KoNKRet - Magazin Humanité
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Eines Tages begegneten Michel und Nastasie<br />
im Chaos von Carrefour der Mutter<br />
eines Schulfreundes. Die Frau nahm sich<br />
spontan der Kinder an, obwohl ihr eigenes<br />
Haus stark beschädigt war.<br />
Endlich, nach Tagen der Ungewissheit,<br />
klingelte bei Benita Millien das Telefon:<br />
Michel und Nastasie sind am Leben!<br />
Das Rote Kreuz schaltet sich ein<br />
Kaum waren die ersten Tränen der Freude<br />
abgewischt, meldete sich Benita Millien<br />
beim Suchdienst des SRK: Sie wollte<br />
ihre Kinder so schnell wie möglich in die<br />
Schweiz holen. Sie hatten in Haiti keine<br />
Verwandten mehr und würden sonst in ein<br />
Der weltweite Suchdienst des<br />
Roten Kreuzes berät und<br />
betreut Angehörige, bis die<br />
Suche abgeschlossen ist.<br />
Waisenheim kommen. Der weltweite Suchdienst<br />
des Roten Kreuzes hilft Familien, die<br />
Angehörige aus den Augen verloren haben<br />
und unterstützt die Betroffenen bei der Familienzusammenführung.<br />
Als erstes registrierte<br />
Jeanne Rüsch, Mitarbeiterin des Suchdienstes<br />
SRK, die Kinder in der internationalen<br />
Rotkreuz-Datenbank als unbegleitete Min-<br />
derjährige und informierte das Internationale<br />
Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Haiti<br />
über deren Aufenthaltsort. Das IKRK klärte<br />
sofort ab, ob sich die Kinder in einer – den<br />
Umständen entsprechend – sicheren Umgebung<br />
und Betreuung befanden.<br />
Dann machte sich das Rote Kreuz mit Benita<br />
Millien an die Arbeit: Gesuche und<br />
Formulare mussten ausgefüllt und fristgerecht<br />
bei Bundesämtern in der Schweiz<br />
und in der Botschaft in Haiti eingereicht<br />
werden, damit die Kinder Pässe, ein Einreisevisum<br />
und Flugtickets erhielten.<br />
ein neues Leben in der Schweiz<br />
Dank der Hilfe des SRK konnte Benita<br />
Millien alle Formalitäten trotz der emotionalen<br />
Belastung der Situation bewältigen.<br />
Mittlerweile leben die Kinder seit einigen<br />
Monaten in der Schweiz und gehen hier<br />
zur Schule. Sie müssen jetzt Deutsch lernen,<br />
Französisch sprechen sie fliessend.<br />
Michel ist im Fussballverein, wo er Freundschaften<br />
geschlossen hat. Auf die Frage,<br />
ob es ihm in der neuen Schule gefällt,<br />
meint er nachdenklich: «Nein, ich habe oft<br />
Angst im Unterricht, denn … das Schulgebäude<br />
ist so gross.» Das Trauma des Erdbebens<br />
sitzt noch tief.<br />
➥ redcross.ch/haiti<br />
KuRz beFRaGt<br />
Zur aktuellen Lage<br />
in Haiti<br />
Karl Schuler<br />
Der Kommunikationsleiter der<br />
Internationalen Zusammenarbeit<br />
SRK war auf einem<br />
Arbeitseinsatz in Haiti und<br />
steht in Kontakt mit unseren<br />
Mitarbeitenden vor Ort.<br />
RePoRt<br />
Ist die Zerstörung immer noch<br />
sichtbar?<br />
Ja, sogar im Stadtzentrum liegen vielerorts<br />
noch Trümmer und Schutthaufen<br />
des Erdbebens vom Januar. Man hat<br />
berechnet, dass es bei täglich 300<br />
Lkws sechs Jahre dauert, bis sämtlicher<br />
Schutt weggeräumt sein wird.<br />
Wie leben die Menschen in<br />
Haiti heute?<br />
Mich beeindruckt die Lebenskraft und<br />
Improvisationsfähigkeit der Haitianer.<br />
Noch leben schätzungsweise 1,2 Millionen<br />
Menschen in Zelten oder unter<br />
Planen, die den starken Regenfällen<br />
kaum standhalten. Mit Drainagen und<br />
der Verteilung von weiterem Material<br />
für eine trockene provisorische Unterkunft<br />
versucht man das Schlimmste zu<br />
verhindern. Das Rote Kreuz sorgt auch<br />
für sauberes Trinkwasser. Das ist immer<br />
etwas vom Wichtigsten, um Seuchen<br />
wie die Cholera zu vermeiden.<br />
Braucht es weiterhin Spenden?<br />
Ja, für den längerfristigen Wiederaufbau.<br />
Das SRK beispielsweise baut<br />
600 erdbebensichere Behausungen<br />
für obdachlose Bauern auf. In Léogane<br />
wurde die zerstörte Primarschule<br />
in provisorischen Holzbauten untergebracht,<br />
und in unseren Zelten ist<br />
die einzige Tuberkulose-Klinik des<br />
Landes vorübergehend stationiert.<br />
Aber das ist nur der Anfang, der eigentliche<br />
Wiederaufbau wird Jahre<br />
dauern.<br />
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<strong>Humanité</strong> 4/2010 7