KoNKRet - Magazin Humanité
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eRlebt<br />
Anna Hirschi zeigt dem Patienten einfache Übungen für zu Hause<br />
en Zusammenhänge verstanden haben,<br />
versuchen sie zusammen mit der Patientin<br />
oder dem Patienten eine geeignete Strategie<br />
zu finden, die sich bewährt.<br />
eine enorme Herausforderung<br />
Leider kann bei chronischen Schmerzen<br />
auch die beste Therapie kein schmerzfreies<br />
Leben ermöglichen. Zu tief sitzt<br />
das Trauma bei Menschen, die gefoltert<br />
wurden.<br />
«Mein Körper ist sehr, sehr müde. Schmerzen<br />
meiner Hände begleiten mich andauernd,<br />
bei jeder Arbeit und bei allem, was<br />
ich tue. Aber ich kämpfe immer, jeden<br />
Tag, in jedem Augenblick, in jeder Sekunde,<br />
dagegen. Sogar im Schlaf habe ich<br />
Schmerzen in meinen Händen und Beinen.<br />
Das Gefängnis und die Folter haben<br />
in meinem Körper schlimme Erinnerungen<br />
hinterlassen. Auch wenn ich diese ignoriere<br />
und aus meinem Gehirn verbanne,<br />
melden sie sich und erinnern mich an die<br />
schlimmen Erlebnisse.»<br />
14 <strong>Humanité</strong> 4/2010<br />
Und hier lauert die ganz grosse Herausforderung:<br />
Die Patientin oder der Patient<br />
soll lernen, sich nicht auf die Schmerzen<br />
zu konzentrieren. Im Gegenteil, wie ein<br />
ständiger Begleiter sollen die Schmerzen<br />
akzeptiert werden. Das mag zuerst schon<br />
fast höhnisch klingen, macht aber Sinn,<br />
wenn man sich genauer überlegt, dass<br />
Körper und Psyche untrennbar sind. So<br />
sind Schmerzen oft Ausdruck einer De-<br />
«Die Schmerzen tun mir jetzt<br />
weniger weh.»<br />
pression, und die Depression wiederum<br />
kann das Schmerzempfinden ins Unerträgliche<br />
verstärken. Ein Patient, dem<br />
es psychisch besser ging nach einer<br />
Gesprächstherapie, hat gesagt: «Die<br />
Schmerzen tun mir jetzt weniger weh.»<br />
Diese Aussage verdeutlicht den Zusammenhang<br />
präzis.<br />
Anna Hirschi weiss aus Erfahrung: «Wenn<br />
man nicht mehr gegen den Schmerz ankämpft<br />
ist das schon viel. Kombiniert mit<br />
aPRoPoS<br />
Ambulatorium für Folter- und<br />
Kriegsopfer SRK (afk)<br />
Überlebende von Folter, Krieg und<br />
Vertreibung erhalten im afk medizinische<br />
und psychotherapeutische Hilfe<br />
sowie Sozialberatung. Während der<br />
Bürozeiten beantwortet das afk-Team<br />
auch telefonische Anfragen. Es erteilt<br />
allgemeine Auskünfte und bietet kurze<br />
Beratungen an. Bei Bedarf erfolgt eine<br />
vertiefte Situationsanalyse.<br />
Seit der Eröffnung des Ambulatoriums<br />
1995 stieg die Zahl der Patienten stetig<br />
an. 2009 wurden über 2738 Konsultationen<br />
durchgeführt. Die Patienten stammen<br />
aus rund 50 Ländern, in denen die<br />
Menschenrechte nicht respektiert werden.<br />
Das afk leistet auch Öffentlichkeitsarbeit<br />
und sensibilisiert die Bevölkerung<br />
für die Anliegen der Folteropfer.<br />
Das afk wird zu einem grossen Teil<br />
über Mittel des SRK finanziert. Spenden<br />
sind herzlich willkommen. Postkonto<br />
30-9700-0, Vermerk «afk»<br />
einer gezielten Körperübung, kann man<br />
lernen, sich von den Schmerzen nicht<br />
besiegen zu lassen.» Die Behandlung<br />
chronischer Patienten beinhaltet immer<br />
auch Hilfe zur Selbsthilfe. In der Therapie<br />
lernen die Patienten auch verschiedene<br />
Körperübungen, die sie in akuten Stresssituationen<br />
selber anwenden können. Sie<br />
werden auch motiviert, lieber ein Freudebuch<br />
anstatt Schmerzbuch zu führen.<br />
Jeder Mensch ist anders und findet mit<br />
der Fachperson seine persönliche Lösung,<br />
die das Schmerzempfinden senkt.<br />
Die Herausforderungen und die persönliche<br />
Belastung in Anna Hirschis Beruf<br />
sind gross. Aber sie weiss: «Nur nichts<br />
tun ist schlimmer. Diese Menschen haben<br />
Hilfe verdient und brauchen sie wirklich<br />
dringend. Für viele wäre das Leben sonst<br />
nicht mehr lebenswert.»<br />
➥ redcross.ch/ambulatorium<br />
Die kursiv gedruckten, anonymen Zitate stammen aus Patientendossiers<br />
des afk und stammen nicht von der abgebildeten<br />
Person.