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Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe

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en sind, sondern dass die Wechselfälleund Nöte unseres Gefühlslebens vielmehrdurch institutionelle Ordnungen geprägtwerden ... Denn diese Probleme bestehennicht in dysfunktionalen Kindheiten odermangelnder Selbsterkenntnis, sondernin jenem Bündel sozialer und kulturellerSpannungen und Widersprüche, diedas moderne Selbst und seine Identitätstrukturieren ... Denn wenn sie lieben,agieren Männer und Frauen nach wievor die tiefen Spaltungen aus, die ihrejeweiligen Identitäten charakterisieren… Die romantische Liebe verschleiert dieSegregation nach Klasse und Geschlechtnicht nur, sie macht sie erst möglich … DerGrund, warum die Liebe so entscheidendist für unser Glück und unsere Identität,hängt eng mit dem Grund zusammen,warum sie so ein schwieriger Teil unsererErfahrung ist; beides hat damit zu tun,wie Selbst und Identität in der Moderneinstitutionalisiert werden. Wenn viele vonuns eine „bohrende Furcht und Unruhe“ inLiebesdingen verspüren und den Verdachthaben, die Liebe ginge mit einem „Gefühlder Verärgerung und der Unzufriedenheitmit uns selbst“ einher, um mich derWorte des Philosophen Harry Frankfurterzu bedienen, so deshalb, weil die Liebedas „Gefangensein“ des Selbst in denInstitutionen der Moderne einschließt,widerspiegelt und verstärkt – wobei dieseInstitutionen selbstverständlich durch dieökonomischen und die Geschlechterverhältnissegeprägt sind … Wenn wir liebenoder schmollen, dann tun wir dies, indemwir auf Ressourcen zurückgreifen unduns in Situationen befinden, die wir nichtselbst gemacht haben.Das kulturelle System der Liebe, das sichauf den religiösen Sinn und später auf dieromantische Ideologie stützte, verklärteFolgeseiten Thomas Halle, Sophia Löfflerdie Frauen und stellte sie auf ein Podest,während es gleichzeitig den MännernGelegenheit bot, ihre Ehre und eine vergrößerteVersion ihrer selbst zur Schauzu stellen. Die gesellschaftliche Auslöschungder Frau konnte demzufolge mitder absoluten Hingabe des Mannes in derLiebe erkauft werden, die ihrerseits justder Schauplatz war, auf dem die Männerihre Männlichkeit ausstellen und ausagierenkonnten ... Es überrascht daher nicht,dass die Liebe so ungemein verlockend fürdie Frauen war: Sie versprach ihnen denmoralischen Status und die Achtung, dieihnen sonst in der Gesellschaft versagtblieb, und sie verklärte ihr soziales Los:Als Mütter, Frauen und Geliebte anderezu versorgen und zu lieben. Die Liebe warsomit hochgradig verführerisch, weil siedie tiefgreifenden Ungleichheiten im Herzender Geschlechterverhältnisse zugleichverschleierte und in ein schöneres Lichtrückte.Die Hoch- oder Hypermoderne ... unterwarfdie Kultur der Liebe sowie die in ihrimplizierte Ökonomie der Geschlechtsidentitäteinem – mitunter tiefgreifenden –Wandel. Diese Kultur bewahrte, ja stärktedas Ideal der Liebe als einer Macht, diedas alltägliche Leben zu transzendierenvermag. Doch als sie die beiden politischenIdeale der Geschlechtergleichheitund der sexuellen Freiheit ins Zentrum derIntimität rückte, entkleidete sie die Liebejener ritualisierten Ehrerbietigkeit undmystischen Aura, in die sie bis dahin gehülltgewesen war. ... Es ist dieser zutiefstgespaltene und doppelte Aspekt der Liebe– als Quelle existentieller Transzendenzund als bis in die Grundfesten umkämpfterSchauplatz, auf dem die Geschlechteridentitätausagiert wird –, der die zeitgenössischeromantische Kultur charakterisiert.31

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