die Sündenbocksuche hat wiedernicht allein im Geld: gebraucht werden, mitIn St. Pölten arbeitet er im Orthopädie-Beginn der 1980er Jahre bei steigendergibt eine Arbeitslosenrate von unter 5 Pro-steht eben darin, Handlungsfähigkeit undSaison. Und sogar Selbstmord, der drama-anderen im Austausch stehen, gemeinsamschuhhandwerk und dank ihm „gehen“ vieleLangzeitarbeitslosigkeit die Ausgabenzent, im europäischen Vergleich ist das Spit-Machbarkeit zu kommunizieren, analysiertetischste letzte Weg aus der Arbeitslosigkeit,an einem Ziel arbeiten. Auch Familienarbeitgut. Dieses Positivbeispiel veranschaulichtfür aktive Arbeitsmarktpolitik angeho-ze! Zahlen schaffen Wirklichkeit, daher emp-der Medienwissenschafter Daniel Fischer 4 ).ist in Einzelfällen in Italien und Spanien zu-oder ein Ehrenamt vermitteln diese Erfah-die wahren Kosten der Arbeitslosigkeit umben und die damals so genannte experi-fiehlt sich die Angabe von Prozent- statt vonSeit den 30er Jahren des 20. Jahrhundertsrückgekehrt. Aber auch die „ganz normalen“rungen. So wurde festgestellt, dass Men-so stärker – das brachliegende Potenzialmentelle Arbeitsmarktpolitik entwickeltabsoluten Zahlen, es klingt einfach nach we-haftet Massenarbeitslosigkeit der Nimbuspsychischen Auswirkungen von Arbeitslo-schen, die in diesen Feldern arbeiten, mehrmenschlicher Begabungen und Gestal-wurden. Die Novelle des Arbeitsmarkt-niger. Denn Zahlen stehen für Kosten:der Gefährlichkeit und Rebellion an. Umsigkeit sind erschütternd (S. 10), sie zählenWiderstandskräfte gegen die soziale Zer-tungspotentiale.förderungsgesetzes 1983 brachte nicht2011 waren es rund 2.300,– pro Monat undsolche Assoziationen zu vermeiden, do-zu den verborgenen Kosten, die sich schwernur neue Regelungen für individuelleund betriebliche Förderungen „zur Erreichungdes Vollbeschäftigungszieles“,Person. Die beeindruckende Summe von6,8 Milliarden Euro allein für das Jahr 2011setzt sich aus direkten und indirekten Ko-minieren Statistiken und wissenschaftlichenTheorien das Thema Arbeitslosigkeit, imDienste einer Versachlichung der Dis-in Zahlen fassen lassen. Dennoch rechnetdie Gesundheitsökonomie mit Arbeitslosigkeitals Kostenindikator, unabhängig von derErwerbslos zu sein heißt noch lange nicht arbeitslos:Der Vorrat an Familien-, Haus- oder ehrenamtlicherArbeit geht nie aus, das Geld aber sehr wohl.sondern führte darüber hinaus zur ge-sten im Verhältnis 2/3 zu 1/3 zusammen. 1 )kussion.Person wirkt sie sich ganzheitlich negativsetzlichen Verankerung von „Gemeinnüt-Soweit zu den gesellschaftlichen Kosten derauf die menschliche Gesundheit aus. Daszigen Einrichtungen, die (…) zum Zwe-Arbeitslosigkeit, aber auch jede/m„Müde Gesellschaft“cke der gebietsbezogenen sozialen undEinzelne/n kommt Arbeitslosigkeit teuer.Dabei ist eine zentrale Erkenntnis der epo-arbeitsmarktfördernden Entwicklungsarbeitvor allem im Hinblick auf die Eingliederungvon arbeitsmarktmäßig besondersbenachteiligten Personengruppenin den Arbeitsprozess tätig werden“.Damit war die moderne aktive Arbeitsmarktpolitikin Österreich etabliert, die –verfeinert und weiterentwickelt – bisheute Grundlage geblieben ist.Ihr/Euer Christoph Parakl Arbeitslose erleiden über 15 bis 20 Jahrelang relative Einkommenseinbußen im Vergleichzu jenen, die in Beschäftigung bleiben.3 )l Auch nach dem Wiedereinstieg in denBeruf ist eine größere Instabilität beim Einkommenfeststellbar.Soweit zu den offenen Kosten, aber die sozialenund gesundheitlichen Kosten von Arbeitslosigkeitsind ebenso beachtlich. Waschalen Marienthal-Studie (S. 4-5), dass, wermit lang anhaltender Arbeitslosigkeit konfrontiertist, resigniert statt rebelliert. Daspersönliche Erleben von Arbeitslosigkeitund die gesellschaftlichen Folgen von Massenarbeitslosigkeitkönnen weit auseinandergehen.Der Film von Karin Brandauer(S. 12) – inspiriert von den Inhalten und Personender Studie – zeigt, dass die Massenarbeitslosigkeitin den 30er Jahren maßgeb-1) Parlamentarische Anfragebeantwortung des BMASK,24.8.2012; bei einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von246.000 Personen im Jahr 2011 belaufen sich die Kosten derArbeitslosigkeit insgesamt auf rund 6,82 Milliarden Euro. Davonsind 4,66 Milliarden direkte Kosten (Arbeitslosengeld undNotstandhilfe inkl. SV-Beiträge, Arbeitsmarktfördermaßnahmen,Kosten für die AMS-Organisation) und 2,16 Milliarden indirekteKosten (entgangene Sozialversicherungsbeiträge, entgangeneLohnsteuer, Umsatzsteuer-Ausfälle). Als Berechnungsbasis dientdie Angabe des BMASK, dass sich die gesamten fiskalischen Kostenvon Arbeitslosigkeit pro Person im Monat auf 2.312 Euro belaufen.2) Herbert Walther: Arbeitsbedingungen und Wirtschaftskrise,WISO 2011/2, S. 433) Daniel Fischer. Über das Verhältnis von Zahl und Wirklichkeit.Der Umgang mit statistischem Wissen im massenmedialen Diskurs,Verlag für Sozialwissenschaft, Wiesbaden 2009.Dietmar Meinert/pixelio2 arbeitsmarktpolitik aktivarbeitsmarktpolitik aktiv 3

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