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Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe

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gezwungen. Sein ganzes Leben ist bereitsvon einem starren Regelsystem fremdbestimmt,in dem er stets seine Funktionals Sohn, Erbe und zukünftiger Präsidenterfüllen muss. Die Liebe zu Luise ist seinAusbruch, die Rebellion gegen diesesSystem. Der „Standesunterschied“ istdabei sogar noch von Vorteil – er steigertdas Gefühl der Befreiung und damit dasSelbstwertgefühl.Aber vor allem kann Ferdinand es sich leisten,seine Liebe zu verschenken, fast einbisschen gönnerhaft auch über Standes-,Bildungs-, Milieu-, oder Herkunftsgrenzenhinweg. Umso heftiger ist seine Reaktion,als Luise es wagt, dieses Geschenkabzulehnen. „Der Mensch sieht sich – zuallen Zeiten und in allen Kulturen – vordas Problem der Lösung der einen undimmer gleichen Frage gestellt: wie er seinAbgetrenntsein überwinden, wie er zurVereinigung gelangen, wie er sein eigeneseinzelnes Leben transzendieren unddas Einswerden erreichen kann.“ ErichFromm spitzt diese These in Die Kunst desLiebens für den modernen Menschen nochzu, für den das „Einswerden“ nur noch„in der zwischenmenschlichen Einheit“möglich sei, „in der Vereinigung mit einemanderen Menschen, in der Liebe … Gelingtdiese Vereinigung nicht, so bedeutet dasWahnsinn oder Vernichtung – Selbstvernichtungoder Vernichtung anderer.“ Dermoderne Mensch hat sich für Fromm ineine „Gebrauchsware“ verwandelt undversucht seine Angst vor dem Abgetrenntseinentweder zu betäuben oder in einergroßen, „wahren“ Liebe zu kompensieren.Ferdinand liebt nach Fromm eine „Pseudoliebe“,um das eigene „Loch im Selbst“ zufüllen, das über eine entfremdete Lebensweiseentstanden ist. Diese ist letztlichaber auch nur ein Versuch, den eigenenWert zu steigern, da die Existenz selbst zurWare geworden ist.Luise ist sich anders als Ferdinand ihresWerts sehr bewusst, denn sie hat nichtsaußer der Liebe zu geben: „Wenn dieSchranken des Unterschieds einstürzen –wenn von uns abspringen all die verhasstenHülsen des Standes – Menschen nurMenschen sind –und die Herzen im Preisesteigen. Ich werde dann reich sein. Washätte er dann noch mir voraus?“ DieseUtopie der Gleichheit, dass „Menschennur Menschen sind“, die Schiller seinerHeldin in den Mund legt, harrt bis heuteihrer Verwirklichung. Auch daran könnenwir anschließen und mit Kabale und Liebeden Traum von einem anderen, besserenLeben träumen, in dem sich auch unsereGrenzen aufgelöst haben – die in unserenHerzen oder in unserem Gesellschaftssystem.Dein Kind kann ja nicht dafür,dass dieser Traum so schOn war,und so fUrchterlich jetztdas Erwachen28 Frank Wiegard, Sophia Löffler

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