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Kapitel 2 Wechselwirkung von Teilchen mit Materie - Hera-B

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<strong>Kapitel</strong> 2<strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong><strong>Materie</strong><strong>Teilchen</strong> können nur aufgrund ihrer <strong>Wechselwirkung</strong>en <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> nachgewiesenwerden. Abhängig <strong>von</strong> der Eigenschaft des <strong>Teilchen</strong>s, die nachgewiesen werden soll,treten verschiedene Prozesse auf:• Ionisation: Geladene <strong>Teilchen</strong> ionisieren das Medium, das sie durchqueren,entlang ihrer Flugstrecke.• Bremsstrahlung: Elektronen strahlen in <strong>Materie</strong> <strong>mit</strong> hoher Kernladungszahl Zdurch die starken Kernfelder Photonen ab.• Photonstreuung (Comptoneffekt) und Photonabsorbtion• Kernreaktionen: <strong>Teilchen</strong>, die an der starken <strong>Wechselwirkung</strong> teilnehmen (Hadronen),können durch deren <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>mit</strong> Kernmaterie nachgewiesenwerden.• schwache <strong>Wechselwirkung</strong>: Nachweis <strong>von</strong> NeutrinosGenerell wird der Durchgang <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong>strahlung durch <strong>Materie</strong> durch zwei Eigenschaftencharakterisiert: dem Energieverlust des <strong>Teilchen</strong>s und dessen Ablenkung<strong>von</strong> der ursprüglichen Flugrichtung. Diese Effekte sind auf zwei wesentliche Prozessezurückzuführen:• inelastische Kollisonen <strong>mit</strong> Hüllenelektronen des Materiales• elatische Streuung an AtomkernenDiese Reaktionen geschehen viele Male auf der Flugstrecke des <strong>Teilchen</strong>s durch die<strong>Materie</strong>, so dass die beobachteten prinzipiellen Eigenschaften aus der kumulativenÜberlagerung resultieren.2.1 Vorbemerkungen und DefinitionenZunächst wollen wir einige wichtige Begriffe uns kurz in Erinnerung rufen, die wirspäter immer wieder verwenden werden.


2.1 Vorbemerkungen und Definitionen 27Abbildung 2.1: Definition des Wirkungsquerschnittes eines Streuexperimentes2.1.1 WirkungsquerschnittDie <strong>Wechselwirkung</strong> zwischen zwei <strong>Teilchen</strong> wird allgemein über einen Wirkungsquerschnittbeschrieben. Der Wirkungsquerschnitt σ entspricht der vom Projektileffektiv gesehenen Fläche, die für die spezifische Reaktion zur Verfügung steht. Inder Sprache der Quantenmechanik entspricht dies der Wahrscheinlichkeit, dass einebestimmte Reaktion zwischen <strong>Teilchen</strong> stattfindet. Wir betrachten einen <strong>Teilchen</strong>strahlI der auf ein Target auftreffe (Abb. 2.1). Der Einfachheit halber nehmen wiran, dass der Strahlquerschnitt wesentlich größer als das Target sei und dass die <strong>Teilchen</strong>in gleichmäßig in Ort und Zeit verteilt seien, so dass man <strong>von</strong> einem Fluss Φpro Flächen- und Zeiteinheit sprechen kann. Die Zahl in das Raumwinkelelement dΩgestreuten <strong>Teilchen</strong> ist im zeitlichen Mittel etwa konstant und werde <strong>mit</strong> dN s /dΩbezeichnet, wobei N s die <strong>mit</strong>tlere Zahl der gestreuten <strong>Teilchen</strong> pro Zeiteinheit sei.Der differenzielle Wirkungsquerschnitt ist dann gegeben alsdσdΩ (E, Ω) = 1 dN sΦ dΩ(2.1)So<strong>mit</strong> ist dσ/dΩ der <strong>mit</strong>tlere Anteil der <strong>Teilchen</strong>, die pro Zeiteinheit und pro FlusseinheitΦ in das Raumwinkelelement dΩ gestreut werden. In der Sprache der Quantenmechanikentspricht dies dem Wahrscheinlichkeitsstrom in das RaumwinkelelementdΩ normiert auf die Wahrscheinlichkeit, dass das <strong>Teilchen</strong> die Fläche des Targetspassiert. Im Allgemeinen hängt der Wert <strong>von</strong> dσ/dΩ <strong>von</strong> der Energie der Reaktionund dem Streuwinkel ab. Man erhält den totalen Wirkungsquerschnitt beieiner bestimmten Energie E durch die Integration über alle Winkel:∫σ(E) =dσdΩ (2.2)dΩIn der Realität ist das Target ein ausgedehntes Objekt, welches viele Streuzentrenenthält, so dass das Problem über <strong>mit</strong>tlere Reaktionsraten beschrieben werden muss.Unter der Annahme, dass die Moleküle gleichmäßig im Target verteilt sind und dasTarget dünn ist, kann die Anzahl der Streuzentren, die <strong>von</strong> dem senkrecht einfallendenStrahl gesehen wird, als N · δx geschieben werden, wobei N die Dichte derStreuzentren und δx die Dicke des Targets sind. Wenn der Strahl größer als das


28 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Target ist, und A sei dessen Querschnittsfläche, kann die Zahl der zur Reaktion zurVerfügung stehenden <strong>Teilchen</strong> als Φ · A geschrieben werden. Die <strong>mit</strong>tlere Anzahl indΩ gestreuter <strong>Teilchen</strong> ist dannN s (Ω) = Φ · A · N · δx dσdΩund die totale Zahl gestreuter <strong>Teilchen</strong> in alle Winkel ist dann entsprechend(2.3)N tot = Φ · A · N · δx · σ (2.4)Wenn der Strahlquerschnitt kleiner als die Fläche des Targets ist, muss lediglich Adurch die vom Strahl ausgeleuchtete Fläche ersetzt werden. Wenn man Gl. 2.4 durchΦ · A teilt, erhält man die Wahrscheinlichkeit der Streuung eines einzelnen <strong>Teilchen</strong>sin der Dicke δx:w(Streuunginδx) = Nσδx (2.5)2.1.2 <strong>Wechselwirkung</strong>swahrscheinlichkeit und <strong>mit</strong>tlere freieWeglängeWir wollen nun den allgemeineren Fall einer beliebigen Dicke x betrachten. Dazubetrachten wir die Wahrscheinlichkeit, dass ein <strong>Teilchen</strong> in der im Material zurückgelegtenStrecke x keiner <strong>Wechselwirkung</strong> unterliegt. SeiP (x): Wahrschenlichkeit keiner <strong>Wechselwirkung</strong> bis xw dx: Wahrscheinlichkeit einer <strong>Wechselwirkung</strong> zwischen x und x + dxDie Wahrscheinlichkeit, dass das <strong>Teilchen</strong> zwischen x und x + dx keine <strong>Wechselwirkung</strong>macht, ist dann:P (x + dx) = P (x)(1 − w dx) ⇒ P (x) + dPdx = P − P w dxdP = −wP dx ⇒ P = C · e −w·x (2.6)wobei die Konstante C <strong>mit</strong> der Randbedingung P (0) = 1 zu C = 1 gesetzt wird. Die“Überlebenswahrscheinlichkeit” eines <strong>Teilchen</strong>s im Target fällt also exponentiell <strong>mit</strong>x ab, wo<strong>mit</strong> die Wahrscheinlichkeit einer <strong>Wechselwirkung</strong> irgendwo auf der Distanzx alsP int = 1 − e −w·x (2.7)geschrieben werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass das <strong>Teilchen</strong> nach der Streckex zwischen x und x + dx <strong>mit</strong> einem Targetkern kollidiert, istF (x)dx = e −w·x wdx (2.8)Wir wollen nun den <strong>mit</strong>tleren Abstand λ bestimmen, den das <strong>Teilchen</strong> vor der ersten<strong>Wechselwirkung</strong> zurücklegt. Dies bezeichnet man als die <strong>mit</strong>tlere freie Weglänge:∫ xP (x) dxλ = ∫ = 1 (2.9)P (x) dx w


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 29Intuitiv muss λ <strong>von</strong> der Dichte der Streuzentren im Target und dem entsprechendenWirkungsquerschnitt abhängen. Um die Relation herzuleiten, kehren wir wieder zudem in Kap. 2.1.1 beschriebenen Modell des Targets zurück. Für eine kleine Dickeδx folgt für die <strong>Wechselwirkung</strong>swahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Gl. 2.7 unter Verwendungder Taylorentwicklung bis zum ersten Term:P int = 1 − ( 1 − δx λ + . . . ) ≃ δx λ(2.10)Vergleicht man dies <strong>mit</strong> Gl. 2.5 erhält manλ = 1N · σ(2.11)woraus für die Überlebenswahrscheinlichkeit folgtP (x) = e −xλ= e−Nσx(2.12)und für die <strong>Wechselwirkung</strong>swahrscheinlichkeiten:P int = 1 − e −xλF (x)dx = e −xλ2.1.3 Einheiten der Oberflächendichte= 1 − e−Nσx(2.13)dxλ = e−Nσx Nσ dx (2.14)Eine häufig verwendete Einheit zur Beschreibung der Dicke eines Absorbers ist dieOberflächendichte oder die Massendicke. Sie ist über die Dichte des Materials unddessen Dichte in SI-Einheiten gegebenMassendicke ≡ ρ · d (2.15)wobei ρ die Dichte und d die Dicke des Absorbers sei. In der Diskussion der <strong>Wechselwirkung</strong><strong>von</strong> Strahlung <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> ist die Verwendung der Einheit der Massendickezweckmäßiger als die der normalen Dicke, da sie direkt <strong>mit</strong> der Dichte der Streuzentrenim Material zusammenhängt. So<strong>mit</strong> können Materialen unterschiedlicherDichten normiert werden. Dieselbe Massendicke bei verschiedenen Materialien hatnäherungsweise den gleichen Effekt auf die wechselwirkende Strahlung.2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong><strong>Materie</strong>Geladene <strong>Teilchen</strong> werden für die folgenden Beschreibungen in zwei Klassen eingeteilt,in Elektronen und Positronen einerseits und schwere <strong>Teilchen</strong>, wie etwa µ, π,K, p, d oder α <strong>Teilchen</strong>. Die inelastische Kollison der schweren <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> denHüllenelektronen der Atome des Materiales ist im wesentlichen allein verantwortlichfür deren Energieverlust in der <strong>Materie</strong> und verursacht dabei eine Ionisation


30 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>oder Anregung des Materials. Wenn auch der Energietransfer eines einzelnen Stoßessehr gering im Vergleich zur Energie des <strong>Teilchen</strong>s ist, finden auch in einem normalenMedium ausreichend viele <strong>Wechselwirkung</strong>en statt, so dass der kumulativeEnergieverlust beobachtet werden kann. Die Stöße zwichen den <strong>Teilchen</strong> und denHüllenelektronen können so energiereich sein, dass das Elektron aus dem atomarenVerband herausgeschlagen werden kann und selbst ionisierend wirkt. In diesem Fallespricht man <strong>von</strong> δ-Elektronen. Wegen der großen Kernmassen können elastischeStöße der schwereren <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> den Kernen des Materiales vernachlässigt werden.Die inelastischen Stöße sind statistischer Natur, die <strong>mit</strong> einer bestimmten quantenmechanischenWahrscheinlichkeit auftreten. Wegen der großen Zahl an <strong>Wechselwirkung</strong>ensind die Fluktuationen in der Totalenergie klein, weshalb man ohneweitere Einschänkungen <strong>mit</strong> ge<strong>mit</strong>telten Energieverlusten pro Längeneinheit rechnenkann. Diese Größe, der Ionisatinosverlust (oder engl. stopping power) dE/dxwurde erstmals <strong>von</strong> Bethe und Bloch um 1930 <strong>mit</strong> quantenmechanischen Prinzipienhergeleitet.2.2.1 IonisationE E-dE<strong>Teilchen</strong> (Masse M)Abbildung 2.2: Energieverlust eines Teilches beim Durchgang durch <strong>Materie</strong>.dxGeladene <strong>Teilchen</strong> verlieren beim Durchgang durch <strong>Materie</strong> Energie durch Stöße<strong>mit</strong> den Hüllenelektronen der Atome (Abb. 2.2). Der <strong>mit</strong>tlere Energieverlust proWeglänge ist abhängig <strong>von</strong> den Eigenschaften des Mediums und der Kinematik des<strong>Teilchen</strong>s. Bohr beschrieb das Problem zunächst in einer klassischen Rechnung, Betheund Bloch entwickelten da<strong>von</strong> ausgehend unter Einbezug quantenmechanischerPhänomene eine den Prozess hinreichend gut beschreibende Formel.Der klassische Fall, Rechung <strong>von</strong> BohrWir gehen <strong>von</strong> einem schweren <strong>Teilchen</strong> der Masse M, der Ladung z · e und derGeschwindigkeit v, das in einem Medium im Abstand b an einem Hüllenelektronvorbeifliege (Abb. 2.3) aus. Das wird Elektron als nicht gebunden und in Ruheangenommen, und es bewege sich während der <strong>Wechselwirkung</strong> nur wenig. Nach der


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 31Abbildung 2.3: Kollision eines schweren geladenen <strong>Teilchen</strong>s <strong>mit</strong> einem Hüllenelektronim Medium.Kollision sei das schwere <strong>Teilchen</strong> wegen der sehr viel größeren Masse (M ≫ m e ) nurwenig <strong>von</strong> seiner ursprünglichen Bahn abgewichen, was einer der wichtigen Gründeist, bei diesen <strong>Wechselwirkung</strong>en zwischen Elektronen und schwereren einfallenden<strong>Teilchen</strong> zu unterscheiden.Es soll nun die vom Elektron gewonnene Energie über den vom schweren <strong>Teilchen</strong>übertragenen Kraftstoß I = p bestimmt werden.∫∫∫I = F dt = e E ⊥ dt = eE ⊥dtdx dx = e ∫E ⊥dxv(2.16)wobei aus Symmetriegründen nur die zur <strong>Teilchen</strong>trajektorie senkrechte Komponentedes elektrischen Feldes E ⊥ berücksichtigt werden muss. Zur Berechnung desIntegrals ∫ E ⊥ dx verwenden wir den Gauss’schen Satz, angewandt auf einen unendlichlangen Zylinder entlang der Flugbahn des <strong>Teilchen</strong>s:woraus folgt:∫E ⊥ 2πb dx = 4πzeI = 2ze2bvund die gewonnene Energie des Elektrons wird dann zu∆E(b) =⇒∫E ⊥ dx = 2 z eb(2.17)(2.18)I2= 2z2 e 4(2.19)2m e m e v 2 b 2Sei nun N e die Dichte der Elektronen dann wird der Energiverlust des <strong>Teilchen</strong> inder Schichtdicke dx zwischen b ud b + db zu:−dE(b) = ∆E(b)N e dV = 4πz2 e 4m e v 2 N edbbdx (2.20)wobei dV = 2πb db dx ist. Um den gesamten Energieverlust zu erhalten, kann manallerdings Gl. 2.20 aus physikalischen Gründen <strong>von</strong> b = 0 . . . b = ∞ integrieren, fürb = 0 liefert Gl. 2.19 einen unendlichen Beitrag und die Annahme kurzer <strong>Wechselwirkung</strong>szeitenwird für große b falsch. Die Integration muss demnach innerhalb derGrenzen b min und b max erfolgen, in denen Gl. 2.19 anwendbar ist:− dEdx = 4πz2 e 4m e v N 2 e ln ( b ) maxb min(2.21)


32 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Im klassischen Fall beträgt der maximale Energieübertrag in einem zentralen Stoß12 m e(2v) 2 , wenn wir das Problem relativistisch betrachen wird der Energieübertragzu 2γ 2 m e v 2 . Mit Gl. 2.19 erhält man2z 2 e 4m e v 2 b 2 min= 2γ 2 mv 2 ⇒ b min = ze2γm e v 2 (2.22)Zur Herleitung <strong>von</strong> b max lassen wir die Anfangsannahme fallen, dass das Elektonfrei sei, sondern nehmen an, daß es <strong>mit</strong> einer orbitalen Frequenz ν in der Atomhüllegebunden sei. Da<strong>mit</strong> das Elektron Energie absorbieren kann, muss die durch dasvorbeifliegende <strong>Teilchen</strong> verursachte Störung kurz im Vergleich zur Periode τ = 1 νsein. Die typische Zeit einer Kollision ist in unserem Beispiel t ≈ b , relativistischvgerechnet wird dies zu t → t = b , woraus folgt:γ γvbγv ≤ τ = 1 ν(2.23)Ausgehend <strong>von</strong> einer <strong>mit</strong>tleren Frequenz ¯ν, ge<strong>mit</strong>telt über alle gebundenen Zustände,erhält man für die obere Grenze <strong>von</strong> b:b max = γ¯ν(2.24)Wenn man nun die beiden Bedingungen für b max und b min in Gl. 2.21 einsetzt, erhältman die klassische Bohr’sche Formel− dEdx = 4πz2 e 4m e v N 2 e ln ( γ 2 mv 3 )ze 2¯ν(2.25)Diese Gleichung beschreibt den Energieverlust in <strong>Materie</strong> für α-<strong>Teilchen</strong> und schwerereKerne in guter Näherung. Für leichtere <strong>Teilchen</strong>, wie etwa Protonen, wird dieFormel wegen auftretenden quantenmechanischen Effekten falsch.Die Bethe-Bloch FormelAusgehend <strong>von</strong> der klassichen Formel des Energieverlustes <strong>von</strong> Strahlung in <strong>Materie</strong>(Gl. 2.25) haben Bethe und Bloch zur Herleitung ihrer Formel die quantenmechanischenund relativistischen Effekte in die Rechnungen <strong>mit</strong>einbezogen. Ferner wurdeder Energieübertrag nicht mehr durch den Stoßparameter b parametrisiert sonderndurch den Impulsübertrag, der einer messbaren physikalischen Größe entspricht. DieFormel ist allgemein als die Bethe-Bloch Formel bekannt und bildet den Ausgangfür alle Berechnungen zum Energieverlust <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> in <strong>Materie</strong>:− dEdx = 2πN Lr 2 em e c 2 ρ Z A · z2β 2 [ln ( 2m e c 2 v 2 γ 2 ∆T maxI 2 )− 2β2 ] (2.26)Es zeigt sich in der Praxis, dass zwei weitere Korrekturterme hinzugefügt werdenmüssen, die Dichtekorrektur δ sowie eine Schalenkorrektur C:− dEdx = 2πN Lre 2 m ec 2 ρ Z A · z2 [ ( 2m e c 2 v 2 γ 2 ∆T ) maxln − 2β 2 − δ − 2 C ]β 2 I 2Z(2.27)


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 33Dabei sind:- r e : klassischer Elektronenradius, m e : Masse des Elektrons,N L : Avorgad’sche Zahl- z und β sind Ladungszahl und Geschwindigkeit des passierenden <strong>Teilchen</strong>s- Z, A und ρ sind Kernladungszahl, Massenzahl und Dichte des Mediums- I ≈ 16 · Z 0.9 eV: effektives Ionisationspotential der Atome im Medium- ∆T max ist der maximale Energieübertrag auf ein Hüllenelektron bei einemzentralen Stoß (M Masse des <strong>Teilchen</strong>s):2m e c 2 β 2 γ 2∆T max =1 + 2γm e /M + (m e /M) 2≈ 2m e c 2 β 2 γ 2 für γm e ≪ M= m e c 2 (γ − 1) für m e = M(2.28)- C: Schalenkorrekturen bei kleinen Energien,δ: Dichtekorrekturen bei großen Energien- 2πN L r 2 em e c 2 = 0.1535 MeVcm 2 /g[ ]dEIm Allgemeinen wird der Energieverlust auf die Dichte tabelliert: MeVcm 2ρdx g .In Abb. 2.4 ist die charakteristische Abhängigkeit des Energieverlustes <strong>von</strong> derEnergie dargestellt. Bei kleineren Energien dominiert der 1/β 2 -Term, bei hohenEnergien der ln γ 2 -Term. Ferner ist der Einfluss der Korrekturterme C und δ beigroßen Energien ersichtlich. Die Abhängigkeit des Energieverlustes <strong>von</strong> verschiedenenMaterialien wird in Abb. 2.5 gezeigt. Die Dichtekorrektur ist für Gase (He)wesentlich kleiner als für Festkörper. Der Anstieg bei hohen Energien ist ein relativistischerEffekt: die transversale Komponente des elektrischen Feldes wächst <strong>mit</strong> γ,die Reichweite des Feldes wird allerdings durch die Abschirmwirkung der umgebendenAtome begrenzt 1 . Zwischen dem 1/β 2 -Abfall und dem relativistischen Anstiegliegt ein breites Minimum bei γ ≈ 3.6 oder β ≈ 0.96. Man spricht hierbei <strong>von</strong> einemminimalionisierenden <strong>Teilchen</strong>. Die β- bzw. γ-Abhängigkeit wird zur Identifikation<strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> benutzt: bei gleichem Impuls haben verschiedene <strong>Teilchen</strong> auf Grundihrer unterschiedlichen Massen verschiedene Werte <strong>von</strong> β oder γ, was sich in einerVerschiebung der dE/dx-Kurve zeigt. Wenn der Impuls des <strong>Teilchen</strong>s beispielsweiseaus der Messung der Ablenkung in einem magnetischen Feld bekannt ist, kannman die <strong>Teilchen</strong> in der dE/dx-Verteilung zuordnen. Eine solche Messung in einerDriftkammer ist in Abb. 2.6 dargestellt.1 Dichteeffekt: Sättigung <strong>von</strong> dE/dx bei hohen Energien


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 35Abbildung 2.5: Energieverlust geladener <strong>Teilchen</strong> in verschiedenen Materialien.ReichweiteIn ausreichend dickem Material werden die <strong>Teilchen</strong> vollständig absorbiert, wenn sieihre gesamte kinetische Energie T verloren haben. Die Strecke, die sie zurücklegen,bevor sie vollständig absorbiert werden, nennt man die Reichweite R, die einenwohldefinierten Wert hat, und für die selben <strong>Teilchen</strong> im selben Material immer denannähernd gleichen Wert hat.dE = dEdE(T ) · dx bzw. dx =dx dE/dx⇒ R(T 0 =∫ T00dEdE/dx (2.29)Die Reichweite eines <strong>Teilchen</strong>s aufgrund seines Energieverlustes durch Ionisation hatbei einer bestimmten Energie einen festen Wert <strong>mit</strong> einer sehr geringen Streuung,beim Durchgang eines <strong>Teilchen</strong>strahles durch <strong>Materie</strong> bleibt deshalb die <strong>Teilchen</strong>zahlnahezu konstant bis zu einer relativ scharfen Abbruchkante (siehe Abb. 2.7 undAbb. 2.8). Der Grund, dass nicht alle <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> einem Schlag bei der Absorbtionskanteverschwinden, liegt in der statistischen Natur des Streuprozesses. Zwei<strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> derselben Anfangsenergie unterliegen nie exakt der selben Zahl anKollisionen, eine Messung eines Ensembles identischer <strong>Teilchen</strong> zeigt deshalb einestatistische Verteilung um einen Mittelwert, der in erster Näherung gaussisch ist.


36 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>In Gl. 2.29 wird die Reichweite bestimmt, berücksichtigt aber keine Mehrfachstreuung.Es zeigt sich, dass der Effekt der Vielfachstreuung im Allgemeinen klein ist fürschwere geladene <strong>Teilchen</strong>. In der Praxis benutzt man meist eine semi-empirischeFormel:∫ ( )T0−1dER(T 0 = R 0 (T min ) +dE (2.30)T min dxwobei T min die minimale Energie ist, bei der die Bethe-Bloch-Formel (Gl. 2.27) gültigist.NdN ~ N dxdEdxxAbbildung 2.7: <strong>Teilchen</strong>zahl und Energieverlust pro Weglänge als Funktion der imMedium zurückgelegten Strecke.xAbsorptionsprozesse <strong>mit</strong> dN = −µdx führen dagegen zu einem exponentiellenAbfall der <strong>Teilchen</strong>zahl (z.B. bei Photonen). Bei <strong>Teilchen</strong>, die an der starken Kernkraftteilhaben 2 kommt es häufig bei der Absorptionskante zu einer sehr hohenDichte der deponierten Energie. Dies wird (z.B.) vor allem in der Strahlentherapieausgenutzt. Der Grund dafür ist, dass die <strong>Teilchen</strong> zuerst abgebremst werdenmüssen, bevor sie vom Kern absorbiert werden können. Beim Absorptionsprozesshingegen wird dann die gesamte noch verbleibende Energie auf einmal deponiert.In der Kernphysik werden Reichweitemessungen zur Enerergiebestimmung <strong>von</strong>Protonen, α-<strong>Teilchen</strong> oder anderen Kernen benutzt (siehe Abb. 2.9). Schwere <strong>Teilchen</strong>kommen aufgrund ihrer Masse weniger weit, haben aber eine höhere Ionisationsdichte.Für den Strahlenschutz ist es <strong>von</strong> Bedeutung, wie weit eine bestimmteStrahlung in ein Medium eindringen kann. Dies ist in Tab. 2.1 für einige Besipieledargestellt.2 Hadronen: Protonen, Neutronen, Pionen oder ganze Atomkerne


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 37Abbildung 2.8: Energieverlust pro Weglänge im Körpergewebe. Die Überhöhung amEnde kann gezielt zur maximalen lokalen Energiedeposition genutzt werden.Statistische FluktuationenDie Bethe-Bloch-Formel (Gl. 2.27) gibt das <strong>mit</strong>tlere dE/dx an. Statistische Fluktuationenwerden durch die Landau-Verteilung beschrieben, die einen Gauss-artigenAnteil 3 und einen exponentiell abfallenden Ausläufer zu großen Energiverlustwertenbis zu ∆T max hat (siehe Abb. 2.10). Dabei entsprechen die großen Werte den seltenenharten Stößen, bei denen viel Energie auf ein einzelnes Elektron übertragenwird (δ-Elektronen).3 entsprechend den vielen Ionisationsprozessen bei kleinen Energieverlusten


38 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong><strong>Teilchen</strong> Energie Reichweite [m][MeV] Luft WasserElektronen 0.1 0.13 1.4 · 10 −41.0 3.80 4.3 · 10 −310.0 40.0 4.8 · 10 −2Protonen 0.1 1.3 · 10 −3 1.6 · 10 −61.0 2.3 · 10 −2 2.8 · 10 −510.0 1.2 1.5 · 10 −3α-<strong>Teilchen</strong> 0.1 1.2 · 10 −3 1.4 · 10 −61.0 5.0 · 10 −3 6.1 · 10 −610.0 9.5 · 10 −2 1.2 · 10 −4Tabelle 2.1: Reichweiten <strong>von</strong> Elektronen, Protonen und α-<strong>Teilchen</strong> in Luft und Wasser.900008000070000600005000040000most probable dE/dxLandau distribution ofminimum ionising pionsp = 400 - 800 MeV/c(dE/dx) mp= 6.8 keV/cm300002000010000→ 30% of highest chargetruncated00 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50dE/dx (keV/cm)Abbildung 2.10: Landau-Verteilung verschiedener in Abb. 2.6 gemessener dE/dx-Werte.dE/dx für gemischter GaseIn gasgefüllten Detektoren wird meisst eine Mischung verschiedener Gase verwedet,da das einerseits die entstandenen Ladungen verstärken muss, aber anderseits dersich ausbreitende Schauer begrenzt werden muss. Da beide Funktionalitäten nichtin einem Gas vorhanden sein können, werden Gemische verwendet, typischerweise


40 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>2.2.2 BremsstrahlungBei der <strong>Wechselwirkung</strong> geladener <strong>Teilchen</strong>strahlung <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> nehmen dieElektronen und Positronen auf Grund ihrer kleinen Massen eine Sonderrolle ein.Während der Energieverlust schwerer <strong>Teilchen</strong> in <strong>Materie</strong> im Wesentlichen auf Ionisationberuht (Gl. 2.27) kommt bei Elektronen und Positronen die Emission elektromagnetischerStrahlung aus Streuprozessen in den starken elektrischen Kernfeldernhinzu, was als Bremsstrahlung bezeichnet wird. Klassisch kann dies als Beschleunigungder Elektronen oder Positronen im Coulombfeld eines Kerns verstanden werden,und beschleunigte Ladungen strahlen Photonen ab. Bei Energien unterhalbeiniger MeV ist der Beitrag der Bremsstrahlung zum gesammten Energieverlust des<strong>Teilchen</strong>s in <strong>Materie</strong> klein gegenüber der Ionisation, wird aber ab einigen 10 MeV<strong>von</strong> vergleichbarer oder überwiegender Größenordnung wie die Ionisation und dominiertab einer bestimmten kritischen Energie total. Der totale Energieverlust <strong>von</strong>Elektronen und Positronen in <strong>Materie</strong> hat demzufolge zwei Anteile:Ionisationsverlust( ) dE=dxtot( ) dE+dxrad( ) dEdxion(2.33)Die grundlegenden Mechanismen des Ionsisationsprozesses können <strong>von</strong> der Herleigungder Bethe-Bloch-Formel (Gln. 2.26 und 2.27 in Kap 2.2.1) übernommen werden.Es ergeben sich zwei wesentliche Änderungen. Auf Grund der sehr kleinenElektronenmasse ist die Annahme, dass das eindringende <strong>Teilchen</strong> vor dem Ionisationsprozessnicht abgelenkt werde, nicht mehr richtig. Andererseits ist der Ionisationsprozessin diesem Falle ein <strong>Wechselwirkung</strong> zwischen identischen <strong>Teilchen</strong>, sodass deren Ununterscheidbarkeit in die Rechnung <strong>mit</strong> einbezogen werden muss.BremsstrahlungBei Energien unterhalb einiger hundert GeV sind Elektronen und Positronen die einzigen<strong>Teilchen</strong>, bei denen elektromagnetische Strahlung substantiell zum Energieverlustin <strong>Materie</strong> beiträgt. Die Emissionswahrscheinlichkeit ist umgekehrt proportionalzum Massenquadrat (σ ∝ r 2 e = (e 2 /mc 2 ) 2 ), so<strong>mit</strong> wird der Strahlungsverlust fürMyonen, dem nächst leichtesten <strong>Teilchen</strong> nach dem Elektron (m µ ≈ 105 MeV) rund40.000 mal kleiner als im Falle der Elektronen. Der zugehörige Feynmann-Graphsieht wie folgt aus:e -γZe


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 41Da die Bremsstrahlung <strong>von</strong> der Stärke des auf das Elektron einwirkenden elektrischenFeldes abhängt, spielt die Abschirmung des Kernfeldes durch die atomarenElektronen eine wesentliche Rolle. So<strong>mit</strong> wird der Wirkungsquerschnitt der Bremsstrahlungzusätzlich zur Energie des einfallenden Elektrons <strong>von</strong> dessen Stoßparameterund der Kernladungszahl Z des Materials abhängig. Der Effekt der Abschirmungkann durch den Parameter ξ beschrieben werden:ξ = 100m ec 2 hνE 0 EZ 1 3(2.34)wobei E 0 die totale Anfangsenergie und E die Endenergie des Elektrons seien, hν =(E 0 − E) ist die Energie des e<strong>mit</strong>tierten Photons. Dieser Parameter ist klein fürkomplette Abschirmung (ξ ≃ 0) und groß für keine Abschirmung (ξ ≫ 1). Für diebeiden Fälle erhält man dann für den Wirkungsquerschnitt:ξ ≫ 1 : dσ = 4Z 2 r 2 eα dννξ ≃ 0 : dσ = 4Z 2 r 2 e αdν ν(1 + ɛ 2 − 2ɛ )( 2E 0 E ln(3 m e c 2 hν ) − 1 2 − f(Z)) (2.35)( (1+ ɛ 2 − 2ɛ )( 183 ln( ) − f(Z) ) + ɛ )(2.36)39wobei ɛ = E/E 0 ist. Die Funktion f(Z) ist eine kleine Korrektur zur Bornapproximationwelche die Coulomb-<strong>Wechselwirkung</strong> des Elektrons <strong>mit</strong> Kernfeld berücksichtigt.Den Energieverlust erhält man nun durch Integration des Wirkungsquerschnittesüber den erlaubten Bereich multipliziert <strong>mit</strong> der Photonenergie:( ) ∫ dEν0− = N · hν dσdx0 dν (E 0, ν) dν (2.37)radwobei N die Anzahl der Atome pro cm 3 sei (N = ρ · N L /A) und ν 0 = E 0 /h seien.Gl. 2.37 kann umgeschrieben werden als( ) dE− = N · E 0 · Φ rad <strong>mit</strong>dxradΦ rad = 1 ∫hν dσE 0 dν (E 0, ν) dν (2.38)Daraus wird ersichtlich, daß Φ rad , wegen der Proprotionalität <strong>von</strong> dσ/dν zu ν −1 ,praktisch unabhängig <strong>von</strong> ν ist und so<strong>mit</strong> eine reine Materialgröße ist. Für diebeiden Grenzfälle gilt nun:• E 0 ≫ 137 · m e c 2 Z − 1 3 , ξ ≃ 0: komplette AbschirmungΦ rad = 4Z 2 re 2 α( ln( 183 ) + 1Z 1 3 18 − f(Z)) (2.39)• m e c 2 ≪ E 0 ≪ 137 · m e c 2 Z − 1 3 , ξ ≫ 1: keine AbschirmungΦ rad = 4Z 2 r 2 e α( ln( 2E 0m e c 2 ) + 1 3 − f(Z)) (2.40)Z 1 3


42 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Bei Werten <strong>von</strong> ξ, die zwischen den beiden Grenzwerten liegen, muss Gl. 2.37 numerischintegriert werden. Abschließend ist es interessant, die Beiträge der Ionisation(Gl. 2.27)und der Bremsstrahlung (Gl. 2.37) <strong>mit</strong>einander zu vergleichen (Abb. 2.11).Während der Energieverlust durch Ionisation logarithmisch <strong>von</strong> der Energie und linear<strong>von</strong> Z abhängt, sind die Abhängigkeiten beim Strahlungsverlust linear zurEnergie und quadratisch <strong>mit</strong> Z. Das erklärt die starke Zunahme der Bremsstrahlungsverluste<strong>mit</strong> der Energie.Abbildung 2.11: Energieverlust durch Ionisation und Bremsstrahlung für Elektronenund Protonen als Funktion der Energie. Zum Vergleich ist zusätzlich dE/dx fürProtonen dargestellt.In der Weizäcker-Williams-Approximation kann man den Bremsstrahlungsprozessauf die Thomson-Streuung zurückführen. Man beschreibt dabei den Prozessim Ruhesystem des Elektrons und transformiert ihn anschliessend ins Laborsystemzurück und findet dabeidEdx = N −4Z2 L · ρAwobei x 0 die Strahlungslänge ist.Kritische Energiere2137 E e ln ( 183) E e = − (2.41)Z 1 3 x 0Die unterschiedlichen Abhängigkeiten <strong>von</strong> der Kernladungszahl Z des Energieverlustes<strong>von</strong> der Energie (Ionisation ∼ Z · ln E, Bremsstrahlung ∼ Z 2 · E) bedingt,dass bei niedriger Energie die Ionisation und bei höherer Energie die Abstrahlungdominiert und stark <strong>von</strong> Absorbermaterial abhängt. Bei der kritischen Energie E ksind beide Energien gleich groß (siehe Abb. 2.11):( dEdx (E k) ) = ( dErad dx (E k) ) (2.42)ion


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 43und variieren <strong>mit</strong> dem Medium etwa wie E k ≈ 600 MeV/Z. Einige Zahlenwertesind in Tab. 2.2 angegeben. Eine approximative Formel für E k findet man in derLiteratur:800 MeVE k ≃ (2.43)Z + 1.2StrahlungslängeDie Größe x 0 ist die Strahlungslänge, x 0 ist die im Medium zurückgelegte Strecke,nach der die <strong>Teilchen</strong>zahl auf den 1/e-ten Teil abgesunken ist oder das <strong>Teilchen</strong> den1/e-ten Teil seiner Energie verloren hat. Wenn man Gl. 2.37 etwas umstellt, erhältman:− dE E = NΦ rad dx (2.44)Betrachtet man nur den Bereich großer Energien, in dem Ionisationsprozesse vernachlässigtwerden können, so ist Φ rad unanbhängig <strong>von</strong> E (Gl. 2.39) und es giltE = E 0 · e − x x 0 (2.45)1wobei x die im Medium zurückgelegte Strecke ist und x 0 =NΦ raddie Strahlungslänge.Entsprechend der Bethe-Bloch-Gleichung (2.27) ist die Strahlungslängex 0 durch die Eigenschaften des Mediums gegeben. Mit Gl. 2.39 erhält man dann fürdie Strahlunglänge1= 4 α re 2 x Z(Z + 1) · NL · ρ0 A · (ln( 183 ) − f(Z) ) (2.46)Z 1 3Einige Werte der Strahlungslängen für verschiedene <strong>Materie</strong>alien sind in Tab. 2.2zusammengestellt.Material Z x 0 [mm] E k [MeV]H 2 O 1/8 361.0 92.0Al 13 89.0 51.0Cu 14.3 24.8Fe 26 17.6 27.4Pb 82 5.6 9.5Luft 300500.0 102.0NaI 25.9 17.4Polystyren 429.0 109.0Tabelle 2.2: Strahlungslängen und kritische Energien.istEin hilfreiche Approximation, die die Werte <strong>von</strong> x 0 im Prozentbericht wiedergibt,716.4 g/cm 2 Ax 0 =Z(Z + 1) ln(287/ √ (2.47)Z)


44 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>wobei Z und A die atomaren Zahlen sind. In der praktischen Anwendung werdenMaterialdichten häufig in Strahlungslängen angegeben (x = a · x 0 ), so dass Gl. 2.37wie folgt geschrieben werden kann:− ( dE )≃ E0 (2.48)daHieraus folgt, dass der Energieverlust in Einheiten der Strahlungslänge nur proportionalzur Anfangsenergie ist, aber nicht <strong>von</strong> den Eigenschaften des Absorbersabhängt.Auch für die Strahlungslänge gilt, analog zu Gl. 2.31, im falle eines Gemisches,daß sich die Strahlungslängen entsprechend des relativen Anteiles reziprok addieren:1L rad= ∑ ∀iw i ( 1L rad)i(2.49)2.2.3 Cherenkov-StrahlungCherenkov-Strahlung bildet sich dann aus, wenn sich ein geladenes <strong>Teilchen</strong> in einemMedium <strong>mit</strong> höherer Geschwindigkeit als die entsprechende Lichtgeschwindigeit desMediums bewegt. Dies Geschwindigkeit ist gegeben durchβ · c = v = c n(2.50)wobei n der Brechungsindex und c die Vakuumslichtgeschwindigkeit seien(Abb. 2.12)Abbildung 2.12: Polarisation des Mediums durch ein <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> β < β C (β ≪ 1)und β > β C (β ≈ 1).Da<strong>mit</strong> sich Cherekovlicht ausbilden kann, muss das <strong>Teilchen</strong> die Geschwindigkeitv T eilchen > c n(2.51)


2.2 <strong>Wechselwirkung</strong>en geladener <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 45haben, so dass sich eine elektromagnetische Schockwelle ausbilden kann 4 Das Prinzipist in Abb. 2.13 dargestellt. Die kohärente Wellenfront wird unter einem bestimmtenWinkel θ C konusartig entlang der Flugrichtung des <strong>Teilchen</strong>s e<strong>mit</strong>tiert:cos θ C =1n(ω) · β(2.52)Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Cherenkov-Winkel <strong>von</strong> der Geschwindigkeitdes <strong>Teilchen</strong>s β und der Frequenz ω der e<strong>mit</strong>tierten Strahlung abhängt.Abbildung 2.13: Ausbildung der Cherenkovstrahlung.Die oben angestellte Rechung ist allerdings nur für unendlich ausgedehnte Mediengültig. Für ein <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> der Ladung z·e, das sich gleichmäßig durch ein Materlialder Dicke l bewege, gilt für die in das Raumwinkelelement dΩ abgestrahlte Energieim Frequenzbereich dω:d 2 (E αωl= z2dωdΩ c nβ2 sin 2 θ C2πβcwobei n der Brechungsindex und für ξ(θ) gelte:) 2sin ξ(θ) · (2.53)ξ(θ)ξ(θ) = ωl (1 − βn cos θ) (2.54)2βcDer Term (sin ξ/ξ) 2 erinnert an die Beschreibung einer Beugung, Cherenkov-Strahlung wird also änhlich wie ein Beugungsmuster e<strong>mit</strong>tiert, <strong>mit</strong> einem grossenMaximum bei cos θ C = (βn) −1 gefolgt <strong>von</strong> weiteren kleineren Maxima.Wenn nun l sehr viel größer als die Wellenlänge λ = ω/c ist, wird der (sin ξ/ξ)Term näherungsweise zu der Delta-Funktion δ(1−βn cos θ), welche verlangt, dass dieCherenkov-Strahlung unter dem in Gl. 2.52 definierten Winkel e<strong>mit</strong>tiert wird. Mitcos θ C < 1 folgt, dass die Schwelle, ab der Cherenkovlicht entstehen kann, 1 < β ist,nwas die einfachen Überlegungen <strong>von</strong> oben bestätigt. Im Allgemeinen ist n abhängig<strong>von</strong> ω, so dass der Emissionswinkel für verschiedene Frequenzen unterschiedlich ist.4 Das Prinzip ist aus dem akustischen Bereich besser bekannt: Ein Überschallflugzeug verursachteinen Überschallknall.


46 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Um nun die e<strong>mit</strong>tierte Energie pro Weglänge zu finden, integriert Gl. 2.53 manüber den Raumwinkel:− dEdω= z2αc ωl sin2 θ C (2.55)Durch Division <strong>mit</strong> l und Integration über die Frequenzen, für die die Bedingungβ > 1/n(ω) erfüllt sind, ergibt sich:− dEdx= z2αc∫sin 2 θ C ω dω = z 2 αc∫ ( 1 −)1ω dω (2.56)β 2 n 2 (ω)Der Energieverlust nimmt demnach <strong>mit</strong> β zu, ist aber in Vergleich zum Energieverlustdurch Ionisation auch im relativistischen Bereich klein und ist im Korrekturtermder Behte-Bloch-Gleichung (Gl. 2.27) enthalten.Eine für den Detektorbau wichtige Größe ist die Anzahl e<strong>mit</strong>tierter Photonen,wenn ein <strong>Teilchen</strong> durch ein spezifisches Medium fliegt. Diese erhält man, wennGl. 2.55 durch l und ω dividiert wird:d 2 ()N γdωdx = z2 αcsin2 θ c = z2 α 11 −c β 2 n 2 (ω)(2.57)oder als Funktion der Wellenlänge λ:d 2 ()N γdλdx = 2πz2 α 11 −λ 2 β 2 n 2 (λ)(2.58)Ein Phothomultiplier (Beschreibung folgt in Kap. 4.4) arbeitet typischerweisse ineinem Wellenlängenbereich <strong>von</strong> λ ∈ [350, 550] nm. Integriert man nun Gl. 2.58 überdiesen Wellenlängenbereich, so erhält man die sehr nützliche NäherungsformeldN γdx = 2πz2 α sin 2 θ c∫ λ2λ 1d λλ ≃ 2 475z2 sin 2 #γθ ccm(2.59)2.3 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> Photonen <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Das Verhalten der neutralen Photonen ist grundsätzlich verschieden <strong>von</strong> dem geladener<strong>Teilchen</strong>. Da es ein neutrales <strong>Teilchen</strong> ist, können die oben diskutierten Prozessenicht übertragen werden. Abhängig vom Energiebereich unterscheidet man zwischendrei Bereichen:• Photoeffekt: Das Photon überträgt seine gesamte Energie auf ein Hülllenelektron.• Compton-Effekt: Das Photon streut elastisch an einem Hüllenelektron.• Paarbildung: Das Photon konvertiert im Coulomb-Feld des Kernes zu eineme + e − -Paar.


2.3 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> Photonen <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 47Aus diesen Effekten werden zwei typische Charakteristika <strong>von</strong> Photonenstrahlendeutlich: Zum einen sind Röntgen- und γ-Strahlen viel durchdringender als geladene<strong>Teilchen</strong> und zum anderen wird ein Strahl <strong>von</strong> Photonen in einer bestimmtenSchichtdicke <strong>von</strong> Material nicht abgebaut sondern nur in der Intensität abgemildert.Der erste Effekt hat da<strong>mit</strong> zu tun, dass die Wirkungsquerschnitte der obengenannten Prozesse sehr viel kleiner als der der inelastischen Elektronstöße sind.Der zweite Prozess begründet sich darin, dass das Photon nach allen genannten Reaktionenvollständig aus dem Strahl entfernt wird, so dass die Photonen bis zumSchluss ihre volle Anfangsenergie besitzen. Daraus folgt sofort, dass die IntensitätI(x) des Photonenstrahles einem Exponentialgesetz gehorchtI(x) = I 0 · e −µ·x (2.60)wobei µ der Absorptionskoeffizient sei. Der Absoptionskoeffizient ist eine charakteristischeGröße für jedes Material und hängt direkt <strong>mit</strong> dem totalen <strong>Wechselwirkung</strong>squerschnittzusammen. Die Energieabhängigkeit aller Prozesse sowie derenÜberlagerung ist in Abb. 2.14 dargestellt.Abbildung 2.14: Photoabsorbtionswirkungsquerschnitt als Funktion <strong>von</strong> E γ .PhotoeffektBeim Photoelektrischen Effekt wird das Photon <strong>von</strong> einem Hüllenelektron absorbiert,welches dadurch aus der Hülle herausgelöst wird. Die kinetische Energie des


48 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Elektrons ist dann die Energie des Photons abzüglich der Bindugsenergie, und derWirkungsquerschnitt hat die folgenden Abhängigkeiten <strong>von</strong> Z und E γ = h · ν:E e = E γ − E B , σ P hoto ∼ Z n /E 3 γ n ≈ 4 . . . 5 (2.61)γ-eDa ein freies Elektron nicht ein Photon absorbieren und gleichzeitig den Impulserhalten kann, unterliegen dem Photoeffekt nur gebundene Elektronen, so dass derRückstoßimpuls durch den Kern aufgefangen werden kann.Es ist nicht einfach, den Photoeffekt theoretisch herzuleiten, da die Dirac-Wellenfunktionen für Hüllenelektronen sehr komplex sind. Unter der Annahme nichtrelativistischerEnergien (hν ≪ m e c 2 ), kann der Wirkungsquerschnitt <strong>mit</strong> eine Born-Approximation berechnet werden:σ photo = 4α 4√ 2Z 5 8π 3 r3 e( m e c 2hν) 72proAtom (2.62)Abschließend sei noch die Abhängigkeit <strong>von</strong> der Kernladungszahl Z bemerkt, diesich, je nach Photonenergie, in den Bereichen der 4. bis 5. Potenz bewegt (Gl. 2.61).ComptoneffektDer Comptoneffekt ist einer der am besten verstandenen Prozesse der Photonwechselwirkung.Er beschreibt die Streuung <strong>von</strong> Photonen an freien Elektronen. In <strong>Materie</strong>sind die Elektronen allerdings gebunden, wenn die Photonenergie allerdingsgroß gegenüber der Bindungsenergie ist, so kann diese vernachlässigt werden unddas Elektron als quasi frei betrachtet werden. Das Photon streut elastisch an einemHüllenelektron, überträgt dabei einen Teil seiner Energie auf das Elektron und verliertdabei selbst Energie. Der Wirkungsquerschnitt ist proportional zur Zahl derHüllenelektronen und so<strong>mit</strong> zur Kernladungszahl Z:E ′ γ =E γ1 + Eγm ec 2 (1 − cos θ) , σ Compton ∼ N(e − ) ∼ Z (2.63)γe -Zθγ ’


2.3 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> Photonen <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 49Ferner gilt für die kinetische Energie T des gestreuten Elektrons:T = hν − hν ′ γ(1 − cos θ)= hν1 + γ(1 − cos θ)(2.64)wobei γ = hν/m e c 2 ist. Die Berechnung des Wirkungsquerschnittes der Comptonstreuungwar eine der ersten Rechnungen der Quantenelektrodynamik. Er istin seiner Größenordnung durch den Thompson’schen Wirkungsquerschnitt festgelegt(σ T h = 8π 3 r2 e ). Mit der Formel <strong>von</strong> Klein-Nishina erhält man <strong>mit</strong> der Relationσ c = σ T h (1 − 2Eγ ) für Emc 2 γ ≪ mc 2dσdΩ = r2 e2(11 + cos 2 θ + γ2 (1 − cos 2 θ) 2 )(1 + γ(1 − cos θ)) 2 1 + γ(1 − cos θ)(2.65)wobei r e der klassische Elektronenradius ist. Die Winkelverteilung ist dabei stark inVorwärtsrichtung gebündelt (Abb. 2.15).Abbildung 2.15: Energieverteilung der durch Compton-Streuung angestoßenen Elektronen.Integration <strong>von</strong> Gl. 2.65 über dΩ liefert dann die totale Wahrscheinlichkeit proElektron einer Compton-Streuung:σ c = 2πr 2 e( 1 + γ ( 2(1 + γ)γ 2 1 + 2γ − 1 γ ln(1 + 2γ)) + 1 ln(1 + 2γ) −1 + 3γ )2γ (1 + 2γ) 2(2.66)


50 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>PaarbildungBeim Prozess der Paarbildung konvertiert das Photon in ein Elektron-Positronpaar.Dies kann aus Gründen der Impulserhaltung nur in Anwesenheit eines weiterenschweren Objektes wie dem Atomkern geschehen und das Photon muss eine Minimalenergie<strong>von</strong> E γ ≥ 2·m e = 1.022 MeV haben. Der Wirkungsquerschnitt hat danndie Abhängigkeit <strong>von</strong> der Kernladungszahl Z und eine Schwelle bei der doppeltenElektronmasse m e :σ P aar ∼ Z 2 E γ > 2m e (2.67)γe+e-ZeTheoretisch betrachtet ist der Paarbildungsprozess eng über eine einfache Substitution<strong>mit</strong> dem der Bremsstrahlung verwandt. Auch wie im Falle der Bremsstrahlungspielt die Abschirmung der Kernfelder eine wesentliche Rolle, und analog zu Gl. 2.34wird der Abschirmungsparameter ξ definiert:ξ = 100m ec 2 hνE + E − Z 1 3(2.68)wobei E ∓ die Energien des auslaufenden Elektrons/Positrons ist. Analog zum Vorgehenbei der Bremsstrahlung beschränken wir uns wieder auf die Bereiche ohneAbschirmung (ξ ≫ 1) und kompletter Abschirmung (ξ → 0). Im relativistischenBereich erhält man aus einer Born’schen Näherung die folgende Formel für den Fallkeiner Abschrimung (ξ ≫ 1):dτ = 4Z 2 αredE 2 E+ 2 + E2 − + 2E 3 +E −( 2E + E ) −+ ln(hν) 3 hνm e c 2und im Falle der totalen Abschirmung (ξ → 0)(dτ = 4Z 2 dE + (E2αr e(hν) 3 + + E− 2 + 2E +E −3)(ln(183Z 1 3) − f(Z) ) − E )+E −9(2.69)(2.70)Aufgrund der Born-Approximation sind die Formeln <strong>von</strong> Gln. 2.69 und 2.70 nichtsehr genau im Bereich hoher Z und kleiner Energien.Um den totalen Paarproduktionswirkunsquerschnitt zu erhalten, müssen die beidenobigen Ausdrücke (Gln. 2.69 und 2.70) numerisch integriert werden, wiederumgetrennt für die beiden oben erwähnten Fälle. Im Falle keiner Abschirmung <strong>mit</strong>m e c 2 ≪ hν ≪ 137m e c 2 Z − 1 3 erhält man aus einer analytischen Integrationτ pair = 4Z 2 αr 2 e( 79( 2hν lnm e c − 2 f(Z)) − 10954)(2.71)


2.3 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> Photonen <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 51Analog erhält man für den Fall kompletter Abschrimung (hν ≫ 137m e c 2 Z − 1 3 ):( 7 (τ pair = 4Z 2 αre2 183 ln( ) − f(Z) ) − 1 )954Z 1 3(2.72)Aus dem totalen Wirkungsquerschnitt lässt sich wiederum eine <strong>mit</strong>tlere freieWeglänge λ pair der Paarproduktion herleiten. Mit Gl. 2.72 erhält man1= Nτ pair ≃ 7 λ pair 9 4Z(Z + 1)Nr2 e α( ln( 183 ) − f(Z) ) (2.73)wobei N die Dichte der Atome ist. Dies erinnert sehr an die Strahlungslänge x 0 , undder Vergleich <strong>mit</strong> Gl. 2.46 liefertZ 1 3λ pair ≃ 7 9 x 0 (2.74)Elektron-Photon-SchauerDie Kombination der Paarproduktion hochenergetischer Photonen <strong>mit</strong> der Bremsstrahlungder dabei entstehenden Elektronen und Positronen führt zur Formationeines elektromagnetischen Schauers. Dabei spielt es für die Ausbildung des Schauerskeine Rolle, ob das anfängliche <strong>Teilchen</strong> ein Photon oder Elektron (bzw. Positron)war.Ein hochenergetisches Photon konvertiert in <strong>Materie</strong> in ein Elektron- Positronpaar,welche ihrerseits wiederum durch Bremsstrahlung Photonen e<strong>mit</strong>tieren, welchewiederum e + e − -Paare bilden. Dieser Prozess setzt sich solange fort, bis die Energieder Elektronen und Positronen unterhalb der kritischen Energie liegt und sie ihreEnergie durch atomare Stöß verlieren.Die Ausbildung einer Kaskade ist ein statistischer Prozess. Die <strong>mit</strong>tlere Zahl derproduzierten <strong>Teilchen</strong> und deren <strong>mit</strong>tlere Energie werden typischerweise als Funktionder Eindringtiefe bestimmt. Ausgehend <strong>von</strong> einem Photon <strong>mit</strong> der Energie E 0 erhältman nach der <strong>mit</strong>tleren freien Weglänge λ pair (bzw. einer Strahlungslänge, Gl. 2.74)


52 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>ein e + e − -Paar <strong>mit</strong> der jeweiligen Energie E 0 /2. Nach einer Strahlungslänge x 0 stehenfür den Prozess dann 4 Photonen zur Verfügung, jedes <strong>mit</strong> der Energie E 0 /4. Darausist sofort ersichtlich, dass man für die totale Zahl N der produzierten <strong>Teilchen</strong> nacht Strahlungslängen erhältN ≃ 2 t (2.75)jedes <strong>mit</strong> einer <strong>mit</strong>tleren Energie <strong>von</strong>E(t) ≃ E 02 t (2.76)Unter der Annahme, dass der Schauer abrupt bei Erreichen der kritischen EnergieE c abbricht, erhält manwas aufgelöst nach t max liefertE(t max ) = E 02 tmax = E c (2.77)t max = ln E 0E cln 2(2.78)Die maximale Anzahl der produzierten <strong>Teilchen</strong> ist dannN max ≃ E 0E c(2.79)Der Schauer weitet sich während seiner Ausbildung entlang der Strahlachse auf.Dies wird verursacht durch den endlichen Öffnungswinkel zwichen dem Elektronund Positron aus der Paarproduktion, welcher die <strong>Teilchen</strong> aus der Longitudinalachsestreut, ferner durch Vielfachstreuung der Elektronen und schließlich durch dieEmission <strong>von</strong> Bremsstrahlungsphotonen, die sich <strong>von</strong> der Strahlachse weg bewegen.Die transversale Komponente dieses Prozesses bezeichnet man als Molier RadiusR M (Ab. 2.16) und bestimmt sich ausR M = x 0 · EsE c(2.80)wobei E s = m e c 2√ 4π/α = 21.2 MeV und E c die kritische Energie ist. Genau wiedie Strahlungslänge skaliert der Mollier-Radius sehr genau <strong>mit</strong> verschiedenen Materialien,so dass die Resultate in Abhängigkeit <strong>von</strong> R M in guter Näherung nahezuunabhängig vom Material sind.


2.3 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> Photonen <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong> 53Abbildung 2.16: Mollierradius R M eines elektromagnetischen Schauers in Einheitender Strahlungslänge x 0 .Die genaue Kenntnis der longitudinalen und transversalen Komponenten derSchauerbildung ist <strong>von</strong> großer Wichtigkeit für die Planung und den Bau <strong>von</strong> elektromagnetischenKalorimetern. Solche Detektoren werden gebaut, um die Gesamtenergiehochenergetischer <strong>Teilchen</strong> durch Absorption der Kaskade zu messen. DasMaterial des Detektors sowie dessen Größe werden durch die Charakteristik des jeweiligenEnergieverlustes bestimmt. Um zum Bespiel einen Schauer <strong>von</strong> 30 GeV inEisen zu absorbieren, wird beispielsweise ein Block einer Größe <strong>von</strong> mindestens 20Strahlungslängen benötigt.Totaler PhotonabsorptionskoeffizientDie totale Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon in <strong>Materie</strong> irrgend eine <strong>Wechselwirkung</strong>macht, ist die Summe aller oben diskutierten Prozesse. Für den Wirkungsquerschnittpro Atom erhalten wir dannσ γ = Φ photo + Z · σ c + τ pair (2.81)wobei der Compton-Wirkungsquerschnitt <strong>mit</strong> der Kernladungszahl Z multipliziertwurde, um die Z Elektronen pro Atom zu berücksichtigen. Die Überlagerung unddie relative Stärke aller Prozesse ist in Abb. 2.17 dargestellt.


54 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Abbildung 2.17: Absorptionskoeffizient pro Schichtdicke <strong>von</strong> Photonen in Blei.Aufgrund dieser Effekte werden Photonen proportional zur zurückgelegten Wegstreckeabsorbiert. Die Absorptionswahrscheinlichkeit pro Weglänge wird im Absorptionskoeffizientenµ angegeben:− 1 NdNdx = µ = dN T · σdx · F= ρN LA σ (2.82)also folgt die Anzahl der Photonen in einem Strahl einem Exponentialgesetz:N(x) = N 0 e −µx (2.83)Für den Absorbtionskoeffizienten µ gilt dann bei der Überlagerung aller drei Effekte:µ = µ photo + µ c + µ pair , µ i = N · σ i = N L · ρA · σ i (2.84)Für zusammengesetzte Medien bestimmt man dann den effektiven Massenabsorptionskoeffizienten<strong>mit</strong>tels( ) µ= ∑ ( )µiw i w i = Gewichtsprozent (2.85)ρ ρ ieffDies gleicht dem Verhalten geladener <strong>Teilchen</strong>, die durch Ionisation kontinuierlichEnergie verlieren und eine bestimmte (diskrete) Reichweite haben (siehe Abb. 2.7).In Abb. 2.17 sind die Beiträge zur Absorption <strong>von</strong> Photonen als Funktion der Photonenergiein Blei dargestellt. Abgesehen <strong>von</strong> einem schmalen Bereich um ca. 1 MeVwird die Absorption <strong>von</strong> Paarbildung und Photoeffekt dominiert, für leichtere Materialienwird entsprechend der Z-Abhängigkeit der Bereich des Comptoneffektes


2.4 Hadronische <strong>Wechselwirkung</strong>en 55¢§¦breiter. Zum Abschluss vergleichen wir nochmals die verschiedenen Photoabsorptionsprozesse:σσ(E γ groß)Photoeffekt ∝ Z 4 . . . Z 5 ∝ 1/E γComptoneffekt ∝ Z ∝ 1/E γPaarbildung ∝ Z 2 const.2.4 Hadronische <strong>Wechselwirkung</strong>enNeben den oben diskutierten elektromagnetischen <strong>Wechselwirkung</strong>en, finden fürstark wechselwirkende <strong>Teilchen</strong> auch hadronische Prozesse statt. Hadronische Wirkungsquerschnittesind in der Regel <strong>von</strong> der Größenordung der geometrischen Querschnittsflächender Kerne des Mediums. Da die Kernkräfte eine extrem kurz Reichweitehaben, ist die Kerndichte nahezu konstant und das Kernvolumen proportionalzur Kernmassenzahl A und der Kernradius zu A 1 3 woraus sich eine Proportionalitätdes Wirkungsquerschnittes zu A 2 3 ergibt.Genau wie elektromagnetisch wechselwirkende <strong>Teilchen</strong> können auch HadronenSchauer erzeugen. Die Bildung eines hadronischen Schauers läuft prinzipiell gleich abwie bei einem elektromagnetischen Schauer, <strong>mit</strong> dem Unterschied, dass der hadronischeSchauer irregulär ist und größere Fluktuationen zeigt und eben die hadronische<strong>Wechselwirkung</strong> dominiert:p + Kern → π + + π − + π 0 + . . . + Kern ∗Kern ∗ → Kern1 + n + p + α + . . . + ev.KernspaltungDie hochenergetischen π’s erleiden wiederum <strong>mit</strong> den Kernen des Materials vieleinelastische Stöße und erzeugen weitere <strong>Teilchen</strong>. Da für die π 0 der dominante Zerfallin π 0 → 2γ ist, bildet sich parallel zum hadronischen immer ein elektromagnetischerSchauer aus. Dies ist in Ab. 2.18 dargestellt.¡ ¡ ¡£ £§©¨§©¨§¤¦¥Abbildung 2.18: Ausbildung eines hadronischen Schauers und des parallelen elektromagnetischenSchauers.Die entsprechende charakteristische Länge bezeichnet man als die nukleare <strong>Wechselwirkung</strong>slängeλ had :λ had =1σ had · N =Aσ pN · A 2 3 · N L · ρ ∝ A 1 3 (2.86)


56 <strong>Wechselwirkung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teilchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Materie</strong>Es zeigt sich, dass sowohl die transversale als auch die lonigitudinale hadronischeSchauerverteilung duch die nukleare <strong>Wechselwirkung</strong>slänge charakterisiert wird. DieLänge eines Absorbers die benötigt wird, um einen <strong>Teilchen</strong>strahl zu absorbieren,wächst logarithmisch <strong>mit</strong> dessen Energie an, typische Längen sind 6 · . . . 9 · λ had .In den vorhergehenden Abschnitten hatten wir gesehen, dass für elektromagnetischeSchauer die longitudinale Ausdehnung propotional zur Strahlungslänge x 0 ∝ A Z 2und die transversale Ausdehnung proportional zum Molier-Radius R M ∝ X 0E cist.So<strong>mit</strong> unterscheiden sich elektromagnetische und hadronische Schauer durch ihreAusdehnung:λ hadx 0= A 1 3 ·Z2A ∝ A 4 3 (2.87)wo<strong>mit</strong> Werte für Gl. 2.87 <strong>von</strong> bis zu 30 durchaus möglich sind (Abb. 2.19)λ int/ X0Z KernladungAbbildung 2.19: Das Verhältnis λ hadals Funktion verschiedener Materialien.x 0Es ist im Falle des hadronischen Schauers wesentlich schwieriger, ein einfachesSchauermodell zu entwickeln. Zum einen fluktuiert die Energieaufteilung auf dieverschiedenen Komponenten (hochenergetische Hadronen, elektromagnetische <strong>Teilchen</strong>,Kernbindungsenergie), und ein Teil der Energie ist überhaupt nicht nachweisbar,wie etwa Neutrinos oder die Kernbindungsenergien. Der letztere Effekt wirdteilweise kompensiert durch n-Einfang und der nachfolgenden Freisetzung der Bindungsenergie.Ferner ist die Ortsverteilung der Energiedeposition <strong>von</strong> π ± und π 0


2.4 Hadronische <strong>Wechselwirkung</strong>en 57unterschiedlich, und der Bruchteil, der durch die π 0 -Mesonen deponiert wird, steigt<strong>mit</strong> der Energief em ≈ f π 0 ∝ E prim(2.88)1 GeVda schnelle Hadronen immer nur zur elektromagnetischen Komponente beitragenkönnen (π − p → π 0 n, . . .), das Umgekehrte ist nicht möglich, da Photonen nur sehrselten π ± erzeugen. Schlißlich nimmt bei kleinen Energien (E prim < 1 GeV) derWirkungsquerschnitt für inelastische Stöße sehr stark ab, so dass keine <strong>Teilchen</strong>erzeugungmehr möglich ist. Die <strong>Teilchen</strong> verlieren dann ihre Energie durch Ionisationund Anregung. Aufgrund dieser Probleme sind analystische Rechnungen für hadronischeSchauer praktisch nicht möglich, man muss sich dann auf Modellrechnungenverlassen, die auf Monte-Carlo Modellen beruhen.

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