Die Maler<strong>in</strong> Frieda StrohmbergVom süddeutschen Barock zur ostdeutschen Backste<strong>in</strong>gotikvon Dr. Ernst VogelsangWer er<strong>in</strong>nert sich noch an sie? Vermutlichnur wenige. Sie hatte zwischen1910 und 1927 das Allenste<strong>in</strong>erKunstleben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er beachtlichenWeise bereichert, dass es sich lohnt,ihrer Biographie nachzugehen undsie <strong>in</strong> unser Gedächtnis zurückzurufen.Frieda Strohmberg stammte ausSchwe<strong>in</strong>furt, wo sie am 13. November1885 als jüngste von vier Töchterndes Bankiers Karl Strohmbergund se<strong>in</strong>er Ehefrau Amalie Silbermanngeboren wurde. Die drei älterenSchwestern – Dora, Paula undElsa – sollten <strong>in</strong> ihrem späteren Lebennoch e<strong>in</strong>e bedeutsame Rollespielen.Der Vater verlegte 1893 se<strong>in</strong>e Privatbanknach Würzburg, wo FriedaStrohmberg aufwuchs. Schon frühzeigte sich ihre Neigung und Begabungzur Malerei, so dass sie mit 20<strong>Jahren</strong> zur künstlerischen Ausbildungnach München g<strong>in</strong>g. Der ausder Schule des Impressionismuskommende, damals bekannte AngeloJank wurde ihr Lehrer, der sie <strong>in</strong>das Handwerkliche, die Maltechnikund die damalige Kunstrichtung e<strong>in</strong>führte.Daneben bot die bayerischeKönigsresidenz mit ihren zahlreichenAusstellungen, Museen und Künstlernreiche Anregungen, die ihrerMalerei förderlich waren.1906 wechselte sie an die Kunstakademie<strong>in</strong> Brüssel. Hier lebte ihreverheiratete Schwester Dora, bei dersie wohnen konnte. Auch hier empf<strong>in</strong>gsie viele neue Impulse durch dieBauten, Museen und Künstler.Durch besondere Leistungen aufgefallen,wurde sie mit e<strong>in</strong>er Silbermedailleder Akademie ausgezeichnet –als Ausländer<strong>in</strong>!Ihre Lehrjahre beschloss sie an derKunstakademie <strong>in</strong> Kassel. Wiederkonnte sie bei der Familie ihrer ältestenSchwester Elsa leben, die mitdem angesehenen und damals rechtbekannten Arzt Dr. med. Willy Gotthilfverheiratet war. Durch den großenBekanntenkreis der Gotthilfswurde sie schnell <strong>in</strong> Kassel heimisch,22
wozu auch Stadt und Umgebungbeitrugen. Sie entwickelte sich zurLandschaftsmaler<strong>in</strong>, auch entstandenviele Blumenstücke und nichtzuletzt Porträts, mit denen sie nichtnur treffsicher das Äußere, sondernauch das Wesen ihres Gegenüberserfasste.So kamen genügend Aufträge ausder Gesellschaft, sie war gefragt,doch wusste sie, wie schwierig diematerielle Existenz freien Künstlertumsse<strong>in</strong> konnte. Nicht zuletzt auchdar<strong>in</strong> bestärkt durch ihren SchwagerGotthilf, ergänzte sie ihre malerischedurch e<strong>in</strong>e pädagogische Ausbildungund schloss die Kasseler Zeitmit e<strong>in</strong>em Examen als Zeichenlehrer<strong>in</strong>ab, das sie zu e<strong>in</strong>er Anstellung ane<strong>in</strong>er öffentlichen höheren Schule <strong>in</strong>Preußen berechtigte.Das preußische M<strong>in</strong>isterium fürgeistliche und Unterrichtsangelegenheiten<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (Kassel gehörte zurpreußischen Prov<strong>in</strong>z Hessen) beantworteteihr Anstellungsgesuch positiv– es war e<strong>in</strong>e Zeichenlehrerstelle <strong>in</strong>Allenste<strong>in</strong> am dortigen Lyzeum, derLuisenschule, frei geworden. So kamsie von Mitteldeutschland zum 1.Oktober 1910 <strong>in</strong> den Osten.Es war der gewaltige Sprung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eihr noch unbekannte und unterentwickelteWelt, so die damals gängigeMe<strong>in</strong>ung. Hatte man doch imReich (damit bezeichnete man <strong>in</strong>Ostpreußen das Deutschland westlichder Weichsel) die <strong>Vor</strong>stellung,dass e<strong>in</strong>e Versetzung <strong>in</strong> die östlichsteProv<strong>in</strong>z, sozusagen nach Sibirien,e<strong>in</strong>er Strafe gleichkam. Doch sollman hier gleich e<strong>in</strong>flechten, dass diemeisten der dorth<strong>in</strong> versetztenStaatsdiener hernach nicht mehr zurückgehenwollten.Hier nun empf<strong>in</strong>g die im WürzburgerBarock groß gewordene, durchMünchen, Brüssel und Kassel geprägtejunge Künstler<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Welt,deren Landschaft sich nicht nur alsunentdeckte Perle erwies, sondernderen Menschen <strong>in</strong> Anlage und Gemütauch anders waren. Des Lebensbreiter Fluss bewegte sich hier <strong>in</strong> ruhigerenBahnen.Allenste<strong>in</strong> selbst hatte <strong>in</strong> jener Zeitals Stadt e<strong>in</strong>en ungeahnten Aufschwungvon e<strong>in</strong>er Kle<strong>in</strong>stadt zu e<strong>in</strong>embeachtlichen Geme<strong>in</strong>wesenmittlerer Größe gerade h<strong>in</strong>ter sichund war nun unter der klugen Handihres Oberbürgermeisters Zülch dabei,sich stetig weiter zu entwickeln.Mit den staatlichen und kommunalenÄmtern, Schulen, e<strong>in</strong>er großen Garnisonund aufblühenden Wirtschaftwuchs auch e<strong>in</strong>e an Kultur, Kunstund Musik <strong>in</strong>teressierte Gesellschaftsschicht.In dieses Umfeld kam Frieda Strohmberg.Sie mietete sich <strong>in</strong> der Pensionvon Fräule<strong>in</strong> Nitsch <strong>in</strong> der Langgasse25 e<strong>in</strong>, wo bereits zwei Kolleg<strong>in</strong>nen –Me<strong>in</strong>ecke und Viertel – wohnten. DieLehrkräfte von Lyzeum und Oberrealschule,im Gegensatz zum staatlichenGymnasium beides städtischeAnstalten, bildeten e<strong>in</strong>e zwangloseGesellschaft, <strong>in</strong> der sich vielerlei Interessenmite<strong>in</strong>ander verbanden. Infesten Abständen traf man sich beispielsweisezu geme<strong>in</strong>samen Spaziergängendurch den Stadtwald, soes die Witterung zuließ, um im ländlichenGasthaus Osch<strong>in</strong>ski <strong>in</strong> Neu-Wadang e<strong>in</strong>zukehren, wo sich dievielerlei Begabungen austauschten.Es war e<strong>in</strong>e vielseitig gebildete und<strong>in</strong>teressierte Geme<strong>in</strong>schaft, <strong>in</strong> dieder Neul<strong>in</strong>g aus dem Reich stieß23