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Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe

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Andreas Streicher auf der Flucht, von Frankfurtüber Mannheim bis nach Oggersheim;im Jahr 1783 hielt er sich hauptsächlich inThüringen im Hause Henriette von Wolzogensauf, arbeitete aber auch für das NationaltheaterMannheim als Theaterdichterund richtete seine neuen Stücke für dasdortige Ensemble ein: Die Verschwörungdes Fiesco zu Genua und Kabale undLiebe, das zunächst noch den Titel LuiseMillerin trug. Seine Verliebtheit in Henriettevon Wolzogens Tochter Charlotte, fürdie er aufgrund seiner Mittellosigkeit undunsicheren Lage nicht in Frage kam, istwahrscheinlich in Kabale und Liebe eingeflossen,nur mit vertauschten Rollen.Mit Luise Millerin betrieb Schiller eine„Art Selbstversuch“, wie der Literaturwissenschaftlerund Schriftsteller RüdigerSafranski schreibt. Der junge Dramatikerwollte „seine Fertigkeiten in dem neuen,vom Theater stark nachgefragten Genredes ‚rührenden’ bürgerlichen Familienstückserproben“ und sich dramatisch in„die bürgerliche Sphäre herablassen“,wie er es Andreas Streicher gegenüberformuliert. Das Genre des „bürgerlichenTrauerspiels“ war durch Lessings MißSara Sampson und Emilia Galotti inDeutschland eingeführt worden – in Frankreichwar es bereits früher durch Diderotals „genre serieux“ vertreten. Die literarischeEroberung des Trauerspiels, das bisdato nur adelige Figuren kannte, war einAusdruck für das immer selbstbewussterwerdende Bürgertum. Nun erobertendie Bürger und vor allem ihre Töchter alsHauptfiguren die Bühne und traten dort fürein neues Wertesystem ein. Dass EmiliaGalotti sich lieber von ihrem eigenen Vatererstechen lässt, als die Mätresse einesPrinzen zu werden, ist ein klares Beispieldafür, wie das neue Genre die bürgerlichenWertvorstellungen in den Vordergrundstellt und propagiert.Schiller übernahm die Elemente des bürgerlichenTrauerspiels wie „die Beziehungzwischen Vater und Tochter“, die „Verfolgungder Tugend durch das Laster" oderdie „Liebe zwischen sozial ungleichenPersonen“ – sowie die Katastrophe, diedadurch unweigerlich ausgelöst wird. DerAufsatz zu Kabale und Liebe von HelgaMeise aus dem Schiller-Handbuch zeigtauf, dass er sich neben ShakespearesRomeo und Julia und den bereits veröffentlichtenTrauerspielen wie EmiliaGalotti auch an dem damals populärenFamilienstück Der deutsche Hausvater vonOtto Heinrich Reichsfreiherr von Gemmingenorientierte, das einen adeligen Vater inden Mittelpunkt stellt, der alle familiärenKrisen als gütiger Patriarch zu lösen weiß.Mit diesen und anderen Inspirationsquellenim Hintergrund suchte der junge AutorSchiller nach einer neuen Form, nach „seiner“Form des bürgerlichen Trauerspiels,in der er das Komische mit dem Tragischenverbinden und die theatrale Wirkung steigernwollte. Auch die expliziten Verweisedes Stücks auf den württembergischenHerzog Carl Eugen, dessen Mätressenwesenund Verschwendungssucht, derberühmte „Dolchstoß ins Herz des Absolutismus“,war eine Neuerung des Genres.Das Stück spricht den von Herzog CarlEugen praktizierten Soldatenhandel direktan, den „Verkauf“ junger, meist zwangsrekrutierterMänner für die Kolonialkriege inAmerika. Für jeden verschleppten Bauern,Handwerker und Tagelöhner bekam derHerzog Kopfgeld, das er in ein ausschweifendeshöfisches Leben nach dem VorbildVersailles investierte. Die einflussreicheMätresse des Herzogs, Franziska von21

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