Neuer Himmel und neue Erde
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<strong>Neuer</strong> <strong>Himmel</strong> <strong>und</strong> <strong>neue</strong> <strong>Erde</strong><br />
Predigt zu Jesaja 65, 17-25 von Pfarrer Hans-Jürgen Kopkow am 25.11.2012<br />
„ … den ganzen Tag warte ich auf dich, während meine Kräfte sich<br />
verbluten ... Du wirst meine Seele heilen, wann es dir gefällt, denn ich<br />
habe auf dich vertraut ... Ich will mich nicht länger mit den Gedanken<br />
<strong>und</strong> Fragen quälen, die mich wie Dornen umringt haben … du wirst<br />
mich nicht für immer meiner Trübsal überlassen, denn ich habe auf dich<br />
vertraut, <strong>und</strong> ich will auf deine Tröstung in Frieden warten …“<br />
Mit diesen Worten hat Thomas Merton seinen Schmerz <strong>und</strong> seine<br />
Hoffnung ausgedrückt. Sicher sprechen sie vielen aus dem Herzen, die<br />
wie er in Not sind, die sich angesichts des Sterbens Gedanken machen<br />
um sich selbst <strong>und</strong> ihre Lieben.<br />
Jesaja, dessen Gedanken Ausgangspunkt der heutigen Predigt sind, ist<br />
es ähnlich gegangen. Vieles lag im wahrsten Sinne des Wortes in<br />
Trümmern. So schlimm, wie das einerseits ist, trägt es andererseits<br />
aber auch den Keim des Neuen in sich.<br />
Viktor Frankl hat einmal gesagt: „Wie oft sind es erst die Ruinen, die<br />
den Blick freigeben auf den <strong>Himmel</strong>.“ Was für ein w<strong>und</strong>erbarer Gedanke.<br />
Nichts wird schön geredet von den Ruinen, von den Scherben <strong>und</strong><br />
dem Trümmerhaufen, vor denen man steht. Und doch gibt es Gr<strong>und</strong><br />
zur Hoffnung, eben diesen Ausblick, eben den freien Blick auf den<br />
<strong>Himmel</strong>. Das bezieht sich ja nicht auf das Wetter, sondern auf den göttlichen<br />
<strong>Himmel</strong>, auf den himmlischen Vater.<br />
So ähnlich muss es Jesaja angesichts der Ruinen, vor denen er stand,<br />
auch ergangen sein. Denn er schrieb auf, was er als Gottes Wort vernommen<br />
hatte. Und das ermutigte nicht nur ihn, sondern alle, denen er<br />
es sagte.<br />
Und forderte er auf, nicht nur weg zu schauen von allem, was<br />
schmerzt, sondern vor allem hinzuschauen auf Gott, der versprach, die<br />
Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft neu zu machen.<br />
Ich lese aus dem 65. Kapitel des Jesajabuches Gottes Verheißung, die<br />
Jesaja weiter zu sagen hatte: „ 17 Denn siehe, ich will einen <strong>neue</strong>n <strong>Himmel</strong><br />
<strong>und</strong> eine <strong>neue</strong> <strong>Erde</strong> schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken <strong>und</strong><br />
sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. 18 Freuet euch <strong>und</strong> seid fröhlich immerdar<br />
über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne<br />
machen <strong>und</strong> sein Volk zur Freude, 19 <strong>und</strong> ich will fröhlich sein über Jerusalem<br />
<strong>und</strong> mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme<br />
des Weinens noch die Stimme des Klagens. 20 Es sollen keine Kinder<br />
mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen,<br />
sondern als Knabe gilt, wer h<strong>und</strong>ert Jahre alt stirbt, <strong>und</strong> wer die h<strong>und</strong>ert<br />
Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. 21 Sie werden Häuser bauen <strong>und</strong> bewohnen,<br />
sie werden Weinberge pflanzen <strong>und</strong> ihre Früchte essen. 22 Sie sollen<br />
nicht bauen, was ein anderer bewohne, <strong>und</strong> nicht pflanzen, was ein anderer<br />
esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes,<br />
<strong>und</strong> ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen. 23 Sie sollen<br />
nicht umsonst arbeiten <strong>und</strong> keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn<br />
sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, <strong>und</strong> ihre Nachkommen<br />
sind bei ihnen. 24 Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten;<br />
wenn sie noch reden, will ich hören. 25 Wolf <strong>und</strong> Schaf sollen beieinander<br />
weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss<br />
<strong>Erde</strong> fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen<br />
heiligen Berge, spricht der HERR.“<br />
Eine w<strong>und</strong>erbare Vision. Wer würde sich das nicht wünschen - angesichts<br />
der Not, angesichts der Traurigkeit, angesichts der Krankheit,<br />
angesichts des Unglücks, angesichts des Sterbens, angesichts des Todes?<br />
Was wäre es schön, wenn Gott alles wieder neu machen würde,<br />
wenn er alles gut werden ließe. Was wäre es schön, wenn alles Weinen<br />
<strong>und</strong> Klagen ein Ende finden würde. Und was wäre es tröstlich, wenn<br />
man erleben würde, wie er all unsere Fragen beantwortete.<br />
Ist das nun nur Zukunftsmusik? Oder kann das nicht auch jetzt schon<br />
– wenigstens ansatzweise – unsere Wirklichkeit in der Gegenwart sein<br />
oder zumindest verändern?<br />
Doch: Ich denke schon. Gott weiß um uns. Er hört uns. Und er ist<br />
dabei, uns immer wieder einen Neuanfang zu ermöglichen, gerade dann,<br />
wenn sich unser Leben in Folge einer Not oder eines Todes neu ordnet.<br />
Heute, am Ewigkeitssonntag, denken wir in besonderer Weise an unsere<br />
Toten. Da sie tot sind, kann für sie hier auf dieser Welt nichts<br />
mehr gut werden. Und für die, die sie gehen lassen mussten, sind sie<br />
unwiederbringlich verloren. Und das tut weh.<br />
Und doch: Viele haben gerade in jener schweren Zeit gespürt, wie<br />
Gott bei Ihnen war, wie er ihre Gebete erhört hat <strong>und</strong> wie sehr es ge-
holfen hat, sich <strong>und</strong> seine Lieben ihm anzuvertrauen, den Glauben an<br />
seine Nähe diesseits wie jenseits des Todes nicht aufzugeben.<br />
So sind diese Worte aus dem Jesaja-Buch tröstlich angesichts des<br />
Sterbens <strong>und</strong> des Todes – sowohl für unsere Lieben, die wir hergeben<br />
mussten, als auch für uns, die wir mit deren Tod nun leben müssen.<br />
Diese Worte sprechen nun aber nicht nur die unter uns an, die einen<br />
Verlust zu beklagen haben. Sie sprechen auch die an, die aus anderen<br />
Gründen in Not sind, die krank sind, die arbeitslos sind, die traurig sind,<br />
die von sich denken: „Es hat doch alles keinen Sinn.“<br />
Wie auch immer die Hoffnungslosigkeit aussieht - diese Worte aus<br />
dem Jesaja-Buch eröffnen die Hoffnung auf einen <strong>neue</strong>n <strong>Himmel</strong> <strong>und</strong> eine<br />
<strong>neue</strong> <strong>Erde</strong>, in der vieles – nein alles – anders ist, so anders, dass man<br />
sich nicht mehr erinnern kann, wie es früher einmal war.<br />
Das wird am deutlichsten im letzten Vers, in dem es heißt: „Wolf <strong>und</strong><br />
Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind“<br />
Spätestens hier merkt jeder: Das muss eine ganz andere Welt sein.<br />
Denn so etwas wäre hier <strong>und</strong> jetzt in dieser Welt ganz <strong>und</strong> gar unmöglich.<br />
Nun werden manche mit Blick auf eine <strong>neue</strong> Welt zu Recht einwenden:<br />
„Das mag ja für die, denen es schlecht geht, eine tröstliche Perspektive<br />
sein. Aber für die Menschen, denen es gut geht, hört sich das<br />
alles sehr beunruhigend an.“<br />
Denn wenn es einem gut geht, dann wünscht man sich doch, dass es<br />
einfach so bleibt, wie es ist, dass es einfach nur so gut bleibt, wie es gerade<br />
ist. Wozu also einen <strong>neue</strong>n <strong>Himmel</strong> <strong>und</strong> eine <strong>neue</strong> <strong>Erde</strong>?<br />
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass diese Worte der Verheißung<br />
mit Blick auf das Diesseits <strong>und</strong> mit Blick auf das Jenseits verstanden<br />
werden können.<br />
Zum einen könnte es beim <strong>neue</strong>n <strong>Himmel</strong> <strong>und</strong> bei der <strong>neue</strong>n <strong>Erde</strong> also<br />
um ein Paradies auf <strong>Erde</strong>n gehen, also um eine <strong>neue</strong> Welt Gottes im<br />
Diesseits.<br />
Schauen wir daraufhin in die Verheißung, wie sie Jesaja aufgeschrieben<br />
hat, bekommen wir ja durchaus glänzende Augen. Was wäre das w<strong>und</strong>erbar,<br />
wenn sich alle über das freuen könnten, was da an <strong>neue</strong>r Welt<br />
entsteht, weil es da – vgl. V. 19 – kein Klagen <strong>und</strong> Weinen mehr gibt.<br />
Was wäre es w<strong>und</strong>erbar, wenn – vgl. V. 20 – die Kindersterblichkeit<br />
gering <strong>und</strong> die Lebenserwartung hoch wäre? Was wäre es w<strong>und</strong>erbar,<br />
wenn – vgl. V. 21+22 – alle ihr eigenes Heim <strong>und</strong> gut zu essen hätten?<br />
Was wäre es w<strong>und</strong>erbar, wenn – vgl. V. 23 – alle Arbeit hätten <strong>und</strong> für<br />
gute Arbeit gutes Geld bekämen? Was wäre es w<strong>und</strong>erbar, wenn – vgl.<br />
V. 25 – alle in Frieden miteinander auskommen würden?<br />
Was für ein w<strong>und</strong>erbarer Traum – aus dem man allerdings angesichts<br />
dessen, wie die Welt ist – jäh erwacht. Und wer weiterträumt, der<br />
muss sich – vielleicht zu Recht – anhören: „Träum weiter, du Spinner.“<br />
Denn so schön, wie es in der Südstadt ist, ist es ja nicht überall.<br />
Und wenn man sich dann noch vergegenwärtigt, dass der Traum – vgl.<br />
V. 18+19 – von Jerusalem <strong>und</strong> seiner Umgebung aus Wirklichkeit werden<br />
soll, spätestens dann kommen einem Tränen in die Augen. Denn<br />
gerade in Palästina scheint man meilenweit von dem entfernt, was hier<br />
als zukünftige Welt in Aussicht gestellt wird.<br />
Von daher ist nur allzu verständlich, wenn Menschen diese w<strong>und</strong>erbaren<br />
Worte nicht als Vision einer möglichen irdischen Welt verstehen<br />
können, sondern allenfalls als Vision einer himmlischen Welt, die jenseits<br />
des Todes liegt, in der es – wie in der Lesung zu hören war – kein<br />
Leid, kein Geschrei, keine Quälerei <strong>und</strong> keinen Tod mehr geben wird.<br />
Ich meine: Wir tun gut daran, beides nicht gegeneinander auszuspielen,<br />
sondern beides im Blick zu behalten. Warum sollte Gott nicht eine<br />
<strong>neue</strong> Welt diesseits des Todes als auch eine <strong>neue</strong> Welt jenseits des<br />
Todes für uns im Sinn haben?<br />
Warten wir’s doch ab <strong>und</strong> – vor allem – stellen wir uns darauf ein,<br />
dass beides werden will, für uns wie für unsere Lieben wie für alle Kinder<br />
Gottes.<br />
Und so haben wir alle Gr<strong>und</strong> zur Hoffnung <strong>und</strong> zur Freude, ganz so,<br />
wie es hier – vgl. V. 18 – steht: „Freuet euch <strong>und</strong> seid fröhlich immerdar<br />
über das, was ich schaffe.“<br />
In diesem Sinne lade ich Sie ein, sich an allem zu freuen, was Gott an<br />
Gutem getan hat, tut <strong>und</strong> tun wird. Lassen Sie uns doch einfach so fröhlich<br />
sein, wie es nur geht, <strong>und</strong> im Horizont des <strong>neue</strong>n <strong>Himmel</strong>s <strong>und</strong> der<br />
<strong>neue</strong>n <strong>Erde</strong> leben <strong>und</strong> sterben – <strong>und</strong> dadurch dazu beitragen, dass die<br />
Vision von der <strong>neue</strong>n Welt konkret wird.<br />
Amen.