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KoNKRet - Magazin Humanité

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<strong>KoNKRet</strong><br />

Man könnte den 50-jährigen Razek<br />

Fazely äusserlich für einen Schweizer<br />

Bauern halten, würde er nicht die typische<br />

Mütze der Paschtunen tragen. Auf<br />

unseren Vergleich hin lächelt der Mann<br />

mit den blauen Augen verschmitzt und<br />

meint, der Bart eines Schweizers in seinem<br />

Alter sei wohl noch nicht so ergraut<br />

vor lauter Kummer. Und wer könnte ihn<br />

nicht verstehen, seinen Kummer, wenn<br />

man seine Geschichte gehört hat? Sie<br />

steht stellvertretend für viele Kleinbauern<br />

in Pakistan.<br />

Die Geschichte von Razek Fazely<br />

Das Überleben war schon vor der Naturkatastrophe<br />

schwierig für den Pachtbauern.<br />

Er lebt mit seiner Frau und den sieben<br />

Kindern im Dorf Agra in der Nähe von<br />

Charsadda (s. Karte). Sein Hof liegt über<br />

Die Flut zerstörte das Haus<br />

und vernichtete die existenzgrundlage<br />

der Bauernfamilie.<br />

einen Kilometer entfernt von einem Nebenfluss<br />

des Indus. Dennoch wurde dieser<br />

Ende Juli überflutet. Dies bedeutete für ihn<br />

den Verlust seiner ganzen Existenzgrundlage.<br />

Die Familie brachte sich auf dem<br />

Flachdach in Sicherheit. «Meine Frau und<br />

die jüngeren Kinder wurden nach vier<br />

aPRoPoS<br />

Indus – von der Lebensader zur Bedrohung<br />

Mit dem Amazonas oder dem Nil, die mit über 6500 Kilometern<br />

als die längsten Flüsse der Welt gelten, kann er<br />

zwar nicht mithalten. Trotzdem ist der 3180 Kilometer lange<br />

Indus der grösste Fluss des indischen Subkontinentes. Er<br />

entspringt im Tibet und fliesst bei Karachi in das Arabische<br />

Meer. Dabei durchquert er Pakistan der Länge nach von<br />

Norden bis zum Süden. Er sorgt für fruchtbaren Boden und<br />

somit für reiche Ernten von Weizen, Reis, Zuckerrohr und<br />

Baumwolle. Durch die ausserordentlich heftigen Monsunregen<br />

überflutete der Indus ab Ende Juli ganze Landstriche.<br />

Vor allem in den Provinzen Punjab und Sindh im Süden des<br />

Landes ist der Fluss auf eine Breite von bis zu 20 Kilometern<br />

angeschwollen und hat Millionen von Menschen in die<br />

Flucht getrieben. Landlose Bauern, die in einem feudalen<br />

System von den Grossgrundbesitzern abhängen, verloren<br />

ihre Existenzgrundlage. Auch die Pacht- und Kleinbauern<br />

im Norden des Landes sind stark betroffen.<br />

26 <strong>Humanité</strong> 4/2010<br />

Razek Fazely hat wie Millionen Bauern alles verloren<br />

Tagen von einem Helikopter gerettet», erzählt<br />

er. «Ich habe mit den älteren Söhnen<br />

ausgeharrt und den Hausrat bewacht.»<br />

Heute türmt sich der kompakte Schlamm<br />

fast bis zum Dach des langgezogenen<br />

Hauses aus Lehm und Ziegelstein. Um<br />

vor der Instandstellung diese feste Schuttmasse<br />

abzutragen, muss bei einem Baugeschäft<br />

ein Bagger gemietet werden.<br />

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK)<br />

übernimmt dafür die Kosten und unterstützt<br />

ihn und die anderen Kleinbauern in<br />

IRAN<br />

180 km<br />

AFGHANISTAN<br />

Belutschistan<br />

Karatschi<br />

dieser Gegend so ganz direkt, damit der<br />

Wiederaufbau überhaupt möglich wird.<br />

Zusätzlich braucht Razek Fazely Getreide-Saatgut,<br />

damit er wenigstens nächstes<br />

Jahr wieder ernten kann.<br />

Kleinbauern sind auf<br />

Nahrungshilfe angewiesen<br />

Der Bezirk Charsadda liegt in der Provinz<br />

Khyber Pakhtunkhwa im Norden Pakistans<br />

und wurde zusammen mit dem benachbarten<br />

Swat-Tal besonders stark von<br />

den Überschwemmungen heimgesucht.<br />

Hier leben eine Million Menschen, die<br />

hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig<br />

sind. Die grosse Mehrheit als kleine Pachtbauern<br />

wie Razek Fazely. Über die Hälfte<br />

der Bevölkerung ist von den Fluten betroffen,<br />

indem sie entweder Land und Ernte<br />

verloren haben oder ihr Haus ganz oder<br />

teilweise zerstört wurde. Mais und Reis<br />

haben sie vor allem angebaut, um sich<br />

selber zu versorgen. Die Zuckerrohrfelder<br />

waren ihre Einkommensquelle. Nun ist<br />

alles zerstört. Um die Not zu lindern, entschloss<br />

sich der lokale Rote Halbmond mit<br />

Unterstützung des SRK, die bedürftigsten<br />

20 000 Familien während zwei bis vier<br />

Monaten mit Nahrungsrationen zu unterstützen.<br />

Monatlich erhält jede Familie<br />

insgesamt 30 Kilo Mehl, Linsen, Speiseöl,<br />

Zucker, Salz und Gewürze. «Sämtliche<br />

Indus Indus Indus<br />

Waziristan<br />

Sindh<br />

Charsadda<br />

Peschawar<br />

Indus<br />

Indus<br />

Sukkur-Damm<br />

Sukkur<br />

Hyderabad<br />

Grafik: Loris Succo,<br />

© Neue Luzerner Zeitung<br />

Khyber-<br />

Pakhtunkhwa<br />

FLUT IN<br />

PAKISTAN<br />

Multan<br />

Punjab<br />

Gilgit-<br />

Baltistan<br />

INDIEN<br />

Islamabad<br />

Mässig betroffen<br />

Stark betroffen<br />

Staudämme

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