schauspielstuttgartmogadischu fensterplatzschauspielstuttgartmogadischu fensterplatzOpfer --------- - (Zeitzeugen)ZeitzeugenJürgen Vietor, Copilot in der »Landshut«Das Sich-Erinnern-Müssen schmerzt. Hitze, Terror und Tod in der »Landshut«,daran mochte ich am liebsten gar nicht mehr denken. Das Gefühl, erschossen,angezündet, in die Luft gesprengt zu werden, das will man wegschließen.Unmittelbar nach der Entführung hatte ich mir geschworen, mich intensiv mit derRAF und dem Palästinenserproblem auseinanderzusetzen, die Reden von Mahmudklangen mir ja noch wochenlang in den Ohren. Also kaufte ich mir einige Bücher,aber irgendetwas blockierte mich innerlich dann doch, sie zu lesen. Ich habe einfachimmer ein sehr privates Leben geführt, dorthin kehrte ich zurück.Auch den RAF-Attentaten nach 1977 habe ich keine große Beachtung geschenkt.Vielleicht ist das ein innerer Mechanismus, daß man sich so abkapselt von einembestimmten Geschehen vielleicht ein gesunder Prozeß, ein gesunder Egoismus.Obwohl ich mich nie bewußt dafür entschieden habe, mich so zu verhalten. Ichweiß noch, daß mich die Ermordung Hanns Martin Schleyers tief berührte. Aber esblieb keine langanhaltende Betroffenheit. Ich war in dieser Zeit einfach viel zu sehrmit meinem Schicksal beschäftigt, ich wollte ans Leben denken.Die Lufthansa hatte uns sechs Wochen Sonderurlaub gegeben für jeden Tagder Entführung eine Woche. Gegen Ende der letzten Woche ging ich auf meinenFlottenchef zu und bat: »Ich möchte ausprobieren, ob ich wieder fliegen kann.«Fünf Tage lang stand mir ein Check-Kapitän zur Seite. Wie ich mich im Cockpitgefühlt habe? Ich habe vor diesen fünf Tagen viel nachgedacht: »Wie wird es sein,wenn du wieder ein Flugzeug betrittst? Drehst du dich auf dem Absatz um undgehst wieder? Durchlebt man die Entführung erneut?«Letztlich hatte ich keine Schwierigkeiten.ZeitzeugenGabriele von Lutzau, Stewardess in der »Landshut«Während des Rückflugs nach Deutschland hatte ich schon etwas geschlafen, allerdingssehr unruhig. Das Wissen, jetzt ist es wirklich vorbei, setzte sich nur langsamin meinem Kopf fest. Wann immer ich wach wurde, mußte ich mir erst einmal klarmachen:»Es gibt keine Terroristen mehr an Bord. Niemand will dich erschießenoder in die Luft sprengen!«Ich kam auch zu Hause in den ersten Tagen gar nicht zur Ruhe. Die Angst, diedoch immer wieder hochkam und die Wirklichkeit verschwimmen ließ, war einfachnoch zu groß. Erst nach unserer Befreiung erfuhr ich, daß es einen Zusammenhangzwischen unserer Entführung und der von Hanns Martin Schleyer gegeben hatte.Ich war wütend und empfand auch Trauer angesichts der Ermordung von Schleyer,für mich vermischten sich diese Gefühle mit der eigenen Geschichte.Es hat lange gedauert, bis sich bei mir wieder eine gewisse Normalität im Lebeneinstellte. In den ersten Jahren nach 1977 verfolgte mich stets das Gefühl derBedrohung: »Sie holen dich zur Erschießung!« Ich hörte unmittelbar nach derEntführung auf, als Stewardess zu fliegen. Ganz und für immer mit dem Fliegenaufzuhören, ist als Frau eines Piloten indes natürlich schwer durchzuhalten. Nachein paar Monaten flog ich mit Rüdiger zusammen in Urlaub, und es ging, obwohlständig Erinnerungen hochschossen. Wohl fühlte ich mich nicht, aber da wirktensicher mein Stolz und auch Trotz in mir, sich von den Terroristen nicht denRest des Lebens bestimmen lassen zu wollen. Man schafft es nicht immer, dieseErinnerungsbarriere zu überwinden, aber hier ging es.Ich war nach der Befreiung sehr schnell schwanger geworden. Rückblickend denkeich, wir haben intuitiv ein neues Leben angefangen. Ein wenig empfand ich auchhier Trotz gegenüber den Terroristen: »Seht her, ich habe es nicht nur überlebt. Ichvermehre mich sogar!«Opfer --------- - (Zeitzeugen)Die ChronikAm 13. 10. 1977 gehen Andrawes, Shehadah, Akache und Harb mit gefälschtenPässen in Palma de Mallorca an Bord der »Landshut«. Sie werden beim Einsteigennicht kontrolliert und können so unbemerkt Handgranaten, Pistolenund Plastiksprengstoff in die Maschine bringen.⁄›› Eine halbe Stundenach Start beginntder Überfall. Die vierTerroristen übernehmendie Maschine mit Gewalt.⁄›› Weil derTreibstoffvorrat nichtreicht, landet die»Landshut« zunächstin Rom-Fiumicino.s: 20 ˚ s: 21 ˚
schauspielstuttgartmogadischu fensterplatzschauspielstuttgartmogadischu fensterplatzZeitzeugenSouhaila Andrawes, Ex-TerroristinZeitzeugenInge Viett, Ex-Terroristintäter --------- - (Zeitzeugen)SIE reden viel üBER das UNRECHT,DAS IHNEN IHRER MEINUNG nach inDEUTSCHLAND widerfahren ist. HabenSIE einmal darüBER nachgedacht,WELCHES LEID SIE den GEISELN zugefüGTHABEN, die während der EntfüHRUNGDER »LANDSHUT« tagelang um ihr LEBENZITTERN muSSTEN?S. Andrawes Mit dieser Schuld kann ich bisheute kaum leben. Nur damals – als jungesMädchen – erschien mir dieses Leid geringim Vergleich zu all dem, was ich im Libanonmit eigenen Augen gesehen habe.UND dieses UNRECHT wollten SIEDURCH eine FLUGZEUGENTFüHRUNGUNGESCHEHEN machen?S. Andrawes Damals habe ich eine solcheAktion als einzige Chance gesehen, derStimme des palästinensischen Volkes weltweitGehör zu verschaffen.WAS denken SIE heute üBER»TERRORISTISCHE« Aktionen?S. Andrawes Ich kann das nicht verdammen,auch wenn ich solche Aktionen fürsinnlos halte. Bevor ich die Hintergründekenne, würde ich so etwas aber nie pauschalverurteilen.Es gibt das berüHMTE BILD, wo SIENACH der ERSTüRMUNG der »LANDSHUT«DURCH die ANTI-TERROREINHEIT GSG 9SCHWERVERLETZT auf der BAHRE liegendIHRE FINGER zum VICTORy-ZEICHEN aus-BREITEN und »KILL me, kill me!« schreien.WAS ist in diesem MOMENT in IHNEN vor-GEGANGEN?S. Andrawes Da brachen in einem existentiellenMoment einfach Gefühle ausmir heraus. Jemand riß meinen Kopf nachhinten, damit ich fotografiert werden konnte.Ich habe versucht, mein Gesicht mit demArm zu schützen, weil ich nicht wollte, daßjemand mich so fotografiert. Ich hatte dasGefühl zu sterben und wollte – ohne darübernachzudenken – für alle Palästinenser, diediese Bilder zu sehen bekommen würden,ein Zeichen der Hoffnung setzen. Daß auchdurch unseren Tod ein gerechter Kampfnicht zu Ende ist. »Kill me, kill me« habe ichgerufen, weil ich entsetzliche Angst davorhatte, daß man mich foltert, um Informationenüber den palästinensischen Widerstand zubekommen.(AUSZUG aus einEM taz-GESPRächvom 29.07. 1997)Die heutigen Fragen: Wieso habt ihr zu den Waffen gegriffen?Was und wer hat euch legitimiert? etc. möchte ich immerhäufiger mit der Gegenfrage beantworten: Wieso haben nurwir – ein paar Hände voll – zu den Waffen gegriffen? Wiesosind Zigtausende, die auf dem Weg waren, zurückgefallen,obwohl sie begriffen hatten, in welch verbrecherischemGesellschaftssystem ihr Leben verdingt wird, mit welchentödlichen Methoden es sich erhält und ausbreitet,obwohl auch sie dieses schwache Moment, diese Krise,in der Geschichte des Kapitalismus erkannt hatten, seinemomentane Defensive …obwohl – und das ist der entscheidende Unterschied zuheute – die noch existenten Alternativen zum Kapitalismuseine gewisse ideologische und materielle Rückendeckunggaben. Es gab philosophische Horizonte und Häfen für unsereAnstrengungen.täter --------- - (Zeitzeugen)⁄›› Die Entführer stellen ein Ultimatum. Zweipalästinensische und 11 Stammheimgefangene,darunter Baader, Raspe und Ensslin, sollen freigelassenwerden. Es wird außerdem eine Summevon 15 Millionen Dollar als Lösegeld verlangt.⁄›› Die »Landshut« wird aufgetanktund kann weiterfliegen.Die italienische Regierung willeine Konfliktlösung auf ihremTerritorium verhindern.s: 22 ˚s: 23 ˚